Bundessozialgericht Urteil, 21. März 2018 - B 6 KA 44/16 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:210318UB6KA4416R0
bei uns veröffentlicht am21.03.2018

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. September 2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen einen Schiedsspruch, mit dem der Inhalt eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV-Vertrag) nach § 73b SGB V zwischen ihr und dem beklagten Hausärzteverband festgelegt worden ist.

2

Die Klägerin schloss mit dem Beklagten am 12.2.2009 einen Vertrag zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b SGB V, der ab 1.4.2009 umgesetzt wurde. Am 26.6.2009 schloss die Klägerin ferner mit der BVKJ-Service GmbH, einer Gesellschaft des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), einen "Vertrag zur Durchführung einer pädiatrie-zentrierten Versorgung" gemäß § 73b SGB V, der am 6.12.2011 mit Wirkung zum 1.1.2012 geändert wurde.

3

Nachdem der frühere Vorstand des Beklagten Ende des Jahres 2010 alle Hausärzte Bayerns zum "Systemausstieg" aufgerufen hatte, kündigte die Klägerin den HzV-Vertrag außerordentlich mit Wirkung zum 31.12.2010. Einstweilige Rechtsschutzanträge des Beklagten zur Fortführung des Vertrages blieben erfolglos (SG München Beschluss vom 19.1.2011 - S 39 KA 1248/10 ER; Bayerisches LSG Beschluss vom 22.2.2011 - L 12 KA 2/11 B ER - NZS 2011, 386). Die anschließend bis Juli 2011 geführten Gespräche unter Beteiligung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit mit dem Ziel des Abschlusses eines neuen Vertrages wurden ergebnislos beendet. Daraufhin beantragte der Beklagte die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach § 73b Abs 4a S 1 SGB V.

4

Die Schiedsperson setzte mit Schiedsvertrag vom 13.2.2012 den Inhalt des HzV-Vertrages fest. Zur Begründung des Vertrages führte die Schiedsperson ua aus, dass es sich um einen Anschlussvertrag, nicht um einen "Neuvertrag" handele. Die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grunde des HzV-Altvertrages durch die Klägerin zum 31.12.2010 stehe dieser Wertung als Anschlussvertrag nicht entgegen. Der Vertrag sei in Ausübung billigen Ermessens als sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrag und nicht als Add-on-Vertrag festgesetzt worden. Um einem zentralen Anliegen der Klägerin Rechnung zu tragen, würden die Mehrausgaben gegenüber der Regelversorgung auf 70 Millionen Euro pro Jahr begrenzt.

5

Die Klägerin hat den HzV-Vertrag zum 30.6.2014 gekündigt. Für die folgende Zeit ist durch eine weitere Schiedsperson wiederum ein HzV-Vertrag festgesetzt worden (vgl das Verfahren vom selben Tag zum Az B 6 KA 59/17 R).

6

Das SG hat die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung des Schiedsspruchs und hilfsweise die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit geltend gemacht hat, abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das LSG zurückgewiesen. Die Entscheidung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V unterliege nach den in der Rechtsprechung zur Überprüfung von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V entwickelten Maßstäben nur in eingeschränktem Umfang der gerichtlichen Kontrolle.

7

Der HzV-Vertrag sei nicht auf der Grundlage des § 73b SGB V idF des Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Finanzierungsgesetz - GKV-FinG vom 22.12.2010, BGBl I 2309) festzusetzen gewesen, sondern auf der Grundlage des § 73b SGB V in der bis zum 21.9.2010 geltenden Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (vom 15.12.2008, BGBl I 2426), weil es sich bei dem Vertrag um eine Anschlussvereinbarung iS des § 73b Abs 5a S 5 SGB V aF handele. Dass der neue HzV-Vertrag in zeitlicher Hinsicht nicht unmittelbar an den früheren HzV-Vertrag anknüpfe, stehe der Einordnung als Anschlussvereinbarung nicht entgegen. Es liege auch kein Verstoß gegen das Gebot der Selbsttragung eines Wahltarifs (§ 53 Abs 9 SGB V) vor, der vorsehe, dass die Aufwendungen der gesetzlichen Krankenkassen für die HzV grundsätzlich über Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanziert werden müssten. Der von der Schiedsperson festgesetzte HzV-Vertrag verletze auch nicht das Wirtschaftlichkeitsgebot (§§ 12 Abs 1, 70 SGB V). Ausschlaggebend sei insoweit, dass die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Gesichtspunkte erkannt und gegeneinander abgewogen worden seien und Eingang in die Begründung gefunden hätten. Diesen Anforderungen werde der Schiedsspruch gerecht. Die Klägerin gehe zu Unrecht davon aus, dass die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft Aktiengesellschaft (HÄVG) und die "HÄVG-Rechenzentrum AG" (richtig: HÄVG-Rechenzentrum GmbH) als "faktische Vertragspartner" rechtswidrig in den Vertrag einbezogen worden seien. Entscheidend sei, dass nach dem Inhalt des gesamten HzV-Vertrages lediglich die Krankenkasse und der Hausärzteverband Vertragspartner seien. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der durch Schiedsspruch vom 13.2.2012 festgesetzte Vertrag unmittelbare Leistungs- und Abrechnungsbeziehungen zwischen der Klägerin und den einzelnen an dem Vertrag teilnehmenden Hausärzten begründe. Dies widerspreche insbesondere nicht der Konzeption des § 73b SGB V. Keinen Bedenken begegne, dass sich die Schiedsperson für die Ausgestaltung des HzV-Vertrages als Vollversorgungsvertrag und nicht lediglich als Add-on-Vertrag entschieden habe. Die Schiedsperson habe ihren Entscheidungsspielraum damit jedenfalls nicht überschritten. Der festgesetzte Vertrag sei auch nicht insofern unbillig und mit der Satzungshoheit der Klägerin unvereinbar, als er in § 1 Abs 9 den Geltungsbereich auf alle Versicherten der Klägerin erstrecke. Zu Unrecht entnehme die Klägerin § 73b Abs 4 S 3 SGB V aF ein Wahlrecht der Krankenkassen dahingehend, die HzV von Kindern und Jugendlichen entweder über Verträge mit "Gemeinschaften, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte vertreten" gemäß § 73b Abs 4 S 1 SGB V anzubieten oder über gesonderte Verträge mit Kinderärzten. Eine Mehrfachinanspruchnahme durch die Versicherten könne die Klägerin ohne Weiteres dadurch verhindern, dass sie in dem freiwilligen Vertrag zur Versorgung entsprechende Ausschlussbestimmungen vorsehe. Das Wahlrecht, an welchem Vertrag sie teilnehmen wollen, stehe allein den Versicherten zu. Der HzV-Vertrag sei nicht deshalb rechtswidrig, weil er keine Möglichkeit für die Klägerin vorsehe, Hausärzte, die sich ihr gegenüber illoyal verhielten oder wiederholt Falsch- oder Doppelabrechnungen von Leistungen vornähmen, von der Teilnahme am Vertrag auszuschließen. Es sei nicht zu beanstanden, dass sich die Schiedsperson stattdessen für eine Kündigungsmöglichkeit allein des Beklagten entschieden habe. Gemäß § 5 Abs 3 HzV-Vertrag sei der Hausärzteverband berechtigt und gegenüber der Krankenkasse verpflichtet, diesen HzV-Vertrag gegenüber dem Hausarzt mit sofortiger Wirkung zu kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliege.

8

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die bei Schiedssprüchen zu prüfende Unbilligkeit könne auch darin bestehen, dass das gefundene Ergebnis materiell unrichtig sei oder gegen Treu und Glauben verstoße. Die von der Schiedsperson getroffenen Festsetzungen verstießen gegen das Refinanzierungsgebot und den Grundsatz der Beitragssatzstabilität. Bei der Festsetzung des Vertragsinhalts sei die Schiedsperson zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Vorgaben nach § 73b Abs 5a, Abs 8 SGB V idF des GKV-FinG keine Anwendung fänden, weil es sich um eine Anschlussvereinbarung iS des § 73b Abs 5a S 5 SGB V handele. Der vorangegangene HzV-Vertrag sei bereits mit Wirkung vom 31.12.2010 außerordentlich gekündigt worden. Die Wirksamkeit dieser Kündigung sei in einem Eilverfahren bestätigt worden. Der von der Schiedsperson festgesetzte HzV-Vertrag wäre daher nur rechtmäßig, wenn eine höhere Vergütung als in der Regelversorgung durch Einsparungen oder Effizienzsteigerungen finanziert würde. Das sei jedoch nicht der Fall. Der streitgegenständliche HzV-Vertrag sehe Mehraufwendungen gegenüber der hausärztlichen Regelversorgung in Höhe von jährlich 70 Millionen Euro vor. Hinzu kämen Nebenkosten für eine nicht vertragskonforme Inanspruchnahme in Höhe von 3,15 Millionen Euro pro Quartal. Weitere Nebenkosten würden für den Notdienst und für die Doppelabrechnung extrabudgetärer Leistungen ausgelöst.

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Weiterhin verstoße der HzV-Vertrag gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 2 Abs 4, § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 SGB V. Der Nutzen des Vertrages stehe in keinem angemessenen Verhältnis zu den ausgelösten Mehraufwendungen in Höhe von 70 Millionen Euro jährlich. Bei der Festlegung dieser Mehraufwendungen sei die Schiedsperson von 1,5 Millionen eingeschriebenen Versicherten ausgegangen. Tatsächlich sei zuletzt jedoch nur etwa ein Drittel der von der Schiedsperson prognostizierten Zahl von Versicherten (576 000) in den HzV-Vertrag eingeschrieben gewesen. Die Mehrkosten stünden damit in keinem ausgewogenen Verhältnis zu der Zahl der eingeschriebenen Versicherten. Auch die im HzV-Vertrag vereinbarten "Zuschläge für den erhöhten Betreuungsaufwand definierter Krankheitsbilder" in Höhe von 10 Euro, 27,50 Euro und 55 Euro seien in ihrer konkreten Ausgestaltung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot unvereinbar. Der Nachweis eines tatsächlich erhöhten Betreuungsaufwands sei nach dem Inhalt des Vertrages gerade nicht erforderlich. Auch die zusätzliche Vergütung für eine sog Arzneimitteltherapieoptimierung sei sachlich nicht gerechtfertigt. Es sei nicht ersichtlich, welche zusätzlichen Leistungen Hausärzte im Rahmen der Arzneimitteltherapieoptimierung zu erbringen hätten. Darüber hinaus werde eine vertragswidrige Inanspruchnahme etwa von mehreren Hausärzten durch den HzV-Vertrag nicht wirksam ausgeschlossen.

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Ferner verstießen die Festsetzungen des HzV-Vertrages gegen das Gebot der Selbsttragung eines Wahltarifs nach § 53 Abs 9 SGB V. Nach § 73b Abs 5 S 4 SGB V könnten HzV-Verträge nur abweichende Regelungen zu den Vorschriften des 4. Kapitels enthalten. § 53 SGB V stehe aber im 3. Kapitel des SGB V und sei daher in HzV-Verträgen nicht abdingbar. Soweit das Berufungsgericht darauf abstelle, dass § 53 Abs 9 SGB V nur das Verhältnis der Krankenkassen zu den Versicherten und nicht das Leistungserbringungsrecht betreffe, ändere dies nichts daran, dass der vorliegende HzV-Vertrag gegen § 53 Abs 9 SGB V verstoße, weil die Klägerin ihn nur durch einen rechtswidrig kalkulierten Wahltarif umsetzen könne.

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Der HzV-Vertrag verstoße außerdem insoweit gegen § 73b Abs 4 S 1 SGB V, als die HÄVG und die HÄVG-Rechenzentrum GmbH als faktische Vertragspartner in den Vertrag einbezogen wurden. Es könne auch nicht nachvollzogen werden, in welchem Umfang Versichertengelder, die in die HzV investiert würden, systemfremden Dritten zufließen würden. Dies widerspreche dem Wirtschaftlichkeitsgebot wie dem Gebot einer transparenten und sparsamen Verwendung von Versichertengeldern. Der festgesetzte Vertrag verstoße des Weiteren gegen zwingende Vorgaben des Sozialdatenschutzes. Rechtswidrig sei der HzV-Vertrag auch insoweit, als dort unmittelbare Leistungs- und Abrechnungsbeziehungen zwischen ihr als Krankenkasse und den einzelnen, an der HzV teilnehmenden Hausärzten begründet würden. Dies widerspreche der gesetzlichen Konzeption des § 73b Abs 4 SGB V, wonach die Krankenkassen HzV-Verträge mit Gemeinschaften von Leistungserbringern schließen müssten. Abweichend davon erfolge die Auszahlung der HzV-Vergütung an die einzelnen Hausärzte zwar durch den beklagten Hausärzteverband; Erstattungsansprüche aufgrund fehlerhafter Abrechnungen müssten aber von der Klägerin direkt gegenüber den Hausärzten geltend gemacht werden. Zudem sei es unbillig, dass der beklagte Hausärzteverband eine Verwaltungskostenpauschale erhalte, in die aufwendige Abrechnungskorrektur aber gerade nicht eingebunden werden solle.

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Rechtswidrig sei ferner die Ausgestaltung des HzV-Vertrages als Vollversorgungsvertrag. Mit den Vorteilen eines Add-on-Vertrages setze sich der Schiedsspruch und in der Folge das Berufungsgericht nicht auseinander. Durch den Vollversorgungsvertrag entstünden ungerechtfertigte Mehrkosten sowie erhebliche Schwierigkeiten bei der erforderlichen Bereinigung der kollektivvertraglichen Gesamtvergütung.

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Als unwirtschaftlich erweise sich der HzV-Vertrag auch deshalb, weil er eine Abrechnung von Leistungen für eingeschriebene Versicherte im Kollektivvertragssystem nicht wirksam ausschließe. Sog "hausarztuntypische" Leistungen, die nicht explizit im Leistungsverzeichnis des HzV-Vertrages erfasst seien, könnten trotz der Ausgestaltung als Vollversorgungsvertrag weiterhin gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Bayerns abgerechnet werden. Diese Differenzierung zwischen hausarzttypischen und hausarztuntypischen Leistungen sei willkürlich und widerspreche der Struktur des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä). Der HzV-Vertrag sei auch insofern unbillig, als sie als Krankenkasse verpflichtet werde, auch Kindern und Jugendlichen eine Teilnahme an der HzV anzubieten, obwohl diese in Bayern die Möglichkeit hätten, an einer pädiatrie-zentrierten Versorgung gemäß § 73b SGB V teilzunehmen.

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Unbillig und rechtswidrig sei der HzV-Vertrag schließlich deshalb, weil er keine Möglichkeit vorsehe, solche Hausärzte, die sich ihr gegenüber vertragswidrig oder in sonstiger Weise illoyal verhalten, von der Teilnahme am HzV-Vertrag auszuschließen. Die allein bestehende Kündigungsmöglichkeit durch den beklagten Hausärzteverband stelle keine sachgerechte Lösung dar.

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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. September 2016 und des Sozialgerichts München vom 16. Juli 2014 aufzuheben und festzustellen, dass der durch Schiedsspruch vom 13. Februar 2012 festgesetzte Vertrag zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs 4 S 1 SGB V unbillig und rechtswidrig ist, insbesondere insoweit als
a) der festgesetzte Vertrag gegen § 73b Abs 5a S 1 bis 4, Abs 8 SGB V idF des GKV-FinG verstößt;
b) der festgesetzte Vertrag mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 2 Abs 4, § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 SGB V unvereinbar ist;
c) der festgesetzte Vertrag gegen das aus § 53 Abs 9 SGB V folgende Gebot der Selbsttragung eines Wahltarifs verstößt;
d) systemfremde Dritte, insbesondere die HÄVG und die HÄVG Rechenzentrum AG, als faktische Vertragspartner am festgesetzten Vertrag gegen den Willen der Klägerin beteiligt werden;
e) der festgesetzte Vertrag mit datenschutzrechtlichen Vorgaben aus § 295a SGB V unvereinbar ist, soweit für eingeschriebene Versicherte nicht erkennbar ist, an welches Rechenzentrum ihre Daten übertragen werden;
f) der festgesetzte Vertrag unmittelbare Vergütungsansprüche der teilnehmenden Hausärzte gegenüber der Klägerin begründet;
g) der als "Vollversorgungsvertrag" festgesetzte Vertrag eine Abrechnung von Leistungen für eingeschriebene HzV-Versicherte im Kollektivvertragssystem nicht wirksam ausschließt;
h) sich der Geltungsbereich des festgesetzten Vertrags auf alle Versicherten der Klägerin erstreckt, ohne eine Mehrfachteilnahme an verschiedenen Vertragsangeboten der Klägerin zur hausarztzentrierten Versorgung auszuschließen;
i) der festgesetzte Vertrag keine Kündigungsmöglichkeit der Klägerin bei vertragswidrigem Verhalten eines Hausarztes vorsieht.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit des HzV-Vertrages mit der Begründung begehre, dass dieser gegen § 73b Abs 5a S 1 bis 4, Abs 8 SGB V idF des GKV-FinG verstoße, sei die Klage bereits unzulässig, weil das erforderliche Feststellungsinteresse fehle. Die maßgebliche Vorschrift des § 73b Abs 5a SGB V sei durch das 14. SGB V-Änderungsgesetz (14. SGB V-ÄndG) vom 27.3.2014 mWv 1.4.2014 gestrichen worden. Ein berechtigtes Interesse an der isolierten Feststellung einer Rechtswidrigkeit des HzV-Vertrages unter Zugrundelegung einer nicht mehr geltenden Rechtslage bestehe nicht. Eine Wiederholungsgefahr sei ausgeschlossen. Auch ein Rehabilitierungsinteresse habe die Klägerin nicht dargelegt. Die bloße Behauptung, Schadensersatzansprüche geltend machen zu wollen, begründe kein berechtigtes Feststellungsinteresse. Der HzV-Vertrag 2012 sei nicht nur beendet, sondern die Schlussabrechnung sei vollständig durchgeführt worden. Weitere Ansprüche der Klägerin auf dieser Grundlage seien von den Vertragspartnern durch einen Vergleich vom 28.9.2016 ausgeschlossen worden und im Übrigen bereits verjährt.

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Auch soweit die Klägerin geltend mache, dass der streitbefangene HzV-Vertrag mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen unvereinbar sei, weil für eingeschriebene Versicherte nicht erkennbar sei, an welches Rechenzentrum ihre Daten übertragen würden, fehle das erforderliche Feststellungsinteresse. Der HzV-Vertrag 2012 sei nicht mehr in Kraft, und im Folgevertrag 2014 werde das Rechenzentrum in den Informationen zum Datenschutz ausdrücklich benannt. Im Übrigen hätte die Klägerin jederzeit während der Laufzeit des HzV-Vertrages 2012 mit dem Beklagten eine Ergänzung der Datenschutzerklärung vornehmen können, wenn sie diese für erforderlich hielte. Die Klägerin habe sich aber jeder Anpassung und Optimierung der Anlagen zum HzV-Vertrag mit dem Hinweis verweigert, dass sie das laufende gerichtliche Verfahren nicht gefährden wolle.

19

Im Übrigen sei die Revision nicht begründet. Die Maßstäbe für die gerichtliche Kontrolle der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson seien mit der Entscheidung des BSG vom 25.3.2015 (B 6 KA 9/14 R) geklärt. Eine Billigkeitsprüfung sei danach nicht vorzunehmen. Die von der Klägerin geltend gemachten Rechtsverstöße lägen nicht vor. Die Angaben der Klägerin zur nicht vertragskonformen Inanspruchnahme von Leistungen seien nicht belegt und nicht nachvollziehbar. Angesichts der im HzV-Vertrag enthaltenen Vergütungsbegrenzungsklausel liege kein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot vor. Die im HzV-Vertrag getroffenen Regelungen seien auch deshalb wirtschaftlich, weil zahlreiche Verbesserungen gegenüber der Regelversorgung etwa bei der Betreuung von Versicherten mit chronischen Krankheiten oder bezogen auf die Arzneimitteltherapie vorgesehen seien. Die im streitbefangenen HzV-Vertrag getroffenen Regelungen zum Sozialdatenschutz stünden im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben und der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG. Es existierten keine gesetzlichen Vorgaben, die unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen den an der HzV teilnehmenden Ärzten und der Klägerin als Krankenkasse ausschließen würden. Der Abschluss des Vertrages als Vollversorgungsvertrag sei nicht zu beanstanden. Unbedenklich sei auch, dass die an der HzV teilnehmenden Ärzte Leistungen, die nicht im HzV-Ziffernkranz abgebildet seien, weiterhin gegenüber der KÄV abrechnen könnten. Dass die Klägerin auch Kindern und Jugendlichen die Teilnahme an dem streitbefangenen HzV-Vertrag anbieten müsse, stehe im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben. Nicht zu beanstanden sei ferner, dass die Klägerin keine Möglichkeit habe, einem Arzt, der sich vertragswidrig verhalte, zu kündigen. Die Rechte der Klägerin seien ausreichend dadurch gewahrt, dass sie gegenüber der Klägerin verpflichtet sei, einem sich vertragswidrig verhaltenden Arzt zu kündigen. Dieser Verpflichtung sei er - der Beklagte - auch nachgekommen, wenn ein entsprechender Verstoß nachgewiesen worden sei.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das LSG hat es zu Recht abgelehnt, eine Feststellung dahin zu treffen, dass der von der Schiedsperson am 13.2.2012 festgesetzte Vertrag zur HzV rechtswidrig war.

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A. Die Klage ist nur teilweise zulässig.

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I. Das SG war zur Entscheidung im ersten Rechtszug nach § 8 SGG sachlich zuständig, da einer der in § 29 Abs 2 SGG geregelten Sonderfälle der sachlichen Zuständigkeit der LSGe für eine Entscheidung im ersten Rechtszug nicht vorliegt(vgl BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 21 mwN).

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II. Die Feststellungsklage ist statthaft. Da die Schiedsperson als Vertragshelfer tätig wird und der Schiedsspruch dementsprechend nicht als Verwaltungsakt ergeht, kann die Rechtswidrigkeit nicht mit der Anfechtungsklage geltend gemacht werden (vgl BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 22 ff). Auch kann die Klägerin nicht die Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 S 2 Halbs 1 BGB iVm § 69 Abs 1 S 3 SGB V erreichen. Gerichte können nicht umfassende Vertragswerke wie den streitbefangenen HzV-Vertrag festsetzen, Regelungen über den Datenaustausch formulieren und die Beziehungen der Partner der Verträge untereinander vollständig regeln (BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 50 mwN; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 3 KR 26/15 R - BSGE 121, 243 = SozR 4-2500 § 132a Nr 10, RdNr 21, 27). Das Gericht prüft, ob die von einem der Beteiligten gerügten Festsetzungen mit höherrangigem Recht unvereinbar sind, bezeichnet ggf solche Rechtsverstöße und stellt weiter die Verpflichtung der Vertragspartner fest, diese Verstöße zu beseitigen.

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Die Klägerin hat die Klage auch in Übereinstimmung mit § 73b Abs 4a S 5 SGB V gegen den Beklagten als Partei des HzV-Vertrages gerichtet.

25

III. Soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass der Vertrag gegen Vorgaben zur Beitragssatzstabilität aus § 73b Abs 5a S 1 bis 4, Abs 8 SGB V idF des GKV-FinG verstoße und außerdem mit datenschutzrechtlichen Vorgaben aus § 295a SGB V unvereinbar sei, weil für eingeschriebene Versicherte nicht erkennbar sei, an welches Rechenzentrum ihre Daten übertragen werden, ist die Klage jedoch unzulässig, weil es am erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt.

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Nach § 55 Abs 1 SGG setzt die Zulässigkeit einer Feststellungklage voraus, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung hat. Der Umstand, dass der von der Schiedsperson festgesetzte streitbefangene HzV-Vertrag bereits durchgeführt worden und nicht mehr in Kraft ist, steht dem nicht von vornherein entgegen. Auch vergangene Rechtsverhältnisse können Gegenstand der Feststellungsklage sein (BSG Urteil vom 15.3.1995 - 6 RKa 36/93 - BSGE 76, 48, 50 = SozR 3-2500 § 120 Nr 5 S 27 f, Juris RdNr 15; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 55 RdNr 8). In entsprechender Anwendung der zur Fortsetzungsfeststellungsklage entwickelten Grundsätze genügt ein durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann (BSG Urteil vom 10.7.1996 - 3 RK 27/95 - BSGE 79, 33 = SozR 3-2500 § 126 Nr 2, Juris RdNr 15). Ein Feststellungsinteresse kommt - wenn es wie hier um vergangene Rechtsverhältnisse geht - insbesondere bei Wiederholungsgefahr und zur Durchsetzung von Folgeansprüchen (Präjudizialität) in Betracht. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung des Feststellungsinteresses ist die Entscheidung durch die Revisionsinstanz (BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 57, 90 mwN; für die Fortsetzungsfeststellungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 131 RdNr 10, 10i).

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1. Weder unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr noch mit dem Interesse an der Durchsetzung von Folgeansprüchen kann ein berechtigtes Interesse an der Feststellung begründet werden, dass der HzV-Vertrag den Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 73b Abs 5a SGB V idF des GKV-FinG oder das Refinanzierungsgebot aus § 73b Abs 8 SGB V idF des GKV-FinG verletzt.

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a) Einer Wiederholungsgefahr steht bezogen auf die geltend gemachte Verletzung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität entgegen, dass die mit dem GKV-FinG eingeführten Regelungen zur Beitragssatzstabilität in der HzV (§ 73b Abs 5a, Abs 8 SGB V aF)bereits mit dem 14. SGB V-ÄndG mWv 1.4.2014 wieder aufgehoben worden sind.

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Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 25.3.2015 (B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 51) dargelegt hat, ist die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V darauf gerichtet, "ob die von einem der Beteiligten gerügten Festsetzungen mit höherrangigem Recht unvereinbar sind". Das Gericht "bezeichnet ggf solche Rechtsverstöße und stellt weiter die Verpflichtung der Vertragspartner fest, diese Verstöße zu beseitigen". Ausdrücklich hat der Senat vor diesem Hintergrund ein fortbestehendes Feststellungsinteresse in einer Konstellation, in der der Vertrag während des um seine Rechtmäßigkeit geführten gerichtlichen Verfahrens noch nicht durchgeführt worden war, nur anerkannt, "soweit es darauf auch noch für die bevorstehende Durchführung des Vertrags ankommt" (BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 90). Mit dieser Begründung hat der Senat die Feststellung von Verstößen gegen so nicht mehr existierende datenschutzrechtliche Bestimmungen abgelehnt (BSG, aaO, RdNr 98). In einer Fallgestaltung wie der vorliegenden, in der der Vertrag zwar durchgeführt worden, aber nicht mehr in Kraft ist und in der sich das Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr nur auf den Inhalt von Folgeverträgen beziehen kann, gilt nichts anderes.

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Eine Wiederholungsgefahr kann auch nicht erfolgreich damit begründet werden, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität unabhängig von § 73b Abs 5a, Abs 8 SGB V idF des GKV-FinG für die HzV gelten würde. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 25.3.2015 (aaO RdNr 67 ff) im Einzelnen dargelegt hat, galt der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nur für HzV-Verträge, die nach der Einführung des § 73b Abs 5a SGB V und der Änderung des Abs 8 der Vorschrift durch das GKV-FinG zum 22.9.2010 zustande gekommen waren (vgl die entsprechende Übergangsregelung in § 73b Abs 5a S 1 SGB V idF des GKV-FinG). Dies folgt aus § 73b Abs 5 S 4 SGB V, der Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels und damit auch von dem in § 71 Abs 1 S 1 SGB V verankerten Grundsatz der Beitragssatzstabilität zulässt(BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 72). Mit dem 14. SGB V-ÄndG ist der Gesetzgeber mit der Begründung zu der Rechtslage aus der Zeit vor den Änderungen durch das GKV-FinG zurückgekehrt, dass sich § 73b Abs 5a, Abs 8 SGB V aF als "Hemmnis für den Abschluss von Verträgen über eine hausarztzentrierte Versorgung erwiesen"(BT-Drucks 18/606 S 11) hätten. Vor diesem Hintergrund kann es auf die Frage, ob der hier von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag gegen das in § 73b Abs 5a, Abs 8 SGB V idF des GKV-FinG verankerte Gebot der Beitragssatzstabilität verstieß, in Zukunft nicht mehr ankommen. Damit besteht kein Feststellungsinteresse mehr unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr.

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b) Ein berechtigtes Feststellungsinteresse kann bezogen auf den geltend gemachten Verstoß gegen das Gebot der Beitragssatzstabilität auch nicht erfolgreich mit möglichen Erstattungs- oder Schadensersatzansprüchen begründet werden.

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Feststellungsklagen sind gegenüber Klagen auf Schadensersatz grundsätzlich subsidiär. Ein Feststellungsinteresse für Folgeansprüche kann jedoch grundsätzlich damit begründet werden, dass beabsichtigt ist, auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zur Rechtswidrigkeit Schadensersatzansprüche geltend zu machen und zB konkret Amtshaftungsklage zu erheben. Der Prozess muss mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein. Dass nur allgemein auf eine erleichterte Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vor dem zuständigen Zivilgericht hingewiesen wird, genügt nicht (BFH Urteil vom 30.7.1975 - I R 153/73 - BFHE 116, 459). Wenn der Kläger allerdings konkret vorträgt, er beabsichtige zB Amtshaftungsklage zu erheben, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass ein Amtshaftungsprozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 131 RdNr 10e mwN).

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aa) Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 164 Abs 2 SGG) nur ganz allgemein angegeben, dass die Rechtswidrigkeit des HzV-Vertrages festzustellen sei, "um der Klägerin die Geltendmachung eines entsprechenden Schadensersatzes zu ermöglichen und vergleichbare rechtswidrige und unbillige Festsetzungen in Zukunft zu verhindern". Die konkrete Absicht, Schadensersatz geltend zu machen, ist diesem Vorbringen nicht zu entnehmen und die Klägerin trifft auch keine Aussage zu der Frage, gegenüber wem ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden soll. Für ein berechtigtes Interesse unter dem Gesichtspunkt der Präjudizialität bestehen danach keine konkreten Anknüpfungspunkte.

34

bb) Erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat die Klägerin das Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt des präjudiziellen Interesses näher begründet und geltend gemacht, dass die Durchführung des Vertrages zu Mehrkosten gegenüber der Regelversorgung geführt habe, ohne dass eine signifikante Erhöhung der Qualität der Leistung erreicht worden sei. Der einzuklagende Schaden entspreche der Summe aller im Zusammenhang mit der Durchführung des HzV-Vertrages geleisteten Zahlungen abzüglich der im selben Zeitraum ersparten Aufwendungen der kollektivvertraglichen Regelversorgung. Soweit der durch die Schiedsperson festgesetzte HzV-Vertrag rechtswidrig und unwirksam sei, habe kein Rechtsgrund für die Leistung der HzV-Vergütung bestanden. Diese Ansprüche bestünden unabhängig davon, dass die Schlussabrechnung des HzV-Vertrages inzwischen durchgeführt worden sei. Zudem stehe ihr ein vertraglicher Schadensersatzanspruch gegenüber dem Beklagten wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zu.

35

Selbst wenn das Vorbringen der Klägerin aus der Zeit nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hier zu berücksichtigen sein sollte, könnte ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der HzV-Vertrag gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität verstoßen habe, nicht angenommen werden, weil die genannten Ansprüche nicht ernsthaft in Betracht kommen:

36

(1) Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 25.3.2015 (B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 35 f) im Einzelnen dargelegt hat, ist ein durch Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommener Vertrag auch dann umzusetzen, wenn in einem gerichtlichen Verfahren die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Vertrages geltend gemacht wird. Etwas anderes gilt allein im Falle der Nichtigkeit des Vertrages - für die es hier keine Anhaltspunkte gibt und die von der Klägerin auch nicht geltend gemacht wird - oder wenn die Pflicht zur Umsetzung des Vertrages durch eine einstweilige Anordnung des Gerichts nach § 86b Abs 2 SGG beseitigt wird. Von der Möglichkeit, den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung zu beantragen, hat die Klägerin als Ergebnis einer entsprechenden Entscheidung ihres Verwaltungsrats keinen Gebrauch gemacht. Dabei hätte der Umstand, dass Rechtsschutz hier in der Hauptsache mit einer Feststellungsklage zu erreichen ist, dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht entgegengestanden. Das hat der Senat bereits in anderem Zusammenhang klargestellt (vgl BSG Urteil vom 15.3.2017 - B 6 KA 35/16 R - SozR 4-55405540 Anl 9.1 Nr 12 RdNr 35, auch zur Veröffentlichung für BSGE vorgesehen) und dies gilt im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot lückenlosen und wirksamen Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) auch bezogen auf Feststellungsbegehren, die die Rechtswidrigkeit von HzV-Verträgen zum Gegenstand haben.

37

Aus der - rechtlich gebotenen - Umsetzung des Vertrages kann unter den gegebenen Umständen ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegenüber dem beklagten Hausärzteverband, gegenüber den an der HzV teilnehmenden Ärzten oder gegenüber den teilnehmenden Versicherten nicht hergeleitet werden. Zur Frage der entsprechenden Anwendbarkeit wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen (ua zum Schadensersatz) auf die in § 69 Abs 1 S 1 SGB V geregelten Rechtsverhältnisse hat der Senat bereits entschieden, dass diese zur Kompensation einer unterlassenen oder im Ergebnis erfolglosen Inanspruchnahme gerichtlichen Primärrechtsschutzes, insbesondere von einstweiligem Rechtsschutz nach § 86b SGG, von vornherein nicht zur Verfügung stehen(BSG Urteil vom 15.3.2017 - B 6 KA 35/16 R - zur Veröffentlichung für BSGE und SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 12 vorgesehen, RdNr 28). Nach § 69 Abs 1 S 1 SGB V werden die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94 SGB V grundsätzlich abschließend durch das Vierte Kapitel des SGB V sowie §§ 63, 64 SGB V geregelt(BSG Urteil vom 25.9.2001 - B 3 KR 3/01 R - BSGE 89, 24, 32 f = SozR 3-2500 § 69 Nr 1 S 9 f; zur Frage der Anwendbarkeit von zivilrechtlichen Bestimmungen aus dem GWB oder dem UWG vgl BGH Urteil vom 23.2.2006 - I ZR 164/03 - NJW-RR 2006, 1046, RdNr 23; BGH Urteil vom 2.10.2003 - I ZR 117/01 - NZS 2004, 478 = GesR 2004, 151, Juris RdNr 27; BGH Beschluss vom 16.1.2008 - KVR 26/07 - BGHZ 175, 333 = NJW-RR 2008, 1426, 1427 = NZS 2008, 653, 654, RdNr 18). Auch über eine - nach § 69 Abs 1 S 3 SGB V nicht vollständig ausgeschlossene - entsprechende Heranziehung von Vorschriften des BGB können Schadensersatzansprüche einer Krankenkasse gegenüber einem Hausärzteverband oder den an der HzV teilnehmenden Ärzten unter diesen Umständen nicht begründet werden(zu Schadensersatzansprüchen zwischen Leistungserbringern vgl BSG Urteil vom 15.3.2017 - B 6 KA 35/16 R - zur Veröffentlichung für BSGE und SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 12 vorgesehen, RdNr 31).

38

(2) Von der Klägerin ist auch keine Gesamtvergütung an den Beklagten gezahlt worden, die ggf nachträglich von diesem zurückgefordert werden könnte. Die Zahlung einer Gesamtvergütung ist im Bereich der kollektivvertraglichen Versorgung gesetzlich vorgesehen, nicht jedoch in der HzV.

39

Die kollektivvertragliche Versorgung ist dadurch gekennzeichnet, dass Rechtsbeziehungen grundsätzlich nur in dem Viereck-Verhältnis Versicherter-Krankenkasse-KÄV-Arzt bestehen, eine Rechtsbeziehung unmittelbar zwischen Krankenkasse und Arzt hingegen nicht. Die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen sowie KÄV auf der einen Seite und KÄV sowie Vertragsarzt auf der anderen Seite sind zu trennen (vgl BSG Urteil vom 18.12.1996 - 6 RKa 66/95 - BSGE 80, 1, 6 = SozR 3-5545 § 19 Nr 2 S 11, Juris RdNr 22; BSG Urteil vom 17.9.2008 - B 6 KA 48/07 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 9 RdNr 32; BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 6 KA 38/15 R - BSGE 122, 112 = SozR 4-2500 § 75 Nr 18, RdNr 46). Das vertragsarztrechtliche Beziehungsgeflecht vermeidet grundsätzlich unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen als Leistungsträgern und den (Vertrags-)Ärzten als Leistungserbringern (BSG Urteil vom 9.12.2004 - B 6 KA 44/03 R - BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 130, Juris RdNr 143). Insbesondere sind unmittelbare Honoraransprüche der einzelnen Ärzte gegenüber den Krankenkassen nicht vorgesehen. Vielmehr zahlen die Krankenkassen die durch ihre Landesverbände und die Ersatzkassen nach § 87b Abs 3 S 1 SGB V vereinbarte Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung an die KÄVen, die die Vergütung wiederum an die Ärzte verteilen. Dementsprechend hat die Krankenkasse im Regelfall keine Möglichkeit, den Vertragsarzt unmittelbar und ohne Tätigwerden der vertragsarztrechtlichen Gremien in Regress zu nehmen (BSG Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 44; BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 6 KA 17/12 R - SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 24; zum zahnärztlichen Bereich vgl BSG Urteil vom 25.3.2003 - B 1 KR 29/02 R - SozR 4-1500 § 55 Nr 1 RdNr 3 f, Juris RdNr 9 f).

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Damit vergleichbare kollektivvertragliche Strukturen bestehen im Bereich der HzV nicht; diese ist im Wesentlichen selektivvertraglich strukturiert. Nach § 73b Abs 1 SGB V hat die Krankenkasse - und damit nicht die KÄV - ihren Versicherten die HzV anzubieten. Soweit die HzV durch Verträge nach § 73b Abs 4 SGB V durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag der KÄV und der KÄBV nach § 75 SGB V eingeschränkt(§ 73b Abs 4 S 6 SGB V). Zwar ist der HzV-Vertrag nach § 73b Abs 4 S 1 SGB V nicht mit dem einzelnen an der HzV teilnehmenden Hausarzt, sondern mit der Gemeinschaft der Hausärzte (Hausärzteverband) zu schließen. Dieser in der Literatur so bezeichnete Semikorporatismus (vgl Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 136, 139 f; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der KÄVen, 2012, S 236) hat jedoch nicht zur Folge, dass der Hausärzteverband bezogen auf die HzV vollständig die Funktion zu übernehmen hätte, die der KÄV als Körperschaft des öffentlichen Rechts in der kollektivvertraglichen Versorgung zukommt. Eine damit vergleichbare Honorarverteilung durch den Hausärzteverband ist im System der HzV gesetzlich nicht vorgesehen und auch der hier streitbefangene HzV-Vertrag regelt keine dem Kollektivvertragssystem entsprechende Trennung der Rechtskreise. Vielmehr bestimmt § 10 Abs 1 S 1 HzV-Vertrag, dass der Hausarzt gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Vergütung nach Maßgabe der dazu getroffenen Bestimmungen hat. Zwar zahlt die Krankenkasse die Vergütung nicht unmittelbar an die einzelnen Hausärzte aus, sondern an den Hausärzteverband. In der äußeren Form ergeben sich damit durchaus Parallelen zur kollektivvertraglichen Versorgung. Der Hausärzteverband nimmt die Vergütung von der Krankenkasse aber ausdrücklich im fremden Namen und für fremde Rechnung entgegen und ist verpflichtet, diese zu Abrechnungszwecken getrennt von seinem sonstigen Vermögen zu verwalten (§ 13 Abs 1 HzV-Vertrag). Trotz der Abwicklung über den Hausärzteverband bzw der von ihm beauftragten Stellen bleibt es dabei, dass mit der Zahlung der Vergütung durch die Krankenkasse keine Ansprüche des Hausärzteverbandes, sondern Ansprüche der einzelnen Hausärzte erfüllt werden. Für die in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin erhobene Forderung, dass der Hausärzteverband Rückstellungen hätte bilden müssen, um spätere Regressansprüche der Krankenkasse befriedigen zu können, gibt es unter diesen Umständen keine rechtliche Grundlage.

41

(3) Für Ansprüche, die die Klägerin gegenüber den einzelnen Ärzten geltend machen könnte, die während des etwa zweijährigen Geltungszeitraums ab 2012 an dem HzV-Vertrag teilgenommen haben, kann der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin nach Ablauf der Revisionsbegründungfrist keine konkreten Anhaltspunkte erkennen. Auf entsprechendes Vorbringen des Beklagten im Revisionsverfahren hat die Klägerin eingeräumt, dass zu dem hier streitbefangenen HzV-Vertrag bereits eine Schlussabrechnung durchgeführt worden sei, die insbesondere Fragen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung gegenüber den einzelnen Vertragsärzten zum Gegenstand hatte. Die dazu zwischen der Klägerin und dem Beklagten geschlossene Vereinbarung vom 28.9.2016 schließt mit den Sätzen: "Über die Schlussabrechnung HzV-Vertrag 2012 hinausgehende Ansprüche der AOK-Bayern aufgrund Nachreichungen und sachlich-rechnerischer Korrekturen sind ausgeschlossen. Hiervon ausgenommen sind ehemals teilnehmende Hausärzte, die das Vergleichsangebot nicht angenommen und nicht bezahlt haben." Unter diesen Umständen hätte die Klägerin zur Begründung eines auf Schadensersatzansprüche gestützten Feststellungsinteresses angeben müssen, ob es auch zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - etwa 1 ½ Jahre nach Abschluss der genannten Vereinbarung - noch offene Verfahren gibt, auf die sich mögliche Regressansprüche im Zusammenhang mit der geltend gemachten Rechtswidrigkeit des HzV-Vertrages beziehen könnten. Die Klägerin hat jedoch im Gegenteil mit Schriftsatz vom 12.3.2018 bestätigt, dass die Schlussabrechnung inzwischen durchgeführt worden sei. Ihre damit verbundene Angabe, Erstattungs- und Schadensersatzansprüche bestünden "unabhängig davon", hat sie nicht näher begründet. Soweit sie zunächst auch Schadensersatzansprüche gegen die Schiedsperson in Betracht gezogen hat, hat sie daran in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht mehr festgehalten. Die Frage, ob Ansprüche der Klägerin gegenüber einzelnen Hausärzten oder gegenüber der Schiedsperson ggf bereits verjährt wären, bedarf unter diesen Umständen keiner näheren Erörterung.

42

(4) Im Übrigen dürfte auch unabhängig von der durchgeführten Schlussabrechnung eine Rückabwicklung des gesamten HzV-Vertrages auf rechtliche Schwierigkeiten stoßen. Nach ständiger Rechtsprechung wirken Statuserteilungen und -aufhebungen im Vertragsarztrecht nur ex nunc und nicht ex tunc (BSG Beschluss vom 5.6.2013 - B 6 KA 4/13 B - Juris RdNr 10 mwN; BSG Urteil vom 31.5.2006 - B 6 KA 7/05 R - SozR 4-5520 § 24 Nr 2 RdNr 13 zur Genehmigung einer Verlegung des Praxissitzes; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 6 KA 15/08 R - SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 15 f, 22; BSG Urteil vom 29.1.1997 - 6 RKa 24/96 - BSGE 80, 48, 49/50 = SozR 3-2500 § 85 Nr 19 S 119/120, Juris RdNr 15 bezogen auf eine Großgeräte-Genehmigung). Im Falle einer rechtswidrig erteilten Zulassung behält der Arzt Honoraransprüche solange die vertragsärztliche Tätigkeit erlaubt ausgeübt wird. Das gilt zB wenn der Arzt seine vertragsärztliche Tätigkeit vorläufig als Ergebnis eines gerichtlichen Eilverfahrens oder infolge der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage gegen eine Zulassungsentziehung ausüben darf (vgl BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 25/14 R - BSGE 119, 79 = SozR 4-5520 § 19 Nr 3, RdNr 46 ff; BSG Beschluss vom 5.6.2013 - B 6 KA 4/13 B - Juris RdNr 10 mwN).

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Zwar entscheidet die Teilnahme an der HzV - anders als eine Zulassung, eine Ermächtigung oder eine Anstellungsgenehmigung (vgl dazu BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 6 KA 15/08 R - SozR 4-2500 § 96 Nr 1, RdNr 15 f, 22; BSG Beschluss vom 5.6.2013 - B 6 KA 4/13 B - Juris RdNr 10; BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 22/11 R - BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 36; BSG Urteil vom 28.11.2007 - B 6 KA 26/07 R - BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25) - nicht darüber, ob die zu erbringenden Leistungen innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden oder als privatärztliche Leistungen anzusehen und zu vergüten sind. Auch bei der HzV muss jedoch zu jedem Zeitpunkt klar sein, welcher Arzt Versicherte nach den speziell dafür geltenden Bedingungen zulasten der vertragschließenden gesetzlichen Krankenkasse behandeln kann. Der HzV-Vertrag ist Grundlage sowohl des Teilnahmestatus des Arztes als auch des Teilnahmestatus des Versicherten. In der HzV gelten nicht nur besondere Voraussetzungen für die Leistungserbringung etwa in Gestalt von Qualitätsanforderungen, die nach § 73b Abs 2, Abs 5 S 1 SGB V im HzV-Vertrag zu regeln sind, sondern es kommt - jedenfalls bei dem hier streitbefangenen Vollversorgungsvertrag - auch ein eigenständiges Leistungs- und Vergütungssystem zur Anwendung, das sich nicht nur bezogen auf die Honorarhöhe, sondern auch bezogen auf Inhalt und Umfang der dafür zu erbringenden Leistungen von der Regelversorgung unterscheidet. Nach § 73b Abs 5 S 3 SGB V können in den HzV-Verträgen sogar Ausnahmen von dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs 1 SGB V für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden vereinbart werden. Die Sachleistungsansprüche der an der HzV teilnehmenden Versicherten werden damit entsprechend erweitert. Der Senat geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass dem Honoraranspruch eines an der HzV teilnehmenden Arztes die Rechtswidrigkeit eines bereits vollzogenen HzV-Vertrages grundsätzlich nicht entgegengehalten werden kann.

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2. Auch soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass der HzV-Vertrag gegen die Vorgaben aus § 295a SGB V verstoße, weil für die eingeschriebenen Versicherten nicht erkennbar sei, an welches Rechenzentrum ihre Daten übermittelt würden, fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse. Zwar ist seit der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson keine im vorliegenden Zusammenhang relevante Änderung der Rechtslage eingetreten, die das Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr entfallen lassen würde; die gesetzliche Grundlage für die an der HzV teilnehmenden Hausärzte ist mit der Einfügung des § 295a SGB V durch Art 3 Nr 9 des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze vom 28.7.2011 (BGBl I 1622, 1627) mWv 4.8.2011 eingeführt und seitdem nur redaktionell geändert worden. Wie die Klägerin im Einzelnen dargelegt hat, wird das mit der Verarbeitung der Abrechnungsdaten betraute Rechenzentrum jedoch in dem seit 2014 geltenden Vertrag konkret mit Namen und Anschrift (HÄVG-Rechenzentrum GmbH,
) bezeichnet. Außerdem hat die Klägerin nachvollziehbar dargelegt, dass sie auch schon früher bereit gewesen wäre, dem auf eine genauere Bezeichnung des Rechenzentrums gerichteten Begehren der Klägerin Rechnung zu tragen, wenn dies geltend gemacht worden wäre. Diesem Vorbringen ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an einer entsprechenden gerichtlichen Feststellung ist unter diesen Umständen weder unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses noch im Hinblick auf eine Wiederholungsgefahr ersichtlich.

45

IV. Im Übrigen ist die erhobene Feststellungsklage zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse besteht unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Diese hat sich bereits realisiert. Unter dem 5.5.2014 hat eine andere Schiedsperson die Fortgeltung des hier streitbefangenen und zum 30.6.2014 gekündigten HzV-Vertrages bis zum Wirksamwerden eines neuen HzV-Vertrages bestimmt und mit weiterem Schiedsspruch vom 19.12.2014 einen neuen HzV-Vertrag ebenfalls als Vollversorgungsvertrag festgesetzt. Aufgrund der insoweit im Wesentlichen unveränderten Rechtslage stellen sich vergleichbare Fragen zur Rechtmäßigkeit dieser Vereinbarungen. Die Frage der Rechtmäßigkeit einer Anordnung, mit der die Klägerin (AOK) durch ihre Aufsichtsbehörde zur Umsetzung des unter dem 19.12.2014 festgesetzten HzV-Vertrages verpflichtet wird, ist Gegenstand einer ebenfalls am heutigen Tag (21.3.2018) ergangenen Entscheidung des Senats (B 6 KA 59/17 R).

46

B. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie jedoch nicht begründet.

47

I. Die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V orientiert sich an den zur Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V entwickelten Maßstäben. Danach unterliegt auch die Entscheidung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur in eingeschränktem Umfang der gerichtlichen Kontrolle(BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 58; ähnlich zur Schiedsperson nach § 132a SGB V: BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 3 KR 26/15 R - BSGE 121, 243 = SozR 4-2500 § 132a Nr 10, RdNr 32; vgl auch die stRspr zu § 89 SGB V: BSG Urteile vom 10.5.2017 - B 6 KA 14/16 R - SozR 4-2500 § 87a Nr 3 RdNr 52 und - B 6 KA 5/16 R - SozR 4-2500 § 87a Nr 4, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen, RdNr 30 ; BSG Urteil vom 9.4.2008 - B 6 KA 29/07 R - BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13; BSG Urteil vom 29.11.2006 - B 6 KA 4/06 R - SozR 4-2500 § 83 Nr 3 RdNr 18; BSG Urteil vom 16.7.2003 - B 6 KA 29/02 R - BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11 mwN). Die Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle berücksichtigt, dass Schiedspersonen - ebenso wie Schiedsämter -, deren Sprüche Vereinbarungen der zum Vertragsabschluss berufenen Vertragspartner ersetzen, eine weite Gestaltungsfreiheit haben. Dies trägt dem Wesen der Schiedssprüche Rechnung, die auf Interessenausgleich angelegt sind und Kompromisscharakter haben (vgl BSG Urteil vom 14.12.2000 - B 3 P 19/00 R - BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5; dazu auch Schnapp in Schnapp/Düring, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl 2016, RdNr 13). Der Schiedsspruch ist daher nur daraufhin zu überprüfen, ob die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen beachtet und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten wurden. Mithin ist in formeller Hinsicht zu klären, ob das Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs festgestellt hat und der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennen lässt (stRspr zu § 89 SGB V, vgl etwa: BSG Urteil vom 10.5.2017 - B 6 KA 5/16 R - SozR 4-2500 § 87a Nr 4, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen, RdNr 31; BSG Urteil vom 13.8.2014 - B 6 KA 6/14 R - BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 60 mwN). Die inhaltliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsperson den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (zum Schiedsamt vgl BSG Urteil vom 19.3.1997 - 6 RKa 36/96 - SozR 3-2500 § 85 Nr 20 S 131; BSG Urteil vom 10.5.2000 - B 6 KA 20/99 R - BSGE 86, 126, 134 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295; BSG Urteil vom 16.7.2003 - B 6 KA 29/02 R - BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11).

48

Die Überprüfung der Entscheidung der Schiedsperson anhand der genannten Maßstäbe ergibt, dass die Festsetzung des Vertragsinhalts - soweit die Klägerin ein Feststellungsinteresse geltend machen kann - nicht zu beanstanden ist.

49

II. Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt der Vertrag nicht gegen das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot. Das Wirtschaftlichkeitsgebot hat seine Grundlage nicht allein in § 70 Abs 1 SGB V und damit einer Vorschrift aus dem nach § 73b Abs 5 S 4 SGB V nicht zwingend anwendbaren Vierten Kapitel, sondern auch in § 2 Abs 4, § 12 SGB V. Es ist daher auch bei der Vereinbarung von HzV-Verträgen sowie bei deren Festsetzung durch eine Schiedsperson zu beachten (BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 82). Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.

50

Bei der Beurteilung, ob der festgesetzte Vertrag den an die Wirtschaftlichkeit zu stellenden Anforderungen entspricht, ist zu berücksichtigen, dass gerade in der Phase der Einführung der flächendeckenden HzV, die zum Zeitpunkt der Festsetzung des streitbefangenen Vertrages auch in Bayern noch nicht abgeschlossen war, keine hohen Anforderungen an die Prognose der wirtschaftlichen Auswirkungen gestellt werden können. Für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung durch die Schiedsperson ist ausschlaggebend, ob die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Gesichtspunkte erkannt und gegeneinander abgewogen worden sind und Eingang in die Begründung gefunden haben. Die Anforderungen an die Begründung dürfen auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Schiedsperson keinen eigenen Verwaltungsapparat unterhält, nicht überspannt werden (BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 83; BSG Urteil vom 25.11.2010 - B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 38).

51

1. Den so definierten Anforderungen wird die Entscheidung der Schiedsperson ohne Weiteres gerecht. Sie hat sich mit den finanziellen Auswirkungen des HzV-Vertrages in der Begründung des Schiedsspruchs eingehend befasst (S 32 ff). Den Wirtschaftlichkeitserfordernissen hat sie insbesondere durch eine Begrenzung des an die teilnehmenden Hausärzte zu leistenden Honorars Rechnung getragen, die Gegenstand des Anhangs 6 zur Anlage 3 des HzV-Vertrages ist. Dadurch werden die Mehrkosten, die der Klägerin durch das Angebot der HzV entstehen - unabhängig von der Zahl der teilnehmenden Versicherten - auf 70 Millionen Euro im Jahr begrenzt. Ziel der Vergütungsbegrenzungsklausel war es, unkalkulierbare Kostenrisiken der Klägerin zB aufgrund einer erhöhten Anzahl von Versicherteneinschreibungen oder einer Leistungsmengenausweitung zu vermeiden (S 32 der Begründung zum HzV-Vertrag). Gerade vor dem Hintergrund der zusätzlichen Kosten in Höhe von 400 Millionen Euro, die der Klägerin nach ihren Angaben im Jahr 2010 auf der Grundlage des im Jahr 2009 frei vereinbarten HzV-Vertrages für die Durchführung der HzV-Leistungen entstanden sein sollen, erscheint die genannte Vergütungsobergrenze geeignet, einen wesentlichen Beitrag zu einer wirtschaftlichen Leistungserbringung zu leisten. Dabei hat die Schiedsperson nicht verkannt, dass unter Beachtung der Obergrenze von 70 Millionen Euro pro Jahr bei einer angenommenen Zahl von 1,5 Millionen teilnehmenden Versicherten Mehrkosten für die Klägerin in Gestalt einer Erhöhung des Fallwerts gegenüber der Regelversorgung (63 Euro pro Quartal) um 11,67 Euro entstehen. Diese Mehrkosten durfte die Schiedsperson im Hinblick auf die angestrebten, in der Begründung des Bescheides im Einzelnen dargestellten Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung (ua besondere Anforderungen an die Praxisausstattung der teilnehmenden Ärzte, Verbesserung der Versorgung sterbender Versicherter, Verbesserung der Arzneimittelversorgung multimorbider Versicherter, Verpflichtung der Hausärzte zur Teilnahme an strukturierten Behandlungsprogrammen sowie zur Teilnahme an Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie, Angebot von Früh- und Abendsprechstunden ua) als wirtschaftlich ansehen.

52

Mit ihrem Vorbringen, nach der die hausärztliche Versorgung im Rahmen der Regelversorgung gleich wirksam, aber kostengünstiger erbracht werden kann als im Rahmen der HzV, macht die Klägerin deutlich, dass sie die Bewertungen der Schiedsperson nicht teilt. Das ändert aber nichts daran, dass der Gesetzgeber die Klägerin verpflichtet hat, ihren Versicherten die HzV anzubieten und dafür - jedenfalls für die Zeit seit Inkrafttreten der Änderungen durch das 14. SGB V-ÄndG mWv 1.4.2014 - auch Mehrkosten gegenüber der Regelversorgung in Kauf nimmt. Anderenfalls hätte es der Aufhebung der mit dem GKV-FinG eingeführten Regelungen zur Beitragssatzstabilität nicht bedurft. Dass die von der Schiedsperson angestellten Erwägungen, nach denen die Teilnahme an der HzV zur Erhöhung der Qualität der hausärztlichen Versorgung beiträgt, die Klägerin nicht überzeugen, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Festsetzung des Vertragsinhalts. Hohe Anforderungen an die Begründung der Entscheidung der Schiedsperson können im Übrigen auch insofern nicht gestellt werden. Ob sich Erwartungen hinsichtlich einer Erhöhung der Qualität im Vergleich zur Regelversorgung erfüllen, kann sich ohnehin erst im Rahmen einer Evaluation erweisen. Dass die Möglichkeiten der Vertragsparteien oder der an ihrer Stelle handelnden Schiedsperson bezogen auf die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses begrenzt sind und dass eine gesicherte Bewertung erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums der praktischen Durchführung des Vertrages vorgenommen werden kann, kommt auch in § 73b Abs 9 SGB V idF des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 16.7.2015 (BGBl I 1211) zum Ausdruck, der allerdings nur Verträge betrifft, die nach dem 31.3.2014 zustande kommen und deshalb für den streitbefangenen Vertrag noch keine Anwendung finden konnte. Danach muss die Einhaltung der nach § 73b Abs 5 S 1 SGB V zu vereinbarenden Wirtschaftlichkeitskriterien spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein.

53

2. Im Grundsatz zutreffend wendet die Klägerin ein, dass die Schiedsperson bei der Begrenzung des Honorars der an der HzV teilnehmenden Versicherten von einer deutlich höheren Zahl teilnehmender Versicherter ausgegangen ist, als später tatsächlich teilgenommen haben. Die von der Schiedsperson angestrebte Vermeidung unkalkulierbarer Kostenrisiken der Klägerin ist dadurch aber nicht beeinträchtigt worden. Zwar wird damit die Annahme der Schiedsperson zur Erhöhung des Fallwerts von 63 Euro in der Regelversorgung um nur 11,67 Euro in der HzV infrage gestellt. Das führt jedoch nicht zur Unwirtschaftlichkeit des Vertrages, sondern ist Folge der von der Schiedsperson - gerade im Interesse der Klägerin - verfolgten Konzeption zur Vermeidung unkalkulierbarer Kostenrisiken eine Belastungsobergrenze unabhängig von der Zahl der teilnehmenden Versicherten festzulegen. Die Frage, ob eine an der Zahl der Versicherten orientierte (ergänzende) Begrenzung möglicherweise vorzugswürdig gewesen wäre, muss hier nicht entschieden werden, weil die Schiedsperson ihren gerade in der Anfangsphase weiten Gestaltungsspielraum (vgl oben RdNr 47) jedenfalls nicht überschritten hat.

54

Der Umstand, dass die Zahl der teilnehmenden Versicherten mit 576 000 (Quartal IV/2013) deutlich geringer war, als von der Schiedsperson prognostiziert, macht die Prognose entgegen der Auffassung der Klägerin nicht fehlerhaft. Maßgeblich für die Prognose sind die im Zeitpunkt der Entscheidung der Schiedsperson bekannten und erkennbaren Umstände. Später bekannt werdende Tatsachen können die Richtigkeit einer Prognose nicht widerlegen (vgl BSG Urteil vom 10.12.2013 - B 13 R 9/13 R - NZS 2014, 264, RdNr 29 mwN; BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr 21, RdNr 41 mwN). Ausgangspunkt der Einschätzung der Schiedsperson zur Zahl der Versicherten war der Umstand, dass an dem vorangegangenen HzV-Vertrag 2,595 Millionen der insgesamt 4,3 Millionen Versicherten der Klägerin teilgenommen haben (S 2 der Begründung zur Festlegung des Vertrages). Die Schiedsperson ist nachvollziehbar davon ausgegangen, dass die Zahl der Versicherten, die an dem streitbefangenen HzV-Vertrag teilnehmen wird, deutlich geringer sein wird. Das war bereits deshalb naheliegend, weil die Klägerin die Befreiung von der damals noch geltenden Praxisgebühr, die sie für die an dem vorangegangenen HzV-Vertrag teilnehmenden Versicherten vorgesehen hatte, zurückgenommen hat (vgl S 35 der Begründung). Die Prognose der Schiedsperson, nach der sich die Zahl der teilnehmenden Versicherten von ehemals über 2,5 Millionen auf 1,5 Millionen verringern und damit fast halbieren würde, trägt den damals bekannten Umständen ausreichend Rechnung. Dass die Praxisgebühr mit der Aufhebung des § 28 Abs 4 SGB V durch Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom 20.12.2012 (BGBl I 2789) vollständig abgeschafft würde, war zum Zeitpunkt der Entscheidung der Schiedsperson noch nicht bekannt und konnte deshalb auch nicht berücksichtigt werden.

55

Im Übrigen gibt es auch keine Hinweise, dass bei den von der Schiedsperson getroffenen Festlegungen sachfremde Erwägungen eine Rolle gespielt haben könnten. Vielmehr bestätigt das von der Klägerin mit Schreiben vom 30.3.2015 gegenüber dem Beklagten unterbreitete Angebot einer Übergangsregelung, das eine Erhöhung der im streitgegenständlichen HzV-Vertrag enthaltenen 70-Millionen-Grenze um 10 % für die Zeit ab 1.4.2015 und eine weitere Anpassung dieser Obergrenze für die Zeit ab dem Jahr 2016 "zur Vermeidung untragbarer Finanzrisiken der AOK-Bayern" entsprechend der Veränderungsrate gemäß § 71 Abs 3 SGB V vorsah, dass der Schiedsspruch den berechtigten Interessen der Klägerin angemessen Rechnung getragen haben dürfte.

56

3. Die Klägerin kann die Unwirtschaftlichkeit des HzV-Vertrages auch nicht mit Erfolg unter Hinweis auf die dort geregelten "Zuschläge für den erhöhten Betreuungsaufwand definierter Krankheitsbilder" (sog Chronikerzuschläge) geltend machen. Allein dem Umstand, dass die sog Chronikerzuschläge bereits zu zahlen sind, wenn ein einziger Arzt-Patienten-Kontakt im Quartal stattgefunden hat, kann kein Hinweis auf eine Unwirtschaftlichkeit entnommen werden. Der Zuschlag unterscheidet sich insofern nicht von anderen Pauschalen, die im EBM-Ä geregelt sind. Für den EBM-Ä sieht § 87 Abs 2b S 1 bis 3 SGB V die Abbildung von Leistungen in Form von Versichertenpauschalen sogar ausdrücklich im Sinne einer Sollregelung vor. Vor diesem Hintergrund erscheint es fernliegend, dass die Schiedsperson ihren Gestaltungsspielraum überschreiten könnte, wenn sie Pauschalen auch für die Vergütung im Rahmen des HzV-Vertrages vorsieht. Die durch Art 1 Nr 5 des Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) vom 4.4.2017 (BGBl I 778) mWv 11.4.2017 in § 73b Abs 5 S 7 SGB V eingeführte Regelung, nach der zusätzliche Vergütungen für Diagnosen nicht Gegenstand der HzV-Verträge sein können, galt noch nicht für den hier streitbefangenen Vertrag. Im Übrigen sind Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Pauschalen nicht in erster Linie für die Verbesserung der Qualität der Betreuung und Behandlung der Patienten, sondern für das Codieren bestimmter Diagnosen gezahlt worden sein könnten, nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich. Die Frage, ob Regelungen zur Vergütung des Codierens im Rahmen der HzV bereits in Verträgen, die - wie der vorliegende - vor den Änderungen durch das HHVG zustande gekommen sind, rechtswidrig waren (vgl Orlowski, ZMGR 2009, 124, 132), stellt sich daher hier nicht.

57

4. Auch mit den getroffenen Regelungen zur Arzneimitteltherapieoptimierung ("AMTHO"), die höchstens zweimal jährlich mit 85 Euro (ohne Anwesenheit einer Begleitperson) bzw 130 Euro (mit Anwesenheit einer Begleitperson) vergütet wird, hat die Schiedsperson ihren Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Voraussetzung für die Vergütung ist ua, dass der Versicherte dauerhaft mindestens sechs verschreibungspflichtige Arzneimittel einnimmt. Zusätzlich zu einem Beratungsgespräch muss der Arzt die Medikation auf einem dafür vorgesehenen Formblatt (Anhang 5 zu Anlage 3 des HzV-Vertrages) dokumentieren. Nach der Begründung der Schiedsperson zum HzV-Vertrag soll damit auf das allgemein bekannte Problem der Polypharmazie reagiert werden, indem dem Arzt ein Anreiz gegeben wird, mit dem Patienten Beratungsgespräche zur Arzneimitteloptimierung zu führen. Als Nebeneffekt könne damit im Einzelfall auch eine gewisse Reduzierung der Arzneimittelkosten erreicht werden. Auch diese von der Schiedsperson angestellten Erwägungen sind aus Sicht des Senats nachvollziehbar und sachgerecht.

58

5. Soweit die Klägerin auf eine vertragswidrige Inanspruchnahme von Leistungen durch teilnehmende Versicherte (insbesondere in Gestalt der Inanspruchnahme von weiteren Hausärzten, die ihre Leistungen innerhalb des Kollektivvertragssystems abrechnen) hinweist, könnte daraus auf die Rechtswidrigkeit des Vertrages selbst nur geschlossen werden, wenn dieser dazu Anreize geben würde oder naheliegende Vorkehrungen zu ihrer Verhinderung unterlassen hätte. Dafür bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Vertragspartner müssen kontinuierlich darauf hinwirken, dass unerwünschte Doppelversorgungen unterbleiben, indem sie Ursachen für vertragswidrige Inanspruchnahmen identifizieren und auf dieser Grundlage gemeinsam Lösungen erarbeiten. Die Möglichkeiten der Schiedsperson, das Problem bei der Festsetzung des Vertragsinhalts zu lösen, sind jedoch begrenzt. Unter diesen Umständen ist die in § 9a Abs 4 des Vertrages getroffene allgemeine Regelung nicht zu beanstanden, nach der die Vertragspartner "alle Möglichkeiten" wahrnehmen, "um auszuschließen, dass Honorarforderungen eines Hausarztes für einen HzV-Versicherten für Leistungen, die im EBM-Ziffernkranz gemäß Anhang 1 zu Anlage 3 enthalten sind, von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns vergütet werden." Auch in der Begründung des HzV-Vertrages wird die gemeinsame Verpflichtung der Vertragspartner betont, Maßnahmen mit dem Ziel zu ergreifen, die Kosten einer vertragswidrigen Inanspruchnahme von Leistungen zu reduzieren. Nach dem Vorbringen des Beklagten, dem die Klägerin nicht entgegengetreten ist, hat sie inzwischen gemeinsam mit der KÄV Bayerns ein Konzept zur Regelwerksprüfung mit dem Ziel entwickelt, die Kosten einer vertragswidrigen Inanspruchnahme von Leistungen zu senken.

59

III. Der Vertrag verstößt auch nicht gegen das Gebot der Selbsttragung eines Wahltarifs nach § 53 Abs 9 SGB V. Nach § 53 Abs 3 SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen - ua nach § 73b SGB V - teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Daran anknüpfend schreibt § 53 Abs 9 S 1 SGB V vor, dass die Aufwendungen für jeden Wahltarif jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden müssen. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 25.3.2015 (B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 77 f) im Einzelnen dargelegt hat, ist § 53 Abs 9 SGB V bezogen auf die Durchführung der HzV einschränkend auszulegen. Soweit die Vertragspartner des HzV-Vertrages von der Gestaltungsfreiheit Gebrauch machen, die ihnen § 73b Abs 5 S 4 SGB V einräumt, indem Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels zugelassen werden, kann allein darin kein Verstoß gegen das Verbot der Quersubventionierung von Wahltarifen aus § 53 Abs 9 SGB V liegen. Daran hält der Senat fest. Die Klägerin kann dagegen nicht mit Erfolg einwenden, dass § 73b Abs 5 S 4 SGB V Ausnahmen von den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V, nicht aber von den Vorschriften des Dritten Kapitels - zu denen § 53 Abs 9 SGB V gehört - zulasse. Ausschlaggebend ist, dass die an die Wirtschaftlichkeit von Verträgen zur HzV zu stellenden Anforderungen in § 73b SGB V geregelt sind. Diese Vorgaben zur Wirtschaftlichkeit sind - jedoch nur für HzV-Verträge, die nach dem 31.3.2014 zustande kommen - mit der Änderung von § 73b Abs 5 S 1, Abs 9 SGB V durch Art 1 Nr 1b Buchst a DBuchst aa, Art 1 Nr 1b Buchst d 14. SGB V-ÄndG konkretisiert worden. Darüber hinausgehenden Anforderungen zur Beitragssatzstabilität (§ 73b Abs 5a, Abs 8 SGB V idF des GKV-FinG)sind mit dem 14. SGB V-ÄndG ausdrücklich mit dem Ziel zurückgenommen worden, die Handlungsspielräume der HzV-Vertragspartner - und damit auch der Schiedsperson - zu erweitern (vgl BT-Drucks 18/606 S 11). Diese Zielsetzung darf nicht durch eine Auslegung des § 53 Abs 9 SGB V unterlaufen werden, die die HzV-Vertragspartner letztlich doch an den Grundsatz der Beitragssatzstabilität binden würde.

60

IV. Die Angabe der Klägerin, dass der HzV-Vertrag - abweichend von der gesetzlichen Vorgabe in § 73b Abs 4 S 1 SGB V, nach der Verträge mit Gemeinschaften von Hausärzten zu schließen sind - der HÄVG oder der HÄVG Rechenzentrum GmbH die Stellung eines Vertragspartners oder eine "faktische Vertragspartnerstellung" vermitteln würde, trifft nicht zu. Nach § 1 Abs 3 des Vertrages sind Vertragspartner des HzV-Vertrages allein die Krankenkasse (Klägerin des vorliegenden Verfahrens) und der Hausärzteverband (Beklagter des vorliegenden Verfahrens). Diese werden im Vertrag durchgehend als Vertragspartner bezeichnet, und nach § 2 Abs 3 des Vertrages ist "der Hausärzteverband gemäß § 295a Abs. 2 SGB V i.V.m. § 80 SGB X berechtigt, eine andere Stelle zu beauftragen". § 2 Abs 4 des Vertrages stellt klar, dass die HÄVG ausschließlich in der Funktion als Erfüllungsgehilfin(§ 278 BGB) des Hausärzteverbandes tätig wird. Dass der Vertrag die Verwendung einer von der HÄVG entwickelten Software und eines bestimmten Prüfmoduls vorschreibt, macht die HÄVG entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu einem Vertragspartner der Klägerin. Dass Vorgaben zur verwendeten Software erforderlich sind, um die Abrechnung durchführen zu können, unterliegt im Übrigen keinem Zweifel. Die HÄVG-Rechenzentrum GmbH wird nach § 1 Abs 11, Anlage 3 § 5 von dem Hausärzteverband und nicht von der HÄVG zu Abrechnungszwecken beauftragt, sodass auch keine - mit § 295a Abs 2 S 2 SGB V unvereinbare(vgl BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 99) - Unterbeauftragung eines Unternehmens mit der Datenverarbeitung vorliegt.

61

V. Soweit die Klägerin geltend macht, dass nicht nachvollzogen werden könne, in welchem Umfang Versichertengelder, die sie in die HzV investiere, systemfremden Dritten zuflössen, ist zuzugestehen, dass für Hausärzteverbände keine Vorgaben und aufsichtsrechtlichen Regelungen existieren, die mit den für die Krankenkassen (§§ 87 ff SGB IV) oder die KÄVen (§§ 78 ff SGB V)geltenden Bestimmungen vergleichbar wären. Dabei übernimmt der Hausärzteverband - trotz aller Unterschiede (vgl RdNr 38 ff) - bei der Durchführung der HzV teilweise ähnliche Aufgaben, wie die KÄVen in der kollektivvertraglichen Versorgung. Auch eine Kontrolle zB von Vorstandsentscheidungen zu Beteiligungen an Einrichtungen und Dienstleistungsgesellschaften durch Selbstverwaltungsorgane, wie sie etwa § 77b SGB V für die KÄBV vorsieht, ist für den Beklagten als privatrechtlich organisiertem Verband und für die von diesem zur Umsetzung der HzV-Verträge in Anspruch genommenen Dienstleistungsgesellschaften bisher gesetzlich nicht geregelt. Insofern kann der Einwand der Klägerin nachvollzogen werden, dass die Verwendung der für die HzV bereitgestellten Beitragsmittel für sie nicht transparent sei. Gleichwohl besteht keine Verpflichtung der Vertragspartner des HzV-Vertrages oder der an ihrer Stelle tätig werdenden Schiedsperson, diese vom Gesetzgeber offenbar hingenommenen Strukturen durch entsprechende Bestimmungen im HzV-Vertrag zu kompensieren.

62

VI. Auch der Umstand, dass nach dem Inhalt des Vertrages Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und den einzelnen Hausärzten - sowohl bezogen auf Vergütungsansprüche als auch bezogen auf die Korrektur einer unrichtigen Abrechnung - bestehen, ist nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des Vertrages zu begründen. Der Umstand, dass Grundlage des vorliegenden Vertrages § 73b Abs 4 S 1 SGB V ist, der die Krankenkassen zum Abschluss von Verträgen mit Gemeinschaften verpflichtet, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des KÄV-Bezirks vertreten, ändert - wie oben im Einzelnen dargelegt - nichts daran, dass durch den HzV-Vertrag als Selektivvertrag Rechtsverhältnisse unmittelbar zwischen Krankenkassen und den einzelnen Ärzten begründet werden können. Dass die Krankenkassen die Abrechnung auch der an der HzV teilnehmenden Ärzte auf Rechtmäßigkeit prüfen, folgt aus § 73b Abs 5 S 5 iVm § 106a Abs 3 SGB V(aF; heute entsprechend § 106d Abs 3 SGB V).

63

VII. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 25.3.2015 (B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 85) im Einzelnen dargelegt hat, ist die Schiedsperson ferner nicht gehindert, den Vertrag als sog Vollversorgungs- bzw Bereinigungsvertrag festzulegen. Daran hält der Senat fest. Von einem sog Add-on-Vertrag unterscheidet sich der Vollversorgungsvertrag dadurch, dass die Erbringung und Abrechnung von Leistungen auf der Grundlage des HzV-Vertrages (jedenfalls weitgehend) an die Stelle der Regelversorgung tritt und diese nicht nur ergänzt. Auf die Frage, ob ein sog Add-on-Vertrag den gesetzlichen Vorgaben entsprechen würde, kommt es auch für die vorliegende Entscheidung nicht an (vgl dazu bereits BSG aaO). Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der HzV-Vertrag bezogen auf Leistungen, denen in der hausärztlichen Versorgung nur untergeordnete Bedeutung zukommt und für die deshalb keine Vergütungspositionen in der Anlage 3 HzV-Vertrag festgelegt worden sind, eine Abrechnung des Hausarztes gegenüber der KÄV nicht ausschließt (vgl § 12 Abs 1 HzV-Vertrag). Auch insoweit hat die Schiedsperson ihren weiten Gestaltungsspielraum nicht überschritten.

64

VIII. Ebenfalls vom Gestaltungsspielraum der Schiedsperson umfasst sind die getroffenen Regelungen zur Kündigung der Teilnahme von Vertragsärzten. § 5 Abs 3 HzV-Vertrag bestimmt, dass der Hausärzteverband berechtigt und gegenüber der Krankenkasse verpflichtet ist, den Vertrag bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gegenüber dem teilnehmenden Hausarzt mit sofortiger Wirkung zu kündigen. Daneben treten die automatischen Beendigungsgründe gemäß § 5 Abs 2 HzV-Vertrag, die ua im Falle des Ruhens oder der Beendigung der vertragsärztlichen Zulassung eingreifen. Es bestand keine Verpflichtung, der Klägerin unmittelbar die Möglichkeit zur Kündigung von Hausärzten einzuräumen. Der Umstand, dass die Klägerin die Möglichkeit zur Kündigung durch den Beklagten nicht als "sachgerechte Lösung" ansieht, begründet nicht das Vorliegen einer Rechtsverletzung, und Anhaltspunkte dafür, dass der HzV-Vertrag in diesem Punkt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen könnte, vermag der Senat nicht zu erkennen.

65

IX. Der HzV-Vertrag ist auch nicht insofern rechtswidrig, als er grundsätzlich allen bei der Klägerin krankenversicherten Versicherten die Teilnahme ermöglicht. Die Auffassung der Klägerin, dass der Vertrag Kinder und Jugendliche von der Teilnahme hätte ausschließen müssen, trifft nicht zu. Richtig ist, dass die Klägerin am 26.6.2009 einen Vertrag nach § 73b SGB V mit einer Gesellschaft des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte abgeschlossen hat, der die Versorgung von Kindern und Jugendlichen zum Gegenstand hat. Daraus folgt aber kein vertraglich nicht abdingbares Wahlrecht der Klägerin bezogen auf die Frage, welchem Personenkreis sie die Möglichkeit zur Teilnahme am streitbefangenen HzV-Vertrag geben möchte. Mit ihrer Forderung nach einem Ausschluss von Kindern und Jugendlichen aus der HzV kann sich die Klägerin insbesondere nicht auf § 73b Abs 4 S 3 SGB V stützen, der die Voraussetzungen für einen Vertragsschluss der Krankenkasse mit den in Nr 1 bis 4 genannten Vertragspartnern (Leistungserbringer, KÄV, ua) regelt, nicht aber die Personenkreise bestimmt, denen die Krankenkasse die Teilnahme an einem HzV-Vertrag anzubieten hat. Einschlägig ist insoweit vielmehr § 73b Abs 1 SGB V, der die Krankenkassen verpflichtet "ihren Versicherten" eine HzV anzubieten.

66

Im Übrigen wäre der vollständige Ausschluss von Kindern und Jugendlichen von der Inanspruchnahme eines Hausarztes im Rahmen der HzV auch unter fachlichen Gesichtspunkten nicht sinnvoll. Bereits in ihrer Begründung (S 29 f) zur Festsetzung des Vertragsinhalts hat die Schiedsperson zutreffend darauf hingewiesen, dass Kinder- und Jugendärzte in ländlichen Regionen für die Versicherten nicht immer in erreichbarer Nähe zur Verfügung stehen. Aber auch unabhängig davon kann es unter fachlichen Gesichtspunkten sinnvoll sein, dass Jugendliche bereits vor Erreichen der Volljährigkeitsgrenze einen Hausarzt aufsuchen. Besonders bezogen auf Jugendliche und junge Erwachsene mit chronischen Krankheiten werden Anforderungen an die Gestaltung des Übergangs von kinderzentrierten zu erwachsenenorientierten Versorgungssystemen formuliert, die mit einem Wechsel zu einem festgelegten Stichtag nicht in Einklang zu bringen sind (vgl dazu zB das Gutachten 2009 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen "Koordination und Integration - Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft des längeren Lebens", BT-Drucks 16/13770 S 219 ff mwN; vgl auch BSG Beschluss vom 28.10.2015 - B 6 KA 12/15 B - SozR 4-2500 § 116 Nr 11 = MedR 2016, 475).

67

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2 VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des von ihr ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

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(1) Die Versicherungsträger unterliegen staatlicher Aufsicht. Sie erstreckt sich auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht, das für die Versicherungsträger maßgebend ist. (2) Auf den Gebieten der Prävention in der gesetzlichen Unfallversic

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 78 Aufsicht, Haushalts- und Rechnungswesen, Vermögen, Statistiken


(1) Die Aufsicht über die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen führt das Bundesministerium für Gesundheit, die Aufsicht über die Kassenärztlichen Vereinigungen führen die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 90 Landesausschüsse


(1) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen bilden für den Bereich jedes Landes einen Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen und einen Landesausschuß der Zahnärzte und Krankenkassen. Die

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 295a Abrechnung der im Rahmen von Verträgen nach § 73b, § 132e, § 132f und § 140a sowie vom Krankenhaus im Notfall erbrachten Leistungen


(1) Für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen nach den §§ 73b, 132e, 132f und 140a erbrachten Leistungen sind die an diesen Versorgungsformen teilnehmenden Leistungserbringer befugt, die nach den Vorschriften dieses Kapitels erforderlichen Angab

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 8


Die Sozialgerichte entscheiden, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist, im ersten Rechtszug über alle Streitigkeiten, für die der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit offensteht.

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 80 Verarbeitung von Sozialdaten im Auftrag


(1) Die Erteilung eines Auftrags im Sinne des Artikels 28 der Verordnung (EU) 2016/679 zur Verarbeitung von Sozialdaten ist nur zulässig, wenn der Verantwortliche seiner Rechts- oder Fachaufsichtsbehörde rechtzeitig vor der Auftragserteilung 1. den A

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 77b Besondere Regelungen zu Einrichtungen und Arbeitsgemeinschaften der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen


(1) Vor der Entscheidung des Vorstandes der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen über die Errichtung, Übernahme oder wesentliche Erweiterung von Einrichtungen im Sinne des § 85 Absatz 1 des Vierten Buches sowie über eine unmittelbare oder mittelbare

Referenzen - Urteile

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 164/03 Verkündet am: 23. Februar 2006 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 117/01 Verkündet am: 2. Oktober 2003 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR :

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Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. April 2017 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 10. Mai 2017 - B 6 KA 14/16 R

bei uns veröffentlicht am 10.05.2017

Tenor Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. Januar 2016 und der Schiedsspruch des Beklagten vom 18. Dezember 2012 zu Nr 1 aufgehoben. Insoweit

Bundessozialgericht Urteil, 10. Mai 2017 - B 6 KA 5/16 R

bei uns veröffentlicht am 10.05.2017

Tenor Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 16. Dezember 2015 werden zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 15. März 2017 - B 6 KA 35/16 R

bei uns veröffentlicht am 15.03.2017

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 30. August 2016 (L 3 KA 2/16 WA) wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 30. Nov. 2016 - B 6 KA 38/15 R

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Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 23. Juni 2016 - B 3 KR 26/15 R

bei uns veröffentlicht am 23.06.2016

Tenor Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichtes vom 29. Januar 2015 und des Sozialgerichts Wiesbaden vom 17. Mai 2013 aufgehoben.

Bundessozialgericht Beschluss, 28. Okt. 2015 - B 6 KA 12/15 B

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Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

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Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. November 2013 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freib

Bundessozialgericht Urteil, 25. März 2015 - B 6 KA 9/14 R

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Tenor Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. April 2012 geändert. Es wird festges

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Bundessozialgericht Beschluss, 05. Juni 2013 - B 6 KA 4/13 B

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Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. September 2012 wird zurückgewiesen.

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Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 15. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 21. März 2012 - B 6 KA 22/11 R

bei uns veröffentlicht am 21.03.2012

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 25. Nov. 2010 - B 3 KR 1/10 R

bei uns veröffentlicht am 25.11.2010

Tenor Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. November 2009 werden zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 05. Mai 2010 - B 6 KA 5/09 R

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Tatbestand 1 Im Streit steht ein Regress wegen der Verordnung eines Arzneimittels. 2
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Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. Februar 2018 (L 12 KA 210/14) wird zurückgewiesen.

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Bundessozialgericht Urteil, 21. März 2018 - B 6 KA 59/17 R

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Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. April 2017 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. April 2017 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Rechtmäßigkeit eines aufsichtsrechtlichen Bescheids, mit dem das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) des beklagten Freistaats die klagende Krankenkasse verpflichtete, den von einer Schiedsperson festgesetzten Vertrag über eine hausarztzentrierte Versorgung (HzV-Vtr) umzusetzen.

2

Die Klägerin ist eine Ortskrankenkasse, deren Zuständigkeitsbereich das Gebiet des Freistaats Bayern umfasst. Sie bietet ihren Versicherten seit 2009 auf der Grundlage von Verträgen mit dem Bayerischen Hausärzteverband e.V. (BHÄV) eine besondere hausärztliche Versorgung an (hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b SGB V). Den ohne Einschaltung eines Vertragshelfers am 12.2.2009 abgeschlossenen HzV-Vtr, der die hausärztlichen Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ergänzte ("add-on-Vertrag"), kündigte die Klägerin zum 31.12.2010. Auch den anschließend von einer Schiedsperson nach dem Modell eines Vollversorgungsvertrags festgesetzten HzV-Vtr vom 13.2.2012 (s dazu das Urteil vom heutigen Tag im Verfahren B 6 KA 44/16 R) kündigte die Klägerin zum 30.6.2014, dem frühestmöglichen Zeitpunkt. Da sich der BHÄV und die Klägerin erneut nicht auf eine Anschlussvereinbarung verständigen konnten, ordnete die vom StMGP bestimmte Schiedsperson Dr. K. zunächst am 5.5.2014 die einstweilige Weitergeltung des gekündigten HzV-Vtr für bereits eingeschriebene Hausärzte und Versicherte an; Neueinschreibungen wurden ausgeschlossen. Mit Schiedsspruch vom 19.12.2014 setzte Dr. K. einen neuen Vertrag wiederum als Vollversorgungsvertrag fest (HzV-Vtr 2015). Dieser Vertrag sieht vor, dass er an dem Tag, der der Feststellung seiner Nichtbeanstandung durch die Aufsichtsbehörde folgt, oder - bei Fehlen einer solchen Feststellung - zwei Monate nach Vorlage bei der Aufsichtsbehörde in Kraft tritt und zum 1.4.2015 finanzwirksam wird (§ 20 Abs 2 und 3 HzV-Vtr 2015). Eine ordentliche Kündigung ist zum Ende eines Kalenderjahres, erstmals zum 31.12.2018 möglich (§ 21 Abs 2 HzV-Vtr 2015).

3

Der HzV-Vtr 2015 wurde dem StMGP als für die Klägerin zuständiger Aufsichtsbehörde am 29.12.2014 vorgelegt. Die Klägerin bat mit Schreiben vom 23.1.2015 das Ministerium um Beanstandung des Vertrags. Sie legte dar, dass der HzV-Vtr 2015 gegenüber der Regelversorgung zu jährlichen Mehrkosten im Umfang von etwa 151 bis 204 Mio Euro führen könne, denen keine entsprechenden Mehrleistungen gegenüberstünden. Zudem fehlten zentrale Anlagen des Vertrags, was dessen Umsetzung unmöglich mache. Weitere Regelungen - insbesondere der vorgesehene Beirat mit Entscheidungsbefugnissen zu Vertragsinhalten - seien rechtswidrig oder jedenfalls unbillig. Das StMGP gab dem Vertragspartner (BHÄV) Gelegenheit zur Stellungnahme und bat auch die Schiedsperson um eine Äußerung. Diese teilte ua mit, dass sich alle Rechte und Pflichten der Vertragsparteien vollumfänglich aus dem HzV-Vtr 2015 sowie der Begründung des Schiedsspruchs ergäben. Soweit dort auf Anlagen Bezug genommen sei, die aktualisiert werden müssten, seien diese ausnahmslos lediglich technischer oder verfahrensmäßiger Natur und nicht konstitutiv für die Durchführung der HzV. Sie sollten durch die Vertragspartner sinnvollerweise selbst gestaltet werden, so wie das im Schiedswesen allgemein üblich sei (Schreiben vom 6.2.2015). Daraufhin informierte das StMGP die Klägerin, dass von einer Beanstandung des Schiedsspruchs abgesehen werde, weil angesichts des weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums der Schiedsperson jedenfalls kein eindeutiger Rechtsverstoß erkennbar sei, der ein Einschreiten ermögliche (Schreiben vom 2.3.2015). Der Klägerin stehe hinsichtlich des Schiedsspruchs und des HzV-Vtr 2015 eine Klage zum SG offen, sodass ihr unabhängig von der rechtsaufsichtlichen Prüfung ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stünden.

4

Die Klägerin wirkte in der Folgezeit an Maßnahmen zur Umsetzung des Vertrags nicht mit. Sie erhob vielmehr am 16.3.2015 vor dem SG München Klage gegen den BHÄV auf Feststellung der Unwirksamkeit des Schiedsspruchs. Über diese Klage (zunächst S 39 KA 228/15, jetzt S 28 KA 228/15) wurde bislang noch nicht entschieden. Ein Antrag der Klägerin vom 26.5.2015 gegen den BHÄV auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, dem das SG zunächst stattgegeben hatte (Beschluss vom 24.6.2015 - S 21 KA 620/15 ER), wurde in zweiter Instanz abgewiesen (Beschluss des LSG vom 5.10.2015 - L 12 KA 83/15 B ER - NZS 2016, 102).

5

Das StMGP richtete nach zahlreichen Gesprächen am 22.4.2015 an die Klägerin ein rechtsaufsichtliches Beratungsschreiben, in dem es die Rechtslage aus seiner Sicht darstellte und die Klägerin aufforderte, den HzV-Vtr 2015 unverzüglich und rückwirkend zum 1.4.2015 umzusetzen. Hierfür und zur Äußerung im Hinblick auf beabsichtigte weitere rechtsaufsichtliche Maßnahmen bei Nichtbeachtung setzte das StMGP eine Frist bis zum 8.5.2015, die auf Bitten der Klägerin bis zum 13.5.2015 verlängert wurde. Die Staatsministerin erhielt Gelegenheit, in einer Sitzung des Verwaltungsrats der Klägerin am 12.5.2015 die Auffassung des StMGP zu erläutern. Der Verwaltungsrat fasste in dieser Sitzung sodann "als bindende strategische Leitlinie für das Hauptamt" den Beschluss, den Vollzug des HzV-Vtr 2015 weiterhin abzulehnen, da der Vertrag nicht vollzugsfähig und rechtlich angreifbar sei und zudem die Klägerin wettbewerbswidrig benachteilige. Diese Entscheidung teilte die Klägerin dem Ministerium noch am selben Tag mit.

6

Das StMGP verpflichtete daraufhin die Klägerin in dem hier streitbefangenen aufsichtsrechtlichen Bescheid vom 28.5.2015, den HzV-Vtr 2015 rückwirkend ab dem 1.4.2015 in Vollzug zu setzen; zudem wurde die sofortige Vollziehung angeordnet. Die Klägerin nehme mit ihrem Verhalten bewusst in Kauf, dass für ihre Versicherten ab dem 1.4.2015 keine HzV gemäß den gesetzlichen Anforderungen angeboten werden könne, und verletze damit ihre Verpflichtungen aus § 73b Abs 1 SGB V. Eine Umsetzung des HzV-Vtr 2015 sei für die Klägerin sowohl möglich als auch zumutbar. Die von ihr als zentral angesehene Frage, welche Leistungen von dem Vertrag umfasst seien, sei durch eine zwischenzeitliche Stellungnahme der Schiedsperson geklärt; sie könne als Interpretationshilfe herangezogen werden. Im Übrigen sei der Vertrag einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich. Hierzu seien die Vertragspartner im Rahmen einer konstruktiven Zusammenarbeit verpflichtet, zB im Rahmen des gemäß § 17 HzV-Vtr 2015 vorgesehenen Beirats als eines vertragsinternen Schiedsverfahrens. Das bisherige Verhalten der Klägerin, einerseits Lücken des Vertrags zu bemängeln und andererseits jegliche Mitwirkung an einer Klärung zu verweigern, sei widersprüchlich und verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Eine unzumutbare finanzielle Belastung entstehe durch die geforderte Umsetzung des HzV-Vtr 2015 nicht. Die diesbezüglichen Prognosen der Klägerin beruhten auf einer geschätzten Zahl von 1,4 Millionen in die HzV eingeschriebenen Versicherten, was angesichts der zurzeit im HzV-Vtr 2012 noch eingeschriebenen ca 450 000 Versicherten unrealistisch sei. Die im HzV-Vtr 2015 geregelte Vergütungsobergrenze sei auf nachdrücklichen Wunsch der Klägerin als absolute (nicht von der Zahl der teilnehmenden Versicherten abhängige) Obergrenze aufgenommen worden. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität sei für HzV-Verträge nicht unmittelbar anwendbar; eine Verletzung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots habe die Klägerin nicht substantiiert aufgezeigt.

7

Der Beschluss des Verwaltungsrats der Klägerin vom 12.5.2015 zeige, dass die Rechtsverletzung innerhalb der im Beratungsschreiben gesetzten Frist nicht abgestellt werde. Deshalb halte es das StMGP im Rahmen seines Entschließungsermessens für geboten, zum Schutz des Allgemeininteresses an der Rechtmäßigkeit der Sozialverwaltung einen Verpflichtungsbescheid zu erlassen. Das Interesse der Klägerin an einer Nichtumsetzung des Vertrags sei geringer einzustufen als das Recht der Versicherten, an einer gesetzeskonformen HzV teilnehmen zu können. Die Klägerin sei als Körperschaft des öffentlichen Rechts in besonderem Maße an Recht und Gesetz gebunden. Das bedeute auch eine Bindung an das gesetzlich festgelegte Verfahren. Insoweit habe das BSG im Urteil vom 25.3.2015 (B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1) klargestellt, dass ein Schiedsspruch trotz der von einem Vertragspartner erhobenen Klage zu vollziehen sei. Es stehe der Klägerin nicht frei, ein hiervon abweichendes Verfahren zu etablieren und eigenmächtig Inhalt und Umfang der HzV festzulegen. Die angeordnete Verpflichtung sei geeignet, erforderlich und auch verhältnismäßig, um die Rechtsverletzung zu beheben.

8

Die Klägerin hat gegen den Verpflichtungsbescheid am 29.5.2015 Anfechtungsklage zum LSG erhoben, die dort einem Senat für Angelegenheiten der Krankenversicherung zugewiesen worden ist (L 5 KR 244/15 KL). Zudem hat die Klägerin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt (L 5 KR 243/15 KL ER). Der Beklagte hat hierzu erklärt, bis zum Abschluss des gerichtlichen Eilverfahrens im Rechtsstreit der Klägerin gegen den BHÄV die Aufsichtsanordnung nicht zu vollstrecken. Die Klägerin hat nach der Entscheidung des LSG in dem gegen den BHÄV gerichteten Verfahren (Beschluss vom 5.10.2015 - L 12 KA 83/15 B ER - NZS 2016, 102) den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zurückgenommen und von da an den HzV-Vtr 2015 weitgehend umgesetzt. Ihre Klage gegen den Aufsichtsbescheid hat sie in der Annahme, dieser habe sich erledigt, mit Schriftsatz vom 30.11.2016 in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt. In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat die Klägerin aber primär wieder einen Anfechtungsantrag und lediglich hilfsweise einen Feststellungsantrag zur gerichtlichen Entscheidung gestellt. Der Beklagte hat auf Anregung des Gerichts den aufsichtsrechtlichen Bescheid insoweit zurückgenommen, als angeordnet war, den HzV-Vtr 2015 auch für die Zeit vor seiner Bekanntgabe (rückwirkend) in Vollzug zu setzen.

9

Das LSG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 4.4.2017). Sie sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, weil die Klägerin mittlerweile den HzV-Vtr 2015 jedenfalls überwiegend finanzwirksam umsetze; dadurch habe sich der Verpflichtungsbescheid erledigt. Das Feststellungsinteresse der Klägerin ergebe sich aus der geltend gemachten Verletzung ihrer Selbstverwaltungsrechte sowie aus einer Wiederholungsgefahr. Der aufsichtsrechtliche Bescheid sei jedoch in der Sache rechtmäßig. Er sei in dem erforderlichen abgestuften Verfahren und unter Beachtung des aufsichtsrechtlichen Prüfungsmaßstabs ermessensfehlerfrei erlassen worden. Die Klägerin habe geltendes Recht, insbesondere ihren Sicherstellungsauftrag für eine HzV gemäß § 73b Abs 1 SGB V verletzt, indem sie sich geweigert habe, den HzV-Vtr 2015 zu vollziehen. Dieser sei in der von der Schiedsperson festgesetzten Form nicht so lückenhaft gewesen, dass er überhaupt nicht umsetzbar gewesen sei; die bestehenden Lücken hätten durch eine ergänzende Vertragsauslegung gefüllt werden können. Das gelte auch für die Leistungsbeschreibung gemäß Anhang 1 zu Anlage 3 des Vertrags. Eine gerichtliche Überprüfung der aufsichtsrechtlichen Rechtskontrolle der Selbstverwaltung dürfe nicht dazu führen, dass hier eine eingehendere Kontrolle stattfinde als in dem Verfahren zur gerichtlichen Prüfung des Schiedsspruchs selbst. Der bei einer direkten Kontrolle der Entscheidung der Schiedsperson eingeschränkte gerichtliche Prüfungsmaßstab sei daher auch bei der hier vorzunehmenden inzidenten Kontrolle maßgeblich. Nicht stichhaltig sei der Einwand der Klägerin, dass durch die Aufsichtsmaßnahme ihre Verhandlungsposition gegenüber dem BHÄV geschwächt werde. Die Klägerin habe diese Maßnahme hinzunehmen, weil sie rechtmäßig und von dem Ziel getragen sei, die Verpflichtung zur HzV durchzusetzen.

10

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision zunächst Verfahrensmängel. Das LSG-Urteil verletze § 136 Abs 1 Nr 5 SGG, weil es ihren umfangreichen Vortrag zu einer einseitigen Abstimmung des StMGP mit dem BHÄV vor Erlass des Verpflichtungsbescheids("kollusive(s) Zusammenwirken zwischen dem zuständigen Ministerium und einem am Verfahren gar nicht beteiligten <…> privaten Verein") überhaupt nicht erwähne. Auch ihr Vorbringen zur Vereitelung effektiven Rechtsschutzes durch den Verpflichtungsbescheid sei unvollständig wiedergegeben. Gleiches gelte für ihren Vortrag, dass nicht erkennbar sei, wie sie das Handlungsgebot aus dem Verpflichtungsbescheid zu erfüllen habe. Zudem sei § 136 Abs 1 Nr 6 SGG verletzt, weil den Gründen des LSG-Urteils nicht zu entnehmen sei, warum ihrem Vortrag zum Vorliegen eines Verstoßes gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens, zur Verletzung ihres Rechts auf Anhörung, zur fehlerhaften Ermessensausübung sowie zur Verletzung des Gebots effektiven Rechtsschutzes, des Gewaltenteilungsgrundsatzes und des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht zu folgen sei. Dies stelle einen absoluten Revisionsgrund dar.

11

In der Sache beanstandet die Klägerin eine Verletzung ihres aus § 29 SGB IV folgenden Rechts auf Selbstverwaltung, das ihr ein subjektives Recht auf Wahrung der ihr gesetzlich eingeräumten Kompetenzen verleihe. Der Beklagte habe seine Aufsichtsbefugnisse überschritten, weil schon eine Rechtsverletzung nicht festzustellen sei. Eine solche liege nicht in der ursprünglich von ihr unterlassenen Umsetzung des HzV-Vtr 2015. Zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids sei sie zum Vollzug dieses Vertrags nicht verpflichtet gewesen. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts habe sie vielmehr die Verpflichtung, zunächst die Inhalte des von ihr für rechtswidrig erachteten Vertrags gerichtlich überprüfen zu lassen; nur so könne sie eigenes rechtswidriges Handeln vermeiden. Auch die Nichtbeanstandung des HzV-Vtr 2015 durch die Aufsichtsbehörde bewirke keine Umsetzungspflicht, sondern bedeute lediglich, dass sie - die Klägerin - mit der Umsetzung beginnen dürfe. Ebenso wenig folge eine Umsetzungspflicht aus der Entscheidung des BSG vom 25.3.2015 (B 6 KA 9/14 R).

12

Die lediglich temporäre Unterbrechung des Angebots einer HzV sei nicht per se rechtswidrig, sondern in der gesetzlichen Regelung des § 73b SGB V jedenfalls für einen Übergangszeitraum angelegt. Ein unbedenklicher vertragsloser Zustand bestehe während eines laufenden Schiedsverfahrens, aber auch dann, wenn eine der Parteien die ihr zustehenden Rechtsmittel zur Überprüfung eines HzV-Vtr in Anspruch nehme. Diese Rechtsschutzmöglichkeit und ihr Recht auf effektiven Rechtsschutz dürfe der Beklagte nicht durch eine Verpflichtungsanordnung unterminieren. Eine rechtsschutzbedingt vorübergehende Unterbrechung des Angebots einer HzV führe weder zu einer Verletzung des Sicherstellungsauftrags noch zu einer Unterversorgung der Versicherten; diesen stehe die hausärztliche Betreuung im Rahmen der von der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) gewährleisteten Regelversorgung zur Verfügung. Im Übrigen habe sie - die Klägerin - die faktische Erbringung von HzV-Leistungen für ihre Versicherten ab dem 1.4.2015 über Abschlagszahlungen honoriert.

13

Der Beklagte habe jedenfalls seine Kompetenzen als Rechtsaufsicht überschritten. Nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und einer maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht seien Aufsichtsmaßnahmen rechtswidrig, wenn sich das Handeln des Versicherungsträgers noch im Bereich des rechtlich Vertretbaren bewege. Der Aufsichtsbehörde sei es verwehrt, ihre Rechtsauffassung an die Stelle der Ansicht der beaufsichtigten Körperschaft zu setzen, sofern bislang vom Gesetz oder der Rechtsprechung noch nicht eindeutig beantwortete Rechtsfragen zum Anlass einer Beanstandung genommen würden. Über diese Grenze sei der Beklagte mit der Aufsichtsanordnung erheblich hinausgegangen. Wesentliche Rechtsfragen zum Inhalt des HzV-Vtr 2015 seien zum damaligen Zeitpunkt ungeklärt gewesen; es habe deshalb im Bereich des rechtlich Vertretbaren gelegen, dass sie - die Klägerin - den zu ihrer festen Überzeugung nicht vollzugsfähigen, rechtswidrigen und unwirksamen HzV-Vtr 2015 zunächst nicht umgesetzt, sondern die Gerichte um Rechtsschutz ersucht habe. Das folge schon daraus, dass das SG München ihre Rechtsansicht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bestätigt habe (Beschluss vom 24.6.2015 - S 21 KA 620/15 ER). Grundsätzlich seien alle Fragen der Rechtmäßigkeit, Billigkeit und Wirksamkeit eines HzV-Vtr und eventuelle Vertragsverletzungen ausschließlich im Verhältnis zwischen den Vertragspartnern zu klären. Solange eine solche gerichtliche Überprüfung noch andauere, sei es der Aufsicht verwehrt, einen Vertragspartner zur unmittelbaren Umsetzung des Vertrags zu verpflichten. Das gelte umso mehr, wenn nur eine Vertragspartei der Rechtsaufsicht unterliege, weil Aufsichtsmaßnahmen deren Position gegenüber dem Vertragspartner erheblich schwächten. Zudem habe der Beklagte eine unzulässige Fachaufsicht ausgeübt, indem er im Verpflichtungsbescheid einen konkreten Vertragsinhalt vorgegeben und so den HzV-Vtr 2015 inhaltlich mitgestaltet habe; dass er dazu auf die Auslegung durch die Schiedsperson verwiesen habe, sei unerheblich.

14

Auch das zum Erlass des streitbefangenen Verpflichtungsbescheids führende Verfahren sei rechtswidrig gewesen. Der Beklagte sei seiner Verpflichtung zu einem kooperativen Verhalten nicht nachgekommen, sondern habe einseitig zugunsten des BHÄV agiert. Insbesondere habe er sie - die Klägerin - während des Verwaltungsverfahrens nicht über die erfolgten bilateralen Abstimmungen mit dem BHÄV informiert. Auch fehlten eigene Ermessenserwägungen des Beklagten, da dieser die nachträglich eingeholte Ansicht der Schiedsperson zum Inhalt des HzV-Vtr 2015 vollständig übernommen habe. Jedenfalls sei die Ermessensausübung durch den Beklagten fehlerhaft, weil er gegen das Neutralitätsgebot verstoßen und überwiegend im Interesse des BHÄV tätig geworden sei. Der BHÄV habe, wie sich aus den Akten ergebe, vom Beklagten mehrfach nachdrücklich ein aufsichtsrechtliches Einschreiten gegen sie - die Klägerin - verlangt, weil er das für erfolgversprechender gehalten habe, als selbst eine Klage anzustrengen. Ermessensfehlerhaft sei das Vorgehen des Beklagten auch, weil dieser bereits zwei Tage nach Einreichung ihres Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz die aufsichtsrechtliche Verpflichtungsanordnung erlassen habe, ohne den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens abzuwarten.

15

Weiterhin rügt die Klägerin, der Verpflichtungsbescheid verletze sie auch in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz. Mit diesem Prozessgrundrecht sei es nicht vereinbar, wenn sie bei noch ausstehender gerichtlicher Entscheidung durch den Beklagten zur Umsetzung des HzV-Vtr 2015 - gegebenenfalls auch mit Mitteln des Verwaltungszwangs - verpflichtet werde, da dies ihre Rechtsschutzmöglichkeiten empfindlich einschränke. Zudem verstoße es gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz, wenn der Beklagte die Klärung eines Rechtsstreits zwischen ihr und dem BHÄV über den HzV-Vtr 2015 durch den Erlass eines Verpflichtungsbescheids vorwegnehme. Der Verpflichtungsbescheid sei aber auch aufgrund eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz rechtswidrig. Für sie - die Klägerin - sei nicht erkennbar gewesen, was genau der Beklagte mit der Verpflichtung, den HzV-Vtr 2015 "rückwirkend ab dem 01.04.2015 in Vollzug zu setzen", von ihr verlangt habe, insbesondere wie weit die Umsetzung des HzV-Vtr 2015 gediehen sein müsse, um dieses Gebot vollständig zu befolgen.

16

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. April 2017 sowie den Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 28. Mai 2015 aufzuheben.

17

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

18

Er hält die Entscheidung des LSG im Ergebnis für zutreffend. Die Revision sei bereits unzulässig, da das Feststellungsinteresse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage fehle, jedenfalls aber unbegründet. Der streitbefangene Verpflichtungsbescheid berühre das Recht auf Selbstverwaltung nicht, weil er auf die Herstellung eines rechtmäßigen Zustands gerichtet sei. Die Weigerung der Klägerin zur Umsetzung des HzV-Vtr 2015 sei objektiv rechtswidrig gewesen. Ein Recht zur Selbstverwaltung stehe der Klägerin gemäß § 29 Abs 3 SGB IV nur im Rahmen des Gesetzes zu. Der Verpflichtungsbescheid rüge nicht die Verletzung des HzV-Vtr 2015, sondern eine Verletzung der gesetzlichen Pflicht der Klägerin, ihren Versicherten eine HzV als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Das Gesetz verbiete es der Klägerin, einen vertragslosen Zustand einseitig dadurch herbeizuführen, dass sie einen geschiedsten HzV-Vtr nicht umsetze. Sie habe lediglich die Möglichkeit, vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz - ggf in Gestalt eines "Hängebeschlusses" - zu erwirken. Es stehe nicht im Belieben der Klägerin, trotz eines bestehenden HzV-Vtr ihre Versicherten auf die Regelversorgung bzw die Leistungserbringer auf "Abschlagszahlungen" ohne Rechtsgrundlage zu verweisen.

19

Er - der Beklagte - habe weder seine Kompetenzen überschritten noch die Erlangung effektiven Rechtsschutzes durch die Klägerin beeinträchtigt. Deren Weigerung, den HzV-Vtr 2015 zu vollziehen, sei rechtlich nicht vertretbar gewesen. Der Vertrag sei auch vollziehbar gewesen, was die Klägerin anerkenne, wenn sie ihn nunmehr auf der Grundlage der Entscheidung des LSG vom 5.10.2015 durchführe. Die gegenteilige Ansicht des SG (Beschluss vom 24.6.2015) habe er bei Erlass des Verpflichtungsbescheids noch nicht berücksichtigen können und später nicht berücksichtigen müssen, nachdem diese Entscheidung durch das LSG aufgehoben worden sei. Der Beklagte habe in dem Verpflichtungsbescheid zum Inhalt des Vertrags keine Stellung bezogen und auch keinen konkreten Vertragsinhalt vorgegeben. Etwas anderes könne auch nicht daraus abgeleitet werden, dass in der Begründung des Bescheids Bemerkungen dazu gemacht worden seien, ob und wie Streitfragen zum Verständnis des Vertrags gelöst werden könnten. Damit sei lediglich in gebotener Weise auf das Vorbringen der Klägerin eingegangen worden.

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das LSG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der aufsichtsrechtliche Verpflichtungsbescheid vom 28.5.2015 ist rechtmäßig.

21

A) Zur Entscheidung über die Revision ist der für das Vertragsarztrecht zuständige 6. Senat des BSG berufen. Der Rechtsstreit betrifft eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts (§ 10 Abs 2 iVm § 31 Abs 2, § 40 S 2 SGG).

22

Zu den Angelegenheiten des Vertragsarztrechts gehören gemäß § 10 Abs 2 S 2 Nr 3 SGG(in der ab 1.1.2012 geltenden Fassung von Art 8 Nr 1 Viertes Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze <4. SGB IV-ÄndG> vom 22.12.2011, BGBl I 3057) auch Klagen aufgrund von Verträgen nach § 73b SGB V. Dies umfasst auch Klagen aufgrund von Aufsichtsmaßnahmen im Zusammenhang mit Verträgen nach § 73b SGB V. Aus § 10 Abs 2 S 2 Nr 2 SGG ergibt sich, dass die Zuordnung zu den Spruchkörpern für Vertragsarztrecht oder den Spruchkörpern für Angelegenheiten der Sozialversicherung (Krankenversicherung) auch Aufsichtsangelegenheiten erfassen soll, die die jeweilige Materie betreffen(s die Begründung des Gesetzentwurfs zum 4. SGB IV-ÄndG, aaO: "einschließlich diese betreffende Aufsichtsangelegenheiten"; vgl auch Nguyen in juris-PK SGG, 2017, § 10 RdNr 37 bzw § 12 RdNr 57). Damit ist bundesrechtlich vorgegeben, dass Aufsichtsstreitigkeiten, die Verträge nach § 73b SGB V zum Gegenstand haben, den Spruchkörpern für Vertragsarztrecht zugewiesen sind. Die Geschäftsverteilung beim BSG trägt dem Rechnung mit der Regelung, dass die Zuständigkeit für Streitigkeiten aus dem Bereich der Aufsicht und des Selbstverwaltungsrechts der Zuständigkeit für die Sachgebiete folgt, die den einzelnen Senaten zugewiesen sind (Teil A Abschnitt II Nr 1 Buchst a - RdNr 16 des Geschäftsverteilungsplans für 2018). Soweit der Geschäftsverteilungsplan des LSG eine von der bundesrechtlich vorgegebenen Zuordnung von Aufsichtsstreitigkeiten zu den jeweiligen Fachsenaten abweichende Bestimmung enthalten sollte, ist diese unwirksam (Art 31 GG; zu den Zuordnungsregelungen eines Geschäftsverteilungsplans als abstrakt-generellen Rechtssätzen vgl BVerfG Beschluss vom 8.4.1997 - 1 PBvU 1/95 - BVerfGE 95, 322, 328 f - Juris RdNr 28; BVerfG Beschluss vom 20.2.2018 - 2 BvR 2675/17 - NJW 2018, 1155 RdNr 17; zur Geltung des Art 31 GG für alle Arten von Rechtssätzen s BVerfG Beschluss vom 15.10.1997 - 2 BvN 1/95 - BVerfGE 96, 345, 364 = Juris RdNr 62).

23

B) Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen.

24

1. Unschädlich ist hier, dass der 5. Senat des Bayerischen LSG, der das angefochtene Urteil erlassen hat, für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts nicht zuständig gewesen ist und deshalb auch nicht in der für solche Streitigkeiten vorgeschriebenen Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Vertragsärzte bzw Psychotherapeuten entschieden hat (§ 33 Abs 1 iVm § 12 Abs 3 S 1 SGG). Der darin liegende Verstoß gegen § 31 Abs 2 iVm § 33 Abs 1 SGG ist nicht von Amts wegen zu berücksichtigen, sondern nur, wenn ein Beteiligter diesen Verfahrensmangel ordnungsgemäß rügt(stRspr, vgl BSG Urteil vom 16.7.1996 - 1 RS 1/94 - BSGE 79, 41, 43 f = SozR 3-2500 § 34 Nr 5 S 29 f; BSG Urteil vom 13.5.1998 - B 6 KA 31/97 R - BSGE 82, 150, 152 = SozR 3-1500 § 60 Nr 4 S 14; BSG Urteil vom 6.5.2009 - B 6 A 1/08 R - BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 30 f; BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 30/10 R - SozR 4-5555 § 21 Nr 2 RdNr 10; ebenso BVerwG Beschluss vom 23.11.2010 - 6 P 2/10 - Buchholz 251.7 § 66 NWPersVG Nr 2 = Juris RdNr 8, mwN auch aus der Rspr des BGH; BAG Beschluss vom 15.4.2008 - 1 ABR 44/07 - AP Nr 70 zu § 80 BetrVG 1972 RdNr 52; s auch Burkiczak in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 12 RdNr 35). Eine entsprechende Rüge haben weder die Revisionsklägerin noch (als Gegenrüge) der Revisionsbeklagte erhoben.

25

2. Der Senat ist an einer Sachentscheidung auch nicht dadurch gehindert, dass das LSG von einer Beiladung des BHÄV abgesehen hat, obwohl dieser als Vertragspartner des HzV-Vtr 2015 von dem hier streitbefangenen Verpflichtungsbescheid zur Umsetzung dieses Vertrags faktisch ebenfalls betroffen ist. Ein Fall der echten notwendigen Beiladung, deren Unterlassung durch die Vorinstanz im Revisionsverfahren grundsätzlich von Amts wegen zu beachten wäre (BSG Urteil vom 10.5.2017 - B 6 KA 5/16 R - SozR 4-2500 § 87a Nr 4 RdNr 25, auch zur Veröffentlichung in BSGE 123, 115 vorgesehen), liegt nicht vor.

26

Nach § 75 Abs 2 1. Alt SGG sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, zu dem Verfahren beizuladen. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung ist gegeben, wenn durch die Entscheidung über das strittige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingegriffen wird (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 18). Erforderlich ist hierfür die Identität des Streitgegenstands im Verhältnis beider Hauptbeteiligter zu dem Dritten (BSG Urteil vom 6.9.2017 - B 13 R 20/14 R - SozR 4-3250 § 48 Nr 1 RdNr 25, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Die Entscheidung muss aus Rechtsgründen nur einheitlich ergehen können. Nicht ausreichend ist es, wenn lediglich die tatsächlichen Verhältnisse eine einheitliche Entscheidung erfordern oder als sinnvoll erscheinen lassen (BSG Urteil vom 6.9.2017 - B 13 R 20/14 R - aaO; BSG Urteil vom 10.5.2017 - B 6 KA 5/16 R - aaO RdNr 26).

27

Der BHÄV ist an dem Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrer Aufsichtsbehörde nicht als Träger eigener Rechte oder Pflichten beteiligt (vgl BSG Urteil vom 18.5.1988 - 1/8 RR 36/83 - BSGE 63, 173, 175 = SozR 2200 § 182 Nr 112 S 238 = Juris RdNr 13). Ihm steht kein Anspruch gegen die Aufsichtsbehörde auf ein Einschreiten gegen die Klägerin zu (vgl BSG Urteil vom 14.2.2007 - B 1 A 3/06 R - BSGE 98, 129 = SozR 4-2400 § 35a Nr 1, RdNr 13 mwN). Seine Rechte und Pflichten aus dem HzV-Vtr 2015 werden durch eine gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der gegen die Klägerin gerichteten Aufsichtsanordnung auch nicht unmittelbar und zwangsläufig ausgestaltet. Allein der Gesichtspunkt, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufsichtsanordnung die Rechtmäßigkeit oder Wirksamkeit des HzV-Vtr 2015 als Vorfrage von Bedeutung sein kann, führt nicht dazu, dass die hier zu treffende Entscheidung auch im Verhältnis zu dem weiteren Vertragspartner BHÄV zwingend nur einheitlich ergehen kann (vgl Straßfeld in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 75 RdNr 94; Engelhard in juris-PK SGB IV, 3. Aufl 2016, § 89 RdNr 145; in diesem Sinne zB auch BSG Beschluss vom 17.2.2016 - B 6 KA 38/15 B - Juris RdNr 13; BSG Urteil vom 10.5.2017 - B 6 KA 5/16 R - aaO RdNr 26). Dementsprechend hat der Senat in einem Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der an eine KZÄV adressierten Aufsichtsanordnung zur Durchführung und Abrechnung der vertragszahnärztlichen Versorgung die dort unterbliebene Beiladung hiervon betroffener Krankenkassen(-verbände) nicht beanstandet (BSG Urteil vom 27.6.2001 - B 6 KA 7/00 R - BSGE 88, 193 = SozR 3-2400 § 89 Nr 7). Die vom LSG unterlassene Beschlussfassung über die vom BHÄV beantragte einfache Beiladung (§ 75 Abs 1 S 1 SGG), die hier sachdienlich gewesen wäre, bewirkt keinen im Revisionsverfahren beachtlichen Verfahrensmangel (BSG Urteil vom 29.8.2007 - B 6 KA 36/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 39 RdNr 28).

28

C) Die Revision ist zulässig. Die Klägerin hat das vom LSG zugelassene Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt und überwiegend auch formgerecht begründet (§ 164 Abs 1 und Abs 2 S 3 SGG).

29

1. Soweit der Beklagte meint, die Revision sei unzulässig, weil es der Klägerin an einem Fortsetzungsfeststellungsinteresse iS von § 131 Abs 1 S 3 SGG fehle, betrifft das nicht die Zulässigkeit des Rechtsmittels, sondern die Zulässigkeit der Klage und damit eine Frage der Begründetheit der Revision(vgl BSG Urteil vom 12.9.2012 - B 3 KR 17/11 R - Juris RdNr 10; s auch Flint in juris-PK SGG, 2017, § 169 RdNr 15). Das gilt auch für die Frage nach der richtigen Klageart.

30

2. Unzulässig ist die Revision allerdings, soweit die Klägerin als Verfahrensmangel die Verletzung des § 136 Abs 1 Nr 5 SGG (gedrängte Darstellung des Tatbestands) beanstandet. Diese Rüge entspricht nicht den Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG. Die genannte Vorschrift bestimmt, dass die Revisionsbegründung bei der Rüge von Verfahrensmängeln die Tatsachen bezeichnen muss, die den Mangel ergeben. Dazu gehört auch die Darlegung, weshalb das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Mangel beruhen kann (BSG Urteil vom 6.5.2009 - B 6 A 1/08 R - BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 75; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 164 RdNr 12c; Röhl in juris-PK SGG, 2017, § 164 RdNr 66). Daran fehlt es hier. Die Klägerin listet in ihrer Revisionsbegründung zwar schlagwortartig Vorbringen auf, das im Tatbestand des LSG-Urteils keine ausdrückliche oder nur eine unvollständige Erwähnung gefunden habe, und führt aus, das sei "mit § 136 Abs. 1 Nr. 5 SGG auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit zu Bezugnahmen nach Absatz 2 Satz 1 der Vorschrift unvereinbar". Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin damit aus sich heraus verständlich die Umstände bezeichnet hat, aus denen sich der behauptete Verfahrensmangel herleiten lässt. Das bedarf jedoch keiner weiteren Klärung, da sich in der Revisionsbegründung jedenfalls keine Darlegungen finden, inwiefern die Entscheidung des LSG in der Sache darauf beruhen kann, dass das von der Klägerin skizzierte Vorbringen im Tatbestand des Urteils nicht oder nur unvollständig wiedergegeben ist. Ausführungen zur Frage des Beruhens enthält erstmals der Schriftsatz der Klägerin vom 7.3.2018. Dieser ist aber erst nach Ablauf der bis zum 30.11.2017 verlängerten Revisionsbegründungsfrist eingegangen und kann deshalb nicht berücksichtigt werden (vgl BSG Urteil vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 4 RdNr 22; BSG Beschluss vom 25.10.2017 - B 14 AS 11/17 R - Juris RdNr 4).

31

D) Die Revision der Klägerin ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 S 2 SGG). Das Urteil des LSG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die als Aufsichtsklage zulässige Klage hat sich allerdings infolge der weitgehenden Umsetzung des HzV-Vtr 2015 durch die Klägerin seit Herbst 2015 nicht erledigt (dazu unter 1.). Der aufsichtsrechtliche Verpflichtungsbescheid vom 28.5.2015 erweist sich in der Sache als rechtmäßig (dazu unter 2.). Durchgreifende Verfahrensmängel, auf denen das Urteil des LSG beruht, lassen sich nicht feststellen (dazu unter 3.).

32

1. Die Klage ist als Aufsichtsklage (§ 54 Abs 3 SGG) zulässig. Die Aufsichtsklage ist eine besondere Form der Anfechtungsklage, soweit sie - wie hier - auf Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde gerichtet ist. Die Klägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 29 Abs 1 SGB IV) kann sie zulässigerweise erheben, wenn sie schlüssig darlegt, die Aufsichtsbehörde habe mit ihrer Anordnung das Aufsichtsrecht überschritten oder ermessensfehlerhaft gehandelt (BSG Urteil vom 28.6.2000 - B 6 KA 64/98 R - BSGE 86, 203, 205 = SozR 3-2500 § 80 Nr 4 S 31). Beides macht die Klägerin geltend. Der Durchführung eines Vorverfahrens vor Klageerhebung bedurfte es gemäß § 78 Abs 1 S 2 Nr 3 SGG nicht.

33

Der Verpflichtungsbescheid vom 28.5.2015 als Gegenstand der Aufsichtsklage ist entgegen der Ansicht des LSG nicht dadurch entfallen, dass die Klägerin den HzV-Vtr 2015 mittlerweile umsetzt. Das geschieht nach ihren eigenen Angaben "ausschließlich in Befolgung des Beschlusses des Bayerischen LSG vom 5. Oktober 2015 (L 12 KA 83/15 B ER)", mit dem ihr gegen den BHÄV gerichteter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgewiesen worden war. Die nunmehrige Umsetzung dessen, was von der Klägerin in der Aufsichtsanordnung verlangt wird, führt nicht dazu, dass sich diese Anordnung erledigt hat. Von einer Erledigung "auf andere Weise" iS des § 39 Abs 2 SGB X ist auszugehen, wenn ein Verwaltungsakt nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu entfalten oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist(BSG Urteil vom 14.3.2013 - B 13 R 5/11 R - SozR 4-1200 § 51 Nr 1 RdNr 20 mwN; BSG Urteil vom 29.11.2017 - B 6 KA 34/16 R - SozR 4-2500 § 34 Nr 20 RdNr 30, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Solange der HzV-Vtr 2015 noch nicht durch Zeitablauf oder infolge einer Kündigung (nach dessen § 21 Abs 2 erstmals zum 31.12.2018 möglich) gegenstandslos geworden ist, ist die Anordnung, ihn "in Vollzug zu setzen", aber weiterhin geeignet, eine Steuerungsfunktion für das künftige Verhalten der Klägerin in Bezug auf diesen Vertrag zu entfalten und im Falle einer erneuten Verweigerung der Umsetzung des Vertrags rechtliche Wirkungen hervorzurufen. Die der Klägerin durch den Aufsichtsbescheid auferlegte Handlungsverpflichtung ist mithin nicht allein dadurch entfallen, dass die geforderten Handlungen von ihr derzeit vorgenommen werden (vgl BSG Urteil vom 14.3.2013 - B 13 R 5/11 R - aaO; für eine Aufsichtsanordnung BSG Urteil vom 28.6.2000 - B 6 KA 64/98 R - BSGE 86, 203, 205 = SozR 3-2500 § 80 Nr 4 S 31; s auch Engelhard in juris-PK SGB IV, 3. Aufl 2016, § 89 RdNr 141). Das gilt umso mehr, als nach Einschätzung des Beklagten und des LSG die Klägerin zwar eine weitgehende, jedoch nach wie vor keine vollständige Umsetzung sämtlicher Inhalte des HzV-Vtr 2015 gewährleistet.

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Ist demnach bislang keine Erledigung der Verpflichtungsanordnung des Beklagten eingetreten, liegen auch die Voraussetzungen für eine Umstellung des Klagebegehrens in eine Fortsetzungsfeststellungsklage nicht vor (§ 131 Abs 1 S 3 SGG - zur Anwendung bei Aufsichtsklagen s BSG Urteil vom 8.4.1987 - 1 RR 4/86 - BSGE 61, 254, 259 = SozR 7223 Art 8 § 2 Nr 3 = Juris RdNr 30). Die Klägerin hat eine solche Antragsänderung im Schriftsatz vom 30.11.2016 zwar ursprünglich selbst vorgenommen, dabei aber zugleich einen richterlichen Hinweis erbeten, falls nach Einschätzung des Gerichts eine Erledigung nicht eingetreten sei, und sich für diesen Fall eine erneute Umstellung des Antrags vorbehalten. In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat sie primär ein Anfechtungsbegehren und nur hilfsweise einen Fortsetzungsfeststellungsantrag zur gerichtlichen Entscheidung gestellt. Auf der Grundlage der Ausführungen im LSG-Urteil, dass sich der Verpflichtungsbescheid erledigt habe, hat die Klägerin ihren Revisionsantrag jedoch zunächst als Fortsetzungsfeststellungsantrag formuliert. Nach einem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl § 106 Abs 1 SGG)ist die Klägerin aber sachgerecht wieder auf den ursprünglichen Anfechtungsantrag zurückgekommen. Dem steht das Verbot der Klageänderung im Revisionsverfahren nicht entgegen, da bei gleich bleibendem Klagegrund lediglich der Antrag wieder erweitert bzw in die ursprüngliche Form gebracht worden ist (§ 168 S 1 iVm § 99 Abs 3 Nr 2 SGG, s dazu BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 54).

35

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Aufsichtsanordnung vom 28.5.2015 erweist sich als rechtmäßig; sie überschreitet insbesondere nicht das Aufsichtsrecht.

36

a) Rechtsgrundlage für die Aufsichtsanordnung ist § 89 Abs 1 S 2 SGB IV(idF der Neubekanntmachung vom 12.11.2009, BGBl I 3710). Danach kann die Aufsichtsbehörde nach vorheriger, erfolglos verlaufener Beratung (§ 89 Abs 1 S 1 SGB IV) den Versicherungsträger verpflichten, eine festgestellte "Rechtsverletzung" (vgl hierzu § 87 Abs 1 S 2 SGB IV) zu beheben. Die Klägerin ist Versicherungsträger iS dieser Vorschrift (§ 1 Abs 1 S 1 iVm § 29 Abs 1 SGB IV). Das StMGP des Beklagten übt als oberste Landesbehörde über sie die Aufsicht aus, nachdem sich der Zuständigkeitsbereich der Klägerin nicht über das Gebiet des Freistaats Bayern hinaus erstreckt (§ 90 Abs 2 SGB IV iVm § 143 Abs 1 SGB V, § 1 Abs 2 der Satzung der Klägerin sowie Art 7 Abs 2 des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze in der ab 16.7.2013 geltenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 24.6.2013, BayGVBl 385).

37

Die Aufsichtsbehörde ist dabei auf eine Rechtsaufsicht beschränkt (§ 87 Abs 1 S 2 SGB IV). Sie darf nicht im Wege der Fachaufsicht den Umfang und die Zweckmäßigkeit von Maßnahmen des Versicherungsträgers zum Gegenstand ihrer staatlichen Überwachungstätigkeit machen und erst recht keine "politische Aufsicht" ausüben (Gaßner, MedR 2017, 677, 679). Die Aufsichtsbehörde hat darüber zu wachen, dass der Versicherungsträger die Gesetze und das sonstige für ihn maßgebende Recht beachtet; dazu gehört auch die Beachtung einer gesicherten höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG Urteil vom 22.3.2005 - B 1 A 1/03 R - BSGE 94, 221 RdNr 19 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 20 = Juris RdNr 33). Bei Ausübung der Rechtsaufsicht muss zugleich dem Selbstverwaltungsrecht des Versicherungsträgers als Träger mittelbarer Staatsverwaltung Rechnung getragen werden (§ 29 Abs 1 SGB IV); hierzu gehört ganz wesentlich die Befugnis der Versicherungsträger, ihre Aufgaben im Rahmen des Gesetzes in eigener Verantwortung zu erfüllen (§ 29 Abs 3 SGB IV). Einer Aufsichtsbehörde ist es daher grundsätzlich verwehrt, mit aufsichtsrechtlichen Mitteln ihre Rechtsauffassung durchzusetzen, sofern dem Rechtsfragen zugrunde liegen, die bislang weder das Gesetz noch die Rechtsprechung in eindeutiger Weise beantwortet haben; in einem solchen Fall bedarf aufsichtsrechtliches Einschreiten einer besonderen Rechtfertigung (BSG Urteil vom 22.3.2005 - B 1 A 1/03 R - aaO). Der Grundsatz einer maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht gebietet es zudem, dem Versicherungsträger einen gewissen Beurteilungsspielraum bzw eine Einschätzungsprärogative zu belassen (s dazu BSG Urteil vom 28.6.2000 - B 6 KA 64/98 R - BSGE 86, 203, 207 = SozR 3-2500 § 80 Nr 4 S 33). Daraus folgt, dass Aufsichtsmaßnahmen, die stets eine Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erfordern, rechtswidrig sind, wenn sich das Handeln oder Unterlassen des Versicherungsträgers im Bereich des rechtlich noch Vertretbaren bewegt (BSG Urteil vom 22.3.2005 - B 1 A 1/03 R - aaO; s auch Engelhard in juris-PK SGB IV, 3. Aufl 2016, § 89 RdNr 22 ff).

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b) Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist der Verpflichtungsbescheid vom 28.5.2015 rechtmäßig (§ 54 Abs 2 S 1 und 2 SGG).

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aa) Die formellen Voraussetzungen für den Erlass einer Aufsichtsanordnung lagen vor. Der in § 89 Abs 1 S 1 und 2 SGB IV angelegte Vorrang einer Beratung des Versicherungsträgers, dessen Beachtung grundsätzlich Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Verpflichtungsanordnung ist(BSG Urteil vom 28.6.2000 - B 6 KA 64/98 R - BSGE 86, 203, 206 = SozR 3-2500 § 80 Nr 4 S 32; BSG Urteil vom 11.12.2003 - B 10 A 1/02 R - SozR 4-2400 § 89 Nr 2 RdNr 13), wurde gewahrt. Wie das LSG im Einzelnen näher dargestellt hat, legte das StMGP in zahlreichen Gesprächen gegenüber der Klägerin seine Rechtsauffassung dar, dass es als Rechtsverletzung anzusehen sei, falls diese den von der Schiedsperson festgesetzten HzV-Vtr 2015 weiterhin nicht umsetze. Dies kulminierte in dem Beratungsschreiben vom 22.4.2015, mit dem die Klägerin aufgefordert wurde, den Vertrag nunmehr unverzüglich umzusetzen, zumal das BSG im Urteil vom 25.3.2015 bestätigt habe, dass der Schiedsspruch zu einem Vertrag nach § 73b SGB V von der Krankenkasse auch während einer hiergegen anhängigen Klage zu vollziehen sei. In dem Schreiben kündigte das StMGP zugleich an, rechtsaufsichtliche Maßnahmen nach § 89 Abs 1 S 2 SGB IV zu ergreifen, falls die Rechtsverletzung nicht innerhalb einer zunächst bis zum 8.5.2015 gesetzten und später bis zum 13.5.2015 verlängerten Frist abgestellt werde. Nach nochmaliger Erläuterung und Bekräftigung dieser Position durch die Ministerin persönlich antwortete der Verwaltungsrat der Klägerin in seiner Sitzung am 12.5.2015 mit einem Beschluss "als bindende strategische Leitlinie für das Hauptamt", dass der Vollzug des HzV-Vtr 2015 abgelehnt und der Vorstand ermächtigt werde, gegen einen Verpflichtungsbescheid Aufsichtsklage zu erheben. Hieraus durfte das Ministerium den Schluss ziehen, dass eine einvernehmliche Lösung des Konflikts mit der Klägerin um die HzV in kooperativer Weise nicht mehr erreichbar war. Dem Gebot, nach Möglichkeit im Zusammenwirken mit dem Versicherungsträger nach einer dem Gesetz entsprechenden Lösung zu suchen (s dazu BSG Urteil vom 6.10.1988 - 1 RR 7/86 - BSGE 64, 124, 130 = SozR 2200 § 407 Nr 2 S 8), war damit Genüge getan (zu den faktischen Grenzen des "aus einer anderen Welt" stammenden Kooperationsgebots vgl Gaßner, MedR 2017, 677, 683 f).

40

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang vorträgt, der Beklagte habe das Kooperationsgebot verletzt, weil das StMGP massiv einseitig zugunsten des BHÄV gehandelt und sich im Verlauf des aufsichtsrechtlichen Verfahrens mit diesem abgestimmt habe, ohne sie darüber zu informieren (dazu auch der von der Klägerin vorgelegte Aktenauszug "Zusammenarbeit zwischen BHÄV und StMGP"), rechtfertigt das keine andere Beurteilung. Zwar wird aus den Akten ersichtlich, dass der BHÄV mehrfach unmissverständlich vom StMGP ein rechtsaufsichtliches Einschreiten gegenüber der Klägerin gefordert und zudem versucht hat, diesem Ansinnen auf höchster politischer Ebene Nachdruck zu verleihen. Zuvor hatte jedoch auch die Klägerin von der Aufsichtsbehörde die Beanstandung des von der Schiedsperson festgesetzten HzV-Vtr 2015 eingefordert und sich später ebenfalls bemüht, bei der Spitze der Exekutive eine Entscheidung in ihrem Sinne zu erwirken. Für die formelle Rechtmäßigkeit von Aufsichtsmaßnahmen ist aber ohne Belang, ob der Anstoß zu deren Einleitung von außen - etwa von Konkurrenten - kommt (vgl Engelhard in juris-PK SGB IV, 3. Aufl 2016, § 89 RdNr 15). Entscheidend für die Beachtung des Kooperationsgebots ist lediglich, dass im Falle einer festgestellten Rechtsverletzung die Aufsichtsbehörde nicht sofort mit einer Verpflichtungsanordnung reagiert, sondern zunächst beratend und kooperativ darauf hinwirkt, dass der Versicherungsträger diese Rechtsverletzung behebt. Dazu muss sie sich jedenfalls mit den vom Versicherungsträger vorgebrachten Argumenten inhaltlich auseinandersetzen (BSG Urteil vom 11.12.2003 - B 10 A 1/02 R - SozR 4-2400 § 89 Nr 2 RdNr 18; Engelhard in juris-PK SGB IV, aaO RdNr 43). Das war hier der Fall.

41

bb) Bei Erlass des Verpflichtungsbescheids waren auch die materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer Aufsichtsanordnung erfüllt. Die damalige, auf rechtsaufsichtliche Beratung hin ausdrücklich bekräftigte Weigerung der Klägerin, den von der Schiedsperson festgesetzten HzV-Vtr 2015 umzusetzen, bewirkte eine Rechtsverletzung. Grundlage dafür war nicht der Vorwurf, die Klägerin habe einzelne Bestimmungen dieses Vertrags nicht oder in rechtswidriger Weise angewandt. Die aufsichtsrechtliche Anordnung stützte sich vielmehr darauf, dass die Klägerin die durch § 73b Abs 1 SGB V begründete Verpflichtung, ihren Versicherten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen eine HzV anzubieten, grundlegend missachtete. Eine solche Rechtsverletzung lag zum Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung auch vor.

42

Der Senat hat bereits entschieden, dass ein von einer Schiedsperson im Verfahren nach § 73b Abs 4a SGB V festgesetzter HzV-Vtr als öffentlich-rechtlicher Vertrag vorbehaltlich seiner Nichtigkeit(§ 58 SGB X) umzusetzen ist, solange seine Rechtswidrigkeit nicht rechtskräftig festgestellt worden ist, und dass die Pflicht zur Umsetzung des Vertrags bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens über dessen Rechtmäßigkeit nur durch eine einstweilige Anordnung des Gerichts nach § 86b Abs 2 SGG beseitigt werden kann(BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 36). Daran hält er nach erneuter Prüfung fest (s auch das Urteil vom heutigen Tag im Verfahren B 6 KA 44/16 R - RdNr 36).

43

Die von der Klägerin vorgebrachten Einwände sind nicht stichhaltig. Soweit sie sich insbesondere darauf beruft, dass eine Rechtspflicht zum unmittelbaren Vollzug eines HzV-Vtr "der Systematik des § 73b SGB V fremd" sei, weil ein solcher Vertrag rechtstechnisch kein "Gesetz oder sonstiges Recht" iS von § 89 Abs 1 iVm § 87 Abs 1 S 2 SGB IV enthalte, berücksichtigt sie nicht hinreichend den Charakter eines HzV-Vtr als Normsetzungsvertrag(s hierzu Engelhard in juris-PK SGB IV, 3. Aufl 2016, § 87 RdNr 57). Ein HzV-Vtr unterscheidet sich in seiner Eigenschaft (auch) als Normsetzungsvertrag - trotz der Freiwilligkeit einer Teilnahme (§ 73b Abs 3 S 1 SGB V) - insoweit nicht von den Bundesmantelverträgen oder den Gesamtverträgen, die für die kollektivvertraglich geprägte Regelversorgung typisch sind (vgl BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 36; zu den mit der kollektivvertraglichen Versorgung teilweise vergleichbaren Strukturen der Selektivverträge nach § 73b SGB V s auch BSG Urteil vom heutigen Tag - B 6 KA 44/16 R - RdNr 40). Die von einem HzV-Vtr erzeugten Normen zur Ausgestaltung eines hausarztzentrierten Versorgungsangebots gelten als solche für die von ihnen betroffenen Rechtssubjekte unmittelbar. Die Verpflichtung der Beteiligten zu ihrer Befolgung steht deshalb nicht unter dem Vorbehalt eines vorherigen gerichtlichen Testats der Unbedenklichkeit bzw Rechtmäßigkeit der betreffenden Regelungen. Vielmehr kann - umgekehrt - erst eine gerichtliche Entscheidung, welche rechtskräftig die Rechtswidrigkeit von Normen eines HzV-Vtr feststellt oder im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf der Grundlage von § 86b Abs 2 SGG vorläufige Regelungen trifft, die Beteiligten von der Befolgung der Vorschriften dieses Vertrags entbinden. Insofern ist es in der Zeit nach dem Zustandekommen eines HzV-Vtr (sei es durch vertragliche Einigung oder durch Schiedsspruch im Verfahren nach § 73b Abs 4a SGB V) für die Verpflichtung der Beteiligten zur Befolgung von dessen Normen gänzlich unerheblich, ob das Gesetz aufgrund des von ihm zugrunde gelegten Vertragsmodells auch gewisse Zeiten ohne das Angebot einer HzV voraussetzt bzw toleriert oder ob wegen der Sicherstellung einer hausärztlichen Betreuung im Kollektivvertragssystem(§ 73 Abs 1 S 2 SGB V) eine Unterversorgung der Versicherten nicht zu befürchten ist.

44

Auf dieser Grundlage war die Klägerin bei Erlass der aufsichtsrechtlichen Anordnung Ende Mai 2015 verpflichtet, den von der Schiedsperson am 19.12.2014 festgesetzten HzV-Vtr 2015, der nach Maßgabe seines § 20 Abs 2 am 3.3.2015 in Kraft getreten war und gemäß § 20 Abs 3 ab 1.4.2015 finanzwirksam sein sollte, umzusetzen. Da zum damaligen Zeitpunkt eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs 2 SGG, die Abweichendes regelte, nicht erlassen war, musste die Klägerin in der Ausgestaltung, die der HzV-Vtr 2015 vorsah, ihre Verpflichtung aus § 73b Abs 1 SGB V erfüllen, ihren Versicherten eine HzV anzubieten. Eine Nichtigkeit des HzV-Vtr 2015 hat die Klägerin selbst nicht geltend gemacht; Anhaltspunkte hierfür sind auch sonst nicht ersichtlich.

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cc) Die Anordnung im Verpflichtungsbescheid vom 28.5.2015, den HzV-Vtr 2015 "in Vollzug zu setzen", widerspricht nicht dem für Verwaltungsakte geltenden Erfordernis inhaltlich hinreichender Bestimmtheit (§ 33 Abs 1 SGB X). Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Anordnung richten sich im Einzelnen nach den Besonderheiten des jeweils maßgeblichen materiellen Rechts (BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16; BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 17, auch für BSGE vorgesehen). Der Adressat des Verwaltungsakts muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in der Lage sein, sein Verhalten an dem Verfügungssatz des Bescheids auszurichten (BSG aaO). Bei einer Aufsichtsanordnung, die sich an einen rechtskundigen Versicherungsträger richtet, muss für diesen klar und unmissverständlich erkennbar sein, was die Aufsichtsbehörde von ihm erwartet (Engelhard in juris-PK SGB IV, 3. Aufl 2016, § 89 RdNr 68). Das hängt von der jeweiligen Rechtsverletzung ab, die Grundlage des Verpflichtungsbescheids ist, und baut zudem auf der vorangegangenen aufsichtsrechtlichen Beratung auf. Wenn die Rechtsverletzung - wie hier - in der generellen Verweigerung besteht, ein komplexes Vertragswerk zur Ausgestaltung einer HzV wirksam werden zu lassen, so genügt es, wenn der Verfügungssatz daran anknüpfend die Verpflichtung ausspricht, den HzV-Vtr "in Vollzug zu setzen", dh in allen seinen Regelungen umzusetzen. Hierfür eine detaillierte Tätigkeitsauflistung in der Art eines Handbuchs oder "Pflichtenhefts" zu verlangen, würde der Eigenart der Rechtsbeziehungen zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen in der gesetzlichen Krankenversicherung und auch dem Kooperationsgebot im Verhältnis zwischen Versicherungsträger und Aufsichtsbehörde nicht gerecht.

46

dd) Mit der Anordnung an die Klägerin, den HzV-Vtr 2015 in Vollzug zu setzen, überschritt der Beklagte seine aufsichtsrechtlichen Befugnisse nicht; insbesondere übte er damit keine Fachaufsicht aus. Auch im Bereich der HzV sind die aufsichtsrechtlichen Befugnisse auf eine Rechtsaufsicht beschränkt (§ 87 Abs 1 S 2 SGB IV). Die Anordnung, zur Behebung einer Rechtsverletzung den HzV-Vtr 2015 umzusetzen, betrifft aber nicht die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns der Klägerin; sie verlässt den Bereich der Rechtmäßigkeitskontrolle nicht. Eine inhaltliche Ausgestaltung dieses Vertrags ist mit dem Verpflichtungsbescheid nicht verbunden. Soweit in der Begründung des Bescheids ausgeführt wird, dass die von dem Vertrag erfassten Leistungen im Sinne der Stellungnahme der Schiedsperson zu bestimmen seien, diente das lediglich der Erläuterung, weshalb der Einwand der Klägerin, der Vertrag sei lückenhaft und daher nicht vollziehbar, nach Ansicht des Beklagten nicht zutrifft. Eine hoheitliche Anordnung, den Vertrag nur mit einem bestimmten Inhalt zu vollziehen, enthält der Verfügungssatz des Bescheids jedoch nicht.

47

Der Beklagte verletzte mit dem Erlass des Verpflichtungsbescheids auch nicht das Gebot einer maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht. Nach diesem von der Rechtsprechung auf der Grundlage allgemeiner Prinzipien des Aufsichtsrechts entwickelten Gebot sind förmliche Aufsichtsmaßnahmen rechtswidrig, die ein Handeln oder Unterlassen des Versicherungsträgers beanstanden, das sich noch im Bereich des rechtlich Vertretbaren bewegt (BSG Urteil vom 22.3.2005 - B 1 A 1/03 R - BSGE 94, 221 RdNr 19 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 20 = Juris RdNr 33 mwN; zur Herleitung aus dem Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit vgl Bogs, Die Sozialversicherung im Staat der Gegenwart, 1973, S 189 ff). Das Verhalten der Klägerin, pauschal und insgesamt eine Umsetzung des HzV-Vtr 2015 zu verweigern, hielt sich aber nicht mehr im Rahmen des noch Vertretbaren. Es war zum damaligen Zeitpunkt bereits höchstrichterlich durch die Entscheidung des Senats vom 25.3.2015 (B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 36) unmissverständlich geklärt, dass die Klägerin den von einer Schiedsperson festgesetzten HzV-Vtr umzusetzen verpflichtet war, solange keine anderslautende rechtskräftige Hauptsacheentscheidung oder eine einstweilige Anordnung der Sozialgerichte ergangen war. Auf den Umstand, dass der genaue Inhalt des Vertrags zwischen den Beteiligten damals umstritten war, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

48

ee) Ermessensfehler, die zur Rechtswidrigkeit des Verpflichtungsbescheids führen würden (§ 54 Abs 2 S 2 SGG), sind nicht ersichtlich. Die Begründung des Bescheids stellt die Gesichtspunkte, die der Beklagte bei der Ausübung des Ermessens zugrunde gelegt hat, ausführlich dar (§ 35 Abs 1 S 3 SGB X). Die genannten Ermessenserwägungen lassen eine Überschreitung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens oder einen zweckwidrigen Ermessensgebrauch nicht erkennen. Der Beklagte war sich bewusst, dass er trotz einer festgestellten Rechtsverletzung nicht zwingend verpflichtet ist, eine Aufsichtsmaßnahme zu ergreifen (Opportunitätsprinzip). Er hat aber bei Abwägung des Allgemeininteresses an der Gesetzmäßigkeit der Sozialverwaltung mit den Interessen der Klägerin und den Interessen Dritter dem Recht der Versicherten, an einer gesetzeskonformen HzV teilzunehmen, den Vorrang eingeräumt und den Erlass eines Verpflichtungsbescheids für geeignet, erforderlich und auch verhältnismäßig gehalten, um die Rechtsverletzung zu beheben. Das ist nicht zu beanstanden.

49

Der Einwand der Klägerin, es liege ein vollständiger Ausfall an eigenen Ermessenserwägungen vor, weil das StMGP die nachträgliche Stellungnahme der Schiedsperson zur Auslegung des HzV-Vtr 2015 in seine Meinungsbildung einbezogen habe, trifft nicht zu. Übernimmt eine Behörde bei der Ermessensausübung Argumente Dritter nach eigener Prüfung ihrer Plausibilität als zutreffend, übt sie dennoch selbst originär Ermessen aus. Auch ein Ermessensfehlgebrauch liegt nicht darin begründet, dass der Beklagte mit dem Erlass der Verpflichtungsanordnung im Ergebnis den nachdrücklichen Forderungen des BHÄV nach einem solchen Vorgehen Rechnung getragen hat. Zwar ist die Staatsaufsicht über die Sozialversicherungsträger nicht dazu bestimmt, dem Individualinteresse Einzelner zu dienen (BSG Urteil vom 14.2.2007 - B 1 A 3/06 R - BSGE 98, 129 = SozR 4-2400 § 35a Nr 1, RdNr 13). Ihr Zweck ist vielmehr, dem öffentlichen Interesse an einer gesetzmäßigen Durchführung der Sozialverwaltung Geltung zu verschaffen (vgl § 29 Abs 3 iVm § 87 Abs 1 S 2 SGB IV). Dem steht aber nicht entgegen, dass sich eine im öffentlichen Interesse erlassene Aufsichtsanordnung im Ergebnis auch zugunsten der Interessen Dritter - hier des BHÄV und seiner Mitglieder, aber auch der Versicherten - auswirkt. Problematisch wäre das nur, wenn Einzelne die hoheitlichen Befugnisse der Aufsichtsbehörde instrumentalisieren könnten, um zu Lasten der Allgemeinheit ihre individuellen Interessen zu befördern. Für das Vorliegen einer solchen Konstellation gibt es hier aber keine Hinweise. Ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte bei Erlass des Verpflichtungsbescheids das Allgemeininteresse an einer gesetzmäßigen Sozialverwaltung als unmaßgeblich erachtet hätte und als "Vollzugshelfer" des BHÄV tätig werden wollte, sind nicht erkennbar.

50

ff) Ein Ermessensfehler ist ebenso wenig darin zu sehen, dass der Beklagte die Aufsichtsanordnung am 28.5.2015 in Kenntnis des zwei Tage zuvor von der Klägerin in ihrem Rechtsstreit mit dem BHÄV beim SG München eingereichten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verfügt hat, anstatt den Ausgang dieses Gerichtsverfahrens abzuwarten. Zu einem solchen Abwarten bzw zu einem Absehen von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen im Hinblick auf ein anderweitig zu derselben Problematik anhängiges Gerichtsverfahren war der Beklagte nicht verpflichtet (vgl auch D. Marburger/H. Marburger, Die Staatsaufsicht in der Sozialversicherung, 3. Aufl 2004, S 58; Schneider, Aufsicht in der Sozialversicherung, Stand Juni 2017, 230 S 2 f).

51

Die Aufsichtsbehörde als Teil der Exekutive und die Rechtsprechung nehmen ihre jeweiligen Aufgaben gleichberechtigt und unabhängig voneinander wahr (D. Marburger/H. Marburger, aaO S 56; Schneider, aaO S 1). Dabei erfordert der Grundsatz der Gewaltenteilung (Art 20 Abs 2 S 2 GG), der nicht im Sinne einer strikten Trennung der Funktionen und Monopolisierung jeder einzelnen Funktion nur bei einem bestimmten Organ ausgestaltet ist (BVerfG Beschluss vom 12.11.1997 - 1 BvR 479/92 ua - BVerfGE 96, 375, 394), dass die in der Verfassung vorgenommene Gewichtsverteilung zwischen den Gewalten gewahrt wird. Weder darf eine Gewalt ein in der Verfassung nicht vorgesehenes Übergewicht über eine andere erhalten, noch darf eine Gewalt der für die Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben erforderlichen Zuständigkeiten beraubt werden; der Kernbereich der Entscheidungsbefugnisse der jeweiligen Gewalt ist unantastbar (BVerfG Beschluss vom 30.6.2015 - 2 BvR 1282/11 - BVerfGE 139, 321 RdNr 125). Zur verbindlichen Auslegung von Normen ist allein die rechtsprechende Gewalt berufen, die gemäß Art 92 GG den Richtern anvertraut ist (BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 2530/05 ua - BVerfGE 126, 369, 392 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 73). Zum Kernbereich der rechtsprechenden Gewalt gehört aber auch die letztverbindliche Streitentscheidung durch Anwendung des geltenden Rechts, soweit Art 19 Abs 4 S 1 GG den Rechtsweg zu den Gerichten garantiert (vgl Detterbeck in Sachs, GG, 8. Aufl 2018, Art 92 RdNr 20 f; Schulze-Fielitz in Dreier, GG, 3. Aufl 2018, Art 92 RdNr 33 ff, 36).

52

Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben bedeuten für das Verhältnis zwischen Maßnahmen der Rechtsaufsicht und gerichtlichen Verfahren zu derselben Rechtsfrage, dass die Aufsichtsbehörde nicht gehindert ist, während eines zwischen den Vertragspartnern bereits anhängigen Rechtsstreits über die Rechtmäßigkeit eines HzV-Vtr eine Aufsichtsanordnung in Bezug auf diesen HzV-Vtr zu erlassen. Sie muss dabei allerdings alle Maßnahmen unterlassen, die zu einem Eingriff in den Kernbereich der Entscheidungsbefugnisse der Gerichte führen würden. Insbesondere darf die Aufsichtsbehörde nicht in schwebende Gerichtsverfahren eingreifen oder bereits ergangene Gerichtsentscheidungen ignorieren (Schneider, aaO S 1). Deshalb ist für den Erlass einer Aufsichtsanordnung, einen bestimmten HzV-Vtr zu vollziehen, kein Raum mehr, wenn und solange im Rechtsstreit zwischen den Vertragspartnern eine gerichtliche Entscheidung zu beachten ist, dass dieser Vertrag wegen rechtlicher Mängel nicht bzw einstweilen nicht ausgeführt werden muss. Das gilt auch dann, wenn die gerichtliche Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist.

53

Nach diesen Grundsätzen war der Beklagte aus Rechtsgründen nicht gehindert, Ende Mai 2015 trotz des bereits zwischen Klägerin und BHÄV anhängigen Gerichtsverfahrens eine Aufsichtsanordnung zu erlassen, da zu diesem Zeitpunkt eine gerichtliche Entscheidung, die einem Einschreiten der Aufsichtsbehörde entgegenstand, nicht vorlag. Es ist aber auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Ausgang des erst wenige Tage zuvor von der Klägerin anhängig gemachten Eilverfahrens nicht abwarten wollte, sondern im Rahmen seiner Ermessensausübung ein sofortiges Handeln für geboten hielt, um rechtzeitig vor Ablauf des Quartals II/2015 vorläufig Klarheit über die Art und Weise der Erbringung und Abrechnung hausärztlicher Leistungen nicht nur für die Klägerin und den BHÄV, sondern auch für Versicherte, Hausärzte und die davon ebenfalls betroffene KÄV zu schaffen. Eine abschließende Entscheidung in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch zeitgerecht vor Ablauf des Quartals war damals nicht abzusehen. Nachdem das SG München Ende Juni 2015 jedoch eine einstweilige Anordnung dahingehend erlassen hatte, dass die Klägerin zur Umsetzung des HzV-Vtr 2015 nicht verpflichtet sei, sicherte der Beklagte gegenüber dem Gericht zu, die Aufsichtsanordnung bis zum Abschluss des gerichtlichen Eilverfahrens nicht zu vollstrecken. Dadurch wurde in ausreichender Weise gewährleistet, dass die sozialgerichtliche Entscheidung nicht konterkariert wird, ehe diese später im Instanzenzug vom LSG aufgehoben wurde und die Klägerin daraufhin ihren Eilantrag in Bezug auf die Aufsichtsanordnung zurücknahm.

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gg) Der Anspruch der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 S 1 GG - s hierzu BVerfG Beschluss vom 30.6.2015 - 2 BvR 1282/11 - BVerfGE 139, 321 RdNr 129) in dem von ihr vor dem SG München gegen den BHÄV angestrengten Verfahren wurde durch die Aufsichtsanordnung des Beklagten nicht vereitelt. Der Verpflichtungsbescheid hat die Klägerin zwar angehalten (mit der Möglichkeit des Verwaltungszwangs bei Zuwiderhandlung, § 89 Abs 1 S 3 SGB IV), genau das zu tun, was sie mit ihrem Rechtsstreit gegen den BHÄV verhindern will. Die der Klägerin zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten sind dadurch aber nicht eingeschränkt worden. Auch die Durchführung einer tatsächlich wirksamen gerichtlichen Kontrolle in dem von der Klägerin gegen den BHÄV anhängig gemachten sozialgerichtlichen Verfahren und gegebenenfalls die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz (sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen) wurden durch die Aufsichtsanordnung nicht beeinträchtigt. Das machen sowohl der Beschluss des SG München vom 24.6.2015 (S 21 KA 620/15 ER) als auch die Entscheidung des LSG (Beschluss vom 5.10.2015 - L 12 KA 83/15 B ER) in besonderer Weise deutlich. Insbesondere sind die Sozialgerichte in jenem Verfahren bei ihren Entscheidungen in der Sache inhaltlich nicht an die Aufsichtsanordnung gebunden, sondern lediglich an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 3 GG). Sofern in dem Verfahren rechtskräftig festgestellt werden sollte, dass der HzV-Vtr 2015 rechtswidrig ist, liegen die Voraussetzungen für eine Verpflichtungsanordnung nach § 89 Abs 1 S 2 SGB IV nicht mehr vor und ist die Aufsichtsbehörde verpflichtet, ihren Bescheid nach § 44 Abs 2 SGB X mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen(Fattler in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 89 RdNr 5b, Stand der Einzelkommentierung Oktober 2009).

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hh) Aus den bereits genannten Gründen verletzt die Aufsichtsanordnung auch nicht den Gewaltenteilungsgrundsatz des Art 20 Abs 2 S 2 GG. Sie ersetzt nicht die Klärung des Rechtsstreits im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem BHÄV, sondern sichert lediglich bis zu dieser Klärung im öffentlichen Interesse den nach Einschätzung der Aufsichtsbehörde rechtmäßigen Vollzug von Gesetz und Recht.

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c) Das Urteil des 3. Senats vom 27.10.1966 (3 RK 27/64 - BSGE 25, 224, 226 = SozR Nr 1 zu § 30 RVO S Aa2) steht der hier getroffenen Entscheidung nicht entgegen. Der 3. Senat hat zwar nicht näher spezifizierte "verfassungsrechtliche(n) Bedenken (Art. 92 GG)" erwähnt und im Übrigen lediglich prozessuale Erwägungen (Gefahr divergierender Entscheidungen durch verschiedene Gerichte), aber keine materielle Rechtsnorm für seine Ansicht angeführt, dass eine Aufsichtsbehörde der gerichtlichen Entscheidung über den Inhalt eines streitigen Rechtsverhältnisses "grundsätzlich" nicht durch eine eigene Entscheidung vorgreifen dürfe(zur Kritik an dieser Entscheidung vgl Schnapp, BKK 1969, 97, 98 f; Brackmann, DOK 1969, 686, 687; D. Marburger/H. Marburger, Die Staatsaufsicht in der Sozialversicherung, aaO S 59; Schneider, Aufsicht in der Sozialversicherung, aaO S 2 f; Engelhard in juris-PK SGB IV, 3. Aufl 2016, § 89 RdNr 73; Fattler in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 89 RdNr 5a). Er hat aber ausdrücklich offengelassen, ob das in Kauf zu nehmen wäre, wenn ein gewichtiges öffentliches Interesse den Erlass einer sofort vollziehbaren Aufsichtsanordnung erfordere und die Rechtskraft des Urteils im Rechtsstreit zwischen den Beteiligten des Rechtsverhältnisses aus besonderen Gründen nicht abgewartet werden könne. Eine solche Konstellation liegt hier vor, wie oben bereits ausgeführt wurde (RdNr 53). Damit weicht der Senat nicht von tragenden Rechtssätzen in der genannten Entscheidung des 3. Senats ab; die Einleitung eines Anfrageverfahrens gemäß § 41 Abs 3 S 1 SGG ist deshalb nicht erforderlich.

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3. Die Revision bleibt auch insoweit ohne Erfolg, als sie den Verfahrensmangel einer Verletzung des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG(iVm § 202 S 1 SGG, § 547 Nr 6 ZPO) rügt.

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Die Vorschrift des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG wird durch die Vorgabe in § 128 Abs 1 S 2 SGG näher konkretisiert. Danach sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Dies dient auch der Gewährleistung des Prozessgrundrechts auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG). Eine Verpflichtung des Tatsachengerichts, sich mit jeglichem Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, besteht allerdings nicht. Es hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab, inwieweit ein Gericht seine Rechtsauffassung in den einzelnen Abschnitten seiner Entscheidung begründen muss (BSG Beschluss vom 26.5.2011 - B 11 AL 145/10 B - Juris RdNr 3). Das Gericht muss die wesentlichen Fragen abhandeln, dabei aber nicht notwendig auf alle Einzelheiten eingehen, sondern nur die Leitgedanken wiedergeben (BSG Beschluss vom 17.2.2016 - B 6 KA 50/15 B - Juris RdNr 9; ebenso bereits BSG Urteil vom 10.8.1995 - 11 RAr 91/94 - BSGE 76, 233, 234 = SozR 3-1750 § 945 Nr 1 S 3). Sofern allerdings ein bestimmter Vortrag den Kern des Vorbringens eines Beteiligten ausmacht und für den Prozessausgang von entscheidender Bedeutung ist, muss das Gericht diese Argumente ausdrücklich erwägen (BVerfG Beschluss vom 14.9.2016 - 1 BvR 1304/13 - Juris RdNr 22). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt das auf die Nichtberücksichtigung dieses Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl BVerfG Beschluss vom 24.1.2018 - 2 BvR 2026/17 - Juris RdNr 14).

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Nach diesen Maßstäben lässt sich hier nicht feststellen, dass die Entscheidungsgründe des LSG-Urteils in verfahrensfehlerhafter Weise unzureichend sind. Die Klägerin macht mit ihrer Revision geltend, dass dieses Urteil keine ausdrücklichen Ausführungen zu folgenden Fragen enthält: (1) Verstoß des Beklagten gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens, (2) Verletzung des Rechts der Klägerin auf Anhörung, (3) fehlerhafte Ausübung des Ermessens durch den Beklagten, (4) Verletzung des Gebots effektiven Rechtsschutzes, (5) Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes sowie (6) Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes. Zu diesen Punkten hatte die Klägerin vor dem LSG noch ergänzend kurz vorgetragen (S 17 bis 21 der Klagebegründung vom 30.11.2016: "auch aus diesem Grund rechtswidrig"), nachdem sie zuvor die aus ihrer Sicht zentralen Argumente für eine Rechtswidrigkeit breit dargestellt hatte (S 7 bis 17 aaO). Vor diesem Hintergrund ist bereits zweifelhaft, ob die von der Klägerin nunmehr genannten Punkte den Kern ihres Vorbringens mit entscheidender Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits bildeten. Zu der in diesem Zusammenhang von der Klägerin noch am intensivsten erörterten Frage einer fehlerhaften Ermessensausübung (S 17 bis 19 aaO) hat das LSG zumindest ausgeführt, dass der Beklagte nach Überzeugung des Gerichts den angefochtenen Bescheid "ermessensfehlerfrei erlassen" habe (Urteilsumdruck S 8, 2. Absatz). Auch wenn das aus Sicht der Klägerin falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein mag, führt diese knappe Begründung noch nicht zu einer Verletzung der Begründungspflicht (vgl BSG Beschluss vom 7.5.2014 - B 12 KR 30/12 B - Juris RdNr 13 mwN).

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In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Rechtmäßigkeitskontrolle von Aufsichtsmaßnahmen nach Maßstäben erfolgt, die in nicht unerheblichem Umfang Wertungsspielräume enthalten. Das gilt insbesondere für das Gebot einer maßvollen Ausübung der Aufsicht und für Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit im Kontext mit anderen gerichtlichen Verfahren. Welcher eigenständige Anwendungsbereich noch für die Prüfung der Ermessensausübung der Aufsichtsbehörde verbleibt, hängt maßgeblich auch davon ab, ob die insoweit bedeutsamen Umstände schon im Zusammenhang mit den sonstigen Voraussetzungen für ein rechtsaufsichtliches Einschreiten erörtert worden sind. Hier hat das LSG ausführlich dargelegt, weshalb nach seiner Rechtsauffassung der Aufsichtsbescheid in dem erforderlichen abgestuften Verfahren erlassen wurde (Urteilsumdruck S 9 f); dabei hat es auch die Beteiligung des BHÄV und die enge Kooperation des Beklagten mit diesem im Vorfeld der Entscheidung vom 28.5.2015 erwähnt. Das zeigt, dass das entsprechende Vorbringen der Klägerin vom LSG tatsächlich erwogen wurde, auch wenn es nicht explizit in Ausführungen zur Ermessensausübung geschehen ist. Von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin kann somit keine Rede sein.

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E) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen bilden je ein gemeinsames Schiedsamt für die vertragsärztliche Versorgung und ein gemeinsames Schiedsamt für die vertragszahnärztliche Versorgung (Landesschiedsämter).

(2) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden ein gemeinsames Schiedsamt für die vertragsärztliche Versorgung und ein gemeinsames Schiedsamt für die vertragszahnärztliche Versorgung (Bundesschiedsämter).

(3) Kommt ein Vertrag über die vertragsärztliche oder die vertragszahnärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande, setzt das zuständige Schiedsamt mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten den Vertragsinhalt fest. Wird ein für die Einleitung des Verfahrens erforderlicher Antrag nicht gestellt, können auch die für das jeweilige Schiedsamt oder die für die Vertragsparteien zuständigen Aufsichtsbehörden, nachdem sie den Organisationen, die das Schiedsamt bilden, eine Frist zur Antragstellung gesetzt haben und die Frist abgelaufen ist oder nach Ablauf einer für das Zustandekommen des Vertrages gesetzlich vorgeschriebenen Frist, das Schiedsamt mit Wirkung für die Vertragsparteien anrufen. Das Schiedsamtsverfahren beginnt mit dem bei dem Schiedsamt gestellten Antrag.

(4) Kündigt eine Vertragspartei einen Vertrag, hat sie die Kündigung dem zuständigen Schiedsamt schriftlich oder elektronisch mitzuteilen. Kommt bis zum Ablauf des Vertrages kein neuer Vertrag zustande, setzt das zuständige Schiedsamt mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten den Inhalt des neuen Vertrages fest. In diesem Fall gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages bis zur Festsetzung des Inhalts des neuen Vertrages durch das Schiedsamt weiter. Das Schiedsamtsverfahren beginnt mit dem auf den Ablauf der Kündigungsfrist folgenden Tag.

(5) Die Landesschiedsämter und die Bundesschiedsämter bestehen aus je vier Vertretern der Ärzte oder Zahnärzte und vier Vertretern der Krankenkassen sowie einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Bei der Festsetzung des Inhalts eines Vertrages, der nicht alle Kassenarten betrifft, wirken als Vertreter der Krankenkassen nur Vertreter der betroffenen Kassenarten im Schiedsamt mit. Die in Absatz 1 genannten Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen können von Satz 2 abweichende Regelungen vereinbaren. Für jedes Mitglied gibt es zwei Stellvertreter. Die Amtsdauer der Mitglieder beträgt vier Jahre. Die Vertreter und Stellvertreter werden jeweils durch die Organisationen, die das jeweilige Schiedsamt bilden, bestellt. Kommt eine Bestellung durch die Organisationen nicht zustande, bestellt die für das jeweilige Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde die Vertreter und Stellvertreter, nachdem sie den Organisationen eine Frist zur Bestellung gesetzt hat und diese Frist abgelaufen ist.

(6) Über den unparteiischen Vorsitzenden und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Vertragsparteien einigen. § 213 Absatz 2 in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung gilt für die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen entsprechend. Kommt eine Einigung nicht zustande, erfolgt eine Bestellung des unparteiischen Vorsitzenden, der weiteren unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter durch die für das jeweilige Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde, nachdem sie den Vertragsparteien eine Frist zur Einigung gesetzt hat und diese Frist abgelaufen ist. Die unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter gelten als bestellt, sobald sie sich den beteiligten Vertragsparteien gegenüber zur Amtsübernahme bereit erklärt haben.

(7) Die Mitglieder des Schiedsamtes führen ihr Amt als Ehrenamt. Sie sind an Weisungen nicht gebunden. Die unparteiischen Mitglieder und ihre Stellvertreter können aus wichtigem Grund von der für das jeweilige Schiedsamt zuständigen Aufsichtsbehörde abberufen werden. Die Vertreter der Ärzte oder Zahnärzte und die Vertreter der Krankenkassen sowie ihre Stellvertreter können von den Organisationen, die sie bestellt haben, abberufen werden. Eine Amtsniederlegung ist gegenüber den Organisationen zu erklären, die das jeweilige Schiedsamt gebildet haben. Die Mitglieder sind verpflichtet, an den Sitzungen des Schiedsamtes teilzunehmen oder bei Verhinderung ihre Stellvertreter zu benachrichtigen. Eine Stimmenthaltung ist unzulässig. Jedes Mitglied hat eine Stimme.

(8) Das Schiedsamt ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder oder deren Stellvertreter anwesend sind. Ist das Schiedsamt in einer Sitzung nicht beschlussfähig, ist innerhalb von 14 Kalendertagen nach dieser Sitzung eine erneute Sitzung einzuberufen. In dieser erneuten Sitzung ist die Beschlussfähigkeit gegeben, wenn die unparteiischen Mitglieder oder deren Stellvertreter und mehr als die Hälfte der weiteren Mitglieder des Schiedsamtes oder deren Stellvertreter anwesend sind. Ist auch in der erneuten Sitzung keine Beschlussfähigkeit nach Satz 3 gegeben, setzen die unparteiischen Mitglieder des Schiedsamtes den Vertragsinhalt fest. Auf diese Folgen ist in der Einladung zur erneuten Sitzung ausdrücklich hinzuweisen.

(9) Setzt das Schiedsamt innerhalb der Frist nach Absatz 3 Satz 1 oder Absatz 4 Satz 2 keinen Vertragsinhalt fest, setzt die für das jeweilige Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde eine Frist zur Festsetzung des Vertragsinhalts. Nach Ablauf dieser Frist setzen die unparteiischen Mitglieder des Schiedsamtes den Vertragsinhalt fest. Die unparteiischen Mitglieder können auf Kosten der Vertragsparteien Datenerhebungen, Auswertungen oder Sachverständigengutachten in Auftrag geben. Klagen gegen Entscheidungen des Schiedsamtes sowie Klagen gegen Entscheidungen der Aufsichtsbehörden nach diesem Paragraphen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet in den Fällen des Satzes 4 nicht statt.

(10) Die Aufsicht über die Landesschiedsämter führen die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung eine andere Behörde als Aufsichtsbehörde bestimmen; die Landesregierungen können diese Ermächtigung auf die obersten Landesbehörden weiterübertragen. Die Aufsicht über die Bundesschiedsämter führt das Bundesministerium für Gesundheit. Die Aufsicht erstreckt sich auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht. Die Aufsicht umfasst auch das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen der Schiedsämter; das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen der Schiedsämter gilt auch für das Bundesversicherungsamt, sofern ihm die Entscheidungen der Schiedsämter gemäß Satz 6 vorzulegen sind. Die Entscheidungen der Schiedsämter über die Vergütung der Leistungen nach § 57 Absatz 1 und 2, den §§ 83, 85 und 87a sind der jeweiligen zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen. Die Aufsichtsbehörden können die Entscheidungen bei einem Rechtsverstoß innerhalb von zwei Monaten nach Vorlage beanstanden. Für Klagen der Vertragspartner gegen die Beanstandung gilt Absatz 9 Satz 4 und 5 entsprechend.

(11) Das Bundesministerium für Gesundheit bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Bestellung, die Amtsdauer, die Amtsführung, die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für Zeitaufwand der Mitglieder der Schiedsämter, die Geschäftsführung, das Verfahren, die Erhebung und die Höhe der Gebühren sowie über die Verteilung der Kosten.

(12) Der Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden ein weiteres Schiedsamt auf Bundesebene. Das Schiedsamt besteht aus Vertretern des Verbandes Deutscher Zahntechniker-Innungen und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in gleicher Zahl sowie einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Im Übrigen gelten die Absätze 3, 4, 5 Satz 4 bis 7, die Absätze 6, 7, 8, 9 und 10 Satz 3, 4 und 5 sowie die aufgrund des Absatzes 11 erlassene Schiedsamtsverordnung entsprechend.

(13) Die Innungsverbände der Zahntechniker, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen bilden ein weiteres Schiedsamt auf Landesebene. Das Schiedsamt besteht aus Vertretern der Innungsverbände der Zahntechniker und der Krankenkassen in gleicher Zahl sowie einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Im Übrigen gelten die Absätze 3, 4, 5 Satz 4 bis 7, die Absätze 6, 7, 8, 9 und 10 Satz 1, 2, 4 und 5 sowie die aufgrund des Absatzes 11 erlassene Verordnung entsprechend.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder jeweils für ein Kalenderjahr einen Teil der von der Krankenkasse zu tragenden Kosten übernehmen können (Selbstbehalt). Die Krankenkasse hat für diese Mitglieder Prämienzahlungen vorzusehen.

(2) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für Mitglieder, die im Kalenderjahr länger als drei Monate versichert waren, eine Prämienzahlung vorsehen, wenn sie und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen in diesem Kalenderjahr Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen haben. Die Prämienzahlung darf ein Zwölftel der jeweils im Kalenderjahr gezahlten Beiträge nicht überschreiten und wird innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Kalenderjahres an das Mitglied gezahlt. Die im dritten und vierten Abschnitt genannten Leistungen mit Ausnahme der Leistungen nach § 23 Abs. 2 und den §§ 24 bis 24b sowie Leistungen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bleiben unberücksichtigt.

(3) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen nach § 63, § 73b, § 137f oder § 140a teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Für Versicherte, die an einer hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b teilnehmen, hat die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorzusehen, wenn die zu erwartenden Einsparungen und Effizienzsteigerungen die zu erwartenden Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Aufwendungen für Zuzahlungsermäßigungen und Prämienzahlungen müssen in diesem Fall mindestens die Hälfte des Differenzbetrags betragen, um den die Einsparungen und Effizienzsteigerungen die sonstigen Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Berechnung der zu erwartenden Einsparungen, Effizienzsteigerungen und Aufwendungen nach Satz 3 hat die jeweilige Krankenkasse ihrer Aufsichtsbehörde vorzulegen. Werden keine Effizienzsteigerungen erwartet, die die Aufwendungen übersteigen, ist dies gesondert zu begründen.

(4) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder für sich und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen Tarife für Kostenerstattung wählen. Sie kann die Höhe der Kostenerstattung variieren und hierfür spezielle Prämienzahlungen durch die Versicherten vorsehen. § 13 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt nicht.

(5) (weggefallen)

(6) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung für die in § 44 Absatz 2 Nummer 2 und 3 genannten Versicherten gemeinsame Tarife sowie Tarife für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten anzubieten, die einen Anspruch auf Krankengeld entsprechend § 46 Satz 1 oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen, für die Versicherten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz jedoch spätestens mit Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit. Von § 47 kann abgewichen werden. Die Krankenkasse hat entsprechend der Leistungserweiterung Prämienzahlungen des Mitglieds vorzusehen. Die Höhe der Prämienzahlung ist unabhängig von Alter, Geschlecht oder Krankheitsrisiko des Mitglieds festzulegen. Die Krankenkasse kann durch Satzungsregelung die Durchführung von Wahltarifen nach Satz 1 auf eine andere Krankenkasse oder einen Landesverband übertragen. In diesen Fällen erfolgt die Prämienzahlung weiterhin an die übertragende Krankenkasse. Die Rechenschaftslegung erfolgt durch die durchführende Krankenkasse oder den durchführenden Landesverband.

(7) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für bestimmte Mitgliedergruppen, für die sie den Umfang der Leistungen nach Vorschriften dieses Buches beschränkt, der Leistungsbeschränkung entsprechende Prämienzahlung vorsehen.

(8) Die Mindestbindungsfrist beträgt für die Wahltarife nach den Absätzen 2 und 4 ein Jahr und für die Wahltarife nach den Absätzen 1 und 6 drei Jahre; für die Wahltarife nach Absatz 3 gilt keine Mindestbindungsfrist. Die Mitgliedschaft kann frühestens zum Ablauf der Mindestbindungsfrist nach Satz 1, aber nicht vor Ablauf der Mindestbindungsfrist nach § 175 Absatz 4 Satz 1 gekündigt werden; § 175 Absatz 4 Satz 6 gilt mit Ausnahme für Mitglieder in Wahltarifen nach Absatz 6. Die Satzung hat für Tarife ein Sonderkündigungsrecht in besonderen Härtefällen vorzusehen. Die Prämienzahlung an Versicherte darf bis zu 20 vom Hundert, für einen oder mehrere Tarife 30 vom Hundert der vom Mitglied im Kalenderjahr getragenen Beiträge mit Ausnahme der Beitragszuschüsse nach § 106 des Sechsten Buches sowie § 257 Abs. 1 Satz 1, jedoch nicht mehr als 600 Euro, bei einem oder mehreren Tarifen 900 Euro jährlich betragen. Satz 4 gilt nicht für Versicherte, die Teilkostenerstattung nach § 14 gewählt haben. Mitglieder, deren Beiträge vollständig von Dritten getragen werden, können nur Tarife nach Absatz 3 wählen.

(9) Die Aufwendungen für jeden Wahltarif müssen jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden. Kalkulatorische Einnahmen, die allein durch das Halten oder die Neugewinnung von Mitgliedern erzielt werden, dürfen dabei nicht berücksichtigt werden; wurden solche Einnahmen bei der Kalkulation von Wahltarifen berücksichtigt, ist die Kalkulation unverzüglich, spätestens bis zum 31. Dezember 2013 entsprechend umzustellen. Die Krankenkassen haben über die Berechnung nach den Sätzen 1 und 2 der zuständigen Aufsichtsbehörde regelmäßig, mindestens alle drei Jahre, Rechenschaft abzulegen. Sie haben hierzu ein versicherungsmathematisches Gutachten vorzulegen über die wesentlichen versicherungsmathematischen Annahmen, die der Berechnung der Beiträge und der versicherungstechnischen Rückstellungen der Wahltarife zugrunde liegen.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muß ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden.

(2) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken.

(1) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder jeweils für ein Kalenderjahr einen Teil der von der Krankenkasse zu tragenden Kosten übernehmen können (Selbstbehalt). Die Krankenkasse hat für diese Mitglieder Prämienzahlungen vorzusehen.

(2) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für Mitglieder, die im Kalenderjahr länger als drei Monate versichert waren, eine Prämienzahlung vorsehen, wenn sie und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen in diesem Kalenderjahr Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen haben. Die Prämienzahlung darf ein Zwölftel der jeweils im Kalenderjahr gezahlten Beiträge nicht überschreiten und wird innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Kalenderjahres an das Mitglied gezahlt. Die im dritten und vierten Abschnitt genannten Leistungen mit Ausnahme der Leistungen nach § 23 Abs. 2 und den §§ 24 bis 24b sowie Leistungen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bleiben unberücksichtigt.

(3) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen nach § 63, § 73b, § 137f oder § 140a teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Für Versicherte, die an einer hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b teilnehmen, hat die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorzusehen, wenn die zu erwartenden Einsparungen und Effizienzsteigerungen die zu erwartenden Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Aufwendungen für Zuzahlungsermäßigungen und Prämienzahlungen müssen in diesem Fall mindestens die Hälfte des Differenzbetrags betragen, um den die Einsparungen und Effizienzsteigerungen die sonstigen Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Berechnung der zu erwartenden Einsparungen, Effizienzsteigerungen und Aufwendungen nach Satz 3 hat die jeweilige Krankenkasse ihrer Aufsichtsbehörde vorzulegen. Werden keine Effizienzsteigerungen erwartet, die die Aufwendungen übersteigen, ist dies gesondert zu begründen.

(4) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder für sich und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen Tarife für Kostenerstattung wählen. Sie kann die Höhe der Kostenerstattung variieren und hierfür spezielle Prämienzahlungen durch die Versicherten vorsehen. § 13 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt nicht.

(5) (weggefallen)

(6) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung für die in § 44 Absatz 2 Nummer 2 und 3 genannten Versicherten gemeinsame Tarife sowie Tarife für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten anzubieten, die einen Anspruch auf Krankengeld entsprechend § 46 Satz 1 oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen, für die Versicherten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz jedoch spätestens mit Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit. Von § 47 kann abgewichen werden. Die Krankenkasse hat entsprechend der Leistungserweiterung Prämienzahlungen des Mitglieds vorzusehen. Die Höhe der Prämienzahlung ist unabhängig von Alter, Geschlecht oder Krankheitsrisiko des Mitglieds festzulegen. Die Krankenkasse kann durch Satzungsregelung die Durchführung von Wahltarifen nach Satz 1 auf eine andere Krankenkasse oder einen Landesverband übertragen. In diesen Fällen erfolgt die Prämienzahlung weiterhin an die übertragende Krankenkasse. Die Rechenschaftslegung erfolgt durch die durchführende Krankenkasse oder den durchführenden Landesverband.

(7) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für bestimmte Mitgliedergruppen, für die sie den Umfang der Leistungen nach Vorschriften dieses Buches beschränkt, der Leistungsbeschränkung entsprechende Prämienzahlung vorsehen.

(8) Die Mindestbindungsfrist beträgt für die Wahltarife nach den Absätzen 2 und 4 ein Jahr und für die Wahltarife nach den Absätzen 1 und 6 drei Jahre; für die Wahltarife nach Absatz 3 gilt keine Mindestbindungsfrist. Die Mitgliedschaft kann frühestens zum Ablauf der Mindestbindungsfrist nach Satz 1, aber nicht vor Ablauf der Mindestbindungsfrist nach § 175 Absatz 4 Satz 1 gekündigt werden; § 175 Absatz 4 Satz 6 gilt mit Ausnahme für Mitglieder in Wahltarifen nach Absatz 6. Die Satzung hat für Tarife ein Sonderkündigungsrecht in besonderen Härtefällen vorzusehen. Die Prämienzahlung an Versicherte darf bis zu 20 vom Hundert, für einen oder mehrere Tarife 30 vom Hundert der vom Mitglied im Kalenderjahr getragenen Beiträge mit Ausnahme der Beitragszuschüsse nach § 106 des Sechsten Buches sowie § 257 Abs. 1 Satz 1, jedoch nicht mehr als 600 Euro, bei einem oder mehreren Tarifen 900 Euro jährlich betragen. Satz 4 gilt nicht für Versicherte, die Teilkostenerstattung nach § 14 gewählt haben. Mitglieder, deren Beiträge vollständig von Dritten getragen werden, können nur Tarife nach Absatz 3 wählen.

(9) Die Aufwendungen für jeden Wahltarif müssen jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden. Kalkulatorische Einnahmen, die allein durch das Halten oder die Neugewinnung von Mitgliedern erzielt werden, dürfen dabei nicht berücksichtigt werden; wurden solche Einnahmen bei der Kalkulation von Wahltarifen berücksichtigt, ist die Kalkulation unverzüglich, spätestens bis zum 31. Dezember 2013 entsprechend umzustellen. Die Krankenkassen haben über die Berechnung nach den Sätzen 1 und 2 der zuständigen Aufsichtsbehörde regelmäßig, mindestens alle drei Jahre, Rechenschaft abzulegen. Sie haben hierzu ein versicherungsmathematisches Gutachten vorzulegen über die wesentlichen versicherungsmathematischen Annahmen, die der Berechnung der Beiträge und der versicherungstechnischen Rückstellungen der Wahltarife zugrunde liegen.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder jeweils für ein Kalenderjahr einen Teil der von der Krankenkasse zu tragenden Kosten übernehmen können (Selbstbehalt). Die Krankenkasse hat für diese Mitglieder Prämienzahlungen vorzusehen.

(2) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für Mitglieder, die im Kalenderjahr länger als drei Monate versichert waren, eine Prämienzahlung vorsehen, wenn sie und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen in diesem Kalenderjahr Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen haben. Die Prämienzahlung darf ein Zwölftel der jeweils im Kalenderjahr gezahlten Beiträge nicht überschreiten und wird innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Kalenderjahres an das Mitglied gezahlt. Die im dritten und vierten Abschnitt genannten Leistungen mit Ausnahme der Leistungen nach § 23 Abs. 2 und den §§ 24 bis 24b sowie Leistungen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bleiben unberücksichtigt.

(3) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen nach § 63, § 73b, § 137f oder § 140a teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Für Versicherte, die an einer hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b teilnehmen, hat die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorzusehen, wenn die zu erwartenden Einsparungen und Effizienzsteigerungen die zu erwartenden Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Aufwendungen für Zuzahlungsermäßigungen und Prämienzahlungen müssen in diesem Fall mindestens die Hälfte des Differenzbetrags betragen, um den die Einsparungen und Effizienzsteigerungen die sonstigen Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Berechnung der zu erwartenden Einsparungen, Effizienzsteigerungen und Aufwendungen nach Satz 3 hat die jeweilige Krankenkasse ihrer Aufsichtsbehörde vorzulegen. Werden keine Effizienzsteigerungen erwartet, die die Aufwendungen übersteigen, ist dies gesondert zu begründen.

(4) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder für sich und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen Tarife für Kostenerstattung wählen. Sie kann die Höhe der Kostenerstattung variieren und hierfür spezielle Prämienzahlungen durch die Versicherten vorsehen. § 13 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt nicht.

(5) (weggefallen)

(6) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung für die in § 44 Absatz 2 Nummer 2 und 3 genannten Versicherten gemeinsame Tarife sowie Tarife für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten anzubieten, die einen Anspruch auf Krankengeld entsprechend § 46 Satz 1 oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen, für die Versicherten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz jedoch spätestens mit Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit. Von § 47 kann abgewichen werden. Die Krankenkasse hat entsprechend der Leistungserweiterung Prämienzahlungen des Mitglieds vorzusehen. Die Höhe der Prämienzahlung ist unabhängig von Alter, Geschlecht oder Krankheitsrisiko des Mitglieds festzulegen. Die Krankenkasse kann durch Satzungsregelung die Durchführung von Wahltarifen nach Satz 1 auf eine andere Krankenkasse oder einen Landesverband übertragen. In diesen Fällen erfolgt die Prämienzahlung weiterhin an die übertragende Krankenkasse. Die Rechenschaftslegung erfolgt durch die durchführende Krankenkasse oder den durchführenden Landesverband.

(7) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für bestimmte Mitgliedergruppen, für die sie den Umfang der Leistungen nach Vorschriften dieses Buches beschränkt, der Leistungsbeschränkung entsprechende Prämienzahlung vorsehen.

(8) Die Mindestbindungsfrist beträgt für die Wahltarife nach den Absätzen 2 und 4 ein Jahr und für die Wahltarife nach den Absätzen 1 und 6 drei Jahre; für die Wahltarife nach Absatz 3 gilt keine Mindestbindungsfrist. Die Mitgliedschaft kann frühestens zum Ablauf der Mindestbindungsfrist nach Satz 1, aber nicht vor Ablauf der Mindestbindungsfrist nach § 175 Absatz 4 Satz 1 gekündigt werden; § 175 Absatz 4 Satz 6 gilt mit Ausnahme für Mitglieder in Wahltarifen nach Absatz 6. Die Satzung hat für Tarife ein Sonderkündigungsrecht in besonderen Härtefällen vorzusehen. Die Prämienzahlung an Versicherte darf bis zu 20 vom Hundert, für einen oder mehrere Tarife 30 vom Hundert der vom Mitglied im Kalenderjahr getragenen Beiträge mit Ausnahme der Beitragszuschüsse nach § 106 des Sechsten Buches sowie § 257 Abs. 1 Satz 1, jedoch nicht mehr als 600 Euro, bei einem oder mehreren Tarifen 900 Euro jährlich betragen. Satz 4 gilt nicht für Versicherte, die Teilkostenerstattung nach § 14 gewählt haben. Mitglieder, deren Beiträge vollständig von Dritten getragen werden, können nur Tarife nach Absatz 3 wählen.

(9) Die Aufwendungen für jeden Wahltarif müssen jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden. Kalkulatorische Einnahmen, die allein durch das Halten oder die Neugewinnung von Mitgliedern erzielt werden, dürfen dabei nicht berücksichtigt werden; wurden solche Einnahmen bei der Kalkulation von Wahltarifen berücksichtigt, ist die Kalkulation unverzüglich, spätestens bis zum 31. Dezember 2013 entsprechend umzustellen. Die Krankenkassen haben über die Berechnung nach den Sätzen 1 und 2 der zuständigen Aufsichtsbehörde regelmäßig, mindestens alle drei Jahre, Rechenschaft abzulegen. Sie haben hierzu ein versicherungsmathematisches Gutachten vorzulegen über die wesentlichen versicherungsmathematischen Annahmen, die der Berechnung der Beiträge und der versicherungstechnischen Rückstellungen der Wahltarife zugrunde liegen.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muß ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden.

(2) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken.

(1) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder jeweils für ein Kalenderjahr einen Teil der von der Krankenkasse zu tragenden Kosten übernehmen können (Selbstbehalt). Die Krankenkasse hat für diese Mitglieder Prämienzahlungen vorzusehen.

(2) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für Mitglieder, die im Kalenderjahr länger als drei Monate versichert waren, eine Prämienzahlung vorsehen, wenn sie und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen in diesem Kalenderjahr Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen haben. Die Prämienzahlung darf ein Zwölftel der jeweils im Kalenderjahr gezahlten Beiträge nicht überschreiten und wird innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Kalenderjahres an das Mitglied gezahlt. Die im dritten und vierten Abschnitt genannten Leistungen mit Ausnahme der Leistungen nach § 23 Abs. 2 und den §§ 24 bis 24b sowie Leistungen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bleiben unberücksichtigt.

(3) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen nach § 63, § 73b, § 137f oder § 140a teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Für Versicherte, die an einer hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b teilnehmen, hat die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorzusehen, wenn die zu erwartenden Einsparungen und Effizienzsteigerungen die zu erwartenden Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Aufwendungen für Zuzahlungsermäßigungen und Prämienzahlungen müssen in diesem Fall mindestens die Hälfte des Differenzbetrags betragen, um den die Einsparungen und Effizienzsteigerungen die sonstigen Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Berechnung der zu erwartenden Einsparungen, Effizienzsteigerungen und Aufwendungen nach Satz 3 hat die jeweilige Krankenkasse ihrer Aufsichtsbehörde vorzulegen. Werden keine Effizienzsteigerungen erwartet, die die Aufwendungen übersteigen, ist dies gesondert zu begründen.

(4) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder für sich und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen Tarife für Kostenerstattung wählen. Sie kann die Höhe der Kostenerstattung variieren und hierfür spezielle Prämienzahlungen durch die Versicherten vorsehen. § 13 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt nicht.

(5) (weggefallen)

(6) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung für die in § 44 Absatz 2 Nummer 2 und 3 genannten Versicherten gemeinsame Tarife sowie Tarife für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten anzubieten, die einen Anspruch auf Krankengeld entsprechend § 46 Satz 1 oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen, für die Versicherten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz jedoch spätestens mit Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit. Von § 47 kann abgewichen werden. Die Krankenkasse hat entsprechend der Leistungserweiterung Prämienzahlungen des Mitglieds vorzusehen. Die Höhe der Prämienzahlung ist unabhängig von Alter, Geschlecht oder Krankheitsrisiko des Mitglieds festzulegen. Die Krankenkasse kann durch Satzungsregelung die Durchführung von Wahltarifen nach Satz 1 auf eine andere Krankenkasse oder einen Landesverband übertragen. In diesen Fällen erfolgt die Prämienzahlung weiterhin an die übertragende Krankenkasse. Die Rechenschaftslegung erfolgt durch die durchführende Krankenkasse oder den durchführenden Landesverband.

(7) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für bestimmte Mitgliedergruppen, für die sie den Umfang der Leistungen nach Vorschriften dieses Buches beschränkt, der Leistungsbeschränkung entsprechende Prämienzahlung vorsehen.

(8) Die Mindestbindungsfrist beträgt für die Wahltarife nach den Absätzen 2 und 4 ein Jahr und für die Wahltarife nach den Absätzen 1 und 6 drei Jahre; für die Wahltarife nach Absatz 3 gilt keine Mindestbindungsfrist. Die Mitgliedschaft kann frühestens zum Ablauf der Mindestbindungsfrist nach Satz 1, aber nicht vor Ablauf der Mindestbindungsfrist nach § 175 Absatz 4 Satz 1 gekündigt werden; § 175 Absatz 4 Satz 6 gilt mit Ausnahme für Mitglieder in Wahltarifen nach Absatz 6. Die Satzung hat für Tarife ein Sonderkündigungsrecht in besonderen Härtefällen vorzusehen. Die Prämienzahlung an Versicherte darf bis zu 20 vom Hundert, für einen oder mehrere Tarife 30 vom Hundert der vom Mitglied im Kalenderjahr getragenen Beiträge mit Ausnahme der Beitragszuschüsse nach § 106 des Sechsten Buches sowie § 257 Abs. 1 Satz 1, jedoch nicht mehr als 600 Euro, bei einem oder mehreren Tarifen 900 Euro jährlich betragen. Satz 4 gilt nicht für Versicherte, die Teilkostenerstattung nach § 14 gewählt haben. Mitglieder, deren Beiträge vollständig von Dritten getragen werden, können nur Tarife nach Absatz 3 wählen.

(9) Die Aufwendungen für jeden Wahltarif müssen jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden. Kalkulatorische Einnahmen, die allein durch das Halten oder die Neugewinnung von Mitgliedern erzielt werden, dürfen dabei nicht berücksichtigt werden; wurden solche Einnahmen bei der Kalkulation von Wahltarifen berücksichtigt, ist die Kalkulation unverzüglich, spätestens bis zum 31. Dezember 2013 entsprechend umzustellen. Die Krankenkassen haben über die Berechnung nach den Sätzen 1 und 2 der zuständigen Aufsichtsbehörde regelmäßig, mindestens alle drei Jahre, Rechenschaft abzulegen. Sie haben hierzu ein versicherungsmathematisches Gutachten vorzulegen über die wesentlichen versicherungsmathematischen Annahmen, die der Berechnung der Beiträge und der versicherungstechnischen Rückstellungen der Wahltarife zugrunde liegen.

(1) Für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen nach den §§ 73b, 132e, 132f und 140a erbrachten Leistungen sind die an diesen Versorgungsformen teilnehmenden Leistungserbringer befugt, die nach den Vorschriften dieses Kapitels erforderlichen Angaben an den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite als Verantwortlichen oder an eine nach Absatz 2 beauftragte andere Stelle zu übermitteln; für den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite gilt § 35 des Ersten Buches entsprechend. Voraussetzung ist, dass der Versicherte vor Abgabe der Teilnahmeerklärung an der Versorgungsform umfassend über die vorgesehene Datenübermittlung informiert worden ist und mit der Einwilligung in die Teilnahme zugleich in die damit verbundene Datenübermittlung schriftlich oder elektronisch eingewilligt hat. Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite oder die beauftragte andere Stelle dürfen die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten; sie übermitteln die Daten im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern an den jeweiligen Vertragspartner auf Krankenkassenseite.

(2) Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite darf eine andere Stelle mit der Verarbeitung der für die Abrechnung der in Absatz 1 genannten Leistungen erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragen; die Vorschriften des Fünften Abschnitts bleiben unberührt. § 80 des Zehnten Buches ist anzuwenden mit der weiteren Maßgabe, dass Unterauftragsverhältnisse ausgeschlossen sind. Für Auftraggeber und Auftragsverarbeiter, die nicht zu den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen gehören, gilt diese Vorschrift entsprechend; sie haben insbesondere die technischen und organisatorischen Maßnahmen nach den Artikeln 24, 25 und 32 der Verordnung (EU) 2016/679 zu treffen.

(3) Für die Abrechnung von im Notfall erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen darf das Krankenhaus eine andere Stelle mit der Verarbeitung der erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragen, sofern der Versicherte schriftlich oder elektronisch in die Datenübermittlung eingewilligt hat; § 334 bleibt unberührt. Der Auftragsverarbeiter darf diese Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten. Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

Die Sozialgerichte entscheiden, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist, im ersten Rechtszug über alle Streitigkeiten, für die der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit offensteht.

(1) Die Landessozialgerichte entscheiden im zweiten Rechtszug über die Berufung gegen die Urteile und die Beschwerden gegen andere Entscheidungen der Sozialgerichte.

(2) Die Landessozialgerichte entscheiden im ersten Rechtszug über

1.
Klagen gegen Entscheidungen der Landesschiedsämter sowie der sektorenübergreifenden Schiedsgremien auf Landesebene und gegen Beanstandungen von Entscheidungen der Landesschiedsämter und der sektorenübergreifenden Schiedsgremien auf Landesebene nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch, gegen Entscheidungen der Schiedsstellen nach § 75 Absatz 3c, § 111b Absatz 6, § 120 Absatz 4, § 132a Absatz 3 und § 132l Absatz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, der Schiedsstellen nach § 133 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, der Schiedsstelle nach § 76 des Elften Buches Sozialgesetzbuch und des Schiedsgremiums nach § 113c Absatz 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch und der Schiedsstellen nach § 81 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch,
2.
Aufsichtsangelegenheiten gegenüber Trägern der Sozialversicherung und ihren Verbänden, gegenüber den Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, gegenüber der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und den Medizinischen Diensten sowie dem Medizinischen Dienst Bund, bei denen die Aufsicht von einer Landes- oder Bundesbehörde ausgeübt wird,
3.
Klagen in Angelegenheiten der Erstattung von Aufwendungen nach § 6b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch,
4.
Anträge nach § 55a,
5.
Streitigkeiten nach § 4a Absatz 7 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch.

(3) Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen entscheidet im ersten Rechtszug über

1.
Streitigkeiten zwischen gesetzlichen Krankenkassen untereinander betreffend den Risikostrukturausgleich sowie zwischen gesetzlichen Krankenkassen oder ihren Verbänden und dem Bundesamt für Soziale Sicherung betreffend den Risikostrukturausgleich, die Anerkennung von strukturierten Behandlungsprogrammen und die Verwaltung des Gesundheitsfonds,
2.
Streitigkeiten betreffend den Finanzausgleich der gesetzlichen Pflegeversicherung,
3.
Streitigkeiten betreffend den Ausgleich unter den gewerblichen Berufsgenossenschaften nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch,
4.
Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen.

(4) Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg entscheidet im ersten Rechtszug über

1.
Klagen gegen die Entscheidung der Bundesschiedsämter nach § 89 Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, des weiteren Schiedsamtes auf Bundesebene nach § 89 Absatz 12 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, des sektorenübergreifenden Schiedsgremiums auf Bundesebene nach § 89a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch sowie der erweiterten Bewertungsausschüsse nach § 87 Abs. 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, soweit die Klagen von den Einrichtungen erhoben werden, die diese Gremien bilden,
2.
Klagen gegen Entscheidungen des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 87 Abs. 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gegenüber den Bewertungsausschüssen und den erweiterten Bewertungsausschüssen sowie gegen Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit gegenüber den Bundesschiedsämtern und dem sektorenübergreifenden Schiedsgremium auf Bundesebene,
3.
Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (§§ 91, 92 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch), Klagen in Aufsichtsangelegenheiten gegenüber dem Gemeinsamen Bundesausschuss, Klagen gegen die Festsetzung von Festbeträgen durch die Spitzenverbände der Krankenkassen oder den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, Klagen gegen Entscheidungen der Schiedsstellen nach den §§ 125, 129, 130b, 131, 134, 134a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und der Schlichtungsstelle nach § 319 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch sowie Klagen gegen Entscheidungen des Schlichtungsausschusses Bund nach § 19 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1991 (BGBl. I S. 886), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 14. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2789) geändert worden ist,
4.
Klagen gegen Entscheidungen des Qualitätsausschusses nach § 113b Absatz 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie des erweiterten Qualitätsausschusses nach § 113b Absatz 3 des Elften Buches Sozialgesetzbuch und gegen Entscheidungen des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 113b Absatz 9 des Elften Buches Sozialgesetzbuch gegenüber dem Qualitätsausschuss und dem erweiterten Qualitätsausschuss sowie über Klagen, welche die Mitwirkung an den Richtlinien des Medizinischen Dienstes Bund betreffen (§ 17 Absatz 1, §§ 18b, 112a Absatz 2, § 114a Absatz 7 und § 114c Absatz 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch).

(5) (weggefallen)

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. April 2012 geändert. Es wird festgestellt, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vereinbar ist. Insoweit sind die Beteiligten verpflichtet, den Vertrag zu ändern.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 9/10 und die Beklagten tragen 1/10 der Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen einen Schiedsspruch, mit dem der Inhalt eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV) nach § 73b SGB V zwischen ihr und den beiden beklagten Hausarztverbänden festgelegt worden ist.

2

Nachdem sich Klägerin und Beklagte nicht über den Abschluss eines Vertrages zur HzV einigen konnten, beantragten die Beklagten die Einleitung des Schiedsverfahrens. Die Schiedsperson wurde durch das Bundesversicherungsamt (BVA) bestimmt, nachdem auch dazu keine Einigung erzielt werden konnte. Gegen den Bescheid des BVA zur Bestimmung der Schiedsperson wandte sich die Klägerin mit der Klage und beantragte zugleich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Diesen Antrag wies das SG zurück. Die dagegen eingelegten Beschwerden nahm die Klägerin zurück, nachdem der Schiedsspruch ergangen war.

3

Mit einem weiteren Eilverfahren wandte sich die Klägerin erfolglos gegen die Festsetzung eines Verhandlungstermins durch die Schiedsperson. An der anberaumten mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin nicht teil. Zu dem von den Beklagten vorgelegten Vertragsangebot nahm die Klägerin mit insgesamt 68 Einzelanträgen Stellung.

4

Mit Schiedsspruch vom 9.9.2010 setzte die Schiedsperson den Inhalt des Vertrages zur HzV mit Wirkung zum 15.9.2010 fest und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Beklagten erfüllten die Voraussetzung, nach der sie mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Baden-Württemberg vertreten müssten. Die gesetzliche Regelung könne nicht in dem Sinne verstanden werden, dass eine rechtsgeschäftliche Vertretung im Sinne des § 164 Abs 1 BGB erforderlich sei. Vielmehr sei mit der Formulierung des "Vertretens" gemeint, dass die Gemeinschaften eine gewisse soziale Mächtigkeit haben müssten, damit eine flächendeckende Versorgung mit Hausarztverträgen wahrscheinlich sichergestellt werden könne. Da mehr als die Hälfte der Allgemeinärzte Mitglied der beiden beklagten Verbände seien, seien die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Selbst wenn nicht auf dieses Verständnis des "Vertretens" abgestellt würde, seien die Voraussetzungen erfüllt, weil mehr als die Hälfte der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte die Beklagten zu 1. und 2. mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hätten. Die Schiedsperson sei keine Behörde und sie erlasse auch keinen Verwaltungsakt, sondern werde als Vertragshelfer tätig. Als solche habe sie in Wahrnehmung ihres Bestimmungsrechts den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festzusetzen. In Ausübung ihres billigen Ermessens habe sie entschieden, den Vertrag zur HzV als sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag festzusetzen. Allein die Vereinbarung von Vollversorgungsverträgen entspreche der Intention des Gesetzes, mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen durch Erweiterung ihrer Handlungsspielräume zum Abschluss von Verträgen mit Leistungserbringern oder Gruppen von ihnen zu ermöglichen.

5

Der festgelegte Vertragsinhalt entspreche den gesetzlichen Anforderungen an eine HzV und führe zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung für die Versicherten. Er entspreche hinsichtlich des Leistungsinhalts in vollem Umfang den Forderungen, die die Krankenkassen in früher geführten Schiedsverfahren für den Bezirk der KÄV Bayern aufgestellt hätten und gehe auch hinsichtlich der qualitativen Anforderungen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Hinsichtlich der Vergütung der in der HzV zu erbringenden Leistungen orientiere sich der Vertrag in Ausübung billigen Ermessens an dem Vertrag, den die BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für den Bezirk der KÄV Baden-Württemberg abgeschlossen habe. Vergleichbare Vergütungsregelungen fänden sich auch in zahlreichen weiteren Verträgen zur HzV, die Krankenkassen mit Gemeinschaften von Hausärzten geschlossen hätten. Bei der Festsetzung der Höhe der Vergütung seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Beitragssatzstabilität zu beachten. Dem werde die Vergütungsstruktur sowie die daran anknüpfende Vergütungshöhe gerecht. Die wirtschaftlichen Risiken der Krankenkassen würden durch verschiedene - in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen bezeichnete - Maßnahmen beschränkt. Den durch die Vergütung der HzV-Leistungen bedingten Mehrausgaben stünden Einsparungen gegenüber, die jedoch schwer genauer zu prognostizieren seien. Allerdings zeigten Erfahrungswerte aus bereits laufenden HzV-Verträgen, dass (in der Begründung des Schiedsspruchs näher bezeichnete) Einsparungen erzielt würden, mit denen sich die Mehrausgaben finanzieren ließen. Einer Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson stehe auch nicht entgegen, dass die Auftragsvergabe nicht nach den Vorschriften des Vergaberechts ausgeschrieben worden sei und dass die Anwendung des Sozialdatenschutzes auf die HzV-Verträge umstritten sei. Die Anwendung der Regelungen über den Datenschutz sei zwar streitig. Im Gegensatz zum unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein hätten die Landesdatenschutzbeauftragten für Bayern und Baden-Württemberg aber bisher keinen Anlass zu einer datenschutzrechtlichen Beanstandung bezogen auf die bestehenden HzV-Verträge gesehen. Im Hinblick auf diese Rechtslage werde von der Festsetzung einer datenschutzrechtlichen Regelung abgesehen. Die Schaffung einer datenschutzkonformen Regelung über die Weitergabe von Patientendaten an private Abrechnungsstellen bleibe auf der Rechtsgrundlage des § 295 Abs 1b SGB V bilateralen Behandlungen der Beteiligten überlassen. Eine Festsetzung der HzV-Vergütung auf dem Niveau der Regelversorgung scheide aus, weil im Rahmen der HzV ein bestimmtes Ausstattungsniveau der teilnehmenden hausärztlichen Praxen vorgegeben werde. Der an der HzV teilnehmende Hausarzt sei außerdem zur Erlangung bestimmter Weiterbildungsmaßnahmen und Abrechnungsqualifikationen verpflichtet, die in der Regelversorgung nicht gefordert seien. Hinzu trete die verpflichtende Teilnahme des teilnehmenden Hausarztes an den Disease-Management-Programmen sowie die Wahrnehmung der Betreuung von pflegebedürftigen Patienten. Zudem bestehe die Verpflichtung zur Teilnahme an Fortbildungen, zu hausarztspezifischen Themen, was über die generelle Fortbildungspflicht gemäß § 95d SGB V hinausgehe. Schließlich sei das Dienstleistungsangebot der hausärztlichen Praxen in der HzV erweitert. Diese erweiterten Qualifikationen, apparativen Ausstattungen und verbesserten Dienstleistungsangebote führten zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung, die ein höheres Vergütungsniveau im Vergleich zur hausärztlichen Regelversorgung rechtfertige. Durch das gegen die Bestimmung der Schiedsperson anhängige Klageverfahren werde das Wirksamwerden des Vertrages zur HzV nicht gehindert, weil die Klage gemäß § 73b Abs 4a SGB V keine aufschiebende Wirkung habe.

6

Gegen den Schiedsspruch vom 9.9.2010 hat sich die Klägerin mit der am 9.9.2011 erhobenen Klage gewandt und beantragt festzustellen, dass der Schiedsspruch unwirksam sei. Hilfsweise hat sie beantragt, die Regelung zum Inkrafttreten um den Zusatz zu ergänzen, dass der Vertrag nicht in Kraft trete, bevor nicht sämtliche Anlagen zum Vertrag durch die Parteien vereinbart oder durch weiteren Schiedsspruch festgesetzt worden seien. Mit der gegen die Abweisung der Klage (Urteil des SG vom 25.4.2012) erhobenen Berufung hat die Klägerin ua geltend gemacht, dass es sich bei der Entscheidung der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele. Sie gehe aber davon aus, dass eine isolierte Anfechtungsklage zulässig sein müsse. Sofern der Schiedsspruch ein Verwaltungsakt sein sollte, komme eine Leistungsklage in Form der Ersetzungsklage kaum in Betracht, da der Klägerin kein Recht zustehe, den Verwaltungsakt nach ihren Vorstellungen vollständig durch das Gericht ersetzen zu lassen. Demgegenüber haben die Beklagten die Auffassung vertreten, dass der Schiedsspruch als Verwaltungsakt anzusehen und als solcher rechtmäßig sei.

7

Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem Schiedsspruch vom 9.9.2010 um einen Verwaltungsakt handele. Für Beschlüsse einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V gelte nichts anderes als für Entscheidungen der Schiedsämter gemäß § 89 SGB V und der Schiedsstellen nach § 114 SGB V. § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V regele ein förmliches Schiedsverfahren. Zudem habe das BSG für den hier einschlägigen Bereich des Vertragsarztrechts seit jeher die Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs bejaht. Auch die Änderung des § 73b Abs 4a SGB V zum 1.1.2012 durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl I 2983) spreche nicht gegen die Annahme der Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs. Bei der Schiedsperson handele es sich um eine Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X. Dem stehe auch nicht der Umstand entgegen, dass keine Regelung zur staatlichen Aufsicht über die Schiedsperson existiere. Wenn verfassungsrechtlich zu fordernde Regelungen zur Aufsicht fehlten, könne dies allenfalls die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung zur Folge haben. Schiedspersonen nähmen Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahr, wenn sie die Vertragsverhältnisse zwischen einer Krankenkasse und den Verbänden der Hausärzte festlegten. Bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson handele es sich um eine für Ärzte, Patienten und Krankenkassen außerordentlich weitreichende Entscheidung. Für die gerichtliche Prüfung derart komplexer Regelungen mit weitreichenden Auswirkungen eigneten sich die über § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V entsprechend geltenden Vorschriften der §§ 317 ff BGB über den Vertragshelfer nicht. § 317 BGB regele den Fall, dass die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen bleibe. § 317 BGB überlasse der Schiedsperson nicht die Bestimmung des Vertragsinhalts, sondern die Bestimmung der Leistung. Vorliegend würden von der Schiedsperson aber sämtliche gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien festgelegt. Die Festlegung eines Vertrages über die HzV durch die Schiedsperson gehe somit weit über das hinaus, was Vertragshelfer nach § 317 BGB üblicherweise festlegen könnten. Zudem erweise sich der in § 319 BGB genannte Maßstab des "billigen Ermessens" als wenig geeignet für die Prüfung des von der Schiedsperson festgelegten Vertragsinhalts. Schließlich verhindere die Rechtskonstruktion des Vertragshelfers nicht eine Verzögerung der Umsetzung des geschiedsten Vertrages durch in destruktiver Absicht eingelegte Rechtsmittel. Dies zeige der vorliegende Fall. Für die Erhebung der Gestaltungsklagen gelte keine Ausschlussfrist. Damit bleibe für die Vertragsparteien lange unklar, ob der festgelegte Vertrag rechtsverbindlich werde. Auch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung helfe nicht weiter, weil der Vertrag in der Praxis regelmäßig erst dann als umsetzbar angesehen werde, wenn dessen rechtliche Verbindlichkeit auch feststehe. Auch dies zeige der vorliegende Fall.

8

Die isolierte Anfechtungsklage sei zulässig, jedoch nicht begründet. Der Schiedsperson stehe bei der Festlegung des Vertragsinhalts ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Schiedsspruch sei nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle zugänglich. Verstöße gegen wesentliche verfahrensrechtliche Grundsätze lägen nicht vor. Die Schiedsperson habe die Festlegung des Vertragsinhalts ausführlich begründet. Soweit die Klägerin das Fehlen einer Ausgabenobergrenze rüge, übersehe sie § 10 Abs 9 des Vertrages, der eine Begrenzung der HzV-Vergütung auf einen durchschnittlichen maximalen Fallwert von 76 Euro vorsehe. Unbegründet sei auch der Einwand der Klägerin, dass der Vertrag an mehreren Stellen gegen ihre Satzungsregelungen verstoße. Der Vertrag begründe keine Rechte und Pflichten der Versicherten. Den von den Vertragsparteien oder nach Maßgabe des § 73b Abs 4a SGB V von der Schiedsperson an deren Stelle getroffenen Festlegungen komme Vorrang vor dem Satzungsrecht der einzelnen Krankenkasse zu. Die Krankenkasse müsse den sie bindenden Vertrag bei jeglicher Verwaltungstätigkeit einhalten. Wenn die Satzung der Krankenkasse mit den Festlegungen des Vertrages nicht in Einklang stehe, müsse sie daher die Satzung entsprechend ändern und an den Vertrag anpassen. Für den gestellten Hilfsantrag mit dem Ziel, das Inkrafttreten des Vertrages auf den Zeitpunkt zu verschieben, zu dem sämtliche Anlagen vereinbart oder durch Schiedsspruch festgesetzt worden seien, fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Nach § 16 Abs 4 des Vertrages sei dieser zum Halbjahres- oder Jahresende, erstmals zum 31.12.2013 mit einer Frist von sechs Monaten kündbar. Damit werde der Klägerin eine einfachere rechtliche Möglichkeit eröffnet, die Rechtswirkungen des Vertrages zu beseitigen. Zudem müsse sich die Klägerin widersprüchliches Verhalten entgegenhalten lassen. Mit dem Hinausschieben des Inkrafttretens würde der gesetzlich begründete Kontrahierungszwang vereitelt. Aus dem gesamten Verhalten der Klägerin sei zu erkennen, dass sie sich weigere, ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Eröffnung des Angebots einer HzV nachzukommen. Ernsthafte Bemühungen, die fehlenden Vertragsanlagen auszuhandeln, seien nicht ersichtlich. Darüber hinaus sei der Hilfsantrag auch in der Sache nicht begründet. Ausreichend sei, dass der Schiedsspruch in sich schlüssig sei und dass die geregelten Vertragsteile von den Vertragsparteien umgesetzt werden könnten. Daran bestehe kein Zweifel, weil Verträge mit vergleichbaren Inhalten von anderen Krankenkassen durchgeführt würden.

9

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die erhobene Anfechtungsklage sei statthaft, da es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X handele. Sämtliche LSG hätten § 73b Abs 4, Abs 4a SGB V in der Weise ausgelegt. Ihre zuvor vertretene gegenteilige Rechtsauffassung halte sie nicht mehr aufrecht. Änderungen des § 73b SGB V, die zum 1.1.2012 in Kraft getreten seien, seien für das vorliegende Verfahren von vornherein nicht relevant, da für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 maßgeblich sei. Mit der Festsetzung des Vertrages über die besondere hausärztliche Versorgung nach § 73b SGB V treffe die Schiedsperson eine hoheitliche Entscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die unmittelbare Rechtswirkung im Außenverhältnis habe, indem sie verbindlich den Vertrag zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens festsetze. Der Schiedsspruch zur HzV unterscheide sich insofern nicht von dem Schiedsspruch nach § 77 SGB XII, für den sowohl das BVerwG als auch das BSG die Verwaltungsaktqualität ausdrücklich bejaht hätten.

10

Entgegen der Auffassung des LSG sei das Rechtsschutzinteresse nicht im Hinblick auf die zum 31.12.2013 erstmals bestehende Kündigungsmöglichkeit entfallen. Die ordentliche Kündigung des Vertrages zur HzV führe nicht automatisch zu dessen Beendigung, sondern der Vertrag gelte - wenn ein neuer Vertrag zur HzV nicht zustande komme - solange fort, bis in einem Schiedsverfahren ein neuer Vertrag zur HzV festgesetzt worden sei. Die Umsetzung des streitgegenständlichen Vertrages werde zu Recht verweigert. Die Klage habe selbst dann aufschiebende Wirkung, wenn es sich bei dem Schiedsspruch nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Vertragsfestlegung durch einen Dritten entsprechend §§ 315, 317 BGB handeln würde. Bereits die Erhebung der Einrede der offenbaren Unbilligkeit der Vertragsfestsetzung führe ggf entsprechend § 319 Abs 1 BGB zur Unverbindlichkeit der durch den Schiedsspruch getroffenen Vertragsbestimmungen.

11

Der Schiedsspruch sei mit zwingend zu beachtenden bundesrechtlichen Vorgaben zum Datenschutz unvereinbar. Für die nach dem Vertrag zur HzV vorgesehene Einbindung der Beklagten und der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) sowie von Unterauftragsunternehmern in die Verarbeitung sensibler Patientendaten fehle die nach der Rechtsprechung des BSG zwingend erforderliche gesetzliche Grundlage. Auch das Inkrafttreten des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ändere nichts an der datenschutzrechtlichen Unzulässigkeit des Vertrages zur HzV. Maßgebend sei die zum Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 geltende Rechtslage. Selbst wenn die zum 4.8.2011 eingetretenen Änderungen berücksichtigt würden, bliebe es bei der Unvereinbarkeit mit datenschutzrechtlichen Vorgaben. Die in dem Vertrag vorgesehene zwangsweise Verknüpfung der Teilnahme an der HzV mit einer Pflicht zur Weitergabe von Patientendaten an einen bestimmten Dienstleister sei mit den datenschutzrechtlich an die "verantwortliche Stelle" zu stellenden Anforderungen unvereinbar. Weiterhin unzulässig sei der vorgesehene Einsatz einer Vertragssoftware mit einem sog "gekapselten Kern", zu dessen Einsatz die teilnehmenden Hausärzte verpflichtet würden. Damit werde die Möglichkeit geschaffen, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar bzw kontrollierbar sei. Außerdem erlaube der neue § 295a Abs 2 SGB V lediglicheinen Dienstleister in die Verarbeitung von Patientendaten einzubinden. Die Begründung von Unterauftragsverhältnissen werde ausdrücklich ausgeschlossen. Im Widerspruch dazu sehe § 6 Abs 1 der Anlage 3 des streitgegenständlichen Vertrages zur HzV die Einbindung der HÄVG Rechenzentrum AG als Subunternehmer der HÄVG vor. Rechtswidrig sei ferner die in § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum Vertrag geregelte Befugnis der HÄVG, nach eigenem Gutdünken Patientendaten für "Musterverfahren" zur Klärung grundsätzlicher Fragen der Auslegung des Vertrages zur HzV zu verwenden. Unzulässig sei auch die vorgesehene Einbindung der HÄVG in die Einschreibung von Versicherten. Nach § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürften die auf Leistungserbringerseite von den teilnehmenden Hausärzten übermittelten Patientendaten ausschließlich für Abrechnungszwecke verwendet werden.

12

Zudem werde durch Mehrkosten, die der Vertrag unstreitig auslöse und deren Finanzierung durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen nicht gesichert sei, das in § 53 Abs 9 SGB V normierte Gebot der Selbsttragung des Wahltarifs verletzt. Der Wahltarif sei zwingend mit der HzV nach § 73b SGB V verbunden. Nach § 53 Abs 3 SGB V dürften für einen Wahltarif für die besonderen Versorgungsformen keine Zusatzbeiträge erhoben werden. Gleichzeitig verbiete § 53 Abs 9 SGB V eine Quersubventionierung der Wahltarife aus dem allgemeinen Beitragsaufkommen. Dass durch den Vertrag zur HzV Mehrkosten gegenüber der hausärztlichen Regelversorgung entstünden, sei unstreitig. Dem stünden keine gesicherten Refinanzierungsmaßnahmen gegenüber. Darüber hinaus werde der Grundsatz der Beitragssatzstabilität des § 71 Abs 1 SGB V verletzt, der alle Vergütungsvereinbarungen nach dem SGB V erfasse, weil nicht refinanzierte Mehrausgaben nicht verlässlich ausgeschlossen seien. Die Erhebung von Zwangsbeiträgen der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung für die Subventionierung der HzV verletze Art 2 Abs 1 GG. Zudem würde durch die damit verbundene Aufgabe des Solidaritätsprinzips die Unternehmenseigenschaft der Krankenkassen im Sinne des Art 101 ff des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union begründet.

13

Der Schiedsspruch verletze Bundesrecht auch deshalb, weil die Vertragsfestsetzung unvollständig sei. Obwohl der Hilfsmittelbereich als Bereich möglicher Einsparungen in der Begründung des Schiedsspruchs ausdrücklich angesprochen werde und die Anlage 2a zum Hilfsmittelmanagement in § 23 des Vertrages zur HzV genannt werde, habe die Schiedsperson diese Anlage nicht festgelegt. Aus § 23 des Vertrages zur HzV ergebe sich vielmehr, dass diese "in gemeinsamer Absprache noch zu erstellen" sei. Dies sei mit § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V unvereinbar. Gleiches gelte für die fehlenden Anhänge 2 bis 4 der festgesetzten Anlage 3 des Vertrages. Diese sollten ausweislich § 9 der Anlage 3 des Vertrages die Diagnosen zur Abrechnung des Zuschlags für chronisch Kranke, des Zuschlags zur Förderung einer wirtschaftlichen Arzneimittelverordnung ("Rationaler Pharmakotherapie-Zuschlag") sowie eines Zuschlags (sog VERAH-Zuschlag) für Leistungen von besonders qualifizierten medizinischen Fachangestellten ("Versorgungsassistenten") enthalten.

14

Ferner habe die Schiedsperson ihren Gestaltungsspielraum überschritten, indem sie Regelungen zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten zum Gegenstand des Vertrages zur HzV gemacht habe. Die Einschreibebestimmungen des Vertrages zur HzV seien nicht von der Vertragsregelungsbefugnis der Schiedsperson umfasst. Vielmehr habe die Regelung der Teilnahme von Versicherten an der HzV in der Satzung der Krankenkasse zu erfolgen. Die Teilnahme der Versicherten werde in dem Vertrag zur HzV in Widerspruch zu Satzungsbestimmungen der Klägerin geregelt. Dies sei rechtswidrig. Darüber hinaus verletze der Schiedsspruch Bundesrecht, weil dem Beklagten zu 2. (MEDI Baden-Württemberg e.V.) die erforderliche Antragsbefugnis zur Einleitung eines Schiedsverfahrens fehle. Schiedsverfahren könnten nur von Gemeinschaften beantragt werden, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Diese Voraussetzung erfülle der Beklagte zu 2. nicht.

15

Die Schiedsperson habe ihren Beurteilungsspielraum überschritten, indem sie sich bei der Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend an anderen HzV-Verträgen orientiert habe. Die anderen HzV-Verträgen zugrunde liegenden Verhältnisse seien nicht auf die Klägerin übertragbar. Die Schiedsperson hätte sich mit der konkreten Situation der Klägerin und deren Versicherten auseinandersetzen müssen. Das sei nicht geschehen. Ferner sei die Schiedsperson zu Unrecht davon ausgegangen, dass allein ein Vollversorgungsvertrag, nicht dagegen ein sog Add-on-Vertrag der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Damit habe die Schiedsperson den rechtlichen Rahmen verkannt, der ihrem Gestaltungsspielraum zugrunde liegt. Somit leide der Schiedsspruch an einem nicht heilbaren Fehler.

16

Selbst wenn der Schiedsspruch nicht als Verwaltungsakt anzusehen wäre, sei der auf Aufhebung dieses Schiedsspruchs gerichtete Antrag zulässig. Die Festsetzung des Vertragsinhalts durch das Gericht in entsprechender Anwendung des § 319 BGB sei unter Beachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung ausgeschlossen. Denn der Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages über die HzV nach § 73b SGB V sei Aufgabe der Krankenkassen als Selbstverwaltungskörperschaften und Teil der mittelbaren Staatsverwaltung. In die Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume könne die Rechtsprechung als Kontrollinstanz der Verwaltung nicht in der Form eingreifen, dass sie ihre eigenen Erwägungen an die Stelle derjenigen der Verwaltung setze.

17

Die Klägerin beantragt,

        

1.    

die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 zu ändern und den Schiedsspruch vom 9.9.2010 aufzuheben,

        

2.    

hilfsweise, das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 aufzuheben und den Rechtsstreit an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2, 1. Halbsatz BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts zurückzuverweisen,

        

3.    

weiter hilfsweise unter Änderung der Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 festzustellen, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte HzV-Vertrag mit Bundesrecht nicht vereinbar ist.

18

Die Beklagten beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

19

Sie führen zur Begründung aus: Das angefochtene Urteil des LSG sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Allerdings sei der Schiedsspruch kein Verwaltungsakt. Mit dem GKV-VStG habe der Gesetzgeber eindeutig geregelt, dass es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele, sondern dass die Schiedsperson als Vertragshelfer analog § 317 BGB tätig werde. Die in der Rechtsprechung angestellten Erwägungen zur fehlenden Behördeneigenschaft von Schiedspersonen nach § 132a Abs 2 SGB V seien auf die Schiedspersonen gemäß § 73b Abs 4a SGB V übertragbar. Auch der Umstand, dass die Schiedsperson die in einem Schiedsverfahren festgelegten Verträge der für die Krankenkassen zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen habe, stehe dem nicht entgegen, da die Vorlage auch bei frei verhandelten Verträgen durch die Krankenkasse zu erfolgen habe. Der Schiedsspruch sei rechtlich nicht zu beanstanden. Mit den Anträgen der Klägerin habe sich die Schiedsperson erkennbar auseinandergesetzt und diese gewürdigt. Die Schiedsperson habe den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festgesetzt und zugleich berücksichtigt, dass zahlreiche weitere Krankenkassen im Bundesgebiet ähnliche Verträge mit vergleichbarem Inhalt und vergleichbarer Vergütungsstruktur mit den jeweiligen Hausarztgemeinschaften vereinbart hätten. Es seien keine wesentlichen Vertragsbestandteile ungeregelt geblieben. Soweit den Vertragspartnern überlassen worden sei, im späteren Verlauf Umsetzungsaufgaben und Steuerungsmodule, zB für den Bereich der Arzneimittelverordnung selbst zu verhandeln, sei dies sachgerecht, weil die Vertragspartner damit auf die sich ständig ändernden Arzneimittelrabattverträge reagieren könnten. Auch würden Vorschriften zum Datenschutz nicht verletzt. Maßgebend für die Beurteilung sei die aktuelle Rechtslage und nicht die Rechtslage, die bei Erlass des Schiedsspruchs gegolten habe. Die im Schiedsspruch vorgesehene Verwendung eines "gekapselten Kerns" sei auch nach Auffassung des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht nicht zu beanstanden. Soweit sich die Klägerin gegen die im Vertrag enthaltene Befugnis zur Führung von Musterverfahren unter Verwendung personenbezogener Daten wende, sei darauf hinzuweisen, dass die HÄVG keine Musterverfahren führe. Die Klägerin sei im Übrigen nicht legitimiert, im vorliegenden Verfahren Datenschutzrechte der Patienten geltend zu machen. Bezogen auf die geltend gemachten Widersprüche zwischen dem Vertrag zur HzV und den Satzungsregelungen der Klägerin habe das LSG zutreffend die Auffassung vertreten, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV der Satzung vorgingen. Mit dem vorliegenden Klageverfahren unterlaufe die Klägerin den gesetzlichen Kontrahierungszwang. Die Klägerin sei verpflichtet, ihren Versicherten eine HzV anzubieten und mit qualifizierten Gemeinschaften einen Vertrag zur HzV zu schließen. Gleichwohl habe die Klägerin bis heute die Umsetzung des weiterhin geltenden Vertrages verweigert und auch keinen Antrag auf Verpflichtung zur Neufestsetzung des Vertrages zur HzV mit den von ihr begehrten Modifizierungen gestellt.

Entscheidungsgründe

20

Die Revision der Klägerin hat nur insoweit Erfolg, als die Unvereinbarkeit von Regelungen des Vertrages zur HzV mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen festzustellen war. Im Übrigen hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

21

1. Das SG war zur Entscheidung im ersten Rechtszug nach § 8 SGG sachlich zuständig, da einer der in § 29 Abs 2 SGG geregelten Sonderfälle der sachlichen Zuständigkeit der Landessozialgerichte für eine Entscheidung im ersten Rechtszug nicht vorliegt. Insbesondere liegt keine Klage gegen Entscheidungen der Landesschiedsämter oder gegen Beanstandungen von Entscheidungen der Landesschiedsämter nach dem SGB V, gegen Entscheidungen der Schiedsstellen nach § 120 Abs 4 SGB V, der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI oder der Schiedsstellen nach § 80 SGB XII vor. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Entscheidung einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Aufzählung in § 29 Abs 2 SGG ist abschließend, sodass die Vorschrift nicht entsprechend anwendbar ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 29 RdNr 4; Schreiber in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 29 RdNr 8; Ulrich, NZS 2011, 448, 451 ff; zur Bestimmung einer Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 13 f, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

22

2. Die mit dem Antrag zu 1. erhobene Anfechtungsklage ist nicht statthaft und damit unzulässig.

23

a) Nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGG muss sich die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt richten. Die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson nach § 73b SGB V ist jedoch nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergangen und die Schiedsperson hat auch nicht für sich in Anspruch genommen, durch Verwaltungsakt entscheiden zu können(zur Zulässigkeit von Klagen auch gegen einen sog "formellen Verwaltungsakt" vgl BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 16). Für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage genügt nicht, dass die Klägerin das Vorliegen eines Verwaltungsakts geltend macht (stRspr vgl BSGE 39, 86, 87 = SozR 2200 § 628 Nr 1 S 2, mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 8a).

24

b) Für die Beurteilung der Frage, ob die Entscheidung der Schiedsperson, gegen die sich die Klägerin wendet, in der Form eines Verwaltungsakts ergangen ist, ist in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Entscheidung der Schiedsperson am 9.9.2010 maßgebend. Nur wenn die Schiedsperson zu diesem Zeitpunkt Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X gewesen ist, konnte sie einen Verwaltungsakt erlassen. Später eingetretene Änderungen hätten keinen Einfluss mehr auf die rechtliche Qualifizierung des zuvor ergangenen Schiedsspruchs. Es kommt demnach darauf an, ob die Schiedsperson nach der zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts geltenden Rechtslage Behörde war und ob ihre Entscheidung unter Zugrundelegung dieser Rechtslage als Verwaltungsakt anzusehen war. Dies ist indes nicht der Fall und daran hat sich im Übrigen in der Folge auch nichts geändert.

25

c) Schiedspersonen, die Verträge zur HzV festsetzen, wenn eine Einigung zwischen einer Krankenkasse und der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaft von Allgemeinärzten nicht zustande kommt, werden - ebenso wie Schiedspersonen im Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V - als Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB und nicht als Behörde tätig. Der Schiedsspruch ergeht deshalb auch nicht in der Form eines Verwaltungsakts, sondern ersetzt die Einigung der Parteien. Dies folgt neben dem Wortlaut in erster Linie aus der Entstehungsgeschichte der Regelung und dem darin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers.

26

aa) Verwaltungsakte können nach § 31 Satz 1 SGB X nur von einer Behörde erlassen werden. Nach § 1 Abs 2 SGB X ist Behörde im Sinne des Sozialgesetzbuches jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Danach gilt ein weiter, sog funktionaler Behördenbegriff, der neben den Verwaltungsbehörden im organisatorischen Sinne auch alle sonstigen Einrichtungen, Organe und Stellen einschließt, die aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts mit der Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten, zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge im eigenen Namen oder zu sonstigen, nach öffentlichem Recht zu beurteilenden Handeln ausgestattet sind (vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 14; BSGE 60, 239 = SozR 1300 § 45 Nr 26; BSGE 63, 224 = SozR 1300 § 48 Nr 47; BSGE 77, 295 = SozR 3-1300 § 45 Nr 27).

27

Dass die Schiedsämter und Schiedsstellen im Bereich des SGB V unter diesen weiten funktionalen Behördenbegriff fallen, ist in der Rechtsprechung seit langem geklärt (vgl BSGE 20, 73, 75 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSGE 87, 199, 200 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3300 § 89 Nr 1 RdNr 11; BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 20, 41). Eine solche grundsätzliche Klärung fehlt bisher für die Schiedsperson, die der Gesetzgeber mit der Änderung des § 132a SGB V (Versorgung mit häuslicher Krankenpflege) durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) erstmals im SGB V anstelle von Schiedsämtern und Schiedsstellen für die außergerichtliche Schlichtung vorgesehen hat. In den folgenden Jahren ist die außergerichtliche Streitschlichtung durch Schiedspersonen auf weitere Bereiche ausgedehnt worden: Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) wurde die Schlichtung im Bereich der stationären und ambulanten Hospizleistungen nach § 39a Abs 1 Satz 7 bis 9 SGB V einer Schiedsperson übertragen. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) wurde die Schlichtung durch eine Schiedsperson bei Streitigkeiten um die Finanzierung der Landesverbände der Krankenkassen (§ 211 Abs 4 Satz 4 SGB V) und mWv 1.1.2009 auch für die hausarztzentrierte Versorgung (§ 73b Abs 4a SGB V) sowie die Hilfsmittelversorgung (§ 127 Abs 1a Satz 2 bis 4 SGB V)vorgesehen. Inzwischen ist die Schlichtung durch Schiedspersonen Gegenstand auch der Heilmittelversorgung (§ 125 Abs 2 Satz 4 bis 6 SGB V), des klinischen Krebsregisters (§ 65c Abs 6 Satz 8 bis 12 SGB V) und der Versorgung mit Schutzimpfungen (§ 132e Abs 1 Satz 3 bis 5 SGB V).

28

Ob auch die Entscheidungen von Schiedspersonen als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X anzusehen sind, war von Anfang an umstritten(vgl zB Schnapp, NZS 2010, 241, 245 mwN; Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 17 ff). In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wurde die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V in der Regel als Vertragshelfer qualifiziert, deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, während Entscheidungen der Schiedsperson in der HzV wohl überwiegend als Verwaltungsakt angesehen wurden(LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 84 ff; LSG Hamburg Beschluss vom 18.8.2011 - L 1 KA 24/11 B ER; in dieser Richtung, aber letztlich offenlassend: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 37 f = Juris RdNr 25, 45 f; ausdrücklich offengelassen: LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 32 und Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 58/10 B ER - Juris RdNr 61; anders dagegen : Bayerisches LSG Beschluss vom 17.1.2011 - L 12 KA 123/10 B ER - Breith 2011, 281, 285). Für die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V wurde diese Frage durch Urteil des 3. Senats vom 25.11.2010 (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) geklärt. Danach ist jedenfalls diese Schiedsperson keine Behörde. Dementsprechend ergeht deren Entscheidung auch nicht als Verwaltungsakt. Vielmehr wird die Schiedsperson als öffentlich-rechtlicher Schlichter und Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB tätig.

29

Ausschlaggebend für die Einordnung der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde war nach der genannten Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010, dass diese zwar den Inhalt öffentlich-rechtlicher Verträge festlege, wobei es sich um eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit handele. Die Schiedsperson erhalte ihre Entscheidungsmacht jedoch unmittelbar von den Vertragsparteien des § 132a SGB V selbst, die auch den das Schiedsverfahren regelnden Vertrag zur Konfliktlösung abschließen. Daraus hat der 3. Senat den Schluss gezogen, dass es sich - ungeachtet des Umstands, dass die Vertragsparteien zur Verabredung des Schiedsverfahrens gesetzlich verpflichtet sind - um ein vertraglich vereinbartes Schiedsverfahren handele. Die Schiedsperson sei auch kein Beliehener, weil es an einem öffentlich-rechtlichen Akt der Beleihung fehle. Ferner existiere keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger und anders als Schiedsstellen und Schiedsämter unterliege die Schiedsperson auch keiner Rechtsaufsicht. Das Verfahren der Schlichtung durch die Schiedsperson sei nicht gesetzlich geregelt. Die Funktion als Schiedsperson sei an die Person des Berufenen gebunden, sodass keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution einer Schiedsstelle existiere.

30

bb) Die Regelungen zur Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V entsprachen bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend derjenigen zu der - nicht als Behörde zu qualifizierenden - Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V. Grundsätzlich obliegt es auch hier den Vertragsparteien, sich auf die Schiedsperson zu einigen. Nur für den Fall, dass die Vertragsparteien sich auch darüber nicht einigen können, sieht § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V die Bestimmung der Schiedsperson durch die für die Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde vor. Ebenso wie nach § 132a Abs 2 SGB V gibt es nach § 73b SGB V weder eine Rechtsaufsicht über die Schiedsperson noch eine Regelung zum Schiedsverfahren. Ferner existiert keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution und keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger.

31

Zwar können hoheitliche Aufgaben durch Beleihung auch einer natürlichen Person übertragen werden. Dies erfordert jedoch eine Übertragung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Rechtsverordnung, Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl BVerwG NVwZ 2006, 829; BVerfG NJW 1987, 2501, 2502; BVerwGE 98, 280, 298; Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 1 RdNr 11; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl 2014, § 1 RdNr 60; Wiegand, Die Beleihung mit Normsetzungskompetenz, 2008, 155 f). § 73b Abs 4a SGB V regelt eine Beleihung der Schiedsperson jedenfalls nicht ausdrücklich. Gegen die Annahme, dass in der dort geregelten Bestimmung der Schiedsperson gleichwohl eine Beleihung liegt, spricht, dass das Gesetz keinerlei Festlegungen oder Vorgaben zu deren Auswahl trifft, sondern diese vorrangig den Vertragsparteien überlässt (vgl Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 250). Angesichts des Umstands, dass der Wortlaut die Frage nach einer Beleihung jedenfalls nicht eindeutig beantwortet, kann die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur dann als Beliehene angesehen werden, wenn systematische Gründe, die Entstehungsgeschichte oder Sinn und Zweck der Reglung dafür sprechen würden, dass der Gesetzgeber der Schiedsperson die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben übertragen wollte. Dies ist aus den nachfolgend genannten Gründen jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG gerade klargestellt, dass der Schiedsperson nach § 73b SGB V - in Übereinstimmung mit der Schiedsperson nach § 132a SGB V - keine hoheitlichen Aufgaben übertragen werden sollen.

32

cc) Im Gegensatz zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V hat der 3. Senats des BSG die Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26) nicht eindeutig dem Modell "Vertragshelfer" zugeordnet, sondern diese Frage ausdrücklich offengelassen. Dabei hat der 3. Senat dem Umstand Bedeutung beigemessen, dass § 73b SGB V keine § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V entsprechende Regelung enthält, nach der die Vertragsparteien in Verträgen zu regeln haben, dass im Falle von Nichteinigung eine von den Parteien zu bestimmende unabhängige Schiedsperson den Vertragsinhalt festlegt. Daraus hat der 3. Senat gefolgert, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V im Rahmen eines gesetzlich normierten und nicht eines - wie bei § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V - vertraglich vereinbarten Schiedsverfahrens tätig werde. In der praktischen Umsetzung wirkt sich dieser Unterschied allerdings kaum aus, weil die Vertragspartner nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V nicht frei darüber entscheiden können, ob sie die Festlegung des Vertragsinhalts einer Schiedsperson übertragen, sondern verpflichtet sind, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Falls zwischen den Vertragspartnern eine Einigung auf eine Schiedsperson nicht erzielt werden kann, wird sowohl die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als auch die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V von der für die vertragsschließende Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Dabei kann die Bestimmung einer Schiedsperson durch die zuständige Aufsichtsbehörde auch nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V nicht davon abhängig sein, dass zuvor eine Vereinbarung nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V zustande gekommen ist, nach der der Vertragsinhalt von einer Schiedsperson festgelegt wird(vgl dazu Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 8). Damit bestehen insoweit keine rechtlich bedeutsamen Unterschiede zwischen dem Schiedsverfahren in der HzV und dem Schiedsverfahren in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege (so auch Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15e).

33

dd) Ein Indiz, das gegen die Qualifizierung der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer und für eine Einordnung des Schiedsspruchs als Verwaltungsakt sprechen könnte, hat der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 40, auch zur Veröffentlichung für BSGE vorgesehen) ferner in dem Umstand gesehen, dass § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ausschloss. Diese Regelung konnte den Eindruck erwecken, dass der Gesetzgeber die Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Verwaltungsakte angesehen haben könnte, weil sie gesetzessystematisch nur einen Sinn ergibt, wenn es sich bei der angegriffenen Entscheidung der Schiedsperson um einen Verwaltungsakt handelt. Schließlich bezieht sich die aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs 1 SGG auf den Widerspruch und auf die Anfechtungsklage, die sich grundsätzlich gegen einen Verwaltungsakt richten müssen.

34

Dagegen konnte auch nicht - wie in der Begründung des Schiedsspruchs - mit Erfolg eingewandt werden, die Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts durch einen Vertragshelfer bewirke in entsprechender Anwendung zivilrechtlicher Bestimmungen, dass der Vertrag während der Dauer des Rechtsstreits nicht umsetzbar sei und die Formulierung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF, nach der die Klage keine aufschiebende Wirkung habe, könne aus diesem Grund nicht als Indiz für die rechtliche Einordnung der Entscheidung der Schiedsperson als Verwaltungsakt herangezogen werden.

35

(1) Die Auffassung, nach der die von der Schiedsperson getroffene Bestimmung zum Vertragsinhalt während eines Klageverfahrens um deren Rechtmäßigkeit nicht beachtet werden müsse, trifft nicht zu. Für zivilrechtliche Verträge wird die Frage, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen die offenbare Unbilligkeit der Bestimmung einer Leistung durch einen Dritten nach § 319 Abs 1 Satz 1 BGB die Unbeachtlichkeit der Entscheidung des Dritten zur Folge hat, nicht einheitlich beantwortet. Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass die offenbar unbillige Leistungsbestimmung bereits unabhängig von der Erhebung einer Einrede oder einer Klagerhebung unwirksam sei (Rieble in Staudinger, BGB, Leistungsstörungsrecht 2, Neubearbeitung 2009, § 319 RdNr 17 f; zu § 315 Abs 3 BGB vgl LG Mainz Urteil vom 5.3.2007 - 5 O 94/06 - Juris). Dagegen wird eingewandt, dass die offenbare Unbilligkeit nicht die Nichtigkeit bedeute (vgl OLG Frankfurt am Main Urteil vom 3.12.1998 - 3 U 257/97 - NJW-RR 1999, 379 = Juris RdNr 25) und dass auch die unbillige Bestimmung des Dritten binde, bis sie durch Gerichtsurteil ersetzt werde (Würdinger in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl 2012, § 319 RdNr 23). Dies soll aber nach wohl hM nicht für den Fall gelten, dass die offenbare Unbilligkeit von einem Vertragspartner binnen angemessener Frist geltend gemacht wird (vgl OLG Frankfurt am Main, aaO, mwN; Wolf in Soergel, BGB, Bd 2, 12. Aufl 1990, § 319 RdNr 16; zur ähnlichen Regelung in § 315 Abs 3 BGB vgl Grüneberg in Palandt, BGB, 74. Aufl 2015, § 315 RdNr 16; zur Fälligkeit einer Forderung bei einer Schiedsgutachtenvereinbarung im Falle des Übergangs der Leistungsbestimmung nach § 319 Abs 1 Satz 2 BGB auf das Gericht erst mit Rechtskraft des Urteils vgl BGH Urteil vom 4.7.2013 - III ZR 52/12 - NJW-RR 2014, 492 RdNr 32 ff, mwN). Dagegen geht das BAG im Zusammenhang mit der Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber in entsprechender Anwendung des § 315 Abs 3 BGB davon aus, dass der Arbeitnehmer an die Konkretisierung des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden sei, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe(BAG Urteil vom 22. 2.2012 - 5 AZR 249/11 - BAGE 141, 34 = AP Nr 127 zu § 615 BGB = NJW 2012, 2605, RdNr 24, mwN).

36

Auf die Festsetzung des Vertrages zur HzV durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V sind die genannten, zu zivilrechtlichen Verträgen entwickelten, ohnehin nicht einheitlichen Positionen - entgegen der in der Begründung der Entscheidung der Schiedsperson vertretenen Auffassung(vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 Fn 61) - nicht ohne Weiteres übertragbar. Für Verträge, die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern zum Gegenstand haben, gelten die Vorschriften des BGB und damit auch die Regelungen zur Bestimmung der Leistungen durch einen Dritten (§§ 317 ff BGB) gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nur entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Daher kann bei der entsprechenden Anwendung der §§ 317 ff BGB nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 1 SGB V verpflichtet sind, ihren Versicherten eine besondere hausarztzentrierte Versorgung anzubieten. Die entsprechende Geltung der Vorschriften des BGB ändert zudem nichts daran, dass es sich bei dem Vertrag nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V zwischen Krankenkassen und den die Hausärzte vertretenden Gemeinschaften um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 Abs 1 SGB X handelt, weil durch ihn ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet, geändert oder aufgehoben wird. Insofern gilt für Verträge in der HzV nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V nichts anderes als für Verträge zur Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V(vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 6 RdNr 18 f; BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 23)oder auch für die Bundesmantelverträge und Gesamtverträge, die (auch) als öffentlich-rechtliche Verträge zu qualifizieren sind (vgl BSGE 70, 240, 243 = SozR 3-5533 Allg Nr 1 S 4; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14). Für das gerichtliche Verfahren bleiben die Vorschriften des SGG maßgebend. Nach § 86a Abs 1 SGG kommt zwar Klagen gegen belastende Verwaltungsakte aufschiebende Wirkung zu. Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise für Klagen, mit denen die Rechtswidrigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages geltend gemacht wird. Öffentlich-rechtliche Verträge sind wirksam, auch soweit sie rechtswidrig aber nicht nichtig sind (vgl Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 58 RdNr 2). Zur Nichtigkeit führt nur ein besonders schwerwiegender Mangel (zu gesamtvertraglichen Vereinbarungen vgl zB BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14 f). Der Umstand, dass die Partner des Vertrages zur HzV die Möglichkeit haben, gerichtlich mit der Feststellungsklage die Rechtswidrigkeit von Regelungen des Vertrages geltend zu machen, der durch Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommen ist (vgl dazu nachfolgend 4.), ändert daran nichts. Im Ergebnis hat dies zur Folge, dass der durch die Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommene Vertrag, der nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, vorbehaltlich seiner Nichtigkeit umzusetzen ist, solange dessen Rechtswidrigkeit nicht rechtskräftig festgestellt worden ist (vgl bereits Nr 11 der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines GKV-VStG, BT-Drucks 17/7274 S 29; zu einer vom Bundesrat gewünschten Klarstellung mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Abhängigkeit vom Ausgang des vorliegenden Verfahrens vgl die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks 18/4095, Anlage 4 Nr 22; aA: Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 f). Bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens um die Rechtmäßigkeit des von der Schiedsperson festgesetzten Vertrages kann die Pflicht zur Umsetzung des Vertrages nur durch eine einstweilige Anordnung des Gerichts nach § 86b Abs 2 SGG beseitigt werden.

37

(2) Auch wenn angenommen würde, dass die in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF getroffene Regelung zur fehlenden aufschiebenden Wirkung der Klage allein im Sinne einer Klarstellung sicherstellen sollte, dass Schiedssprüche während eines Klageverfahrens zunächst umgesetzt werden, erklärt dies nicht ohne Weiteres die gewählte Formulierung, weil die Verwendung des Begriffs der aufschiebenden Wirkung den Bezug zu § 86a Abs 1 SGG und zu der dort geregelten aufschiebenden Wirkung von Klagen gegen Verwaltungsakte herstellt.

38

Danach stimmte die gesetzliche Regelung zur Schiedsperson in der Versorgung mit Haushaltshilfe nach § 132a Abs 2 SGB V zwar weitgehend mit der Regelung zur Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V überein. Mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts enthielt § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF jedoch eine Regelung, die in § 132a SGB V keine Entsprechung findet und die als Indiz für die Charakterisierung des Schiedsspruchs in der HzV als Verwaltungsakt herangezogen werden konnte.

39

ee) Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber auf die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V reagiert und mit dem GKV-VStG die aufschiebende Wirkung auf Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson beschränkt. Eine Regelung, nach der Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts keine aufschiebende Wirkung haben, gibt es seitdem nicht mehr. Ferner wurde mit dem GKV-VStG § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V angefügt. Danach richten sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

40

Die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) bestätigt, dass auf diesem Weg bestehende Unklarheiten bezogen auf die rechtliche Einordnung des Schiedsverfahrens in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V ausgeräumt werden sollten und dass - ebenso wie für den Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V - eine eindeutige Einordnung der Schiedsperson als Vertragshelfer erfolgen sollte. Die Einschränkung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V wird damit begründet, dass durch die bisherige Formulierung der Eindruck habe entstehen können, es handele sich bei dem Schiedsspruch um einen Verwaltungsakt. Mit der Streichung werde "klargestellt, dass dies nicht der Fall ist, sondern dass die Schiedsperson analog § 317 BGB als Vertragshelfer tätig wird". Inhaltlich knüpft die Gesetzesbegründung damit an die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege an. Dies wird in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) verdeutlicht, in der unter ausdrücklichem Hinweis auf die genannte Entscheidung des 3. Senats des BSG ausgeführt wird, dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V eine Klarstellung in Richtung auf die Einordnung auch der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer herbeigeführt werden soll. Davon ist im Übrigen auch der 3. Senat in einer Entscheidung vom 8.10.2014 (B 3 KR 7/14 R - SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) ausgegangen.

41

Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 73b Abs 4a SGB V mit dem GKV-VStG auch auf die "insoweit vergleichbare(n) Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII"(BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) Bezug nehme. Zutreffend ist allerdings, dass Entscheidungen der Schiedsstellen zur Vergütung von Einrichtungen und Diensten im Bereich der Sozialhilfe nach ständiger Rechtsprechung in der Form eines Verwaltungsakts ergehen. Dies hat das BVerwG bereits zu der § 80 SGB XII im Wesentlichen entsprechenden Vorgängerregelung des § 94 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entschieden(vgl BVerwGE 108, 47). Daran hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78 = Juris RdNr 14; anders zunächst der 3. Senat des BSG: BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4)auch nach der Einführung des § 93b Abs 1 Satz 4 BSHG festgehalten, der bestimmte, dass die Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist. Der Qualifizierung dieses Schiedsspruchs als Verwaltungsakt hat sich der für Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständige 8. Senat des BSG bezogen auf die seit dem 1.1.2005 geltende entsprechende Rechtslage mit einer entsprechenden Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII angeschlossen(BSG SozR 4-3500 § 77 Nr 1, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage in diesem Verfahren "sui generis" vgl auch BSG SozR 4-3500 § 76 Nr 1 RdNr 12, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

42

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus all dem jedoch nicht geschlossen werden, dass mit dem Hinweis auf § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII die im ersten Teil der Gesetzesbegründung eindeutig zum Ausdruck kommende Orientierung am "Vertragshelfermodell" wieder in Frage gestellt würde. Die Formulierung in der Gesetzesbegründung, nach der sich die Regelung "am Wortlaut der insoweit vergleichbaren Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII" orientiert, bezieht sich erkennbar allein auf die Anfügung des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ("Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson."). Dies wird zum einen durch die Verwendung des Wortes "insoweit" und zum anderen daran deutlich, dass nicht der gesamte § 77 Abs 1 SGB XII in Bezug genommen wird, sondern allein dessen Satz 5, der mit dem eingefügten § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V fast wörtlich übereinstimmt. Die Streichung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson wird also nicht mit Hinweis auf § 77 Abs 1 SGB XII begründet, sondern mit dem Ziel klarzustellen, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde tätig wird. Allein bezogen auf die Ergänzung des § 73b Abs 4a SGB V um einen neuen Satz 5 verweist die Gesetzesbegründung auf die fast wortgleiche Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII.

43

Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des BVerwG war die Regelung, nach der sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen die Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson richten, im Übrigen auch nicht Anknüpfungspunkt für die Einordnung des Schiedsspruchs im Sozialhilferecht als Verwaltungsakt. Das BVerwG (vgl BVerwGE 116, 78, 82 f) hat die Entscheidung der Schiedsstelle keineswegs wegen der Regelung, nach der die Klage gegen die andere Vertragspartei zu richten ist, als Verwaltungsakt qualifiziert, sondern vielmehr trotz der Einführung dieser Regelung und entgegen einer in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung (Münder in LPK-BSHG, 5. Aufl 1998, § 94 RdNr 2; Gottlieb, NDV 2001, 257, 261; Wabnitz, ZfJ 2001, 33, 37; vgl auch BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4) an seiner bereits zuvor bestehenden Rechtsprechung zur Einordnung des Schiedsspruchs nach § 77 Abs 1 SGB XII als Verwaltungsakt festgehalten.

44

Im Übrigen - also mit Ausnahme des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V - unterscheidet sich die Regelung zum Schiedsverfahren nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII grundlegend von der zur Festlegung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Qualifizierung der Schiedsstelle nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII als Behörde und deren Schiedsspruch als Verwaltungsakt stehen deshalb nicht im Widerspruch zur Einordnung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer. Abgesehen davon, dass nach § 77 Abs 1 Satz 3 SGB XII nicht eine natürliche Person, sondern eine Schiedsstelle entscheidet, die gemäß § 80 Abs 2 Satz 1 SGB XII mit Vertretern der Vertragsparteien und einem unparteiischen Vorsitzenden besetzt ist, spricht für den Charakter dieser Schiedsstelle als Behörde auch die Formulierung in § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII, nach der es einer Nachprüfung der Entscheidung in einem Vorverfahren nicht bedarf. Genau diese Formulierung (die sich vor dem 1.1.2005 in § 93b Abs 1 Satz 5 BSHG und vor der Einführung des § 93b BSHG zum 1.1.1999 in § 93 Abs 3 Satz 4 Halbsatz 1 BSHG fand) hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78, 81 f) zur Begründung seiner Auffassung herangezogen, dass der Gesetzgeber diese Schiedsstellenentscheidung - trotz der Regelung, nach der eine Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist - als Verwaltungsakt ausgestalten wollte. Eine § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII entsprechende Formulierung findet sich in § 73b Abs 4a SGB V aber nicht.

45

ff) Danach ist mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG geklärt, dass es sich bei der Schiedsperson, die im Konfliktfall den Inhalt des Vertrages zur HzV feststellt, nicht um eine Behörde handelt und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht(ebenso: Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15d, 15f; Huster in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 17; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 251; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 22; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 23; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 64; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b RdNr 69; SG München Urteil vom 16.7.2014 - S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 27; aA Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1; LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 3.6.2014 - L 7 KA 12/14 B ER - Juris).

46

gg) Die Zuordnung der Schiedsperson für die HzV zum Modell "Vertragshelfer" anstelle des Modells "Schiedsamt" bezieht sich nicht allein auf die Zeit seit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1.1.2012. Wie oben dargelegt, entsprach § 73b Abs 4a SGB V bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend der für die häusliche Krankenpflege geltenden Regelung zur Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V, für die jedenfalls seit der Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) die Einordnung als Vertragshelfer geklärt ist. Die rechtliche Einordnung des Schiedsspruchs der Schiedsperson in der HzV war gleichwohl bis zum Inkrafttreten des GKV-VStG zum 1.1.2012 nicht geklärt, sondern in der og Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 ausdrücklich offengelassen worden. Unter diesen Umständen war der Gesetzgeber nicht gehindert, eine Klarstellung herbeizuführen. Dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V sowie der Anfügung eines neuen Satzes 5 die in der og Entscheidung des 3. Senats des BSG vom 25.11.2010 offengelassene Frage geklärt werden sollte und dass die Regelung somit nur der Klarstellung des bereits zuvor Gewollten dienen sollte, kommt sowohl in der Begründung des Regierungsentwurfs eines GKV-VStG (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Nr 13) als auch in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) eindeutig zum Ausdruck.

47

3. Die Klägerin kann auch nicht - entsprechend dem Antrag zu 2. - die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V erreichen.

48

Soweit der 3. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V von der Statthaftigkeit einer sog Ersetzungsklage ausgegangen ist, mit der dem Gericht aufgegeben werden soll, den Inhalt des Vertrages bei Unbilligkeit der Festlegungen der Schiedsperson zu bestimmen, folgt der Senat dem für die HzV nach § 73b SGB V nicht. §§ 317 ff BGB treffen Regelungen für Konstellationen, in denen sich die Parteien zuvor aus freiem Willen auf eine Schiedsperson geeinigt haben, der die Aufgabe übertragen wird, den Vertrag rechtsgestaltend zu ergänzen. Die Schiedsperson hat also lediglich vertragsausfüllende und vertragsergänzende Funktion (vgl Schnapp, NZS 2010, 241, 245, mwN). Auf die Verträge zur HzV, deren Inhalt vollständig gegen den Willen der Krankenkasse von einer durch die zuständige Aufsichtsbehörde bestimmten Schiedsperson festgelegt werden kann (vgl § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 und 2 SGB V), sind diese Bestimmungen im Rahmen der nur entsprechenden Anwendung nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nicht uneingeschränkt übertragbar. Davon ist im Grundsatz auch schon der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 33) bezogen auf das Schiedsverfahren nach § 132a Abs 2 SGB V ausgegangen, indem er abweichend von § 319 Abs 1 Satz 1 BGB nicht darauf abgestellt hat, ob die durch die Schiedsperson getroffene Bestimmung "offenbar unbillig" ist, sondern die einfache "Unbilligkeit" als Voraussetzung für die Ersetzung des Schiedsspruchs durch die Entscheidung des Gerichts genügen lässt.

49

Der Überlegung, das Gericht könne im Falle der Unbilligkeit den Inhalt der Entscheidung der Schiedsperson ersetzen, liegt die Vorstellung zugrunde, vom Gericht werde ein punktuelles Eingreifen oder die Entscheidung bezogen auf einzelne zwischen den Vertragsparteien umstrittene Punkte verlangt. So liegen die Dinge etwa im Bereich des § 65c Abs 6 Satz 8 SGB V bei der Höhe der Meldevergütungen zum klinischen Krebsregister. Dabei geht es um die Vergütungshöhe für bestimmte Leistungen, die in angemessener Höhe festzusetzen sind. Bei der Festlegung des Inhalts der Verträge zwischen Krankenkassen und den Erbringern von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V stehen zumindest nach den bisherigen gerichtlichen Erfahrungen die "Preise" für die Leistungen im Mittelpunkt des Konflikts der Vertragspartner, obwohl der Schlichtungsauftrag der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 1 und 6 SGB V weitergehen kann. Ob für solche eher punktuellen Festlegungen die Ersetzungsklage mit der Konsequenz der abschließenden Entscheidung durch ein Gericht sachgerecht ist, lässt der Senat offen; er muss deshalb auch nicht beim 3. Senat anfragen, ob dieser an seiner Rechtsprechung dazu festhält. Jedenfalls ist diese Konzeption auf die Verträge nach § 73b SGB V nicht übertragbar.

50

Gerichte können nicht umfassende Vertragswerke festsetzen, Regelungen über den Datenaustausch formulieren und die Beziehungen der Partner der Verträge untereinander vollständig regeln (zu § 132a Abs 2 SGB V vgl die Bedenken von Plantholz, RsDE 64<2007>, 1, 20 f, 23). Die dazu erforderliche Kenntnis nicht zuletzt der technischen Abläufe und deren Gestaltbarkeit ist bei den Gerichten ohne die Kooperation der Vertragspartner, auf die die Schiedsperson setzen kann, nicht vorhanden; insoweit müssten regelmäßig Sachverständige hinzugezogen und möglicherweise sogar mit der Formulierung beauftragt werden. Die Gerichte könnten nur punktuell - etwa bei der Höhe der Vergütung der teilnehmenden Ärzte - nach dem Maßstab der Angemessenheit entscheiden. Soweit ersichtlich, gibt es bisher auch keine sozialgerichtliche Entscheidung, in der ein durch eine Schiedsperson festgesetzter komplexer Vertrag wegen Unbilligkeit aufgehoben und durch einen gerichtlich festgesetzten Vertragsinhalt ersetzt worden wäre.

51

Aus den genannten Gründen muss sich die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V an dem Muster der Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V orientieren: Das Gericht prüft, ob die von einem der Beteiligten gerügten Festsetzungen mit höherrangigem Recht unvereinbar sind, bezeichnet ggf solche Rechtsverstöße und stellt weiter die Verpflichtung der Vertragspartner fest, diese Verstöße zu beseitigen. Wenn das im Wege freier Verhandlungen nicht gelingt, muss erneut eine Schiedsperson tätig werden, die - wie die Partner auch - an die Rechtsauffassung gebunden ist, die dem Feststellungsurteil zugrunde liegt.

52

Der naheliegende Einwand gegen diese Rechtsschutzkonzeption, dass eine abschließende Festlegung des Vertragsinhalts nicht zeitnah gewährleistet wird, greift im Ergebnis nicht durch. Es erscheint bereits fraglich, ob die Festsetzung des komplexen Inhalts eines Vertrages zur HzV durch ein für derartige Aufgaben nicht ausgestattetes Gericht oder eine Festlegung des Vertragsinhalts unter Einbeziehung von Sachverständigen, die das Gericht zu bestellen hätte, zu einer Beschleunigung des Verfahrens beitragen könnten. Auch kann dahingestellt bleiben, ob dem Einwand der Klägerin zu folgen ist, dass die Gestaltung des vollständigen Vertragsinhalts durch das Gericht - die im Verwaltungsprozessrecht sonst keine Entsprechung finden dürfte - in Widerspruch zum Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art 20 Abs 2 Satz 2 GG geriete, weil die Gerichte allein dazu berufen sind, Verwaltungshandeln zu kontrollieren (vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 7 f unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 13 sowie BSGE 90, 42, 44 = SozR 3-8570 § 4 Nr 4). Ausschlaggebend ist, dass der Gesetzgeber den Weg der gerichtlichen Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen - und nicht deren Ersetzung durch die Gerichte - auch sonst im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung - und zwar gemäß § 89 Abs 1a SGB V auch für gesetzlich vorgeschriebene Verträge - gewählt hat. Selbst wenn ein gesetzlich vorgeschriebener Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung nicht zustande kommt und keine der Parteien bei dem Schiedsamt einen Antrag auf Herbeiführung der Einigung stellt, sieht § 89 Abs 1a Satz 1 SGB V keine Ersetzung durch die Aufsichtsbehörde, sondern lediglich ein Recht der Aufsichtsbehörde zur Anrufung des Schiedsamts vor. Solange das Schiedsamt überhaupt fristgerecht tätig wird, beschränkt sich auch die Kontrolle der Entscheidung durch die Aufsichtsbehörden gemäß § 89 Abs 5 Satz 5 SGB V auf Rechtsverstöße. Eine Festsetzung des Vertragsinhalts durch die für das Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde sieht der mit dem GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, 2210) eingeführte § 89 Abs 1 Satz 5 SGB V nur ausnahmsweise für den Fall vor, dass das Schiedsamt auch nach Fristsetzung durch die Aufsichtsbehörde untätig bleibt. Die daraus erkennbar werdende Konzeption des Gesetzgebers, zumindest im Bereich des SGB V Schiedssprüche im Regelfall nicht durch Entscheidungen der Aufsichtsbehörden und erst Recht nicht durch gerichtliche Entscheidungen zu ersetzen, sondern die Kontrolle auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit zu beschränken, ist auf die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V zu übertragen.

53

4. Richtige Klageart ist danach die Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 SGG), die die Klägerin hilfsweise erhoben hat. Diese ist auch zulässig, in der Sache aber nur zum geringen Teil begründet.

54

a) Der Zulässigkeit des in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Feststellungsantrags steht nicht entgegen, dass die Klägerin einen solchen im Revisionsverfahren bis zum Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung nicht formuliert hatte. Zwar darf das BSG über den Antrag grundsätzlich nicht hinausgehen und eine Klagänderung ist gemäß § 168 Satz 1 SGG im Revisionsverfahren unzulässig. Zulässig ist jedoch eine Erweiterung des Klagantrags im Sinne des § 99 Abs 3 SGG, soweit damit keine neuen Revisionsgründe geltend gemacht werden(vgl BSGE 31, 112, 113 = SozR Nr 55 zu § 164 SGG) und auch der Übergang von der Anfechtungsklage zur Feststellungsklage (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 99 RdNr 4 mwN). Ausschlaggebend ist, dass der historische Lebenssachverhalt, aus dem der Anspruch abgeleitet wird, unverändert geblieben ist (vgl BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 5). Das ist hier der Fall. Eine solche Erweiterung des Revisionsantrags ist auch noch nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung bis zum Schluss der mündlichen Revisionsverhandlung möglich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 10 mwN).

55

Die Klägerin hat die Klage zutreffend gegen die Beklagten als Parteien des Vertrages zur HzV gerichtet. Seit der Änderung durch das GKV-VStG regelt § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ausdrücklich, dass Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson zu richten sind. Dies galt aufgrund des Umstands, dass die Schiedsperson keine Behörde ist und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht (vgl oben 2.), auch bereits für die Zeit vor Inkrafttreten der gesetzlichen Klarstellung mWv 1.1.2012 und damit auch bereits zum Zeitpunkt der Klagerhebung am 9.9.2011 (zur Ersetzungsklage gegen die Entscheidung Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 30). Die Tätigkeit der Schiedsperson ist mit dem Erlass des Schiedsspruchs beendet (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen). Aus diesem Grund ist die Schiedsperson zu dem Verfahren um die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Vertragsinhalts auch nicht notwendig beizuladen (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 31).

56

b) Für die Begründetheit der Feststellungklage wird in der Regel auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21 mwN). Vorliegend ist jedoch - in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin - vom Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson am 9.9.2010 auszugehen. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs für den Zeitpunkt seines Ergehens geltend macht. Grundsätzlich hat sie an einer Klärung der Frage, ob der Vertrag zum Zeitpunkt seiner Festsetzung rechtmäßig war, auch ein berechtigtes Interesse. Später eintretenden Änderungen haben die Vertragsparteien gemäß § 22 Abs 2 Satz 2 des Vertrages nach den Grundsätzen von Treu und Glauben Rechnung zu tragen. Soweit diese vertragliche Regelung nicht eingreift, folgt die Möglichkeit zur Anpassung des Vertrages aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X, wobei die vertragliche Regelung Vorrang hat(vgl BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 1 RdNr 25). Nach § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X kann eine Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an geänderte Verhältnisse verlangen, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert haben, dass der Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Wenn eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, kann diese den Vertrag kündigen. Auch diese Vorschrift setzt voraus, dass Änderungen seit Abschluss des Vertrages eingetreten sind. Insofern ist für die Klägerin weiterhin von Interesse, ob der Schiedsspruch zum Zeitpunkt der Vertragsfestsetzung rechtmäßig war. Dagegen ist weder eine Anpassung noch die Kündigung des durch Schiedsspruch festgesetzten Vertrages Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, sodass es auf später eingetretene Änderungen grundsätzlich nicht ankommen kann. Die etwa infolge der Abschaffung der Praxisgebühr (Streichung des § 28 Abs 4 SGB V mit Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom 20.12.2012, BGBl I 2789) erforderlichen Anpassungen des Vertrages (vgl dazu ua § 2 Abs 4, § 13 des Vertrages) sind ersichtlich nicht aufgrund unterschiedlicher Auffassungen der Vertragspartner, sondern wegen der im Vordergrund stehenden grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten und der deshalb bisher nicht erfolgten Umsetzung des Vertrages unterblieben. Eine auf den Anpassungsbedarf bezogene gerichtliche Feststellung hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

57

Allerdings sind im vorliegenden Verfahren Änderungen der Rechtslage zu berücksichtigen, die Einfluss auf das Fortbestehen des Feststellungsinteresses der Klägerin haben. Für die Beurteilung des Feststellungsinteresses ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (zur Fortsetzungsfeststellungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 131 RdNr 10, 10i; vgl auch BSG SozR 4-2700 § 215 Nr 2 RdNr 11). Da der streitgegenständliche Vertrag zur HzV bisher nicht umgesetzt wurde, kann ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin nur bestehen, soweit es darauf für die noch bevorstehende Umsetzung des Vertrages ankommt. Bedeutung gewinnt diese Frage hier bezogen auf Vereinbarkeit des Vertrages mit Bestimmungen zum Datenschutz (vgl dazu im Einzelnen nachfolgend d ii, RdNr 90).

58

c) Die gerichtliche Kontrolle der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson richtet sich aus den og Gründen nach den in der Rechtsprechung zur Überprüfung von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V entwickelten Maßstäben. Danach unterliegt auch die Entscheidung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur in eingeschränktem Umfang der gerichtlichen Kontrolle(vgl die stRspr zu § 89 SGB V: BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 3 RdNr 18; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11 mwN). Die Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle berücksichtigt, dass Schiedspersonen - ebenso wie Schiedsämter - deren Sprüche Vereinbarungen der zum Vertragsabschluss berufenen Vertragspartner ersetzen, eine weite Gestaltungsfreiheit haben. Dies trägt dem Wesen der Schiedssprüche Rechnung, die auf Interessenausgleich angelegt sind und Kompromisscharakter haben (vgl BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5). Der Schiedsspruch ist daher nur daraufhin zu überprüfen, ob die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen beachtet und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten wurden. Mithin ist in formeller Hinsicht zu klären, ob das Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs festgestellt hat und der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennen lässt (stRspr zu § 89 SGB V vgl etwa: BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13). Die inhaltliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsperson den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (zum Schiedsamt vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 20 S 131; BSGE 86, 126, 135 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11). Die Prüfung beschränkt sich dabei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf die Beachtung von Vorschriften, die unmittelbar Rechte der Vertragsparteien zu schützen bestimmt sind (aA zur Frage der Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen auch: LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 188). Deren Betroffenheit in eigenen Rechten folgt bereits aus dem Umstand, dass sie Partner des durch die Schiedsperson festgesetzten Vertrages sind. Die Bindung an einen solchen Vertrag müssen sie nur hinnehmen, soweit die darin getroffenen Bestimmungen materiell rechtmäßig sind. Insofern hat der Umstand, dass der Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, keinen Einfluss auf den gerichtlichen Prüfungsumfang.

59

d) Die Überprüfung der Entscheidung der Schiedsperson anhand der genannten Maßstäbe ergibt, dass die Festsetzung des Vertragsinhalts allein bezogen auf die Vereinbarkeit mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz zu beanstanden ist. Im Übrigen entspricht der Schiedsspruch den rechtlichen Anforderungen.

60

aa) Einwände bezogen auf die Einhaltung verfahrensrechtlicher Anforderungen werden von den Beteiligten nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere durfte die Schiedsperson den Vertragsinhalt am 9.9.2010 festsetzen, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch ein Klageverfahren zur Frage der Rechtmäßigkeit der Bestimmung der Schiedsperson anhängig war. Da Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson gemäß § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V keine aufschiebende Wirkung haben, war die Schiedsperson trotz des anhängigen Klageverfahrens berechtigt (und verpflichtet), tätig zu werden(zur Bestellung einer Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 27, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

61

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht zu beanstanden, dass die Schiedsperson nicht allein den Beklagten zu 1. (Hausärzteverband, Landesverband Baden-Württemberg), sondern auch den Beklagten zu 2. (Medi Baden-Württemberg eV) als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag aufgenommen hat.

62

(1) Gemäß § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30.6.2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Nur die so definierten Gemeinschaften von Allgemeinärzten sind gemäß § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 SGB V berechtigt, die Einleitung eines Schiedsverfahrens zu verlangen. Diese Anforderungen müssen jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson erfüllt sein (so auch bereits Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 27; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 17.1.2011 - L 7 KA 66/10 B ER - Juris RdNr 5). Die genannten Voraussetzungen werden von den beiden Beklagten erfüllt.

63

(2) Mit dem Begriff der Allgemeinärzte sind nicht alle nach § 73 Abs 1a SGB V an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte angesprochen. Vielmehr wird der Begriff übereinstimmend mit § 73 Abs 1a Nr 1 SGB V verwendet, sodass darunter nur die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte fallen, die nach Landesrecht zur Führung der Bezeichnung "Arzt für Allgemeinmedizin" berechtigt sind. Vorbehaltlich landesrechtlicher Übergangsregelungen wird also eine fünfjährige Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin vorausgesetzt (Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 14; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 29a; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 11.10.2010 - L 11 KA 61/10 B ER - GesR 2011, 32 = Juris RdNr 35 ff; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 31 ff; vgl auch BT-Drucks 16/10609 S 54). Diesen Begriff der "Allgemeinärzte" hat die Schiedsperson ihrer Prüfung, ob die og 50 %-Quote erreicht wird, zutreffend zugrunde gelegt. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.

64

(3) Gemeinschaften, die die Einleitung eines Schiedsverfahrens beantragen können, müssen nach § 73b Abs 4 Satz 1 und 2, Abs 4a Satz 2 SGB V mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV "vertreten". Dass die Beklagten zu 1. und zu 2. gemeinsam diese Quote erfüllen, wird zu Recht auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V verwendete Begriff "vertreten" wird jedenfalls nicht als eine Vertretung im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Handlung im fremden Namen(§ 164 BGB) verstanden werden können. Vielmehr schließen die in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaften die Verträge mit den Krankenkassen im eigenen Namen ab. Ausschlaggebend ist daher die Zahl der Mitglieder der Gemeinschaft (so auch die ganz hM vgl zB Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; Huster, NZS 2010, 69, 70; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 128; ders in Orlowski/Rau/Schermer/ Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 31b; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 35; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Wie in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen dargelegt wird, waren 3492 der insgesamt 5089 in Baden-Württemberg an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte für Allgemeinmedizin und damit deutlich mehr als die Hälfte Mitglied einer der beiden Beklagten. Allein bei dem Beklagten zu 1. (Hausärzteverband Baden-Württemberg) waren 2742 der in Baden-Württemberg zugelassenen Fachärzte für Allgemeinmedizin Mitglied. Weil mindestens 2566 Allgemeinärzte - und damit ebenfalls mehr als die Hälfte - die beiden Verbände auch mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hatten, wäre die og Voraussetzung hier im Übrigen auch erfüllt, wenn eine Mandatierung erforderlich wäre.

65

Die Klägerin ist allerdings der Auffassung, dass jedenfalls der Beklagte zu 2. die gesetzlich geregelte Quote nicht erfüllen würde und dass dieser deshalb nicht als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag zur HzV hätte aufgenommen werden dürfen. Die Erfüllung der Quote sei bezogen auf jeden einzelnen Verband zu prüfen, sodass die gemeinsame Erfüllung durch mehrere Verbände nicht genüge. Dies trifft indes nicht zu. Zwar waren nur 1267 Allgemeinärzte und damit weniger als die Hälfte der in Baden-Württemberg zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Allgemeinärzte Mitglied des Beklagten zu 2. Darauf kommt es indes nicht an. Vielmehr genügt, dass beide Beklagten als Vertragspartner der Klägerin gemeinsam mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte vertreten und zum gemeinsamen Vertragsschluss zu identischen Konditionen bereit waren und sind.

66

Der Begriff der "Gemeinschaften" wird gesetzlich nicht definiert. Der entsprechende Begriff in § 741 BGB wird nach dem Sinn der Regelung offensichtlich nicht in Bezug genommen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass keine Beschränkung auf eine bestimmte Rechtsform beabsichtigt war und dass weder eine innere noch eine äußere Organisationsstruktur vorgegeben wird (ebenso Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Huster, NZS 2010, 69, 70; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 73b RdNr 13; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 16; vgl auch Bayerisches LSG Beschluss vom 27.6.2009 - L 12 KA 33/09 B ER - GesR 2009, 477, 480). Ausschlaggebend ist allein die soziale Mächtigkeit der Gemeinschaft und die daraus folgende Möglichkeit, eine flächendeckende Versorgung zu organisieren (Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127 f; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Huster, NZS 2010, 69, 70; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Diese Auffassung wird insbesondere durch die in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/10609 S 53 f) zum Ausdruck kommende Zielsetzung der Regelung gestützt. Danach sollte mit der zum 1.1.2009 eingeführten Neuregelung durch das GKV-OrgWG vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) das mit dem GKV-WSG eingeführte eigenständige Verhandlungsmandat der Gemeinschaft von Hausärzten gestärkt werden. Gemeinschaften, die die 50 %-Quote erfüllen, gewährleisteten, dass eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung durch den Vertragsschluss erreicht werden könne. Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung ist davon auszugehen, dass sich Kooperationen nicht nur - wie ausdrücklich gesetzlich geregelt (§ 73b Abs 4 Satz 1 SGB V)- auf Seiten der Krankenkassen, sondern auch auf Seiten der Hausärzte an dem Vertrag zur HzV beteiligen können. Dem gesetzgeberischen Ziel, eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur HzV zu erreichen, wird schon Rechnung getragen, wenn nicht jeder einzelne Verband, sondern nur die Kooperation von Hausarztverbänden die genannte Quote erfüllt (so auch das dem Schriftsatz der Klägerin vom 12.2.2015 als Anlage RK 29 übersandte "Ergebnisse der Besprechung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 22.1.2009 zu Fragestellungen/Problemen im Zusammenhang mit § 73b SGB V in der Fassung vom 1.1.2009", S 3 unter III. 2.; ausdrücklich bezogen auf die beiden Beklagten des vorliegenden Verfahrens: Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 32).

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cc) Der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV verletzt nicht den Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V. Entgegen der Auffassung der Klägerin findet dieser Grundsatz auf den vorliegenden, vor dem 22.9.2010 zustande gekommenen Vertrag keine Anwendung.

68

(1) In der hier maßgebenden Fassung des § 73b SGB V vor der Änderung durch das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2309) war die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die HzV nicht geregelt. Die Einfügung des § 73 Abs 5a SGB V mit dem GKV-FinG, in dessen Satz 1 bestimmt wird, dass bei der zwischen den Krankenkassen und den die Allgemeinärzte vertretenden Gemeinschaften der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71 SGB V zu beachten ist, gilt ausdrücklich nur für nach dem 22.9.2010 zustande gekommene Verträge. Der hier zu beurteilende Vertrag ist bereits mit der Festsetzung durch die Schiedsperson vom 9.9.2010 und damit bis zum 22.9.2010 zustande gekommen.

69

Die Beschränkung der Geltungsdauer der Bestandsschutzregelung nach § 73b Abs 5a Satz 5 SGB V idF des GKV-FinG auf die Zeit bis zum 30.6.2014 greift nicht ein, weil diese Frist nur für Anschlussvereinbarungen und nicht für den hier zu beurteilenden, bis zum 22.9.2010 geschlossenen Vertrag selbst gilt. Im Übrigen ist § 73b Abs 5a SGB V mit dem dort geregelten Grundsatz der Beitragssatzstabilität durch das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch(14. SGB V-Änderungsgesetz - 14. SGB V-ÄndG) vom 27.3.2014 (BGBl I 261) mWv 1.4.2014 aufgehoben worden, sodass diese Regelung auch im Falle einer Kündigung des Vertrages zur HzV keine Wirkung mehr entfalten könnte.

70

§ 73b SGB V in der hier maßgebenden Fassung unterscheidet sich damit zB von der die Gesamtvergütung betreffenden Bestimmung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V idF vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2013, der die Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) für die Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen anordnete. Allein der Umstand, dass es in § 73b SGB V an einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung für die HzV fehlt, schließt die Geltung dieses Grundsatzes allerdings noch nicht aus. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität allgemein für die im Vierten Kapitel des SGB V geregelten Vergütungsvereinbarungen gilt, ohne dass es einer auf die jeweilige Vergütungsvereinbarung bezogenen speziellen Regelung bedarf. Dies hat der Senat insbesondere aus dem Standort des § 71 SGB V im Abschnitt "Allgemeine Grundsätze" des Vierten Kapitels abgeleitet(BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 17). Bei dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität handelt es sich um eine verbindliche gesetzliche Vorgabe, die auch bei Schiedssprüchen zu beachten ist und die eine verbindliche Grenze für Vergütungsvereinbarungen darstellt (vgl BSGE 86, 126, 135 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 296 f; BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 15 f mwN).

71

Dies gilt jedoch nur, soweit keine Ausnahme eingreift. Solche Ausnahmen und Einschränkungen sind für unterschiedliche Vergütungsvereinbarungen im Vierten Kapitel des SGB V enthalten. So gilt nach § 87a Abs 3 Satz 2 letzter Halbsatz SGB V in der Fassung des GKV-WSG der vereinbarte Behandlungsbedarf als "notwendige medizinische Versorgung" im Sinne des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V mit der Folge, dass die Beschränkungen aus dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität für Gesamtvergütungen in der vertragsärztlichen Versorgung seit 2009 insoweit nicht eingreifen(vgl BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 41). Für die integrierte Versorgung bestimmt § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht für Verträge gilt, die bis zum 31.12.2008 geschlossen worden sind. Für die zahnärztliche Versorgung ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität mit der Änderung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V zwar nicht aufgehoben, aber eingeschränkt worden, indem nicht mehr die Beachtung, sondern nur noch dessen Berücksichtigung vorgeschrieben wird(vgl dazu Axer, GesR 2013, 135, 138 f). Eine ähnliche Einschränkung enthält § 134a Abs 1 Satz 2 SGB V für die Versorgung mit Hebammenhilfe.

72

Für die HzV folgt eine Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V. Danach können Einzelverträge Abweichungen von den Vorschriften "dieses Kapitels" - also des Vierten Kapitels des SGB V - sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. Das Vierte Kapitel umfasst die §§ 69 bis 140h SGB V und damit auch § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; ähnlich Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 257 f; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

73

Eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität kann entgegen der Auffassung von Ebsen aus dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (Rechtliche Anforderungen an das Handeln der Schiedsperson für die Festlegung des Inhalts des Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b Abs 4a SGB V, Rechtsgutachten im Auftrag des AOK-Bundesverbandes aus Juli 2009, unveröffentlicht, RdNr 55) auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V die Nichtgeltung für die Verträge zu integrierten Versorgungsformen ausdrücklich anordnet, während § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V für die HzV nur allgemein Ausnahmen von den Vorschriften des Vierten Kapitels zulässt. Zwar trifft es zu, dass sich der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V mit dem GKV-WSG ua an § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V anlehnen wollte(BT-Drucks 16/3100, S 112), der Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels betrifft. § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, der die Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die integrierte Versorgung ausdrücklich regelt, bleibt in der Gesetzesbegründung zu § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V hingegen unerwähnt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels nur mit Ausnahme des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität zulassen würde. Im Wortlaut der Regelung findet eine solche einschränkende Auslegung keine Grundlage. Der im Gutachten von Ebsen gezogene Vergleich zwischen den für die HzV und den für die integrierte Versorgung geltenden Regelungen berücksichtigt zudem nicht hinreichend, dass § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels des SGB V nicht umfassend, sondern nur insoweit zulässt, als "die abweichende Regelung dem Sinn und der Eigenart der integrierten Versorgung entspricht, die Qualität, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der integrierten Versorgung verbessert oder aus sonstigen Gründen zu ihrer Durchführung erforderlich ist". Da § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels umfassend zulässt, bedurfte es keiner § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V entsprechenden speziellen Regelung zur Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität. Im Übrigen vertritt auch Ebsen nicht die Auffassung, dass die Krankenkassen bei Verträgen zur HzV den Grundsatz der Beitragssatzstabilität umfassend zu beachten hätten. Vielmehr will er den "unternehmerisch" im Wettbewerb stehenden Krankenkassen für freiwillige Vereinbarungen einen größeren Spielraum zubilligen und lediglich den Gestaltungsspielraum der Schiedsperson beschränken (vgl RdNr 31 ff, 61 des Gutachtens). Indes ist die Gestaltungsfreiheit der Schiedsperson nicht geringer als diejenige der Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung. Insofern gilt für Schiedssprüche von Schiedspersonen nichts anderes als für solche der Schiedsämter (vgl zum Gestaltungsspielraum von Schiedsämtern BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 73 RdNr 15; BSGE 86, 126, 134 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295 mwN).

74

Etwas anderes folgt auch nicht aus § 73b Abs 8 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des GKV-WSG, die im Übrigen mit der seit dem 1.4.2014 (wieder) geltenden Fassung des 14. SGB V-ÄndG übereinstimmt. Nach dieser Vorschrift können die Parteien des Vertrages zur HzV vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach § 73b Abs 7 SGB V fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanziert werden, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach § 73b Abs 4 SGB V erzielt werden. Aus der Formulierung "können vereinbaren" folgt, dass es sich nicht um eine für die Vertragspartner verbindliche Vorgabe handelt. Damit übereinstimmend hat der Gesundheitsausschuss, auf dessen Empfehlung die Regelung mit dem GKV-WSG eingeführt worden ist, zur Begründung angegeben, dass es sich um eine Klarstellung handele. In den Verträgen zu HzV könne vereinbart werden, zusätzliche Vergütungen durch Einsparungen zB bei den veranlassten und verordneten Leistungen zu generieren (BT-Drucks 16/4247 S 36).

75

Dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität für die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV keine Geltung beansprucht, findet seine Bestätigung in der Änderung des § 73b SGB V mit dem GKV-FinG. Der mit diesem Gesetz neu eigeführte § 73b Abs 5a SGB V sah in Satz 1 eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ausdrücklich nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge vor. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/3040 S 23) entsprach es auch dem Willen des Gesetzgebers, die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV von der Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität auszunehmen. Danach sollte es für diese Verträge bei der "im bisherigen Recht angelegten Vertragsfreiheit der Vertragsparteien auch im Hinblick auf die Vergütungshöhe" bleiben.

76

Auch die Motive, die den Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zum 14. SGB V-ÄndG (BT-Drucks 18/606 S 11) zur Aufhebung des § 73b Abs 5a SGB V und zur "Rückführung" des Abs 8 auf die vor dem GKV-FinG geltende Fassung mWv 1.4.2014 veranlasst haben, sprechen dafür, dass es sich bei den Änderungen durch das GKV-FinG - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht nur um eine Klarstellung bezogen auf den ohnehin geltenden Grundsatz der Beitragssatzstabilität gehandelt hat, sondern dass dieser Grundsatz im Bereich der HzV allein aufgrund des - mit dem 14. SGB V-ÄndG wieder aufgehobenen - § 73b Abs 5a SGB V und damit auch nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV galt. Nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Änderung zurückgeht, sollten die mit dem GKV-FinG eingeführten Vergütungsbeschränkungen wieder aufgehoben werden, "da sie sich als Hemmnis für den Abschluss von Verträgen über eine hausarztzentrierte Versorgung erwiesen haben". Die Vertragspartner sollten - auch für Vereinbarungen über solche Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen - die Möglichkeit erhalten, Vergütungsvereinbarungen zu treffen, ohne hierbei starren Begrenzungen zu unterliegen. Entscheidend sei, dass der Vertrag "insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot" entspreche. Die Gestaltungsspielräume der Vertragspartner sollten bezogen auf die Vergütung erweitert und die Möglichkeiten zur Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte verbessert werden.

77

(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die Vergütung in der HzV auch nicht aus den für die für Wahltarife geltenden Bestimmungen des § 53 Abs 3, Abs 9 SGB V hergeleitet werden. Allerdings weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass die Krankenkassen nach § 53 Abs 3 SGB V verpflichtet sind, in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen - ua nach § 73b SGB V - teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Daran anknüpfend schreibt § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V vor, dass die Aufwendungen für jeden Wahltarif jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden müssen. Danach sei - so die Klägerin - der Abschluss eines Hausarztvertrages ausgeschlossen, der Mehrkosten vorsehe, ohne dass deren Gegenfinanzierung gesichert sei. Der vorliegende Vertrag zur HzV enthalte Regelungen zu Mehrausgaben, deren Gegenfinanzierung spekulativ bleibe.

78

Indes betrifft die Regelung zu den Wahltarifen das Verhältnis der Krankenkassen zu den Versicherten und nicht das Leistungserbringungsrecht. Ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 53 Abs 9 SGB V könnte deshalb nur die Rechtsmäßigkeit der Satzung der Krankenkasse berühren und nicht die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; vgl Mehdorn, ZMGR 2012, 3, 12; ebenso bezogen auf einen Vertrag nach § 73c SGB V: SG Berlin Urteil vom 13.10.2010 - S 83 KA 443/08 - MedR 2011, 124, 128). Dies räumt auch Ebsen in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (aaO, RdNr 74) im Grundsatz ein, macht jedoch geltend, dass es den Kassen auch bei Verträgen mit Leistungserbringern selbstverständlich verboten sei, Vereinbarungen zu treffen, die zu einem Verstoß gegen ihre Pflichten im Versicherungsverhältnis führten. Dem kann zwar im Grundsatz zugestimmt werden. Der Senat hat Bedenken gegen die Auffassung des SG München aus der Entscheidung vom 16.7.2014 (S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 47 f), nach der ein Vertrag zur HzV bereits deshalb nicht gegen § 53 Abs 9 SGB V verstoßen könne, weil die möglicherweise durch diesen Vertrag verursachten Mehrkosten keine "Aufwendungen für den Wahltarif" im Sinne des § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V seien und dass diese deshalb auch nicht durch Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen gegenfinanziert werden müssten. Der Begriff der "Aufwendungen für den Wahltarif" dürfte im Grundsatz umfassender zu verstehen sein als das SG München annimmt (zu Mindereinnahmen als "Aufwendungen für den Wahltarif" vgl BSGE 109, 230 = SozR 4-2500 § 53 Nr 2, RdNr 21). Für das vorliegende Verfahren kommt es darauf indes nicht an. Jedenfalls kann die eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der HzV nicht über das Verbot der Quersubventionierung von Wahltarifen aus § 53 Abs 9 SGB V unterlaufen werden(in dieser Richtung auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35 = Juris RdNr 48). Maßgebend ist die - für das Leistungserbringungsverhältnis vorrangige - Regelung des § 73b SGB V. Daher ist § 53 Abs 9 SGB V insoweit einschränkend auszulegen. Soweit die Vertragspartner des HzV von der Gestaltungsfreiheit Gebrauch machen, die der Gesetzgeber ihnen mit der bereichsspezifischen Ausnahme vom Gebot der Beitragssatzstabilität einräumen wollte, kann allein darin kein Verstoß gegen das Verbot der Quersubventionierung aus § 53 Abs 9 SGB V liegen.

79

(3) Die für die HzV geltende Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität und die daraus folgende Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 53 Abs 9 SGB V begegnet entgegen der Auffassung der Klägerin auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass sich die Sozialversicherungsbeiträge durch eine strenge grundrechtlich und kompetenzrechtlich begründete Zweckbindung auszeichnen und dass die unter Eingriff in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art 2 Abs 1 GG zustande gekommene Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung die Auferlegung nur solcher Geldleistungen zu rechtfertigen vermag, die ihren Grund und ihre Grenze in den zwingenden Aufgaben der Sozialversicherung finden (vgl BVerfGE 113, 167, 203 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 55). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ist in einem Sozialstaat überragend wichtiges Gemeinschaftsgut (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139). Daraus folgt jedoch nicht, dass der in § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V definierte Grundsatz der Beitragssatzstabilität von der Verfassung vorgegeben wäre(zur Einschränkung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der vertragszahnärztlichen Versorgung vgl Axer, GesR 2013, 135, 140). Vielmehr hat der Gesetzgeber im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139; BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 103, 172, 185 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27; BVerfGE 44, 70, 89 = SozR 5420 § 94 Nr 2 S 2). Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind von der Rechtsprechung zu akzeptieren, solange seine Entscheidungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 89, 365, 376 = SozR 3-2200 § 385 Nr 4 S 4).

80

Das Ziel der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung hat der Gesetzgeber mit der Einführung der HzV nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil ist die Verpflichtung der Krankenkassen, ihren Versicherten eine flächendeckende hausarztzentrierte Versorgung zur Verfügung zu stellen, mit dem Ziel eingeführt worden, die Versorgungsqualität zu verbessern und Wirtschaftlichkeitsreserven ua durch Verbesserungen im Bereich Pharmakotherapie, durch den Einsatz von wissenschaftlich begründeten und praxiserprobten hausärztliche Leitlinien und durch eine zielgerichtetere Fortbildung zu erschließen (vgl BT-Drucks 16/3100 S 111 f). Auf die Geltung von Vorschriften des Vierten Kapitels einschließlich des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität hat der Gesetzgeber dabei im Interesse eines weiten Gestaltungsspielraums der Vertragspartner und in der Erwartung verzichtet, dass dieser unter der Beteiligung der Krankenkassen als Vertragspartner im Sinne der og Zielsetzung ausgefüllt wird. Anhaltspunkte dafür, dass diese Erwägungen offensichtlich unzutreffend oder aus anderen Gründen mit der Wertordnung der Verfassung unvereinbar wären, sind weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich. Bei der Einführung neuer Strukturen im Bereich der Leistungserbringung wie dem flächendeckenden Angebot einer HzV können die finanziellen Auswirkungen regelmäßig nicht mit Sicherheit prognostiziert werden. Allein daraus folgt jedoch noch keine Überschreitung des Handlungsspielraums des Gesetzgebers.

81

Auch eine Ungleichbehandlung der Versicherten und damit ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG ist mit der Einführung der HzV entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verbunden, soweit alle Krankenkassen ihrer gesetzlichen Pflicht aus § 73b Abs 1 SGB V nachkommen, ihren Versicherten eine HzV anzubieten, weil dann alle Versicherten die Möglichkeit haben, diese Leistung in Anspruch zu nehmen. Mit der vorliegenden Entscheidung stellt der Senat klar, dass die Klägerin dieser bereits seit Inkrafttreten der Änderungen durch das GKV-WSG zum 1.4.2007 gesetzlich geregelten Verpflichtung nachzukommen hat.

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dd) Zu beachten bleibt das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot, das seine Grundlage nicht allein in § 70 Abs 1 SGB V und damit einer Vorschrift aus dem nach § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V nicht zwingend anwendbaren Vierten Kapitel, sondern auch in § 2 Abs 4, § 12 SGB V hat. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Für die Geltung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots spricht im Übrigen die Begründung der der Streichung des § 73b Abs 5a SGB V mit dem 14. SGB V-ÄndG zugrunde liegenden Empfehlung des Gesundheitsausschusses (BT-Drucks 18/606 S 11). Danach bleibt entscheidend, "dass der Vertrag insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht". Dagegen gilt die mit der Änderung des § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V durch das 14. SGB V-ÄndG eingeführte Verpflichtung, Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren, nicht für den vorliegenden, am 9.9.2010 festgesetzten Vertrag zur HzV, sondern nur für Verträge, die nach dem 31.3.2014 zustande gekommen sind.

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Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag entspricht dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade in der Phase der Einführung der flächendeckenden HzV keine hohen Anforderungen an die Prognose der wirtschaftlichen Auswirkungen gestellt werden können. Für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung durch die Schiedsperson ist ausschlaggebend, dass die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Gesichtspunkte erkannt, gegeneinander abgewogen worden sind und Eingang in die Begründung gefunden haben. Die Anforderungen an die Begründung dürfen auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Schiedsperson keinen eigenen Verwaltungsapparat unterhält, nicht überspannt werden (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 38). Den so definierten Anforderungen wird die ausführliche Begründung der Entscheidung der Schiedsperson ohne Weiteres gerecht. Dabei wird - wie die Klägerin zutreffend geltend macht - in der Begründung des Schiedsspruchs nicht in Zweifel gezogen, dass zB mit der vorgesehenen kontaktunabhängigen Pauschale (65 Euro pro Versichertenteilnahmejahr) oder der Chronikerpauschale (30 Euro maximal einmal pro Quartal und maximal 4-mal pro Versichertenteilnahmejahr) Vergütungstatbestände in die HzV aufgenommen worden sind, die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen keine Entsprechung finden und dass insgesamt mit einer Erhöhung des Fallwertes zu rechnen ist. Prognostiziert wird eine Erhöhung um 12,38 Euro im Vergleich zur Regelversorgung. Ferner wird ausgeführt, dass die dadurch verursachten Kosten und auch die erzielten Einsparungen nicht genau zu prognostizieren seien. Allerdings gebe es mit der Vergütungsobergrenze nach § 10 Abs 9 des Vertrages (76 Euro) Regelungen, die geeignet seien, das Risiko der Krankenkassen zu begrenzen. Einsparungen könnten ua aufgrund der Verpflichtung der Versicherten erwartet werden, Fachärzte nur auf Überweisung in Anspruch zu nehmen. Dies führe zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen. Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass jeder Facharztbesuch auch Folgekosten bei den veranlassten Leistungen nach sich ziehe, sodass eine - medizinisch vertretbare - verminderte Inanspruchnahme von Überweisungen zu Fachärzten auch geringere Folgekosten bedinge. Ein gewisses Einsparpotenzial ergebe sich des Weiteren durch die Verpflichtung der Hausärzte, bei der Arzneimittelversorgung die von den Vertragspartnern der HzV zur Verfügung gestellte Software zu verwenden, die gerade bei Original-Präparaten ermöglichen solle, dass der Hausarzt wirtschaftliche Verordnungen vornehmen könne. Insgesamt werden finanzielle Risiken und Einsparpotenziale in der Begründung des Schiedsspruchs ausführlich dargestellt und gegeneinander abgewogen. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung erster Erfahrungen mit ähnlichen Verträgen (Vertrag der BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für Baden-Württemberg, AOK Bayern-Vertrag) kommt die Schiedsperson nachvollziehbar zu der Einschätzung, dass in Umsetzung des Vertrages eine wirtschaftliche Leistungserbringung durch die teilnehmenden Hausärzte erwartet werden kann.

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ee) Dagegen kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Schiedsperson lediglich einen unvollständigen "Vertragstorso" festgesetzt habe. Zwar trifft es zu, dass die Schiedsperson die vorgesehenen Anlagen zum Vertrag nicht vollständig festgesetzt, sondern teilweise der weiteren Vereinbarung durch die Vertragsparteien überlassen hat (etwa zum Hilfsmittelmanagement und zu verschiedenen Vergütungszuschlägen, die ua eine wirtschaftliche Verordnungsweise fördern sollen). Gerade in der Anfangsphase nach Einführung der flächendeckenden HzV ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Vertragsparteien in der Phase der Umsetzung des Vertrages weitere Konkretisierungen und Ergänzungen vornehmen. Ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV ist allein, ob dieser in der vorliegenden Form umgesetzt werden kann. Daran hat der Senat keine Zweifel.

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ff) Auch der Einwand der Klägerin, die Schiedsperson habe in Verkennung des rechtlichen Rahmens angenommen, dass die HzV nur als Vollversorgungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag vereinbart werden dürfe, sie habe dadurch ihren Gestaltungsspielraum verkannt und dies allein führe zur Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs, greift nicht durch. Dass die HzV jedenfalls auch in der Form eines sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrages vereinbart werden kann, der die bisherige Regelversorgung nach § 73 SGB V umfasst und diese nicht lediglich ergänzt, unterliegt keinem Zweifel. Auf die umstrittene Frage, ob eine HzV in Form eines sog Add-on-Vertrages den gesetzlichen Vorgaben entsprechen würde (gegen die Rechtmäßigkeit von Add-on-Verträgen auf der Grundlage des § 73b SGB V: Hess in Kasseler Komm, Stand Dezember 2014, § 73b SGB V RdNr 3; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 47; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 27 f; mit dieser Tendenz auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 8 ff; ähnlich: Sproll in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Februar 2015, § 73b SGB V RdNr 8: "Beide Versorgungsformen schließen sich gegenseitig aus" sowie Orlowski, ZMGR 2009, 124, 125: HzV als "eigenständig zu regelnde einzelvertragliche Versorgung"; anders jedoch Huster, SGb 2010, 253 ff; ders in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 21; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 6; SG Marburg Urteil vom 3.8.2011 - S 12 KA 237/10 - Juris RdNr 29 ff), kommt es für die Entscheidung nicht an. Jedenfalls hat die Schiedsperson mit der Festsetzung eines Vollversorgungsvertrages ihren möglichen Entscheidungsspielraum nicht überschritten. In der Begründung des Schiedsspruchs wird die Auffassung vertreten, dass allein die Vereinbarung eines Vollversorgungsvertrages der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Die Frage, ob deshalb ein Add-on-Vertrag rechtswidrig wäre, wird aber letztlich offengelassen. Die Schiedsperson weist zur weiteren Begründung ua darauf hin, dass sie sich in Ausübung ihres billigen Ermessens für einen Vollversorgungsvertrag entschieden habe, weil dieser den Krankenkassen und den Hausarztgemeinschaften die Möglichkeit eröffne, strukturelle Verbesserungen in der Leistungserbringung für die Versicherten vorzunehmen, während Add-on-Verträge nur punktuelle Ansätze böten. Damit hat die Schiedsperson die Entscheidung für einen Vollversorgungsvertrag den Anforderungen entsprechend begründet.

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gg) Der Vertrag ist auch nicht rechtswidrig, soweit er in § 6 sowie in den Anlagen 4 und 6 Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der HzV enthält, die in einzelnen Punkten (Verbleib des Originals der Teilnahmeerklärung bei der Krankenkasse oder in der Arztpraxis, Frist zwischen der Abgabe der Teilnahmeerklärung und dem Beginn der Teilnahme des Versicherten, Kündigungsfrist für die Teilnahme, Frist für den Wechsel des Hausarztes, ua) vom Inhalt der Satzung der Klägerin abweichen. Zwar trifft der Einwand der Klägerin zu, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 3 Satz 4 SGB V idF des GKV-WSG (heute: Satz 7) bisher(zu der im Entwurf eines GKV-VSG vorgesehenen Änderung vgl BT-Drucks 18/4095 S 16 f zu Art 1 Nr 27 Buchst a) verpflichtet sind, das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, in ihren Satzungen zu regeln. Auf der anderen Seite setzt jedoch auch das Angebot einer HzV, das durch Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V flächendeckend gewährleistet werden soll, Regelungen zur Teilnahme der Versicherten voraus, sodass diese idR auch Gegenstand des Vertrages zur HzV sein werden. Bei der Entscheidung, ob die vertraglichen Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der Satzung der Krankenkasse auszurichten sind oder ob umgekehrt die Krankenkasse ihre Satzung dem Inhalt der Verträge anzupassen hat, ist zu berücksichtigen, dass die Verträge zur HzV über die Festlegung durch eine Schiedsperson ggf auch gegen den Willen der Krankenkassen zustande kommen sollen. Dies steht einer Auslegung dahin entgegen, dass die Krankenkassen der anderen Partei des Vertrages zur HzV die Regelungen zur Teilnahme der Versicherten durch ihre Satzung einseitig vorgeben könnten. Ferner ist von Bedeutung, dass durch die Änderung des § 79 Abs 1 SGB V mWv 1.1.2005 bezogen auf die Vertretungskompetenz - die die Vertretung beim Abschluss von Selektivverträgen einschließt - ein originärer Aufgabenbereich des Vorstands der Krankenkassen geschaffen werden sollte, der nicht vollständig der Gestaltungsmacht der Vertreterversammlung unterworfen ist (BSGE 114, 274 = SozR 4-2500 § 81 Nr 7, RdNr 33, 37 ff). Auch dies spricht dagegen, dass Inhalte des Vertrages zur HzV durch die von der Vertreterversammlung verabschiedete Satzung der Krankenkasse einseitig vorgegeben werden könnten. Daher sind Regelungen des Vertrages zur HzV zur Teilnahme der Versicherten nicht bereits rechtswidrig, wenn sie vom Inhalt der Satzung der Krankenkasse abweichen. Vielmehr ist - wie das LSG bereits zutreffend ausgeführt hat - die Krankenkasse verpflichtet, ihre Satzung dem Inhalt des Vertrages anzupassen (ebenso: Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 50).

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Die im Vertrag zur HzV getroffenen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten müssen danach zwar nicht mit dem Inhalt der Satzung der Krankenkasse übereinstimmen, aber die übrigen gesetzlichen und untergesetzlichen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten beachten. Bezogen auf den hier in erster Linie maßgebenden Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ist der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV auch insoweit nicht zu beanstanden. Allerdings werden bei der bevorstehenden Durchführung des Vertrages die in der Zwischenzeit eingetretenen gesetzlichen Änderungen zu berücksichtigen sein. Eine entsprechende Verpflichtung zur Anpassung ist in den Schlussbestimmungen des Vertrages (§ 22 Abs 2) geregelt und folgt im Übrigen aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X. Neben der Berücksichtigung der mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013 (BGBl I 277) eingeführten Bestimmungen zum Widerrufsrecht der Versicherten (§ 73b Abs 3 Satz 3 bis 6 SGB V) gehört dazu auch die Beachtung der am 26.8.2013 in Kraft getretenen Vorgaben zur Abgabe der Teilnahmeerklärung aus der Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach § 217f Abs 4a SGB V.

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hh) Der Rechtmäßigkeit der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson steht nicht entgegen, dass zuvor keine Auftragsvergabe nach den Vorschriften des Vergaberechts durchgeführt worden ist. Zwar fanden gemäß § 69 Abs 2 Satz 1 SGB V in der hier maßgebenden seit dem 18.12.2008 geltenden Fassung des GKV-OrgWG die die Vergabe öffentlicher Aufträge betreffenden Vorschriften der §§ 97 bis 115 und 128 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auf die in § 69 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Rechtsbeziehungen der Krankenkassen ausdrücklich Anwendung, soweit die dort genannten Voraussetzungen erfüllt waren. Dies galt nach § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V jedoch nicht für Verträge von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind und bei deren Nichtzustandekommen eine Schiedsamtsregelung gilt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Festsetzung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson als "Schiedsamtsregelung" in diesem Sinne zu verstehen ist und ob Satz 2 damit der Anwendbarkeit der §§ 97 ff GWB entgegensteht. Unabhängig von dieser ohnehin nur klarstellenden (vgl BT-Drucks 16/10609 S 52) Beschränkung der Anwendbarkeit wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen, die sich im Übrigen seit der Änderung durch das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2262) nicht mehr auf die Vorschriften des Vierten Teils des GWB (§§ 97 ff GWB) bezieht (vgl jetzt § 69 Abs 2 Satz 4 SGB V), kann ein öffentlicher Auftraggeber dem Kartellvergaberecht nur unterworfen sein, wenn dieser eine Auswahl zwischen verschiedenen Vertragspartnern hat (Kaltenborn, GesR 2011, 1, 2; Engelmann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand Oktober 2013, § 69 RdNr 141; vgl zur Rechtslage vor der Änderung durch das AMNOG: Sormani-Bastian, ZESAR 2010, 13). Daran hat sich im Übrigen auch durch die neuen europäischen Vergaberichtlinien nichts geändert. Nach Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 2014/23/EU vom 26.2.2014 über die Konzessionsvergabe (ABl L 94, 1) sollen Regelungen, nach denen ohne gezielte Auswahl alle Wirtschaftsteilnehmer, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, berechtigt sind, eine bestimmte Aufgabe wahrzunehmen, nicht als Konzessionen gelten. Das betrifft auch Regelungen aufgrund einer Vereinbarung zwischen Behörde und Wirtschaftsunternehmen. Nichts anderes gilt, soweit der Vertrag zur HzV europarechtlich nicht als Dienstleistungskonzession, sondern als entgeltlicher Beschaffungsvertrag angesehen wird: Nach Art 1 Abs 2 der Richtlinie 2014/24/EU vom 26.2.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl L 94, 65) setzt die Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie voraus, dass Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen von öffentlichen Auftraggebern "ausgewählt werden".

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Der sich aus § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ergebende Kontrahierungszwang, der gemäß § 73b Abs 4 Satz 2 iVm Abs 4a SGB V von entsprechend qualifizierten Gemeinschaften durch die Beantragung des Schiedsverfahrens und die Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson durchgesetzt werden kann, hat zur Folge, dass der vertragschließenden Krankenkasse kein Auswahlermessen zukommt, sondern dass der Vertragspartner bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bereits feststeht. Eine Auswahl zwischen verschiedenen Bietern ist also bezogen auf die Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ausgeschlossen. Dies steht der Annahme eines öffentlichen Auftrages im Sinne des § 99 GWB entgegen(so auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 32a; Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137 f; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b SGB V, RdNr 62; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 34; ähnlich Orlowski, ZMGR 2009, 124, 130; BKartA Beschluss vom 2.7.2010 - VK 1 - 52/10 - Juris; bezogen auf die HzV nach § 73b SGB V allerdings nur im Ergebnis ebenso die Begründung zum GKV-OrgWG: BT-Drucks 16/10609 S 52).

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ii) Der Vertrag zur HzV ist mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vollständig kompatibel. Maßgebend ist dabei grundsätzlich die Rechtslage zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson (vgl 4 b, RdNr 56). Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen bereits deshalb nicht zu vereinbaren, weil es an der erforderlichen Befugnisnorm für die dort geregelte Weitergabe von Abrechnungsdaten an private Stellen in Gestalt der HÄVG und der HÄVG Rechenzentrum AG gefehlt hat (nachfolgend 1). Indes ist für die Beurteilung des Feststellungsinteresses die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (vgl 4 b, RdNr 57). Die Klägerin hat weder ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 55 Abs 1 SGG an der isolierten Feststellung einer Rechtswidrigkeit des - bisher nicht durchgeführten - Vertrages zur HzV unter Zugrundelegung einer nicht mehr geltenden Rechtslage nachvollziehbar geltend gemacht noch einen Anspruch gegenüber den Beklagten auf Änderung des Vertrages entsprechend der nicht mehr geltenden Rechtslage. Ein fortbestehendes Feststellungsinteresse kann deshalb nur anerkannt werden, soweit es darauf auch noch für die bevorstehende Durchführung des Vertrages ankommt. Daher ist ergänzend die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats und damit nach Einführung des § 295a SGB V durch Art 3 Nr 9 des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze vom 28.7.2011 (BGBl I 1622, 1627) mWv 4.8.2011 zu berücksichtigen (nachfolgend 2). Die von der Klägerin erhobenen datenschutzrechtlichen Einwände greifen daher zum überwiegenden Teil nicht durch (nachfolgend 3, 5, 6). Soweit der Vertrag zur HzV jedoch auch mit den geänderten bundesrechtlichen Vorgaben nicht vollständig zu vereinbaren ist, sind die Vertragspartner verpflichtet, diesen zu ändern (nachfolgend 4 und 7).

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(1) Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV sieht vor, dass die Abrechnung der Vergütung des Hausarztes gemäß den Vorgaben der Anlage 3 durch die HÄVG als Abrechnungsdienstleister erfolgt (§ 11 Abs 1). Die HÄVG ist berechtigt, sich zum Zwecke der Abrechnung eines Rechenzentrums im Sinne der Anlage 3 zu bedienen (§ 11 Abs 2 Satz 2). Nach Anlage 3 § 6 Satz 2 wird von der HÄVG hierzu "derzeit" die HÄVG Rechenzentrum AG eingesetzt. Damit übereinstimmend werden die Versicherten mit dem Merkblatt (Anhang zu Anlage 6 des Vertrages) unter der Überschrift "Wichtige Informationen zum Schutz Ihrer Daten - Ihre Einwilligung" darüber informiert, dass die Abrechnung der ärztlichen Vergütung ua "über die Dienstleistungsgesellschaft des Hausärzteverbandes und MEDI, die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) und ihr Rechenzentrum erfolgt". Nach § 11 Abs 4 zahlt die Krankenkasse die Vergütung mit schuldbefreiender Wirkung an die HÄVG.

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Für die damit vorgesehene Weitergabe von Patientendaten zu Abrechnungszwecken fehlte zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts die erforderliche Rechtsgrundlage. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 10.12.2008 (B 6 KA 37/07 R - BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2)im Einzelnen dargelegt hat, setzt die Übermittlung von Patientendaten durch Leistungserbringer an private Dienstleistungsunternehmen im Geltungsbereich des SGB V eine bereichsspezifische Befugnisnorm voraus. Als solche kam allein § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009 (BGBl I 1990) in Betracht. Diese Regelung, mit der der Gesetzgeber auf das og Urteil des Senats vom 10.12.2008 reagiert hat, war bis zum 30.6.2010 - und damit auf einen Zeitpunkt vor der Festsetzung des Vertragsinhalts - befristet. Über § 320 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24.7.2010 (BGBl I 983) waren diese Sätze jedoch bis zum 1.7.2011 und damit auch noch zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts am 9.9.2010 weiter anzuwenden. Danach durfte für die ärztlichen Leistungen, die im Rahmen von Verträgen ua zur HzV nach § 73b SGB V erbracht und mit den Krankenkassen abgerechnet wurden, eine andere Stelle mit der Verarbeitung und Nutzung der für die Abrechnung dieser Leistungen erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragt werden. § 80 SGB X war anzuwenden. Auftraggeber und Auftragnehmer unterlagen der Aufsicht der nach § 38 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zuständigen Aufsichtsbehörde.

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§ 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V aF erlaubte danach allein die Beauftragung einer anderen Stelle im Sinne einer Auftragsdatenverarbeitung(vgl OVG Schleswig-Holstein Beschluss vom 12.1.2011 - 4 MB 56/10 - CR 2011, 359). Der ausdrücklich in Bezug genommene § 80 SGB X regelt die Voraussetzungen der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten im Auftrag. Dass mit der Einfügung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V die Übermittlung von Daten an private Stellen nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung geltenden Voraussetzungen zugelassen werden sollte, wird auch durch die Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Regelung zurückgeht, bestätigt: Danach sollten die Voraussetzungen, unter denen dem Sozialgeheimnis unterliegende Stellen andere Stellen mit der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten beauftragen können, und die Rechtsfolgen einer solchen Beauftragung auch für die besonderen Versorgungsformen gelten(vgl BT-Drucks 16/13428 S 96 unter Bezugnahme auf die Begründung zur entsprechenden Regelung für Krankenhäuser nach § 120 Abs 6, S 92).

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Bei der in dem Vertrag vorgesehenen Übermittlung von Abrechnungsdaten durch den Arzt an die HÄVG handelt es sich nicht um eine nach § 295 Abs 1b SGB V aF zulässige Auftragsdatenverarbeitung. Die Auftragsdatenverarbeitung ist datenschutzrechtlich privilegiert. Sie stellt keine Übermittlung im Sinne des § 67 Abs 6 Satz 2 Nr 3 SGB X dar(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; I. Palsherm in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand Juli 2013, § 80 RdNr 15). Eine Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X liegt vor, wenn der Auftragnehmer die Datenverarbeitung in vollständiger Abhängigkeit von Vorgaben des Auftraggebers durchführt(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; zur entsprechenden Regelung in § 11 BDSG vgl Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5). Die Auftragsdatenverarbeitung ist abzugrenzen von der Funktionsübertragung. Diese liegt dann vor, wenn dem Service-Unternehmen eine eigene rechtliche Zuständigkeit für die Aufgabe, deren Erfüllung die Datenverarbeitung oder die Nutzung dient, zugewiesen ist (Gola/Klug, BDSG, 12. Aufl 2015, § 11 RdNr 9). Wesentliches Merkmal für die Abgrenzung der Auftragsdatenverarbeitung von der Funktionsübertragung (Aufgabenübertragung) ist die Entscheidungsbefugnis über die Daten. Liegt diese bei der beauftragten Stelle und kommt dieser nicht nur eine Hilfs- und Unterstützungsfunktion zu, kann nicht mehr von einer Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X ausgegangen werden(Rombach in Hauck/Noftz, SGB X, Stand November 2014, § 80 RdNr 20; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 12, 14).

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Das im Vertrag geregelte Verhältnis des an der HzV teilnehmenden Hausarztes zur HÄVG entspricht nicht dem Bild einer Auftragsdatenverarbeitung. Die HÄVG führt die Abrechnung keineswegs in vollständiger Abhängigkeit von dem teilnehmenden Hausarzt für diesen durch. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass der Hausarzt an dem Vertrag zur HzV, der die Einzelheiten vorgibt, nicht unmittelbar beteiligt ist und damit keinen unmittelbaren Einfluss auf dessen Ausgestaltung hat. Der einzelne Hausarzt hat auch keinen Einfluss darauf, wer für ihn die Daten verarbeiten soll. Bereits eine solche fehlende Auswahlmöglichkeit spricht gegen das Vorliegen einer Auftragsdatenverarbeitung (Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3b; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5a). Zudem wird ihm vorgegeben, welche Datenverarbeitungsprogramme (Software) er für die Abrechnung zu verwenden hat. Damit ist insgesamt davon auszugehen, dass die HÄVG die Abrechnungsdaten in eigener Verantwortung oder im Auftrag der Beklagten verarbeitet bzw durch die HÄVG Rechenzentrum AG verarbeiten lässt, aber jedenfalls nicht im Auftrag des Hausarztes tätig wird. Der Vertrag regelt bezogen auf die Weitergabe der Daten durch den Hausarzt keine nach § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V zulässige Auftragsdatenverarbeitung.

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(2) Mit der Einfügung des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ist die erforderliche gesetzliche Grundlage für die Übermittlung von Abrechnungsdaten durch die an der HzV teilnehmenden Hausärzte geschaffen worden. Anders als unter Geltung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V beschränkt sich die Befugnis nach § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V nicht auf die Beauftragung einer anderen Stelle mit der Verarbeitung, Nutzung und Abrechnung personenbezogener Daten. Vielmehr sind die an den entsprechenden Versorgungsformen teilnehmenden Leistungserbringer für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen nach § 73b, § 73c oder § 140a SGB V erbrachten Leistungen gemäß § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V befugt, die nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels des SGB V erforderlichen Angaben an den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite als verantwortliche Stelle zu übermitteln, indem diese Angaben entweder an ihn oder an eine nach § 295 Abs 2 SGB V beauftragte andere Stelle weitergegeben werden; für den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite gilt § 35 SGB I entsprechend. Voraussetzung ist, dass der Versicherte vor Abgabe der Teilnahmeerklärung an der Versorgungsform umfassend über die vorgesehene Datenübermittlung informiert worden ist und mit der Einwilligung in die Teilnahme zugleich in die damit verbundene Datenübermittlung schriftlich eingewilligt hat. Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite oder die beauftragte andere Stelle dürfen die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten und nutzen; sie übermitteln die Daten im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern an den jeweiligen Vertragspartner auf Krankenkassenseite.

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§ 295a Abs 1 Satz 1 SGB V definiert den "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (also den Hausarztverband und nicht den einzelnen Arzt) als die im datenschutzrechtlichen Sinne "verantwortliche Stelle". Insofern trifft § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V eine spezielle Regelung, die den allgemeinen Bestimmungen der §§ 67a ff SGB X vorgeht. Das bedeutet, dass die datenschutzrechtliche Verantwortung mit dem Eingang der Daten bei dem Hausarztverband ("Vertragspartner auf Leistungserbringerseite") oder bei der von ihm beauftragten Stelle auf den Hausarztverband übergeht (vgl BT-Drucks 17/6141 S 39).

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(3) Die Einwände der Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV, die ihre Grundlage in der Annahme haben, dass der Arzt auch nach dem Eingang der Daten bei den Beklagten oder der von ihnen beauftragten Stelle "verantwortliche Stelle" im Sinne des § 67 Abs 9 SGB X bleibe und dass der Arzt die Daten nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung nach § 80 SGB X geltenden Voraussetzungen weitergeben dürfe, greifen damit bezogen auf die seit Inkrafttreten des § 295a SGB V geltenden Rechtslage nicht mehr durch. § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V regelt die Befugnis des Hausarztes zur Weitergabe der für die Abrechnung erforderlichen Daten an den Hausarztverband oder die von diesem mit der Datenverarbeitung beauftragte Stelle unabhängig von den Voraussetzungen einer Auftragsdatenverarbeitung. Auftraggeber einer Datenverarbeitung durch die HÄVG oder ein Rechenzentrum können allein die "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (vgl BT-Drucks 17/6141 S 40, zu § 295a Abs 2) und damit die Beklagten sein.

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(4) Zutreffend ist dagegen der Einwand der Klägerin, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV, die eine Beauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG vorsehen (vgl zB Anlage 3 § 6 Abs 1) mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren sind. Nach § 295a Abs 2 Satz 1 SGB V darf der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite eine andere Stelle mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten beauftragen, die für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen ua zur HzV erbrachten Leistungen erforderlich sind. Gemäß § 295a Abs 2 Satz 2 SGB V ist § 80 SGB X ua mit der weiteren Maßgabe anzuwenden, dass Unterauftragsverhältnisse ausgeschlossen sind. Demnach dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" im Sinne der genannten Regelung zwar die HÄVG oder auch unmittelbar die HÄVG Rechenzentrum AG mit der Verarbeitung der Abrechnungsdaten beauftragen. Die im Vertrag vorgesehene Erteilung eines Unterauftrags an die HÄVG Rechenzentrum AG durch die von den Beklagten beauftragte HÄVG ist dagegen nicht zulässig (zu einer entsprechenden Regelung vgl auch bereits LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

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(5) Nach den von der Klägerin nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die im Vertrag zur HzV zur Verwendung durch den teilnehmenden Arzt vorgeschriebene Software mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen unvereinbar wäre. Soweit die Klägerin erstmals im Revisionsverfahren - nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung - geltend macht, dass die im Vertrag vorgeschriebene Software einen sog "gekapselten Kern" besitze, der die Möglichkeit biete, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar sei, so steht diese Behauptung im Übrigen im Widerspruch zu der von den Beklagten vorgelegten Technischen Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht vom 17.8.2012 (Az: LDA.3-1085.6-12/10), die sich nach den von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen Angaben der Beklagten auf die auch im vorliegenden Vertrag zur HzV vorgeschriebene Software beziehen soll. Die Stellungnahme kommt für den Senat nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die Kontrollmöglichkeiten über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ausreichend transparent seien. Die Datenverarbeitungsvorgänge in der Arztpraxis würden vom Arzt gesteuert.

101

(6) Auch die in Ziff 2.1 der Anlage 4 zum Vertrag vorgesehene Übermittlung von Einschreibedaten ist entgegen der Auffassung der Klägerin datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden. Bei den Einschreibedaten handelt es sich um die in der Teilnahmeerklärung enthaltenen Stammdaten des Versicherten (Name, Anschrift, Geburtsdatum, Versichertennummer), die Daten zu dem gewählten Hausarzt und den Teilnahmebeginn (vgl die der Teilnahmeerklärung beigefügten Informationen zu Datenschutz, Datenübermittlung und -zusammenführung). Diese Angaben sind für die Durchführung der Abrechnung im Sinne des § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V erforderlich und die Verarbeitung und Nutzung dieser Daten erfolgt in Übereinstimmung mit § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V zu Abrechnungszwecken(im Ergebnis ebenso die Bewertung eines insoweit entsprechenden Vertrages durch das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht, Schreiben vom 30.11.2012, Az: LDA.3-1085.6-12/10).

102

(7) Im Widerspruch zu den geltenden gesetzlichen Vorgaben steht dagegen § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum HzV, der die HÄVG zur Führung von Musterverfahren ermächtigt, weil es sich dabei nicht um eine gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V allein zulässige Verarbeitung oder Nutzung zu Abrechnungszwecken handelt. Zwar regelt der Vertrag nicht ausdrücklich die Verwendung personenbezogener Daten in Musterprozessen. Die vorgesehene Führung solcher Prozesse durch die HÄVG setzt die Verwendung personenbezogener Daten der an der HzV teilnehmenden Versicherten jedoch voraus (ebenso zu einer insoweit vergleichbaren Regelung: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38). Gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verwenden. Dass die Verwendung von Daten zur Führung von Musterprozessen über die Verwendung zu Abrechnungszwecken hinausginge, haben die Beklagten im Revisionsverfahren auch nicht in Zweifel gezogen, sondern geltend gemacht, dass die HÄVG tatsächlich keine "Musterverfahren" unter Nutzung personenbezogener Daten führe. Auf die Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung hat dies indes keinen Einfluss.

103

e) Im Ergebnis ist der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag allein insoweit zu beanstanden, als er eine datenschutzrechtlich unzulässige Unterbeauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG sowie das Recht der HÄVG zur Führung von "Musterverfahren" vorsieht. Dem werden die Beteiligten durch entsprechende Änderungen des Vertrages Rechnung zu tragen haben. Davon unberührt bleibt die Verpflichtung der Beteiligten, den seit der Festsetzung des Vertragsinhalts eingetretenen gesetzlichen Änderungen durch Vertragsanpassungen Rechnung zu tragen.

104

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Bei der Kostenverteilung (§ 155 Abs 1 VwGO) hat der Senat berücksichtigt, dass die Klage bezogen auf die beantragte Aufhebung des Vertrages zur HzV ohne Erfolg und bezogen auf die hilfsweise geltend gemachte Feststellung der Rechtswidrigkeit vertraglicher Bestimmungen ganz überwiegend erfolglos war.

(1) Soll der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen, so ist die getroffene Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. Die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urteil; das Gleiche gilt, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.

(2) Soll der Dritte die Bestimmung nach freiem Belieben treffen, so ist der Vertrag unwirksam, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.

(1) Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94. Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden werden abschließend in diesem Kapitel, in den §§ 63, 64 und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, dem Krankenhausentgeltgesetz sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Für die Rechtsbeziehungen nach den Sätzen 1 und 2 gelten im Übrigen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind.

(2) Die §§ 1 bis 3 Absatz 1, die §§ 19 bis 21, 32 bis 34a, 48 bis 81 Absatz 2 Nummer 1, 2 Buchstabe a und Nummer 6 bis 11, Absatz 3 Nummer 1 und 2 sowie die §§ 81a bis 95 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gelten für die in Absatz 1 genannten Rechtsbeziehungen entsprechend. Satz 1 gilt nicht für Verträge und sonstige Vereinbarungen von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern oder deren Verbänden, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind. Satz 1 gilt auch nicht für Beschlüsse, Empfehlungen, Richtlinien oder sonstige Entscheidungen der Krankenkassen oder deren Verbände, zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind, sowie für Beschlüsse, Richtlinien und sonstige Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, zu denen er gesetzlich verpflichtet ist.

(3) Auf öffentliche Aufträge nach diesem Buch sind die Vorschriften des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden.

(4) Bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach den §§ 63 und 140a über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014, die im Rahmen einer heilberuflichen Tätigkeit erbracht werden, kann der öffentliche Auftraggeber abweichend von § 119 Absatz 1 und § 130 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowie von § 14 Absatz 1 bis 3 der Vergabeverordnung andere Verfahren vorsehen, die die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung gewährleisten. Ein Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb und ohne vorherige Veröffentlichung nach § 66 der Vergabeverordnung darf der öffentliche Auftraggeber nur in den Fällen des § 14 Absatz 4 und 6 der Vergabeverordnung vorsehen. Von den Vorgaben der §§ 15 bis 36 und 42 bis 65 der Vergabeverordnung, mit Ausnahme der §§ 53, 58, 60 und 63, kann abgewichen werden. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen berichtet dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 17. April 2019 über die Anwendung dieses Absatzes durch seine Mitglieder.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. April 2012 geändert. Es wird festgestellt, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vereinbar ist. Insoweit sind die Beteiligten verpflichtet, den Vertrag zu ändern.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 9/10 und die Beklagten tragen 1/10 der Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen einen Schiedsspruch, mit dem der Inhalt eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV) nach § 73b SGB V zwischen ihr und den beiden beklagten Hausarztverbänden festgelegt worden ist.

2

Nachdem sich Klägerin und Beklagte nicht über den Abschluss eines Vertrages zur HzV einigen konnten, beantragten die Beklagten die Einleitung des Schiedsverfahrens. Die Schiedsperson wurde durch das Bundesversicherungsamt (BVA) bestimmt, nachdem auch dazu keine Einigung erzielt werden konnte. Gegen den Bescheid des BVA zur Bestimmung der Schiedsperson wandte sich die Klägerin mit der Klage und beantragte zugleich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Diesen Antrag wies das SG zurück. Die dagegen eingelegten Beschwerden nahm die Klägerin zurück, nachdem der Schiedsspruch ergangen war.

3

Mit einem weiteren Eilverfahren wandte sich die Klägerin erfolglos gegen die Festsetzung eines Verhandlungstermins durch die Schiedsperson. An der anberaumten mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin nicht teil. Zu dem von den Beklagten vorgelegten Vertragsangebot nahm die Klägerin mit insgesamt 68 Einzelanträgen Stellung.

4

Mit Schiedsspruch vom 9.9.2010 setzte die Schiedsperson den Inhalt des Vertrages zur HzV mit Wirkung zum 15.9.2010 fest und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Beklagten erfüllten die Voraussetzung, nach der sie mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Baden-Württemberg vertreten müssten. Die gesetzliche Regelung könne nicht in dem Sinne verstanden werden, dass eine rechtsgeschäftliche Vertretung im Sinne des § 164 Abs 1 BGB erforderlich sei. Vielmehr sei mit der Formulierung des "Vertretens" gemeint, dass die Gemeinschaften eine gewisse soziale Mächtigkeit haben müssten, damit eine flächendeckende Versorgung mit Hausarztverträgen wahrscheinlich sichergestellt werden könne. Da mehr als die Hälfte der Allgemeinärzte Mitglied der beiden beklagten Verbände seien, seien die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Selbst wenn nicht auf dieses Verständnis des "Vertretens" abgestellt würde, seien die Voraussetzungen erfüllt, weil mehr als die Hälfte der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte die Beklagten zu 1. und 2. mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hätten. Die Schiedsperson sei keine Behörde und sie erlasse auch keinen Verwaltungsakt, sondern werde als Vertragshelfer tätig. Als solche habe sie in Wahrnehmung ihres Bestimmungsrechts den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festzusetzen. In Ausübung ihres billigen Ermessens habe sie entschieden, den Vertrag zur HzV als sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag festzusetzen. Allein die Vereinbarung von Vollversorgungsverträgen entspreche der Intention des Gesetzes, mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen durch Erweiterung ihrer Handlungsspielräume zum Abschluss von Verträgen mit Leistungserbringern oder Gruppen von ihnen zu ermöglichen.

5

Der festgelegte Vertragsinhalt entspreche den gesetzlichen Anforderungen an eine HzV und führe zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung für die Versicherten. Er entspreche hinsichtlich des Leistungsinhalts in vollem Umfang den Forderungen, die die Krankenkassen in früher geführten Schiedsverfahren für den Bezirk der KÄV Bayern aufgestellt hätten und gehe auch hinsichtlich der qualitativen Anforderungen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Hinsichtlich der Vergütung der in der HzV zu erbringenden Leistungen orientiere sich der Vertrag in Ausübung billigen Ermessens an dem Vertrag, den die BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für den Bezirk der KÄV Baden-Württemberg abgeschlossen habe. Vergleichbare Vergütungsregelungen fänden sich auch in zahlreichen weiteren Verträgen zur HzV, die Krankenkassen mit Gemeinschaften von Hausärzten geschlossen hätten. Bei der Festsetzung der Höhe der Vergütung seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Beitragssatzstabilität zu beachten. Dem werde die Vergütungsstruktur sowie die daran anknüpfende Vergütungshöhe gerecht. Die wirtschaftlichen Risiken der Krankenkassen würden durch verschiedene - in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen bezeichnete - Maßnahmen beschränkt. Den durch die Vergütung der HzV-Leistungen bedingten Mehrausgaben stünden Einsparungen gegenüber, die jedoch schwer genauer zu prognostizieren seien. Allerdings zeigten Erfahrungswerte aus bereits laufenden HzV-Verträgen, dass (in der Begründung des Schiedsspruchs näher bezeichnete) Einsparungen erzielt würden, mit denen sich die Mehrausgaben finanzieren ließen. Einer Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson stehe auch nicht entgegen, dass die Auftragsvergabe nicht nach den Vorschriften des Vergaberechts ausgeschrieben worden sei und dass die Anwendung des Sozialdatenschutzes auf die HzV-Verträge umstritten sei. Die Anwendung der Regelungen über den Datenschutz sei zwar streitig. Im Gegensatz zum unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein hätten die Landesdatenschutzbeauftragten für Bayern und Baden-Württemberg aber bisher keinen Anlass zu einer datenschutzrechtlichen Beanstandung bezogen auf die bestehenden HzV-Verträge gesehen. Im Hinblick auf diese Rechtslage werde von der Festsetzung einer datenschutzrechtlichen Regelung abgesehen. Die Schaffung einer datenschutzkonformen Regelung über die Weitergabe von Patientendaten an private Abrechnungsstellen bleibe auf der Rechtsgrundlage des § 295 Abs 1b SGB V bilateralen Behandlungen der Beteiligten überlassen. Eine Festsetzung der HzV-Vergütung auf dem Niveau der Regelversorgung scheide aus, weil im Rahmen der HzV ein bestimmtes Ausstattungsniveau der teilnehmenden hausärztlichen Praxen vorgegeben werde. Der an der HzV teilnehmende Hausarzt sei außerdem zur Erlangung bestimmter Weiterbildungsmaßnahmen und Abrechnungsqualifikationen verpflichtet, die in der Regelversorgung nicht gefordert seien. Hinzu trete die verpflichtende Teilnahme des teilnehmenden Hausarztes an den Disease-Management-Programmen sowie die Wahrnehmung der Betreuung von pflegebedürftigen Patienten. Zudem bestehe die Verpflichtung zur Teilnahme an Fortbildungen, zu hausarztspezifischen Themen, was über die generelle Fortbildungspflicht gemäß § 95d SGB V hinausgehe. Schließlich sei das Dienstleistungsangebot der hausärztlichen Praxen in der HzV erweitert. Diese erweiterten Qualifikationen, apparativen Ausstattungen und verbesserten Dienstleistungsangebote führten zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung, die ein höheres Vergütungsniveau im Vergleich zur hausärztlichen Regelversorgung rechtfertige. Durch das gegen die Bestimmung der Schiedsperson anhängige Klageverfahren werde das Wirksamwerden des Vertrages zur HzV nicht gehindert, weil die Klage gemäß § 73b Abs 4a SGB V keine aufschiebende Wirkung habe.

6

Gegen den Schiedsspruch vom 9.9.2010 hat sich die Klägerin mit der am 9.9.2011 erhobenen Klage gewandt und beantragt festzustellen, dass der Schiedsspruch unwirksam sei. Hilfsweise hat sie beantragt, die Regelung zum Inkrafttreten um den Zusatz zu ergänzen, dass der Vertrag nicht in Kraft trete, bevor nicht sämtliche Anlagen zum Vertrag durch die Parteien vereinbart oder durch weiteren Schiedsspruch festgesetzt worden seien. Mit der gegen die Abweisung der Klage (Urteil des SG vom 25.4.2012) erhobenen Berufung hat die Klägerin ua geltend gemacht, dass es sich bei der Entscheidung der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele. Sie gehe aber davon aus, dass eine isolierte Anfechtungsklage zulässig sein müsse. Sofern der Schiedsspruch ein Verwaltungsakt sein sollte, komme eine Leistungsklage in Form der Ersetzungsklage kaum in Betracht, da der Klägerin kein Recht zustehe, den Verwaltungsakt nach ihren Vorstellungen vollständig durch das Gericht ersetzen zu lassen. Demgegenüber haben die Beklagten die Auffassung vertreten, dass der Schiedsspruch als Verwaltungsakt anzusehen und als solcher rechtmäßig sei.

7

Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem Schiedsspruch vom 9.9.2010 um einen Verwaltungsakt handele. Für Beschlüsse einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V gelte nichts anderes als für Entscheidungen der Schiedsämter gemäß § 89 SGB V und der Schiedsstellen nach § 114 SGB V. § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V regele ein förmliches Schiedsverfahren. Zudem habe das BSG für den hier einschlägigen Bereich des Vertragsarztrechts seit jeher die Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs bejaht. Auch die Änderung des § 73b Abs 4a SGB V zum 1.1.2012 durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl I 2983) spreche nicht gegen die Annahme der Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs. Bei der Schiedsperson handele es sich um eine Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X. Dem stehe auch nicht der Umstand entgegen, dass keine Regelung zur staatlichen Aufsicht über die Schiedsperson existiere. Wenn verfassungsrechtlich zu fordernde Regelungen zur Aufsicht fehlten, könne dies allenfalls die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung zur Folge haben. Schiedspersonen nähmen Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahr, wenn sie die Vertragsverhältnisse zwischen einer Krankenkasse und den Verbänden der Hausärzte festlegten. Bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson handele es sich um eine für Ärzte, Patienten und Krankenkassen außerordentlich weitreichende Entscheidung. Für die gerichtliche Prüfung derart komplexer Regelungen mit weitreichenden Auswirkungen eigneten sich die über § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V entsprechend geltenden Vorschriften der §§ 317 ff BGB über den Vertragshelfer nicht. § 317 BGB regele den Fall, dass die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen bleibe. § 317 BGB überlasse der Schiedsperson nicht die Bestimmung des Vertragsinhalts, sondern die Bestimmung der Leistung. Vorliegend würden von der Schiedsperson aber sämtliche gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien festgelegt. Die Festlegung eines Vertrages über die HzV durch die Schiedsperson gehe somit weit über das hinaus, was Vertragshelfer nach § 317 BGB üblicherweise festlegen könnten. Zudem erweise sich der in § 319 BGB genannte Maßstab des "billigen Ermessens" als wenig geeignet für die Prüfung des von der Schiedsperson festgelegten Vertragsinhalts. Schließlich verhindere die Rechtskonstruktion des Vertragshelfers nicht eine Verzögerung der Umsetzung des geschiedsten Vertrages durch in destruktiver Absicht eingelegte Rechtsmittel. Dies zeige der vorliegende Fall. Für die Erhebung der Gestaltungsklagen gelte keine Ausschlussfrist. Damit bleibe für die Vertragsparteien lange unklar, ob der festgelegte Vertrag rechtsverbindlich werde. Auch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung helfe nicht weiter, weil der Vertrag in der Praxis regelmäßig erst dann als umsetzbar angesehen werde, wenn dessen rechtliche Verbindlichkeit auch feststehe. Auch dies zeige der vorliegende Fall.

8

Die isolierte Anfechtungsklage sei zulässig, jedoch nicht begründet. Der Schiedsperson stehe bei der Festlegung des Vertragsinhalts ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Schiedsspruch sei nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle zugänglich. Verstöße gegen wesentliche verfahrensrechtliche Grundsätze lägen nicht vor. Die Schiedsperson habe die Festlegung des Vertragsinhalts ausführlich begründet. Soweit die Klägerin das Fehlen einer Ausgabenobergrenze rüge, übersehe sie § 10 Abs 9 des Vertrages, der eine Begrenzung der HzV-Vergütung auf einen durchschnittlichen maximalen Fallwert von 76 Euro vorsehe. Unbegründet sei auch der Einwand der Klägerin, dass der Vertrag an mehreren Stellen gegen ihre Satzungsregelungen verstoße. Der Vertrag begründe keine Rechte und Pflichten der Versicherten. Den von den Vertragsparteien oder nach Maßgabe des § 73b Abs 4a SGB V von der Schiedsperson an deren Stelle getroffenen Festlegungen komme Vorrang vor dem Satzungsrecht der einzelnen Krankenkasse zu. Die Krankenkasse müsse den sie bindenden Vertrag bei jeglicher Verwaltungstätigkeit einhalten. Wenn die Satzung der Krankenkasse mit den Festlegungen des Vertrages nicht in Einklang stehe, müsse sie daher die Satzung entsprechend ändern und an den Vertrag anpassen. Für den gestellten Hilfsantrag mit dem Ziel, das Inkrafttreten des Vertrages auf den Zeitpunkt zu verschieben, zu dem sämtliche Anlagen vereinbart oder durch Schiedsspruch festgesetzt worden seien, fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Nach § 16 Abs 4 des Vertrages sei dieser zum Halbjahres- oder Jahresende, erstmals zum 31.12.2013 mit einer Frist von sechs Monaten kündbar. Damit werde der Klägerin eine einfachere rechtliche Möglichkeit eröffnet, die Rechtswirkungen des Vertrages zu beseitigen. Zudem müsse sich die Klägerin widersprüchliches Verhalten entgegenhalten lassen. Mit dem Hinausschieben des Inkrafttretens würde der gesetzlich begründete Kontrahierungszwang vereitelt. Aus dem gesamten Verhalten der Klägerin sei zu erkennen, dass sie sich weigere, ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Eröffnung des Angebots einer HzV nachzukommen. Ernsthafte Bemühungen, die fehlenden Vertragsanlagen auszuhandeln, seien nicht ersichtlich. Darüber hinaus sei der Hilfsantrag auch in der Sache nicht begründet. Ausreichend sei, dass der Schiedsspruch in sich schlüssig sei und dass die geregelten Vertragsteile von den Vertragsparteien umgesetzt werden könnten. Daran bestehe kein Zweifel, weil Verträge mit vergleichbaren Inhalten von anderen Krankenkassen durchgeführt würden.

9

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die erhobene Anfechtungsklage sei statthaft, da es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X handele. Sämtliche LSG hätten § 73b Abs 4, Abs 4a SGB V in der Weise ausgelegt. Ihre zuvor vertretene gegenteilige Rechtsauffassung halte sie nicht mehr aufrecht. Änderungen des § 73b SGB V, die zum 1.1.2012 in Kraft getreten seien, seien für das vorliegende Verfahren von vornherein nicht relevant, da für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 maßgeblich sei. Mit der Festsetzung des Vertrages über die besondere hausärztliche Versorgung nach § 73b SGB V treffe die Schiedsperson eine hoheitliche Entscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die unmittelbare Rechtswirkung im Außenverhältnis habe, indem sie verbindlich den Vertrag zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens festsetze. Der Schiedsspruch zur HzV unterscheide sich insofern nicht von dem Schiedsspruch nach § 77 SGB XII, für den sowohl das BVerwG als auch das BSG die Verwaltungsaktqualität ausdrücklich bejaht hätten.

10

Entgegen der Auffassung des LSG sei das Rechtsschutzinteresse nicht im Hinblick auf die zum 31.12.2013 erstmals bestehende Kündigungsmöglichkeit entfallen. Die ordentliche Kündigung des Vertrages zur HzV führe nicht automatisch zu dessen Beendigung, sondern der Vertrag gelte - wenn ein neuer Vertrag zur HzV nicht zustande komme - solange fort, bis in einem Schiedsverfahren ein neuer Vertrag zur HzV festgesetzt worden sei. Die Umsetzung des streitgegenständlichen Vertrages werde zu Recht verweigert. Die Klage habe selbst dann aufschiebende Wirkung, wenn es sich bei dem Schiedsspruch nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Vertragsfestlegung durch einen Dritten entsprechend §§ 315, 317 BGB handeln würde. Bereits die Erhebung der Einrede der offenbaren Unbilligkeit der Vertragsfestsetzung führe ggf entsprechend § 319 Abs 1 BGB zur Unverbindlichkeit der durch den Schiedsspruch getroffenen Vertragsbestimmungen.

11

Der Schiedsspruch sei mit zwingend zu beachtenden bundesrechtlichen Vorgaben zum Datenschutz unvereinbar. Für die nach dem Vertrag zur HzV vorgesehene Einbindung der Beklagten und der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) sowie von Unterauftragsunternehmern in die Verarbeitung sensibler Patientendaten fehle die nach der Rechtsprechung des BSG zwingend erforderliche gesetzliche Grundlage. Auch das Inkrafttreten des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ändere nichts an der datenschutzrechtlichen Unzulässigkeit des Vertrages zur HzV. Maßgebend sei die zum Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 geltende Rechtslage. Selbst wenn die zum 4.8.2011 eingetretenen Änderungen berücksichtigt würden, bliebe es bei der Unvereinbarkeit mit datenschutzrechtlichen Vorgaben. Die in dem Vertrag vorgesehene zwangsweise Verknüpfung der Teilnahme an der HzV mit einer Pflicht zur Weitergabe von Patientendaten an einen bestimmten Dienstleister sei mit den datenschutzrechtlich an die "verantwortliche Stelle" zu stellenden Anforderungen unvereinbar. Weiterhin unzulässig sei der vorgesehene Einsatz einer Vertragssoftware mit einem sog "gekapselten Kern", zu dessen Einsatz die teilnehmenden Hausärzte verpflichtet würden. Damit werde die Möglichkeit geschaffen, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar bzw kontrollierbar sei. Außerdem erlaube der neue § 295a Abs 2 SGB V lediglicheinen Dienstleister in die Verarbeitung von Patientendaten einzubinden. Die Begründung von Unterauftragsverhältnissen werde ausdrücklich ausgeschlossen. Im Widerspruch dazu sehe § 6 Abs 1 der Anlage 3 des streitgegenständlichen Vertrages zur HzV die Einbindung der HÄVG Rechenzentrum AG als Subunternehmer der HÄVG vor. Rechtswidrig sei ferner die in § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum Vertrag geregelte Befugnis der HÄVG, nach eigenem Gutdünken Patientendaten für "Musterverfahren" zur Klärung grundsätzlicher Fragen der Auslegung des Vertrages zur HzV zu verwenden. Unzulässig sei auch die vorgesehene Einbindung der HÄVG in die Einschreibung von Versicherten. Nach § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürften die auf Leistungserbringerseite von den teilnehmenden Hausärzten übermittelten Patientendaten ausschließlich für Abrechnungszwecke verwendet werden.

12

Zudem werde durch Mehrkosten, die der Vertrag unstreitig auslöse und deren Finanzierung durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen nicht gesichert sei, das in § 53 Abs 9 SGB V normierte Gebot der Selbsttragung des Wahltarifs verletzt. Der Wahltarif sei zwingend mit der HzV nach § 73b SGB V verbunden. Nach § 53 Abs 3 SGB V dürften für einen Wahltarif für die besonderen Versorgungsformen keine Zusatzbeiträge erhoben werden. Gleichzeitig verbiete § 53 Abs 9 SGB V eine Quersubventionierung der Wahltarife aus dem allgemeinen Beitragsaufkommen. Dass durch den Vertrag zur HzV Mehrkosten gegenüber der hausärztlichen Regelversorgung entstünden, sei unstreitig. Dem stünden keine gesicherten Refinanzierungsmaßnahmen gegenüber. Darüber hinaus werde der Grundsatz der Beitragssatzstabilität des § 71 Abs 1 SGB V verletzt, der alle Vergütungsvereinbarungen nach dem SGB V erfasse, weil nicht refinanzierte Mehrausgaben nicht verlässlich ausgeschlossen seien. Die Erhebung von Zwangsbeiträgen der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung für die Subventionierung der HzV verletze Art 2 Abs 1 GG. Zudem würde durch die damit verbundene Aufgabe des Solidaritätsprinzips die Unternehmenseigenschaft der Krankenkassen im Sinne des Art 101 ff des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union begründet.

13

Der Schiedsspruch verletze Bundesrecht auch deshalb, weil die Vertragsfestsetzung unvollständig sei. Obwohl der Hilfsmittelbereich als Bereich möglicher Einsparungen in der Begründung des Schiedsspruchs ausdrücklich angesprochen werde und die Anlage 2a zum Hilfsmittelmanagement in § 23 des Vertrages zur HzV genannt werde, habe die Schiedsperson diese Anlage nicht festgelegt. Aus § 23 des Vertrages zur HzV ergebe sich vielmehr, dass diese "in gemeinsamer Absprache noch zu erstellen" sei. Dies sei mit § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V unvereinbar. Gleiches gelte für die fehlenden Anhänge 2 bis 4 der festgesetzten Anlage 3 des Vertrages. Diese sollten ausweislich § 9 der Anlage 3 des Vertrages die Diagnosen zur Abrechnung des Zuschlags für chronisch Kranke, des Zuschlags zur Förderung einer wirtschaftlichen Arzneimittelverordnung ("Rationaler Pharmakotherapie-Zuschlag") sowie eines Zuschlags (sog VERAH-Zuschlag) für Leistungen von besonders qualifizierten medizinischen Fachangestellten ("Versorgungsassistenten") enthalten.

14

Ferner habe die Schiedsperson ihren Gestaltungsspielraum überschritten, indem sie Regelungen zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten zum Gegenstand des Vertrages zur HzV gemacht habe. Die Einschreibebestimmungen des Vertrages zur HzV seien nicht von der Vertragsregelungsbefugnis der Schiedsperson umfasst. Vielmehr habe die Regelung der Teilnahme von Versicherten an der HzV in der Satzung der Krankenkasse zu erfolgen. Die Teilnahme der Versicherten werde in dem Vertrag zur HzV in Widerspruch zu Satzungsbestimmungen der Klägerin geregelt. Dies sei rechtswidrig. Darüber hinaus verletze der Schiedsspruch Bundesrecht, weil dem Beklagten zu 2. (MEDI Baden-Württemberg e.V.) die erforderliche Antragsbefugnis zur Einleitung eines Schiedsverfahrens fehle. Schiedsverfahren könnten nur von Gemeinschaften beantragt werden, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Diese Voraussetzung erfülle der Beklagte zu 2. nicht.

15

Die Schiedsperson habe ihren Beurteilungsspielraum überschritten, indem sie sich bei der Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend an anderen HzV-Verträgen orientiert habe. Die anderen HzV-Verträgen zugrunde liegenden Verhältnisse seien nicht auf die Klägerin übertragbar. Die Schiedsperson hätte sich mit der konkreten Situation der Klägerin und deren Versicherten auseinandersetzen müssen. Das sei nicht geschehen. Ferner sei die Schiedsperson zu Unrecht davon ausgegangen, dass allein ein Vollversorgungsvertrag, nicht dagegen ein sog Add-on-Vertrag der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Damit habe die Schiedsperson den rechtlichen Rahmen verkannt, der ihrem Gestaltungsspielraum zugrunde liegt. Somit leide der Schiedsspruch an einem nicht heilbaren Fehler.

16

Selbst wenn der Schiedsspruch nicht als Verwaltungsakt anzusehen wäre, sei der auf Aufhebung dieses Schiedsspruchs gerichtete Antrag zulässig. Die Festsetzung des Vertragsinhalts durch das Gericht in entsprechender Anwendung des § 319 BGB sei unter Beachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung ausgeschlossen. Denn der Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages über die HzV nach § 73b SGB V sei Aufgabe der Krankenkassen als Selbstverwaltungskörperschaften und Teil der mittelbaren Staatsverwaltung. In die Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume könne die Rechtsprechung als Kontrollinstanz der Verwaltung nicht in der Form eingreifen, dass sie ihre eigenen Erwägungen an die Stelle derjenigen der Verwaltung setze.

17

Die Klägerin beantragt,

        

1.    

die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 zu ändern und den Schiedsspruch vom 9.9.2010 aufzuheben,

        

2.    

hilfsweise, das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 aufzuheben und den Rechtsstreit an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2, 1. Halbsatz BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts zurückzuverweisen,

        

3.    

weiter hilfsweise unter Änderung der Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 festzustellen, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte HzV-Vertrag mit Bundesrecht nicht vereinbar ist.

18

Die Beklagten beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

19

Sie führen zur Begründung aus: Das angefochtene Urteil des LSG sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Allerdings sei der Schiedsspruch kein Verwaltungsakt. Mit dem GKV-VStG habe der Gesetzgeber eindeutig geregelt, dass es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele, sondern dass die Schiedsperson als Vertragshelfer analog § 317 BGB tätig werde. Die in der Rechtsprechung angestellten Erwägungen zur fehlenden Behördeneigenschaft von Schiedspersonen nach § 132a Abs 2 SGB V seien auf die Schiedspersonen gemäß § 73b Abs 4a SGB V übertragbar. Auch der Umstand, dass die Schiedsperson die in einem Schiedsverfahren festgelegten Verträge der für die Krankenkassen zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen habe, stehe dem nicht entgegen, da die Vorlage auch bei frei verhandelten Verträgen durch die Krankenkasse zu erfolgen habe. Der Schiedsspruch sei rechtlich nicht zu beanstanden. Mit den Anträgen der Klägerin habe sich die Schiedsperson erkennbar auseinandergesetzt und diese gewürdigt. Die Schiedsperson habe den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festgesetzt und zugleich berücksichtigt, dass zahlreiche weitere Krankenkassen im Bundesgebiet ähnliche Verträge mit vergleichbarem Inhalt und vergleichbarer Vergütungsstruktur mit den jeweiligen Hausarztgemeinschaften vereinbart hätten. Es seien keine wesentlichen Vertragsbestandteile ungeregelt geblieben. Soweit den Vertragspartnern überlassen worden sei, im späteren Verlauf Umsetzungsaufgaben und Steuerungsmodule, zB für den Bereich der Arzneimittelverordnung selbst zu verhandeln, sei dies sachgerecht, weil die Vertragspartner damit auf die sich ständig ändernden Arzneimittelrabattverträge reagieren könnten. Auch würden Vorschriften zum Datenschutz nicht verletzt. Maßgebend für die Beurteilung sei die aktuelle Rechtslage und nicht die Rechtslage, die bei Erlass des Schiedsspruchs gegolten habe. Die im Schiedsspruch vorgesehene Verwendung eines "gekapselten Kerns" sei auch nach Auffassung des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht nicht zu beanstanden. Soweit sich die Klägerin gegen die im Vertrag enthaltene Befugnis zur Führung von Musterverfahren unter Verwendung personenbezogener Daten wende, sei darauf hinzuweisen, dass die HÄVG keine Musterverfahren führe. Die Klägerin sei im Übrigen nicht legitimiert, im vorliegenden Verfahren Datenschutzrechte der Patienten geltend zu machen. Bezogen auf die geltend gemachten Widersprüche zwischen dem Vertrag zur HzV und den Satzungsregelungen der Klägerin habe das LSG zutreffend die Auffassung vertreten, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV der Satzung vorgingen. Mit dem vorliegenden Klageverfahren unterlaufe die Klägerin den gesetzlichen Kontrahierungszwang. Die Klägerin sei verpflichtet, ihren Versicherten eine HzV anzubieten und mit qualifizierten Gemeinschaften einen Vertrag zur HzV zu schließen. Gleichwohl habe die Klägerin bis heute die Umsetzung des weiterhin geltenden Vertrages verweigert und auch keinen Antrag auf Verpflichtung zur Neufestsetzung des Vertrages zur HzV mit den von ihr begehrten Modifizierungen gestellt.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin hat nur insoweit Erfolg, als die Unvereinbarkeit von Regelungen des Vertrages zur HzV mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen festzustellen war. Im Übrigen hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

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1. Das SG war zur Entscheidung im ersten Rechtszug nach § 8 SGG sachlich zuständig, da einer der in § 29 Abs 2 SGG geregelten Sonderfälle der sachlichen Zuständigkeit der Landessozialgerichte für eine Entscheidung im ersten Rechtszug nicht vorliegt. Insbesondere liegt keine Klage gegen Entscheidungen der Landesschiedsämter oder gegen Beanstandungen von Entscheidungen der Landesschiedsämter nach dem SGB V, gegen Entscheidungen der Schiedsstellen nach § 120 Abs 4 SGB V, der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI oder der Schiedsstellen nach § 80 SGB XII vor. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Entscheidung einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Aufzählung in § 29 Abs 2 SGG ist abschließend, sodass die Vorschrift nicht entsprechend anwendbar ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 29 RdNr 4; Schreiber in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 29 RdNr 8; Ulrich, NZS 2011, 448, 451 ff; zur Bestimmung einer Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 13 f, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

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2. Die mit dem Antrag zu 1. erhobene Anfechtungsklage ist nicht statthaft und damit unzulässig.

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a) Nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGG muss sich die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt richten. Die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson nach § 73b SGB V ist jedoch nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergangen und die Schiedsperson hat auch nicht für sich in Anspruch genommen, durch Verwaltungsakt entscheiden zu können(zur Zulässigkeit von Klagen auch gegen einen sog "formellen Verwaltungsakt" vgl BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 16). Für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage genügt nicht, dass die Klägerin das Vorliegen eines Verwaltungsakts geltend macht (stRspr vgl BSGE 39, 86, 87 = SozR 2200 § 628 Nr 1 S 2, mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 8a).

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b) Für die Beurteilung der Frage, ob die Entscheidung der Schiedsperson, gegen die sich die Klägerin wendet, in der Form eines Verwaltungsakts ergangen ist, ist in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Entscheidung der Schiedsperson am 9.9.2010 maßgebend. Nur wenn die Schiedsperson zu diesem Zeitpunkt Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X gewesen ist, konnte sie einen Verwaltungsakt erlassen. Später eingetretene Änderungen hätten keinen Einfluss mehr auf die rechtliche Qualifizierung des zuvor ergangenen Schiedsspruchs. Es kommt demnach darauf an, ob die Schiedsperson nach der zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts geltenden Rechtslage Behörde war und ob ihre Entscheidung unter Zugrundelegung dieser Rechtslage als Verwaltungsakt anzusehen war. Dies ist indes nicht der Fall und daran hat sich im Übrigen in der Folge auch nichts geändert.

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c) Schiedspersonen, die Verträge zur HzV festsetzen, wenn eine Einigung zwischen einer Krankenkasse und der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaft von Allgemeinärzten nicht zustande kommt, werden - ebenso wie Schiedspersonen im Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V - als Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB und nicht als Behörde tätig. Der Schiedsspruch ergeht deshalb auch nicht in der Form eines Verwaltungsakts, sondern ersetzt die Einigung der Parteien. Dies folgt neben dem Wortlaut in erster Linie aus der Entstehungsgeschichte der Regelung und dem darin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers.

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aa) Verwaltungsakte können nach § 31 Satz 1 SGB X nur von einer Behörde erlassen werden. Nach § 1 Abs 2 SGB X ist Behörde im Sinne des Sozialgesetzbuches jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Danach gilt ein weiter, sog funktionaler Behördenbegriff, der neben den Verwaltungsbehörden im organisatorischen Sinne auch alle sonstigen Einrichtungen, Organe und Stellen einschließt, die aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts mit der Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten, zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge im eigenen Namen oder zu sonstigen, nach öffentlichem Recht zu beurteilenden Handeln ausgestattet sind (vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 14; BSGE 60, 239 = SozR 1300 § 45 Nr 26; BSGE 63, 224 = SozR 1300 § 48 Nr 47; BSGE 77, 295 = SozR 3-1300 § 45 Nr 27).

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Dass die Schiedsämter und Schiedsstellen im Bereich des SGB V unter diesen weiten funktionalen Behördenbegriff fallen, ist in der Rechtsprechung seit langem geklärt (vgl BSGE 20, 73, 75 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSGE 87, 199, 200 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3300 § 89 Nr 1 RdNr 11; BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 20, 41). Eine solche grundsätzliche Klärung fehlt bisher für die Schiedsperson, die der Gesetzgeber mit der Änderung des § 132a SGB V (Versorgung mit häuslicher Krankenpflege) durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) erstmals im SGB V anstelle von Schiedsämtern und Schiedsstellen für die außergerichtliche Schlichtung vorgesehen hat. In den folgenden Jahren ist die außergerichtliche Streitschlichtung durch Schiedspersonen auf weitere Bereiche ausgedehnt worden: Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) wurde die Schlichtung im Bereich der stationären und ambulanten Hospizleistungen nach § 39a Abs 1 Satz 7 bis 9 SGB V einer Schiedsperson übertragen. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) wurde die Schlichtung durch eine Schiedsperson bei Streitigkeiten um die Finanzierung der Landesverbände der Krankenkassen (§ 211 Abs 4 Satz 4 SGB V) und mWv 1.1.2009 auch für die hausarztzentrierte Versorgung (§ 73b Abs 4a SGB V) sowie die Hilfsmittelversorgung (§ 127 Abs 1a Satz 2 bis 4 SGB V)vorgesehen. Inzwischen ist die Schlichtung durch Schiedspersonen Gegenstand auch der Heilmittelversorgung (§ 125 Abs 2 Satz 4 bis 6 SGB V), des klinischen Krebsregisters (§ 65c Abs 6 Satz 8 bis 12 SGB V) und der Versorgung mit Schutzimpfungen (§ 132e Abs 1 Satz 3 bis 5 SGB V).

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Ob auch die Entscheidungen von Schiedspersonen als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X anzusehen sind, war von Anfang an umstritten(vgl zB Schnapp, NZS 2010, 241, 245 mwN; Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 17 ff). In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wurde die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V in der Regel als Vertragshelfer qualifiziert, deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, während Entscheidungen der Schiedsperson in der HzV wohl überwiegend als Verwaltungsakt angesehen wurden(LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 84 ff; LSG Hamburg Beschluss vom 18.8.2011 - L 1 KA 24/11 B ER; in dieser Richtung, aber letztlich offenlassend: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 37 f = Juris RdNr 25, 45 f; ausdrücklich offengelassen: LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 32 und Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 58/10 B ER - Juris RdNr 61; anders dagegen : Bayerisches LSG Beschluss vom 17.1.2011 - L 12 KA 123/10 B ER - Breith 2011, 281, 285). Für die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V wurde diese Frage durch Urteil des 3. Senats vom 25.11.2010 (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) geklärt. Danach ist jedenfalls diese Schiedsperson keine Behörde. Dementsprechend ergeht deren Entscheidung auch nicht als Verwaltungsakt. Vielmehr wird die Schiedsperson als öffentlich-rechtlicher Schlichter und Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB tätig.

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Ausschlaggebend für die Einordnung der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde war nach der genannten Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010, dass diese zwar den Inhalt öffentlich-rechtlicher Verträge festlege, wobei es sich um eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit handele. Die Schiedsperson erhalte ihre Entscheidungsmacht jedoch unmittelbar von den Vertragsparteien des § 132a SGB V selbst, die auch den das Schiedsverfahren regelnden Vertrag zur Konfliktlösung abschließen. Daraus hat der 3. Senat den Schluss gezogen, dass es sich - ungeachtet des Umstands, dass die Vertragsparteien zur Verabredung des Schiedsverfahrens gesetzlich verpflichtet sind - um ein vertraglich vereinbartes Schiedsverfahren handele. Die Schiedsperson sei auch kein Beliehener, weil es an einem öffentlich-rechtlichen Akt der Beleihung fehle. Ferner existiere keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger und anders als Schiedsstellen und Schiedsämter unterliege die Schiedsperson auch keiner Rechtsaufsicht. Das Verfahren der Schlichtung durch die Schiedsperson sei nicht gesetzlich geregelt. Die Funktion als Schiedsperson sei an die Person des Berufenen gebunden, sodass keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution einer Schiedsstelle existiere.

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bb) Die Regelungen zur Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V entsprachen bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend derjenigen zu der - nicht als Behörde zu qualifizierenden - Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V. Grundsätzlich obliegt es auch hier den Vertragsparteien, sich auf die Schiedsperson zu einigen. Nur für den Fall, dass die Vertragsparteien sich auch darüber nicht einigen können, sieht § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V die Bestimmung der Schiedsperson durch die für die Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde vor. Ebenso wie nach § 132a Abs 2 SGB V gibt es nach § 73b SGB V weder eine Rechtsaufsicht über die Schiedsperson noch eine Regelung zum Schiedsverfahren. Ferner existiert keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution und keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger.

31

Zwar können hoheitliche Aufgaben durch Beleihung auch einer natürlichen Person übertragen werden. Dies erfordert jedoch eine Übertragung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Rechtsverordnung, Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl BVerwG NVwZ 2006, 829; BVerfG NJW 1987, 2501, 2502; BVerwGE 98, 280, 298; Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 1 RdNr 11; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl 2014, § 1 RdNr 60; Wiegand, Die Beleihung mit Normsetzungskompetenz, 2008, 155 f). § 73b Abs 4a SGB V regelt eine Beleihung der Schiedsperson jedenfalls nicht ausdrücklich. Gegen die Annahme, dass in der dort geregelten Bestimmung der Schiedsperson gleichwohl eine Beleihung liegt, spricht, dass das Gesetz keinerlei Festlegungen oder Vorgaben zu deren Auswahl trifft, sondern diese vorrangig den Vertragsparteien überlässt (vgl Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 250). Angesichts des Umstands, dass der Wortlaut die Frage nach einer Beleihung jedenfalls nicht eindeutig beantwortet, kann die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur dann als Beliehene angesehen werden, wenn systematische Gründe, die Entstehungsgeschichte oder Sinn und Zweck der Reglung dafür sprechen würden, dass der Gesetzgeber der Schiedsperson die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben übertragen wollte. Dies ist aus den nachfolgend genannten Gründen jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG gerade klargestellt, dass der Schiedsperson nach § 73b SGB V - in Übereinstimmung mit der Schiedsperson nach § 132a SGB V - keine hoheitlichen Aufgaben übertragen werden sollen.

32

cc) Im Gegensatz zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V hat der 3. Senats des BSG die Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26) nicht eindeutig dem Modell "Vertragshelfer" zugeordnet, sondern diese Frage ausdrücklich offengelassen. Dabei hat der 3. Senat dem Umstand Bedeutung beigemessen, dass § 73b SGB V keine § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V entsprechende Regelung enthält, nach der die Vertragsparteien in Verträgen zu regeln haben, dass im Falle von Nichteinigung eine von den Parteien zu bestimmende unabhängige Schiedsperson den Vertragsinhalt festlegt. Daraus hat der 3. Senat gefolgert, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V im Rahmen eines gesetzlich normierten und nicht eines - wie bei § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V - vertraglich vereinbarten Schiedsverfahrens tätig werde. In der praktischen Umsetzung wirkt sich dieser Unterschied allerdings kaum aus, weil die Vertragspartner nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V nicht frei darüber entscheiden können, ob sie die Festlegung des Vertragsinhalts einer Schiedsperson übertragen, sondern verpflichtet sind, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Falls zwischen den Vertragspartnern eine Einigung auf eine Schiedsperson nicht erzielt werden kann, wird sowohl die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als auch die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V von der für die vertragsschließende Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Dabei kann die Bestimmung einer Schiedsperson durch die zuständige Aufsichtsbehörde auch nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V nicht davon abhängig sein, dass zuvor eine Vereinbarung nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V zustande gekommen ist, nach der der Vertragsinhalt von einer Schiedsperson festgelegt wird(vgl dazu Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 8). Damit bestehen insoweit keine rechtlich bedeutsamen Unterschiede zwischen dem Schiedsverfahren in der HzV und dem Schiedsverfahren in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege (so auch Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15e).

33

dd) Ein Indiz, das gegen die Qualifizierung der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer und für eine Einordnung des Schiedsspruchs als Verwaltungsakt sprechen könnte, hat der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 40, auch zur Veröffentlichung für BSGE vorgesehen) ferner in dem Umstand gesehen, dass § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ausschloss. Diese Regelung konnte den Eindruck erwecken, dass der Gesetzgeber die Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Verwaltungsakte angesehen haben könnte, weil sie gesetzessystematisch nur einen Sinn ergibt, wenn es sich bei der angegriffenen Entscheidung der Schiedsperson um einen Verwaltungsakt handelt. Schließlich bezieht sich die aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs 1 SGG auf den Widerspruch und auf die Anfechtungsklage, die sich grundsätzlich gegen einen Verwaltungsakt richten müssen.

34

Dagegen konnte auch nicht - wie in der Begründung des Schiedsspruchs - mit Erfolg eingewandt werden, die Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts durch einen Vertragshelfer bewirke in entsprechender Anwendung zivilrechtlicher Bestimmungen, dass der Vertrag während der Dauer des Rechtsstreits nicht umsetzbar sei und die Formulierung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF, nach der die Klage keine aufschiebende Wirkung habe, könne aus diesem Grund nicht als Indiz für die rechtliche Einordnung der Entscheidung der Schiedsperson als Verwaltungsakt herangezogen werden.

35

(1) Die Auffassung, nach der die von der Schiedsperson getroffene Bestimmung zum Vertragsinhalt während eines Klageverfahrens um deren Rechtmäßigkeit nicht beachtet werden müsse, trifft nicht zu. Für zivilrechtliche Verträge wird die Frage, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen die offenbare Unbilligkeit der Bestimmung einer Leistung durch einen Dritten nach § 319 Abs 1 Satz 1 BGB die Unbeachtlichkeit der Entscheidung des Dritten zur Folge hat, nicht einheitlich beantwortet. Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass die offenbar unbillige Leistungsbestimmung bereits unabhängig von der Erhebung einer Einrede oder einer Klagerhebung unwirksam sei (Rieble in Staudinger, BGB, Leistungsstörungsrecht 2, Neubearbeitung 2009, § 319 RdNr 17 f; zu § 315 Abs 3 BGB vgl LG Mainz Urteil vom 5.3.2007 - 5 O 94/06 - Juris). Dagegen wird eingewandt, dass die offenbare Unbilligkeit nicht die Nichtigkeit bedeute (vgl OLG Frankfurt am Main Urteil vom 3.12.1998 - 3 U 257/97 - NJW-RR 1999, 379 = Juris RdNr 25) und dass auch die unbillige Bestimmung des Dritten binde, bis sie durch Gerichtsurteil ersetzt werde (Würdinger in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl 2012, § 319 RdNr 23). Dies soll aber nach wohl hM nicht für den Fall gelten, dass die offenbare Unbilligkeit von einem Vertragspartner binnen angemessener Frist geltend gemacht wird (vgl OLG Frankfurt am Main, aaO, mwN; Wolf in Soergel, BGB, Bd 2, 12. Aufl 1990, § 319 RdNr 16; zur ähnlichen Regelung in § 315 Abs 3 BGB vgl Grüneberg in Palandt, BGB, 74. Aufl 2015, § 315 RdNr 16; zur Fälligkeit einer Forderung bei einer Schiedsgutachtenvereinbarung im Falle des Übergangs der Leistungsbestimmung nach § 319 Abs 1 Satz 2 BGB auf das Gericht erst mit Rechtskraft des Urteils vgl BGH Urteil vom 4.7.2013 - III ZR 52/12 - NJW-RR 2014, 492 RdNr 32 ff, mwN). Dagegen geht das BAG im Zusammenhang mit der Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber in entsprechender Anwendung des § 315 Abs 3 BGB davon aus, dass der Arbeitnehmer an die Konkretisierung des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden sei, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe(BAG Urteil vom 22. 2.2012 - 5 AZR 249/11 - BAGE 141, 34 = AP Nr 127 zu § 615 BGB = NJW 2012, 2605, RdNr 24, mwN).

36

Auf die Festsetzung des Vertrages zur HzV durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V sind die genannten, zu zivilrechtlichen Verträgen entwickelten, ohnehin nicht einheitlichen Positionen - entgegen der in der Begründung der Entscheidung der Schiedsperson vertretenen Auffassung(vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 Fn 61) - nicht ohne Weiteres übertragbar. Für Verträge, die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern zum Gegenstand haben, gelten die Vorschriften des BGB und damit auch die Regelungen zur Bestimmung der Leistungen durch einen Dritten (§§ 317 ff BGB) gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nur entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Daher kann bei der entsprechenden Anwendung der §§ 317 ff BGB nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 1 SGB V verpflichtet sind, ihren Versicherten eine besondere hausarztzentrierte Versorgung anzubieten. Die entsprechende Geltung der Vorschriften des BGB ändert zudem nichts daran, dass es sich bei dem Vertrag nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V zwischen Krankenkassen und den die Hausärzte vertretenden Gemeinschaften um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 Abs 1 SGB X handelt, weil durch ihn ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet, geändert oder aufgehoben wird. Insofern gilt für Verträge in der HzV nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V nichts anderes als für Verträge zur Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V(vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 6 RdNr 18 f; BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 23)oder auch für die Bundesmantelverträge und Gesamtverträge, die (auch) als öffentlich-rechtliche Verträge zu qualifizieren sind (vgl BSGE 70, 240, 243 = SozR 3-5533 Allg Nr 1 S 4; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14). Für das gerichtliche Verfahren bleiben die Vorschriften des SGG maßgebend. Nach § 86a Abs 1 SGG kommt zwar Klagen gegen belastende Verwaltungsakte aufschiebende Wirkung zu. Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise für Klagen, mit denen die Rechtswidrigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages geltend gemacht wird. Öffentlich-rechtliche Verträge sind wirksam, auch soweit sie rechtswidrig aber nicht nichtig sind (vgl Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 58 RdNr 2). Zur Nichtigkeit führt nur ein besonders schwerwiegender Mangel (zu gesamtvertraglichen Vereinbarungen vgl zB BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14 f). Der Umstand, dass die Partner des Vertrages zur HzV die Möglichkeit haben, gerichtlich mit der Feststellungsklage die Rechtswidrigkeit von Regelungen des Vertrages geltend zu machen, der durch Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommen ist (vgl dazu nachfolgend 4.), ändert daran nichts. Im Ergebnis hat dies zur Folge, dass der durch die Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommene Vertrag, der nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, vorbehaltlich seiner Nichtigkeit umzusetzen ist, solange dessen Rechtswidrigkeit nicht rechtskräftig festgestellt worden ist (vgl bereits Nr 11 der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines GKV-VStG, BT-Drucks 17/7274 S 29; zu einer vom Bundesrat gewünschten Klarstellung mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Abhängigkeit vom Ausgang des vorliegenden Verfahrens vgl die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks 18/4095, Anlage 4 Nr 22; aA: Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 f). Bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens um die Rechtmäßigkeit des von der Schiedsperson festgesetzten Vertrages kann die Pflicht zur Umsetzung des Vertrages nur durch eine einstweilige Anordnung des Gerichts nach § 86b Abs 2 SGG beseitigt werden.

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(2) Auch wenn angenommen würde, dass die in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF getroffene Regelung zur fehlenden aufschiebenden Wirkung der Klage allein im Sinne einer Klarstellung sicherstellen sollte, dass Schiedssprüche während eines Klageverfahrens zunächst umgesetzt werden, erklärt dies nicht ohne Weiteres die gewählte Formulierung, weil die Verwendung des Begriffs der aufschiebenden Wirkung den Bezug zu § 86a Abs 1 SGG und zu der dort geregelten aufschiebenden Wirkung von Klagen gegen Verwaltungsakte herstellt.

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Danach stimmte die gesetzliche Regelung zur Schiedsperson in der Versorgung mit Haushaltshilfe nach § 132a Abs 2 SGB V zwar weitgehend mit der Regelung zur Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V überein. Mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts enthielt § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF jedoch eine Regelung, die in § 132a SGB V keine Entsprechung findet und die als Indiz für die Charakterisierung des Schiedsspruchs in der HzV als Verwaltungsakt herangezogen werden konnte.

39

ee) Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber auf die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V reagiert und mit dem GKV-VStG die aufschiebende Wirkung auf Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson beschränkt. Eine Regelung, nach der Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts keine aufschiebende Wirkung haben, gibt es seitdem nicht mehr. Ferner wurde mit dem GKV-VStG § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V angefügt. Danach richten sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

40

Die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) bestätigt, dass auf diesem Weg bestehende Unklarheiten bezogen auf die rechtliche Einordnung des Schiedsverfahrens in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V ausgeräumt werden sollten und dass - ebenso wie für den Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V - eine eindeutige Einordnung der Schiedsperson als Vertragshelfer erfolgen sollte. Die Einschränkung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V wird damit begründet, dass durch die bisherige Formulierung der Eindruck habe entstehen können, es handele sich bei dem Schiedsspruch um einen Verwaltungsakt. Mit der Streichung werde "klargestellt, dass dies nicht der Fall ist, sondern dass die Schiedsperson analog § 317 BGB als Vertragshelfer tätig wird". Inhaltlich knüpft die Gesetzesbegründung damit an die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege an. Dies wird in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) verdeutlicht, in der unter ausdrücklichem Hinweis auf die genannte Entscheidung des 3. Senats des BSG ausgeführt wird, dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V eine Klarstellung in Richtung auf die Einordnung auch der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer herbeigeführt werden soll. Davon ist im Übrigen auch der 3. Senat in einer Entscheidung vom 8.10.2014 (B 3 KR 7/14 R - SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) ausgegangen.

41

Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 73b Abs 4a SGB V mit dem GKV-VStG auch auf die "insoweit vergleichbare(n) Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII"(BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) Bezug nehme. Zutreffend ist allerdings, dass Entscheidungen der Schiedsstellen zur Vergütung von Einrichtungen und Diensten im Bereich der Sozialhilfe nach ständiger Rechtsprechung in der Form eines Verwaltungsakts ergehen. Dies hat das BVerwG bereits zu der § 80 SGB XII im Wesentlichen entsprechenden Vorgängerregelung des § 94 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entschieden(vgl BVerwGE 108, 47). Daran hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78 = Juris RdNr 14; anders zunächst der 3. Senat des BSG: BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4)auch nach der Einführung des § 93b Abs 1 Satz 4 BSHG festgehalten, der bestimmte, dass die Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist. Der Qualifizierung dieses Schiedsspruchs als Verwaltungsakt hat sich der für Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständige 8. Senat des BSG bezogen auf die seit dem 1.1.2005 geltende entsprechende Rechtslage mit einer entsprechenden Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII angeschlossen(BSG SozR 4-3500 § 77 Nr 1, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage in diesem Verfahren "sui generis" vgl auch BSG SozR 4-3500 § 76 Nr 1 RdNr 12, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

42

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus all dem jedoch nicht geschlossen werden, dass mit dem Hinweis auf § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII die im ersten Teil der Gesetzesbegründung eindeutig zum Ausdruck kommende Orientierung am "Vertragshelfermodell" wieder in Frage gestellt würde. Die Formulierung in der Gesetzesbegründung, nach der sich die Regelung "am Wortlaut der insoweit vergleichbaren Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII" orientiert, bezieht sich erkennbar allein auf die Anfügung des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ("Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson."). Dies wird zum einen durch die Verwendung des Wortes "insoweit" und zum anderen daran deutlich, dass nicht der gesamte § 77 Abs 1 SGB XII in Bezug genommen wird, sondern allein dessen Satz 5, der mit dem eingefügten § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V fast wörtlich übereinstimmt. Die Streichung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson wird also nicht mit Hinweis auf § 77 Abs 1 SGB XII begründet, sondern mit dem Ziel klarzustellen, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde tätig wird. Allein bezogen auf die Ergänzung des § 73b Abs 4a SGB V um einen neuen Satz 5 verweist die Gesetzesbegründung auf die fast wortgleiche Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII.

43

Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des BVerwG war die Regelung, nach der sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen die Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson richten, im Übrigen auch nicht Anknüpfungspunkt für die Einordnung des Schiedsspruchs im Sozialhilferecht als Verwaltungsakt. Das BVerwG (vgl BVerwGE 116, 78, 82 f) hat die Entscheidung der Schiedsstelle keineswegs wegen der Regelung, nach der die Klage gegen die andere Vertragspartei zu richten ist, als Verwaltungsakt qualifiziert, sondern vielmehr trotz der Einführung dieser Regelung und entgegen einer in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung (Münder in LPK-BSHG, 5. Aufl 1998, § 94 RdNr 2; Gottlieb, NDV 2001, 257, 261; Wabnitz, ZfJ 2001, 33, 37; vgl auch BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4) an seiner bereits zuvor bestehenden Rechtsprechung zur Einordnung des Schiedsspruchs nach § 77 Abs 1 SGB XII als Verwaltungsakt festgehalten.

44

Im Übrigen - also mit Ausnahme des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V - unterscheidet sich die Regelung zum Schiedsverfahren nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII grundlegend von der zur Festlegung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Qualifizierung der Schiedsstelle nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII als Behörde und deren Schiedsspruch als Verwaltungsakt stehen deshalb nicht im Widerspruch zur Einordnung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer. Abgesehen davon, dass nach § 77 Abs 1 Satz 3 SGB XII nicht eine natürliche Person, sondern eine Schiedsstelle entscheidet, die gemäß § 80 Abs 2 Satz 1 SGB XII mit Vertretern der Vertragsparteien und einem unparteiischen Vorsitzenden besetzt ist, spricht für den Charakter dieser Schiedsstelle als Behörde auch die Formulierung in § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII, nach der es einer Nachprüfung der Entscheidung in einem Vorverfahren nicht bedarf. Genau diese Formulierung (die sich vor dem 1.1.2005 in § 93b Abs 1 Satz 5 BSHG und vor der Einführung des § 93b BSHG zum 1.1.1999 in § 93 Abs 3 Satz 4 Halbsatz 1 BSHG fand) hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78, 81 f) zur Begründung seiner Auffassung herangezogen, dass der Gesetzgeber diese Schiedsstellenentscheidung - trotz der Regelung, nach der eine Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist - als Verwaltungsakt ausgestalten wollte. Eine § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII entsprechende Formulierung findet sich in § 73b Abs 4a SGB V aber nicht.

45

ff) Danach ist mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG geklärt, dass es sich bei der Schiedsperson, die im Konfliktfall den Inhalt des Vertrages zur HzV feststellt, nicht um eine Behörde handelt und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht(ebenso: Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15d, 15f; Huster in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 17; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 251; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 22; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 23; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 64; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b RdNr 69; SG München Urteil vom 16.7.2014 - S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 27; aA Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1; LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 3.6.2014 - L 7 KA 12/14 B ER - Juris).

46

gg) Die Zuordnung der Schiedsperson für die HzV zum Modell "Vertragshelfer" anstelle des Modells "Schiedsamt" bezieht sich nicht allein auf die Zeit seit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1.1.2012. Wie oben dargelegt, entsprach § 73b Abs 4a SGB V bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend der für die häusliche Krankenpflege geltenden Regelung zur Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V, für die jedenfalls seit der Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) die Einordnung als Vertragshelfer geklärt ist. Die rechtliche Einordnung des Schiedsspruchs der Schiedsperson in der HzV war gleichwohl bis zum Inkrafttreten des GKV-VStG zum 1.1.2012 nicht geklärt, sondern in der og Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 ausdrücklich offengelassen worden. Unter diesen Umständen war der Gesetzgeber nicht gehindert, eine Klarstellung herbeizuführen. Dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V sowie der Anfügung eines neuen Satzes 5 die in der og Entscheidung des 3. Senats des BSG vom 25.11.2010 offengelassene Frage geklärt werden sollte und dass die Regelung somit nur der Klarstellung des bereits zuvor Gewollten dienen sollte, kommt sowohl in der Begründung des Regierungsentwurfs eines GKV-VStG (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Nr 13) als auch in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) eindeutig zum Ausdruck.

47

3. Die Klägerin kann auch nicht - entsprechend dem Antrag zu 2. - die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V erreichen.

48

Soweit der 3. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V von der Statthaftigkeit einer sog Ersetzungsklage ausgegangen ist, mit der dem Gericht aufgegeben werden soll, den Inhalt des Vertrages bei Unbilligkeit der Festlegungen der Schiedsperson zu bestimmen, folgt der Senat dem für die HzV nach § 73b SGB V nicht. §§ 317 ff BGB treffen Regelungen für Konstellationen, in denen sich die Parteien zuvor aus freiem Willen auf eine Schiedsperson geeinigt haben, der die Aufgabe übertragen wird, den Vertrag rechtsgestaltend zu ergänzen. Die Schiedsperson hat also lediglich vertragsausfüllende und vertragsergänzende Funktion (vgl Schnapp, NZS 2010, 241, 245, mwN). Auf die Verträge zur HzV, deren Inhalt vollständig gegen den Willen der Krankenkasse von einer durch die zuständige Aufsichtsbehörde bestimmten Schiedsperson festgelegt werden kann (vgl § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 und 2 SGB V), sind diese Bestimmungen im Rahmen der nur entsprechenden Anwendung nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nicht uneingeschränkt übertragbar. Davon ist im Grundsatz auch schon der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 33) bezogen auf das Schiedsverfahren nach § 132a Abs 2 SGB V ausgegangen, indem er abweichend von § 319 Abs 1 Satz 1 BGB nicht darauf abgestellt hat, ob die durch die Schiedsperson getroffene Bestimmung "offenbar unbillig" ist, sondern die einfache "Unbilligkeit" als Voraussetzung für die Ersetzung des Schiedsspruchs durch die Entscheidung des Gerichts genügen lässt.

49

Der Überlegung, das Gericht könne im Falle der Unbilligkeit den Inhalt der Entscheidung der Schiedsperson ersetzen, liegt die Vorstellung zugrunde, vom Gericht werde ein punktuelles Eingreifen oder die Entscheidung bezogen auf einzelne zwischen den Vertragsparteien umstrittene Punkte verlangt. So liegen die Dinge etwa im Bereich des § 65c Abs 6 Satz 8 SGB V bei der Höhe der Meldevergütungen zum klinischen Krebsregister. Dabei geht es um die Vergütungshöhe für bestimmte Leistungen, die in angemessener Höhe festzusetzen sind. Bei der Festlegung des Inhalts der Verträge zwischen Krankenkassen und den Erbringern von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V stehen zumindest nach den bisherigen gerichtlichen Erfahrungen die "Preise" für die Leistungen im Mittelpunkt des Konflikts der Vertragspartner, obwohl der Schlichtungsauftrag der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 1 und 6 SGB V weitergehen kann. Ob für solche eher punktuellen Festlegungen die Ersetzungsklage mit der Konsequenz der abschließenden Entscheidung durch ein Gericht sachgerecht ist, lässt der Senat offen; er muss deshalb auch nicht beim 3. Senat anfragen, ob dieser an seiner Rechtsprechung dazu festhält. Jedenfalls ist diese Konzeption auf die Verträge nach § 73b SGB V nicht übertragbar.

50

Gerichte können nicht umfassende Vertragswerke festsetzen, Regelungen über den Datenaustausch formulieren und die Beziehungen der Partner der Verträge untereinander vollständig regeln (zu § 132a Abs 2 SGB V vgl die Bedenken von Plantholz, RsDE 64<2007>, 1, 20 f, 23). Die dazu erforderliche Kenntnis nicht zuletzt der technischen Abläufe und deren Gestaltbarkeit ist bei den Gerichten ohne die Kooperation der Vertragspartner, auf die die Schiedsperson setzen kann, nicht vorhanden; insoweit müssten regelmäßig Sachverständige hinzugezogen und möglicherweise sogar mit der Formulierung beauftragt werden. Die Gerichte könnten nur punktuell - etwa bei der Höhe der Vergütung der teilnehmenden Ärzte - nach dem Maßstab der Angemessenheit entscheiden. Soweit ersichtlich, gibt es bisher auch keine sozialgerichtliche Entscheidung, in der ein durch eine Schiedsperson festgesetzter komplexer Vertrag wegen Unbilligkeit aufgehoben und durch einen gerichtlich festgesetzten Vertragsinhalt ersetzt worden wäre.

51

Aus den genannten Gründen muss sich die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V an dem Muster der Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V orientieren: Das Gericht prüft, ob die von einem der Beteiligten gerügten Festsetzungen mit höherrangigem Recht unvereinbar sind, bezeichnet ggf solche Rechtsverstöße und stellt weiter die Verpflichtung der Vertragspartner fest, diese Verstöße zu beseitigen. Wenn das im Wege freier Verhandlungen nicht gelingt, muss erneut eine Schiedsperson tätig werden, die - wie die Partner auch - an die Rechtsauffassung gebunden ist, die dem Feststellungsurteil zugrunde liegt.

52

Der naheliegende Einwand gegen diese Rechtsschutzkonzeption, dass eine abschließende Festlegung des Vertragsinhalts nicht zeitnah gewährleistet wird, greift im Ergebnis nicht durch. Es erscheint bereits fraglich, ob die Festsetzung des komplexen Inhalts eines Vertrages zur HzV durch ein für derartige Aufgaben nicht ausgestattetes Gericht oder eine Festlegung des Vertragsinhalts unter Einbeziehung von Sachverständigen, die das Gericht zu bestellen hätte, zu einer Beschleunigung des Verfahrens beitragen könnten. Auch kann dahingestellt bleiben, ob dem Einwand der Klägerin zu folgen ist, dass die Gestaltung des vollständigen Vertragsinhalts durch das Gericht - die im Verwaltungsprozessrecht sonst keine Entsprechung finden dürfte - in Widerspruch zum Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art 20 Abs 2 Satz 2 GG geriete, weil die Gerichte allein dazu berufen sind, Verwaltungshandeln zu kontrollieren (vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 7 f unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 13 sowie BSGE 90, 42, 44 = SozR 3-8570 § 4 Nr 4). Ausschlaggebend ist, dass der Gesetzgeber den Weg der gerichtlichen Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen - und nicht deren Ersetzung durch die Gerichte - auch sonst im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung - und zwar gemäß § 89 Abs 1a SGB V auch für gesetzlich vorgeschriebene Verträge - gewählt hat. Selbst wenn ein gesetzlich vorgeschriebener Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung nicht zustande kommt und keine der Parteien bei dem Schiedsamt einen Antrag auf Herbeiführung der Einigung stellt, sieht § 89 Abs 1a Satz 1 SGB V keine Ersetzung durch die Aufsichtsbehörde, sondern lediglich ein Recht der Aufsichtsbehörde zur Anrufung des Schiedsamts vor. Solange das Schiedsamt überhaupt fristgerecht tätig wird, beschränkt sich auch die Kontrolle der Entscheidung durch die Aufsichtsbehörden gemäß § 89 Abs 5 Satz 5 SGB V auf Rechtsverstöße. Eine Festsetzung des Vertragsinhalts durch die für das Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde sieht der mit dem GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, 2210) eingeführte § 89 Abs 1 Satz 5 SGB V nur ausnahmsweise für den Fall vor, dass das Schiedsamt auch nach Fristsetzung durch die Aufsichtsbehörde untätig bleibt. Die daraus erkennbar werdende Konzeption des Gesetzgebers, zumindest im Bereich des SGB V Schiedssprüche im Regelfall nicht durch Entscheidungen der Aufsichtsbehörden und erst Recht nicht durch gerichtliche Entscheidungen zu ersetzen, sondern die Kontrolle auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit zu beschränken, ist auf die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V zu übertragen.

53

4. Richtige Klageart ist danach die Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 SGG), die die Klägerin hilfsweise erhoben hat. Diese ist auch zulässig, in der Sache aber nur zum geringen Teil begründet.

54

a) Der Zulässigkeit des in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Feststellungsantrags steht nicht entgegen, dass die Klägerin einen solchen im Revisionsverfahren bis zum Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung nicht formuliert hatte. Zwar darf das BSG über den Antrag grundsätzlich nicht hinausgehen und eine Klagänderung ist gemäß § 168 Satz 1 SGG im Revisionsverfahren unzulässig. Zulässig ist jedoch eine Erweiterung des Klagantrags im Sinne des § 99 Abs 3 SGG, soweit damit keine neuen Revisionsgründe geltend gemacht werden(vgl BSGE 31, 112, 113 = SozR Nr 55 zu § 164 SGG) und auch der Übergang von der Anfechtungsklage zur Feststellungsklage (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 99 RdNr 4 mwN). Ausschlaggebend ist, dass der historische Lebenssachverhalt, aus dem der Anspruch abgeleitet wird, unverändert geblieben ist (vgl BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 5). Das ist hier der Fall. Eine solche Erweiterung des Revisionsantrags ist auch noch nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung bis zum Schluss der mündlichen Revisionsverhandlung möglich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 10 mwN).

55

Die Klägerin hat die Klage zutreffend gegen die Beklagten als Parteien des Vertrages zur HzV gerichtet. Seit der Änderung durch das GKV-VStG regelt § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ausdrücklich, dass Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson zu richten sind. Dies galt aufgrund des Umstands, dass die Schiedsperson keine Behörde ist und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht (vgl oben 2.), auch bereits für die Zeit vor Inkrafttreten der gesetzlichen Klarstellung mWv 1.1.2012 und damit auch bereits zum Zeitpunkt der Klagerhebung am 9.9.2011 (zur Ersetzungsklage gegen die Entscheidung Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 30). Die Tätigkeit der Schiedsperson ist mit dem Erlass des Schiedsspruchs beendet (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen). Aus diesem Grund ist die Schiedsperson zu dem Verfahren um die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Vertragsinhalts auch nicht notwendig beizuladen (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 31).

56

b) Für die Begründetheit der Feststellungklage wird in der Regel auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21 mwN). Vorliegend ist jedoch - in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin - vom Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson am 9.9.2010 auszugehen. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs für den Zeitpunkt seines Ergehens geltend macht. Grundsätzlich hat sie an einer Klärung der Frage, ob der Vertrag zum Zeitpunkt seiner Festsetzung rechtmäßig war, auch ein berechtigtes Interesse. Später eintretenden Änderungen haben die Vertragsparteien gemäß § 22 Abs 2 Satz 2 des Vertrages nach den Grundsätzen von Treu und Glauben Rechnung zu tragen. Soweit diese vertragliche Regelung nicht eingreift, folgt die Möglichkeit zur Anpassung des Vertrages aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X, wobei die vertragliche Regelung Vorrang hat(vgl BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 1 RdNr 25). Nach § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X kann eine Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an geänderte Verhältnisse verlangen, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert haben, dass der Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Wenn eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, kann diese den Vertrag kündigen. Auch diese Vorschrift setzt voraus, dass Änderungen seit Abschluss des Vertrages eingetreten sind. Insofern ist für die Klägerin weiterhin von Interesse, ob der Schiedsspruch zum Zeitpunkt der Vertragsfestsetzung rechtmäßig war. Dagegen ist weder eine Anpassung noch die Kündigung des durch Schiedsspruch festgesetzten Vertrages Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, sodass es auf später eingetretene Änderungen grundsätzlich nicht ankommen kann. Die etwa infolge der Abschaffung der Praxisgebühr (Streichung des § 28 Abs 4 SGB V mit Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom 20.12.2012, BGBl I 2789) erforderlichen Anpassungen des Vertrages (vgl dazu ua § 2 Abs 4, § 13 des Vertrages) sind ersichtlich nicht aufgrund unterschiedlicher Auffassungen der Vertragspartner, sondern wegen der im Vordergrund stehenden grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten und der deshalb bisher nicht erfolgten Umsetzung des Vertrages unterblieben. Eine auf den Anpassungsbedarf bezogene gerichtliche Feststellung hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

57

Allerdings sind im vorliegenden Verfahren Änderungen der Rechtslage zu berücksichtigen, die Einfluss auf das Fortbestehen des Feststellungsinteresses der Klägerin haben. Für die Beurteilung des Feststellungsinteresses ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (zur Fortsetzungsfeststellungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 131 RdNr 10, 10i; vgl auch BSG SozR 4-2700 § 215 Nr 2 RdNr 11). Da der streitgegenständliche Vertrag zur HzV bisher nicht umgesetzt wurde, kann ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin nur bestehen, soweit es darauf für die noch bevorstehende Umsetzung des Vertrages ankommt. Bedeutung gewinnt diese Frage hier bezogen auf Vereinbarkeit des Vertrages mit Bestimmungen zum Datenschutz (vgl dazu im Einzelnen nachfolgend d ii, RdNr 90).

58

c) Die gerichtliche Kontrolle der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson richtet sich aus den og Gründen nach den in der Rechtsprechung zur Überprüfung von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V entwickelten Maßstäben. Danach unterliegt auch die Entscheidung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur in eingeschränktem Umfang der gerichtlichen Kontrolle(vgl die stRspr zu § 89 SGB V: BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 3 RdNr 18; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11 mwN). Die Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle berücksichtigt, dass Schiedspersonen - ebenso wie Schiedsämter - deren Sprüche Vereinbarungen der zum Vertragsabschluss berufenen Vertragspartner ersetzen, eine weite Gestaltungsfreiheit haben. Dies trägt dem Wesen der Schiedssprüche Rechnung, die auf Interessenausgleich angelegt sind und Kompromisscharakter haben (vgl BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5). Der Schiedsspruch ist daher nur daraufhin zu überprüfen, ob die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen beachtet und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten wurden. Mithin ist in formeller Hinsicht zu klären, ob das Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs festgestellt hat und der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennen lässt (stRspr zu § 89 SGB V vgl etwa: BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13). Die inhaltliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsperson den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (zum Schiedsamt vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 20 S 131; BSGE 86, 126, 135 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11). Die Prüfung beschränkt sich dabei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf die Beachtung von Vorschriften, die unmittelbar Rechte der Vertragsparteien zu schützen bestimmt sind (aA zur Frage der Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen auch: LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 188). Deren Betroffenheit in eigenen Rechten folgt bereits aus dem Umstand, dass sie Partner des durch die Schiedsperson festgesetzten Vertrages sind. Die Bindung an einen solchen Vertrag müssen sie nur hinnehmen, soweit die darin getroffenen Bestimmungen materiell rechtmäßig sind. Insofern hat der Umstand, dass der Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, keinen Einfluss auf den gerichtlichen Prüfungsumfang.

59

d) Die Überprüfung der Entscheidung der Schiedsperson anhand der genannten Maßstäbe ergibt, dass die Festsetzung des Vertragsinhalts allein bezogen auf die Vereinbarkeit mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz zu beanstanden ist. Im Übrigen entspricht der Schiedsspruch den rechtlichen Anforderungen.

60

aa) Einwände bezogen auf die Einhaltung verfahrensrechtlicher Anforderungen werden von den Beteiligten nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere durfte die Schiedsperson den Vertragsinhalt am 9.9.2010 festsetzen, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch ein Klageverfahren zur Frage der Rechtmäßigkeit der Bestimmung der Schiedsperson anhängig war. Da Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson gemäß § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V keine aufschiebende Wirkung haben, war die Schiedsperson trotz des anhängigen Klageverfahrens berechtigt (und verpflichtet), tätig zu werden(zur Bestellung einer Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 27, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

61

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht zu beanstanden, dass die Schiedsperson nicht allein den Beklagten zu 1. (Hausärzteverband, Landesverband Baden-Württemberg), sondern auch den Beklagten zu 2. (Medi Baden-Württemberg eV) als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag aufgenommen hat.

62

(1) Gemäß § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30.6.2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Nur die so definierten Gemeinschaften von Allgemeinärzten sind gemäß § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 SGB V berechtigt, die Einleitung eines Schiedsverfahrens zu verlangen. Diese Anforderungen müssen jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson erfüllt sein (so auch bereits Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 27; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 17.1.2011 - L 7 KA 66/10 B ER - Juris RdNr 5). Die genannten Voraussetzungen werden von den beiden Beklagten erfüllt.

63

(2) Mit dem Begriff der Allgemeinärzte sind nicht alle nach § 73 Abs 1a SGB V an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte angesprochen. Vielmehr wird der Begriff übereinstimmend mit § 73 Abs 1a Nr 1 SGB V verwendet, sodass darunter nur die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte fallen, die nach Landesrecht zur Führung der Bezeichnung "Arzt für Allgemeinmedizin" berechtigt sind. Vorbehaltlich landesrechtlicher Übergangsregelungen wird also eine fünfjährige Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin vorausgesetzt (Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 14; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 29a; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 11.10.2010 - L 11 KA 61/10 B ER - GesR 2011, 32 = Juris RdNr 35 ff; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 31 ff; vgl auch BT-Drucks 16/10609 S 54). Diesen Begriff der "Allgemeinärzte" hat die Schiedsperson ihrer Prüfung, ob die og 50 %-Quote erreicht wird, zutreffend zugrunde gelegt. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.

64

(3) Gemeinschaften, die die Einleitung eines Schiedsverfahrens beantragen können, müssen nach § 73b Abs 4 Satz 1 und 2, Abs 4a Satz 2 SGB V mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV "vertreten". Dass die Beklagten zu 1. und zu 2. gemeinsam diese Quote erfüllen, wird zu Recht auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V verwendete Begriff "vertreten" wird jedenfalls nicht als eine Vertretung im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Handlung im fremden Namen(§ 164 BGB) verstanden werden können. Vielmehr schließen die in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaften die Verträge mit den Krankenkassen im eigenen Namen ab. Ausschlaggebend ist daher die Zahl der Mitglieder der Gemeinschaft (so auch die ganz hM vgl zB Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; Huster, NZS 2010, 69, 70; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 128; ders in Orlowski/Rau/Schermer/ Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 31b; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 35; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Wie in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen dargelegt wird, waren 3492 der insgesamt 5089 in Baden-Württemberg an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte für Allgemeinmedizin und damit deutlich mehr als die Hälfte Mitglied einer der beiden Beklagten. Allein bei dem Beklagten zu 1. (Hausärzteverband Baden-Württemberg) waren 2742 der in Baden-Württemberg zugelassenen Fachärzte für Allgemeinmedizin Mitglied. Weil mindestens 2566 Allgemeinärzte - und damit ebenfalls mehr als die Hälfte - die beiden Verbände auch mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hatten, wäre die og Voraussetzung hier im Übrigen auch erfüllt, wenn eine Mandatierung erforderlich wäre.

65

Die Klägerin ist allerdings der Auffassung, dass jedenfalls der Beklagte zu 2. die gesetzlich geregelte Quote nicht erfüllen würde und dass dieser deshalb nicht als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag zur HzV hätte aufgenommen werden dürfen. Die Erfüllung der Quote sei bezogen auf jeden einzelnen Verband zu prüfen, sodass die gemeinsame Erfüllung durch mehrere Verbände nicht genüge. Dies trifft indes nicht zu. Zwar waren nur 1267 Allgemeinärzte und damit weniger als die Hälfte der in Baden-Württemberg zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Allgemeinärzte Mitglied des Beklagten zu 2. Darauf kommt es indes nicht an. Vielmehr genügt, dass beide Beklagten als Vertragspartner der Klägerin gemeinsam mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte vertreten und zum gemeinsamen Vertragsschluss zu identischen Konditionen bereit waren und sind.

66

Der Begriff der "Gemeinschaften" wird gesetzlich nicht definiert. Der entsprechende Begriff in § 741 BGB wird nach dem Sinn der Regelung offensichtlich nicht in Bezug genommen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass keine Beschränkung auf eine bestimmte Rechtsform beabsichtigt war und dass weder eine innere noch eine äußere Organisationsstruktur vorgegeben wird (ebenso Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Huster, NZS 2010, 69, 70; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 73b RdNr 13; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 16; vgl auch Bayerisches LSG Beschluss vom 27.6.2009 - L 12 KA 33/09 B ER - GesR 2009, 477, 480). Ausschlaggebend ist allein die soziale Mächtigkeit der Gemeinschaft und die daraus folgende Möglichkeit, eine flächendeckende Versorgung zu organisieren (Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127 f; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Huster, NZS 2010, 69, 70; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Diese Auffassung wird insbesondere durch die in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/10609 S 53 f) zum Ausdruck kommende Zielsetzung der Regelung gestützt. Danach sollte mit der zum 1.1.2009 eingeführten Neuregelung durch das GKV-OrgWG vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) das mit dem GKV-WSG eingeführte eigenständige Verhandlungsmandat der Gemeinschaft von Hausärzten gestärkt werden. Gemeinschaften, die die 50 %-Quote erfüllen, gewährleisteten, dass eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung durch den Vertragsschluss erreicht werden könne. Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung ist davon auszugehen, dass sich Kooperationen nicht nur - wie ausdrücklich gesetzlich geregelt (§ 73b Abs 4 Satz 1 SGB V)- auf Seiten der Krankenkassen, sondern auch auf Seiten der Hausärzte an dem Vertrag zur HzV beteiligen können. Dem gesetzgeberischen Ziel, eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur HzV zu erreichen, wird schon Rechnung getragen, wenn nicht jeder einzelne Verband, sondern nur die Kooperation von Hausarztverbänden die genannte Quote erfüllt (so auch das dem Schriftsatz der Klägerin vom 12.2.2015 als Anlage RK 29 übersandte "Ergebnisse der Besprechung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 22.1.2009 zu Fragestellungen/Problemen im Zusammenhang mit § 73b SGB V in der Fassung vom 1.1.2009", S 3 unter III. 2.; ausdrücklich bezogen auf die beiden Beklagten des vorliegenden Verfahrens: Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 32).

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cc) Der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV verletzt nicht den Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V. Entgegen der Auffassung der Klägerin findet dieser Grundsatz auf den vorliegenden, vor dem 22.9.2010 zustande gekommenen Vertrag keine Anwendung.

68

(1) In der hier maßgebenden Fassung des § 73b SGB V vor der Änderung durch das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2309) war die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die HzV nicht geregelt. Die Einfügung des § 73 Abs 5a SGB V mit dem GKV-FinG, in dessen Satz 1 bestimmt wird, dass bei der zwischen den Krankenkassen und den die Allgemeinärzte vertretenden Gemeinschaften der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71 SGB V zu beachten ist, gilt ausdrücklich nur für nach dem 22.9.2010 zustande gekommene Verträge. Der hier zu beurteilende Vertrag ist bereits mit der Festsetzung durch die Schiedsperson vom 9.9.2010 und damit bis zum 22.9.2010 zustande gekommen.

69

Die Beschränkung der Geltungsdauer der Bestandsschutzregelung nach § 73b Abs 5a Satz 5 SGB V idF des GKV-FinG auf die Zeit bis zum 30.6.2014 greift nicht ein, weil diese Frist nur für Anschlussvereinbarungen und nicht für den hier zu beurteilenden, bis zum 22.9.2010 geschlossenen Vertrag selbst gilt. Im Übrigen ist § 73b Abs 5a SGB V mit dem dort geregelten Grundsatz der Beitragssatzstabilität durch das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch(14. SGB V-Änderungsgesetz - 14. SGB V-ÄndG) vom 27.3.2014 (BGBl I 261) mWv 1.4.2014 aufgehoben worden, sodass diese Regelung auch im Falle einer Kündigung des Vertrages zur HzV keine Wirkung mehr entfalten könnte.

70

§ 73b SGB V in der hier maßgebenden Fassung unterscheidet sich damit zB von der die Gesamtvergütung betreffenden Bestimmung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V idF vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2013, der die Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) für die Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen anordnete. Allein der Umstand, dass es in § 73b SGB V an einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung für die HzV fehlt, schließt die Geltung dieses Grundsatzes allerdings noch nicht aus. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität allgemein für die im Vierten Kapitel des SGB V geregelten Vergütungsvereinbarungen gilt, ohne dass es einer auf die jeweilige Vergütungsvereinbarung bezogenen speziellen Regelung bedarf. Dies hat der Senat insbesondere aus dem Standort des § 71 SGB V im Abschnitt "Allgemeine Grundsätze" des Vierten Kapitels abgeleitet(BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 17). Bei dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität handelt es sich um eine verbindliche gesetzliche Vorgabe, die auch bei Schiedssprüchen zu beachten ist und die eine verbindliche Grenze für Vergütungsvereinbarungen darstellt (vgl BSGE 86, 126, 135 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 296 f; BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 15 f mwN).

71

Dies gilt jedoch nur, soweit keine Ausnahme eingreift. Solche Ausnahmen und Einschränkungen sind für unterschiedliche Vergütungsvereinbarungen im Vierten Kapitel des SGB V enthalten. So gilt nach § 87a Abs 3 Satz 2 letzter Halbsatz SGB V in der Fassung des GKV-WSG der vereinbarte Behandlungsbedarf als "notwendige medizinische Versorgung" im Sinne des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V mit der Folge, dass die Beschränkungen aus dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität für Gesamtvergütungen in der vertragsärztlichen Versorgung seit 2009 insoweit nicht eingreifen(vgl BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 41). Für die integrierte Versorgung bestimmt § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht für Verträge gilt, die bis zum 31.12.2008 geschlossen worden sind. Für die zahnärztliche Versorgung ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität mit der Änderung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V zwar nicht aufgehoben, aber eingeschränkt worden, indem nicht mehr die Beachtung, sondern nur noch dessen Berücksichtigung vorgeschrieben wird(vgl dazu Axer, GesR 2013, 135, 138 f). Eine ähnliche Einschränkung enthält § 134a Abs 1 Satz 2 SGB V für die Versorgung mit Hebammenhilfe.

72

Für die HzV folgt eine Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V. Danach können Einzelverträge Abweichungen von den Vorschriften "dieses Kapitels" - also des Vierten Kapitels des SGB V - sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. Das Vierte Kapitel umfasst die §§ 69 bis 140h SGB V und damit auch § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; ähnlich Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 257 f; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

73

Eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität kann entgegen der Auffassung von Ebsen aus dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (Rechtliche Anforderungen an das Handeln der Schiedsperson für die Festlegung des Inhalts des Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b Abs 4a SGB V, Rechtsgutachten im Auftrag des AOK-Bundesverbandes aus Juli 2009, unveröffentlicht, RdNr 55) auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V die Nichtgeltung für die Verträge zu integrierten Versorgungsformen ausdrücklich anordnet, während § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V für die HzV nur allgemein Ausnahmen von den Vorschriften des Vierten Kapitels zulässt. Zwar trifft es zu, dass sich der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V mit dem GKV-WSG ua an § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V anlehnen wollte(BT-Drucks 16/3100, S 112), der Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels betrifft. § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, der die Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die integrierte Versorgung ausdrücklich regelt, bleibt in der Gesetzesbegründung zu § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V hingegen unerwähnt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels nur mit Ausnahme des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität zulassen würde. Im Wortlaut der Regelung findet eine solche einschränkende Auslegung keine Grundlage. Der im Gutachten von Ebsen gezogene Vergleich zwischen den für die HzV und den für die integrierte Versorgung geltenden Regelungen berücksichtigt zudem nicht hinreichend, dass § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels des SGB V nicht umfassend, sondern nur insoweit zulässt, als "die abweichende Regelung dem Sinn und der Eigenart der integrierten Versorgung entspricht, die Qualität, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der integrierten Versorgung verbessert oder aus sonstigen Gründen zu ihrer Durchführung erforderlich ist". Da § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels umfassend zulässt, bedurfte es keiner § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V entsprechenden speziellen Regelung zur Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität. Im Übrigen vertritt auch Ebsen nicht die Auffassung, dass die Krankenkassen bei Verträgen zur HzV den Grundsatz der Beitragssatzstabilität umfassend zu beachten hätten. Vielmehr will er den "unternehmerisch" im Wettbewerb stehenden Krankenkassen für freiwillige Vereinbarungen einen größeren Spielraum zubilligen und lediglich den Gestaltungsspielraum der Schiedsperson beschränken (vgl RdNr 31 ff, 61 des Gutachtens). Indes ist die Gestaltungsfreiheit der Schiedsperson nicht geringer als diejenige der Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung. Insofern gilt für Schiedssprüche von Schiedspersonen nichts anderes als für solche der Schiedsämter (vgl zum Gestaltungsspielraum von Schiedsämtern BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 73 RdNr 15; BSGE 86, 126, 134 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295 mwN).

74

Etwas anderes folgt auch nicht aus § 73b Abs 8 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des GKV-WSG, die im Übrigen mit der seit dem 1.4.2014 (wieder) geltenden Fassung des 14. SGB V-ÄndG übereinstimmt. Nach dieser Vorschrift können die Parteien des Vertrages zur HzV vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach § 73b Abs 7 SGB V fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanziert werden, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach § 73b Abs 4 SGB V erzielt werden. Aus der Formulierung "können vereinbaren" folgt, dass es sich nicht um eine für die Vertragspartner verbindliche Vorgabe handelt. Damit übereinstimmend hat der Gesundheitsausschuss, auf dessen Empfehlung die Regelung mit dem GKV-WSG eingeführt worden ist, zur Begründung angegeben, dass es sich um eine Klarstellung handele. In den Verträgen zu HzV könne vereinbart werden, zusätzliche Vergütungen durch Einsparungen zB bei den veranlassten und verordneten Leistungen zu generieren (BT-Drucks 16/4247 S 36).

75

Dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität für die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV keine Geltung beansprucht, findet seine Bestätigung in der Änderung des § 73b SGB V mit dem GKV-FinG. Der mit diesem Gesetz neu eigeführte § 73b Abs 5a SGB V sah in Satz 1 eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ausdrücklich nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge vor. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/3040 S 23) entsprach es auch dem Willen des Gesetzgebers, die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV von der Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität auszunehmen. Danach sollte es für diese Verträge bei der "im bisherigen Recht angelegten Vertragsfreiheit der Vertragsparteien auch im Hinblick auf die Vergütungshöhe" bleiben.

76

Auch die Motive, die den Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zum 14. SGB V-ÄndG (BT-Drucks 18/606 S 11) zur Aufhebung des § 73b Abs 5a SGB V und zur "Rückführung" des Abs 8 auf die vor dem GKV-FinG geltende Fassung mWv 1.4.2014 veranlasst haben, sprechen dafür, dass es sich bei den Änderungen durch das GKV-FinG - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht nur um eine Klarstellung bezogen auf den ohnehin geltenden Grundsatz der Beitragssatzstabilität gehandelt hat, sondern dass dieser Grundsatz im Bereich der HzV allein aufgrund des - mit dem 14. SGB V-ÄndG wieder aufgehobenen - § 73b Abs 5a SGB V und damit auch nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV galt. Nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Änderung zurückgeht, sollten die mit dem GKV-FinG eingeführten Vergütungsbeschränkungen wieder aufgehoben werden, "da sie sich als Hemmnis für den Abschluss von Verträgen über eine hausarztzentrierte Versorgung erwiesen haben". Die Vertragspartner sollten - auch für Vereinbarungen über solche Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen - die Möglichkeit erhalten, Vergütungsvereinbarungen zu treffen, ohne hierbei starren Begrenzungen zu unterliegen. Entscheidend sei, dass der Vertrag "insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot" entspreche. Die Gestaltungsspielräume der Vertragspartner sollten bezogen auf die Vergütung erweitert und die Möglichkeiten zur Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte verbessert werden.

77

(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die Vergütung in der HzV auch nicht aus den für die für Wahltarife geltenden Bestimmungen des § 53 Abs 3, Abs 9 SGB V hergeleitet werden. Allerdings weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass die Krankenkassen nach § 53 Abs 3 SGB V verpflichtet sind, in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen - ua nach § 73b SGB V - teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Daran anknüpfend schreibt § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V vor, dass die Aufwendungen für jeden Wahltarif jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden müssen. Danach sei - so die Klägerin - der Abschluss eines Hausarztvertrages ausgeschlossen, der Mehrkosten vorsehe, ohne dass deren Gegenfinanzierung gesichert sei. Der vorliegende Vertrag zur HzV enthalte Regelungen zu Mehrausgaben, deren Gegenfinanzierung spekulativ bleibe.

78

Indes betrifft die Regelung zu den Wahltarifen das Verhältnis der Krankenkassen zu den Versicherten und nicht das Leistungserbringungsrecht. Ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 53 Abs 9 SGB V könnte deshalb nur die Rechtsmäßigkeit der Satzung der Krankenkasse berühren und nicht die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; vgl Mehdorn, ZMGR 2012, 3, 12; ebenso bezogen auf einen Vertrag nach § 73c SGB V: SG Berlin Urteil vom 13.10.2010 - S 83 KA 443/08 - MedR 2011, 124, 128). Dies räumt auch Ebsen in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (aaO, RdNr 74) im Grundsatz ein, macht jedoch geltend, dass es den Kassen auch bei Verträgen mit Leistungserbringern selbstverständlich verboten sei, Vereinbarungen zu treffen, die zu einem Verstoß gegen ihre Pflichten im Versicherungsverhältnis führten. Dem kann zwar im Grundsatz zugestimmt werden. Der Senat hat Bedenken gegen die Auffassung des SG München aus der Entscheidung vom 16.7.2014 (S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 47 f), nach der ein Vertrag zur HzV bereits deshalb nicht gegen § 53 Abs 9 SGB V verstoßen könne, weil die möglicherweise durch diesen Vertrag verursachten Mehrkosten keine "Aufwendungen für den Wahltarif" im Sinne des § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V seien und dass diese deshalb auch nicht durch Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen gegenfinanziert werden müssten. Der Begriff der "Aufwendungen für den Wahltarif" dürfte im Grundsatz umfassender zu verstehen sein als das SG München annimmt (zu Mindereinnahmen als "Aufwendungen für den Wahltarif" vgl BSGE 109, 230 = SozR 4-2500 § 53 Nr 2, RdNr 21). Für das vorliegende Verfahren kommt es darauf indes nicht an. Jedenfalls kann die eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der HzV nicht über das Verbot der Quersubventionierung von Wahltarifen aus § 53 Abs 9 SGB V unterlaufen werden(in dieser Richtung auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35 = Juris RdNr 48). Maßgebend ist die - für das Leistungserbringungsverhältnis vorrangige - Regelung des § 73b SGB V. Daher ist § 53 Abs 9 SGB V insoweit einschränkend auszulegen. Soweit die Vertragspartner des HzV von der Gestaltungsfreiheit Gebrauch machen, die der Gesetzgeber ihnen mit der bereichsspezifischen Ausnahme vom Gebot der Beitragssatzstabilität einräumen wollte, kann allein darin kein Verstoß gegen das Verbot der Quersubventionierung aus § 53 Abs 9 SGB V liegen.

79

(3) Die für die HzV geltende Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität und die daraus folgende Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 53 Abs 9 SGB V begegnet entgegen der Auffassung der Klägerin auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass sich die Sozialversicherungsbeiträge durch eine strenge grundrechtlich und kompetenzrechtlich begründete Zweckbindung auszeichnen und dass die unter Eingriff in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art 2 Abs 1 GG zustande gekommene Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung die Auferlegung nur solcher Geldleistungen zu rechtfertigen vermag, die ihren Grund und ihre Grenze in den zwingenden Aufgaben der Sozialversicherung finden (vgl BVerfGE 113, 167, 203 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 55). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ist in einem Sozialstaat überragend wichtiges Gemeinschaftsgut (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139). Daraus folgt jedoch nicht, dass der in § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V definierte Grundsatz der Beitragssatzstabilität von der Verfassung vorgegeben wäre(zur Einschränkung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der vertragszahnärztlichen Versorgung vgl Axer, GesR 2013, 135, 140). Vielmehr hat der Gesetzgeber im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139; BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 103, 172, 185 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27; BVerfGE 44, 70, 89 = SozR 5420 § 94 Nr 2 S 2). Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind von der Rechtsprechung zu akzeptieren, solange seine Entscheidungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 89, 365, 376 = SozR 3-2200 § 385 Nr 4 S 4).

80

Das Ziel der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung hat der Gesetzgeber mit der Einführung der HzV nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil ist die Verpflichtung der Krankenkassen, ihren Versicherten eine flächendeckende hausarztzentrierte Versorgung zur Verfügung zu stellen, mit dem Ziel eingeführt worden, die Versorgungsqualität zu verbessern und Wirtschaftlichkeitsreserven ua durch Verbesserungen im Bereich Pharmakotherapie, durch den Einsatz von wissenschaftlich begründeten und praxiserprobten hausärztliche Leitlinien und durch eine zielgerichtetere Fortbildung zu erschließen (vgl BT-Drucks 16/3100 S 111 f). Auf die Geltung von Vorschriften des Vierten Kapitels einschließlich des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität hat der Gesetzgeber dabei im Interesse eines weiten Gestaltungsspielraums der Vertragspartner und in der Erwartung verzichtet, dass dieser unter der Beteiligung der Krankenkassen als Vertragspartner im Sinne der og Zielsetzung ausgefüllt wird. Anhaltspunkte dafür, dass diese Erwägungen offensichtlich unzutreffend oder aus anderen Gründen mit der Wertordnung der Verfassung unvereinbar wären, sind weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich. Bei der Einführung neuer Strukturen im Bereich der Leistungserbringung wie dem flächendeckenden Angebot einer HzV können die finanziellen Auswirkungen regelmäßig nicht mit Sicherheit prognostiziert werden. Allein daraus folgt jedoch noch keine Überschreitung des Handlungsspielraums des Gesetzgebers.

81

Auch eine Ungleichbehandlung der Versicherten und damit ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG ist mit der Einführung der HzV entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verbunden, soweit alle Krankenkassen ihrer gesetzlichen Pflicht aus § 73b Abs 1 SGB V nachkommen, ihren Versicherten eine HzV anzubieten, weil dann alle Versicherten die Möglichkeit haben, diese Leistung in Anspruch zu nehmen. Mit der vorliegenden Entscheidung stellt der Senat klar, dass die Klägerin dieser bereits seit Inkrafttreten der Änderungen durch das GKV-WSG zum 1.4.2007 gesetzlich geregelten Verpflichtung nachzukommen hat.

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dd) Zu beachten bleibt das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot, das seine Grundlage nicht allein in § 70 Abs 1 SGB V und damit einer Vorschrift aus dem nach § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V nicht zwingend anwendbaren Vierten Kapitel, sondern auch in § 2 Abs 4, § 12 SGB V hat. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Für die Geltung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots spricht im Übrigen die Begründung der der Streichung des § 73b Abs 5a SGB V mit dem 14. SGB V-ÄndG zugrunde liegenden Empfehlung des Gesundheitsausschusses (BT-Drucks 18/606 S 11). Danach bleibt entscheidend, "dass der Vertrag insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht". Dagegen gilt die mit der Änderung des § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V durch das 14. SGB V-ÄndG eingeführte Verpflichtung, Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren, nicht für den vorliegenden, am 9.9.2010 festgesetzten Vertrag zur HzV, sondern nur für Verträge, die nach dem 31.3.2014 zustande gekommen sind.

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Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag entspricht dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade in der Phase der Einführung der flächendeckenden HzV keine hohen Anforderungen an die Prognose der wirtschaftlichen Auswirkungen gestellt werden können. Für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung durch die Schiedsperson ist ausschlaggebend, dass die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Gesichtspunkte erkannt, gegeneinander abgewogen worden sind und Eingang in die Begründung gefunden haben. Die Anforderungen an die Begründung dürfen auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Schiedsperson keinen eigenen Verwaltungsapparat unterhält, nicht überspannt werden (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 38). Den so definierten Anforderungen wird die ausführliche Begründung der Entscheidung der Schiedsperson ohne Weiteres gerecht. Dabei wird - wie die Klägerin zutreffend geltend macht - in der Begründung des Schiedsspruchs nicht in Zweifel gezogen, dass zB mit der vorgesehenen kontaktunabhängigen Pauschale (65 Euro pro Versichertenteilnahmejahr) oder der Chronikerpauschale (30 Euro maximal einmal pro Quartal und maximal 4-mal pro Versichertenteilnahmejahr) Vergütungstatbestände in die HzV aufgenommen worden sind, die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen keine Entsprechung finden und dass insgesamt mit einer Erhöhung des Fallwertes zu rechnen ist. Prognostiziert wird eine Erhöhung um 12,38 Euro im Vergleich zur Regelversorgung. Ferner wird ausgeführt, dass die dadurch verursachten Kosten und auch die erzielten Einsparungen nicht genau zu prognostizieren seien. Allerdings gebe es mit der Vergütungsobergrenze nach § 10 Abs 9 des Vertrages (76 Euro) Regelungen, die geeignet seien, das Risiko der Krankenkassen zu begrenzen. Einsparungen könnten ua aufgrund der Verpflichtung der Versicherten erwartet werden, Fachärzte nur auf Überweisung in Anspruch zu nehmen. Dies führe zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen. Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass jeder Facharztbesuch auch Folgekosten bei den veranlassten Leistungen nach sich ziehe, sodass eine - medizinisch vertretbare - verminderte Inanspruchnahme von Überweisungen zu Fachärzten auch geringere Folgekosten bedinge. Ein gewisses Einsparpotenzial ergebe sich des Weiteren durch die Verpflichtung der Hausärzte, bei der Arzneimittelversorgung die von den Vertragspartnern der HzV zur Verfügung gestellte Software zu verwenden, die gerade bei Original-Präparaten ermöglichen solle, dass der Hausarzt wirtschaftliche Verordnungen vornehmen könne. Insgesamt werden finanzielle Risiken und Einsparpotenziale in der Begründung des Schiedsspruchs ausführlich dargestellt und gegeneinander abgewogen. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung erster Erfahrungen mit ähnlichen Verträgen (Vertrag der BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für Baden-Württemberg, AOK Bayern-Vertrag) kommt die Schiedsperson nachvollziehbar zu der Einschätzung, dass in Umsetzung des Vertrages eine wirtschaftliche Leistungserbringung durch die teilnehmenden Hausärzte erwartet werden kann.

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ee) Dagegen kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Schiedsperson lediglich einen unvollständigen "Vertragstorso" festgesetzt habe. Zwar trifft es zu, dass die Schiedsperson die vorgesehenen Anlagen zum Vertrag nicht vollständig festgesetzt, sondern teilweise der weiteren Vereinbarung durch die Vertragsparteien überlassen hat (etwa zum Hilfsmittelmanagement und zu verschiedenen Vergütungszuschlägen, die ua eine wirtschaftliche Verordnungsweise fördern sollen). Gerade in der Anfangsphase nach Einführung der flächendeckenden HzV ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Vertragsparteien in der Phase der Umsetzung des Vertrages weitere Konkretisierungen und Ergänzungen vornehmen. Ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV ist allein, ob dieser in der vorliegenden Form umgesetzt werden kann. Daran hat der Senat keine Zweifel.

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ff) Auch der Einwand der Klägerin, die Schiedsperson habe in Verkennung des rechtlichen Rahmens angenommen, dass die HzV nur als Vollversorgungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag vereinbart werden dürfe, sie habe dadurch ihren Gestaltungsspielraum verkannt und dies allein führe zur Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs, greift nicht durch. Dass die HzV jedenfalls auch in der Form eines sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrages vereinbart werden kann, der die bisherige Regelversorgung nach § 73 SGB V umfasst und diese nicht lediglich ergänzt, unterliegt keinem Zweifel. Auf die umstrittene Frage, ob eine HzV in Form eines sog Add-on-Vertrages den gesetzlichen Vorgaben entsprechen würde (gegen die Rechtmäßigkeit von Add-on-Verträgen auf der Grundlage des § 73b SGB V: Hess in Kasseler Komm, Stand Dezember 2014, § 73b SGB V RdNr 3; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 47; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 27 f; mit dieser Tendenz auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 8 ff; ähnlich: Sproll in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Februar 2015, § 73b SGB V RdNr 8: "Beide Versorgungsformen schließen sich gegenseitig aus" sowie Orlowski, ZMGR 2009, 124, 125: HzV als "eigenständig zu regelnde einzelvertragliche Versorgung"; anders jedoch Huster, SGb 2010, 253 ff; ders in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 21; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 6; SG Marburg Urteil vom 3.8.2011 - S 12 KA 237/10 - Juris RdNr 29 ff), kommt es für die Entscheidung nicht an. Jedenfalls hat die Schiedsperson mit der Festsetzung eines Vollversorgungsvertrages ihren möglichen Entscheidungsspielraum nicht überschritten. In der Begründung des Schiedsspruchs wird die Auffassung vertreten, dass allein die Vereinbarung eines Vollversorgungsvertrages der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Die Frage, ob deshalb ein Add-on-Vertrag rechtswidrig wäre, wird aber letztlich offengelassen. Die Schiedsperson weist zur weiteren Begründung ua darauf hin, dass sie sich in Ausübung ihres billigen Ermessens für einen Vollversorgungsvertrag entschieden habe, weil dieser den Krankenkassen und den Hausarztgemeinschaften die Möglichkeit eröffne, strukturelle Verbesserungen in der Leistungserbringung für die Versicherten vorzunehmen, während Add-on-Verträge nur punktuelle Ansätze böten. Damit hat die Schiedsperson die Entscheidung für einen Vollversorgungsvertrag den Anforderungen entsprechend begründet.

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gg) Der Vertrag ist auch nicht rechtswidrig, soweit er in § 6 sowie in den Anlagen 4 und 6 Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der HzV enthält, die in einzelnen Punkten (Verbleib des Originals der Teilnahmeerklärung bei der Krankenkasse oder in der Arztpraxis, Frist zwischen der Abgabe der Teilnahmeerklärung und dem Beginn der Teilnahme des Versicherten, Kündigungsfrist für die Teilnahme, Frist für den Wechsel des Hausarztes, ua) vom Inhalt der Satzung der Klägerin abweichen. Zwar trifft der Einwand der Klägerin zu, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 3 Satz 4 SGB V idF des GKV-WSG (heute: Satz 7) bisher(zu der im Entwurf eines GKV-VSG vorgesehenen Änderung vgl BT-Drucks 18/4095 S 16 f zu Art 1 Nr 27 Buchst a) verpflichtet sind, das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, in ihren Satzungen zu regeln. Auf der anderen Seite setzt jedoch auch das Angebot einer HzV, das durch Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V flächendeckend gewährleistet werden soll, Regelungen zur Teilnahme der Versicherten voraus, sodass diese idR auch Gegenstand des Vertrages zur HzV sein werden. Bei der Entscheidung, ob die vertraglichen Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der Satzung der Krankenkasse auszurichten sind oder ob umgekehrt die Krankenkasse ihre Satzung dem Inhalt der Verträge anzupassen hat, ist zu berücksichtigen, dass die Verträge zur HzV über die Festlegung durch eine Schiedsperson ggf auch gegen den Willen der Krankenkassen zustande kommen sollen. Dies steht einer Auslegung dahin entgegen, dass die Krankenkassen der anderen Partei des Vertrages zur HzV die Regelungen zur Teilnahme der Versicherten durch ihre Satzung einseitig vorgeben könnten. Ferner ist von Bedeutung, dass durch die Änderung des § 79 Abs 1 SGB V mWv 1.1.2005 bezogen auf die Vertretungskompetenz - die die Vertretung beim Abschluss von Selektivverträgen einschließt - ein originärer Aufgabenbereich des Vorstands der Krankenkassen geschaffen werden sollte, der nicht vollständig der Gestaltungsmacht der Vertreterversammlung unterworfen ist (BSGE 114, 274 = SozR 4-2500 § 81 Nr 7, RdNr 33, 37 ff). Auch dies spricht dagegen, dass Inhalte des Vertrages zur HzV durch die von der Vertreterversammlung verabschiedete Satzung der Krankenkasse einseitig vorgegeben werden könnten. Daher sind Regelungen des Vertrages zur HzV zur Teilnahme der Versicherten nicht bereits rechtswidrig, wenn sie vom Inhalt der Satzung der Krankenkasse abweichen. Vielmehr ist - wie das LSG bereits zutreffend ausgeführt hat - die Krankenkasse verpflichtet, ihre Satzung dem Inhalt des Vertrages anzupassen (ebenso: Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 50).

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Die im Vertrag zur HzV getroffenen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten müssen danach zwar nicht mit dem Inhalt der Satzung der Krankenkasse übereinstimmen, aber die übrigen gesetzlichen und untergesetzlichen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten beachten. Bezogen auf den hier in erster Linie maßgebenden Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ist der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV auch insoweit nicht zu beanstanden. Allerdings werden bei der bevorstehenden Durchführung des Vertrages die in der Zwischenzeit eingetretenen gesetzlichen Änderungen zu berücksichtigen sein. Eine entsprechende Verpflichtung zur Anpassung ist in den Schlussbestimmungen des Vertrages (§ 22 Abs 2) geregelt und folgt im Übrigen aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X. Neben der Berücksichtigung der mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013 (BGBl I 277) eingeführten Bestimmungen zum Widerrufsrecht der Versicherten (§ 73b Abs 3 Satz 3 bis 6 SGB V) gehört dazu auch die Beachtung der am 26.8.2013 in Kraft getretenen Vorgaben zur Abgabe der Teilnahmeerklärung aus der Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach § 217f Abs 4a SGB V.

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hh) Der Rechtmäßigkeit der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson steht nicht entgegen, dass zuvor keine Auftragsvergabe nach den Vorschriften des Vergaberechts durchgeführt worden ist. Zwar fanden gemäß § 69 Abs 2 Satz 1 SGB V in der hier maßgebenden seit dem 18.12.2008 geltenden Fassung des GKV-OrgWG die die Vergabe öffentlicher Aufträge betreffenden Vorschriften der §§ 97 bis 115 und 128 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auf die in § 69 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Rechtsbeziehungen der Krankenkassen ausdrücklich Anwendung, soweit die dort genannten Voraussetzungen erfüllt waren. Dies galt nach § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V jedoch nicht für Verträge von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind und bei deren Nichtzustandekommen eine Schiedsamtsregelung gilt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Festsetzung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson als "Schiedsamtsregelung" in diesem Sinne zu verstehen ist und ob Satz 2 damit der Anwendbarkeit der §§ 97 ff GWB entgegensteht. Unabhängig von dieser ohnehin nur klarstellenden (vgl BT-Drucks 16/10609 S 52) Beschränkung der Anwendbarkeit wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen, die sich im Übrigen seit der Änderung durch das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2262) nicht mehr auf die Vorschriften des Vierten Teils des GWB (§§ 97 ff GWB) bezieht (vgl jetzt § 69 Abs 2 Satz 4 SGB V), kann ein öffentlicher Auftraggeber dem Kartellvergaberecht nur unterworfen sein, wenn dieser eine Auswahl zwischen verschiedenen Vertragspartnern hat (Kaltenborn, GesR 2011, 1, 2; Engelmann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand Oktober 2013, § 69 RdNr 141; vgl zur Rechtslage vor der Änderung durch das AMNOG: Sormani-Bastian, ZESAR 2010, 13). Daran hat sich im Übrigen auch durch die neuen europäischen Vergaberichtlinien nichts geändert. Nach Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 2014/23/EU vom 26.2.2014 über die Konzessionsvergabe (ABl L 94, 1) sollen Regelungen, nach denen ohne gezielte Auswahl alle Wirtschaftsteilnehmer, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, berechtigt sind, eine bestimmte Aufgabe wahrzunehmen, nicht als Konzessionen gelten. Das betrifft auch Regelungen aufgrund einer Vereinbarung zwischen Behörde und Wirtschaftsunternehmen. Nichts anderes gilt, soweit der Vertrag zur HzV europarechtlich nicht als Dienstleistungskonzession, sondern als entgeltlicher Beschaffungsvertrag angesehen wird: Nach Art 1 Abs 2 der Richtlinie 2014/24/EU vom 26.2.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl L 94, 65) setzt die Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie voraus, dass Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen von öffentlichen Auftraggebern "ausgewählt werden".

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Der sich aus § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ergebende Kontrahierungszwang, der gemäß § 73b Abs 4 Satz 2 iVm Abs 4a SGB V von entsprechend qualifizierten Gemeinschaften durch die Beantragung des Schiedsverfahrens und die Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson durchgesetzt werden kann, hat zur Folge, dass der vertragschließenden Krankenkasse kein Auswahlermessen zukommt, sondern dass der Vertragspartner bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bereits feststeht. Eine Auswahl zwischen verschiedenen Bietern ist also bezogen auf die Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ausgeschlossen. Dies steht der Annahme eines öffentlichen Auftrages im Sinne des § 99 GWB entgegen(so auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 32a; Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137 f; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b SGB V, RdNr 62; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 34; ähnlich Orlowski, ZMGR 2009, 124, 130; BKartA Beschluss vom 2.7.2010 - VK 1 - 52/10 - Juris; bezogen auf die HzV nach § 73b SGB V allerdings nur im Ergebnis ebenso die Begründung zum GKV-OrgWG: BT-Drucks 16/10609 S 52).

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ii) Der Vertrag zur HzV ist mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vollständig kompatibel. Maßgebend ist dabei grundsätzlich die Rechtslage zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson (vgl 4 b, RdNr 56). Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen bereits deshalb nicht zu vereinbaren, weil es an der erforderlichen Befugnisnorm für die dort geregelte Weitergabe von Abrechnungsdaten an private Stellen in Gestalt der HÄVG und der HÄVG Rechenzentrum AG gefehlt hat (nachfolgend 1). Indes ist für die Beurteilung des Feststellungsinteresses die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (vgl 4 b, RdNr 57). Die Klägerin hat weder ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 55 Abs 1 SGG an der isolierten Feststellung einer Rechtswidrigkeit des - bisher nicht durchgeführten - Vertrages zur HzV unter Zugrundelegung einer nicht mehr geltenden Rechtslage nachvollziehbar geltend gemacht noch einen Anspruch gegenüber den Beklagten auf Änderung des Vertrages entsprechend der nicht mehr geltenden Rechtslage. Ein fortbestehendes Feststellungsinteresse kann deshalb nur anerkannt werden, soweit es darauf auch noch für die bevorstehende Durchführung des Vertrages ankommt. Daher ist ergänzend die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats und damit nach Einführung des § 295a SGB V durch Art 3 Nr 9 des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze vom 28.7.2011 (BGBl I 1622, 1627) mWv 4.8.2011 zu berücksichtigen (nachfolgend 2). Die von der Klägerin erhobenen datenschutzrechtlichen Einwände greifen daher zum überwiegenden Teil nicht durch (nachfolgend 3, 5, 6). Soweit der Vertrag zur HzV jedoch auch mit den geänderten bundesrechtlichen Vorgaben nicht vollständig zu vereinbaren ist, sind die Vertragspartner verpflichtet, diesen zu ändern (nachfolgend 4 und 7).

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(1) Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV sieht vor, dass die Abrechnung der Vergütung des Hausarztes gemäß den Vorgaben der Anlage 3 durch die HÄVG als Abrechnungsdienstleister erfolgt (§ 11 Abs 1). Die HÄVG ist berechtigt, sich zum Zwecke der Abrechnung eines Rechenzentrums im Sinne der Anlage 3 zu bedienen (§ 11 Abs 2 Satz 2). Nach Anlage 3 § 6 Satz 2 wird von der HÄVG hierzu "derzeit" die HÄVG Rechenzentrum AG eingesetzt. Damit übereinstimmend werden die Versicherten mit dem Merkblatt (Anhang zu Anlage 6 des Vertrages) unter der Überschrift "Wichtige Informationen zum Schutz Ihrer Daten - Ihre Einwilligung" darüber informiert, dass die Abrechnung der ärztlichen Vergütung ua "über die Dienstleistungsgesellschaft des Hausärzteverbandes und MEDI, die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) und ihr Rechenzentrum erfolgt". Nach § 11 Abs 4 zahlt die Krankenkasse die Vergütung mit schuldbefreiender Wirkung an die HÄVG.

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Für die damit vorgesehene Weitergabe von Patientendaten zu Abrechnungszwecken fehlte zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts die erforderliche Rechtsgrundlage. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 10.12.2008 (B 6 KA 37/07 R - BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2)im Einzelnen dargelegt hat, setzt die Übermittlung von Patientendaten durch Leistungserbringer an private Dienstleistungsunternehmen im Geltungsbereich des SGB V eine bereichsspezifische Befugnisnorm voraus. Als solche kam allein § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009 (BGBl I 1990) in Betracht. Diese Regelung, mit der der Gesetzgeber auf das og Urteil des Senats vom 10.12.2008 reagiert hat, war bis zum 30.6.2010 - und damit auf einen Zeitpunkt vor der Festsetzung des Vertragsinhalts - befristet. Über § 320 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24.7.2010 (BGBl I 983) waren diese Sätze jedoch bis zum 1.7.2011 und damit auch noch zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts am 9.9.2010 weiter anzuwenden. Danach durfte für die ärztlichen Leistungen, die im Rahmen von Verträgen ua zur HzV nach § 73b SGB V erbracht und mit den Krankenkassen abgerechnet wurden, eine andere Stelle mit der Verarbeitung und Nutzung der für die Abrechnung dieser Leistungen erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragt werden. § 80 SGB X war anzuwenden. Auftraggeber und Auftragnehmer unterlagen der Aufsicht der nach § 38 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zuständigen Aufsichtsbehörde.

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§ 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V aF erlaubte danach allein die Beauftragung einer anderen Stelle im Sinne einer Auftragsdatenverarbeitung(vgl OVG Schleswig-Holstein Beschluss vom 12.1.2011 - 4 MB 56/10 - CR 2011, 359). Der ausdrücklich in Bezug genommene § 80 SGB X regelt die Voraussetzungen der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten im Auftrag. Dass mit der Einfügung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V die Übermittlung von Daten an private Stellen nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung geltenden Voraussetzungen zugelassen werden sollte, wird auch durch die Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Regelung zurückgeht, bestätigt: Danach sollten die Voraussetzungen, unter denen dem Sozialgeheimnis unterliegende Stellen andere Stellen mit der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten beauftragen können, und die Rechtsfolgen einer solchen Beauftragung auch für die besonderen Versorgungsformen gelten(vgl BT-Drucks 16/13428 S 96 unter Bezugnahme auf die Begründung zur entsprechenden Regelung für Krankenhäuser nach § 120 Abs 6, S 92).

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Bei der in dem Vertrag vorgesehenen Übermittlung von Abrechnungsdaten durch den Arzt an die HÄVG handelt es sich nicht um eine nach § 295 Abs 1b SGB V aF zulässige Auftragsdatenverarbeitung. Die Auftragsdatenverarbeitung ist datenschutzrechtlich privilegiert. Sie stellt keine Übermittlung im Sinne des § 67 Abs 6 Satz 2 Nr 3 SGB X dar(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; I. Palsherm in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand Juli 2013, § 80 RdNr 15). Eine Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X liegt vor, wenn der Auftragnehmer die Datenverarbeitung in vollständiger Abhängigkeit von Vorgaben des Auftraggebers durchführt(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; zur entsprechenden Regelung in § 11 BDSG vgl Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5). Die Auftragsdatenverarbeitung ist abzugrenzen von der Funktionsübertragung. Diese liegt dann vor, wenn dem Service-Unternehmen eine eigene rechtliche Zuständigkeit für die Aufgabe, deren Erfüllung die Datenverarbeitung oder die Nutzung dient, zugewiesen ist (Gola/Klug, BDSG, 12. Aufl 2015, § 11 RdNr 9). Wesentliches Merkmal für die Abgrenzung der Auftragsdatenverarbeitung von der Funktionsübertragung (Aufgabenübertragung) ist die Entscheidungsbefugnis über die Daten. Liegt diese bei der beauftragten Stelle und kommt dieser nicht nur eine Hilfs- und Unterstützungsfunktion zu, kann nicht mehr von einer Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X ausgegangen werden(Rombach in Hauck/Noftz, SGB X, Stand November 2014, § 80 RdNr 20; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 12, 14).

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Das im Vertrag geregelte Verhältnis des an der HzV teilnehmenden Hausarztes zur HÄVG entspricht nicht dem Bild einer Auftragsdatenverarbeitung. Die HÄVG führt die Abrechnung keineswegs in vollständiger Abhängigkeit von dem teilnehmenden Hausarzt für diesen durch. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass der Hausarzt an dem Vertrag zur HzV, der die Einzelheiten vorgibt, nicht unmittelbar beteiligt ist und damit keinen unmittelbaren Einfluss auf dessen Ausgestaltung hat. Der einzelne Hausarzt hat auch keinen Einfluss darauf, wer für ihn die Daten verarbeiten soll. Bereits eine solche fehlende Auswahlmöglichkeit spricht gegen das Vorliegen einer Auftragsdatenverarbeitung (Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3b; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5a). Zudem wird ihm vorgegeben, welche Datenverarbeitungsprogramme (Software) er für die Abrechnung zu verwenden hat. Damit ist insgesamt davon auszugehen, dass die HÄVG die Abrechnungsdaten in eigener Verantwortung oder im Auftrag der Beklagten verarbeitet bzw durch die HÄVG Rechenzentrum AG verarbeiten lässt, aber jedenfalls nicht im Auftrag des Hausarztes tätig wird. Der Vertrag regelt bezogen auf die Weitergabe der Daten durch den Hausarzt keine nach § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V zulässige Auftragsdatenverarbeitung.

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(2) Mit der Einfügung des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ist die erforderliche gesetzliche Grundlage für die Übermittlung von Abrechnungsdaten durch die an der HzV teilnehmenden Hausärzte geschaffen worden. Anders als unter Geltung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V beschränkt sich die Befugnis nach § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V nicht auf die Beauftragung einer anderen Stelle mit der Verarbeitung, Nutzung und Abrechnung personenbezogener Daten. Vielmehr sind die an den entsprechenden Versorgungsformen teilnehmenden Leistungserbringer für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen nach § 73b, § 73c oder § 140a SGB V erbrachten Leistungen gemäß § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V befugt, die nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels des SGB V erforderlichen Angaben an den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite als verantwortliche Stelle zu übermitteln, indem diese Angaben entweder an ihn oder an eine nach § 295 Abs 2 SGB V beauftragte andere Stelle weitergegeben werden; für den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite gilt § 35 SGB I entsprechend. Voraussetzung ist, dass der Versicherte vor Abgabe der Teilnahmeerklärung an der Versorgungsform umfassend über die vorgesehene Datenübermittlung informiert worden ist und mit der Einwilligung in die Teilnahme zugleich in die damit verbundene Datenübermittlung schriftlich eingewilligt hat. Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite oder die beauftragte andere Stelle dürfen die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten und nutzen; sie übermitteln die Daten im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern an den jeweiligen Vertragspartner auf Krankenkassenseite.

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§ 295a Abs 1 Satz 1 SGB V definiert den "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (also den Hausarztverband und nicht den einzelnen Arzt) als die im datenschutzrechtlichen Sinne "verantwortliche Stelle". Insofern trifft § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V eine spezielle Regelung, die den allgemeinen Bestimmungen der §§ 67a ff SGB X vorgeht. Das bedeutet, dass die datenschutzrechtliche Verantwortung mit dem Eingang der Daten bei dem Hausarztverband ("Vertragspartner auf Leistungserbringerseite") oder bei der von ihm beauftragten Stelle auf den Hausarztverband übergeht (vgl BT-Drucks 17/6141 S 39).

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(3) Die Einwände der Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV, die ihre Grundlage in der Annahme haben, dass der Arzt auch nach dem Eingang der Daten bei den Beklagten oder der von ihnen beauftragten Stelle "verantwortliche Stelle" im Sinne des § 67 Abs 9 SGB X bleibe und dass der Arzt die Daten nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung nach § 80 SGB X geltenden Voraussetzungen weitergeben dürfe, greifen damit bezogen auf die seit Inkrafttreten des § 295a SGB V geltenden Rechtslage nicht mehr durch. § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V regelt die Befugnis des Hausarztes zur Weitergabe der für die Abrechnung erforderlichen Daten an den Hausarztverband oder die von diesem mit der Datenverarbeitung beauftragte Stelle unabhängig von den Voraussetzungen einer Auftragsdatenverarbeitung. Auftraggeber einer Datenverarbeitung durch die HÄVG oder ein Rechenzentrum können allein die "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (vgl BT-Drucks 17/6141 S 40, zu § 295a Abs 2) und damit die Beklagten sein.

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(4) Zutreffend ist dagegen der Einwand der Klägerin, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV, die eine Beauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG vorsehen (vgl zB Anlage 3 § 6 Abs 1) mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren sind. Nach § 295a Abs 2 Satz 1 SGB V darf der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite eine andere Stelle mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten beauftragen, die für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen ua zur HzV erbrachten Leistungen erforderlich sind. Gemäß § 295a Abs 2 Satz 2 SGB V ist § 80 SGB X ua mit der weiteren Maßgabe anzuwenden, dass Unterauftragsverhältnisse ausgeschlossen sind. Demnach dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" im Sinne der genannten Regelung zwar die HÄVG oder auch unmittelbar die HÄVG Rechenzentrum AG mit der Verarbeitung der Abrechnungsdaten beauftragen. Die im Vertrag vorgesehene Erteilung eines Unterauftrags an die HÄVG Rechenzentrum AG durch die von den Beklagten beauftragte HÄVG ist dagegen nicht zulässig (zu einer entsprechenden Regelung vgl auch bereits LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

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(5) Nach den von der Klägerin nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die im Vertrag zur HzV zur Verwendung durch den teilnehmenden Arzt vorgeschriebene Software mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen unvereinbar wäre. Soweit die Klägerin erstmals im Revisionsverfahren - nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung - geltend macht, dass die im Vertrag vorgeschriebene Software einen sog "gekapselten Kern" besitze, der die Möglichkeit biete, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar sei, so steht diese Behauptung im Übrigen im Widerspruch zu der von den Beklagten vorgelegten Technischen Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht vom 17.8.2012 (Az: LDA.3-1085.6-12/10), die sich nach den von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen Angaben der Beklagten auf die auch im vorliegenden Vertrag zur HzV vorgeschriebene Software beziehen soll. Die Stellungnahme kommt für den Senat nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die Kontrollmöglichkeiten über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ausreichend transparent seien. Die Datenverarbeitungsvorgänge in der Arztpraxis würden vom Arzt gesteuert.

101

(6) Auch die in Ziff 2.1 der Anlage 4 zum Vertrag vorgesehene Übermittlung von Einschreibedaten ist entgegen der Auffassung der Klägerin datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden. Bei den Einschreibedaten handelt es sich um die in der Teilnahmeerklärung enthaltenen Stammdaten des Versicherten (Name, Anschrift, Geburtsdatum, Versichertennummer), die Daten zu dem gewählten Hausarzt und den Teilnahmebeginn (vgl die der Teilnahmeerklärung beigefügten Informationen zu Datenschutz, Datenübermittlung und -zusammenführung). Diese Angaben sind für die Durchführung der Abrechnung im Sinne des § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V erforderlich und die Verarbeitung und Nutzung dieser Daten erfolgt in Übereinstimmung mit § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V zu Abrechnungszwecken(im Ergebnis ebenso die Bewertung eines insoweit entsprechenden Vertrages durch das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht, Schreiben vom 30.11.2012, Az: LDA.3-1085.6-12/10).

102

(7) Im Widerspruch zu den geltenden gesetzlichen Vorgaben steht dagegen § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum HzV, der die HÄVG zur Führung von Musterverfahren ermächtigt, weil es sich dabei nicht um eine gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V allein zulässige Verarbeitung oder Nutzung zu Abrechnungszwecken handelt. Zwar regelt der Vertrag nicht ausdrücklich die Verwendung personenbezogener Daten in Musterprozessen. Die vorgesehene Führung solcher Prozesse durch die HÄVG setzt die Verwendung personenbezogener Daten der an der HzV teilnehmenden Versicherten jedoch voraus (ebenso zu einer insoweit vergleichbaren Regelung: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38). Gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verwenden. Dass die Verwendung von Daten zur Führung von Musterprozessen über die Verwendung zu Abrechnungszwecken hinausginge, haben die Beklagten im Revisionsverfahren auch nicht in Zweifel gezogen, sondern geltend gemacht, dass die HÄVG tatsächlich keine "Musterverfahren" unter Nutzung personenbezogener Daten führe. Auf die Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung hat dies indes keinen Einfluss.

103

e) Im Ergebnis ist der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag allein insoweit zu beanstanden, als er eine datenschutzrechtlich unzulässige Unterbeauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG sowie das Recht der HÄVG zur Führung von "Musterverfahren" vorsieht. Dem werden die Beteiligten durch entsprechende Änderungen des Vertrages Rechnung zu tragen haben. Davon unberührt bleibt die Verpflichtung der Beteiligten, den seit der Festsetzung des Vertragsinhalts eingetretenen gesetzlichen Änderungen durch Vertragsanpassungen Rechnung zu tragen.

104

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Bei der Kostenverteilung (§ 155 Abs 1 VwGO) hat der Senat berücksichtigt, dass die Klage bezogen auf die beantragte Aufhebung des Vertrages zur HzV ohne Erfolg und bezogen auf die hilfsweise geltend gemachte Feststellung der Rechtswidrigkeit vertraglicher Bestimmungen ganz überwiegend erfolglos war.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichtes vom 29. Januar 2015 und des Sozialgerichts Wiesbaden vom 17. Mai 2013 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Festsetzung der Vergütung für das Jahr 2010 durch die Schiedsperson im Schiedsspruch vom 16. April 2011 unwirksam ist.

Im Übrigen wird die Ersetzungsklage abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen zu einem Drittel, die Beklagte zu zwei Dritteln.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die durch Schiedsspruch der Schiedsperson festgesetzte Anhebung der Vergütung für Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V für das Jahr 2010.

2

Die Kläger sind Verbände der privat-gewerblichen Pflegedienste (im Folgenden: LAG). Die ihnen angeschlossenen Pflegedienste erbringen Leistungen der häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V) in Hessen. Diese erhielten mangels vertraglicher Vereinbarungen zunächst dieselben Vergütungen wie die den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege (im Folgenden: LIGA) zugehörigen Pflegeeinrichtungen in Hessen. Nachdem der zwischen der LIGA und den Krankenkassen (KKn) in 1996 geschlossene Rahmenvertrag über die häusliche Krankenpflege in Hessen (LIGA 1996) zum 31.12.2001 gekündigt worden war, kam es auch für die den Klägern angeschlossenen Pflegedienste für einige Jahre zu keiner allgemeinen Vergütungssteigerung mehr.

3

Erst zum 1.5.2006 schlossen die Kläger mit den beklagten KKn bzw Verbänden einen Rahmenvertrag (LAG 2006), der bis heute anwendbar ist. Der Vertrag bindet die beteiligten Landesverbände der KKn und der Ersatzkassen und die privaten Anbieter von Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Hessen, soweit diese dem Vertrag beigetreten sind oder noch beitreten. Die Vergütung der erbrachten Leistungen erfolgt gemäß § 42 Abs 1 LAG 2006 nach der jeweils gültigen, dem Vertrag als Anlage beigefügten Leistungsbeschreibungs- und Vergütungsvereinbarung. Der Vertrag enthält auch eine Schiedsregelung.

4

Mit Abschluss des Rahmenvertrags akzeptierten die Kläger zugleich eine von den Beklagten angebotene Vergütungsanhebung in Höhe von 3,2 % in zwei Schritten (2 % ab dem 1.5.2006 und weitere 1,2 % ab dem 1.1.2007) für alle Leistungen der häuslichen Krankenpflege mit Ausschluss der - in geltender Höhe beibehaltenen - Hausbesuchspauschale. Die sich daraus ergebenden Vergütungssätze wurden in den Rahmenvertrag aufgenommen (Anlagen 2a für 2006 bzw 2b für 2007). Für die Jahre 2008 und 2009 einigten sich die Beteiligten auf eine von den KKn angebotene Vergütungserhöhung - auf der Grundlage der gemäß § 71 Abs 3 SGB V ministeriell bestimmten Veränderungsraten für 2008 (0,64 %) und 2009 (1,41 %) - um 2,05 % für alle Leistungen ab dem 1.1.2009, einschließlich der Hausbesuchspauschale (Anlage 2c). Im Einigungsprotokoll vom 8.12.2008 verdeutlichten die Leistungserbringer ihre Ansicht, dass für gleiche Leistungen keine unterschiedlichen Vergütungen vereinbart werden dürften und dass sie sich vorbehielten, diesen bislang nicht hinreichend beachteten Aspekt in zukünftigen Vertragsverhandlungen einzubringen (Ziffer 5 des Protokolls).

5

Für das Jahr 2010 konnten sich die Beteiligten in Vergütungsverhandlungen vom 14.12.2009 und 4.2.2010 nicht über eine Vergütungserhöhung einigen. Während die Kläger eine Vergütungsanhebung auf das für die Pflegedienste der LIGA ab 1.1.2009 gültige Vergütungsniveau zuzüglich 3 % forderten, boten die Beklagten lediglich die Steigerung in Höhe der Veränderungsrate 2010 nach § 71 Abs 3 SGB V in Höhe von 1,54 % an.

6

Im Januar 2011 riefen die Kläger daher die von ihnen bestimmte Schiedsperson an (Richter am BSG D.). Im Schiedsverfahren beriefen sich die Kläger auf die ihrer Ansicht nach seit 2006 immer weiter geöffnete "Vergütungsschere" im Vergleich zu den der LIGA angeschlossenen Pflegediensten (Vergütungssteigerungen im Zeitraum 2005 bis 2010: LIGA zugehörige Pflegedienste um 12,32 %; LAG zugehörige Pflegedienste um 6,4 %; addierte Veränderungsraten nach § 71 Abs 3 SGB V: um 10,17 %; Hausbesuchspauschale: Anstieg LIGA zugehörige Pflegedienste auf 5,34 Euro; LAG zugehörige Pflegedienste auf 4,86 Euro). Die Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt. Dass die von den Beklagten angebotene Vergütung nicht mehr ausreichend sei, um die Leistungen der häuslichen Krankenpflege wirtschaftlich zu erbringen, lasse sich beispielhaft an einer hessischen Studie zur Hausbesuchspauschale (sogenannte HLT-Studie) verdeutlichen. Die Kläger beantragten im Schiedsverfahren, die Vergütung für die Leistungen häuslicher Krankenpflege für das Jahr 2010 nach einem von ihnen eingereichten neuen Vergütungskatalog festzusetzen und diesen als neue Anlage 2d in den Rahmenvertrag LAG 2006 aufzunehmen. Die Beklagten beantragten hingegen, die Vergütung für 2010 lediglich in Höhe der Veränderungsrate gemäß § 71 Abs 3 SGB V um 1,54 % zu steigern. Nach zwei durchgeführten Erörterungsterminen (am 7. und 11.4.2011), in welchen die Schiedsperson auch den Versuch einer vergleichsweisen Einigung unternahm, erklärten sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

7

Mit Schiedsspruch vom 16.4.2011 hob die Schiedsperson die bis zum 31.12.2009 gezahlten Vergütungen für alle Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Zeitraum vom 1.1. bis 31.12.2010 um 1,54 % entsprechend der nach § 71 Abs 3 Satz 1 SGB V ministeriell festgelegten Veränderungsrate für 2010 an und lehnte den weitergehenden Antrag der Kläger ab. Tatsachen, die eine Vergütungserhöhung oberhalb der Steigerung der Grundlohnsumme rechtfertigten, seien nicht schlüssig dargetan und auch nicht durch Unterlagen belegt worden. Eine existenzbedrohende Vergütung, die eine wirtschaftliche Leistungserbringung ausschließe, sei zwar vorgetragen, aber nicht belegt. Eine Vergütungsanpassung allein aufgrund der Gleichbehandlung mit den der LIGA zugehörigen Leistungserbringern scheide aus. Zu einer Sachaufklärung von Amts wegen sei die Schiedsperson nicht berufen. Bei den nächsten Verhandlungen könne die Vergütungsschere zur LIGA unter der Prämisse "gleiche Vergütung für gleiche Leistung" ggf auch in mehreren Schritten geschlossen werden.

8

Die gegen den Schiedsspruch erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 17.5.2013 abgewiesen. Das LSG hat die Berufung der Kläger mit Urteil vom 29.1.2015 zurückgewiesen. Es hat sich den Ausführungen des SG angeschlossen (§ 153 Abs 2 SGG) und ergänzend ausgeführt: Die zulässige Ersetzungsklage sei unbegründet, da die zutreffend festgesetzte Vergütungserhöhung nicht durch Urteil zu ersetzen sei. Verfahrensfehler seien im Schiedsverfahren nicht festzustellen; insbesondere habe die Schiedsperson nicht das rechtliche Gehör bzw den Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt. Die Schiedsperson hätte die Beteiligten auch nicht vorab auf das Ergebnis des Schiedsspruchs hinweisen müssen. Eine Überraschungsentscheidung liege nicht vor, weil der Grundsatz der Beitragssatzstabilität der zentrale Punkt in der Argumentation der Beklagten gewesen sei.

9

Der Schiedsspruch sei nicht zu beanstanden. Die Steigerung der Grundlohnsumme nach § 71 Abs 3 SGB V sei ein plausibler, nachvollziehbarer und vertretbarer Beurteilungsmaßstab für die Bemessung der Vergütungsanhebung für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege, auch wenn die Vergütungssteigerung im Wesentlichen auf die Erhöhung von Personalkosten zurückzuführen sei(Hinweis auf BSG Urteil vom 25.11.2010 - B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5). Auf den Nachweis tatsächlich angestiegener Gestehungskosten im Bereich von Personalkosten könne nicht vollständig verzichtet werden. Hierzu fehlte es bereits an substantiiertem Vortag im Schiedsverfahren, wofür die Kläger auch darlegungspflichtig seien. Die Heterogenität der den Kläger angeschlossenen Dienste und der Abschluss einer kollektivrechtlichen Preisfestsetzung stünden dem nicht entgegen. Die Vorschriften der §§ 19 bis 21 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), insbesondere das wettbewerbsrechtliche Diskriminierungsverbot des § 20 GWB, seien nach § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V nicht anwendbar. Der von den Klägern erhobene Vorwurf einer unlauteren, Art 3 Abs 1 GG verletzenden Ungleichbehandlung wegen der mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege getroffenen Vergütungsvereinbarungen greife nicht. Das Willkürverbot stelle die äußerste Grenze des Verhandlungsspielraums der KKn dar (Hinweis auf BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 3 KR 23/07 R - BSGE 101, 142 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, RdNr 21). Eine missbräuchliche Ausschöpfung der Verhandlungsmacht der Beklagten liege nicht vor. Schließlich bestimmten Angebot und Nachfrage den Preis, wobei die KKn günstige Preise durch die Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven verhandeln sollen. Eine Diskriminierung bei Vergütungsvereinbarungen komme daher nur bei Evidenzfällen in Betracht; ein solcher Fall liege hier nicht vor.

10

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs wegen einer Verletzung von § 71 SGB V, §§ 19 ff GWB, Art 12 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG. Die beiden Gruppen der Anbieter von Leistungen der häuslichen Krankenpflege (LIGA und LAG), mit denen die Beklagten die Vergütungen für die häuslichen Krankenpflege verhandelten, erbrächten gleiche Leistungen und versorgten grundsätzlich dieselben Versicherten. Dennoch erhielten die der LIGA angeschlossenen Pflegeeinrichtungen für dieselben Leistungen eine deutlich höhere Vergütung, sodass diese ihre Mitarbeiter wesentlich besser bezahlen könnten. Dies verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz; überdies liege auch ein Verstoß gegen Art 12 Abs 1 GG iVm Art 3 Abs 1 GG als Ausprägung des Anspruchs auf leistungsgerechte Vergütung bei staatlich gebundenen Preisen vor. Die höhere Vergütung der der LIGA angeschlossenen Pflegedienste sei daher nicht gerechtfertigt. Auch die den Klägern angeschlossenen Pflegedienste zahlten tarifentsprechende Entgelte, um im Wettbewerb der Gewinnung von (Fach-)Pflegekräften überhaupt eine Chance zu haben. Der sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergebende Anspruch auf gleiche Vergütung für gleiche Leistung werde weder durch den Grundsatz der Beitragssatzstabilität noch durch die Grundlohnsummensteigerung nach § 71 Abs 1 und Abs 3 SGB V begrenzt. Die Unbilligkeit des Schiedsspruchs beruhe auf der fehlerhaften Anwendung von § 71 Abs 2 SGB V. Diese Vorgaben seien auf Kollektivverträge nach § 132a Abs 2 SGB V nicht anwendbar. Doch selbst dann wäre eine Überschreitung der Grundlohnsumme ausnahmsweise zulässig. Dies folge aus den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften von §§ 19 ff GWB, die entgegen der Ansicht der Vorinstanzen anwendbar seien. Der Ausschlusstatbestand des § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V gelte nicht für Kollektivvereinbarungen. Unabhängig davon sei der Schiedsspruch aufzuheben, weil er verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei. Die Schiedsperson habe das rechtliche Gehör der Kläger verletzt. Wären die Kläger über die beabsichtigte Entscheidung der Schiedsperson aufgeklärt worden, hätten sie ua weitere Informationen gegeben und Belege vorgelegt, aus denen sich die Erforderlichkeit einer höheren Vergütung ergeben hätte. Der Schiedsspruch verletze daher auch den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Schließlich habe die Schiedsperson die Anforderungen an die Darlegungslast überspannt.

11

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. Januar 2015 und des Sozialgerichts Wiesbaden vom 17. Mai 2013 aufzuheben und die von der Schiedsperson im Schiedsspruch vom 16. April 2011 festgesetzte Vergütung für das Jahr 2010 nach billigem Ermessen des Gerichts durch Urteil zu ersetzen,
hilfsweise festzustellen,
dass die Festsetzung der Vergütung für das Jahr 2010 durch die Schiedsperson im Schiedsspruch vom 16. April 2011 unwirksam ist.

12

Die Beklagten beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

13

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Die auch auf Kollektivverträge nach § 132a Abs 2 SGB V anwendbare Steigerung der Grundlohnsumme stelle einen nachvollziehbaren und vertretbaren Beurteilungsmaßstab für die Bemessung der Vergütung dar. Daher müssten plausible Nachweise konkreter Kostensteigerungen wenigstens eines repräsentativen Teils der den Klägern angeschlossenen Pflegedienste vorgelegt werden. Daran fehle es hier vollständig. Auch hinsichtlich des Ausnahmetatbestandes von § 71 Abs 1 Halbsatz 2 SGB V hätten sich die Kläger nur auf allgemeine Ausführungen beschränkt. Die Regelungen der §§ 19 ff GWB seien nicht anwendbar. Eine Verletzung des Art 3 GG scheitere an der Darlegung der Vergleichbarkeit der gegenübergestellten Gruppen.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Kläger hat insoweit Erfolg, als die durch die Schiedsperson mit Schiedsspruch vom 16.4.2011 festgesetzte Vergütungsanhebung nach der Veränderungsrate des § 71 Abs 3 SGB V um 1,54 % für Leistungen der häuslichen Krankenpflege in 2010 unwirksam ist. Die Urteile der Vorinstanzen waren daher aufzuheben.

15

Die im Hauptantrag erhobene Ersetzungsklage ist zulässig aber unbegründet, weil das Gericht den Schiedsspruch, trotz seiner Unbilligkeit, nicht durch die Festsetzung einer höheren Vergütung ersetzen kann. Daher war die Ersetzungsklage abzuweisen (A.). Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist zulässig und begründet (B.). Die Kläger haben ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit des Schiedsspruchs (B.1.). Der Schiedsspruch ist unbillig, weil die tatsächlichen Grundlagen fehlen, auf deren Basis eine gerichtliche Kontrolle des Normprogramms zur Bemessung der Vergütung nach § 132a Abs 2 SGB V unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität nach § 71 Abs 1 SGB V erfolgen kann(B.2.). Hierüber hätte die Schiedsperson die Beteiligten aufklären müssen (B.3.). Die Beteiligten werden daher unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats über die Vergütungsanhebung für das Jahr 2010 neu verhandeln und sich einigen müssen, im Fall der Nichteinigung unter erneuter Beteiligung einer Schiedsperson (C.).

16

A. Die im Hauptantrag erhobene Ersetzungsklage ist zulässig, aber unbegründet.

17

1. Die zutreffende Klageart für den Fall, dass die Vertragspartner mit dem Schiedsspruch über Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V auf der Grundlage des vertraglich vereinbarten Schiedsverfahrens(hier: Rahmenvertrag LAG 2006) nicht einverstanden sind, ist die Ersetzungsklage nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 317 Abs 1, § 319 Abs 1 Satz 2 BGB. Die im Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege von den Vertragspartnern im Fall der Nichteinigung über den Vertragsinhalt zu bestimmende unabhängige Schiedsperson (§ 132a Abs 2 Satz 6 SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 BGBl I 2190 mWv 1.1.2004) wird bei der Durchführung des Schiedsverfahrens und bei Erlass des Schiedsspruchs als öffentlich-rechtlicher Schlichter und Vertragshelfer (§ 69 Abs 1 Satz 1 und 3 SGB V iVm § 317 BGB) und nicht als Behörde tätig. Der Schiedsspruch der Schiedsperson ist kein Verwaltungsakt iS von § 31 SGB X und kann deshalb nicht durch Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Neubescheidungsklage(§ 54 Abs 1, § 131 Abs 2 und 3 SGG)gerichtlich überprüft werden.

18

Prozessual handelt es sich bei der Ersetzungsklage um eine Sonderform der Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG. Bei einer solchen Klage sind die Vertragspartner die richtigen Klagegegner. Die Klage ist daher weder gegen die Schiedsperson zu richten noch ist diese notwendig beizuladen (§ 75 Abs 2 SGG). Vielmehr ist deren Tätigkeit mit dem Erlass des Schiedsspruchs beendet. Die Schiedsperson wird in ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen durch die gerichtliche Leistungsbestimmung nach § 319 Abs 1 Satz 2 BGB nicht betroffen. Diese Grundsätze hat der Senat bereits im Urteil vom 25.11.2010 (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 22, 24) auch in Abgrenzung zu anderen außergerichtlichen Konfliktlösungsmodellen wie Schiedsämter und Schiedsstellen (nach SGB V, XI, XII) entwickelt (vgl Senatsurteil, aaO, RdNr 17 bis 22 mwN).

19

Die Ersetzungsklage ist auch in der Literatur als zutreffende Rechtsschutzmöglichkeit gegen Schiedssprüche von Schiedspersonen anerkannt (vgl ua Rixen in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 132a RdNr 13; Ammann in BeckOK SozR SGB V, Stand 1.4.2016, § 132a RdNr 24; Plantholz in Klie/Krahmer/Plantholz, SGB XI, 4. Aufl 2014, § 132a SGB V RdNr 23; Schneider in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 132a SGB V RdNr 28; Armbruster in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl 2016, § 132a RdNr 64). Sie ist unter Bezugnahme auf § 132a Abs 2 SGB V für andere im SGB V normierten Modelle für Schiedsverfahren mit Schiedspersonen übernommen worden(zu Verträgen über Hospizleistungen nach § 39a Abs 1 SGB V vgl ua Kingreen in Becker/ders, SGB V, 4. Aufl 2014, § 39a RdNr 15; Nolte in KassKomm, SGB V, Stand 12/2015 § 39a RdNr 15c; zu Verträgen der Heilmittelversorgung § 125 Abs 2 SGB V vgl ua Schneider in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 125 SGB V RdNr 25).

20

2. Die Ersetzungsklage ist jedoch unbegründet. Zwar ist der Schiedsspruch für das Jahr 2010 unbillig, doch können weder das Revisions- noch das Tatsachengericht den Vertragsinhalt festsetzen. Ob und ggf wie weit die Vergütung für die den Klägern angehörigen Dienste anzuheben ist, muss auf der Grundlage der von den Klägern noch beizubringenden Informationen und Nachweise zwischen den Beteiligten zunächst verhandelt werden. Derzeit fehlt vollständig eine Tatsachengrundlage, aufgrund derer eine gerichtliche Kontrolle des Normprogramms zur Bemessung der Vergütung nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität nach § 71 Abs 1 SGB V überhaupt möglich ist(vgl dazu unten B.2.).

21

Das Gericht ist zur subsidiären Ersatzleistungsbestimmung nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 319 Abs 1 Satz 2 BGB verpflichtet, wenn die durch die Schiedsperson festgesetzte primäre Leistungsbestimmung unbillig ist. Der Ausspruch des Gerichts tritt dann an die Stelle der Leistungsbestimmung durch diese Person (vgl auch BAG Urteil vom 16.12.2014 - 9 AZR 431/13 - Juris RdNr 30 mwN; kritisch BVerwGE 116, 78, 85). Als weitere Voraussetzung der Begründetheit der Ersetzungsklage muss das Gericht jedoch die Ersatzleistungsbestimmung durch Urteil vornehmen können (vgl Rieble in Staudinger, BGB, Leistungsstörungsrecht 2, 2015, § 319 RdNr 23). Das ist hier derzeit nicht möglich. Der Vorschrift des § 319 BGB liegt die Vorstellung zugrunde, dass einzelne Elemente eines Schiedsspruchs auf der Basis einer geklärten Tatsachengrundlage durch das Gericht ersetzt werden. Das ist insbesondere bei einer Vereinbarung über Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege (§ 132a Abs 2 Satz 1 SGB V) der Fall, soweit um isolierte Einzelfragen gestritten wird, die vom Gericht in Abweichung von der Entscheidung der Schiedsperson so oder so beurteilt werden können, ohne dass damit das Vertragswerk insgesamt in Frage gestellt wäre. Wird jedoch wegen Unbilligkeit der Festlegungen der Schiedsperson die Neufestsetzung eines vollständigen Vergütungsvertrages oder einer sonstigen wesentlichen Vertragsregelung erforderlich, kann dies jedenfalls dann nicht durch das Gericht erfolgen, wenn es - wie hier - an einer ausreichenden Tatsachengrundlage als Basis zur Bestimmung der streitigen Vergütungshöhe fehlt und den oder einem Beteiligten die Möglichkeit einzuräumen ist, die fehlenden Informationen und Belege noch in das Verfahren einzubringen. Denn solange die Schiedsperson noch keinen Schiedsspruch erlassen hat, der auf einer von den Beteiligten nach den Grundsätzen eines fairen Verfahrens beizubringenden, ausreichenden Tatsachengrundlage basiert, kommt eine gerichtliche Ersetzung nicht in Betracht. Dies wäre mit dem in § 132a Abs 2 SGB V vorgesehenen Konfliktlösungsmechanismus nicht vereinbar. Dieser Vorschrift liegt die Konzeption zugrunde, dass die Beteiligten zunächst selbst eine interessen- und sachgerechte Lösung zur Gestaltung ihrer vertraglichen Beziehungen finden und im Konfliktfall eine Schiedsperson den Konsens herstellt. Die Konfliktlösung soll danach in erster Linie über eine Schiedsperson erfolgen, deren Festsetzung nur auf Unbilligkeit überprüft werden soll. Das hat zur Folge, dass immer dann, wenn der Schiedsspruch zwar unbillig, die Ersetzung durch das Gericht aber nicht möglich ist, die Vertragspartner unter Berücksichtigung der Ausführungen des Gerichts zur Unbilligkeit neu nach einem Konsens suchen müssen. Hat diese Suche keinen Erfolg, muss erneut eine Schiedsperson tätig werden; es ist nicht ausgeschlossen, die Person erneut zu berufen, die bereits tätig geworden ist.

22

Gegen dieses - unter Umständen langwierige - Vorgehen lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, es komme auf diese Weise zu einem ständigen Hin- und Herschieben der Zuständigkeit zwischen Vertragspartnern, Schiedsperson und Gericht. Zum einen haben die Senatsurteile vom heutigen Tag (s auch B 3 KR 25/15 R zur Vergütung der gemeinnützigen Anbieter der freien Wohlfahrtspflege) die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Anpassung von Vergütungsvereinbarungen (auch) unter Einschaltung einer Schiedsperson präzisiert, sodass sich der Konfliktstoff zwischen den Vertragspartnern nach § 132a Abs 2 SGB V reduziert haben dürfte. Zum anderen weicht das Prozedere hinsichtlich der Vergütung der häuslichen Krankenpflege nicht wesentlich von dem Verfahrensablauf ab, der mit der Einschaltung von Schiedsämtern im Krankenversicherungsrecht generell verbunden ist (§ 89 SGB V). Auch deren Gestaltungsspielraum müssen die Gerichte respektieren, was zur Folge hat, dass nach der gerichtlichen Aufhebung eines Schiedsspruchs das Schiedsamt in der Regel erneut tätig werden muss und auch die neue Entscheidung gerichtlich überprüft werden kann. An die Entscheidung des Gesetzgebers, in § 29 Abs 2 Nr 1 SGG die erstinstanzliche Zuständigkeit des LSG nur für Entscheidungen der Landesschiedsämter und bestimmter Schiedsstellen, nicht aber für die Überprüfung von Entscheidungen von Schiedspersonen anzuordnen, sind die Gerichte gebunden.

23

Nach dem im Bereich der häuslichen Krankenpflege von § 132a SGB V normierten Konfliktlösungsmodell wird der Schiedsperson als von den Vertragspartnern bestimmter Schlichter bzw Vertragshelfer die Befugnis eingeräumt, die Leistung (zB Vergütung oder Preise) oder eine Leistungsmodalität (zB Beginn oder Ende der Laufzeit des Vertrags) zu bestimmen und so den Vertragsinhalt rechtsgestaltend zu ergänzen. Hingegen geht es nicht darum, dass die Schiedsperson Tatsachen oder Tatbestandsmerkmale für die Vertragspartner verbindlich feststellt (vgl Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 35 mwN; zu Schiedsgutachten im engeren und weiteren Sinne vgl BGH Urteil vom 4.7.2013 - III ZR 52/12 - Juris RdNr 27 ff; vgl dazu auch Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl 2016, § 317 RdNr 3 und 6 und § 319 RdNr 3 f). Erst Recht ist dies nicht Aufgabe der Gerichte im Fall eines gescheiterten Schiedsspruchs nach § 132a Abs 2 SGB V. Damit korrespondiert eine nur eingeschränkte richterliche Kontrolle. Sie bezieht sich nur auf die Unbilligkeit des Schiedsspruchs (§ 319 Abs 1 BGB analog) als Rechts- und Inhaltskontrolle unter Wahrung des Beurteilungsspielraums der Schiedsperson (vgl dazu unten B.2.).

24

Hier liegen die Voraussetzungen, unter denen eine Ersetzungsklage Erfolg haben kann, nicht vor. Das Gericht könnte ohne umfassende Tatsachenfeststellungen keinen Vertragsinhalt festsetzen oder auch "nur" eine angemessene Vergütungserhöhung vorgeben.

25

B. Die Unbegründetheit der Ersetzungsklage hat indessen nicht zur Folge, dass ein Vertragspartner das Recht verliert, die Unbilligkeit der Festlegungen der Schiedsperson zu rügen und die (fehlende) Verbindlichkeit dieser Festlegungen gerichtlich klären zu lassen. Deshalb bedarf es einer Fortentwicklung der Rechtsprechung des Senats zu Schiedssprüchen von Schiedspersonen nach § 132a SGB V: Bei Unmöglichkeit der gerichtlichen Ersetzung des Schiedsspruchs trotz seiner Unbilligkeit, ist die Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG statthaft(1.). Die Unwirksamkeit des Schiedsspruchs ist dann durch das Gericht festzustellen (2.).

26

1. Die hier von den Klägern hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Soweit ein Schiedsspruch trotz seiner Unbilligkeit nicht durch das Gericht ersetzt werden kann, besteht ein berechtigtes Interesse, subsidiär die Unbilligkeit alsbald gerichtlich feststellen zu lassen. Die gerichtliche Feststellung der Unwirksamkeit des Schiedsspruchs ist nicht nur für das im Streit stehende Leistungsjahr von Bedeutung. Die Beteiligten müssen über die Vergütung nach Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu verhandeln, und das Ergebnis ist auch für die Vergütungsverhandlungen der Folgejahre von Gewicht. Ein weitergehendes Feststellungsbegehren ist neben einem Leistungsbegehren grundsätzlich möglich und scheitert nicht etwa an mangelndem Rechtsschutzinteresse (stRspr vgl BSGE 21, 167, 168 = SozR Nr 38 zu § 55 SGG; BSG Urteil vom 22.3.1983 - 2 RU 64/81 - Juris RdNr 19 mwN). Dies gebietet schließlich das aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) folgende Erfordernis einer tatsächlich wirksamen gerichtlichen Kontrolle (vgl nur BVerfGE 101, 106, 122; 108, 341, 347 f).

27

Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zu seiner eigener Rechtsprechung, dass im Streit über den Schiedsspruch nach § 132a SGB V die Vertragspartner weder durch Anfechtungs- noch durch Neubescheidungsklage, sondern nur durch die Ersetzungsklage(§ 319 Abs 1 Satz 2 BGB, § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V) ihr Klageziel erreichen können. Im Senatsurteil vom 25.11.2010 (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5)war die Ersetzungsklage als unbegründet abgewiesen worden, weil der Schiedsspruch nicht unbillig und daher rechtmäßig ergangen war (aaO RdNr 34). Der Erweiterung der Rechtsschutzmöglichkeit in der vorliegenden Prozesssituation bei Unmöglichkeit der gerichtlichen Ersetzung des Schiedsspruchs trotz seiner Unbilligkeit steht auch nicht die Rechtsprechung des 6. Senats des BSG zur gerichtlichen Überprüfung von Schiedssprüchen der Schiedsperson im Bereich der hausarztzentrierten Versorgung (hzV) nach § 73b SGB V entgegen. Der 6. Senat legt als zutreffende Klageart die Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG zugrunde und hält für den Bereich der hzV die Ersetzungsklage(§ 319 Abs 1 Satz 2 BGB, § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V) für nicht statthaft (vgl BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 47, 53). Der 6. Senat hat zutreffend differenziert (aaO RdNr 48), dass es im Bereich der hzV um die gerichtliche Kontrolle von Verträgen geht, deren Inhalt vollständig gegen den Willen der KKn von einer durch die zuständige Aufsichtsbehörde bestimmten Schiedsperson festgelegt werden kann (vgl § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 und 2 SGB V). Das dem Bereich der häuslichen Krankenpflege zugrundeliegende Konfliktlösungsmodell lässt hingegen die lediglich punktuelle vertragsergänzende Leistungsbestimmung - auch zur Höhe der Vergütung - durch die Schiedsperson generell zu (vgl BT-Drucks 15/1525 S 123; dazu bereits Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 25). Soweit der Senat gegenüber Schiedssprüchen nach § 132a Abs 2 SGB V für den Fall der Unbegründetheit der Ersetzungsklage wegen der fehlenden Möglichkeit der gerichtlichen Festsetzung hilfsweise die Feststellungsklage für statthaft hält, stimmt das mit der Auffassung des 6. Senats zu § 73b SGB V überein.

28

Schließlich liegt auch keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung (§ 168 Satz 1 SGG) vor. Denn als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn - wie hier ohne Änderung des Klagegrundes - der Klageantrag in der Hauptsache erweitert oder beschränkt wird (§ 99 Abs 3 Nr 2 SGG; stRspr vgl BSGE 83, 118, 123 = SozR 3-2500 § 145 Nr 1 S 7; BSGE 48, 195, 196 = SozR 2200 § 394 Nr 1 S 1). Eine solche Umstellung des Revisionsantrags ist auch noch nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung bis zum Schluss der mündlichen Revisionsverhandlung möglich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 10 mwN). Das war vorliegend der Fall.

29

2. Die Feststellungsklage ist begründet, weil der Schiedsspruch unbillig und daher unwirksam ist.

30

Die Bestimmung der streitigen Vergütungsanhebung für das Jahr 2010 durch die Schiedsperson widerspricht "billigem Ermessen" nach § 317 Abs 1, § 319 Abs 1 BGB, § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V, § 132a Abs 2 Satz 1 und Satz 6 SGB V iVm mit dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Rahmenvertrag (LAG 2006), der neben den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung(§§ 40 f) und den Grundsätzen der Vergütungsstrukturen (§§ 42 f) eine vertragliche Schiedsregelung enthält (§ 11).

31

a) Der Senat hat bereits im Urteil vom 25.11.2010 (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 36 ff)die Maßstäbe für die Kontrolle eines Schiedsspruchs nach § 132a SGB V entwickelt: Der Schiedsspruch ist nicht erst bei "offenbarer" Unbilligkeit(§ 319 Abs 1 Satz 2 BGB), sondern bereits bei schlichter Unbilligkeit aufzuheben (vgl Senatsurteil aaO RdNr 33). Die Unbilligkeit des Schiedsspruchs nach § 132a Abs 2 SGB V kann auf schwerwiegenden verfahrensrechtlichen Mängeln des Schiedsspruchs beruhen(zB Begründungsmängel, Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) wie auch materiell unrichtig sein oder gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen. Bei der Inhalts- und Richtigkeitskontrolle ist zu beachten, dass der Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V einen Interessenausgleich durch eine unabhängige Person im Sinne einer schlichtenden Tätigkeit darstellt. Daher weist sie häufig Kompromisscharakter auf und stellt nicht immer die einzig vertretbare Lösung dar. Deshalb kommt es bei der Inhaltskontrolle nur darauf an, ob ein vertretbarer, nachvollziehbarer Beurteilungsmaßstab angewandt worden ist, und das Ergebnis "billigem Ermessen" entspricht, also mit den gesetzlichen Vorgaben und dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) vereinbar ist. Auf Zweckmäßigkeitserwägungen kommt es nicht an. Die Schiedsperson muss den Verhandlungsrahmen einhalten, sie muss unstreitige Positionen als vorbestimmten Vertragsinhalt beachten, ist an die Anträge der Vertragspartner gebunden und darf daher weder die Forderung der Leistungserbringer überschreiten noch das Angebot der KKn bzw ihrer Verbände unterschreiten (vgl Senatsurteil aaO RdNr 37).

32

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe und bei Wahrung des der Schiedsperson eingeräumten Beurteilungsspielraums, der durch das "billige Ermessen" (§ 317 Abs 1 BGB) geprägt wird, darf die Rechts- und Inhaltskontrolle ausschließlich darauf bezogen werden, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt ist, ob zwingendes Gesetzesrecht beachtet und ob der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten worden ist. Dies setzt voraus, dass der Beurteilungsmaßstab und die gefundene Abwägung durch die Schiedsperson Eingang in die Begründung des Schiedsspruchs gefunden haben. Die Anforderungen hieran dürfen im Hinblick auf die Stellung und Funktion der Schiedsperson nicht überspannt werden (vgl Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 38; zum gerichtlichen Überprüfmaßstab von Schiedssprüchen durch Schiedsämter, Schiedsstellen und Schiedspersonen vgl BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 20/14 R - SozR 4-2500 § 120 Nr 4 - für BSGE vorgesehen, RdNr 26 mwN).

33

b) Diesen aufgezeigten Maßstäben hält die inhaltliche Überprüfung des Schiedsspruchs anhand des Normprogramms zur Bemessung der Vergütung nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität nach § 71 Abs 1 SGB V nicht stand.

34

Nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V schließen die KKn Verträge mit den Leistungserbringern über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung. Die KKn haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden (§ 132a Abs 2 Satz 5 SGB V). Auch wenn § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V ausdrücklich nur vom Abschluss von Einzelverträgen mit den jeweiligen Pflegediensten ausgeht, hat der Senat bereits entschieden, dass auch der Abschluss von Kollektivverträgen mit Gruppen von Leistungserbringern bzw deren Verbänden über Vergütungsregelungen nach dieser Vorschrift zulässig ist(vgl Senatsurteile vom 17.7.2008 - BSGE 101, 142, 148 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, RdNr 26; vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123, 136 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 39).

35

(aa) Für Vergütungsanhebungen betreffend die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V gilt der Grundsatz der Beitragssatzstabilität, der im Rahmen der Rechtskontrolle des Schiedsspruchs die gerichtliche Überprüfung prägt. Nach § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V haben die Vertragspartner auf Seiten der KKn und der Leistungserbringer die Vereinbarungen über die Vergütungen nach dem SGB V so zu gestalten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen sind, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität). Um diesen Vorgaben zu entsprechen (§ 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V)darf gemäß § 71 Abs 2 Satz 1 SGB V die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung die sich bei Anwendung der Veränderungsrate für das gesamte Bundesgebiet nach § 71 Abs 3 SGB V ergebende Veränderung der Vergütung nicht überschreiten. Abweichend von § 71 Abs 2 Satz 1 SGB V ist eine Überschreitung zulässig, wenn die damit verbundenen Mehrausgaben durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen Leistungsbereichen ausgeglichen werden.

36

Dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität auch auf Vergütungsverträge im Bereich der häuslichen Krankenpflege Anwendung findet, folgt aus seiner systematischen Stellung (§ 71 SGB V) im Vierten Kapitel des SGB V, das allgemein die Beziehungen der KKn zu den Leistungserbringern regelt (§§ 69 ff SGB V). Einer auf die jeweilige Vergütungsvereinbarung bezogenen speziellen Regelung, die die Anwendung von § 71 SGB V ausdrücklich anordnet, bedarf es daher nicht(vgl BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 17; SozR 4-2500 § 120 Nr 4 - für BSGE vorgesehen, RdNr 30). Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität ist eine gesetzliche Vorgabe, die bei Schiedssprüchen nach § 132a Abs 2 SGB V zu beachten ist und die eine verbindliche Grenze für Vergütungsvereinbarungen darstellt(vgl auch BSG Urteil vom 10.5.2000 - BSGE 86, 126, 135 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 296 ff; BSG Urteil vom 19.7.2006 - SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 15; BSG Urteil vom 25.3.2015 - SozR 4-2500 § 73b Nr 1 - für BSGE vorgesehen, RdNr 70; BSG Urteil vom 13.5.2015 - SozR 4-2500 § 120 Nr 4 - für BSGE vorgesehen, RdNr 30). Dem steht nicht entgegen, dass Vergütungsvereinbarungen für Leistungen der häuslichen Krankenpflege nicht den Aufsichtsbehörden zur Rechtskontrolle vorzulegen sind (§ 71 Abs 4 und Abs 5 SGB V; dazu bereits Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 44).

37

Dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 Abs 1 Satz 1 SGB V) wird entsprochen, wenn die Vertragspartner bzw die Schiedsperson die Vergütungsanhebung in Höhe der jährlichen Veränderungsrate nach § 71 Abs 3 SGB V festsetzen. Dies folgt schon aus dem Wortlaut von § 71 Abs 2 Halbsatz 1 iVm Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V. Grundsätzlich kann das Ziel der Stabilisierung der Beitragssätze nur erreicht werden, wenn sich die Steigerungen aller Vergütungen am Anstieg der Grundlohnsumme ausrichten (vgl BSG Urteil vom 13.5.2015 - SozR 4-2500 § 120 Nr 4 - für BSGE vorgesehen, RdNr 31). Der Senat stellt klar, dass dies auch dann gilt, wenn ein Leistungsbereich betroffen ist, dessen Ausgabevolumen nur einen geringen Anteil an den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung ausmacht (nicht eindeutig insoweit noch Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 43; vgl aber BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 20/14 R - SozR 4-2500 § 120 Nr 4 - für BSGE vorgesehen, RdNr 31).

38

Die durch Schiedsspruch festgesetzte Vergütungserhöhung für 2010 entspricht der ministeriell für dieses Leistungsjahr festgelegten Veränderungsrate nach § 71 Abs 3 Satz 1 SGB V um 1,54 %(lt Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 9.9.2009 , BAnz Nr 138 vom 16.9.2009). Diese Rate ist grundsätzlich auch bei Vergütungsvereinbarungen nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V maßgeblich(noch offengelassen im Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 44).

39

(bb) Vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität ist nach § 71 Abs 1 Halbsatz 2 SGB V dann eine Ausnahme zuzulassen, wenn andernfalls die notwendige medizinische - bzw häusliche krankenpflegerische - Versorgung auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Beitragssatzerhöhungen nicht zu gewährleisten ist. Vorliegend beanspruchen die klagenden Leistungserbringer eine weit über die Veränderungsrate nach § 71 Abs 3 SGB V hinausgehende Anhebung der Vergütung für das Jahr 2010.

40

Welche Maßstäbe und konkreten Anforderungen an diese Ausnahmeregelung für den Bereich der häuslichen Krankenpflege zu stellen sind, regelt das Gesetz nicht. Für die soziale Pflegeversicherung (SGB XI) hat der Senat in diesem Zusammenhang den Grundsatz der Leistungsgerechtigkeit der Entgelte bzw Pflegesätze entwickelt. Grundlage der dortigen Verhandlungen über Pflegesätze und Entgelte ist zunächst die Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der in der Einrichtung erbrachten Leistungen nach § 85 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 SGB XI anhand einer plausiblen und nachvollziehbaren Darlegung (Prognose). Daran schließt sich die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit nach § 84 Abs 2 Satz 1 und 4 SGB XI an. Maßgebend hierfür sind die Kostenansätze vergleichbarer Leistungen in anderen Einrichtungen (zweistufiges Prüfschema, vgl BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1, RdNr 23 ff; vgl BSGE 113, 258 = SozR 4-3300 § 85 Nr 4, RdNr 14; ebenso für den ambulanten Bereich BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 50 ff). Die Vergütung für ambulante Pflegeleistungen muss auf einem marktorientierten Versorgungskonzept beruhen. Dies bedeutet, dass Vergütungen leistungsgerecht sein und einem Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen müssen, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen (vgl Senatsurteil vom 17.12.2009 - BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 49). Diese Grundsätze für die Vergütung von Pflegeeinrichtungen hat der Senat auf die Vergütung der Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V in den Fällen übertragen, in denen Einzelverträge nach § 132a Abs 2 SGB V geschlossen worden sind(vgl Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 39).

41

(cc) Diese Maßstäbe können jedoch nicht unmittelbar übernommen werden, wenn es - wie hier - um die Vergütungsverhandlungen von Rahmen- bzw Kollektivverträgen auf Verbandsebene geht. Auch Kollektivverträge müssen sicherstellen, dass die den Verbänden angeschlossenen oder hinzutretenden ambulanten Pflegeeinrichtungen bei wirtschaftlicher Betriebsführung ihrem Versorgungsauftrag nachkommen können, dh die Vergütung nach § 132a Abs 2 SGB V muss die Leistungsfähigkeit der Pflegedienste bei wirtschaftlicher Betriebsführung gewährleisten. Eine die maßgebliche Veränderungsrate nach § 71 Abs 3 SGB V übersteigende Erhöhung der Vergütung ist daher nicht ausgeschlossen, wenn die Betriebs- und Kostenstruktur durchschnittlicher Pflegeeinrichtungen eine solche höhere Vergütung erfordert(vgl dazu auch BSG Urteil vom 13.5.2015 - SozR 4-2500 § 120 Nr 4 - für BSGE vorgesehen, RdNr 32). Wird festgestellt, dass nur mit einem bestimmten Vergütungsniveau die Leistungsfähigkeit der ambulanten Pflegedienste bei wirtschaftlicher Betriebsführung zu gewährleisten ist, liegt ein Fall des Ausnahmetatbestandes von § 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V vor. Die notwendige krankenpflegerische Versorgung ist dann auch unter Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven anders nicht sicherzustellen. Dies liegt nicht erst dann vor, wenn es zu einer nennenswerten Anzahl von Insolvenzen gekommen ist. Ein funktionierendes Versorgungssystem setzt voraus, dass ausreichende Anreize gesetzt werden, Leistungen überhaupt zu erbringen. Ein solcher Anreiz fehlt aber, wenn eine wirtschaftliche Leistungserbringung nicht mehr möglich ist. Dann ist auch die notwendige krankenpflegerische Versorgung nicht mehr sichergestellt. KKn müssen zur Erfüllung ihres Sicherstellungsauftrags im Bereich der häuslichen Krankenpflege Verträge mit Leistungserbringern nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V abschließen(vgl Senatsurteil vom 21.11.2002 - BSGE 90, 150, 152 f = SozR 3-2500 § 132a Nr 4 S 14 mwN; vgl auch BSG Beschluss vom 27.5.2004 - B 3 KR 29/03 B - Juris RdNr 10).

42

Hinsichtlich der Preisgestaltung bei Kollektivverträgen stellt der Senat nicht auf die Gestehungskosten eines einzelnen Pflegedienstes ab, sondern legt einen generellen, vom einzelnen Pflegedienst losgelösten Maßstab bei Vergütungen für Kollektiverträge nach § 132a SGB V zugrunde(vgl Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 39). Als Grundlage der Vergütungsbemessungen bei Kollektivverträgen ist eine repräsentative Anzahl der den klagenden Verbänden zugehörigen privat-gewerblichen Pflegeeinrichtungen in Hessen auszuwählen, die für die Ermittlung einer nachvollziehbaren und plausiblen Kostenstruktur dieser Betriebe zugrunde zu legen ist. Hierbei sind nicht nur regionale Unterschiede zu berücksichtigen, sondern es ist auch die Vielfalt der privat-gewerblichen Pflegedienste im Hinblick auf ihre unterschiedlichen Versorgungs- und Einsatzbereiche, Betriebsgrößen und Personalstrukturen zu beachten. Entscheidend ist, dass die getroffene Auswahl der den Verbänden zugehörigen Pflegedienste ein möglichst repräsentatives Bild ergibt, damit die Vergütung auf der Basis einer realitätsnahen durchschnittlichen Betriebs- und Kostenstruktur der privat-gewerblichen Pflegedienste - in anonymisierter Form - vereinbart werden kann. Eine nur repräsentative Anzahl von Einrichtungen trägt auch dem Umstand Rechnung, dass dem Kollektivvertrag noch zu einem späteren Zeitpunkt Einrichtungen beitreten, aber auch aus ihm ausscheiden können. Eine nach diesen Vorgaben ermittelte Datenbasis lässt eine realistische leistungsgerechte Vergütungsprognose zu. Der bei Einzelverträgen notwendige "externe Preisvergleich" auf der zweiten Stufe lässt sich auf Kollektivverträge nicht gleichermaßen übertragen, weil die Ermittlung und Auswahl von Betrieben mit einer durchschnittlichen Betriebs- und Kostenstruktur ein vergleichendes Element bereits enthält.

43

(dd) Auch bei Vergütungsverhandlungen für Kollektivverträge ist zu beachten, dass eine wirtschaftliche und preisgünstige Leistungserbringung, auf die die KKn nach § 132a Abs 2 Satz 5 SGB V zu achten haben, nicht die Orientierung am billigsten Anbieter bedeutet(vgl Armbruster in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl 2016, § 132a RdNr 36; Schneider in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 132a SGB V RdNr 23). Das den KKn zur Versorgung ihrer Versicherten auferlegte Gebot darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden, wäre andererseits hinfällig, bestünde ein genereller Anspruch der Anbieter der Leistungen, diese zur jeweils am Markt anzutreffenden höchsten Vergütungsvereinbarung der betroffenen KKn abrechnen zu dürfen (vgl Senatsurteile vom 17.7.2008 - BSGE 101, 142, 146 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, RdNr 19; vom 20.11.2008 - SozR 4-2500 § 133 Nr 3 RdNr 32). Beide Konstellationen würden einen marktgerechten Preiswettbewerb ausschalten.

44

(ee) Einer wirtschaftlichen Betriebsführung steht nicht die Wahrung der Tarifbindung durch Einrichtungsträger entgegen (vgl ausführlich Senatsurteile vom 29.1.2009 - BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1, RdNr 28, 36; vom 17.12.2009 - BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 56 und 63; vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 40; vom 16.5.2013 - BSGE 113, 258 = SozR 4-3300 § 85 Nr 4, RdNr 16 mwN; ebenso zum SGB XII vgl BSG Urteil vom 7.10.2015 - B 8 SO 21/14 R -, BSGE (vorgesehen) = SozR 4-3500 § 75 Nr 9, RdNr 19). Auch im neu eingefügten § 132a Abs 1 Satz 4 Nr 6 SGB V(durch Gesetz vom 21.12.2015, BGBl I 2408) wird die Zahlung von Tariflöhnen bei Vergütungsverhandlungen berücksichtigt. Allerdings kann allein das Vorliegen von Tariflohnsteigerungen im relevanten Zeitraum noch nicht das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes von § 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V rechtfertigen. Denn die durch das BMG jährlich festgelegte Veränderungsrate enthält zu einem bestimmten Grad Lohnsteigerungen. Grundlage für die Feststellung sind die durchschnittlichen Veränderungsraten der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der KKn je Mitglied. Da sich die Beiträge am jeweiligen Einkommen orientieren, fließen ua auch die Tariflohnerhöhungen mit in die Berechnung (vgl § 226 Abs 1 Nr 1 SGB V).

45

Der Grundsatz, dass die Bindung eines Leistungserbringers an einen Tarifvertrag grundsätzlich nicht als unwirtschaftlich gewertet werden darf, gilt sinngemäß auch für sog "Haustarifverträge", soweit diese - ohne Tarifverträge im Sinne des Tarifvertragsgesetzes zu sein - vergleichbare Regelungen wie die maßgeblichen Tarifverträge enthalten, oder für die Zahlung vor Entgelten, die sich an tarifliche Regelungen anlehnen (vgl Senatsurteil vom 25.11.2010, aaO, RdNr 41). Gleiches gilt selbstverständlich für die seit dem 1.1.2015 geltende Verpflichtung zur Einhaltung des Mindestlohnes (vgl § 1 Mindestlohngesetz vom 11.8.2014, BGBl I 1348).

46

Ebenso können Kostenansätze berücksichtigt werden, die auf einer in den Vorjahren erfolgten fehlerhaften Kalkulation beruhen, die ggf bewusst zu niedrig angesetzt worden sind, oder Veränderung in der Zusammensetzung des Patientenklientels (vgl BSG Urteil vom 29.1.2009 - BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1, RdNr 25; BSG Urteil vom 13.5.2015 - SozR 4-2500 § 120 Nr 4 RdNr 35 - für BSGE vorgesehen). Gleiches gilt, wenn in den Vorjahren eine Vertragsanpassung an die vorausgegangenen Veränderungsraten der Vorjahre unterblieben ist (vgl Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 44 ff)und sich dies auf die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung im streitigen Leistungsjahr spürbar auswirkt. Dies bedeutet hingegen nicht, dass wirksam abgeschlossene Vertragsanpassungen aus den Vorjahren wieder rückgängig gemacht werden; sie werden nicht gegenstandlos, sondern behalten ihre Gültigkeit für die maßgebliche Laufzeit des Vertrags.

47

c) Vorliegend fehlt es an einer ausreichenden Tatsachengrundlage als Basis zur Bestimmung der streitigen Vergütungserhöhung, die erkennen lässt, ob unter Beachtung der soeben dargestellten Vorgaben eine Vergütungserhöhung oberhalb der Rate der Veränderung der beitragspflichtigen Entgelte erforderlich ist. Die Leistungserbringer, die eine weit oberhalb der Grundlohnsummensteigerung liegende Erhöhung der Vergütung für das Jahr 2010 verlangen, kommen nicht umhin, die für eine solche Vergütungssteigerung notwendigen Informationen in den Vertragsverhandlungen gegenüber dem Vertragspartner bzw der Schiedsperson offenzulegen. Sie müssen ihre Vergütungsforderung in tatsächlicher Hinsicht plausibel und nachvollziehbar belegen, sodass eine zuverlässige Kostenprognose möglich ist. Die Darlegungs- und Substantiierungslast für die fehlende Sicherstellung der notwendigen krankenpflegerischen häuslichen Versorgung im Fall ausgeschöpfter Wirtschaftlichkeitsreserven liegt bei den Leistungserbringern, die über die erforderlichen Daten verfügen (vgl BSG Urteil vom 13.5.2015 - SozR 4-2500 § 120 Nr 4 - für BSGE vorgesehen, RdNr 35; BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1, RdNr 25). Soweit in den Vergütungsverhandlungen auf nachvollziehbar festgesetzte Vergütungen der Vorjahre als Basis für aktuelle Vergütungsverhandlungen zurückgegriffen werden kann, bezieht sich die Darlegungs- und Substantiierungslast lediglich auf die eingetretenen Veränderungen, die eine Erhöhung der zuvor vereinbarten Vergütung rechtfertigen. Damit werden an Leistungserbringer keine unzumutbaren Darlegungslasten gestellt. Der Schiedsspruch muss nachvollziehbar sein und darf insofern auch nicht lückenhaft hinsichtlich der Tatsachenfeststellung der Schiedsperson sein (vgl dazu BAG Urteil vom 20.1.2004 - BAGE 109, 193, Juris RdNr 35).

48

Dafür, dass in Vergütungsverhandlungen auch entsprechende Nachweise von den Leistungserbringern ggf vorzulegen sind, spricht der erst zum 29.12.2015 in Kraft getretene § 132a Abs 1 Satz 4 Nr 6 SGB V(idF des Gesetzes vom 21.12.2015 ). Danach sind in den Rahmenempfehlungen nach § 132a Abs 1 SGB V die Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen "einschließlich der Transparenzvorgaben für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte" zu regeln. Auf ein Mindestmaß an Transparenz an den Nachweis über die Zahlung von tariflich vereinbarten Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen wird in den Gesetzesmaterialien abgestellt. Die Vertragspartner sollen sich dabei an einheitlichen Vorgaben zu entsprechenden Nachweispflichten orientieren können. Der Nachweis über die Zahlung von Tariflöhnen und die Höhe der Arbeitsentgelte hat dabei in anonymisierter Form zu erfolgen (vgl BT-Drucks 18/6905 S 68). Da diese Gesetzesänderung auf die Rechtsprechung des BSG zurückgeht (vgl BT-Drucks aaO), bestehen keine Bedenken, solche Nachweise bereits für Vergütungsverhandlungen des Jahres 2010 zu verlangen.

49

Um den Anspruch auf eine Vergütung oberhalb der Grundlohnsummensteigerung für das Jahr 2010 zu begründen, ist es daher nicht ausreichend, wenn sich die frei-gewerblichen Anbieter lediglich auf eine Gleichbehandlung (Art 3 Abs 1 GG) mit den Pflegediensten berufen, die den Wohlfahrtsverbänden angeschlossen sind (zur LIGA, vgl dazu das Parallelverfahren BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 3 KR 25/15 R - Juris und vgl dazu unten C.). Die Kläger haben sich bisher nur allgemein auf Statistiken ohne Bezug zu konkreten Betriebs- und Kostenstrukturen der ihnen zugehörigen Einrichtungen gestützt und behauptet, eine gleiche Personalstruktur wie die der LIGA zugehörigen Pflegedienste zu haben. Der ihrem Antrag beigefügten Studie hinsichtlich der Hausbesuchspauschale aus dem Jahr 1999 können keine verwertbaren Informationen entnommen werden. Belastbare Informationen - die entsprechend den obigen Vorgaben zu ermitteln sind - werden die Kläger in den Neuverhandlungen über die Vergütungssteigerung für das Jahr 2010 einbringen müssen, wenn sie an dem Anspruch auf Vergütungsanhebung oberhalb der Grundlohnsummensteigerung festhalten. Die Darlegungs- und Substantiierungspflichten für das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes nach § 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V gehen andernfalls zu ihren Lasten, mit der Folge, dass eine über die Grundlohnsummensteigerung hinausgehende Vergütung dann nicht festgesetzt werden kann.

50

3. Eine Verpflichtung der Schiedsperson, diese Informationen selbst zu ermitteln, besteht nicht. Die Amtsermittlungspflicht nach § 20 SGB X gilt nicht, weil die Schiedsperson keine Behörde iS von § 1 Abs 2 SGB X ist. Sie übt kein öffentliches Amt aus. Als Vertragshelfer und Schlichter steht ihr kein Verwaltungsapparat zur Seite, der umfangreiche Tatsachenermittlungen erlauben würde. Die Schiedsperson ist vielmehr auf die Mitarbeit der Vertragspartner angewiesen, die ihr die erforderlichen Informationen und Unterlagen auf Anforderung beibringen müssen (vgl hierzu Engelmann in Schnapp/Düring , Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl 2016, RdNr 237 ff, 260 f). Dabei ist sie den Vertragspartnern gegenüber gleichermaßen zur ordnungsgemäßen Erstellung des Schiedsspruchs verpflichtet (vgl BGH Urteil vom 17.1.2013 - III ZR 10/12 - Juris RdNr 18; BGH Urteil vom 6.6.1994 - II ZR 100/92 - NJW-RR 1994, 1314). In Ausübung dieser vertraglichen Pflicht besteht eine im Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB analog) wurzelnde Aufklärungspflicht der Schiedsperson, die Vertragspartner über entscheidungserhebliche Umstände zu informieren (vgl Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl 2016, § 242 RdNr 37 mwN). Dies gilt dann, wenn der Schiedsperson solche wesentlichen Informationen fehlen und sie daher den Vertragspartnern aufzeigen muss, welche Konsequenzen die mangelnde Tatsachenlage für das Ergebnis des Schiedsspruchs haben kann. Die Durchführung eines fairen Schiedsverfahrens setzt voraus, dass die Schiedsperson die Vertragspartner nicht im Unklaren darüber lässt, wenn sich wesentliche Defizite im Schiedsverfahren offenbaren. Die Schiedsperson hat nicht die Funktion eines staatlichen Gerichts und hat das Schiedsverfahren daher auch nicht wie ein Gerichtsverfahren durchzuführen. Sie steht vielmehr im Lager der Vertragspartner, die an ihrer Stelle eine vertragsergänzende Leistungsbestimmung vornimmt. Damit steht im Widerspruch, wenn sie die Beteiligten - wie hier - vor dem Schiedsspruch nicht darüber aufklärt, welche konkreten Informationen für eine ordnungsgemäße Erstellung des Schiedsspruchs erforderlich sind. Ist die Schiedsperson ihrer Aufklärungspflicht nachgekommen, besteht für sie hingegen keine weitere Verpflichtung, entsprechende Unterlagen anzufordern, wenn diese von den Vertragspartnern nicht vorgelegt werden. Diese Maßstäbe sind auch dann anzuwenden, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde die Schiedsperson durch Verwaltungsakt bestimmt hat (vgl dazu Senatsurteil vom 27.11.2014 - BSGE 117, 288 = SozR 4-2500 § 132a Nr 7).

51

C. Aus den Ausführungen (s oben B.2.) folgt bereits, dass ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit den der LIGA zugehörigen Pflegeeinrichtungen jedenfalls ohne substantiierte Nachweise vor allem über die Personalkosten der frei-gewerblichen Anbieter nicht besteht. Ein solcher Gleichbehandlungsanspruch kann in diesem Rechtstreit aber auch nicht aus §§ 19 ff GWB oder aus Art 12 Abs 1 bzw Art 3 Abs 1 GG hergeleitet werden. Da sich in den Neuverhandlungen über die Vergütungsanhebung für 2010 - ggf bei Nichteinigung unter erneuter Beteiligung einer Schiedsperson - die Problematik des gleichen Vergütungsniveaus unter dem Gesichtspunkt des "Schließens der Vergütungsschere" zu den Pflegeeinrichtungen der LIGA voraussichtlich erneut stellen wird, weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

52

1. Die Kläger können eine auf die Vorschriften des Wettbewerbsrechts (insbesondere §§ 19 ff GWB) gestützte Gleichbehandlung mit den Pflegeeinrichtungen, die den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege (LIGA) zugehörig sind, nicht verlangen. Die Vertragspartner müssen einerseits preisgünstige Versorgungsmöglichkeiten unter Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven in Anspruch nehmen und die Beklagten sind hierbei insbesondere durch das Gebot der Beitragssatzstabilität verpflichtet, sich an diese speziellen gesetzlichen Vorgaben des SGB V zu halten. Ein solches Verhalten kann von vornherein nicht missbräuchlich oder diskriminierend im Sinne des Wettbewerbsrechts nach §§ 19 ff GWB sein.

53

Im Übrigen gilt, dass die Anwendung von §§ 19 ff GWB für Rahmenverträge nach § 132a SGB V ausgeschlossen ist. Nach § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V(idF des AMNOG vom 22.10.2010, BGBl I 2262) gilt dieser Anwendungsausschluss für Verträge und sonstige Vereinbarungen von KKn oder deren Verbänden mit Leistungserbringern oder deren Verbänden, zu deren Abschluss die KKn und deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind. Dies entspricht der gesetzgeberischen Intention, die Ausschlussregelung dann greifen zu lassen, wenn KKn insbesondere keine Auswahlentscheidung zwischen den einzelnen Leistungserbringern treffen dürfen und insofern kein Wettbewerb stattfindet (vgl BT-Drucks 17/2413 S 26). Dazu sollen alle Versorgungsverträge zählen, die entweder die KKn oder die jeweiligen Verbände mit den Leistungserbringern oder deren Verbänden zur Sicherstellung der Versorgung der Versicherten abzuschließen haben (vgl BT-Drucks 17/3698 zu Nr 9 - § 69 SGB V - S 51). Während die Gesetzesmaterialien (aaO) als solche zwingenden Vertragsverpflichtungen die Versorgungsverträge in der Heil- und Hilfsmittelversorgung (§ 125 Abs 2, § 127 Abs 2 SGB V) ausdrücklich beispielhaft nennen, wurde im Bereich der Versorgung mit Haushaltshilfe (§ 132 Abs 1 Satz 2 SGB V) und im Bereich häuslicher Krankenpflege (§ 132a Abs 2 SGB V) auch schon zuvor angenommen, dass Leistungserbringer gegenüber der KK "faktisch einen Anspruch auf Abschluss eines Vertrages" haben (vgl BT-Drucks 16/10609 S 52 zum GKV-OrgWG vom 15.12.2008, BGBl I 2426). Diese Formulierung geht auf die Senatsrechtsprechung zurück, dass jeder Leistungserbringer, der die qualitativ-fachlichen, personellen und räumlichen Voraussetzungen erfüllt, einen Rechtsanspruch auf den Abschluss eines Versorgungsvertrags im Bereich der häuslichen Krankenpflege hat (vgl Senatsurteil vom 21.11.2002 - BSGE 90, 150, 153 = SozR 3-2500 § 132a Nr 4 S 14; vgl auch Armbruster in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl 2016, § 132a RdNr 41 f; Schneider in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 132a RdNr 17; Becker/Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 69 RdNr 55). Vor dem Hintergrund, dass § 132a Abs 2 SGB V die Möglichkeit zum Abschluss von Kollektivverträgen erlaubt(vgl Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123, 136 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 39), sind von der Ausschlussregelung des § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V sowohl Selektiv- als auch Kollektivverträge erfasst. Denn eine mögliche Auswahl zwischen verschiedenen Anbietern ist für Selektiv- wie für Kollektivverträge nach § 132a Abs 2 SGB V ausgeschlossen(vgl auch BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 89 zu § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V; zu § 69 Satz 2 SGB V idF GKV-WSG vom 26.3.2007 mWv 1.4.2007, BGBl I 378 vgl Senatsurteil vom 17.7.2008 - BSGE 101, 142, 152 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, RdNr 38). Nichts anderes gilt hier, wenn die von den Vorinstanzen noch bis 31.12.2010 gültige Regelung von § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V aF zugrundegelegt würde.

54

2. Soweit sich die Kläger in ihrer grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) verletzt sehen, gilt nach der Rechtsprechung des BSG, dass die Leistungen im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung nicht derart niedrig vergütet werden dürfen, dass als deren Folge davon auch die berufliche Existenz der an dem jeweiligen Versorgungssystem beteiligten Leistungserbringer gefährdet wäre. Dies liegt dann vor, wenn in einem "fachlichen und/oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich bzw versorgungsvertraglich tätig zu werden, und dadurch in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der Versorgung gefährdet" wäre (vgl Senatsurteil vom 17.7.2008 - BSGE 101, 142 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, RdNr 63 zur Vergütung von Leistungen der Haushaltshilfe nach § 132 SGB V; vgl zur vertragsärztlichen Versorgung BSG Beschluss vom 11.3.2009 - B 6 KA 31/08 B - Juris RdNr 11; BSGE 94, 50, 93 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2 S 46, RdNr 117; vgl auch BVerfG Beschluss vom 15.12.1999 - BVerfGE 101, 331, 350 f zur Vergütung von Berufsbetreuern). Auch die Frage, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, lässt sich nur anhand der von den Klägern vorzulegenden repräsentativen Unterlagen zu den Betriebs- und Kostenstrukturen der ihnen angeschlossenen Einrichtungen beurteilen.

55

3. Soweit die Kläger einen Gleichbehandlungsanspruch aus Art 3 Abs 1 GG hinsichtlich des Vergütungsniveaus mit den Pflegeeinrichtungen geltend machen, die der LIGA zugehörig sind (vgl dazu das Parallelverfahren, Senatsurteil vom 23.6.2016 - B 3 KR 25/15 R - Juris), bildet das Willkürverbot von Art 3 Abs 1 GG die äußerste Grenze des den KKn eingeräumten Verhandlungsspielraums. Es verbietet der KK als grundrechtsverpflichteter Trägerin öffentlicher Gewalt auch ohne die Stellung als marktbeherrschender oder marktstarker Nachfrager nach Dienstleistungen eine willkürlich ungleiche Vergütung vergleichbarer Leistungen. Diese Schranke kann bei krassen Unterschieden überschritten sein. Daneben kann sie auch bei einer unterschiedlichen äußeren Handhabung von Vergütungsinteressen verletzt sein. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn eine KK einen Teil von Leistungserbringern die Anpassung der Vergütung an gestiegene Kosten gewährt und anderen Leistungserbringern solche Anpassungen verwehrt (vgl Senatsurteil vom 17.7.2008 - BSGE 101, 142 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, RdNr 65).

56

Selbst wenn die Neuverhandlungen über die Vergütungsanhebung für 2010 ergeben sollten, dass die Kläger eine vergleichbare Betriebs- und Kostenstruktur aufweisen wie die der LIGA zugehörigen Pflegeeinrichtungen, bedeutet dies noch nicht, dass die Vergütungsanhebung in identischer Höhe ausfallen muss. Auch andere Besonderheiten bzw Umstände können dazu führen, dass die Vergütungsanpassung im Bereich der häuslichen Krankenpflege unterschiedlich ausfällt. Der Gesetzgeber hat die Vergütungsfestsetzung den Beteiligten überlassen und hierbei den KKn gleichzeitig den Auftrag erteilt, Wirtschaftlichkeitsreserven zu nutzen und nach Möglichkeit günstige Konditionen auszuhandeln. Hinzu kommt, dass die Schiedspersonenregelung die Möglichkeit unterschiedlicher Verhandlungsergebnisse auch im Hinblick auf die Vergütungshöhe in einem gewissen Rahmen erlaubt. Preisverhandlungen folgen keinem starren Schema, sondern sollen das Ausschöpfen von marktgerechten Verhandlungsspielräumen in den aufgezeigten Grenzen ermöglichen. Die von den Klägern vorgetragene, nicht mehr hinnehmbare Abkopplung vom Vergütungsniveau der der LIGA zugehörigen Pflegeeinrichtungen könnte auf diese Weise ggf geschlossen werden. Das Ergebnis von Neuverhandlungen könnte aber auch sein, dass angesichts einer unterschiedlichen durchschnittlichen Betriebs- und Kostenstruktur und differierender tatsächlicher Personalkosten ein sachgerechter Grund für ein unterschiedliches, jeweils angemessenes Vergütungsniveau besteht.

57

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von §§ 154 ff VwGO. Die Revision der Kläger war überwiegend begründet bzw teilweise unbegründet, sodass die Kostenverteilung wie im tenorierten Umfang vorzunehmen war (§ 155 Abs 1 VwGO).

58

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 GKG und entspricht der Festsetzung durch die Vorinstanzen.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen nach den §§ 73b, 132e, 132f und 140a erbrachten Leistungen sind die an diesen Versorgungsformen teilnehmenden Leistungserbringer befugt, die nach den Vorschriften dieses Kapitels erforderlichen Angaben an den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite als Verantwortlichen oder an eine nach Absatz 2 beauftragte andere Stelle zu übermitteln; für den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite gilt § 35 des Ersten Buches entsprechend. Voraussetzung ist, dass der Versicherte vor Abgabe der Teilnahmeerklärung an der Versorgungsform umfassend über die vorgesehene Datenübermittlung informiert worden ist und mit der Einwilligung in die Teilnahme zugleich in die damit verbundene Datenübermittlung schriftlich oder elektronisch eingewilligt hat. Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite oder die beauftragte andere Stelle dürfen die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten; sie übermitteln die Daten im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern an den jeweiligen Vertragspartner auf Krankenkassenseite.

(2) Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite darf eine andere Stelle mit der Verarbeitung der für die Abrechnung der in Absatz 1 genannten Leistungen erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragen; die Vorschriften des Fünften Abschnitts bleiben unberührt. § 80 des Zehnten Buches ist anzuwenden mit der weiteren Maßgabe, dass Unterauftragsverhältnisse ausgeschlossen sind. Für Auftraggeber und Auftragsverarbeiter, die nicht zu den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen gehören, gilt diese Vorschrift entsprechend; sie haben insbesondere die technischen und organisatorischen Maßnahmen nach den Artikeln 24, 25 und 32 der Verordnung (EU) 2016/679 zu treffen.

(3) Für die Abrechnung von im Notfall erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen darf das Krankenhaus eine andere Stelle mit der Verarbeitung der erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragen, sofern der Versicherte schriftlich oder elektronisch in die Datenübermittlung eingewilligt hat; § 334 bleibt unberührt. Der Auftragsverarbeiter darf diese Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten. Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Mit der Klage kann begehrt werden

1.
die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,
2.
die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,
3.
die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist,
4.
die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts,
wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

(2) Unter Absatz 1 Nr. 1 fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind.

(3) Mit Klagen, die sich gegen Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch richten, kann die Feststellung begehrt werden, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. April 2012 geändert. Es wird festgestellt, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vereinbar ist. Insoweit sind die Beteiligten verpflichtet, den Vertrag zu ändern.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 9/10 und die Beklagten tragen 1/10 der Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen einen Schiedsspruch, mit dem der Inhalt eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV) nach § 73b SGB V zwischen ihr und den beiden beklagten Hausarztverbänden festgelegt worden ist.

2

Nachdem sich Klägerin und Beklagte nicht über den Abschluss eines Vertrages zur HzV einigen konnten, beantragten die Beklagten die Einleitung des Schiedsverfahrens. Die Schiedsperson wurde durch das Bundesversicherungsamt (BVA) bestimmt, nachdem auch dazu keine Einigung erzielt werden konnte. Gegen den Bescheid des BVA zur Bestimmung der Schiedsperson wandte sich die Klägerin mit der Klage und beantragte zugleich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Diesen Antrag wies das SG zurück. Die dagegen eingelegten Beschwerden nahm die Klägerin zurück, nachdem der Schiedsspruch ergangen war.

3

Mit einem weiteren Eilverfahren wandte sich die Klägerin erfolglos gegen die Festsetzung eines Verhandlungstermins durch die Schiedsperson. An der anberaumten mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin nicht teil. Zu dem von den Beklagten vorgelegten Vertragsangebot nahm die Klägerin mit insgesamt 68 Einzelanträgen Stellung.

4

Mit Schiedsspruch vom 9.9.2010 setzte die Schiedsperson den Inhalt des Vertrages zur HzV mit Wirkung zum 15.9.2010 fest und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Beklagten erfüllten die Voraussetzung, nach der sie mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Baden-Württemberg vertreten müssten. Die gesetzliche Regelung könne nicht in dem Sinne verstanden werden, dass eine rechtsgeschäftliche Vertretung im Sinne des § 164 Abs 1 BGB erforderlich sei. Vielmehr sei mit der Formulierung des "Vertretens" gemeint, dass die Gemeinschaften eine gewisse soziale Mächtigkeit haben müssten, damit eine flächendeckende Versorgung mit Hausarztverträgen wahrscheinlich sichergestellt werden könne. Da mehr als die Hälfte der Allgemeinärzte Mitglied der beiden beklagten Verbände seien, seien die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Selbst wenn nicht auf dieses Verständnis des "Vertretens" abgestellt würde, seien die Voraussetzungen erfüllt, weil mehr als die Hälfte der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte die Beklagten zu 1. und 2. mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hätten. Die Schiedsperson sei keine Behörde und sie erlasse auch keinen Verwaltungsakt, sondern werde als Vertragshelfer tätig. Als solche habe sie in Wahrnehmung ihres Bestimmungsrechts den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festzusetzen. In Ausübung ihres billigen Ermessens habe sie entschieden, den Vertrag zur HzV als sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag festzusetzen. Allein die Vereinbarung von Vollversorgungsverträgen entspreche der Intention des Gesetzes, mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen durch Erweiterung ihrer Handlungsspielräume zum Abschluss von Verträgen mit Leistungserbringern oder Gruppen von ihnen zu ermöglichen.

5

Der festgelegte Vertragsinhalt entspreche den gesetzlichen Anforderungen an eine HzV und führe zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung für die Versicherten. Er entspreche hinsichtlich des Leistungsinhalts in vollem Umfang den Forderungen, die die Krankenkassen in früher geführten Schiedsverfahren für den Bezirk der KÄV Bayern aufgestellt hätten und gehe auch hinsichtlich der qualitativen Anforderungen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Hinsichtlich der Vergütung der in der HzV zu erbringenden Leistungen orientiere sich der Vertrag in Ausübung billigen Ermessens an dem Vertrag, den die BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für den Bezirk der KÄV Baden-Württemberg abgeschlossen habe. Vergleichbare Vergütungsregelungen fänden sich auch in zahlreichen weiteren Verträgen zur HzV, die Krankenkassen mit Gemeinschaften von Hausärzten geschlossen hätten. Bei der Festsetzung der Höhe der Vergütung seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Beitragssatzstabilität zu beachten. Dem werde die Vergütungsstruktur sowie die daran anknüpfende Vergütungshöhe gerecht. Die wirtschaftlichen Risiken der Krankenkassen würden durch verschiedene - in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen bezeichnete - Maßnahmen beschränkt. Den durch die Vergütung der HzV-Leistungen bedingten Mehrausgaben stünden Einsparungen gegenüber, die jedoch schwer genauer zu prognostizieren seien. Allerdings zeigten Erfahrungswerte aus bereits laufenden HzV-Verträgen, dass (in der Begründung des Schiedsspruchs näher bezeichnete) Einsparungen erzielt würden, mit denen sich die Mehrausgaben finanzieren ließen. Einer Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson stehe auch nicht entgegen, dass die Auftragsvergabe nicht nach den Vorschriften des Vergaberechts ausgeschrieben worden sei und dass die Anwendung des Sozialdatenschutzes auf die HzV-Verträge umstritten sei. Die Anwendung der Regelungen über den Datenschutz sei zwar streitig. Im Gegensatz zum unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein hätten die Landesdatenschutzbeauftragten für Bayern und Baden-Württemberg aber bisher keinen Anlass zu einer datenschutzrechtlichen Beanstandung bezogen auf die bestehenden HzV-Verträge gesehen. Im Hinblick auf diese Rechtslage werde von der Festsetzung einer datenschutzrechtlichen Regelung abgesehen. Die Schaffung einer datenschutzkonformen Regelung über die Weitergabe von Patientendaten an private Abrechnungsstellen bleibe auf der Rechtsgrundlage des § 295 Abs 1b SGB V bilateralen Behandlungen der Beteiligten überlassen. Eine Festsetzung der HzV-Vergütung auf dem Niveau der Regelversorgung scheide aus, weil im Rahmen der HzV ein bestimmtes Ausstattungsniveau der teilnehmenden hausärztlichen Praxen vorgegeben werde. Der an der HzV teilnehmende Hausarzt sei außerdem zur Erlangung bestimmter Weiterbildungsmaßnahmen und Abrechnungsqualifikationen verpflichtet, die in der Regelversorgung nicht gefordert seien. Hinzu trete die verpflichtende Teilnahme des teilnehmenden Hausarztes an den Disease-Management-Programmen sowie die Wahrnehmung der Betreuung von pflegebedürftigen Patienten. Zudem bestehe die Verpflichtung zur Teilnahme an Fortbildungen, zu hausarztspezifischen Themen, was über die generelle Fortbildungspflicht gemäß § 95d SGB V hinausgehe. Schließlich sei das Dienstleistungsangebot der hausärztlichen Praxen in der HzV erweitert. Diese erweiterten Qualifikationen, apparativen Ausstattungen und verbesserten Dienstleistungsangebote führten zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung, die ein höheres Vergütungsniveau im Vergleich zur hausärztlichen Regelversorgung rechtfertige. Durch das gegen die Bestimmung der Schiedsperson anhängige Klageverfahren werde das Wirksamwerden des Vertrages zur HzV nicht gehindert, weil die Klage gemäß § 73b Abs 4a SGB V keine aufschiebende Wirkung habe.

6

Gegen den Schiedsspruch vom 9.9.2010 hat sich die Klägerin mit der am 9.9.2011 erhobenen Klage gewandt und beantragt festzustellen, dass der Schiedsspruch unwirksam sei. Hilfsweise hat sie beantragt, die Regelung zum Inkrafttreten um den Zusatz zu ergänzen, dass der Vertrag nicht in Kraft trete, bevor nicht sämtliche Anlagen zum Vertrag durch die Parteien vereinbart oder durch weiteren Schiedsspruch festgesetzt worden seien. Mit der gegen die Abweisung der Klage (Urteil des SG vom 25.4.2012) erhobenen Berufung hat die Klägerin ua geltend gemacht, dass es sich bei der Entscheidung der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele. Sie gehe aber davon aus, dass eine isolierte Anfechtungsklage zulässig sein müsse. Sofern der Schiedsspruch ein Verwaltungsakt sein sollte, komme eine Leistungsklage in Form der Ersetzungsklage kaum in Betracht, da der Klägerin kein Recht zustehe, den Verwaltungsakt nach ihren Vorstellungen vollständig durch das Gericht ersetzen zu lassen. Demgegenüber haben die Beklagten die Auffassung vertreten, dass der Schiedsspruch als Verwaltungsakt anzusehen und als solcher rechtmäßig sei.

7

Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem Schiedsspruch vom 9.9.2010 um einen Verwaltungsakt handele. Für Beschlüsse einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V gelte nichts anderes als für Entscheidungen der Schiedsämter gemäß § 89 SGB V und der Schiedsstellen nach § 114 SGB V. § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V regele ein förmliches Schiedsverfahren. Zudem habe das BSG für den hier einschlägigen Bereich des Vertragsarztrechts seit jeher die Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs bejaht. Auch die Änderung des § 73b Abs 4a SGB V zum 1.1.2012 durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl I 2983) spreche nicht gegen die Annahme der Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs. Bei der Schiedsperson handele es sich um eine Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X. Dem stehe auch nicht der Umstand entgegen, dass keine Regelung zur staatlichen Aufsicht über die Schiedsperson existiere. Wenn verfassungsrechtlich zu fordernde Regelungen zur Aufsicht fehlten, könne dies allenfalls die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung zur Folge haben. Schiedspersonen nähmen Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahr, wenn sie die Vertragsverhältnisse zwischen einer Krankenkasse und den Verbänden der Hausärzte festlegten. Bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson handele es sich um eine für Ärzte, Patienten und Krankenkassen außerordentlich weitreichende Entscheidung. Für die gerichtliche Prüfung derart komplexer Regelungen mit weitreichenden Auswirkungen eigneten sich die über § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V entsprechend geltenden Vorschriften der §§ 317 ff BGB über den Vertragshelfer nicht. § 317 BGB regele den Fall, dass die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen bleibe. § 317 BGB überlasse der Schiedsperson nicht die Bestimmung des Vertragsinhalts, sondern die Bestimmung der Leistung. Vorliegend würden von der Schiedsperson aber sämtliche gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien festgelegt. Die Festlegung eines Vertrages über die HzV durch die Schiedsperson gehe somit weit über das hinaus, was Vertragshelfer nach § 317 BGB üblicherweise festlegen könnten. Zudem erweise sich der in § 319 BGB genannte Maßstab des "billigen Ermessens" als wenig geeignet für die Prüfung des von der Schiedsperson festgelegten Vertragsinhalts. Schließlich verhindere die Rechtskonstruktion des Vertragshelfers nicht eine Verzögerung der Umsetzung des geschiedsten Vertrages durch in destruktiver Absicht eingelegte Rechtsmittel. Dies zeige der vorliegende Fall. Für die Erhebung der Gestaltungsklagen gelte keine Ausschlussfrist. Damit bleibe für die Vertragsparteien lange unklar, ob der festgelegte Vertrag rechtsverbindlich werde. Auch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung helfe nicht weiter, weil der Vertrag in der Praxis regelmäßig erst dann als umsetzbar angesehen werde, wenn dessen rechtliche Verbindlichkeit auch feststehe. Auch dies zeige der vorliegende Fall.

8

Die isolierte Anfechtungsklage sei zulässig, jedoch nicht begründet. Der Schiedsperson stehe bei der Festlegung des Vertragsinhalts ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Schiedsspruch sei nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle zugänglich. Verstöße gegen wesentliche verfahrensrechtliche Grundsätze lägen nicht vor. Die Schiedsperson habe die Festlegung des Vertragsinhalts ausführlich begründet. Soweit die Klägerin das Fehlen einer Ausgabenobergrenze rüge, übersehe sie § 10 Abs 9 des Vertrages, der eine Begrenzung der HzV-Vergütung auf einen durchschnittlichen maximalen Fallwert von 76 Euro vorsehe. Unbegründet sei auch der Einwand der Klägerin, dass der Vertrag an mehreren Stellen gegen ihre Satzungsregelungen verstoße. Der Vertrag begründe keine Rechte und Pflichten der Versicherten. Den von den Vertragsparteien oder nach Maßgabe des § 73b Abs 4a SGB V von der Schiedsperson an deren Stelle getroffenen Festlegungen komme Vorrang vor dem Satzungsrecht der einzelnen Krankenkasse zu. Die Krankenkasse müsse den sie bindenden Vertrag bei jeglicher Verwaltungstätigkeit einhalten. Wenn die Satzung der Krankenkasse mit den Festlegungen des Vertrages nicht in Einklang stehe, müsse sie daher die Satzung entsprechend ändern und an den Vertrag anpassen. Für den gestellten Hilfsantrag mit dem Ziel, das Inkrafttreten des Vertrages auf den Zeitpunkt zu verschieben, zu dem sämtliche Anlagen vereinbart oder durch Schiedsspruch festgesetzt worden seien, fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Nach § 16 Abs 4 des Vertrages sei dieser zum Halbjahres- oder Jahresende, erstmals zum 31.12.2013 mit einer Frist von sechs Monaten kündbar. Damit werde der Klägerin eine einfachere rechtliche Möglichkeit eröffnet, die Rechtswirkungen des Vertrages zu beseitigen. Zudem müsse sich die Klägerin widersprüchliches Verhalten entgegenhalten lassen. Mit dem Hinausschieben des Inkrafttretens würde der gesetzlich begründete Kontrahierungszwang vereitelt. Aus dem gesamten Verhalten der Klägerin sei zu erkennen, dass sie sich weigere, ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Eröffnung des Angebots einer HzV nachzukommen. Ernsthafte Bemühungen, die fehlenden Vertragsanlagen auszuhandeln, seien nicht ersichtlich. Darüber hinaus sei der Hilfsantrag auch in der Sache nicht begründet. Ausreichend sei, dass der Schiedsspruch in sich schlüssig sei und dass die geregelten Vertragsteile von den Vertragsparteien umgesetzt werden könnten. Daran bestehe kein Zweifel, weil Verträge mit vergleichbaren Inhalten von anderen Krankenkassen durchgeführt würden.

9

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die erhobene Anfechtungsklage sei statthaft, da es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X handele. Sämtliche LSG hätten § 73b Abs 4, Abs 4a SGB V in der Weise ausgelegt. Ihre zuvor vertretene gegenteilige Rechtsauffassung halte sie nicht mehr aufrecht. Änderungen des § 73b SGB V, die zum 1.1.2012 in Kraft getreten seien, seien für das vorliegende Verfahren von vornherein nicht relevant, da für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 maßgeblich sei. Mit der Festsetzung des Vertrages über die besondere hausärztliche Versorgung nach § 73b SGB V treffe die Schiedsperson eine hoheitliche Entscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die unmittelbare Rechtswirkung im Außenverhältnis habe, indem sie verbindlich den Vertrag zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens festsetze. Der Schiedsspruch zur HzV unterscheide sich insofern nicht von dem Schiedsspruch nach § 77 SGB XII, für den sowohl das BVerwG als auch das BSG die Verwaltungsaktqualität ausdrücklich bejaht hätten.

10

Entgegen der Auffassung des LSG sei das Rechtsschutzinteresse nicht im Hinblick auf die zum 31.12.2013 erstmals bestehende Kündigungsmöglichkeit entfallen. Die ordentliche Kündigung des Vertrages zur HzV führe nicht automatisch zu dessen Beendigung, sondern der Vertrag gelte - wenn ein neuer Vertrag zur HzV nicht zustande komme - solange fort, bis in einem Schiedsverfahren ein neuer Vertrag zur HzV festgesetzt worden sei. Die Umsetzung des streitgegenständlichen Vertrages werde zu Recht verweigert. Die Klage habe selbst dann aufschiebende Wirkung, wenn es sich bei dem Schiedsspruch nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Vertragsfestlegung durch einen Dritten entsprechend §§ 315, 317 BGB handeln würde. Bereits die Erhebung der Einrede der offenbaren Unbilligkeit der Vertragsfestsetzung führe ggf entsprechend § 319 Abs 1 BGB zur Unverbindlichkeit der durch den Schiedsspruch getroffenen Vertragsbestimmungen.

11

Der Schiedsspruch sei mit zwingend zu beachtenden bundesrechtlichen Vorgaben zum Datenschutz unvereinbar. Für die nach dem Vertrag zur HzV vorgesehene Einbindung der Beklagten und der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) sowie von Unterauftragsunternehmern in die Verarbeitung sensibler Patientendaten fehle die nach der Rechtsprechung des BSG zwingend erforderliche gesetzliche Grundlage. Auch das Inkrafttreten des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ändere nichts an der datenschutzrechtlichen Unzulässigkeit des Vertrages zur HzV. Maßgebend sei die zum Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 geltende Rechtslage. Selbst wenn die zum 4.8.2011 eingetretenen Änderungen berücksichtigt würden, bliebe es bei der Unvereinbarkeit mit datenschutzrechtlichen Vorgaben. Die in dem Vertrag vorgesehene zwangsweise Verknüpfung der Teilnahme an der HzV mit einer Pflicht zur Weitergabe von Patientendaten an einen bestimmten Dienstleister sei mit den datenschutzrechtlich an die "verantwortliche Stelle" zu stellenden Anforderungen unvereinbar. Weiterhin unzulässig sei der vorgesehene Einsatz einer Vertragssoftware mit einem sog "gekapselten Kern", zu dessen Einsatz die teilnehmenden Hausärzte verpflichtet würden. Damit werde die Möglichkeit geschaffen, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar bzw kontrollierbar sei. Außerdem erlaube der neue § 295a Abs 2 SGB V lediglicheinen Dienstleister in die Verarbeitung von Patientendaten einzubinden. Die Begründung von Unterauftragsverhältnissen werde ausdrücklich ausgeschlossen. Im Widerspruch dazu sehe § 6 Abs 1 der Anlage 3 des streitgegenständlichen Vertrages zur HzV die Einbindung der HÄVG Rechenzentrum AG als Subunternehmer der HÄVG vor. Rechtswidrig sei ferner die in § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum Vertrag geregelte Befugnis der HÄVG, nach eigenem Gutdünken Patientendaten für "Musterverfahren" zur Klärung grundsätzlicher Fragen der Auslegung des Vertrages zur HzV zu verwenden. Unzulässig sei auch die vorgesehene Einbindung der HÄVG in die Einschreibung von Versicherten. Nach § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürften die auf Leistungserbringerseite von den teilnehmenden Hausärzten übermittelten Patientendaten ausschließlich für Abrechnungszwecke verwendet werden.

12

Zudem werde durch Mehrkosten, die der Vertrag unstreitig auslöse und deren Finanzierung durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen nicht gesichert sei, das in § 53 Abs 9 SGB V normierte Gebot der Selbsttragung des Wahltarifs verletzt. Der Wahltarif sei zwingend mit der HzV nach § 73b SGB V verbunden. Nach § 53 Abs 3 SGB V dürften für einen Wahltarif für die besonderen Versorgungsformen keine Zusatzbeiträge erhoben werden. Gleichzeitig verbiete § 53 Abs 9 SGB V eine Quersubventionierung der Wahltarife aus dem allgemeinen Beitragsaufkommen. Dass durch den Vertrag zur HzV Mehrkosten gegenüber der hausärztlichen Regelversorgung entstünden, sei unstreitig. Dem stünden keine gesicherten Refinanzierungsmaßnahmen gegenüber. Darüber hinaus werde der Grundsatz der Beitragssatzstabilität des § 71 Abs 1 SGB V verletzt, der alle Vergütungsvereinbarungen nach dem SGB V erfasse, weil nicht refinanzierte Mehrausgaben nicht verlässlich ausgeschlossen seien. Die Erhebung von Zwangsbeiträgen der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung für die Subventionierung der HzV verletze Art 2 Abs 1 GG. Zudem würde durch die damit verbundene Aufgabe des Solidaritätsprinzips die Unternehmenseigenschaft der Krankenkassen im Sinne des Art 101 ff des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union begründet.

13

Der Schiedsspruch verletze Bundesrecht auch deshalb, weil die Vertragsfestsetzung unvollständig sei. Obwohl der Hilfsmittelbereich als Bereich möglicher Einsparungen in der Begründung des Schiedsspruchs ausdrücklich angesprochen werde und die Anlage 2a zum Hilfsmittelmanagement in § 23 des Vertrages zur HzV genannt werde, habe die Schiedsperson diese Anlage nicht festgelegt. Aus § 23 des Vertrages zur HzV ergebe sich vielmehr, dass diese "in gemeinsamer Absprache noch zu erstellen" sei. Dies sei mit § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V unvereinbar. Gleiches gelte für die fehlenden Anhänge 2 bis 4 der festgesetzten Anlage 3 des Vertrages. Diese sollten ausweislich § 9 der Anlage 3 des Vertrages die Diagnosen zur Abrechnung des Zuschlags für chronisch Kranke, des Zuschlags zur Förderung einer wirtschaftlichen Arzneimittelverordnung ("Rationaler Pharmakotherapie-Zuschlag") sowie eines Zuschlags (sog VERAH-Zuschlag) für Leistungen von besonders qualifizierten medizinischen Fachangestellten ("Versorgungsassistenten") enthalten.

14

Ferner habe die Schiedsperson ihren Gestaltungsspielraum überschritten, indem sie Regelungen zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten zum Gegenstand des Vertrages zur HzV gemacht habe. Die Einschreibebestimmungen des Vertrages zur HzV seien nicht von der Vertragsregelungsbefugnis der Schiedsperson umfasst. Vielmehr habe die Regelung der Teilnahme von Versicherten an der HzV in der Satzung der Krankenkasse zu erfolgen. Die Teilnahme der Versicherten werde in dem Vertrag zur HzV in Widerspruch zu Satzungsbestimmungen der Klägerin geregelt. Dies sei rechtswidrig. Darüber hinaus verletze der Schiedsspruch Bundesrecht, weil dem Beklagten zu 2. (MEDI Baden-Württemberg e.V.) die erforderliche Antragsbefugnis zur Einleitung eines Schiedsverfahrens fehle. Schiedsverfahren könnten nur von Gemeinschaften beantragt werden, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Diese Voraussetzung erfülle der Beklagte zu 2. nicht.

15

Die Schiedsperson habe ihren Beurteilungsspielraum überschritten, indem sie sich bei der Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend an anderen HzV-Verträgen orientiert habe. Die anderen HzV-Verträgen zugrunde liegenden Verhältnisse seien nicht auf die Klägerin übertragbar. Die Schiedsperson hätte sich mit der konkreten Situation der Klägerin und deren Versicherten auseinandersetzen müssen. Das sei nicht geschehen. Ferner sei die Schiedsperson zu Unrecht davon ausgegangen, dass allein ein Vollversorgungsvertrag, nicht dagegen ein sog Add-on-Vertrag der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Damit habe die Schiedsperson den rechtlichen Rahmen verkannt, der ihrem Gestaltungsspielraum zugrunde liegt. Somit leide der Schiedsspruch an einem nicht heilbaren Fehler.

16

Selbst wenn der Schiedsspruch nicht als Verwaltungsakt anzusehen wäre, sei der auf Aufhebung dieses Schiedsspruchs gerichtete Antrag zulässig. Die Festsetzung des Vertragsinhalts durch das Gericht in entsprechender Anwendung des § 319 BGB sei unter Beachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung ausgeschlossen. Denn der Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages über die HzV nach § 73b SGB V sei Aufgabe der Krankenkassen als Selbstverwaltungskörperschaften und Teil der mittelbaren Staatsverwaltung. In die Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume könne die Rechtsprechung als Kontrollinstanz der Verwaltung nicht in der Form eingreifen, dass sie ihre eigenen Erwägungen an die Stelle derjenigen der Verwaltung setze.

17

Die Klägerin beantragt,

        

1.    

die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 zu ändern und den Schiedsspruch vom 9.9.2010 aufzuheben,

        

2.    

hilfsweise, das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 aufzuheben und den Rechtsstreit an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2, 1. Halbsatz BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts zurückzuverweisen,

        

3.    

weiter hilfsweise unter Änderung der Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 festzustellen, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte HzV-Vertrag mit Bundesrecht nicht vereinbar ist.

18

Die Beklagten beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

19

Sie führen zur Begründung aus: Das angefochtene Urteil des LSG sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Allerdings sei der Schiedsspruch kein Verwaltungsakt. Mit dem GKV-VStG habe der Gesetzgeber eindeutig geregelt, dass es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele, sondern dass die Schiedsperson als Vertragshelfer analog § 317 BGB tätig werde. Die in der Rechtsprechung angestellten Erwägungen zur fehlenden Behördeneigenschaft von Schiedspersonen nach § 132a Abs 2 SGB V seien auf die Schiedspersonen gemäß § 73b Abs 4a SGB V übertragbar. Auch der Umstand, dass die Schiedsperson die in einem Schiedsverfahren festgelegten Verträge der für die Krankenkassen zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen habe, stehe dem nicht entgegen, da die Vorlage auch bei frei verhandelten Verträgen durch die Krankenkasse zu erfolgen habe. Der Schiedsspruch sei rechtlich nicht zu beanstanden. Mit den Anträgen der Klägerin habe sich die Schiedsperson erkennbar auseinandergesetzt und diese gewürdigt. Die Schiedsperson habe den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festgesetzt und zugleich berücksichtigt, dass zahlreiche weitere Krankenkassen im Bundesgebiet ähnliche Verträge mit vergleichbarem Inhalt und vergleichbarer Vergütungsstruktur mit den jeweiligen Hausarztgemeinschaften vereinbart hätten. Es seien keine wesentlichen Vertragsbestandteile ungeregelt geblieben. Soweit den Vertragspartnern überlassen worden sei, im späteren Verlauf Umsetzungsaufgaben und Steuerungsmodule, zB für den Bereich der Arzneimittelverordnung selbst zu verhandeln, sei dies sachgerecht, weil die Vertragspartner damit auf die sich ständig ändernden Arzneimittelrabattverträge reagieren könnten. Auch würden Vorschriften zum Datenschutz nicht verletzt. Maßgebend für die Beurteilung sei die aktuelle Rechtslage und nicht die Rechtslage, die bei Erlass des Schiedsspruchs gegolten habe. Die im Schiedsspruch vorgesehene Verwendung eines "gekapselten Kerns" sei auch nach Auffassung des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht nicht zu beanstanden. Soweit sich die Klägerin gegen die im Vertrag enthaltene Befugnis zur Führung von Musterverfahren unter Verwendung personenbezogener Daten wende, sei darauf hinzuweisen, dass die HÄVG keine Musterverfahren führe. Die Klägerin sei im Übrigen nicht legitimiert, im vorliegenden Verfahren Datenschutzrechte der Patienten geltend zu machen. Bezogen auf die geltend gemachten Widersprüche zwischen dem Vertrag zur HzV und den Satzungsregelungen der Klägerin habe das LSG zutreffend die Auffassung vertreten, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV der Satzung vorgingen. Mit dem vorliegenden Klageverfahren unterlaufe die Klägerin den gesetzlichen Kontrahierungszwang. Die Klägerin sei verpflichtet, ihren Versicherten eine HzV anzubieten und mit qualifizierten Gemeinschaften einen Vertrag zur HzV zu schließen. Gleichwohl habe die Klägerin bis heute die Umsetzung des weiterhin geltenden Vertrages verweigert und auch keinen Antrag auf Verpflichtung zur Neufestsetzung des Vertrages zur HzV mit den von ihr begehrten Modifizierungen gestellt.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin hat nur insoweit Erfolg, als die Unvereinbarkeit von Regelungen des Vertrages zur HzV mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen festzustellen war. Im Übrigen hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

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1. Das SG war zur Entscheidung im ersten Rechtszug nach § 8 SGG sachlich zuständig, da einer der in § 29 Abs 2 SGG geregelten Sonderfälle der sachlichen Zuständigkeit der Landessozialgerichte für eine Entscheidung im ersten Rechtszug nicht vorliegt. Insbesondere liegt keine Klage gegen Entscheidungen der Landesschiedsämter oder gegen Beanstandungen von Entscheidungen der Landesschiedsämter nach dem SGB V, gegen Entscheidungen der Schiedsstellen nach § 120 Abs 4 SGB V, der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI oder der Schiedsstellen nach § 80 SGB XII vor. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Entscheidung einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Aufzählung in § 29 Abs 2 SGG ist abschließend, sodass die Vorschrift nicht entsprechend anwendbar ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 29 RdNr 4; Schreiber in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 29 RdNr 8; Ulrich, NZS 2011, 448, 451 ff; zur Bestimmung einer Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 13 f, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

22

2. Die mit dem Antrag zu 1. erhobene Anfechtungsklage ist nicht statthaft und damit unzulässig.

23

a) Nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGG muss sich die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt richten. Die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson nach § 73b SGB V ist jedoch nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergangen und die Schiedsperson hat auch nicht für sich in Anspruch genommen, durch Verwaltungsakt entscheiden zu können(zur Zulässigkeit von Klagen auch gegen einen sog "formellen Verwaltungsakt" vgl BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 16). Für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage genügt nicht, dass die Klägerin das Vorliegen eines Verwaltungsakts geltend macht (stRspr vgl BSGE 39, 86, 87 = SozR 2200 § 628 Nr 1 S 2, mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 8a).

24

b) Für die Beurteilung der Frage, ob die Entscheidung der Schiedsperson, gegen die sich die Klägerin wendet, in der Form eines Verwaltungsakts ergangen ist, ist in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Entscheidung der Schiedsperson am 9.9.2010 maßgebend. Nur wenn die Schiedsperson zu diesem Zeitpunkt Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X gewesen ist, konnte sie einen Verwaltungsakt erlassen. Später eingetretene Änderungen hätten keinen Einfluss mehr auf die rechtliche Qualifizierung des zuvor ergangenen Schiedsspruchs. Es kommt demnach darauf an, ob die Schiedsperson nach der zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts geltenden Rechtslage Behörde war und ob ihre Entscheidung unter Zugrundelegung dieser Rechtslage als Verwaltungsakt anzusehen war. Dies ist indes nicht der Fall und daran hat sich im Übrigen in der Folge auch nichts geändert.

25

c) Schiedspersonen, die Verträge zur HzV festsetzen, wenn eine Einigung zwischen einer Krankenkasse und der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaft von Allgemeinärzten nicht zustande kommt, werden - ebenso wie Schiedspersonen im Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V - als Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB und nicht als Behörde tätig. Der Schiedsspruch ergeht deshalb auch nicht in der Form eines Verwaltungsakts, sondern ersetzt die Einigung der Parteien. Dies folgt neben dem Wortlaut in erster Linie aus der Entstehungsgeschichte der Regelung und dem darin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers.

26

aa) Verwaltungsakte können nach § 31 Satz 1 SGB X nur von einer Behörde erlassen werden. Nach § 1 Abs 2 SGB X ist Behörde im Sinne des Sozialgesetzbuches jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Danach gilt ein weiter, sog funktionaler Behördenbegriff, der neben den Verwaltungsbehörden im organisatorischen Sinne auch alle sonstigen Einrichtungen, Organe und Stellen einschließt, die aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts mit der Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten, zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge im eigenen Namen oder zu sonstigen, nach öffentlichem Recht zu beurteilenden Handeln ausgestattet sind (vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 14; BSGE 60, 239 = SozR 1300 § 45 Nr 26; BSGE 63, 224 = SozR 1300 § 48 Nr 47; BSGE 77, 295 = SozR 3-1300 § 45 Nr 27).

27

Dass die Schiedsämter und Schiedsstellen im Bereich des SGB V unter diesen weiten funktionalen Behördenbegriff fallen, ist in der Rechtsprechung seit langem geklärt (vgl BSGE 20, 73, 75 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSGE 87, 199, 200 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3300 § 89 Nr 1 RdNr 11; BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 20, 41). Eine solche grundsätzliche Klärung fehlt bisher für die Schiedsperson, die der Gesetzgeber mit der Änderung des § 132a SGB V (Versorgung mit häuslicher Krankenpflege) durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) erstmals im SGB V anstelle von Schiedsämtern und Schiedsstellen für die außergerichtliche Schlichtung vorgesehen hat. In den folgenden Jahren ist die außergerichtliche Streitschlichtung durch Schiedspersonen auf weitere Bereiche ausgedehnt worden: Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) wurde die Schlichtung im Bereich der stationären und ambulanten Hospizleistungen nach § 39a Abs 1 Satz 7 bis 9 SGB V einer Schiedsperson übertragen. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) wurde die Schlichtung durch eine Schiedsperson bei Streitigkeiten um die Finanzierung der Landesverbände der Krankenkassen (§ 211 Abs 4 Satz 4 SGB V) und mWv 1.1.2009 auch für die hausarztzentrierte Versorgung (§ 73b Abs 4a SGB V) sowie die Hilfsmittelversorgung (§ 127 Abs 1a Satz 2 bis 4 SGB V)vorgesehen. Inzwischen ist die Schlichtung durch Schiedspersonen Gegenstand auch der Heilmittelversorgung (§ 125 Abs 2 Satz 4 bis 6 SGB V), des klinischen Krebsregisters (§ 65c Abs 6 Satz 8 bis 12 SGB V) und der Versorgung mit Schutzimpfungen (§ 132e Abs 1 Satz 3 bis 5 SGB V).

28

Ob auch die Entscheidungen von Schiedspersonen als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X anzusehen sind, war von Anfang an umstritten(vgl zB Schnapp, NZS 2010, 241, 245 mwN; Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 17 ff). In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wurde die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V in der Regel als Vertragshelfer qualifiziert, deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, während Entscheidungen der Schiedsperson in der HzV wohl überwiegend als Verwaltungsakt angesehen wurden(LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 84 ff; LSG Hamburg Beschluss vom 18.8.2011 - L 1 KA 24/11 B ER; in dieser Richtung, aber letztlich offenlassend: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 37 f = Juris RdNr 25, 45 f; ausdrücklich offengelassen: LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 32 und Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 58/10 B ER - Juris RdNr 61; anders dagegen : Bayerisches LSG Beschluss vom 17.1.2011 - L 12 KA 123/10 B ER - Breith 2011, 281, 285). Für die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V wurde diese Frage durch Urteil des 3. Senats vom 25.11.2010 (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) geklärt. Danach ist jedenfalls diese Schiedsperson keine Behörde. Dementsprechend ergeht deren Entscheidung auch nicht als Verwaltungsakt. Vielmehr wird die Schiedsperson als öffentlich-rechtlicher Schlichter und Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB tätig.

29

Ausschlaggebend für die Einordnung der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde war nach der genannten Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010, dass diese zwar den Inhalt öffentlich-rechtlicher Verträge festlege, wobei es sich um eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit handele. Die Schiedsperson erhalte ihre Entscheidungsmacht jedoch unmittelbar von den Vertragsparteien des § 132a SGB V selbst, die auch den das Schiedsverfahren regelnden Vertrag zur Konfliktlösung abschließen. Daraus hat der 3. Senat den Schluss gezogen, dass es sich - ungeachtet des Umstands, dass die Vertragsparteien zur Verabredung des Schiedsverfahrens gesetzlich verpflichtet sind - um ein vertraglich vereinbartes Schiedsverfahren handele. Die Schiedsperson sei auch kein Beliehener, weil es an einem öffentlich-rechtlichen Akt der Beleihung fehle. Ferner existiere keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger und anders als Schiedsstellen und Schiedsämter unterliege die Schiedsperson auch keiner Rechtsaufsicht. Das Verfahren der Schlichtung durch die Schiedsperson sei nicht gesetzlich geregelt. Die Funktion als Schiedsperson sei an die Person des Berufenen gebunden, sodass keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution einer Schiedsstelle existiere.

30

bb) Die Regelungen zur Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V entsprachen bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend derjenigen zu der - nicht als Behörde zu qualifizierenden - Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V. Grundsätzlich obliegt es auch hier den Vertragsparteien, sich auf die Schiedsperson zu einigen. Nur für den Fall, dass die Vertragsparteien sich auch darüber nicht einigen können, sieht § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V die Bestimmung der Schiedsperson durch die für die Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde vor. Ebenso wie nach § 132a Abs 2 SGB V gibt es nach § 73b SGB V weder eine Rechtsaufsicht über die Schiedsperson noch eine Regelung zum Schiedsverfahren. Ferner existiert keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution und keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger.

31

Zwar können hoheitliche Aufgaben durch Beleihung auch einer natürlichen Person übertragen werden. Dies erfordert jedoch eine Übertragung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Rechtsverordnung, Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl BVerwG NVwZ 2006, 829; BVerfG NJW 1987, 2501, 2502; BVerwGE 98, 280, 298; Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 1 RdNr 11; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl 2014, § 1 RdNr 60; Wiegand, Die Beleihung mit Normsetzungskompetenz, 2008, 155 f). § 73b Abs 4a SGB V regelt eine Beleihung der Schiedsperson jedenfalls nicht ausdrücklich. Gegen die Annahme, dass in der dort geregelten Bestimmung der Schiedsperson gleichwohl eine Beleihung liegt, spricht, dass das Gesetz keinerlei Festlegungen oder Vorgaben zu deren Auswahl trifft, sondern diese vorrangig den Vertragsparteien überlässt (vgl Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 250). Angesichts des Umstands, dass der Wortlaut die Frage nach einer Beleihung jedenfalls nicht eindeutig beantwortet, kann die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur dann als Beliehene angesehen werden, wenn systematische Gründe, die Entstehungsgeschichte oder Sinn und Zweck der Reglung dafür sprechen würden, dass der Gesetzgeber der Schiedsperson die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben übertragen wollte. Dies ist aus den nachfolgend genannten Gründen jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG gerade klargestellt, dass der Schiedsperson nach § 73b SGB V - in Übereinstimmung mit der Schiedsperson nach § 132a SGB V - keine hoheitlichen Aufgaben übertragen werden sollen.

32

cc) Im Gegensatz zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V hat der 3. Senats des BSG die Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26) nicht eindeutig dem Modell "Vertragshelfer" zugeordnet, sondern diese Frage ausdrücklich offengelassen. Dabei hat der 3. Senat dem Umstand Bedeutung beigemessen, dass § 73b SGB V keine § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V entsprechende Regelung enthält, nach der die Vertragsparteien in Verträgen zu regeln haben, dass im Falle von Nichteinigung eine von den Parteien zu bestimmende unabhängige Schiedsperson den Vertragsinhalt festlegt. Daraus hat der 3. Senat gefolgert, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V im Rahmen eines gesetzlich normierten und nicht eines - wie bei § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V - vertraglich vereinbarten Schiedsverfahrens tätig werde. In der praktischen Umsetzung wirkt sich dieser Unterschied allerdings kaum aus, weil die Vertragspartner nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V nicht frei darüber entscheiden können, ob sie die Festlegung des Vertragsinhalts einer Schiedsperson übertragen, sondern verpflichtet sind, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Falls zwischen den Vertragspartnern eine Einigung auf eine Schiedsperson nicht erzielt werden kann, wird sowohl die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als auch die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V von der für die vertragsschließende Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Dabei kann die Bestimmung einer Schiedsperson durch die zuständige Aufsichtsbehörde auch nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V nicht davon abhängig sein, dass zuvor eine Vereinbarung nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V zustande gekommen ist, nach der der Vertragsinhalt von einer Schiedsperson festgelegt wird(vgl dazu Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 8). Damit bestehen insoweit keine rechtlich bedeutsamen Unterschiede zwischen dem Schiedsverfahren in der HzV und dem Schiedsverfahren in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege (so auch Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15e).

33

dd) Ein Indiz, das gegen die Qualifizierung der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer und für eine Einordnung des Schiedsspruchs als Verwaltungsakt sprechen könnte, hat der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 40, auch zur Veröffentlichung für BSGE vorgesehen) ferner in dem Umstand gesehen, dass § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ausschloss. Diese Regelung konnte den Eindruck erwecken, dass der Gesetzgeber die Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Verwaltungsakte angesehen haben könnte, weil sie gesetzessystematisch nur einen Sinn ergibt, wenn es sich bei der angegriffenen Entscheidung der Schiedsperson um einen Verwaltungsakt handelt. Schließlich bezieht sich die aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs 1 SGG auf den Widerspruch und auf die Anfechtungsklage, die sich grundsätzlich gegen einen Verwaltungsakt richten müssen.

34

Dagegen konnte auch nicht - wie in der Begründung des Schiedsspruchs - mit Erfolg eingewandt werden, die Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts durch einen Vertragshelfer bewirke in entsprechender Anwendung zivilrechtlicher Bestimmungen, dass der Vertrag während der Dauer des Rechtsstreits nicht umsetzbar sei und die Formulierung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF, nach der die Klage keine aufschiebende Wirkung habe, könne aus diesem Grund nicht als Indiz für die rechtliche Einordnung der Entscheidung der Schiedsperson als Verwaltungsakt herangezogen werden.

35

(1) Die Auffassung, nach der die von der Schiedsperson getroffene Bestimmung zum Vertragsinhalt während eines Klageverfahrens um deren Rechtmäßigkeit nicht beachtet werden müsse, trifft nicht zu. Für zivilrechtliche Verträge wird die Frage, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen die offenbare Unbilligkeit der Bestimmung einer Leistung durch einen Dritten nach § 319 Abs 1 Satz 1 BGB die Unbeachtlichkeit der Entscheidung des Dritten zur Folge hat, nicht einheitlich beantwortet. Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass die offenbar unbillige Leistungsbestimmung bereits unabhängig von der Erhebung einer Einrede oder einer Klagerhebung unwirksam sei (Rieble in Staudinger, BGB, Leistungsstörungsrecht 2, Neubearbeitung 2009, § 319 RdNr 17 f; zu § 315 Abs 3 BGB vgl LG Mainz Urteil vom 5.3.2007 - 5 O 94/06 - Juris). Dagegen wird eingewandt, dass die offenbare Unbilligkeit nicht die Nichtigkeit bedeute (vgl OLG Frankfurt am Main Urteil vom 3.12.1998 - 3 U 257/97 - NJW-RR 1999, 379 = Juris RdNr 25) und dass auch die unbillige Bestimmung des Dritten binde, bis sie durch Gerichtsurteil ersetzt werde (Würdinger in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl 2012, § 319 RdNr 23). Dies soll aber nach wohl hM nicht für den Fall gelten, dass die offenbare Unbilligkeit von einem Vertragspartner binnen angemessener Frist geltend gemacht wird (vgl OLG Frankfurt am Main, aaO, mwN; Wolf in Soergel, BGB, Bd 2, 12. Aufl 1990, § 319 RdNr 16; zur ähnlichen Regelung in § 315 Abs 3 BGB vgl Grüneberg in Palandt, BGB, 74. Aufl 2015, § 315 RdNr 16; zur Fälligkeit einer Forderung bei einer Schiedsgutachtenvereinbarung im Falle des Übergangs der Leistungsbestimmung nach § 319 Abs 1 Satz 2 BGB auf das Gericht erst mit Rechtskraft des Urteils vgl BGH Urteil vom 4.7.2013 - III ZR 52/12 - NJW-RR 2014, 492 RdNr 32 ff, mwN). Dagegen geht das BAG im Zusammenhang mit der Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber in entsprechender Anwendung des § 315 Abs 3 BGB davon aus, dass der Arbeitnehmer an die Konkretisierung des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden sei, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe(BAG Urteil vom 22. 2.2012 - 5 AZR 249/11 - BAGE 141, 34 = AP Nr 127 zu § 615 BGB = NJW 2012, 2605, RdNr 24, mwN).

36

Auf die Festsetzung des Vertrages zur HzV durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V sind die genannten, zu zivilrechtlichen Verträgen entwickelten, ohnehin nicht einheitlichen Positionen - entgegen der in der Begründung der Entscheidung der Schiedsperson vertretenen Auffassung(vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 Fn 61) - nicht ohne Weiteres übertragbar. Für Verträge, die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern zum Gegenstand haben, gelten die Vorschriften des BGB und damit auch die Regelungen zur Bestimmung der Leistungen durch einen Dritten (§§ 317 ff BGB) gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nur entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Daher kann bei der entsprechenden Anwendung der §§ 317 ff BGB nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 1 SGB V verpflichtet sind, ihren Versicherten eine besondere hausarztzentrierte Versorgung anzubieten. Die entsprechende Geltung der Vorschriften des BGB ändert zudem nichts daran, dass es sich bei dem Vertrag nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V zwischen Krankenkassen und den die Hausärzte vertretenden Gemeinschaften um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 Abs 1 SGB X handelt, weil durch ihn ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet, geändert oder aufgehoben wird. Insofern gilt für Verträge in der HzV nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V nichts anderes als für Verträge zur Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V(vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 6 RdNr 18 f; BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 23)oder auch für die Bundesmantelverträge und Gesamtverträge, die (auch) als öffentlich-rechtliche Verträge zu qualifizieren sind (vgl BSGE 70, 240, 243 = SozR 3-5533 Allg Nr 1 S 4; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14). Für das gerichtliche Verfahren bleiben die Vorschriften des SGG maßgebend. Nach § 86a Abs 1 SGG kommt zwar Klagen gegen belastende Verwaltungsakte aufschiebende Wirkung zu. Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise für Klagen, mit denen die Rechtswidrigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages geltend gemacht wird. Öffentlich-rechtliche Verträge sind wirksam, auch soweit sie rechtswidrig aber nicht nichtig sind (vgl Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 58 RdNr 2). Zur Nichtigkeit führt nur ein besonders schwerwiegender Mangel (zu gesamtvertraglichen Vereinbarungen vgl zB BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14 f). Der Umstand, dass die Partner des Vertrages zur HzV die Möglichkeit haben, gerichtlich mit der Feststellungsklage die Rechtswidrigkeit von Regelungen des Vertrages geltend zu machen, der durch Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommen ist (vgl dazu nachfolgend 4.), ändert daran nichts. Im Ergebnis hat dies zur Folge, dass der durch die Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommene Vertrag, der nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, vorbehaltlich seiner Nichtigkeit umzusetzen ist, solange dessen Rechtswidrigkeit nicht rechtskräftig festgestellt worden ist (vgl bereits Nr 11 der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines GKV-VStG, BT-Drucks 17/7274 S 29; zu einer vom Bundesrat gewünschten Klarstellung mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Abhängigkeit vom Ausgang des vorliegenden Verfahrens vgl die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks 18/4095, Anlage 4 Nr 22; aA: Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 f). Bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens um die Rechtmäßigkeit des von der Schiedsperson festgesetzten Vertrages kann die Pflicht zur Umsetzung des Vertrages nur durch eine einstweilige Anordnung des Gerichts nach § 86b Abs 2 SGG beseitigt werden.

37

(2) Auch wenn angenommen würde, dass die in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF getroffene Regelung zur fehlenden aufschiebenden Wirkung der Klage allein im Sinne einer Klarstellung sicherstellen sollte, dass Schiedssprüche während eines Klageverfahrens zunächst umgesetzt werden, erklärt dies nicht ohne Weiteres die gewählte Formulierung, weil die Verwendung des Begriffs der aufschiebenden Wirkung den Bezug zu § 86a Abs 1 SGG und zu der dort geregelten aufschiebenden Wirkung von Klagen gegen Verwaltungsakte herstellt.

38

Danach stimmte die gesetzliche Regelung zur Schiedsperson in der Versorgung mit Haushaltshilfe nach § 132a Abs 2 SGB V zwar weitgehend mit der Regelung zur Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V überein. Mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts enthielt § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF jedoch eine Regelung, die in § 132a SGB V keine Entsprechung findet und die als Indiz für die Charakterisierung des Schiedsspruchs in der HzV als Verwaltungsakt herangezogen werden konnte.

39

ee) Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber auf die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V reagiert und mit dem GKV-VStG die aufschiebende Wirkung auf Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson beschränkt. Eine Regelung, nach der Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts keine aufschiebende Wirkung haben, gibt es seitdem nicht mehr. Ferner wurde mit dem GKV-VStG § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V angefügt. Danach richten sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

40

Die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) bestätigt, dass auf diesem Weg bestehende Unklarheiten bezogen auf die rechtliche Einordnung des Schiedsverfahrens in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V ausgeräumt werden sollten und dass - ebenso wie für den Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V - eine eindeutige Einordnung der Schiedsperson als Vertragshelfer erfolgen sollte. Die Einschränkung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V wird damit begründet, dass durch die bisherige Formulierung der Eindruck habe entstehen können, es handele sich bei dem Schiedsspruch um einen Verwaltungsakt. Mit der Streichung werde "klargestellt, dass dies nicht der Fall ist, sondern dass die Schiedsperson analog § 317 BGB als Vertragshelfer tätig wird". Inhaltlich knüpft die Gesetzesbegründung damit an die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege an. Dies wird in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) verdeutlicht, in der unter ausdrücklichem Hinweis auf die genannte Entscheidung des 3. Senats des BSG ausgeführt wird, dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V eine Klarstellung in Richtung auf die Einordnung auch der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer herbeigeführt werden soll. Davon ist im Übrigen auch der 3. Senat in einer Entscheidung vom 8.10.2014 (B 3 KR 7/14 R - SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) ausgegangen.

41

Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 73b Abs 4a SGB V mit dem GKV-VStG auch auf die "insoweit vergleichbare(n) Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII"(BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) Bezug nehme. Zutreffend ist allerdings, dass Entscheidungen der Schiedsstellen zur Vergütung von Einrichtungen und Diensten im Bereich der Sozialhilfe nach ständiger Rechtsprechung in der Form eines Verwaltungsakts ergehen. Dies hat das BVerwG bereits zu der § 80 SGB XII im Wesentlichen entsprechenden Vorgängerregelung des § 94 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entschieden(vgl BVerwGE 108, 47). Daran hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78 = Juris RdNr 14; anders zunächst der 3. Senat des BSG: BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4)auch nach der Einführung des § 93b Abs 1 Satz 4 BSHG festgehalten, der bestimmte, dass die Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist. Der Qualifizierung dieses Schiedsspruchs als Verwaltungsakt hat sich der für Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständige 8. Senat des BSG bezogen auf die seit dem 1.1.2005 geltende entsprechende Rechtslage mit einer entsprechenden Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII angeschlossen(BSG SozR 4-3500 § 77 Nr 1, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage in diesem Verfahren "sui generis" vgl auch BSG SozR 4-3500 § 76 Nr 1 RdNr 12, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

42

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus all dem jedoch nicht geschlossen werden, dass mit dem Hinweis auf § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII die im ersten Teil der Gesetzesbegründung eindeutig zum Ausdruck kommende Orientierung am "Vertragshelfermodell" wieder in Frage gestellt würde. Die Formulierung in der Gesetzesbegründung, nach der sich die Regelung "am Wortlaut der insoweit vergleichbaren Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII" orientiert, bezieht sich erkennbar allein auf die Anfügung des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ("Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson."). Dies wird zum einen durch die Verwendung des Wortes "insoweit" und zum anderen daran deutlich, dass nicht der gesamte § 77 Abs 1 SGB XII in Bezug genommen wird, sondern allein dessen Satz 5, der mit dem eingefügten § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V fast wörtlich übereinstimmt. Die Streichung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson wird also nicht mit Hinweis auf § 77 Abs 1 SGB XII begründet, sondern mit dem Ziel klarzustellen, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde tätig wird. Allein bezogen auf die Ergänzung des § 73b Abs 4a SGB V um einen neuen Satz 5 verweist die Gesetzesbegründung auf die fast wortgleiche Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII.

43

Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des BVerwG war die Regelung, nach der sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen die Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson richten, im Übrigen auch nicht Anknüpfungspunkt für die Einordnung des Schiedsspruchs im Sozialhilferecht als Verwaltungsakt. Das BVerwG (vgl BVerwGE 116, 78, 82 f) hat die Entscheidung der Schiedsstelle keineswegs wegen der Regelung, nach der die Klage gegen die andere Vertragspartei zu richten ist, als Verwaltungsakt qualifiziert, sondern vielmehr trotz der Einführung dieser Regelung und entgegen einer in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung (Münder in LPK-BSHG, 5. Aufl 1998, § 94 RdNr 2; Gottlieb, NDV 2001, 257, 261; Wabnitz, ZfJ 2001, 33, 37; vgl auch BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4) an seiner bereits zuvor bestehenden Rechtsprechung zur Einordnung des Schiedsspruchs nach § 77 Abs 1 SGB XII als Verwaltungsakt festgehalten.

44

Im Übrigen - also mit Ausnahme des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V - unterscheidet sich die Regelung zum Schiedsverfahren nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII grundlegend von der zur Festlegung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Qualifizierung der Schiedsstelle nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII als Behörde und deren Schiedsspruch als Verwaltungsakt stehen deshalb nicht im Widerspruch zur Einordnung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer. Abgesehen davon, dass nach § 77 Abs 1 Satz 3 SGB XII nicht eine natürliche Person, sondern eine Schiedsstelle entscheidet, die gemäß § 80 Abs 2 Satz 1 SGB XII mit Vertretern der Vertragsparteien und einem unparteiischen Vorsitzenden besetzt ist, spricht für den Charakter dieser Schiedsstelle als Behörde auch die Formulierung in § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII, nach der es einer Nachprüfung der Entscheidung in einem Vorverfahren nicht bedarf. Genau diese Formulierung (die sich vor dem 1.1.2005 in § 93b Abs 1 Satz 5 BSHG und vor der Einführung des § 93b BSHG zum 1.1.1999 in § 93 Abs 3 Satz 4 Halbsatz 1 BSHG fand) hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78, 81 f) zur Begründung seiner Auffassung herangezogen, dass der Gesetzgeber diese Schiedsstellenentscheidung - trotz der Regelung, nach der eine Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist - als Verwaltungsakt ausgestalten wollte. Eine § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII entsprechende Formulierung findet sich in § 73b Abs 4a SGB V aber nicht.

45

ff) Danach ist mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG geklärt, dass es sich bei der Schiedsperson, die im Konfliktfall den Inhalt des Vertrages zur HzV feststellt, nicht um eine Behörde handelt und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht(ebenso: Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15d, 15f; Huster in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 17; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 251; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 22; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 23; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 64; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b RdNr 69; SG München Urteil vom 16.7.2014 - S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 27; aA Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1; LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 3.6.2014 - L 7 KA 12/14 B ER - Juris).

46

gg) Die Zuordnung der Schiedsperson für die HzV zum Modell "Vertragshelfer" anstelle des Modells "Schiedsamt" bezieht sich nicht allein auf die Zeit seit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1.1.2012. Wie oben dargelegt, entsprach § 73b Abs 4a SGB V bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend der für die häusliche Krankenpflege geltenden Regelung zur Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V, für die jedenfalls seit der Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) die Einordnung als Vertragshelfer geklärt ist. Die rechtliche Einordnung des Schiedsspruchs der Schiedsperson in der HzV war gleichwohl bis zum Inkrafttreten des GKV-VStG zum 1.1.2012 nicht geklärt, sondern in der og Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 ausdrücklich offengelassen worden. Unter diesen Umständen war der Gesetzgeber nicht gehindert, eine Klarstellung herbeizuführen. Dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V sowie der Anfügung eines neuen Satzes 5 die in der og Entscheidung des 3. Senats des BSG vom 25.11.2010 offengelassene Frage geklärt werden sollte und dass die Regelung somit nur der Klarstellung des bereits zuvor Gewollten dienen sollte, kommt sowohl in der Begründung des Regierungsentwurfs eines GKV-VStG (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Nr 13) als auch in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) eindeutig zum Ausdruck.

47

3. Die Klägerin kann auch nicht - entsprechend dem Antrag zu 2. - die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V erreichen.

48

Soweit der 3. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V von der Statthaftigkeit einer sog Ersetzungsklage ausgegangen ist, mit der dem Gericht aufgegeben werden soll, den Inhalt des Vertrages bei Unbilligkeit der Festlegungen der Schiedsperson zu bestimmen, folgt der Senat dem für die HzV nach § 73b SGB V nicht. §§ 317 ff BGB treffen Regelungen für Konstellationen, in denen sich die Parteien zuvor aus freiem Willen auf eine Schiedsperson geeinigt haben, der die Aufgabe übertragen wird, den Vertrag rechtsgestaltend zu ergänzen. Die Schiedsperson hat also lediglich vertragsausfüllende und vertragsergänzende Funktion (vgl Schnapp, NZS 2010, 241, 245, mwN). Auf die Verträge zur HzV, deren Inhalt vollständig gegen den Willen der Krankenkasse von einer durch die zuständige Aufsichtsbehörde bestimmten Schiedsperson festgelegt werden kann (vgl § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 und 2 SGB V), sind diese Bestimmungen im Rahmen der nur entsprechenden Anwendung nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nicht uneingeschränkt übertragbar. Davon ist im Grundsatz auch schon der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 33) bezogen auf das Schiedsverfahren nach § 132a Abs 2 SGB V ausgegangen, indem er abweichend von § 319 Abs 1 Satz 1 BGB nicht darauf abgestellt hat, ob die durch die Schiedsperson getroffene Bestimmung "offenbar unbillig" ist, sondern die einfache "Unbilligkeit" als Voraussetzung für die Ersetzung des Schiedsspruchs durch die Entscheidung des Gerichts genügen lässt.

49

Der Überlegung, das Gericht könne im Falle der Unbilligkeit den Inhalt der Entscheidung der Schiedsperson ersetzen, liegt die Vorstellung zugrunde, vom Gericht werde ein punktuelles Eingreifen oder die Entscheidung bezogen auf einzelne zwischen den Vertragsparteien umstrittene Punkte verlangt. So liegen die Dinge etwa im Bereich des § 65c Abs 6 Satz 8 SGB V bei der Höhe der Meldevergütungen zum klinischen Krebsregister. Dabei geht es um die Vergütungshöhe für bestimmte Leistungen, die in angemessener Höhe festzusetzen sind. Bei der Festlegung des Inhalts der Verträge zwischen Krankenkassen und den Erbringern von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V stehen zumindest nach den bisherigen gerichtlichen Erfahrungen die "Preise" für die Leistungen im Mittelpunkt des Konflikts der Vertragspartner, obwohl der Schlichtungsauftrag der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 1 und 6 SGB V weitergehen kann. Ob für solche eher punktuellen Festlegungen die Ersetzungsklage mit der Konsequenz der abschließenden Entscheidung durch ein Gericht sachgerecht ist, lässt der Senat offen; er muss deshalb auch nicht beim 3. Senat anfragen, ob dieser an seiner Rechtsprechung dazu festhält. Jedenfalls ist diese Konzeption auf die Verträge nach § 73b SGB V nicht übertragbar.

50

Gerichte können nicht umfassende Vertragswerke festsetzen, Regelungen über den Datenaustausch formulieren und die Beziehungen der Partner der Verträge untereinander vollständig regeln (zu § 132a Abs 2 SGB V vgl die Bedenken von Plantholz, RsDE 64<2007>, 1, 20 f, 23). Die dazu erforderliche Kenntnis nicht zuletzt der technischen Abläufe und deren Gestaltbarkeit ist bei den Gerichten ohne die Kooperation der Vertragspartner, auf die die Schiedsperson setzen kann, nicht vorhanden; insoweit müssten regelmäßig Sachverständige hinzugezogen und möglicherweise sogar mit der Formulierung beauftragt werden. Die Gerichte könnten nur punktuell - etwa bei der Höhe der Vergütung der teilnehmenden Ärzte - nach dem Maßstab der Angemessenheit entscheiden. Soweit ersichtlich, gibt es bisher auch keine sozialgerichtliche Entscheidung, in der ein durch eine Schiedsperson festgesetzter komplexer Vertrag wegen Unbilligkeit aufgehoben und durch einen gerichtlich festgesetzten Vertragsinhalt ersetzt worden wäre.

51

Aus den genannten Gründen muss sich die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V an dem Muster der Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V orientieren: Das Gericht prüft, ob die von einem der Beteiligten gerügten Festsetzungen mit höherrangigem Recht unvereinbar sind, bezeichnet ggf solche Rechtsverstöße und stellt weiter die Verpflichtung der Vertragspartner fest, diese Verstöße zu beseitigen. Wenn das im Wege freier Verhandlungen nicht gelingt, muss erneut eine Schiedsperson tätig werden, die - wie die Partner auch - an die Rechtsauffassung gebunden ist, die dem Feststellungsurteil zugrunde liegt.

52

Der naheliegende Einwand gegen diese Rechtsschutzkonzeption, dass eine abschließende Festlegung des Vertragsinhalts nicht zeitnah gewährleistet wird, greift im Ergebnis nicht durch. Es erscheint bereits fraglich, ob die Festsetzung des komplexen Inhalts eines Vertrages zur HzV durch ein für derartige Aufgaben nicht ausgestattetes Gericht oder eine Festlegung des Vertragsinhalts unter Einbeziehung von Sachverständigen, die das Gericht zu bestellen hätte, zu einer Beschleunigung des Verfahrens beitragen könnten. Auch kann dahingestellt bleiben, ob dem Einwand der Klägerin zu folgen ist, dass die Gestaltung des vollständigen Vertragsinhalts durch das Gericht - die im Verwaltungsprozessrecht sonst keine Entsprechung finden dürfte - in Widerspruch zum Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art 20 Abs 2 Satz 2 GG geriete, weil die Gerichte allein dazu berufen sind, Verwaltungshandeln zu kontrollieren (vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 7 f unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 13 sowie BSGE 90, 42, 44 = SozR 3-8570 § 4 Nr 4). Ausschlaggebend ist, dass der Gesetzgeber den Weg der gerichtlichen Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen - und nicht deren Ersetzung durch die Gerichte - auch sonst im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung - und zwar gemäß § 89 Abs 1a SGB V auch für gesetzlich vorgeschriebene Verträge - gewählt hat. Selbst wenn ein gesetzlich vorgeschriebener Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung nicht zustande kommt und keine der Parteien bei dem Schiedsamt einen Antrag auf Herbeiführung der Einigung stellt, sieht § 89 Abs 1a Satz 1 SGB V keine Ersetzung durch die Aufsichtsbehörde, sondern lediglich ein Recht der Aufsichtsbehörde zur Anrufung des Schiedsamts vor. Solange das Schiedsamt überhaupt fristgerecht tätig wird, beschränkt sich auch die Kontrolle der Entscheidung durch die Aufsichtsbehörden gemäß § 89 Abs 5 Satz 5 SGB V auf Rechtsverstöße. Eine Festsetzung des Vertragsinhalts durch die für das Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde sieht der mit dem GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, 2210) eingeführte § 89 Abs 1 Satz 5 SGB V nur ausnahmsweise für den Fall vor, dass das Schiedsamt auch nach Fristsetzung durch die Aufsichtsbehörde untätig bleibt. Die daraus erkennbar werdende Konzeption des Gesetzgebers, zumindest im Bereich des SGB V Schiedssprüche im Regelfall nicht durch Entscheidungen der Aufsichtsbehörden und erst Recht nicht durch gerichtliche Entscheidungen zu ersetzen, sondern die Kontrolle auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit zu beschränken, ist auf die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V zu übertragen.

53

4. Richtige Klageart ist danach die Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 SGG), die die Klägerin hilfsweise erhoben hat. Diese ist auch zulässig, in der Sache aber nur zum geringen Teil begründet.

54

a) Der Zulässigkeit des in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Feststellungsantrags steht nicht entgegen, dass die Klägerin einen solchen im Revisionsverfahren bis zum Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung nicht formuliert hatte. Zwar darf das BSG über den Antrag grundsätzlich nicht hinausgehen und eine Klagänderung ist gemäß § 168 Satz 1 SGG im Revisionsverfahren unzulässig. Zulässig ist jedoch eine Erweiterung des Klagantrags im Sinne des § 99 Abs 3 SGG, soweit damit keine neuen Revisionsgründe geltend gemacht werden(vgl BSGE 31, 112, 113 = SozR Nr 55 zu § 164 SGG) und auch der Übergang von der Anfechtungsklage zur Feststellungsklage (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 99 RdNr 4 mwN). Ausschlaggebend ist, dass der historische Lebenssachverhalt, aus dem der Anspruch abgeleitet wird, unverändert geblieben ist (vgl BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 5). Das ist hier der Fall. Eine solche Erweiterung des Revisionsantrags ist auch noch nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung bis zum Schluss der mündlichen Revisionsverhandlung möglich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 10 mwN).

55

Die Klägerin hat die Klage zutreffend gegen die Beklagten als Parteien des Vertrages zur HzV gerichtet. Seit der Änderung durch das GKV-VStG regelt § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ausdrücklich, dass Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson zu richten sind. Dies galt aufgrund des Umstands, dass die Schiedsperson keine Behörde ist und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht (vgl oben 2.), auch bereits für die Zeit vor Inkrafttreten der gesetzlichen Klarstellung mWv 1.1.2012 und damit auch bereits zum Zeitpunkt der Klagerhebung am 9.9.2011 (zur Ersetzungsklage gegen die Entscheidung Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 30). Die Tätigkeit der Schiedsperson ist mit dem Erlass des Schiedsspruchs beendet (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen). Aus diesem Grund ist die Schiedsperson zu dem Verfahren um die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Vertragsinhalts auch nicht notwendig beizuladen (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 31).

56

b) Für die Begründetheit der Feststellungklage wird in der Regel auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21 mwN). Vorliegend ist jedoch - in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin - vom Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson am 9.9.2010 auszugehen. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs für den Zeitpunkt seines Ergehens geltend macht. Grundsätzlich hat sie an einer Klärung der Frage, ob der Vertrag zum Zeitpunkt seiner Festsetzung rechtmäßig war, auch ein berechtigtes Interesse. Später eintretenden Änderungen haben die Vertragsparteien gemäß § 22 Abs 2 Satz 2 des Vertrages nach den Grundsätzen von Treu und Glauben Rechnung zu tragen. Soweit diese vertragliche Regelung nicht eingreift, folgt die Möglichkeit zur Anpassung des Vertrages aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X, wobei die vertragliche Regelung Vorrang hat(vgl BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 1 RdNr 25). Nach § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X kann eine Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an geänderte Verhältnisse verlangen, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert haben, dass der Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Wenn eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, kann diese den Vertrag kündigen. Auch diese Vorschrift setzt voraus, dass Änderungen seit Abschluss des Vertrages eingetreten sind. Insofern ist für die Klägerin weiterhin von Interesse, ob der Schiedsspruch zum Zeitpunkt der Vertragsfestsetzung rechtmäßig war. Dagegen ist weder eine Anpassung noch die Kündigung des durch Schiedsspruch festgesetzten Vertrages Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, sodass es auf später eingetretene Änderungen grundsätzlich nicht ankommen kann. Die etwa infolge der Abschaffung der Praxisgebühr (Streichung des § 28 Abs 4 SGB V mit Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom 20.12.2012, BGBl I 2789) erforderlichen Anpassungen des Vertrages (vgl dazu ua § 2 Abs 4, § 13 des Vertrages) sind ersichtlich nicht aufgrund unterschiedlicher Auffassungen der Vertragspartner, sondern wegen der im Vordergrund stehenden grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten und der deshalb bisher nicht erfolgten Umsetzung des Vertrages unterblieben. Eine auf den Anpassungsbedarf bezogene gerichtliche Feststellung hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

57

Allerdings sind im vorliegenden Verfahren Änderungen der Rechtslage zu berücksichtigen, die Einfluss auf das Fortbestehen des Feststellungsinteresses der Klägerin haben. Für die Beurteilung des Feststellungsinteresses ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (zur Fortsetzungsfeststellungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 131 RdNr 10, 10i; vgl auch BSG SozR 4-2700 § 215 Nr 2 RdNr 11). Da der streitgegenständliche Vertrag zur HzV bisher nicht umgesetzt wurde, kann ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin nur bestehen, soweit es darauf für die noch bevorstehende Umsetzung des Vertrages ankommt. Bedeutung gewinnt diese Frage hier bezogen auf Vereinbarkeit des Vertrages mit Bestimmungen zum Datenschutz (vgl dazu im Einzelnen nachfolgend d ii, RdNr 90).

58

c) Die gerichtliche Kontrolle der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson richtet sich aus den og Gründen nach den in der Rechtsprechung zur Überprüfung von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V entwickelten Maßstäben. Danach unterliegt auch die Entscheidung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur in eingeschränktem Umfang der gerichtlichen Kontrolle(vgl die stRspr zu § 89 SGB V: BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 3 RdNr 18; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11 mwN). Die Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle berücksichtigt, dass Schiedspersonen - ebenso wie Schiedsämter - deren Sprüche Vereinbarungen der zum Vertragsabschluss berufenen Vertragspartner ersetzen, eine weite Gestaltungsfreiheit haben. Dies trägt dem Wesen der Schiedssprüche Rechnung, die auf Interessenausgleich angelegt sind und Kompromisscharakter haben (vgl BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5). Der Schiedsspruch ist daher nur daraufhin zu überprüfen, ob die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen beachtet und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten wurden. Mithin ist in formeller Hinsicht zu klären, ob das Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs festgestellt hat und der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennen lässt (stRspr zu § 89 SGB V vgl etwa: BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13). Die inhaltliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsperson den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (zum Schiedsamt vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 20 S 131; BSGE 86, 126, 135 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11). Die Prüfung beschränkt sich dabei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf die Beachtung von Vorschriften, die unmittelbar Rechte der Vertragsparteien zu schützen bestimmt sind (aA zur Frage der Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen auch: LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 188). Deren Betroffenheit in eigenen Rechten folgt bereits aus dem Umstand, dass sie Partner des durch die Schiedsperson festgesetzten Vertrages sind. Die Bindung an einen solchen Vertrag müssen sie nur hinnehmen, soweit die darin getroffenen Bestimmungen materiell rechtmäßig sind. Insofern hat der Umstand, dass der Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, keinen Einfluss auf den gerichtlichen Prüfungsumfang.

59

d) Die Überprüfung der Entscheidung der Schiedsperson anhand der genannten Maßstäbe ergibt, dass die Festsetzung des Vertragsinhalts allein bezogen auf die Vereinbarkeit mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz zu beanstanden ist. Im Übrigen entspricht der Schiedsspruch den rechtlichen Anforderungen.

60

aa) Einwände bezogen auf die Einhaltung verfahrensrechtlicher Anforderungen werden von den Beteiligten nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere durfte die Schiedsperson den Vertragsinhalt am 9.9.2010 festsetzen, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch ein Klageverfahren zur Frage der Rechtmäßigkeit der Bestimmung der Schiedsperson anhängig war. Da Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson gemäß § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V keine aufschiebende Wirkung haben, war die Schiedsperson trotz des anhängigen Klageverfahrens berechtigt (und verpflichtet), tätig zu werden(zur Bestellung einer Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 27, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

61

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht zu beanstanden, dass die Schiedsperson nicht allein den Beklagten zu 1. (Hausärzteverband, Landesverband Baden-Württemberg), sondern auch den Beklagten zu 2. (Medi Baden-Württemberg eV) als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag aufgenommen hat.

62

(1) Gemäß § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30.6.2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Nur die so definierten Gemeinschaften von Allgemeinärzten sind gemäß § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 SGB V berechtigt, die Einleitung eines Schiedsverfahrens zu verlangen. Diese Anforderungen müssen jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson erfüllt sein (so auch bereits Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 27; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 17.1.2011 - L 7 KA 66/10 B ER - Juris RdNr 5). Die genannten Voraussetzungen werden von den beiden Beklagten erfüllt.

63

(2) Mit dem Begriff der Allgemeinärzte sind nicht alle nach § 73 Abs 1a SGB V an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte angesprochen. Vielmehr wird der Begriff übereinstimmend mit § 73 Abs 1a Nr 1 SGB V verwendet, sodass darunter nur die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte fallen, die nach Landesrecht zur Führung der Bezeichnung "Arzt für Allgemeinmedizin" berechtigt sind. Vorbehaltlich landesrechtlicher Übergangsregelungen wird also eine fünfjährige Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin vorausgesetzt (Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 14; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 29a; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 11.10.2010 - L 11 KA 61/10 B ER - GesR 2011, 32 = Juris RdNr 35 ff; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 31 ff; vgl auch BT-Drucks 16/10609 S 54). Diesen Begriff der "Allgemeinärzte" hat die Schiedsperson ihrer Prüfung, ob die og 50 %-Quote erreicht wird, zutreffend zugrunde gelegt. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.

64

(3) Gemeinschaften, die die Einleitung eines Schiedsverfahrens beantragen können, müssen nach § 73b Abs 4 Satz 1 und 2, Abs 4a Satz 2 SGB V mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV "vertreten". Dass die Beklagten zu 1. und zu 2. gemeinsam diese Quote erfüllen, wird zu Recht auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V verwendete Begriff "vertreten" wird jedenfalls nicht als eine Vertretung im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Handlung im fremden Namen(§ 164 BGB) verstanden werden können. Vielmehr schließen die in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaften die Verträge mit den Krankenkassen im eigenen Namen ab. Ausschlaggebend ist daher die Zahl der Mitglieder der Gemeinschaft (so auch die ganz hM vgl zB Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; Huster, NZS 2010, 69, 70; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 128; ders in Orlowski/Rau/Schermer/ Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 31b; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 35; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Wie in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen dargelegt wird, waren 3492 der insgesamt 5089 in Baden-Württemberg an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte für Allgemeinmedizin und damit deutlich mehr als die Hälfte Mitglied einer der beiden Beklagten. Allein bei dem Beklagten zu 1. (Hausärzteverband Baden-Württemberg) waren 2742 der in Baden-Württemberg zugelassenen Fachärzte für Allgemeinmedizin Mitglied. Weil mindestens 2566 Allgemeinärzte - und damit ebenfalls mehr als die Hälfte - die beiden Verbände auch mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hatten, wäre die og Voraussetzung hier im Übrigen auch erfüllt, wenn eine Mandatierung erforderlich wäre.

65

Die Klägerin ist allerdings der Auffassung, dass jedenfalls der Beklagte zu 2. die gesetzlich geregelte Quote nicht erfüllen würde und dass dieser deshalb nicht als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag zur HzV hätte aufgenommen werden dürfen. Die Erfüllung der Quote sei bezogen auf jeden einzelnen Verband zu prüfen, sodass die gemeinsame Erfüllung durch mehrere Verbände nicht genüge. Dies trifft indes nicht zu. Zwar waren nur 1267 Allgemeinärzte und damit weniger als die Hälfte der in Baden-Württemberg zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Allgemeinärzte Mitglied des Beklagten zu 2. Darauf kommt es indes nicht an. Vielmehr genügt, dass beide Beklagten als Vertragspartner der Klägerin gemeinsam mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte vertreten und zum gemeinsamen Vertragsschluss zu identischen Konditionen bereit waren und sind.

66

Der Begriff der "Gemeinschaften" wird gesetzlich nicht definiert. Der entsprechende Begriff in § 741 BGB wird nach dem Sinn der Regelung offensichtlich nicht in Bezug genommen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass keine Beschränkung auf eine bestimmte Rechtsform beabsichtigt war und dass weder eine innere noch eine äußere Organisationsstruktur vorgegeben wird (ebenso Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Huster, NZS 2010, 69, 70; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 73b RdNr 13; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 16; vgl auch Bayerisches LSG Beschluss vom 27.6.2009 - L 12 KA 33/09 B ER - GesR 2009, 477, 480). Ausschlaggebend ist allein die soziale Mächtigkeit der Gemeinschaft und die daraus folgende Möglichkeit, eine flächendeckende Versorgung zu organisieren (Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127 f; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Huster, NZS 2010, 69, 70; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Diese Auffassung wird insbesondere durch die in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/10609 S 53 f) zum Ausdruck kommende Zielsetzung der Regelung gestützt. Danach sollte mit der zum 1.1.2009 eingeführten Neuregelung durch das GKV-OrgWG vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) das mit dem GKV-WSG eingeführte eigenständige Verhandlungsmandat der Gemeinschaft von Hausärzten gestärkt werden. Gemeinschaften, die die 50 %-Quote erfüllen, gewährleisteten, dass eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung durch den Vertragsschluss erreicht werden könne. Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung ist davon auszugehen, dass sich Kooperationen nicht nur - wie ausdrücklich gesetzlich geregelt (§ 73b Abs 4 Satz 1 SGB V)- auf Seiten der Krankenkassen, sondern auch auf Seiten der Hausärzte an dem Vertrag zur HzV beteiligen können. Dem gesetzgeberischen Ziel, eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur HzV zu erreichen, wird schon Rechnung getragen, wenn nicht jeder einzelne Verband, sondern nur die Kooperation von Hausarztverbänden die genannte Quote erfüllt (so auch das dem Schriftsatz der Klägerin vom 12.2.2015 als Anlage RK 29 übersandte "Ergebnisse der Besprechung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 22.1.2009 zu Fragestellungen/Problemen im Zusammenhang mit § 73b SGB V in der Fassung vom 1.1.2009", S 3 unter III. 2.; ausdrücklich bezogen auf die beiden Beklagten des vorliegenden Verfahrens: Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 32).

67

cc) Der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV verletzt nicht den Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V. Entgegen der Auffassung der Klägerin findet dieser Grundsatz auf den vorliegenden, vor dem 22.9.2010 zustande gekommenen Vertrag keine Anwendung.

68

(1) In der hier maßgebenden Fassung des § 73b SGB V vor der Änderung durch das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2309) war die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die HzV nicht geregelt. Die Einfügung des § 73 Abs 5a SGB V mit dem GKV-FinG, in dessen Satz 1 bestimmt wird, dass bei der zwischen den Krankenkassen und den die Allgemeinärzte vertretenden Gemeinschaften der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71 SGB V zu beachten ist, gilt ausdrücklich nur für nach dem 22.9.2010 zustande gekommene Verträge. Der hier zu beurteilende Vertrag ist bereits mit der Festsetzung durch die Schiedsperson vom 9.9.2010 und damit bis zum 22.9.2010 zustande gekommen.

69

Die Beschränkung der Geltungsdauer der Bestandsschutzregelung nach § 73b Abs 5a Satz 5 SGB V idF des GKV-FinG auf die Zeit bis zum 30.6.2014 greift nicht ein, weil diese Frist nur für Anschlussvereinbarungen und nicht für den hier zu beurteilenden, bis zum 22.9.2010 geschlossenen Vertrag selbst gilt. Im Übrigen ist § 73b Abs 5a SGB V mit dem dort geregelten Grundsatz der Beitragssatzstabilität durch das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch(14. SGB V-Änderungsgesetz - 14. SGB V-ÄndG) vom 27.3.2014 (BGBl I 261) mWv 1.4.2014 aufgehoben worden, sodass diese Regelung auch im Falle einer Kündigung des Vertrages zur HzV keine Wirkung mehr entfalten könnte.

70

§ 73b SGB V in der hier maßgebenden Fassung unterscheidet sich damit zB von der die Gesamtvergütung betreffenden Bestimmung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V idF vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2013, der die Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) für die Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen anordnete. Allein der Umstand, dass es in § 73b SGB V an einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung für die HzV fehlt, schließt die Geltung dieses Grundsatzes allerdings noch nicht aus. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität allgemein für die im Vierten Kapitel des SGB V geregelten Vergütungsvereinbarungen gilt, ohne dass es einer auf die jeweilige Vergütungsvereinbarung bezogenen speziellen Regelung bedarf. Dies hat der Senat insbesondere aus dem Standort des § 71 SGB V im Abschnitt "Allgemeine Grundsätze" des Vierten Kapitels abgeleitet(BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 17). Bei dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität handelt es sich um eine verbindliche gesetzliche Vorgabe, die auch bei Schiedssprüchen zu beachten ist und die eine verbindliche Grenze für Vergütungsvereinbarungen darstellt (vgl BSGE 86, 126, 135 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 296 f; BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 15 f mwN).

71

Dies gilt jedoch nur, soweit keine Ausnahme eingreift. Solche Ausnahmen und Einschränkungen sind für unterschiedliche Vergütungsvereinbarungen im Vierten Kapitel des SGB V enthalten. So gilt nach § 87a Abs 3 Satz 2 letzter Halbsatz SGB V in der Fassung des GKV-WSG der vereinbarte Behandlungsbedarf als "notwendige medizinische Versorgung" im Sinne des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V mit der Folge, dass die Beschränkungen aus dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität für Gesamtvergütungen in der vertragsärztlichen Versorgung seit 2009 insoweit nicht eingreifen(vgl BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 41). Für die integrierte Versorgung bestimmt § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht für Verträge gilt, die bis zum 31.12.2008 geschlossen worden sind. Für die zahnärztliche Versorgung ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität mit der Änderung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V zwar nicht aufgehoben, aber eingeschränkt worden, indem nicht mehr die Beachtung, sondern nur noch dessen Berücksichtigung vorgeschrieben wird(vgl dazu Axer, GesR 2013, 135, 138 f). Eine ähnliche Einschränkung enthält § 134a Abs 1 Satz 2 SGB V für die Versorgung mit Hebammenhilfe.

72

Für die HzV folgt eine Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V. Danach können Einzelverträge Abweichungen von den Vorschriften "dieses Kapitels" - also des Vierten Kapitels des SGB V - sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. Das Vierte Kapitel umfasst die §§ 69 bis 140h SGB V und damit auch § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; ähnlich Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 257 f; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

73

Eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität kann entgegen der Auffassung von Ebsen aus dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (Rechtliche Anforderungen an das Handeln der Schiedsperson für die Festlegung des Inhalts des Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b Abs 4a SGB V, Rechtsgutachten im Auftrag des AOK-Bundesverbandes aus Juli 2009, unveröffentlicht, RdNr 55) auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V die Nichtgeltung für die Verträge zu integrierten Versorgungsformen ausdrücklich anordnet, während § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V für die HzV nur allgemein Ausnahmen von den Vorschriften des Vierten Kapitels zulässt. Zwar trifft es zu, dass sich der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V mit dem GKV-WSG ua an § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V anlehnen wollte(BT-Drucks 16/3100, S 112), der Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels betrifft. § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, der die Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die integrierte Versorgung ausdrücklich regelt, bleibt in der Gesetzesbegründung zu § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V hingegen unerwähnt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels nur mit Ausnahme des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität zulassen würde. Im Wortlaut der Regelung findet eine solche einschränkende Auslegung keine Grundlage. Der im Gutachten von Ebsen gezogene Vergleich zwischen den für die HzV und den für die integrierte Versorgung geltenden Regelungen berücksichtigt zudem nicht hinreichend, dass § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels des SGB V nicht umfassend, sondern nur insoweit zulässt, als "die abweichende Regelung dem Sinn und der Eigenart der integrierten Versorgung entspricht, die Qualität, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der integrierten Versorgung verbessert oder aus sonstigen Gründen zu ihrer Durchführung erforderlich ist". Da § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels umfassend zulässt, bedurfte es keiner § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V entsprechenden speziellen Regelung zur Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität. Im Übrigen vertritt auch Ebsen nicht die Auffassung, dass die Krankenkassen bei Verträgen zur HzV den Grundsatz der Beitragssatzstabilität umfassend zu beachten hätten. Vielmehr will er den "unternehmerisch" im Wettbewerb stehenden Krankenkassen für freiwillige Vereinbarungen einen größeren Spielraum zubilligen und lediglich den Gestaltungsspielraum der Schiedsperson beschränken (vgl RdNr 31 ff, 61 des Gutachtens). Indes ist die Gestaltungsfreiheit der Schiedsperson nicht geringer als diejenige der Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung. Insofern gilt für Schiedssprüche von Schiedspersonen nichts anderes als für solche der Schiedsämter (vgl zum Gestaltungsspielraum von Schiedsämtern BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 73 RdNr 15; BSGE 86, 126, 134 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295 mwN).

74

Etwas anderes folgt auch nicht aus § 73b Abs 8 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des GKV-WSG, die im Übrigen mit der seit dem 1.4.2014 (wieder) geltenden Fassung des 14. SGB V-ÄndG übereinstimmt. Nach dieser Vorschrift können die Parteien des Vertrages zur HzV vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach § 73b Abs 7 SGB V fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanziert werden, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach § 73b Abs 4 SGB V erzielt werden. Aus der Formulierung "können vereinbaren" folgt, dass es sich nicht um eine für die Vertragspartner verbindliche Vorgabe handelt. Damit übereinstimmend hat der Gesundheitsausschuss, auf dessen Empfehlung die Regelung mit dem GKV-WSG eingeführt worden ist, zur Begründung angegeben, dass es sich um eine Klarstellung handele. In den Verträgen zu HzV könne vereinbart werden, zusätzliche Vergütungen durch Einsparungen zB bei den veranlassten und verordneten Leistungen zu generieren (BT-Drucks 16/4247 S 36).

75

Dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität für die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV keine Geltung beansprucht, findet seine Bestätigung in der Änderung des § 73b SGB V mit dem GKV-FinG. Der mit diesem Gesetz neu eigeführte § 73b Abs 5a SGB V sah in Satz 1 eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ausdrücklich nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge vor. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/3040 S 23) entsprach es auch dem Willen des Gesetzgebers, die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV von der Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität auszunehmen. Danach sollte es für diese Verträge bei der "im bisherigen Recht angelegten Vertragsfreiheit der Vertragsparteien auch im Hinblick auf die Vergütungshöhe" bleiben.

76

Auch die Motive, die den Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zum 14. SGB V-ÄndG (BT-Drucks 18/606 S 11) zur Aufhebung des § 73b Abs 5a SGB V und zur "Rückführung" des Abs 8 auf die vor dem GKV-FinG geltende Fassung mWv 1.4.2014 veranlasst haben, sprechen dafür, dass es sich bei den Änderungen durch das GKV-FinG - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht nur um eine Klarstellung bezogen auf den ohnehin geltenden Grundsatz der Beitragssatzstabilität gehandelt hat, sondern dass dieser Grundsatz im Bereich der HzV allein aufgrund des - mit dem 14. SGB V-ÄndG wieder aufgehobenen - § 73b Abs 5a SGB V und damit auch nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV galt. Nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Änderung zurückgeht, sollten die mit dem GKV-FinG eingeführten Vergütungsbeschränkungen wieder aufgehoben werden, "da sie sich als Hemmnis für den Abschluss von Verträgen über eine hausarztzentrierte Versorgung erwiesen haben". Die Vertragspartner sollten - auch für Vereinbarungen über solche Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen - die Möglichkeit erhalten, Vergütungsvereinbarungen zu treffen, ohne hierbei starren Begrenzungen zu unterliegen. Entscheidend sei, dass der Vertrag "insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot" entspreche. Die Gestaltungsspielräume der Vertragspartner sollten bezogen auf die Vergütung erweitert und die Möglichkeiten zur Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte verbessert werden.

77

(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die Vergütung in der HzV auch nicht aus den für die für Wahltarife geltenden Bestimmungen des § 53 Abs 3, Abs 9 SGB V hergeleitet werden. Allerdings weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass die Krankenkassen nach § 53 Abs 3 SGB V verpflichtet sind, in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen - ua nach § 73b SGB V - teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Daran anknüpfend schreibt § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V vor, dass die Aufwendungen für jeden Wahltarif jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden müssen. Danach sei - so die Klägerin - der Abschluss eines Hausarztvertrages ausgeschlossen, der Mehrkosten vorsehe, ohne dass deren Gegenfinanzierung gesichert sei. Der vorliegende Vertrag zur HzV enthalte Regelungen zu Mehrausgaben, deren Gegenfinanzierung spekulativ bleibe.

78

Indes betrifft die Regelung zu den Wahltarifen das Verhältnis der Krankenkassen zu den Versicherten und nicht das Leistungserbringungsrecht. Ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 53 Abs 9 SGB V könnte deshalb nur die Rechtsmäßigkeit der Satzung der Krankenkasse berühren und nicht die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; vgl Mehdorn, ZMGR 2012, 3, 12; ebenso bezogen auf einen Vertrag nach § 73c SGB V: SG Berlin Urteil vom 13.10.2010 - S 83 KA 443/08 - MedR 2011, 124, 128). Dies räumt auch Ebsen in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (aaO, RdNr 74) im Grundsatz ein, macht jedoch geltend, dass es den Kassen auch bei Verträgen mit Leistungserbringern selbstverständlich verboten sei, Vereinbarungen zu treffen, die zu einem Verstoß gegen ihre Pflichten im Versicherungsverhältnis führten. Dem kann zwar im Grundsatz zugestimmt werden. Der Senat hat Bedenken gegen die Auffassung des SG München aus der Entscheidung vom 16.7.2014 (S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 47 f), nach der ein Vertrag zur HzV bereits deshalb nicht gegen § 53 Abs 9 SGB V verstoßen könne, weil die möglicherweise durch diesen Vertrag verursachten Mehrkosten keine "Aufwendungen für den Wahltarif" im Sinne des § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V seien und dass diese deshalb auch nicht durch Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen gegenfinanziert werden müssten. Der Begriff der "Aufwendungen für den Wahltarif" dürfte im Grundsatz umfassender zu verstehen sein als das SG München annimmt (zu Mindereinnahmen als "Aufwendungen für den Wahltarif" vgl BSGE 109, 230 = SozR 4-2500 § 53 Nr 2, RdNr 21). Für das vorliegende Verfahren kommt es darauf indes nicht an. Jedenfalls kann die eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der HzV nicht über das Verbot der Quersubventionierung von Wahltarifen aus § 53 Abs 9 SGB V unterlaufen werden(in dieser Richtung auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35 = Juris RdNr 48). Maßgebend ist die - für das Leistungserbringungsverhältnis vorrangige - Regelung des § 73b SGB V. Daher ist § 53 Abs 9 SGB V insoweit einschränkend auszulegen. Soweit die Vertragspartner des HzV von der Gestaltungsfreiheit Gebrauch machen, die der Gesetzgeber ihnen mit der bereichsspezifischen Ausnahme vom Gebot der Beitragssatzstabilität einräumen wollte, kann allein darin kein Verstoß gegen das Verbot der Quersubventionierung aus § 53 Abs 9 SGB V liegen.

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(3) Die für die HzV geltende Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität und die daraus folgende Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 53 Abs 9 SGB V begegnet entgegen der Auffassung der Klägerin auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass sich die Sozialversicherungsbeiträge durch eine strenge grundrechtlich und kompetenzrechtlich begründete Zweckbindung auszeichnen und dass die unter Eingriff in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art 2 Abs 1 GG zustande gekommene Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung die Auferlegung nur solcher Geldleistungen zu rechtfertigen vermag, die ihren Grund und ihre Grenze in den zwingenden Aufgaben der Sozialversicherung finden (vgl BVerfGE 113, 167, 203 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 55). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ist in einem Sozialstaat überragend wichtiges Gemeinschaftsgut (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139). Daraus folgt jedoch nicht, dass der in § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V definierte Grundsatz der Beitragssatzstabilität von der Verfassung vorgegeben wäre(zur Einschränkung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der vertragszahnärztlichen Versorgung vgl Axer, GesR 2013, 135, 140). Vielmehr hat der Gesetzgeber im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139; BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 103, 172, 185 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27; BVerfGE 44, 70, 89 = SozR 5420 § 94 Nr 2 S 2). Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind von der Rechtsprechung zu akzeptieren, solange seine Entscheidungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 89, 365, 376 = SozR 3-2200 § 385 Nr 4 S 4).

80

Das Ziel der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung hat der Gesetzgeber mit der Einführung der HzV nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil ist die Verpflichtung der Krankenkassen, ihren Versicherten eine flächendeckende hausarztzentrierte Versorgung zur Verfügung zu stellen, mit dem Ziel eingeführt worden, die Versorgungsqualität zu verbessern und Wirtschaftlichkeitsreserven ua durch Verbesserungen im Bereich Pharmakotherapie, durch den Einsatz von wissenschaftlich begründeten und praxiserprobten hausärztliche Leitlinien und durch eine zielgerichtetere Fortbildung zu erschließen (vgl BT-Drucks 16/3100 S 111 f). Auf die Geltung von Vorschriften des Vierten Kapitels einschließlich des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität hat der Gesetzgeber dabei im Interesse eines weiten Gestaltungsspielraums der Vertragspartner und in der Erwartung verzichtet, dass dieser unter der Beteiligung der Krankenkassen als Vertragspartner im Sinne der og Zielsetzung ausgefüllt wird. Anhaltspunkte dafür, dass diese Erwägungen offensichtlich unzutreffend oder aus anderen Gründen mit der Wertordnung der Verfassung unvereinbar wären, sind weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich. Bei der Einführung neuer Strukturen im Bereich der Leistungserbringung wie dem flächendeckenden Angebot einer HzV können die finanziellen Auswirkungen regelmäßig nicht mit Sicherheit prognostiziert werden. Allein daraus folgt jedoch noch keine Überschreitung des Handlungsspielraums des Gesetzgebers.

81

Auch eine Ungleichbehandlung der Versicherten und damit ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG ist mit der Einführung der HzV entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verbunden, soweit alle Krankenkassen ihrer gesetzlichen Pflicht aus § 73b Abs 1 SGB V nachkommen, ihren Versicherten eine HzV anzubieten, weil dann alle Versicherten die Möglichkeit haben, diese Leistung in Anspruch zu nehmen. Mit der vorliegenden Entscheidung stellt der Senat klar, dass die Klägerin dieser bereits seit Inkrafttreten der Änderungen durch das GKV-WSG zum 1.4.2007 gesetzlich geregelten Verpflichtung nachzukommen hat.

82

dd) Zu beachten bleibt das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot, das seine Grundlage nicht allein in § 70 Abs 1 SGB V und damit einer Vorschrift aus dem nach § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V nicht zwingend anwendbaren Vierten Kapitel, sondern auch in § 2 Abs 4, § 12 SGB V hat. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Für die Geltung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots spricht im Übrigen die Begründung der der Streichung des § 73b Abs 5a SGB V mit dem 14. SGB V-ÄndG zugrunde liegenden Empfehlung des Gesundheitsausschusses (BT-Drucks 18/606 S 11). Danach bleibt entscheidend, "dass der Vertrag insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht". Dagegen gilt die mit der Änderung des § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V durch das 14. SGB V-ÄndG eingeführte Verpflichtung, Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren, nicht für den vorliegenden, am 9.9.2010 festgesetzten Vertrag zur HzV, sondern nur für Verträge, die nach dem 31.3.2014 zustande gekommen sind.

83

Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag entspricht dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade in der Phase der Einführung der flächendeckenden HzV keine hohen Anforderungen an die Prognose der wirtschaftlichen Auswirkungen gestellt werden können. Für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung durch die Schiedsperson ist ausschlaggebend, dass die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Gesichtspunkte erkannt, gegeneinander abgewogen worden sind und Eingang in die Begründung gefunden haben. Die Anforderungen an die Begründung dürfen auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Schiedsperson keinen eigenen Verwaltungsapparat unterhält, nicht überspannt werden (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 38). Den so definierten Anforderungen wird die ausführliche Begründung der Entscheidung der Schiedsperson ohne Weiteres gerecht. Dabei wird - wie die Klägerin zutreffend geltend macht - in der Begründung des Schiedsspruchs nicht in Zweifel gezogen, dass zB mit der vorgesehenen kontaktunabhängigen Pauschale (65 Euro pro Versichertenteilnahmejahr) oder der Chronikerpauschale (30 Euro maximal einmal pro Quartal und maximal 4-mal pro Versichertenteilnahmejahr) Vergütungstatbestände in die HzV aufgenommen worden sind, die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen keine Entsprechung finden und dass insgesamt mit einer Erhöhung des Fallwertes zu rechnen ist. Prognostiziert wird eine Erhöhung um 12,38 Euro im Vergleich zur Regelversorgung. Ferner wird ausgeführt, dass die dadurch verursachten Kosten und auch die erzielten Einsparungen nicht genau zu prognostizieren seien. Allerdings gebe es mit der Vergütungsobergrenze nach § 10 Abs 9 des Vertrages (76 Euro) Regelungen, die geeignet seien, das Risiko der Krankenkassen zu begrenzen. Einsparungen könnten ua aufgrund der Verpflichtung der Versicherten erwartet werden, Fachärzte nur auf Überweisung in Anspruch zu nehmen. Dies führe zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen. Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass jeder Facharztbesuch auch Folgekosten bei den veranlassten Leistungen nach sich ziehe, sodass eine - medizinisch vertretbare - verminderte Inanspruchnahme von Überweisungen zu Fachärzten auch geringere Folgekosten bedinge. Ein gewisses Einsparpotenzial ergebe sich des Weiteren durch die Verpflichtung der Hausärzte, bei der Arzneimittelversorgung die von den Vertragspartnern der HzV zur Verfügung gestellte Software zu verwenden, die gerade bei Original-Präparaten ermöglichen solle, dass der Hausarzt wirtschaftliche Verordnungen vornehmen könne. Insgesamt werden finanzielle Risiken und Einsparpotenziale in der Begründung des Schiedsspruchs ausführlich dargestellt und gegeneinander abgewogen. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung erster Erfahrungen mit ähnlichen Verträgen (Vertrag der BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für Baden-Württemberg, AOK Bayern-Vertrag) kommt die Schiedsperson nachvollziehbar zu der Einschätzung, dass in Umsetzung des Vertrages eine wirtschaftliche Leistungserbringung durch die teilnehmenden Hausärzte erwartet werden kann.

84

ee) Dagegen kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Schiedsperson lediglich einen unvollständigen "Vertragstorso" festgesetzt habe. Zwar trifft es zu, dass die Schiedsperson die vorgesehenen Anlagen zum Vertrag nicht vollständig festgesetzt, sondern teilweise der weiteren Vereinbarung durch die Vertragsparteien überlassen hat (etwa zum Hilfsmittelmanagement und zu verschiedenen Vergütungszuschlägen, die ua eine wirtschaftliche Verordnungsweise fördern sollen). Gerade in der Anfangsphase nach Einführung der flächendeckenden HzV ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Vertragsparteien in der Phase der Umsetzung des Vertrages weitere Konkretisierungen und Ergänzungen vornehmen. Ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV ist allein, ob dieser in der vorliegenden Form umgesetzt werden kann. Daran hat der Senat keine Zweifel.

85

ff) Auch der Einwand der Klägerin, die Schiedsperson habe in Verkennung des rechtlichen Rahmens angenommen, dass die HzV nur als Vollversorgungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag vereinbart werden dürfe, sie habe dadurch ihren Gestaltungsspielraum verkannt und dies allein führe zur Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs, greift nicht durch. Dass die HzV jedenfalls auch in der Form eines sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrages vereinbart werden kann, der die bisherige Regelversorgung nach § 73 SGB V umfasst und diese nicht lediglich ergänzt, unterliegt keinem Zweifel. Auf die umstrittene Frage, ob eine HzV in Form eines sog Add-on-Vertrages den gesetzlichen Vorgaben entsprechen würde (gegen die Rechtmäßigkeit von Add-on-Verträgen auf der Grundlage des § 73b SGB V: Hess in Kasseler Komm, Stand Dezember 2014, § 73b SGB V RdNr 3; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 47; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 27 f; mit dieser Tendenz auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 8 ff; ähnlich: Sproll in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Februar 2015, § 73b SGB V RdNr 8: "Beide Versorgungsformen schließen sich gegenseitig aus" sowie Orlowski, ZMGR 2009, 124, 125: HzV als "eigenständig zu regelnde einzelvertragliche Versorgung"; anders jedoch Huster, SGb 2010, 253 ff; ders in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 21; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 6; SG Marburg Urteil vom 3.8.2011 - S 12 KA 237/10 - Juris RdNr 29 ff), kommt es für die Entscheidung nicht an. Jedenfalls hat die Schiedsperson mit der Festsetzung eines Vollversorgungsvertrages ihren möglichen Entscheidungsspielraum nicht überschritten. In der Begründung des Schiedsspruchs wird die Auffassung vertreten, dass allein die Vereinbarung eines Vollversorgungsvertrages der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Die Frage, ob deshalb ein Add-on-Vertrag rechtswidrig wäre, wird aber letztlich offengelassen. Die Schiedsperson weist zur weiteren Begründung ua darauf hin, dass sie sich in Ausübung ihres billigen Ermessens für einen Vollversorgungsvertrag entschieden habe, weil dieser den Krankenkassen und den Hausarztgemeinschaften die Möglichkeit eröffne, strukturelle Verbesserungen in der Leistungserbringung für die Versicherten vorzunehmen, während Add-on-Verträge nur punktuelle Ansätze böten. Damit hat die Schiedsperson die Entscheidung für einen Vollversorgungsvertrag den Anforderungen entsprechend begründet.

86

gg) Der Vertrag ist auch nicht rechtswidrig, soweit er in § 6 sowie in den Anlagen 4 und 6 Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der HzV enthält, die in einzelnen Punkten (Verbleib des Originals der Teilnahmeerklärung bei der Krankenkasse oder in der Arztpraxis, Frist zwischen der Abgabe der Teilnahmeerklärung und dem Beginn der Teilnahme des Versicherten, Kündigungsfrist für die Teilnahme, Frist für den Wechsel des Hausarztes, ua) vom Inhalt der Satzung der Klägerin abweichen. Zwar trifft der Einwand der Klägerin zu, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 3 Satz 4 SGB V idF des GKV-WSG (heute: Satz 7) bisher(zu der im Entwurf eines GKV-VSG vorgesehenen Änderung vgl BT-Drucks 18/4095 S 16 f zu Art 1 Nr 27 Buchst a) verpflichtet sind, das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, in ihren Satzungen zu regeln. Auf der anderen Seite setzt jedoch auch das Angebot einer HzV, das durch Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V flächendeckend gewährleistet werden soll, Regelungen zur Teilnahme der Versicherten voraus, sodass diese idR auch Gegenstand des Vertrages zur HzV sein werden. Bei der Entscheidung, ob die vertraglichen Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der Satzung der Krankenkasse auszurichten sind oder ob umgekehrt die Krankenkasse ihre Satzung dem Inhalt der Verträge anzupassen hat, ist zu berücksichtigen, dass die Verträge zur HzV über die Festlegung durch eine Schiedsperson ggf auch gegen den Willen der Krankenkassen zustande kommen sollen. Dies steht einer Auslegung dahin entgegen, dass die Krankenkassen der anderen Partei des Vertrages zur HzV die Regelungen zur Teilnahme der Versicherten durch ihre Satzung einseitig vorgeben könnten. Ferner ist von Bedeutung, dass durch die Änderung des § 79 Abs 1 SGB V mWv 1.1.2005 bezogen auf die Vertretungskompetenz - die die Vertretung beim Abschluss von Selektivverträgen einschließt - ein originärer Aufgabenbereich des Vorstands der Krankenkassen geschaffen werden sollte, der nicht vollständig der Gestaltungsmacht der Vertreterversammlung unterworfen ist (BSGE 114, 274 = SozR 4-2500 § 81 Nr 7, RdNr 33, 37 ff). Auch dies spricht dagegen, dass Inhalte des Vertrages zur HzV durch die von der Vertreterversammlung verabschiedete Satzung der Krankenkasse einseitig vorgegeben werden könnten. Daher sind Regelungen des Vertrages zur HzV zur Teilnahme der Versicherten nicht bereits rechtswidrig, wenn sie vom Inhalt der Satzung der Krankenkasse abweichen. Vielmehr ist - wie das LSG bereits zutreffend ausgeführt hat - die Krankenkasse verpflichtet, ihre Satzung dem Inhalt des Vertrages anzupassen (ebenso: Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 50).

87

Die im Vertrag zur HzV getroffenen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten müssen danach zwar nicht mit dem Inhalt der Satzung der Krankenkasse übereinstimmen, aber die übrigen gesetzlichen und untergesetzlichen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten beachten. Bezogen auf den hier in erster Linie maßgebenden Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ist der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV auch insoweit nicht zu beanstanden. Allerdings werden bei der bevorstehenden Durchführung des Vertrages die in der Zwischenzeit eingetretenen gesetzlichen Änderungen zu berücksichtigen sein. Eine entsprechende Verpflichtung zur Anpassung ist in den Schlussbestimmungen des Vertrages (§ 22 Abs 2) geregelt und folgt im Übrigen aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X. Neben der Berücksichtigung der mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013 (BGBl I 277) eingeführten Bestimmungen zum Widerrufsrecht der Versicherten (§ 73b Abs 3 Satz 3 bis 6 SGB V) gehört dazu auch die Beachtung der am 26.8.2013 in Kraft getretenen Vorgaben zur Abgabe der Teilnahmeerklärung aus der Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach § 217f Abs 4a SGB V.

88

hh) Der Rechtmäßigkeit der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson steht nicht entgegen, dass zuvor keine Auftragsvergabe nach den Vorschriften des Vergaberechts durchgeführt worden ist. Zwar fanden gemäß § 69 Abs 2 Satz 1 SGB V in der hier maßgebenden seit dem 18.12.2008 geltenden Fassung des GKV-OrgWG die die Vergabe öffentlicher Aufträge betreffenden Vorschriften der §§ 97 bis 115 und 128 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auf die in § 69 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Rechtsbeziehungen der Krankenkassen ausdrücklich Anwendung, soweit die dort genannten Voraussetzungen erfüllt waren. Dies galt nach § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V jedoch nicht für Verträge von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind und bei deren Nichtzustandekommen eine Schiedsamtsregelung gilt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Festsetzung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson als "Schiedsamtsregelung" in diesem Sinne zu verstehen ist und ob Satz 2 damit der Anwendbarkeit der §§ 97 ff GWB entgegensteht. Unabhängig von dieser ohnehin nur klarstellenden (vgl BT-Drucks 16/10609 S 52) Beschränkung der Anwendbarkeit wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen, die sich im Übrigen seit der Änderung durch das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2262) nicht mehr auf die Vorschriften des Vierten Teils des GWB (§§ 97 ff GWB) bezieht (vgl jetzt § 69 Abs 2 Satz 4 SGB V), kann ein öffentlicher Auftraggeber dem Kartellvergaberecht nur unterworfen sein, wenn dieser eine Auswahl zwischen verschiedenen Vertragspartnern hat (Kaltenborn, GesR 2011, 1, 2; Engelmann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand Oktober 2013, § 69 RdNr 141; vgl zur Rechtslage vor der Änderung durch das AMNOG: Sormani-Bastian, ZESAR 2010, 13). Daran hat sich im Übrigen auch durch die neuen europäischen Vergaberichtlinien nichts geändert. Nach Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 2014/23/EU vom 26.2.2014 über die Konzessionsvergabe (ABl L 94, 1) sollen Regelungen, nach denen ohne gezielte Auswahl alle Wirtschaftsteilnehmer, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, berechtigt sind, eine bestimmte Aufgabe wahrzunehmen, nicht als Konzessionen gelten. Das betrifft auch Regelungen aufgrund einer Vereinbarung zwischen Behörde und Wirtschaftsunternehmen. Nichts anderes gilt, soweit der Vertrag zur HzV europarechtlich nicht als Dienstleistungskonzession, sondern als entgeltlicher Beschaffungsvertrag angesehen wird: Nach Art 1 Abs 2 der Richtlinie 2014/24/EU vom 26.2.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl L 94, 65) setzt die Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie voraus, dass Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen von öffentlichen Auftraggebern "ausgewählt werden".

89

Der sich aus § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ergebende Kontrahierungszwang, der gemäß § 73b Abs 4 Satz 2 iVm Abs 4a SGB V von entsprechend qualifizierten Gemeinschaften durch die Beantragung des Schiedsverfahrens und die Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson durchgesetzt werden kann, hat zur Folge, dass der vertragschließenden Krankenkasse kein Auswahlermessen zukommt, sondern dass der Vertragspartner bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bereits feststeht. Eine Auswahl zwischen verschiedenen Bietern ist also bezogen auf die Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ausgeschlossen. Dies steht der Annahme eines öffentlichen Auftrages im Sinne des § 99 GWB entgegen(so auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 32a; Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137 f; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b SGB V, RdNr 62; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 34; ähnlich Orlowski, ZMGR 2009, 124, 130; BKartA Beschluss vom 2.7.2010 - VK 1 - 52/10 - Juris; bezogen auf die HzV nach § 73b SGB V allerdings nur im Ergebnis ebenso die Begründung zum GKV-OrgWG: BT-Drucks 16/10609 S 52).

90

ii) Der Vertrag zur HzV ist mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vollständig kompatibel. Maßgebend ist dabei grundsätzlich die Rechtslage zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson (vgl 4 b, RdNr 56). Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen bereits deshalb nicht zu vereinbaren, weil es an der erforderlichen Befugnisnorm für die dort geregelte Weitergabe von Abrechnungsdaten an private Stellen in Gestalt der HÄVG und der HÄVG Rechenzentrum AG gefehlt hat (nachfolgend 1). Indes ist für die Beurteilung des Feststellungsinteresses die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (vgl 4 b, RdNr 57). Die Klägerin hat weder ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 55 Abs 1 SGG an der isolierten Feststellung einer Rechtswidrigkeit des - bisher nicht durchgeführten - Vertrages zur HzV unter Zugrundelegung einer nicht mehr geltenden Rechtslage nachvollziehbar geltend gemacht noch einen Anspruch gegenüber den Beklagten auf Änderung des Vertrages entsprechend der nicht mehr geltenden Rechtslage. Ein fortbestehendes Feststellungsinteresse kann deshalb nur anerkannt werden, soweit es darauf auch noch für die bevorstehende Durchführung des Vertrages ankommt. Daher ist ergänzend die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats und damit nach Einführung des § 295a SGB V durch Art 3 Nr 9 des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze vom 28.7.2011 (BGBl I 1622, 1627) mWv 4.8.2011 zu berücksichtigen (nachfolgend 2). Die von der Klägerin erhobenen datenschutzrechtlichen Einwände greifen daher zum überwiegenden Teil nicht durch (nachfolgend 3, 5, 6). Soweit der Vertrag zur HzV jedoch auch mit den geänderten bundesrechtlichen Vorgaben nicht vollständig zu vereinbaren ist, sind die Vertragspartner verpflichtet, diesen zu ändern (nachfolgend 4 und 7).

91

(1) Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV sieht vor, dass die Abrechnung der Vergütung des Hausarztes gemäß den Vorgaben der Anlage 3 durch die HÄVG als Abrechnungsdienstleister erfolgt (§ 11 Abs 1). Die HÄVG ist berechtigt, sich zum Zwecke der Abrechnung eines Rechenzentrums im Sinne der Anlage 3 zu bedienen (§ 11 Abs 2 Satz 2). Nach Anlage 3 § 6 Satz 2 wird von der HÄVG hierzu "derzeit" die HÄVG Rechenzentrum AG eingesetzt. Damit übereinstimmend werden die Versicherten mit dem Merkblatt (Anhang zu Anlage 6 des Vertrages) unter der Überschrift "Wichtige Informationen zum Schutz Ihrer Daten - Ihre Einwilligung" darüber informiert, dass die Abrechnung der ärztlichen Vergütung ua "über die Dienstleistungsgesellschaft des Hausärzteverbandes und MEDI, die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) und ihr Rechenzentrum erfolgt". Nach § 11 Abs 4 zahlt die Krankenkasse die Vergütung mit schuldbefreiender Wirkung an die HÄVG.

92

Für die damit vorgesehene Weitergabe von Patientendaten zu Abrechnungszwecken fehlte zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts die erforderliche Rechtsgrundlage. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 10.12.2008 (B 6 KA 37/07 R - BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2)im Einzelnen dargelegt hat, setzt die Übermittlung von Patientendaten durch Leistungserbringer an private Dienstleistungsunternehmen im Geltungsbereich des SGB V eine bereichsspezifische Befugnisnorm voraus. Als solche kam allein § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009 (BGBl I 1990) in Betracht. Diese Regelung, mit der der Gesetzgeber auf das og Urteil des Senats vom 10.12.2008 reagiert hat, war bis zum 30.6.2010 - und damit auf einen Zeitpunkt vor der Festsetzung des Vertragsinhalts - befristet. Über § 320 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24.7.2010 (BGBl I 983) waren diese Sätze jedoch bis zum 1.7.2011 und damit auch noch zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts am 9.9.2010 weiter anzuwenden. Danach durfte für die ärztlichen Leistungen, die im Rahmen von Verträgen ua zur HzV nach § 73b SGB V erbracht und mit den Krankenkassen abgerechnet wurden, eine andere Stelle mit der Verarbeitung und Nutzung der für die Abrechnung dieser Leistungen erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragt werden. § 80 SGB X war anzuwenden. Auftraggeber und Auftragnehmer unterlagen der Aufsicht der nach § 38 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zuständigen Aufsichtsbehörde.

93

§ 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V aF erlaubte danach allein die Beauftragung einer anderen Stelle im Sinne einer Auftragsdatenverarbeitung(vgl OVG Schleswig-Holstein Beschluss vom 12.1.2011 - 4 MB 56/10 - CR 2011, 359). Der ausdrücklich in Bezug genommene § 80 SGB X regelt die Voraussetzungen der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten im Auftrag. Dass mit der Einfügung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V die Übermittlung von Daten an private Stellen nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung geltenden Voraussetzungen zugelassen werden sollte, wird auch durch die Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Regelung zurückgeht, bestätigt: Danach sollten die Voraussetzungen, unter denen dem Sozialgeheimnis unterliegende Stellen andere Stellen mit der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten beauftragen können, und die Rechtsfolgen einer solchen Beauftragung auch für die besonderen Versorgungsformen gelten(vgl BT-Drucks 16/13428 S 96 unter Bezugnahme auf die Begründung zur entsprechenden Regelung für Krankenhäuser nach § 120 Abs 6, S 92).

94

Bei der in dem Vertrag vorgesehenen Übermittlung von Abrechnungsdaten durch den Arzt an die HÄVG handelt es sich nicht um eine nach § 295 Abs 1b SGB V aF zulässige Auftragsdatenverarbeitung. Die Auftragsdatenverarbeitung ist datenschutzrechtlich privilegiert. Sie stellt keine Übermittlung im Sinne des § 67 Abs 6 Satz 2 Nr 3 SGB X dar(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; I. Palsherm in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand Juli 2013, § 80 RdNr 15). Eine Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X liegt vor, wenn der Auftragnehmer die Datenverarbeitung in vollständiger Abhängigkeit von Vorgaben des Auftraggebers durchführt(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; zur entsprechenden Regelung in § 11 BDSG vgl Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5). Die Auftragsdatenverarbeitung ist abzugrenzen von der Funktionsübertragung. Diese liegt dann vor, wenn dem Service-Unternehmen eine eigene rechtliche Zuständigkeit für die Aufgabe, deren Erfüllung die Datenverarbeitung oder die Nutzung dient, zugewiesen ist (Gola/Klug, BDSG, 12. Aufl 2015, § 11 RdNr 9). Wesentliches Merkmal für die Abgrenzung der Auftragsdatenverarbeitung von der Funktionsübertragung (Aufgabenübertragung) ist die Entscheidungsbefugnis über die Daten. Liegt diese bei der beauftragten Stelle und kommt dieser nicht nur eine Hilfs- und Unterstützungsfunktion zu, kann nicht mehr von einer Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X ausgegangen werden(Rombach in Hauck/Noftz, SGB X, Stand November 2014, § 80 RdNr 20; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 12, 14).

95

Das im Vertrag geregelte Verhältnis des an der HzV teilnehmenden Hausarztes zur HÄVG entspricht nicht dem Bild einer Auftragsdatenverarbeitung. Die HÄVG führt die Abrechnung keineswegs in vollständiger Abhängigkeit von dem teilnehmenden Hausarzt für diesen durch. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass der Hausarzt an dem Vertrag zur HzV, der die Einzelheiten vorgibt, nicht unmittelbar beteiligt ist und damit keinen unmittelbaren Einfluss auf dessen Ausgestaltung hat. Der einzelne Hausarzt hat auch keinen Einfluss darauf, wer für ihn die Daten verarbeiten soll. Bereits eine solche fehlende Auswahlmöglichkeit spricht gegen das Vorliegen einer Auftragsdatenverarbeitung (Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3b; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5a). Zudem wird ihm vorgegeben, welche Datenverarbeitungsprogramme (Software) er für die Abrechnung zu verwenden hat. Damit ist insgesamt davon auszugehen, dass die HÄVG die Abrechnungsdaten in eigener Verantwortung oder im Auftrag der Beklagten verarbeitet bzw durch die HÄVG Rechenzentrum AG verarbeiten lässt, aber jedenfalls nicht im Auftrag des Hausarztes tätig wird. Der Vertrag regelt bezogen auf die Weitergabe der Daten durch den Hausarzt keine nach § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V zulässige Auftragsdatenverarbeitung.

96

(2) Mit der Einfügung des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ist die erforderliche gesetzliche Grundlage für die Übermittlung von Abrechnungsdaten durch die an der HzV teilnehmenden Hausärzte geschaffen worden. Anders als unter Geltung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V beschränkt sich die Befugnis nach § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V nicht auf die Beauftragung einer anderen Stelle mit der Verarbeitung, Nutzung und Abrechnung personenbezogener Daten. Vielmehr sind die an den entsprechenden Versorgungsformen teilnehmenden Leistungserbringer für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen nach § 73b, § 73c oder § 140a SGB V erbrachten Leistungen gemäß § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V befugt, die nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels des SGB V erforderlichen Angaben an den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite als verantwortliche Stelle zu übermitteln, indem diese Angaben entweder an ihn oder an eine nach § 295 Abs 2 SGB V beauftragte andere Stelle weitergegeben werden; für den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite gilt § 35 SGB I entsprechend. Voraussetzung ist, dass der Versicherte vor Abgabe der Teilnahmeerklärung an der Versorgungsform umfassend über die vorgesehene Datenübermittlung informiert worden ist und mit der Einwilligung in die Teilnahme zugleich in die damit verbundene Datenübermittlung schriftlich eingewilligt hat. Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite oder die beauftragte andere Stelle dürfen die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten und nutzen; sie übermitteln die Daten im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern an den jeweiligen Vertragspartner auf Krankenkassenseite.

97

§ 295a Abs 1 Satz 1 SGB V definiert den "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (also den Hausarztverband und nicht den einzelnen Arzt) als die im datenschutzrechtlichen Sinne "verantwortliche Stelle". Insofern trifft § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V eine spezielle Regelung, die den allgemeinen Bestimmungen der §§ 67a ff SGB X vorgeht. Das bedeutet, dass die datenschutzrechtliche Verantwortung mit dem Eingang der Daten bei dem Hausarztverband ("Vertragspartner auf Leistungserbringerseite") oder bei der von ihm beauftragten Stelle auf den Hausarztverband übergeht (vgl BT-Drucks 17/6141 S 39).

98

(3) Die Einwände der Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV, die ihre Grundlage in der Annahme haben, dass der Arzt auch nach dem Eingang der Daten bei den Beklagten oder der von ihnen beauftragten Stelle "verantwortliche Stelle" im Sinne des § 67 Abs 9 SGB X bleibe und dass der Arzt die Daten nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung nach § 80 SGB X geltenden Voraussetzungen weitergeben dürfe, greifen damit bezogen auf die seit Inkrafttreten des § 295a SGB V geltenden Rechtslage nicht mehr durch. § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V regelt die Befugnis des Hausarztes zur Weitergabe der für die Abrechnung erforderlichen Daten an den Hausarztverband oder die von diesem mit der Datenverarbeitung beauftragte Stelle unabhängig von den Voraussetzungen einer Auftragsdatenverarbeitung. Auftraggeber einer Datenverarbeitung durch die HÄVG oder ein Rechenzentrum können allein die "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (vgl BT-Drucks 17/6141 S 40, zu § 295a Abs 2) und damit die Beklagten sein.

99

(4) Zutreffend ist dagegen der Einwand der Klägerin, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV, die eine Beauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG vorsehen (vgl zB Anlage 3 § 6 Abs 1) mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren sind. Nach § 295a Abs 2 Satz 1 SGB V darf der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite eine andere Stelle mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten beauftragen, die für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen ua zur HzV erbrachten Leistungen erforderlich sind. Gemäß § 295a Abs 2 Satz 2 SGB V ist § 80 SGB X ua mit der weiteren Maßgabe anzuwenden, dass Unterauftragsverhältnisse ausgeschlossen sind. Demnach dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" im Sinne der genannten Regelung zwar die HÄVG oder auch unmittelbar die HÄVG Rechenzentrum AG mit der Verarbeitung der Abrechnungsdaten beauftragen. Die im Vertrag vorgesehene Erteilung eines Unterauftrags an die HÄVG Rechenzentrum AG durch die von den Beklagten beauftragte HÄVG ist dagegen nicht zulässig (zu einer entsprechenden Regelung vgl auch bereits LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

100

(5) Nach den von der Klägerin nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die im Vertrag zur HzV zur Verwendung durch den teilnehmenden Arzt vorgeschriebene Software mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen unvereinbar wäre. Soweit die Klägerin erstmals im Revisionsverfahren - nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung - geltend macht, dass die im Vertrag vorgeschriebene Software einen sog "gekapselten Kern" besitze, der die Möglichkeit biete, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar sei, so steht diese Behauptung im Übrigen im Widerspruch zu der von den Beklagten vorgelegten Technischen Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht vom 17.8.2012 (Az: LDA.3-1085.6-12/10), die sich nach den von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen Angaben der Beklagten auf die auch im vorliegenden Vertrag zur HzV vorgeschriebene Software beziehen soll. Die Stellungnahme kommt für den Senat nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die Kontrollmöglichkeiten über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ausreichend transparent seien. Die Datenverarbeitungsvorgänge in der Arztpraxis würden vom Arzt gesteuert.

101

(6) Auch die in Ziff 2.1 der Anlage 4 zum Vertrag vorgesehene Übermittlung von Einschreibedaten ist entgegen der Auffassung der Klägerin datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden. Bei den Einschreibedaten handelt es sich um die in der Teilnahmeerklärung enthaltenen Stammdaten des Versicherten (Name, Anschrift, Geburtsdatum, Versichertennummer), die Daten zu dem gewählten Hausarzt und den Teilnahmebeginn (vgl die der Teilnahmeerklärung beigefügten Informationen zu Datenschutz, Datenübermittlung und -zusammenführung). Diese Angaben sind für die Durchführung der Abrechnung im Sinne des § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V erforderlich und die Verarbeitung und Nutzung dieser Daten erfolgt in Übereinstimmung mit § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V zu Abrechnungszwecken(im Ergebnis ebenso die Bewertung eines insoweit entsprechenden Vertrages durch das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht, Schreiben vom 30.11.2012, Az: LDA.3-1085.6-12/10).

102

(7) Im Widerspruch zu den geltenden gesetzlichen Vorgaben steht dagegen § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum HzV, der die HÄVG zur Führung von Musterverfahren ermächtigt, weil es sich dabei nicht um eine gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V allein zulässige Verarbeitung oder Nutzung zu Abrechnungszwecken handelt. Zwar regelt der Vertrag nicht ausdrücklich die Verwendung personenbezogener Daten in Musterprozessen. Die vorgesehene Führung solcher Prozesse durch die HÄVG setzt die Verwendung personenbezogener Daten der an der HzV teilnehmenden Versicherten jedoch voraus (ebenso zu einer insoweit vergleichbaren Regelung: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38). Gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verwenden. Dass die Verwendung von Daten zur Führung von Musterprozessen über die Verwendung zu Abrechnungszwecken hinausginge, haben die Beklagten im Revisionsverfahren auch nicht in Zweifel gezogen, sondern geltend gemacht, dass die HÄVG tatsächlich keine "Musterverfahren" unter Nutzung personenbezogener Daten führe. Auf die Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung hat dies indes keinen Einfluss.

103

e) Im Ergebnis ist der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag allein insoweit zu beanstanden, als er eine datenschutzrechtlich unzulässige Unterbeauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG sowie das Recht der HÄVG zur Führung von "Musterverfahren" vorsieht. Dem werden die Beteiligten durch entsprechende Änderungen des Vertrages Rechnung zu tragen haben. Davon unberührt bleibt die Verpflichtung der Beteiligten, den seit der Festsetzung des Vertragsinhalts eingetretenen gesetzlichen Änderungen durch Vertragsanpassungen Rechnung zu tragen.

104

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Bei der Kostenverteilung (§ 155 Abs 1 VwGO) hat der Senat berücksichtigt, dass die Klage bezogen auf die beantragte Aufhebung des Vertrages zur HzV ohne Erfolg und bezogen auf die hilfsweise geltend gemachte Feststellung der Rechtswidrigkeit vertraglicher Bestimmungen ganz überwiegend erfolglos war.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. April 2012 geändert. Es wird festgestellt, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vereinbar ist. Insoweit sind die Beteiligten verpflichtet, den Vertrag zu ändern.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 9/10 und die Beklagten tragen 1/10 der Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen einen Schiedsspruch, mit dem der Inhalt eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV) nach § 73b SGB V zwischen ihr und den beiden beklagten Hausarztverbänden festgelegt worden ist.

2

Nachdem sich Klägerin und Beklagte nicht über den Abschluss eines Vertrages zur HzV einigen konnten, beantragten die Beklagten die Einleitung des Schiedsverfahrens. Die Schiedsperson wurde durch das Bundesversicherungsamt (BVA) bestimmt, nachdem auch dazu keine Einigung erzielt werden konnte. Gegen den Bescheid des BVA zur Bestimmung der Schiedsperson wandte sich die Klägerin mit der Klage und beantragte zugleich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Diesen Antrag wies das SG zurück. Die dagegen eingelegten Beschwerden nahm die Klägerin zurück, nachdem der Schiedsspruch ergangen war.

3

Mit einem weiteren Eilverfahren wandte sich die Klägerin erfolglos gegen die Festsetzung eines Verhandlungstermins durch die Schiedsperson. An der anberaumten mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin nicht teil. Zu dem von den Beklagten vorgelegten Vertragsangebot nahm die Klägerin mit insgesamt 68 Einzelanträgen Stellung.

4

Mit Schiedsspruch vom 9.9.2010 setzte die Schiedsperson den Inhalt des Vertrages zur HzV mit Wirkung zum 15.9.2010 fest und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Beklagten erfüllten die Voraussetzung, nach der sie mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Baden-Württemberg vertreten müssten. Die gesetzliche Regelung könne nicht in dem Sinne verstanden werden, dass eine rechtsgeschäftliche Vertretung im Sinne des § 164 Abs 1 BGB erforderlich sei. Vielmehr sei mit der Formulierung des "Vertretens" gemeint, dass die Gemeinschaften eine gewisse soziale Mächtigkeit haben müssten, damit eine flächendeckende Versorgung mit Hausarztverträgen wahrscheinlich sichergestellt werden könne. Da mehr als die Hälfte der Allgemeinärzte Mitglied der beiden beklagten Verbände seien, seien die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Selbst wenn nicht auf dieses Verständnis des "Vertretens" abgestellt würde, seien die Voraussetzungen erfüllt, weil mehr als die Hälfte der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte die Beklagten zu 1. und 2. mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hätten. Die Schiedsperson sei keine Behörde und sie erlasse auch keinen Verwaltungsakt, sondern werde als Vertragshelfer tätig. Als solche habe sie in Wahrnehmung ihres Bestimmungsrechts den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festzusetzen. In Ausübung ihres billigen Ermessens habe sie entschieden, den Vertrag zur HzV als sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag festzusetzen. Allein die Vereinbarung von Vollversorgungsverträgen entspreche der Intention des Gesetzes, mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen durch Erweiterung ihrer Handlungsspielräume zum Abschluss von Verträgen mit Leistungserbringern oder Gruppen von ihnen zu ermöglichen.

5

Der festgelegte Vertragsinhalt entspreche den gesetzlichen Anforderungen an eine HzV und führe zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung für die Versicherten. Er entspreche hinsichtlich des Leistungsinhalts in vollem Umfang den Forderungen, die die Krankenkassen in früher geführten Schiedsverfahren für den Bezirk der KÄV Bayern aufgestellt hätten und gehe auch hinsichtlich der qualitativen Anforderungen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Hinsichtlich der Vergütung der in der HzV zu erbringenden Leistungen orientiere sich der Vertrag in Ausübung billigen Ermessens an dem Vertrag, den die BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für den Bezirk der KÄV Baden-Württemberg abgeschlossen habe. Vergleichbare Vergütungsregelungen fänden sich auch in zahlreichen weiteren Verträgen zur HzV, die Krankenkassen mit Gemeinschaften von Hausärzten geschlossen hätten. Bei der Festsetzung der Höhe der Vergütung seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Beitragssatzstabilität zu beachten. Dem werde die Vergütungsstruktur sowie die daran anknüpfende Vergütungshöhe gerecht. Die wirtschaftlichen Risiken der Krankenkassen würden durch verschiedene - in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen bezeichnete - Maßnahmen beschränkt. Den durch die Vergütung der HzV-Leistungen bedingten Mehrausgaben stünden Einsparungen gegenüber, die jedoch schwer genauer zu prognostizieren seien. Allerdings zeigten Erfahrungswerte aus bereits laufenden HzV-Verträgen, dass (in der Begründung des Schiedsspruchs näher bezeichnete) Einsparungen erzielt würden, mit denen sich die Mehrausgaben finanzieren ließen. Einer Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson stehe auch nicht entgegen, dass die Auftragsvergabe nicht nach den Vorschriften des Vergaberechts ausgeschrieben worden sei und dass die Anwendung des Sozialdatenschutzes auf die HzV-Verträge umstritten sei. Die Anwendung der Regelungen über den Datenschutz sei zwar streitig. Im Gegensatz zum unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein hätten die Landesdatenschutzbeauftragten für Bayern und Baden-Württemberg aber bisher keinen Anlass zu einer datenschutzrechtlichen Beanstandung bezogen auf die bestehenden HzV-Verträge gesehen. Im Hinblick auf diese Rechtslage werde von der Festsetzung einer datenschutzrechtlichen Regelung abgesehen. Die Schaffung einer datenschutzkonformen Regelung über die Weitergabe von Patientendaten an private Abrechnungsstellen bleibe auf der Rechtsgrundlage des § 295 Abs 1b SGB V bilateralen Behandlungen der Beteiligten überlassen. Eine Festsetzung der HzV-Vergütung auf dem Niveau der Regelversorgung scheide aus, weil im Rahmen der HzV ein bestimmtes Ausstattungsniveau der teilnehmenden hausärztlichen Praxen vorgegeben werde. Der an der HzV teilnehmende Hausarzt sei außerdem zur Erlangung bestimmter Weiterbildungsmaßnahmen und Abrechnungsqualifikationen verpflichtet, die in der Regelversorgung nicht gefordert seien. Hinzu trete die verpflichtende Teilnahme des teilnehmenden Hausarztes an den Disease-Management-Programmen sowie die Wahrnehmung der Betreuung von pflegebedürftigen Patienten. Zudem bestehe die Verpflichtung zur Teilnahme an Fortbildungen, zu hausarztspezifischen Themen, was über die generelle Fortbildungspflicht gemäß § 95d SGB V hinausgehe. Schließlich sei das Dienstleistungsangebot der hausärztlichen Praxen in der HzV erweitert. Diese erweiterten Qualifikationen, apparativen Ausstattungen und verbesserten Dienstleistungsangebote führten zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung, die ein höheres Vergütungsniveau im Vergleich zur hausärztlichen Regelversorgung rechtfertige. Durch das gegen die Bestimmung der Schiedsperson anhängige Klageverfahren werde das Wirksamwerden des Vertrages zur HzV nicht gehindert, weil die Klage gemäß § 73b Abs 4a SGB V keine aufschiebende Wirkung habe.

6

Gegen den Schiedsspruch vom 9.9.2010 hat sich die Klägerin mit der am 9.9.2011 erhobenen Klage gewandt und beantragt festzustellen, dass der Schiedsspruch unwirksam sei. Hilfsweise hat sie beantragt, die Regelung zum Inkrafttreten um den Zusatz zu ergänzen, dass der Vertrag nicht in Kraft trete, bevor nicht sämtliche Anlagen zum Vertrag durch die Parteien vereinbart oder durch weiteren Schiedsspruch festgesetzt worden seien. Mit der gegen die Abweisung der Klage (Urteil des SG vom 25.4.2012) erhobenen Berufung hat die Klägerin ua geltend gemacht, dass es sich bei der Entscheidung der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele. Sie gehe aber davon aus, dass eine isolierte Anfechtungsklage zulässig sein müsse. Sofern der Schiedsspruch ein Verwaltungsakt sein sollte, komme eine Leistungsklage in Form der Ersetzungsklage kaum in Betracht, da der Klägerin kein Recht zustehe, den Verwaltungsakt nach ihren Vorstellungen vollständig durch das Gericht ersetzen zu lassen. Demgegenüber haben die Beklagten die Auffassung vertreten, dass der Schiedsspruch als Verwaltungsakt anzusehen und als solcher rechtmäßig sei.

7

Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem Schiedsspruch vom 9.9.2010 um einen Verwaltungsakt handele. Für Beschlüsse einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V gelte nichts anderes als für Entscheidungen der Schiedsämter gemäß § 89 SGB V und der Schiedsstellen nach § 114 SGB V. § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V regele ein förmliches Schiedsverfahren. Zudem habe das BSG für den hier einschlägigen Bereich des Vertragsarztrechts seit jeher die Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs bejaht. Auch die Änderung des § 73b Abs 4a SGB V zum 1.1.2012 durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl I 2983) spreche nicht gegen die Annahme der Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs. Bei der Schiedsperson handele es sich um eine Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X. Dem stehe auch nicht der Umstand entgegen, dass keine Regelung zur staatlichen Aufsicht über die Schiedsperson existiere. Wenn verfassungsrechtlich zu fordernde Regelungen zur Aufsicht fehlten, könne dies allenfalls die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung zur Folge haben. Schiedspersonen nähmen Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahr, wenn sie die Vertragsverhältnisse zwischen einer Krankenkasse und den Verbänden der Hausärzte festlegten. Bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson handele es sich um eine für Ärzte, Patienten und Krankenkassen außerordentlich weitreichende Entscheidung. Für die gerichtliche Prüfung derart komplexer Regelungen mit weitreichenden Auswirkungen eigneten sich die über § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V entsprechend geltenden Vorschriften der §§ 317 ff BGB über den Vertragshelfer nicht. § 317 BGB regele den Fall, dass die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen bleibe. § 317 BGB überlasse der Schiedsperson nicht die Bestimmung des Vertragsinhalts, sondern die Bestimmung der Leistung. Vorliegend würden von der Schiedsperson aber sämtliche gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien festgelegt. Die Festlegung eines Vertrages über die HzV durch die Schiedsperson gehe somit weit über das hinaus, was Vertragshelfer nach § 317 BGB üblicherweise festlegen könnten. Zudem erweise sich der in § 319 BGB genannte Maßstab des "billigen Ermessens" als wenig geeignet für die Prüfung des von der Schiedsperson festgelegten Vertragsinhalts. Schließlich verhindere die Rechtskonstruktion des Vertragshelfers nicht eine Verzögerung der Umsetzung des geschiedsten Vertrages durch in destruktiver Absicht eingelegte Rechtsmittel. Dies zeige der vorliegende Fall. Für die Erhebung der Gestaltungsklagen gelte keine Ausschlussfrist. Damit bleibe für die Vertragsparteien lange unklar, ob der festgelegte Vertrag rechtsverbindlich werde. Auch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung helfe nicht weiter, weil der Vertrag in der Praxis regelmäßig erst dann als umsetzbar angesehen werde, wenn dessen rechtliche Verbindlichkeit auch feststehe. Auch dies zeige der vorliegende Fall.

8

Die isolierte Anfechtungsklage sei zulässig, jedoch nicht begründet. Der Schiedsperson stehe bei der Festlegung des Vertragsinhalts ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Schiedsspruch sei nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle zugänglich. Verstöße gegen wesentliche verfahrensrechtliche Grundsätze lägen nicht vor. Die Schiedsperson habe die Festlegung des Vertragsinhalts ausführlich begründet. Soweit die Klägerin das Fehlen einer Ausgabenobergrenze rüge, übersehe sie § 10 Abs 9 des Vertrages, der eine Begrenzung der HzV-Vergütung auf einen durchschnittlichen maximalen Fallwert von 76 Euro vorsehe. Unbegründet sei auch der Einwand der Klägerin, dass der Vertrag an mehreren Stellen gegen ihre Satzungsregelungen verstoße. Der Vertrag begründe keine Rechte und Pflichten der Versicherten. Den von den Vertragsparteien oder nach Maßgabe des § 73b Abs 4a SGB V von der Schiedsperson an deren Stelle getroffenen Festlegungen komme Vorrang vor dem Satzungsrecht der einzelnen Krankenkasse zu. Die Krankenkasse müsse den sie bindenden Vertrag bei jeglicher Verwaltungstätigkeit einhalten. Wenn die Satzung der Krankenkasse mit den Festlegungen des Vertrages nicht in Einklang stehe, müsse sie daher die Satzung entsprechend ändern und an den Vertrag anpassen. Für den gestellten Hilfsantrag mit dem Ziel, das Inkrafttreten des Vertrages auf den Zeitpunkt zu verschieben, zu dem sämtliche Anlagen vereinbart oder durch Schiedsspruch festgesetzt worden seien, fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Nach § 16 Abs 4 des Vertrages sei dieser zum Halbjahres- oder Jahresende, erstmals zum 31.12.2013 mit einer Frist von sechs Monaten kündbar. Damit werde der Klägerin eine einfachere rechtliche Möglichkeit eröffnet, die Rechtswirkungen des Vertrages zu beseitigen. Zudem müsse sich die Klägerin widersprüchliches Verhalten entgegenhalten lassen. Mit dem Hinausschieben des Inkrafttretens würde der gesetzlich begründete Kontrahierungszwang vereitelt. Aus dem gesamten Verhalten der Klägerin sei zu erkennen, dass sie sich weigere, ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Eröffnung des Angebots einer HzV nachzukommen. Ernsthafte Bemühungen, die fehlenden Vertragsanlagen auszuhandeln, seien nicht ersichtlich. Darüber hinaus sei der Hilfsantrag auch in der Sache nicht begründet. Ausreichend sei, dass der Schiedsspruch in sich schlüssig sei und dass die geregelten Vertragsteile von den Vertragsparteien umgesetzt werden könnten. Daran bestehe kein Zweifel, weil Verträge mit vergleichbaren Inhalten von anderen Krankenkassen durchgeführt würden.

9

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die erhobene Anfechtungsklage sei statthaft, da es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X handele. Sämtliche LSG hätten § 73b Abs 4, Abs 4a SGB V in der Weise ausgelegt. Ihre zuvor vertretene gegenteilige Rechtsauffassung halte sie nicht mehr aufrecht. Änderungen des § 73b SGB V, die zum 1.1.2012 in Kraft getreten seien, seien für das vorliegende Verfahren von vornherein nicht relevant, da für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 maßgeblich sei. Mit der Festsetzung des Vertrages über die besondere hausärztliche Versorgung nach § 73b SGB V treffe die Schiedsperson eine hoheitliche Entscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die unmittelbare Rechtswirkung im Außenverhältnis habe, indem sie verbindlich den Vertrag zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens festsetze. Der Schiedsspruch zur HzV unterscheide sich insofern nicht von dem Schiedsspruch nach § 77 SGB XII, für den sowohl das BVerwG als auch das BSG die Verwaltungsaktqualität ausdrücklich bejaht hätten.

10

Entgegen der Auffassung des LSG sei das Rechtsschutzinteresse nicht im Hinblick auf die zum 31.12.2013 erstmals bestehende Kündigungsmöglichkeit entfallen. Die ordentliche Kündigung des Vertrages zur HzV führe nicht automatisch zu dessen Beendigung, sondern der Vertrag gelte - wenn ein neuer Vertrag zur HzV nicht zustande komme - solange fort, bis in einem Schiedsverfahren ein neuer Vertrag zur HzV festgesetzt worden sei. Die Umsetzung des streitgegenständlichen Vertrages werde zu Recht verweigert. Die Klage habe selbst dann aufschiebende Wirkung, wenn es sich bei dem Schiedsspruch nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Vertragsfestlegung durch einen Dritten entsprechend §§ 315, 317 BGB handeln würde. Bereits die Erhebung der Einrede der offenbaren Unbilligkeit der Vertragsfestsetzung führe ggf entsprechend § 319 Abs 1 BGB zur Unverbindlichkeit der durch den Schiedsspruch getroffenen Vertragsbestimmungen.

11

Der Schiedsspruch sei mit zwingend zu beachtenden bundesrechtlichen Vorgaben zum Datenschutz unvereinbar. Für die nach dem Vertrag zur HzV vorgesehene Einbindung der Beklagten und der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) sowie von Unterauftragsunternehmern in die Verarbeitung sensibler Patientendaten fehle die nach der Rechtsprechung des BSG zwingend erforderliche gesetzliche Grundlage. Auch das Inkrafttreten des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ändere nichts an der datenschutzrechtlichen Unzulässigkeit des Vertrages zur HzV. Maßgebend sei die zum Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 geltende Rechtslage. Selbst wenn die zum 4.8.2011 eingetretenen Änderungen berücksichtigt würden, bliebe es bei der Unvereinbarkeit mit datenschutzrechtlichen Vorgaben. Die in dem Vertrag vorgesehene zwangsweise Verknüpfung der Teilnahme an der HzV mit einer Pflicht zur Weitergabe von Patientendaten an einen bestimmten Dienstleister sei mit den datenschutzrechtlich an die "verantwortliche Stelle" zu stellenden Anforderungen unvereinbar. Weiterhin unzulässig sei der vorgesehene Einsatz einer Vertragssoftware mit einem sog "gekapselten Kern", zu dessen Einsatz die teilnehmenden Hausärzte verpflichtet würden. Damit werde die Möglichkeit geschaffen, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar bzw kontrollierbar sei. Außerdem erlaube der neue § 295a Abs 2 SGB V lediglicheinen Dienstleister in die Verarbeitung von Patientendaten einzubinden. Die Begründung von Unterauftragsverhältnissen werde ausdrücklich ausgeschlossen. Im Widerspruch dazu sehe § 6 Abs 1 der Anlage 3 des streitgegenständlichen Vertrages zur HzV die Einbindung der HÄVG Rechenzentrum AG als Subunternehmer der HÄVG vor. Rechtswidrig sei ferner die in § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum Vertrag geregelte Befugnis der HÄVG, nach eigenem Gutdünken Patientendaten für "Musterverfahren" zur Klärung grundsätzlicher Fragen der Auslegung des Vertrages zur HzV zu verwenden. Unzulässig sei auch die vorgesehene Einbindung der HÄVG in die Einschreibung von Versicherten. Nach § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürften die auf Leistungserbringerseite von den teilnehmenden Hausärzten übermittelten Patientendaten ausschließlich für Abrechnungszwecke verwendet werden.

12

Zudem werde durch Mehrkosten, die der Vertrag unstreitig auslöse und deren Finanzierung durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen nicht gesichert sei, das in § 53 Abs 9 SGB V normierte Gebot der Selbsttragung des Wahltarifs verletzt. Der Wahltarif sei zwingend mit der HzV nach § 73b SGB V verbunden. Nach § 53 Abs 3 SGB V dürften für einen Wahltarif für die besonderen Versorgungsformen keine Zusatzbeiträge erhoben werden. Gleichzeitig verbiete § 53 Abs 9 SGB V eine Quersubventionierung der Wahltarife aus dem allgemeinen Beitragsaufkommen. Dass durch den Vertrag zur HzV Mehrkosten gegenüber der hausärztlichen Regelversorgung entstünden, sei unstreitig. Dem stünden keine gesicherten Refinanzierungsmaßnahmen gegenüber. Darüber hinaus werde der Grundsatz der Beitragssatzstabilität des § 71 Abs 1 SGB V verletzt, der alle Vergütungsvereinbarungen nach dem SGB V erfasse, weil nicht refinanzierte Mehrausgaben nicht verlässlich ausgeschlossen seien. Die Erhebung von Zwangsbeiträgen der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung für die Subventionierung der HzV verletze Art 2 Abs 1 GG. Zudem würde durch die damit verbundene Aufgabe des Solidaritätsprinzips die Unternehmenseigenschaft der Krankenkassen im Sinne des Art 101 ff des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union begründet.

13

Der Schiedsspruch verletze Bundesrecht auch deshalb, weil die Vertragsfestsetzung unvollständig sei. Obwohl der Hilfsmittelbereich als Bereich möglicher Einsparungen in der Begründung des Schiedsspruchs ausdrücklich angesprochen werde und die Anlage 2a zum Hilfsmittelmanagement in § 23 des Vertrages zur HzV genannt werde, habe die Schiedsperson diese Anlage nicht festgelegt. Aus § 23 des Vertrages zur HzV ergebe sich vielmehr, dass diese "in gemeinsamer Absprache noch zu erstellen" sei. Dies sei mit § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V unvereinbar. Gleiches gelte für die fehlenden Anhänge 2 bis 4 der festgesetzten Anlage 3 des Vertrages. Diese sollten ausweislich § 9 der Anlage 3 des Vertrages die Diagnosen zur Abrechnung des Zuschlags für chronisch Kranke, des Zuschlags zur Förderung einer wirtschaftlichen Arzneimittelverordnung ("Rationaler Pharmakotherapie-Zuschlag") sowie eines Zuschlags (sog VERAH-Zuschlag) für Leistungen von besonders qualifizierten medizinischen Fachangestellten ("Versorgungsassistenten") enthalten.

14

Ferner habe die Schiedsperson ihren Gestaltungsspielraum überschritten, indem sie Regelungen zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten zum Gegenstand des Vertrages zur HzV gemacht habe. Die Einschreibebestimmungen des Vertrages zur HzV seien nicht von der Vertragsregelungsbefugnis der Schiedsperson umfasst. Vielmehr habe die Regelung der Teilnahme von Versicherten an der HzV in der Satzung der Krankenkasse zu erfolgen. Die Teilnahme der Versicherten werde in dem Vertrag zur HzV in Widerspruch zu Satzungsbestimmungen der Klägerin geregelt. Dies sei rechtswidrig. Darüber hinaus verletze der Schiedsspruch Bundesrecht, weil dem Beklagten zu 2. (MEDI Baden-Württemberg e.V.) die erforderliche Antragsbefugnis zur Einleitung eines Schiedsverfahrens fehle. Schiedsverfahren könnten nur von Gemeinschaften beantragt werden, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Diese Voraussetzung erfülle der Beklagte zu 2. nicht.

15

Die Schiedsperson habe ihren Beurteilungsspielraum überschritten, indem sie sich bei der Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend an anderen HzV-Verträgen orientiert habe. Die anderen HzV-Verträgen zugrunde liegenden Verhältnisse seien nicht auf die Klägerin übertragbar. Die Schiedsperson hätte sich mit der konkreten Situation der Klägerin und deren Versicherten auseinandersetzen müssen. Das sei nicht geschehen. Ferner sei die Schiedsperson zu Unrecht davon ausgegangen, dass allein ein Vollversorgungsvertrag, nicht dagegen ein sog Add-on-Vertrag der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Damit habe die Schiedsperson den rechtlichen Rahmen verkannt, der ihrem Gestaltungsspielraum zugrunde liegt. Somit leide der Schiedsspruch an einem nicht heilbaren Fehler.

16

Selbst wenn der Schiedsspruch nicht als Verwaltungsakt anzusehen wäre, sei der auf Aufhebung dieses Schiedsspruchs gerichtete Antrag zulässig. Die Festsetzung des Vertragsinhalts durch das Gericht in entsprechender Anwendung des § 319 BGB sei unter Beachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung ausgeschlossen. Denn der Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages über die HzV nach § 73b SGB V sei Aufgabe der Krankenkassen als Selbstverwaltungskörperschaften und Teil der mittelbaren Staatsverwaltung. In die Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume könne die Rechtsprechung als Kontrollinstanz der Verwaltung nicht in der Form eingreifen, dass sie ihre eigenen Erwägungen an die Stelle derjenigen der Verwaltung setze.

17

Die Klägerin beantragt,

        

1.    

die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 zu ändern und den Schiedsspruch vom 9.9.2010 aufzuheben,

        

2.    

hilfsweise, das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 aufzuheben und den Rechtsstreit an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2, 1. Halbsatz BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts zurückzuverweisen,

        

3.    

weiter hilfsweise unter Änderung der Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 festzustellen, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte HzV-Vertrag mit Bundesrecht nicht vereinbar ist.

18

Die Beklagten beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

19

Sie führen zur Begründung aus: Das angefochtene Urteil des LSG sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Allerdings sei der Schiedsspruch kein Verwaltungsakt. Mit dem GKV-VStG habe der Gesetzgeber eindeutig geregelt, dass es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele, sondern dass die Schiedsperson als Vertragshelfer analog § 317 BGB tätig werde. Die in der Rechtsprechung angestellten Erwägungen zur fehlenden Behördeneigenschaft von Schiedspersonen nach § 132a Abs 2 SGB V seien auf die Schiedspersonen gemäß § 73b Abs 4a SGB V übertragbar. Auch der Umstand, dass die Schiedsperson die in einem Schiedsverfahren festgelegten Verträge der für die Krankenkassen zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen habe, stehe dem nicht entgegen, da die Vorlage auch bei frei verhandelten Verträgen durch die Krankenkasse zu erfolgen habe. Der Schiedsspruch sei rechtlich nicht zu beanstanden. Mit den Anträgen der Klägerin habe sich die Schiedsperson erkennbar auseinandergesetzt und diese gewürdigt. Die Schiedsperson habe den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festgesetzt und zugleich berücksichtigt, dass zahlreiche weitere Krankenkassen im Bundesgebiet ähnliche Verträge mit vergleichbarem Inhalt und vergleichbarer Vergütungsstruktur mit den jeweiligen Hausarztgemeinschaften vereinbart hätten. Es seien keine wesentlichen Vertragsbestandteile ungeregelt geblieben. Soweit den Vertragspartnern überlassen worden sei, im späteren Verlauf Umsetzungsaufgaben und Steuerungsmodule, zB für den Bereich der Arzneimittelverordnung selbst zu verhandeln, sei dies sachgerecht, weil die Vertragspartner damit auf die sich ständig ändernden Arzneimittelrabattverträge reagieren könnten. Auch würden Vorschriften zum Datenschutz nicht verletzt. Maßgebend für die Beurteilung sei die aktuelle Rechtslage und nicht die Rechtslage, die bei Erlass des Schiedsspruchs gegolten habe. Die im Schiedsspruch vorgesehene Verwendung eines "gekapselten Kerns" sei auch nach Auffassung des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht nicht zu beanstanden. Soweit sich die Klägerin gegen die im Vertrag enthaltene Befugnis zur Führung von Musterverfahren unter Verwendung personenbezogener Daten wende, sei darauf hinzuweisen, dass die HÄVG keine Musterverfahren führe. Die Klägerin sei im Übrigen nicht legitimiert, im vorliegenden Verfahren Datenschutzrechte der Patienten geltend zu machen. Bezogen auf die geltend gemachten Widersprüche zwischen dem Vertrag zur HzV und den Satzungsregelungen der Klägerin habe das LSG zutreffend die Auffassung vertreten, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV der Satzung vorgingen. Mit dem vorliegenden Klageverfahren unterlaufe die Klägerin den gesetzlichen Kontrahierungszwang. Die Klägerin sei verpflichtet, ihren Versicherten eine HzV anzubieten und mit qualifizierten Gemeinschaften einen Vertrag zur HzV zu schließen. Gleichwohl habe die Klägerin bis heute die Umsetzung des weiterhin geltenden Vertrages verweigert und auch keinen Antrag auf Verpflichtung zur Neufestsetzung des Vertrages zur HzV mit den von ihr begehrten Modifizierungen gestellt.

Entscheidungsgründe

20

Die Revision der Klägerin hat nur insoweit Erfolg, als die Unvereinbarkeit von Regelungen des Vertrages zur HzV mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen festzustellen war. Im Übrigen hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

21

1. Das SG war zur Entscheidung im ersten Rechtszug nach § 8 SGG sachlich zuständig, da einer der in § 29 Abs 2 SGG geregelten Sonderfälle der sachlichen Zuständigkeit der Landessozialgerichte für eine Entscheidung im ersten Rechtszug nicht vorliegt. Insbesondere liegt keine Klage gegen Entscheidungen der Landesschiedsämter oder gegen Beanstandungen von Entscheidungen der Landesschiedsämter nach dem SGB V, gegen Entscheidungen der Schiedsstellen nach § 120 Abs 4 SGB V, der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI oder der Schiedsstellen nach § 80 SGB XII vor. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Entscheidung einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Aufzählung in § 29 Abs 2 SGG ist abschließend, sodass die Vorschrift nicht entsprechend anwendbar ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 29 RdNr 4; Schreiber in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 29 RdNr 8; Ulrich, NZS 2011, 448, 451 ff; zur Bestimmung einer Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 13 f, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

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2. Die mit dem Antrag zu 1. erhobene Anfechtungsklage ist nicht statthaft und damit unzulässig.

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a) Nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGG muss sich die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt richten. Die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson nach § 73b SGB V ist jedoch nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergangen und die Schiedsperson hat auch nicht für sich in Anspruch genommen, durch Verwaltungsakt entscheiden zu können(zur Zulässigkeit von Klagen auch gegen einen sog "formellen Verwaltungsakt" vgl BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 16). Für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage genügt nicht, dass die Klägerin das Vorliegen eines Verwaltungsakts geltend macht (stRspr vgl BSGE 39, 86, 87 = SozR 2200 § 628 Nr 1 S 2, mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 8a).

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b) Für die Beurteilung der Frage, ob die Entscheidung der Schiedsperson, gegen die sich die Klägerin wendet, in der Form eines Verwaltungsakts ergangen ist, ist in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Entscheidung der Schiedsperson am 9.9.2010 maßgebend. Nur wenn die Schiedsperson zu diesem Zeitpunkt Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X gewesen ist, konnte sie einen Verwaltungsakt erlassen. Später eingetretene Änderungen hätten keinen Einfluss mehr auf die rechtliche Qualifizierung des zuvor ergangenen Schiedsspruchs. Es kommt demnach darauf an, ob die Schiedsperson nach der zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts geltenden Rechtslage Behörde war und ob ihre Entscheidung unter Zugrundelegung dieser Rechtslage als Verwaltungsakt anzusehen war. Dies ist indes nicht der Fall und daran hat sich im Übrigen in der Folge auch nichts geändert.

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c) Schiedspersonen, die Verträge zur HzV festsetzen, wenn eine Einigung zwischen einer Krankenkasse und der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaft von Allgemeinärzten nicht zustande kommt, werden - ebenso wie Schiedspersonen im Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V - als Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB und nicht als Behörde tätig. Der Schiedsspruch ergeht deshalb auch nicht in der Form eines Verwaltungsakts, sondern ersetzt die Einigung der Parteien. Dies folgt neben dem Wortlaut in erster Linie aus der Entstehungsgeschichte der Regelung und dem darin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers.

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aa) Verwaltungsakte können nach § 31 Satz 1 SGB X nur von einer Behörde erlassen werden. Nach § 1 Abs 2 SGB X ist Behörde im Sinne des Sozialgesetzbuches jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Danach gilt ein weiter, sog funktionaler Behördenbegriff, der neben den Verwaltungsbehörden im organisatorischen Sinne auch alle sonstigen Einrichtungen, Organe und Stellen einschließt, die aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts mit der Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten, zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge im eigenen Namen oder zu sonstigen, nach öffentlichem Recht zu beurteilenden Handeln ausgestattet sind (vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 14; BSGE 60, 239 = SozR 1300 § 45 Nr 26; BSGE 63, 224 = SozR 1300 § 48 Nr 47; BSGE 77, 295 = SozR 3-1300 § 45 Nr 27).

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Dass die Schiedsämter und Schiedsstellen im Bereich des SGB V unter diesen weiten funktionalen Behördenbegriff fallen, ist in der Rechtsprechung seit langem geklärt (vgl BSGE 20, 73, 75 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSGE 87, 199, 200 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3300 § 89 Nr 1 RdNr 11; BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 20, 41). Eine solche grundsätzliche Klärung fehlt bisher für die Schiedsperson, die der Gesetzgeber mit der Änderung des § 132a SGB V (Versorgung mit häuslicher Krankenpflege) durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) erstmals im SGB V anstelle von Schiedsämtern und Schiedsstellen für die außergerichtliche Schlichtung vorgesehen hat. In den folgenden Jahren ist die außergerichtliche Streitschlichtung durch Schiedspersonen auf weitere Bereiche ausgedehnt worden: Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) wurde die Schlichtung im Bereich der stationären und ambulanten Hospizleistungen nach § 39a Abs 1 Satz 7 bis 9 SGB V einer Schiedsperson übertragen. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) wurde die Schlichtung durch eine Schiedsperson bei Streitigkeiten um die Finanzierung der Landesverbände der Krankenkassen (§ 211 Abs 4 Satz 4 SGB V) und mWv 1.1.2009 auch für die hausarztzentrierte Versorgung (§ 73b Abs 4a SGB V) sowie die Hilfsmittelversorgung (§ 127 Abs 1a Satz 2 bis 4 SGB V)vorgesehen. Inzwischen ist die Schlichtung durch Schiedspersonen Gegenstand auch der Heilmittelversorgung (§ 125 Abs 2 Satz 4 bis 6 SGB V), des klinischen Krebsregisters (§ 65c Abs 6 Satz 8 bis 12 SGB V) und der Versorgung mit Schutzimpfungen (§ 132e Abs 1 Satz 3 bis 5 SGB V).

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Ob auch die Entscheidungen von Schiedspersonen als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X anzusehen sind, war von Anfang an umstritten(vgl zB Schnapp, NZS 2010, 241, 245 mwN; Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 17 ff). In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wurde die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V in der Regel als Vertragshelfer qualifiziert, deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, während Entscheidungen der Schiedsperson in der HzV wohl überwiegend als Verwaltungsakt angesehen wurden(LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 84 ff; LSG Hamburg Beschluss vom 18.8.2011 - L 1 KA 24/11 B ER; in dieser Richtung, aber letztlich offenlassend: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 37 f = Juris RdNr 25, 45 f; ausdrücklich offengelassen: LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 32 und Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 58/10 B ER - Juris RdNr 61; anders dagegen : Bayerisches LSG Beschluss vom 17.1.2011 - L 12 KA 123/10 B ER - Breith 2011, 281, 285). Für die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V wurde diese Frage durch Urteil des 3. Senats vom 25.11.2010 (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) geklärt. Danach ist jedenfalls diese Schiedsperson keine Behörde. Dementsprechend ergeht deren Entscheidung auch nicht als Verwaltungsakt. Vielmehr wird die Schiedsperson als öffentlich-rechtlicher Schlichter und Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB tätig.

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Ausschlaggebend für die Einordnung der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde war nach der genannten Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010, dass diese zwar den Inhalt öffentlich-rechtlicher Verträge festlege, wobei es sich um eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit handele. Die Schiedsperson erhalte ihre Entscheidungsmacht jedoch unmittelbar von den Vertragsparteien des § 132a SGB V selbst, die auch den das Schiedsverfahren regelnden Vertrag zur Konfliktlösung abschließen. Daraus hat der 3. Senat den Schluss gezogen, dass es sich - ungeachtet des Umstands, dass die Vertragsparteien zur Verabredung des Schiedsverfahrens gesetzlich verpflichtet sind - um ein vertraglich vereinbartes Schiedsverfahren handele. Die Schiedsperson sei auch kein Beliehener, weil es an einem öffentlich-rechtlichen Akt der Beleihung fehle. Ferner existiere keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger und anders als Schiedsstellen und Schiedsämter unterliege die Schiedsperson auch keiner Rechtsaufsicht. Das Verfahren der Schlichtung durch die Schiedsperson sei nicht gesetzlich geregelt. Die Funktion als Schiedsperson sei an die Person des Berufenen gebunden, sodass keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution einer Schiedsstelle existiere.

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bb) Die Regelungen zur Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V entsprachen bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend derjenigen zu der - nicht als Behörde zu qualifizierenden - Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V. Grundsätzlich obliegt es auch hier den Vertragsparteien, sich auf die Schiedsperson zu einigen. Nur für den Fall, dass die Vertragsparteien sich auch darüber nicht einigen können, sieht § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V die Bestimmung der Schiedsperson durch die für die Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde vor. Ebenso wie nach § 132a Abs 2 SGB V gibt es nach § 73b SGB V weder eine Rechtsaufsicht über die Schiedsperson noch eine Regelung zum Schiedsverfahren. Ferner existiert keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution und keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger.

31

Zwar können hoheitliche Aufgaben durch Beleihung auch einer natürlichen Person übertragen werden. Dies erfordert jedoch eine Übertragung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Rechtsverordnung, Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl BVerwG NVwZ 2006, 829; BVerfG NJW 1987, 2501, 2502; BVerwGE 98, 280, 298; Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 1 RdNr 11; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl 2014, § 1 RdNr 60; Wiegand, Die Beleihung mit Normsetzungskompetenz, 2008, 155 f). § 73b Abs 4a SGB V regelt eine Beleihung der Schiedsperson jedenfalls nicht ausdrücklich. Gegen die Annahme, dass in der dort geregelten Bestimmung der Schiedsperson gleichwohl eine Beleihung liegt, spricht, dass das Gesetz keinerlei Festlegungen oder Vorgaben zu deren Auswahl trifft, sondern diese vorrangig den Vertragsparteien überlässt (vgl Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 250). Angesichts des Umstands, dass der Wortlaut die Frage nach einer Beleihung jedenfalls nicht eindeutig beantwortet, kann die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur dann als Beliehene angesehen werden, wenn systematische Gründe, die Entstehungsgeschichte oder Sinn und Zweck der Reglung dafür sprechen würden, dass der Gesetzgeber der Schiedsperson die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben übertragen wollte. Dies ist aus den nachfolgend genannten Gründen jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG gerade klargestellt, dass der Schiedsperson nach § 73b SGB V - in Übereinstimmung mit der Schiedsperson nach § 132a SGB V - keine hoheitlichen Aufgaben übertragen werden sollen.

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cc) Im Gegensatz zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V hat der 3. Senats des BSG die Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26) nicht eindeutig dem Modell "Vertragshelfer" zugeordnet, sondern diese Frage ausdrücklich offengelassen. Dabei hat der 3. Senat dem Umstand Bedeutung beigemessen, dass § 73b SGB V keine § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V entsprechende Regelung enthält, nach der die Vertragsparteien in Verträgen zu regeln haben, dass im Falle von Nichteinigung eine von den Parteien zu bestimmende unabhängige Schiedsperson den Vertragsinhalt festlegt. Daraus hat der 3. Senat gefolgert, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V im Rahmen eines gesetzlich normierten und nicht eines - wie bei § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V - vertraglich vereinbarten Schiedsverfahrens tätig werde. In der praktischen Umsetzung wirkt sich dieser Unterschied allerdings kaum aus, weil die Vertragspartner nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V nicht frei darüber entscheiden können, ob sie die Festlegung des Vertragsinhalts einer Schiedsperson übertragen, sondern verpflichtet sind, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Falls zwischen den Vertragspartnern eine Einigung auf eine Schiedsperson nicht erzielt werden kann, wird sowohl die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als auch die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V von der für die vertragsschließende Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Dabei kann die Bestimmung einer Schiedsperson durch die zuständige Aufsichtsbehörde auch nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V nicht davon abhängig sein, dass zuvor eine Vereinbarung nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V zustande gekommen ist, nach der der Vertragsinhalt von einer Schiedsperson festgelegt wird(vgl dazu Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 8). Damit bestehen insoweit keine rechtlich bedeutsamen Unterschiede zwischen dem Schiedsverfahren in der HzV und dem Schiedsverfahren in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege (so auch Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15e).

33

dd) Ein Indiz, das gegen die Qualifizierung der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer und für eine Einordnung des Schiedsspruchs als Verwaltungsakt sprechen könnte, hat der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 40, auch zur Veröffentlichung für BSGE vorgesehen) ferner in dem Umstand gesehen, dass § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ausschloss. Diese Regelung konnte den Eindruck erwecken, dass der Gesetzgeber die Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Verwaltungsakte angesehen haben könnte, weil sie gesetzessystematisch nur einen Sinn ergibt, wenn es sich bei der angegriffenen Entscheidung der Schiedsperson um einen Verwaltungsakt handelt. Schließlich bezieht sich die aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs 1 SGG auf den Widerspruch und auf die Anfechtungsklage, die sich grundsätzlich gegen einen Verwaltungsakt richten müssen.

34

Dagegen konnte auch nicht - wie in der Begründung des Schiedsspruchs - mit Erfolg eingewandt werden, die Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts durch einen Vertragshelfer bewirke in entsprechender Anwendung zivilrechtlicher Bestimmungen, dass der Vertrag während der Dauer des Rechtsstreits nicht umsetzbar sei und die Formulierung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF, nach der die Klage keine aufschiebende Wirkung habe, könne aus diesem Grund nicht als Indiz für die rechtliche Einordnung der Entscheidung der Schiedsperson als Verwaltungsakt herangezogen werden.

35

(1) Die Auffassung, nach der die von der Schiedsperson getroffene Bestimmung zum Vertragsinhalt während eines Klageverfahrens um deren Rechtmäßigkeit nicht beachtet werden müsse, trifft nicht zu. Für zivilrechtliche Verträge wird die Frage, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen die offenbare Unbilligkeit der Bestimmung einer Leistung durch einen Dritten nach § 319 Abs 1 Satz 1 BGB die Unbeachtlichkeit der Entscheidung des Dritten zur Folge hat, nicht einheitlich beantwortet. Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass die offenbar unbillige Leistungsbestimmung bereits unabhängig von der Erhebung einer Einrede oder einer Klagerhebung unwirksam sei (Rieble in Staudinger, BGB, Leistungsstörungsrecht 2, Neubearbeitung 2009, § 319 RdNr 17 f; zu § 315 Abs 3 BGB vgl LG Mainz Urteil vom 5.3.2007 - 5 O 94/06 - Juris). Dagegen wird eingewandt, dass die offenbare Unbilligkeit nicht die Nichtigkeit bedeute (vgl OLG Frankfurt am Main Urteil vom 3.12.1998 - 3 U 257/97 - NJW-RR 1999, 379 = Juris RdNr 25) und dass auch die unbillige Bestimmung des Dritten binde, bis sie durch Gerichtsurteil ersetzt werde (Würdinger in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl 2012, § 319 RdNr 23). Dies soll aber nach wohl hM nicht für den Fall gelten, dass die offenbare Unbilligkeit von einem Vertragspartner binnen angemessener Frist geltend gemacht wird (vgl OLG Frankfurt am Main, aaO, mwN; Wolf in Soergel, BGB, Bd 2, 12. Aufl 1990, § 319 RdNr 16; zur ähnlichen Regelung in § 315 Abs 3 BGB vgl Grüneberg in Palandt, BGB, 74. Aufl 2015, § 315 RdNr 16; zur Fälligkeit einer Forderung bei einer Schiedsgutachtenvereinbarung im Falle des Übergangs der Leistungsbestimmung nach § 319 Abs 1 Satz 2 BGB auf das Gericht erst mit Rechtskraft des Urteils vgl BGH Urteil vom 4.7.2013 - III ZR 52/12 - NJW-RR 2014, 492 RdNr 32 ff, mwN). Dagegen geht das BAG im Zusammenhang mit der Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber in entsprechender Anwendung des § 315 Abs 3 BGB davon aus, dass der Arbeitnehmer an die Konkretisierung des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden sei, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe(BAG Urteil vom 22. 2.2012 - 5 AZR 249/11 - BAGE 141, 34 = AP Nr 127 zu § 615 BGB = NJW 2012, 2605, RdNr 24, mwN).

36

Auf die Festsetzung des Vertrages zur HzV durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V sind die genannten, zu zivilrechtlichen Verträgen entwickelten, ohnehin nicht einheitlichen Positionen - entgegen der in der Begründung der Entscheidung der Schiedsperson vertretenen Auffassung(vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 Fn 61) - nicht ohne Weiteres übertragbar. Für Verträge, die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern zum Gegenstand haben, gelten die Vorschriften des BGB und damit auch die Regelungen zur Bestimmung der Leistungen durch einen Dritten (§§ 317 ff BGB) gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nur entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Daher kann bei der entsprechenden Anwendung der §§ 317 ff BGB nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 1 SGB V verpflichtet sind, ihren Versicherten eine besondere hausarztzentrierte Versorgung anzubieten. Die entsprechende Geltung der Vorschriften des BGB ändert zudem nichts daran, dass es sich bei dem Vertrag nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V zwischen Krankenkassen und den die Hausärzte vertretenden Gemeinschaften um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 Abs 1 SGB X handelt, weil durch ihn ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet, geändert oder aufgehoben wird. Insofern gilt für Verträge in der HzV nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V nichts anderes als für Verträge zur Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V(vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 6 RdNr 18 f; BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 23)oder auch für die Bundesmantelverträge und Gesamtverträge, die (auch) als öffentlich-rechtliche Verträge zu qualifizieren sind (vgl BSGE 70, 240, 243 = SozR 3-5533 Allg Nr 1 S 4; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14). Für das gerichtliche Verfahren bleiben die Vorschriften des SGG maßgebend. Nach § 86a Abs 1 SGG kommt zwar Klagen gegen belastende Verwaltungsakte aufschiebende Wirkung zu. Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise für Klagen, mit denen die Rechtswidrigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages geltend gemacht wird. Öffentlich-rechtliche Verträge sind wirksam, auch soweit sie rechtswidrig aber nicht nichtig sind (vgl Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 58 RdNr 2). Zur Nichtigkeit führt nur ein besonders schwerwiegender Mangel (zu gesamtvertraglichen Vereinbarungen vgl zB BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14 f). Der Umstand, dass die Partner des Vertrages zur HzV die Möglichkeit haben, gerichtlich mit der Feststellungsklage die Rechtswidrigkeit von Regelungen des Vertrages geltend zu machen, der durch Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommen ist (vgl dazu nachfolgend 4.), ändert daran nichts. Im Ergebnis hat dies zur Folge, dass der durch die Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommene Vertrag, der nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, vorbehaltlich seiner Nichtigkeit umzusetzen ist, solange dessen Rechtswidrigkeit nicht rechtskräftig festgestellt worden ist (vgl bereits Nr 11 der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines GKV-VStG, BT-Drucks 17/7274 S 29; zu einer vom Bundesrat gewünschten Klarstellung mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Abhängigkeit vom Ausgang des vorliegenden Verfahrens vgl die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks 18/4095, Anlage 4 Nr 22; aA: Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 f). Bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens um die Rechtmäßigkeit des von der Schiedsperson festgesetzten Vertrages kann die Pflicht zur Umsetzung des Vertrages nur durch eine einstweilige Anordnung des Gerichts nach § 86b Abs 2 SGG beseitigt werden.

37

(2) Auch wenn angenommen würde, dass die in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF getroffene Regelung zur fehlenden aufschiebenden Wirkung der Klage allein im Sinne einer Klarstellung sicherstellen sollte, dass Schiedssprüche während eines Klageverfahrens zunächst umgesetzt werden, erklärt dies nicht ohne Weiteres die gewählte Formulierung, weil die Verwendung des Begriffs der aufschiebenden Wirkung den Bezug zu § 86a Abs 1 SGG und zu der dort geregelten aufschiebenden Wirkung von Klagen gegen Verwaltungsakte herstellt.

38

Danach stimmte die gesetzliche Regelung zur Schiedsperson in der Versorgung mit Haushaltshilfe nach § 132a Abs 2 SGB V zwar weitgehend mit der Regelung zur Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V überein. Mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts enthielt § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF jedoch eine Regelung, die in § 132a SGB V keine Entsprechung findet und die als Indiz für die Charakterisierung des Schiedsspruchs in der HzV als Verwaltungsakt herangezogen werden konnte.

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ee) Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber auf die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V reagiert und mit dem GKV-VStG die aufschiebende Wirkung auf Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson beschränkt. Eine Regelung, nach der Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts keine aufschiebende Wirkung haben, gibt es seitdem nicht mehr. Ferner wurde mit dem GKV-VStG § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V angefügt. Danach richten sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

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Die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) bestätigt, dass auf diesem Weg bestehende Unklarheiten bezogen auf die rechtliche Einordnung des Schiedsverfahrens in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V ausgeräumt werden sollten und dass - ebenso wie für den Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V - eine eindeutige Einordnung der Schiedsperson als Vertragshelfer erfolgen sollte. Die Einschränkung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V wird damit begründet, dass durch die bisherige Formulierung der Eindruck habe entstehen können, es handele sich bei dem Schiedsspruch um einen Verwaltungsakt. Mit der Streichung werde "klargestellt, dass dies nicht der Fall ist, sondern dass die Schiedsperson analog § 317 BGB als Vertragshelfer tätig wird". Inhaltlich knüpft die Gesetzesbegründung damit an die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege an. Dies wird in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) verdeutlicht, in der unter ausdrücklichem Hinweis auf die genannte Entscheidung des 3. Senats des BSG ausgeführt wird, dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V eine Klarstellung in Richtung auf die Einordnung auch der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer herbeigeführt werden soll. Davon ist im Übrigen auch der 3. Senat in einer Entscheidung vom 8.10.2014 (B 3 KR 7/14 R - SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) ausgegangen.

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Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 73b Abs 4a SGB V mit dem GKV-VStG auch auf die "insoweit vergleichbare(n) Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII"(BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) Bezug nehme. Zutreffend ist allerdings, dass Entscheidungen der Schiedsstellen zur Vergütung von Einrichtungen und Diensten im Bereich der Sozialhilfe nach ständiger Rechtsprechung in der Form eines Verwaltungsakts ergehen. Dies hat das BVerwG bereits zu der § 80 SGB XII im Wesentlichen entsprechenden Vorgängerregelung des § 94 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entschieden(vgl BVerwGE 108, 47). Daran hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78 = Juris RdNr 14; anders zunächst der 3. Senat des BSG: BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4)auch nach der Einführung des § 93b Abs 1 Satz 4 BSHG festgehalten, der bestimmte, dass die Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist. Der Qualifizierung dieses Schiedsspruchs als Verwaltungsakt hat sich der für Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständige 8. Senat des BSG bezogen auf die seit dem 1.1.2005 geltende entsprechende Rechtslage mit einer entsprechenden Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII angeschlossen(BSG SozR 4-3500 § 77 Nr 1, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage in diesem Verfahren "sui generis" vgl auch BSG SozR 4-3500 § 76 Nr 1 RdNr 12, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

42

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus all dem jedoch nicht geschlossen werden, dass mit dem Hinweis auf § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII die im ersten Teil der Gesetzesbegründung eindeutig zum Ausdruck kommende Orientierung am "Vertragshelfermodell" wieder in Frage gestellt würde. Die Formulierung in der Gesetzesbegründung, nach der sich die Regelung "am Wortlaut der insoweit vergleichbaren Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII" orientiert, bezieht sich erkennbar allein auf die Anfügung des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ("Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson."). Dies wird zum einen durch die Verwendung des Wortes "insoweit" und zum anderen daran deutlich, dass nicht der gesamte § 77 Abs 1 SGB XII in Bezug genommen wird, sondern allein dessen Satz 5, der mit dem eingefügten § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V fast wörtlich übereinstimmt. Die Streichung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson wird also nicht mit Hinweis auf § 77 Abs 1 SGB XII begründet, sondern mit dem Ziel klarzustellen, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde tätig wird. Allein bezogen auf die Ergänzung des § 73b Abs 4a SGB V um einen neuen Satz 5 verweist die Gesetzesbegründung auf die fast wortgleiche Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII.

43

Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des BVerwG war die Regelung, nach der sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen die Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson richten, im Übrigen auch nicht Anknüpfungspunkt für die Einordnung des Schiedsspruchs im Sozialhilferecht als Verwaltungsakt. Das BVerwG (vgl BVerwGE 116, 78, 82 f) hat die Entscheidung der Schiedsstelle keineswegs wegen der Regelung, nach der die Klage gegen die andere Vertragspartei zu richten ist, als Verwaltungsakt qualifiziert, sondern vielmehr trotz der Einführung dieser Regelung und entgegen einer in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung (Münder in LPK-BSHG, 5. Aufl 1998, § 94 RdNr 2; Gottlieb, NDV 2001, 257, 261; Wabnitz, ZfJ 2001, 33, 37; vgl auch BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4) an seiner bereits zuvor bestehenden Rechtsprechung zur Einordnung des Schiedsspruchs nach § 77 Abs 1 SGB XII als Verwaltungsakt festgehalten.

44

Im Übrigen - also mit Ausnahme des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V - unterscheidet sich die Regelung zum Schiedsverfahren nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII grundlegend von der zur Festlegung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Qualifizierung der Schiedsstelle nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII als Behörde und deren Schiedsspruch als Verwaltungsakt stehen deshalb nicht im Widerspruch zur Einordnung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer. Abgesehen davon, dass nach § 77 Abs 1 Satz 3 SGB XII nicht eine natürliche Person, sondern eine Schiedsstelle entscheidet, die gemäß § 80 Abs 2 Satz 1 SGB XII mit Vertretern der Vertragsparteien und einem unparteiischen Vorsitzenden besetzt ist, spricht für den Charakter dieser Schiedsstelle als Behörde auch die Formulierung in § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII, nach der es einer Nachprüfung der Entscheidung in einem Vorverfahren nicht bedarf. Genau diese Formulierung (die sich vor dem 1.1.2005 in § 93b Abs 1 Satz 5 BSHG und vor der Einführung des § 93b BSHG zum 1.1.1999 in § 93 Abs 3 Satz 4 Halbsatz 1 BSHG fand) hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78, 81 f) zur Begründung seiner Auffassung herangezogen, dass der Gesetzgeber diese Schiedsstellenentscheidung - trotz der Regelung, nach der eine Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist - als Verwaltungsakt ausgestalten wollte. Eine § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII entsprechende Formulierung findet sich in § 73b Abs 4a SGB V aber nicht.

45

ff) Danach ist mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG geklärt, dass es sich bei der Schiedsperson, die im Konfliktfall den Inhalt des Vertrages zur HzV feststellt, nicht um eine Behörde handelt und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht(ebenso: Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15d, 15f; Huster in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 17; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 251; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 22; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 23; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 64; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b RdNr 69; SG München Urteil vom 16.7.2014 - S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 27; aA Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1; LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 3.6.2014 - L 7 KA 12/14 B ER - Juris).

46

gg) Die Zuordnung der Schiedsperson für die HzV zum Modell "Vertragshelfer" anstelle des Modells "Schiedsamt" bezieht sich nicht allein auf die Zeit seit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1.1.2012. Wie oben dargelegt, entsprach § 73b Abs 4a SGB V bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend der für die häusliche Krankenpflege geltenden Regelung zur Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V, für die jedenfalls seit der Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) die Einordnung als Vertragshelfer geklärt ist. Die rechtliche Einordnung des Schiedsspruchs der Schiedsperson in der HzV war gleichwohl bis zum Inkrafttreten des GKV-VStG zum 1.1.2012 nicht geklärt, sondern in der og Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 ausdrücklich offengelassen worden. Unter diesen Umständen war der Gesetzgeber nicht gehindert, eine Klarstellung herbeizuführen. Dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V sowie der Anfügung eines neuen Satzes 5 die in der og Entscheidung des 3. Senats des BSG vom 25.11.2010 offengelassene Frage geklärt werden sollte und dass die Regelung somit nur der Klarstellung des bereits zuvor Gewollten dienen sollte, kommt sowohl in der Begründung des Regierungsentwurfs eines GKV-VStG (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Nr 13) als auch in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) eindeutig zum Ausdruck.

47

3. Die Klägerin kann auch nicht - entsprechend dem Antrag zu 2. - die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V erreichen.

48

Soweit der 3. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V von der Statthaftigkeit einer sog Ersetzungsklage ausgegangen ist, mit der dem Gericht aufgegeben werden soll, den Inhalt des Vertrages bei Unbilligkeit der Festlegungen der Schiedsperson zu bestimmen, folgt der Senat dem für die HzV nach § 73b SGB V nicht. §§ 317 ff BGB treffen Regelungen für Konstellationen, in denen sich die Parteien zuvor aus freiem Willen auf eine Schiedsperson geeinigt haben, der die Aufgabe übertragen wird, den Vertrag rechtsgestaltend zu ergänzen. Die Schiedsperson hat also lediglich vertragsausfüllende und vertragsergänzende Funktion (vgl Schnapp, NZS 2010, 241, 245, mwN). Auf die Verträge zur HzV, deren Inhalt vollständig gegen den Willen der Krankenkasse von einer durch die zuständige Aufsichtsbehörde bestimmten Schiedsperson festgelegt werden kann (vgl § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 und 2 SGB V), sind diese Bestimmungen im Rahmen der nur entsprechenden Anwendung nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nicht uneingeschränkt übertragbar. Davon ist im Grundsatz auch schon der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 33) bezogen auf das Schiedsverfahren nach § 132a Abs 2 SGB V ausgegangen, indem er abweichend von § 319 Abs 1 Satz 1 BGB nicht darauf abgestellt hat, ob die durch die Schiedsperson getroffene Bestimmung "offenbar unbillig" ist, sondern die einfache "Unbilligkeit" als Voraussetzung für die Ersetzung des Schiedsspruchs durch die Entscheidung des Gerichts genügen lässt.

49

Der Überlegung, das Gericht könne im Falle der Unbilligkeit den Inhalt der Entscheidung der Schiedsperson ersetzen, liegt die Vorstellung zugrunde, vom Gericht werde ein punktuelles Eingreifen oder die Entscheidung bezogen auf einzelne zwischen den Vertragsparteien umstrittene Punkte verlangt. So liegen die Dinge etwa im Bereich des § 65c Abs 6 Satz 8 SGB V bei der Höhe der Meldevergütungen zum klinischen Krebsregister. Dabei geht es um die Vergütungshöhe für bestimmte Leistungen, die in angemessener Höhe festzusetzen sind. Bei der Festlegung des Inhalts der Verträge zwischen Krankenkassen und den Erbringern von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V stehen zumindest nach den bisherigen gerichtlichen Erfahrungen die "Preise" für die Leistungen im Mittelpunkt des Konflikts der Vertragspartner, obwohl der Schlichtungsauftrag der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 1 und 6 SGB V weitergehen kann. Ob für solche eher punktuellen Festlegungen die Ersetzungsklage mit der Konsequenz der abschließenden Entscheidung durch ein Gericht sachgerecht ist, lässt der Senat offen; er muss deshalb auch nicht beim 3. Senat anfragen, ob dieser an seiner Rechtsprechung dazu festhält. Jedenfalls ist diese Konzeption auf die Verträge nach § 73b SGB V nicht übertragbar.

50

Gerichte können nicht umfassende Vertragswerke festsetzen, Regelungen über den Datenaustausch formulieren und die Beziehungen der Partner der Verträge untereinander vollständig regeln (zu § 132a Abs 2 SGB V vgl die Bedenken von Plantholz, RsDE 64<2007>, 1, 20 f, 23). Die dazu erforderliche Kenntnis nicht zuletzt der technischen Abläufe und deren Gestaltbarkeit ist bei den Gerichten ohne die Kooperation der Vertragspartner, auf die die Schiedsperson setzen kann, nicht vorhanden; insoweit müssten regelmäßig Sachverständige hinzugezogen und möglicherweise sogar mit der Formulierung beauftragt werden. Die Gerichte könnten nur punktuell - etwa bei der Höhe der Vergütung der teilnehmenden Ärzte - nach dem Maßstab der Angemessenheit entscheiden. Soweit ersichtlich, gibt es bisher auch keine sozialgerichtliche Entscheidung, in der ein durch eine Schiedsperson festgesetzter komplexer Vertrag wegen Unbilligkeit aufgehoben und durch einen gerichtlich festgesetzten Vertragsinhalt ersetzt worden wäre.

51

Aus den genannten Gründen muss sich die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V an dem Muster der Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V orientieren: Das Gericht prüft, ob die von einem der Beteiligten gerügten Festsetzungen mit höherrangigem Recht unvereinbar sind, bezeichnet ggf solche Rechtsverstöße und stellt weiter die Verpflichtung der Vertragspartner fest, diese Verstöße zu beseitigen. Wenn das im Wege freier Verhandlungen nicht gelingt, muss erneut eine Schiedsperson tätig werden, die - wie die Partner auch - an die Rechtsauffassung gebunden ist, die dem Feststellungsurteil zugrunde liegt.

52

Der naheliegende Einwand gegen diese Rechtsschutzkonzeption, dass eine abschließende Festlegung des Vertragsinhalts nicht zeitnah gewährleistet wird, greift im Ergebnis nicht durch. Es erscheint bereits fraglich, ob die Festsetzung des komplexen Inhalts eines Vertrages zur HzV durch ein für derartige Aufgaben nicht ausgestattetes Gericht oder eine Festlegung des Vertragsinhalts unter Einbeziehung von Sachverständigen, die das Gericht zu bestellen hätte, zu einer Beschleunigung des Verfahrens beitragen könnten. Auch kann dahingestellt bleiben, ob dem Einwand der Klägerin zu folgen ist, dass die Gestaltung des vollständigen Vertragsinhalts durch das Gericht - die im Verwaltungsprozessrecht sonst keine Entsprechung finden dürfte - in Widerspruch zum Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art 20 Abs 2 Satz 2 GG geriete, weil die Gerichte allein dazu berufen sind, Verwaltungshandeln zu kontrollieren (vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 7 f unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 13 sowie BSGE 90, 42, 44 = SozR 3-8570 § 4 Nr 4). Ausschlaggebend ist, dass der Gesetzgeber den Weg der gerichtlichen Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen - und nicht deren Ersetzung durch die Gerichte - auch sonst im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung - und zwar gemäß § 89 Abs 1a SGB V auch für gesetzlich vorgeschriebene Verträge - gewählt hat. Selbst wenn ein gesetzlich vorgeschriebener Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung nicht zustande kommt und keine der Parteien bei dem Schiedsamt einen Antrag auf Herbeiführung der Einigung stellt, sieht § 89 Abs 1a Satz 1 SGB V keine Ersetzung durch die Aufsichtsbehörde, sondern lediglich ein Recht der Aufsichtsbehörde zur Anrufung des Schiedsamts vor. Solange das Schiedsamt überhaupt fristgerecht tätig wird, beschränkt sich auch die Kontrolle der Entscheidung durch die Aufsichtsbehörden gemäß § 89 Abs 5 Satz 5 SGB V auf Rechtsverstöße. Eine Festsetzung des Vertragsinhalts durch die für das Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde sieht der mit dem GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, 2210) eingeführte § 89 Abs 1 Satz 5 SGB V nur ausnahmsweise für den Fall vor, dass das Schiedsamt auch nach Fristsetzung durch die Aufsichtsbehörde untätig bleibt. Die daraus erkennbar werdende Konzeption des Gesetzgebers, zumindest im Bereich des SGB V Schiedssprüche im Regelfall nicht durch Entscheidungen der Aufsichtsbehörden und erst Recht nicht durch gerichtliche Entscheidungen zu ersetzen, sondern die Kontrolle auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit zu beschränken, ist auf die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V zu übertragen.

53

4. Richtige Klageart ist danach die Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 SGG), die die Klägerin hilfsweise erhoben hat. Diese ist auch zulässig, in der Sache aber nur zum geringen Teil begründet.

54

a) Der Zulässigkeit des in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Feststellungsantrags steht nicht entgegen, dass die Klägerin einen solchen im Revisionsverfahren bis zum Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung nicht formuliert hatte. Zwar darf das BSG über den Antrag grundsätzlich nicht hinausgehen und eine Klagänderung ist gemäß § 168 Satz 1 SGG im Revisionsverfahren unzulässig. Zulässig ist jedoch eine Erweiterung des Klagantrags im Sinne des § 99 Abs 3 SGG, soweit damit keine neuen Revisionsgründe geltend gemacht werden(vgl BSGE 31, 112, 113 = SozR Nr 55 zu § 164 SGG) und auch der Übergang von der Anfechtungsklage zur Feststellungsklage (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 99 RdNr 4 mwN). Ausschlaggebend ist, dass der historische Lebenssachverhalt, aus dem der Anspruch abgeleitet wird, unverändert geblieben ist (vgl BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 5). Das ist hier der Fall. Eine solche Erweiterung des Revisionsantrags ist auch noch nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung bis zum Schluss der mündlichen Revisionsverhandlung möglich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 10 mwN).

55

Die Klägerin hat die Klage zutreffend gegen die Beklagten als Parteien des Vertrages zur HzV gerichtet. Seit der Änderung durch das GKV-VStG regelt § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ausdrücklich, dass Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson zu richten sind. Dies galt aufgrund des Umstands, dass die Schiedsperson keine Behörde ist und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht (vgl oben 2.), auch bereits für die Zeit vor Inkrafttreten der gesetzlichen Klarstellung mWv 1.1.2012 und damit auch bereits zum Zeitpunkt der Klagerhebung am 9.9.2011 (zur Ersetzungsklage gegen die Entscheidung Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 30). Die Tätigkeit der Schiedsperson ist mit dem Erlass des Schiedsspruchs beendet (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen). Aus diesem Grund ist die Schiedsperson zu dem Verfahren um die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Vertragsinhalts auch nicht notwendig beizuladen (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 31).

56

b) Für die Begründetheit der Feststellungklage wird in der Regel auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21 mwN). Vorliegend ist jedoch - in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin - vom Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson am 9.9.2010 auszugehen. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs für den Zeitpunkt seines Ergehens geltend macht. Grundsätzlich hat sie an einer Klärung der Frage, ob der Vertrag zum Zeitpunkt seiner Festsetzung rechtmäßig war, auch ein berechtigtes Interesse. Später eintretenden Änderungen haben die Vertragsparteien gemäß § 22 Abs 2 Satz 2 des Vertrages nach den Grundsätzen von Treu und Glauben Rechnung zu tragen. Soweit diese vertragliche Regelung nicht eingreift, folgt die Möglichkeit zur Anpassung des Vertrages aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X, wobei die vertragliche Regelung Vorrang hat(vgl BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 1 RdNr 25). Nach § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X kann eine Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an geänderte Verhältnisse verlangen, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert haben, dass der Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Wenn eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, kann diese den Vertrag kündigen. Auch diese Vorschrift setzt voraus, dass Änderungen seit Abschluss des Vertrages eingetreten sind. Insofern ist für die Klägerin weiterhin von Interesse, ob der Schiedsspruch zum Zeitpunkt der Vertragsfestsetzung rechtmäßig war. Dagegen ist weder eine Anpassung noch die Kündigung des durch Schiedsspruch festgesetzten Vertrages Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, sodass es auf später eingetretene Änderungen grundsätzlich nicht ankommen kann. Die etwa infolge der Abschaffung der Praxisgebühr (Streichung des § 28 Abs 4 SGB V mit Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom 20.12.2012, BGBl I 2789) erforderlichen Anpassungen des Vertrages (vgl dazu ua § 2 Abs 4, § 13 des Vertrages) sind ersichtlich nicht aufgrund unterschiedlicher Auffassungen der Vertragspartner, sondern wegen der im Vordergrund stehenden grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten und der deshalb bisher nicht erfolgten Umsetzung des Vertrages unterblieben. Eine auf den Anpassungsbedarf bezogene gerichtliche Feststellung hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

57

Allerdings sind im vorliegenden Verfahren Änderungen der Rechtslage zu berücksichtigen, die Einfluss auf das Fortbestehen des Feststellungsinteresses der Klägerin haben. Für die Beurteilung des Feststellungsinteresses ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (zur Fortsetzungsfeststellungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 131 RdNr 10, 10i; vgl auch BSG SozR 4-2700 § 215 Nr 2 RdNr 11). Da der streitgegenständliche Vertrag zur HzV bisher nicht umgesetzt wurde, kann ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin nur bestehen, soweit es darauf für die noch bevorstehende Umsetzung des Vertrages ankommt. Bedeutung gewinnt diese Frage hier bezogen auf Vereinbarkeit des Vertrages mit Bestimmungen zum Datenschutz (vgl dazu im Einzelnen nachfolgend d ii, RdNr 90).

58

c) Die gerichtliche Kontrolle der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson richtet sich aus den og Gründen nach den in der Rechtsprechung zur Überprüfung von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V entwickelten Maßstäben. Danach unterliegt auch die Entscheidung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur in eingeschränktem Umfang der gerichtlichen Kontrolle(vgl die stRspr zu § 89 SGB V: BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 3 RdNr 18; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11 mwN). Die Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle berücksichtigt, dass Schiedspersonen - ebenso wie Schiedsämter - deren Sprüche Vereinbarungen der zum Vertragsabschluss berufenen Vertragspartner ersetzen, eine weite Gestaltungsfreiheit haben. Dies trägt dem Wesen der Schiedssprüche Rechnung, die auf Interessenausgleich angelegt sind und Kompromisscharakter haben (vgl BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5). Der Schiedsspruch ist daher nur daraufhin zu überprüfen, ob die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen beachtet und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten wurden. Mithin ist in formeller Hinsicht zu klären, ob das Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs festgestellt hat und der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennen lässt (stRspr zu § 89 SGB V vgl etwa: BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13). Die inhaltliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsperson den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (zum Schiedsamt vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 20 S 131; BSGE 86, 126, 135 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11). Die Prüfung beschränkt sich dabei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf die Beachtung von Vorschriften, die unmittelbar Rechte der Vertragsparteien zu schützen bestimmt sind (aA zur Frage der Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen auch: LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 188). Deren Betroffenheit in eigenen Rechten folgt bereits aus dem Umstand, dass sie Partner des durch die Schiedsperson festgesetzten Vertrages sind. Die Bindung an einen solchen Vertrag müssen sie nur hinnehmen, soweit die darin getroffenen Bestimmungen materiell rechtmäßig sind. Insofern hat der Umstand, dass der Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, keinen Einfluss auf den gerichtlichen Prüfungsumfang.

59

d) Die Überprüfung der Entscheidung der Schiedsperson anhand der genannten Maßstäbe ergibt, dass die Festsetzung des Vertragsinhalts allein bezogen auf die Vereinbarkeit mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz zu beanstanden ist. Im Übrigen entspricht der Schiedsspruch den rechtlichen Anforderungen.

60

aa) Einwände bezogen auf die Einhaltung verfahrensrechtlicher Anforderungen werden von den Beteiligten nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere durfte die Schiedsperson den Vertragsinhalt am 9.9.2010 festsetzen, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch ein Klageverfahren zur Frage der Rechtmäßigkeit der Bestimmung der Schiedsperson anhängig war. Da Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson gemäß § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V keine aufschiebende Wirkung haben, war die Schiedsperson trotz des anhängigen Klageverfahrens berechtigt (und verpflichtet), tätig zu werden(zur Bestellung einer Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 27, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

61

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht zu beanstanden, dass die Schiedsperson nicht allein den Beklagten zu 1. (Hausärzteverband, Landesverband Baden-Württemberg), sondern auch den Beklagten zu 2. (Medi Baden-Württemberg eV) als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag aufgenommen hat.

62

(1) Gemäß § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30.6.2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Nur die so definierten Gemeinschaften von Allgemeinärzten sind gemäß § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 SGB V berechtigt, die Einleitung eines Schiedsverfahrens zu verlangen. Diese Anforderungen müssen jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson erfüllt sein (so auch bereits Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 27; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 17.1.2011 - L 7 KA 66/10 B ER - Juris RdNr 5). Die genannten Voraussetzungen werden von den beiden Beklagten erfüllt.

63

(2) Mit dem Begriff der Allgemeinärzte sind nicht alle nach § 73 Abs 1a SGB V an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte angesprochen. Vielmehr wird der Begriff übereinstimmend mit § 73 Abs 1a Nr 1 SGB V verwendet, sodass darunter nur die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte fallen, die nach Landesrecht zur Führung der Bezeichnung "Arzt für Allgemeinmedizin" berechtigt sind. Vorbehaltlich landesrechtlicher Übergangsregelungen wird also eine fünfjährige Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin vorausgesetzt (Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 14; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 29a; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 11.10.2010 - L 11 KA 61/10 B ER - GesR 2011, 32 = Juris RdNr 35 ff; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 31 ff; vgl auch BT-Drucks 16/10609 S 54). Diesen Begriff der "Allgemeinärzte" hat die Schiedsperson ihrer Prüfung, ob die og 50 %-Quote erreicht wird, zutreffend zugrunde gelegt. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.

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(3) Gemeinschaften, die die Einleitung eines Schiedsverfahrens beantragen können, müssen nach § 73b Abs 4 Satz 1 und 2, Abs 4a Satz 2 SGB V mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV "vertreten". Dass die Beklagten zu 1. und zu 2. gemeinsam diese Quote erfüllen, wird zu Recht auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V verwendete Begriff "vertreten" wird jedenfalls nicht als eine Vertretung im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Handlung im fremden Namen(§ 164 BGB) verstanden werden können. Vielmehr schließen die in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaften die Verträge mit den Krankenkassen im eigenen Namen ab. Ausschlaggebend ist daher die Zahl der Mitglieder der Gemeinschaft (so auch die ganz hM vgl zB Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; Huster, NZS 2010, 69, 70; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 128; ders in Orlowski/Rau/Schermer/ Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 31b; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 35; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Wie in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen dargelegt wird, waren 3492 der insgesamt 5089 in Baden-Württemberg an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte für Allgemeinmedizin und damit deutlich mehr als die Hälfte Mitglied einer der beiden Beklagten. Allein bei dem Beklagten zu 1. (Hausärzteverband Baden-Württemberg) waren 2742 der in Baden-Württemberg zugelassenen Fachärzte für Allgemeinmedizin Mitglied. Weil mindestens 2566 Allgemeinärzte - und damit ebenfalls mehr als die Hälfte - die beiden Verbände auch mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hatten, wäre die og Voraussetzung hier im Übrigen auch erfüllt, wenn eine Mandatierung erforderlich wäre.

65

Die Klägerin ist allerdings der Auffassung, dass jedenfalls der Beklagte zu 2. die gesetzlich geregelte Quote nicht erfüllen würde und dass dieser deshalb nicht als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag zur HzV hätte aufgenommen werden dürfen. Die Erfüllung der Quote sei bezogen auf jeden einzelnen Verband zu prüfen, sodass die gemeinsame Erfüllung durch mehrere Verbände nicht genüge. Dies trifft indes nicht zu. Zwar waren nur 1267 Allgemeinärzte und damit weniger als die Hälfte der in Baden-Württemberg zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Allgemeinärzte Mitglied des Beklagten zu 2. Darauf kommt es indes nicht an. Vielmehr genügt, dass beide Beklagten als Vertragspartner der Klägerin gemeinsam mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte vertreten und zum gemeinsamen Vertragsschluss zu identischen Konditionen bereit waren und sind.

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Der Begriff der "Gemeinschaften" wird gesetzlich nicht definiert. Der entsprechende Begriff in § 741 BGB wird nach dem Sinn der Regelung offensichtlich nicht in Bezug genommen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass keine Beschränkung auf eine bestimmte Rechtsform beabsichtigt war und dass weder eine innere noch eine äußere Organisationsstruktur vorgegeben wird (ebenso Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Huster, NZS 2010, 69, 70; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 73b RdNr 13; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 16; vgl auch Bayerisches LSG Beschluss vom 27.6.2009 - L 12 KA 33/09 B ER - GesR 2009, 477, 480). Ausschlaggebend ist allein die soziale Mächtigkeit der Gemeinschaft und die daraus folgende Möglichkeit, eine flächendeckende Versorgung zu organisieren (Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127 f; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Huster, NZS 2010, 69, 70; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Diese Auffassung wird insbesondere durch die in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/10609 S 53 f) zum Ausdruck kommende Zielsetzung der Regelung gestützt. Danach sollte mit der zum 1.1.2009 eingeführten Neuregelung durch das GKV-OrgWG vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) das mit dem GKV-WSG eingeführte eigenständige Verhandlungsmandat der Gemeinschaft von Hausärzten gestärkt werden. Gemeinschaften, die die 50 %-Quote erfüllen, gewährleisteten, dass eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung durch den Vertragsschluss erreicht werden könne. Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung ist davon auszugehen, dass sich Kooperationen nicht nur - wie ausdrücklich gesetzlich geregelt (§ 73b Abs 4 Satz 1 SGB V)- auf Seiten der Krankenkassen, sondern auch auf Seiten der Hausärzte an dem Vertrag zur HzV beteiligen können. Dem gesetzgeberischen Ziel, eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur HzV zu erreichen, wird schon Rechnung getragen, wenn nicht jeder einzelne Verband, sondern nur die Kooperation von Hausarztverbänden die genannte Quote erfüllt (so auch das dem Schriftsatz der Klägerin vom 12.2.2015 als Anlage RK 29 übersandte "Ergebnisse der Besprechung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 22.1.2009 zu Fragestellungen/Problemen im Zusammenhang mit § 73b SGB V in der Fassung vom 1.1.2009", S 3 unter III. 2.; ausdrücklich bezogen auf die beiden Beklagten des vorliegenden Verfahrens: Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 32).

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cc) Der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV verletzt nicht den Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V. Entgegen der Auffassung der Klägerin findet dieser Grundsatz auf den vorliegenden, vor dem 22.9.2010 zustande gekommenen Vertrag keine Anwendung.

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(1) In der hier maßgebenden Fassung des § 73b SGB V vor der Änderung durch das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2309) war die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die HzV nicht geregelt. Die Einfügung des § 73 Abs 5a SGB V mit dem GKV-FinG, in dessen Satz 1 bestimmt wird, dass bei der zwischen den Krankenkassen und den die Allgemeinärzte vertretenden Gemeinschaften der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71 SGB V zu beachten ist, gilt ausdrücklich nur für nach dem 22.9.2010 zustande gekommene Verträge. Der hier zu beurteilende Vertrag ist bereits mit der Festsetzung durch die Schiedsperson vom 9.9.2010 und damit bis zum 22.9.2010 zustande gekommen.

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Die Beschränkung der Geltungsdauer der Bestandsschutzregelung nach § 73b Abs 5a Satz 5 SGB V idF des GKV-FinG auf die Zeit bis zum 30.6.2014 greift nicht ein, weil diese Frist nur für Anschlussvereinbarungen und nicht für den hier zu beurteilenden, bis zum 22.9.2010 geschlossenen Vertrag selbst gilt. Im Übrigen ist § 73b Abs 5a SGB V mit dem dort geregelten Grundsatz der Beitragssatzstabilität durch das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch(14. SGB V-Änderungsgesetz - 14. SGB V-ÄndG) vom 27.3.2014 (BGBl I 261) mWv 1.4.2014 aufgehoben worden, sodass diese Regelung auch im Falle einer Kündigung des Vertrages zur HzV keine Wirkung mehr entfalten könnte.

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§ 73b SGB V in der hier maßgebenden Fassung unterscheidet sich damit zB von der die Gesamtvergütung betreffenden Bestimmung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V idF vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2013, der die Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) für die Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen anordnete. Allein der Umstand, dass es in § 73b SGB V an einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung für die HzV fehlt, schließt die Geltung dieses Grundsatzes allerdings noch nicht aus. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität allgemein für die im Vierten Kapitel des SGB V geregelten Vergütungsvereinbarungen gilt, ohne dass es einer auf die jeweilige Vergütungsvereinbarung bezogenen speziellen Regelung bedarf. Dies hat der Senat insbesondere aus dem Standort des § 71 SGB V im Abschnitt "Allgemeine Grundsätze" des Vierten Kapitels abgeleitet(BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 17). Bei dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität handelt es sich um eine verbindliche gesetzliche Vorgabe, die auch bei Schiedssprüchen zu beachten ist und die eine verbindliche Grenze für Vergütungsvereinbarungen darstellt (vgl BSGE 86, 126, 135 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 296 f; BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 15 f mwN).

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Dies gilt jedoch nur, soweit keine Ausnahme eingreift. Solche Ausnahmen und Einschränkungen sind für unterschiedliche Vergütungsvereinbarungen im Vierten Kapitel des SGB V enthalten. So gilt nach § 87a Abs 3 Satz 2 letzter Halbsatz SGB V in der Fassung des GKV-WSG der vereinbarte Behandlungsbedarf als "notwendige medizinische Versorgung" im Sinne des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V mit der Folge, dass die Beschränkungen aus dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität für Gesamtvergütungen in der vertragsärztlichen Versorgung seit 2009 insoweit nicht eingreifen(vgl BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 41). Für die integrierte Versorgung bestimmt § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht für Verträge gilt, die bis zum 31.12.2008 geschlossen worden sind. Für die zahnärztliche Versorgung ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität mit der Änderung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V zwar nicht aufgehoben, aber eingeschränkt worden, indem nicht mehr die Beachtung, sondern nur noch dessen Berücksichtigung vorgeschrieben wird(vgl dazu Axer, GesR 2013, 135, 138 f). Eine ähnliche Einschränkung enthält § 134a Abs 1 Satz 2 SGB V für die Versorgung mit Hebammenhilfe.

72

Für die HzV folgt eine Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V. Danach können Einzelverträge Abweichungen von den Vorschriften "dieses Kapitels" - also des Vierten Kapitels des SGB V - sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. Das Vierte Kapitel umfasst die §§ 69 bis 140h SGB V und damit auch § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; ähnlich Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 257 f; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

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Eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität kann entgegen der Auffassung von Ebsen aus dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (Rechtliche Anforderungen an das Handeln der Schiedsperson für die Festlegung des Inhalts des Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b Abs 4a SGB V, Rechtsgutachten im Auftrag des AOK-Bundesverbandes aus Juli 2009, unveröffentlicht, RdNr 55) auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V die Nichtgeltung für die Verträge zu integrierten Versorgungsformen ausdrücklich anordnet, während § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V für die HzV nur allgemein Ausnahmen von den Vorschriften des Vierten Kapitels zulässt. Zwar trifft es zu, dass sich der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V mit dem GKV-WSG ua an § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V anlehnen wollte(BT-Drucks 16/3100, S 112), der Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels betrifft. § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, der die Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die integrierte Versorgung ausdrücklich regelt, bleibt in der Gesetzesbegründung zu § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V hingegen unerwähnt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels nur mit Ausnahme des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität zulassen würde. Im Wortlaut der Regelung findet eine solche einschränkende Auslegung keine Grundlage. Der im Gutachten von Ebsen gezogene Vergleich zwischen den für die HzV und den für die integrierte Versorgung geltenden Regelungen berücksichtigt zudem nicht hinreichend, dass § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels des SGB V nicht umfassend, sondern nur insoweit zulässt, als "die abweichende Regelung dem Sinn und der Eigenart der integrierten Versorgung entspricht, die Qualität, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der integrierten Versorgung verbessert oder aus sonstigen Gründen zu ihrer Durchführung erforderlich ist". Da § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels umfassend zulässt, bedurfte es keiner § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V entsprechenden speziellen Regelung zur Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität. Im Übrigen vertritt auch Ebsen nicht die Auffassung, dass die Krankenkassen bei Verträgen zur HzV den Grundsatz der Beitragssatzstabilität umfassend zu beachten hätten. Vielmehr will er den "unternehmerisch" im Wettbewerb stehenden Krankenkassen für freiwillige Vereinbarungen einen größeren Spielraum zubilligen und lediglich den Gestaltungsspielraum der Schiedsperson beschränken (vgl RdNr 31 ff, 61 des Gutachtens). Indes ist die Gestaltungsfreiheit der Schiedsperson nicht geringer als diejenige der Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung. Insofern gilt für Schiedssprüche von Schiedspersonen nichts anderes als für solche der Schiedsämter (vgl zum Gestaltungsspielraum von Schiedsämtern BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 73 RdNr 15; BSGE 86, 126, 134 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295 mwN).

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Etwas anderes folgt auch nicht aus § 73b Abs 8 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des GKV-WSG, die im Übrigen mit der seit dem 1.4.2014 (wieder) geltenden Fassung des 14. SGB V-ÄndG übereinstimmt. Nach dieser Vorschrift können die Parteien des Vertrages zur HzV vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach § 73b Abs 7 SGB V fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanziert werden, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach § 73b Abs 4 SGB V erzielt werden. Aus der Formulierung "können vereinbaren" folgt, dass es sich nicht um eine für die Vertragspartner verbindliche Vorgabe handelt. Damit übereinstimmend hat der Gesundheitsausschuss, auf dessen Empfehlung die Regelung mit dem GKV-WSG eingeführt worden ist, zur Begründung angegeben, dass es sich um eine Klarstellung handele. In den Verträgen zu HzV könne vereinbart werden, zusätzliche Vergütungen durch Einsparungen zB bei den veranlassten und verordneten Leistungen zu generieren (BT-Drucks 16/4247 S 36).

75

Dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität für die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV keine Geltung beansprucht, findet seine Bestätigung in der Änderung des § 73b SGB V mit dem GKV-FinG. Der mit diesem Gesetz neu eigeführte § 73b Abs 5a SGB V sah in Satz 1 eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ausdrücklich nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge vor. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/3040 S 23) entsprach es auch dem Willen des Gesetzgebers, die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV von der Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität auszunehmen. Danach sollte es für diese Verträge bei der "im bisherigen Recht angelegten Vertragsfreiheit der Vertragsparteien auch im Hinblick auf die Vergütungshöhe" bleiben.

76

Auch die Motive, die den Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zum 14. SGB V-ÄndG (BT-Drucks 18/606 S 11) zur Aufhebung des § 73b Abs 5a SGB V und zur "Rückführung" des Abs 8 auf die vor dem GKV-FinG geltende Fassung mWv 1.4.2014 veranlasst haben, sprechen dafür, dass es sich bei den Änderungen durch das GKV-FinG - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht nur um eine Klarstellung bezogen auf den ohnehin geltenden Grundsatz der Beitragssatzstabilität gehandelt hat, sondern dass dieser Grundsatz im Bereich der HzV allein aufgrund des - mit dem 14. SGB V-ÄndG wieder aufgehobenen - § 73b Abs 5a SGB V und damit auch nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV galt. Nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Änderung zurückgeht, sollten die mit dem GKV-FinG eingeführten Vergütungsbeschränkungen wieder aufgehoben werden, "da sie sich als Hemmnis für den Abschluss von Verträgen über eine hausarztzentrierte Versorgung erwiesen haben". Die Vertragspartner sollten - auch für Vereinbarungen über solche Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen - die Möglichkeit erhalten, Vergütungsvereinbarungen zu treffen, ohne hierbei starren Begrenzungen zu unterliegen. Entscheidend sei, dass der Vertrag "insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot" entspreche. Die Gestaltungsspielräume der Vertragspartner sollten bezogen auf die Vergütung erweitert und die Möglichkeiten zur Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte verbessert werden.

77

(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die Vergütung in der HzV auch nicht aus den für die für Wahltarife geltenden Bestimmungen des § 53 Abs 3, Abs 9 SGB V hergeleitet werden. Allerdings weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass die Krankenkassen nach § 53 Abs 3 SGB V verpflichtet sind, in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen - ua nach § 73b SGB V - teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Daran anknüpfend schreibt § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V vor, dass die Aufwendungen für jeden Wahltarif jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden müssen. Danach sei - so die Klägerin - der Abschluss eines Hausarztvertrages ausgeschlossen, der Mehrkosten vorsehe, ohne dass deren Gegenfinanzierung gesichert sei. Der vorliegende Vertrag zur HzV enthalte Regelungen zu Mehrausgaben, deren Gegenfinanzierung spekulativ bleibe.

78

Indes betrifft die Regelung zu den Wahltarifen das Verhältnis der Krankenkassen zu den Versicherten und nicht das Leistungserbringungsrecht. Ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 53 Abs 9 SGB V könnte deshalb nur die Rechtsmäßigkeit der Satzung der Krankenkasse berühren und nicht die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; vgl Mehdorn, ZMGR 2012, 3, 12; ebenso bezogen auf einen Vertrag nach § 73c SGB V: SG Berlin Urteil vom 13.10.2010 - S 83 KA 443/08 - MedR 2011, 124, 128). Dies räumt auch Ebsen in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (aaO, RdNr 74) im Grundsatz ein, macht jedoch geltend, dass es den Kassen auch bei Verträgen mit Leistungserbringern selbstverständlich verboten sei, Vereinbarungen zu treffen, die zu einem Verstoß gegen ihre Pflichten im Versicherungsverhältnis führten. Dem kann zwar im Grundsatz zugestimmt werden. Der Senat hat Bedenken gegen die Auffassung des SG München aus der Entscheidung vom 16.7.2014 (S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 47 f), nach der ein Vertrag zur HzV bereits deshalb nicht gegen § 53 Abs 9 SGB V verstoßen könne, weil die möglicherweise durch diesen Vertrag verursachten Mehrkosten keine "Aufwendungen für den Wahltarif" im Sinne des § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V seien und dass diese deshalb auch nicht durch Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen gegenfinanziert werden müssten. Der Begriff der "Aufwendungen für den Wahltarif" dürfte im Grundsatz umfassender zu verstehen sein als das SG München annimmt (zu Mindereinnahmen als "Aufwendungen für den Wahltarif" vgl BSGE 109, 230 = SozR 4-2500 § 53 Nr 2, RdNr 21). Für das vorliegende Verfahren kommt es darauf indes nicht an. Jedenfalls kann die eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der HzV nicht über das Verbot der Quersubventionierung von Wahltarifen aus § 53 Abs 9 SGB V unterlaufen werden(in dieser Richtung auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35 = Juris RdNr 48). Maßgebend ist die - für das Leistungserbringungsverhältnis vorrangige - Regelung des § 73b SGB V. Daher ist § 53 Abs 9 SGB V insoweit einschränkend auszulegen. Soweit die Vertragspartner des HzV von der Gestaltungsfreiheit Gebrauch machen, die der Gesetzgeber ihnen mit der bereichsspezifischen Ausnahme vom Gebot der Beitragssatzstabilität einräumen wollte, kann allein darin kein Verstoß gegen das Verbot der Quersubventionierung aus § 53 Abs 9 SGB V liegen.

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(3) Die für die HzV geltende Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität und die daraus folgende Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 53 Abs 9 SGB V begegnet entgegen der Auffassung der Klägerin auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass sich die Sozialversicherungsbeiträge durch eine strenge grundrechtlich und kompetenzrechtlich begründete Zweckbindung auszeichnen und dass die unter Eingriff in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art 2 Abs 1 GG zustande gekommene Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung die Auferlegung nur solcher Geldleistungen zu rechtfertigen vermag, die ihren Grund und ihre Grenze in den zwingenden Aufgaben der Sozialversicherung finden (vgl BVerfGE 113, 167, 203 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 55). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ist in einem Sozialstaat überragend wichtiges Gemeinschaftsgut (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139). Daraus folgt jedoch nicht, dass der in § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V definierte Grundsatz der Beitragssatzstabilität von der Verfassung vorgegeben wäre(zur Einschränkung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der vertragszahnärztlichen Versorgung vgl Axer, GesR 2013, 135, 140). Vielmehr hat der Gesetzgeber im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139; BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 103, 172, 185 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27; BVerfGE 44, 70, 89 = SozR 5420 § 94 Nr 2 S 2). Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind von der Rechtsprechung zu akzeptieren, solange seine Entscheidungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 89, 365, 376 = SozR 3-2200 § 385 Nr 4 S 4).

80

Das Ziel der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung hat der Gesetzgeber mit der Einführung der HzV nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil ist die Verpflichtung der Krankenkassen, ihren Versicherten eine flächendeckende hausarztzentrierte Versorgung zur Verfügung zu stellen, mit dem Ziel eingeführt worden, die Versorgungsqualität zu verbessern und Wirtschaftlichkeitsreserven ua durch Verbesserungen im Bereich Pharmakotherapie, durch den Einsatz von wissenschaftlich begründeten und praxiserprobten hausärztliche Leitlinien und durch eine zielgerichtetere Fortbildung zu erschließen (vgl BT-Drucks 16/3100 S 111 f). Auf die Geltung von Vorschriften des Vierten Kapitels einschließlich des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität hat der Gesetzgeber dabei im Interesse eines weiten Gestaltungsspielraums der Vertragspartner und in der Erwartung verzichtet, dass dieser unter der Beteiligung der Krankenkassen als Vertragspartner im Sinne der og Zielsetzung ausgefüllt wird. Anhaltspunkte dafür, dass diese Erwägungen offensichtlich unzutreffend oder aus anderen Gründen mit der Wertordnung der Verfassung unvereinbar wären, sind weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich. Bei der Einführung neuer Strukturen im Bereich der Leistungserbringung wie dem flächendeckenden Angebot einer HzV können die finanziellen Auswirkungen regelmäßig nicht mit Sicherheit prognostiziert werden. Allein daraus folgt jedoch noch keine Überschreitung des Handlungsspielraums des Gesetzgebers.

81

Auch eine Ungleichbehandlung der Versicherten und damit ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG ist mit der Einführung der HzV entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verbunden, soweit alle Krankenkassen ihrer gesetzlichen Pflicht aus § 73b Abs 1 SGB V nachkommen, ihren Versicherten eine HzV anzubieten, weil dann alle Versicherten die Möglichkeit haben, diese Leistung in Anspruch zu nehmen. Mit der vorliegenden Entscheidung stellt der Senat klar, dass die Klägerin dieser bereits seit Inkrafttreten der Änderungen durch das GKV-WSG zum 1.4.2007 gesetzlich geregelten Verpflichtung nachzukommen hat.

82

dd) Zu beachten bleibt das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot, das seine Grundlage nicht allein in § 70 Abs 1 SGB V und damit einer Vorschrift aus dem nach § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V nicht zwingend anwendbaren Vierten Kapitel, sondern auch in § 2 Abs 4, § 12 SGB V hat. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Für die Geltung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots spricht im Übrigen die Begründung der der Streichung des § 73b Abs 5a SGB V mit dem 14. SGB V-ÄndG zugrunde liegenden Empfehlung des Gesundheitsausschusses (BT-Drucks 18/606 S 11). Danach bleibt entscheidend, "dass der Vertrag insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht". Dagegen gilt die mit der Änderung des § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V durch das 14. SGB V-ÄndG eingeführte Verpflichtung, Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren, nicht für den vorliegenden, am 9.9.2010 festgesetzten Vertrag zur HzV, sondern nur für Verträge, die nach dem 31.3.2014 zustande gekommen sind.

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Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag entspricht dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade in der Phase der Einführung der flächendeckenden HzV keine hohen Anforderungen an die Prognose der wirtschaftlichen Auswirkungen gestellt werden können. Für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung durch die Schiedsperson ist ausschlaggebend, dass die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Gesichtspunkte erkannt, gegeneinander abgewogen worden sind und Eingang in die Begründung gefunden haben. Die Anforderungen an die Begründung dürfen auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Schiedsperson keinen eigenen Verwaltungsapparat unterhält, nicht überspannt werden (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 38). Den so definierten Anforderungen wird die ausführliche Begründung der Entscheidung der Schiedsperson ohne Weiteres gerecht. Dabei wird - wie die Klägerin zutreffend geltend macht - in der Begründung des Schiedsspruchs nicht in Zweifel gezogen, dass zB mit der vorgesehenen kontaktunabhängigen Pauschale (65 Euro pro Versichertenteilnahmejahr) oder der Chronikerpauschale (30 Euro maximal einmal pro Quartal und maximal 4-mal pro Versichertenteilnahmejahr) Vergütungstatbestände in die HzV aufgenommen worden sind, die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen keine Entsprechung finden und dass insgesamt mit einer Erhöhung des Fallwertes zu rechnen ist. Prognostiziert wird eine Erhöhung um 12,38 Euro im Vergleich zur Regelversorgung. Ferner wird ausgeführt, dass die dadurch verursachten Kosten und auch die erzielten Einsparungen nicht genau zu prognostizieren seien. Allerdings gebe es mit der Vergütungsobergrenze nach § 10 Abs 9 des Vertrages (76 Euro) Regelungen, die geeignet seien, das Risiko der Krankenkassen zu begrenzen. Einsparungen könnten ua aufgrund der Verpflichtung der Versicherten erwartet werden, Fachärzte nur auf Überweisung in Anspruch zu nehmen. Dies führe zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen. Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass jeder Facharztbesuch auch Folgekosten bei den veranlassten Leistungen nach sich ziehe, sodass eine - medizinisch vertretbare - verminderte Inanspruchnahme von Überweisungen zu Fachärzten auch geringere Folgekosten bedinge. Ein gewisses Einsparpotenzial ergebe sich des Weiteren durch die Verpflichtung der Hausärzte, bei der Arzneimittelversorgung die von den Vertragspartnern der HzV zur Verfügung gestellte Software zu verwenden, die gerade bei Original-Präparaten ermöglichen solle, dass der Hausarzt wirtschaftliche Verordnungen vornehmen könne. Insgesamt werden finanzielle Risiken und Einsparpotenziale in der Begründung des Schiedsspruchs ausführlich dargestellt und gegeneinander abgewogen. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung erster Erfahrungen mit ähnlichen Verträgen (Vertrag der BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für Baden-Württemberg, AOK Bayern-Vertrag) kommt die Schiedsperson nachvollziehbar zu der Einschätzung, dass in Umsetzung des Vertrages eine wirtschaftliche Leistungserbringung durch die teilnehmenden Hausärzte erwartet werden kann.

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ee) Dagegen kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Schiedsperson lediglich einen unvollständigen "Vertragstorso" festgesetzt habe. Zwar trifft es zu, dass die Schiedsperson die vorgesehenen Anlagen zum Vertrag nicht vollständig festgesetzt, sondern teilweise der weiteren Vereinbarung durch die Vertragsparteien überlassen hat (etwa zum Hilfsmittelmanagement und zu verschiedenen Vergütungszuschlägen, die ua eine wirtschaftliche Verordnungsweise fördern sollen). Gerade in der Anfangsphase nach Einführung der flächendeckenden HzV ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Vertragsparteien in der Phase der Umsetzung des Vertrages weitere Konkretisierungen und Ergänzungen vornehmen. Ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV ist allein, ob dieser in der vorliegenden Form umgesetzt werden kann. Daran hat der Senat keine Zweifel.

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ff) Auch der Einwand der Klägerin, die Schiedsperson habe in Verkennung des rechtlichen Rahmens angenommen, dass die HzV nur als Vollversorgungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag vereinbart werden dürfe, sie habe dadurch ihren Gestaltungsspielraum verkannt und dies allein führe zur Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs, greift nicht durch. Dass die HzV jedenfalls auch in der Form eines sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrages vereinbart werden kann, der die bisherige Regelversorgung nach § 73 SGB V umfasst und diese nicht lediglich ergänzt, unterliegt keinem Zweifel. Auf die umstrittene Frage, ob eine HzV in Form eines sog Add-on-Vertrages den gesetzlichen Vorgaben entsprechen würde (gegen die Rechtmäßigkeit von Add-on-Verträgen auf der Grundlage des § 73b SGB V: Hess in Kasseler Komm, Stand Dezember 2014, § 73b SGB V RdNr 3; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 47; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 27 f; mit dieser Tendenz auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 8 ff; ähnlich: Sproll in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Februar 2015, § 73b SGB V RdNr 8: "Beide Versorgungsformen schließen sich gegenseitig aus" sowie Orlowski, ZMGR 2009, 124, 125: HzV als "eigenständig zu regelnde einzelvertragliche Versorgung"; anders jedoch Huster, SGb 2010, 253 ff; ders in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 21; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 6; SG Marburg Urteil vom 3.8.2011 - S 12 KA 237/10 - Juris RdNr 29 ff), kommt es für die Entscheidung nicht an. Jedenfalls hat die Schiedsperson mit der Festsetzung eines Vollversorgungsvertrages ihren möglichen Entscheidungsspielraum nicht überschritten. In der Begründung des Schiedsspruchs wird die Auffassung vertreten, dass allein die Vereinbarung eines Vollversorgungsvertrages der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Die Frage, ob deshalb ein Add-on-Vertrag rechtswidrig wäre, wird aber letztlich offengelassen. Die Schiedsperson weist zur weiteren Begründung ua darauf hin, dass sie sich in Ausübung ihres billigen Ermessens für einen Vollversorgungsvertrag entschieden habe, weil dieser den Krankenkassen und den Hausarztgemeinschaften die Möglichkeit eröffne, strukturelle Verbesserungen in der Leistungserbringung für die Versicherten vorzunehmen, während Add-on-Verträge nur punktuelle Ansätze böten. Damit hat die Schiedsperson die Entscheidung für einen Vollversorgungsvertrag den Anforderungen entsprechend begründet.

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gg) Der Vertrag ist auch nicht rechtswidrig, soweit er in § 6 sowie in den Anlagen 4 und 6 Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der HzV enthält, die in einzelnen Punkten (Verbleib des Originals der Teilnahmeerklärung bei der Krankenkasse oder in der Arztpraxis, Frist zwischen der Abgabe der Teilnahmeerklärung und dem Beginn der Teilnahme des Versicherten, Kündigungsfrist für die Teilnahme, Frist für den Wechsel des Hausarztes, ua) vom Inhalt der Satzung der Klägerin abweichen. Zwar trifft der Einwand der Klägerin zu, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 3 Satz 4 SGB V idF des GKV-WSG (heute: Satz 7) bisher(zu der im Entwurf eines GKV-VSG vorgesehenen Änderung vgl BT-Drucks 18/4095 S 16 f zu Art 1 Nr 27 Buchst a) verpflichtet sind, das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, in ihren Satzungen zu regeln. Auf der anderen Seite setzt jedoch auch das Angebot einer HzV, das durch Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V flächendeckend gewährleistet werden soll, Regelungen zur Teilnahme der Versicherten voraus, sodass diese idR auch Gegenstand des Vertrages zur HzV sein werden. Bei der Entscheidung, ob die vertraglichen Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der Satzung der Krankenkasse auszurichten sind oder ob umgekehrt die Krankenkasse ihre Satzung dem Inhalt der Verträge anzupassen hat, ist zu berücksichtigen, dass die Verträge zur HzV über die Festlegung durch eine Schiedsperson ggf auch gegen den Willen der Krankenkassen zustande kommen sollen. Dies steht einer Auslegung dahin entgegen, dass die Krankenkassen der anderen Partei des Vertrages zur HzV die Regelungen zur Teilnahme der Versicherten durch ihre Satzung einseitig vorgeben könnten. Ferner ist von Bedeutung, dass durch die Änderung des § 79 Abs 1 SGB V mWv 1.1.2005 bezogen auf die Vertretungskompetenz - die die Vertretung beim Abschluss von Selektivverträgen einschließt - ein originärer Aufgabenbereich des Vorstands der Krankenkassen geschaffen werden sollte, der nicht vollständig der Gestaltungsmacht der Vertreterversammlung unterworfen ist (BSGE 114, 274 = SozR 4-2500 § 81 Nr 7, RdNr 33, 37 ff). Auch dies spricht dagegen, dass Inhalte des Vertrages zur HzV durch die von der Vertreterversammlung verabschiedete Satzung der Krankenkasse einseitig vorgegeben werden könnten. Daher sind Regelungen des Vertrages zur HzV zur Teilnahme der Versicherten nicht bereits rechtswidrig, wenn sie vom Inhalt der Satzung der Krankenkasse abweichen. Vielmehr ist - wie das LSG bereits zutreffend ausgeführt hat - die Krankenkasse verpflichtet, ihre Satzung dem Inhalt des Vertrages anzupassen (ebenso: Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 50).

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Die im Vertrag zur HzV getroffenen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten müssen danach zwar nicht mit dem Inhalt der Satzung der Krankenkasse übereinstimmen, aber die übrigen gesetzlichen und untergesetzlichen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten beachten. Bezogen auf den hier in erster Linie maßgebenden Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ist der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV auch insoweit nicht zu beanstanden. Allerdings werden bei der bevorstehenden Durchführung des Vertrages die in der Zwischenzeit eingetretenen gesetzlichen Änderungen zu berücksichtigen sein. Eine entsprechende Verpflichtung zur Anpassung ist in den Schlussbestimmungen des Vertrages (§ 22 Abs 2) geregelt und folgt im Übrigen aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X. Neben der Berücksichtigung der mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013 (BGBl I 277) eingeführten Bestimmungen zum Widerrufsrecht der Versicherten (§ 73b Abs 3 Satz 3 bis 6 SGB V) gehört dazu auch die Beachtung der am 26.8.2013 in Kraft getretenen Vorgaben zur Abgabe der Teilnahmeerklärung aus der Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach § 217f Abs 4a SGB V.

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hh) Der Rechtmäßigkeit der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson steht nicht entgegen, dass zuvor keine Auftragsvergabe nach den Vorschriften des Vergaberechts durchgeführt worden ist. Zwar fanden gemäß § 69 Abs 2 Satz 1 SGB V in der hier maßgebenden seit dem 18.12.2008 geltenden Fassung des GKV-OrgWG die die Vergabe öffentlicher Aufträge betreffenden Vorschriften der §§ 97 bis 115 und 128 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auf die in § 69 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Rechtsbeziehungen der Krankenkassen ausdrücklich Anwendung, soweit die dort genannten Voraussetzungen erfüllt waren. Dies galt nach § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V jedoch nicht für Verträge von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind und bei deren Nichtzustandekommen eine Schiedsamtsregelung gilt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Festsetzung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson als "Schiedsamtsregelung" in diesem Sinne zu verstehen ist und ob Satz 2 damit der Anwendbarkeit der §§ 97 ff GWB entgegensteht. Unabhängig von dieser ohnehin nur klarstellenden (vgl BT-Drucks 16/10609 S 52) Beschränkung der Anwendbarkeit wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen, die sich im Übrigen seit der Änderung durch das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2262) nicht mehr auf die Vorschriften des Vierten Teils des GWB (§§ 97 ff GWB) bezieht (vgl jetzt § 69 Abs 2 Satz 4 SGB V), kann ein öffentlicher Auftraggeber dem Kartellvergaberecht nur unterworfen sein, wenn dieser eine Auswahl zwischen verschiedenen Vertragspartnern hat (Kaltenborn, GesR 2011, 1, 2; Engelmann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand Oktober 2013, § 69 RdNr 141; vgl zur Rechtslage vor der Änderung durch das AMNOG: Sormani-Bastian, ZESAR 2010, 13). Daran hat sich im Übrigen auch durch die neuen europäischen Vergaberichtlinien nichts geändert. Nach Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 2014/23/EU vom 26.2.2014 über die Konzessionsvergabe (ABl L 94, 1) sollen Regelungen, nach denen ohne gezielte Auswahl alle Wirtschaftsteilnehmer, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, berechtigt sind, eine bestimmte Aufgabe wahrzunehmen, nicht als Konzessionen gelten. Das betrifft auch Regelungen aufgrund einer Vereinbarung zwischen Behörde und Wirtschaftsunternehmen. Nichts anderes gilt, soweit der Vertrag zur HzV europarechtlich nicht als Dienstleistungskonzession, sondern als entgeltlicher Beschaffungsvertrag angesehen wird: Nach Art 1 Abs 2 der Richtlinie 2014/24/EU vom 26.2.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl L 94, 65) setzt die Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie voraus, dass Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen von öffentlichen Auftraggebern "ausgewählt werden".

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Der sich aus § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ergebende Kontrahierungszwang, der gemäß § 73b Abs 4 Satz 2 iVm Abs 4a SGB V von entsprechend qualifizierten Gemeinschaften durch die Beantragung des Schiedsverfahrens und die Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson durchgesetzt werden kann, hat zur Folge, dass der vertragschließenden Krankenkasse kein Auswahlermessen zukommt, sondern dass der Vertragspartner bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bereits feststeht. Eine Auswahl zwischen verschiedenen Bietern ist also bezogen auf die Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ausgeschlossen. Dies steht der Annahme eines öffentlichen Auftrages im Sinne des § 99 GWB entgegen(so auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 32a; Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137 f; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b SGB V, RdNr 62; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 34; ähnlich Orlowski, ZMGR 2009, 124, 130; BKartA Beschluss vom 2.7.2010 - VK 1 - 52/10 - Juris; bezogen auf die HzV nach § 73b SGB V allerdings nur im Ergebnis ebenso die Begründung zum GKV-OrgWG: BT-Drucks 16/10609 S 52).

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ii) Der Vertrag zur HzV ist mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vollständig kompatibel. Maßgebend ist dabei grundsätzlich die Rechtslage zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson (vgl 4 b, RdNr 56). Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen bereits deshalb nicht zu vereinbaren, weil es an der erforderlichen Befugnisnorm für die dort geregelte Weitergabe von Abrechnungsdaten an private Stellen in Gestalt der HÄVG und der HÄVG Rechenzentrum AG gefehlt hat (nachfolgend 1). Indes ist für die Beurteilung des Feststellungsinteresses die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (vgl 4 b, RdNr 57). Die Klägerin hat weder ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 55 Abs 1 SGG an der isolierten Feststellung einer Rechtswidrigkeit des - bisher nicht durchgeführten - Vertrages zur HzV unter Zugrundelegung einer nicht mehr geltenden Rechtslage nachvollziehbar geltend gemacht noch einen Anspruch gegenüber den Beklagten auf Änderung des Vertrages entsprechend der nicht mehr geltenden Rechtslage. Ein fortbestehendes Feststellungsinteresse kann deshalb nur anerkannt werden, soweit es darauf auch noch für die bevorstehende Durchführung des Vertrages ankommt. Daher ist ergänzend die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats und damit nach Einführung des § 295a SGB V durch Art 3 Nr 9 des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze vom 28.7.2011 (BGBl I 1622, 1627) mWv 4.8.2011 zu berücksichtigen (nachfolgend 2). Die von der Klägerin erhobenen datenschutzrechtlichen Einwände greifen daher zum überwiegenden Teil nicht durch (nachfolgend 3, 5, 6). Soweit der Vertrag zur HzV jedoch auch mit den geänderten bundesrechtlichen Vorgaben nicht vollständig zu vereinbaren ist, sind die Vertragspartner verpflichtet, diesen zu ändern (nachfolgend 4 und 7).

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(1) Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV sieht vor, dass die Abrechnung der Vergütung des Hausarztes gemäß den Vorgaben der Anlage 3 durch die HÄVG als Abrechnungsdienstleister erfolgt (§ 11 Abs 1). Die HÄVG ist berechtigt, sich zum Zwecke der Abrechnung eines Rechenzentrums im Sinne der Anlage 3 zu bedienen (§ 11 Abs 2 Satz 2). Nach Anlage 3 § 6 Satz 2 wird von der HÄVG hierzu "derzeit" die HÄVG Rechenzentrum AG eingesetzt. Damit übereinstimmend werden die Versicherten mit dem Merkblatt (Anhang zu Anlage 6 des Vertrages) unter der Überschrift "Wichtige Informationen zum Schutz Ihrer Daten - Ihre Einwilligung" darüber informiert, dass die Abrechnung der ärztlichen Vergütung ua "über die Dienstleistungsgesellschaft des Hausärzteverbandes und MEDI, die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) und ihr Rechenzentrum erfolgt". Nach § 11 Abs 4 zahlt die Krankenkasse die Vergütung mit schuldbefreiender Wirkung an die HÄVG.

92

Für die damit vorgesehene Weitergabe von Patientendaten zu Abrechnungszwecken fehlte zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts die erforderliche Rechtsgrundlage. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 10.12.2008 (B 6 KA 37/07 R - BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2)im Einzelnen dargelegt hat, setzt die Übermittlung von Patientendaten durch Leistungserbringer an private Dienstleistungsunternehmen im Geltungsbereich des SGB V eine bereichsspezifische Befugnisnorm voraus. Als solche kam allein § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009 (BGBl I 1990) in Betracht. Diese Regelung, mit der der Gesetzgeber auf das og Urteil des Senats vom 10.12.2008 reagiert hat, war bis zum 30.6.2010 - und damit auf einen Zeitpunkt vor der Festsetzung des Vertragsinhalts - befristet. Über § 320 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24.7.2010 (BGBl I 983) waren diese Sätze jedoch bis zum 1.7.2011 und damit auch noch zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts am 9.9.2010 weiter anzuwenden. Danach durfte für die ärztlichen Leistungen, die im Rahmen von Verträgen ua zur HzV nach § 73b SGB V erbracht und mit den Krankenkassen abgerechnet wurden, eine andere Stelle mit der Verarbeitung und Nutzung der für die Abrechnung dieser Leistungen erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragt werden. § 80 SGB X war anzuwenden. Auftraggeber und Auftragnehmer unterlagen der Aufsicht der nach § 38 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zuständigen Aufsichtsbehörde.

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§ 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V aF erlaubte danach allein die Beauftragung einer anderen Stelle im Sinne einer Auftragsdatenverarbeitung(vgl OVG Schleswig-Holstein Beschluss vom 12.1.2011 - 4 MB 56/10 - CR 2011, 359). Der ausdrücklich in Bezug genommene § 80 SGB X regelt die Voraussetzungen der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten im Auftrag. Dass mit der Einfügung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V die Übermittlung von Daten an private Stellen nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung geltenden Voraussetzungen zugelassen werden sollte, wird auch durch die Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Regelung zurückgeht, bestätigt: Danach sollten die Voraussetzungen, unter denen dem Sozialgeheimnis unterliegende Stellen andere Stellen mit der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten beauftragen können, und die Rechtsfolgen einer solchen Beauftragung auch für die besonderen Versorgungsformen gelten(vgl BT-Drucks 16/13428 S 96 unter Bezugnahme auf die Begründung zur entsprechenden Regelung für Krankenhäuser nach § 120 Abs 6, S 92).

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Bei der in dem Vertrag vorgesehenen Übermittlung von Abrechnungsdaten durch den Arzt an die HÄVG handelt es sich nicht um eine nach § 295 Abs 1b SGB V aF zulässige Auftragsdatenverarbeitung. Die Auftragsdatenverarbeitung ist datenschutzrechtlich privilegiert. Sie stellt keine Übermittlung im Sinne des § 67 Abs 6 Satz 2 Nr 3 SGB X dar(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; I. Palsherm in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand Juli 2013, § 80 RdNr 15). Eine Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X liegt vor, wenn der Auftragnehmer die Datenverarbeitung in vollständiger Abhängigkeit von Vorgaben des Auftraggebers durchführt(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; zur entsprechenden Regelung in § 11 BDSG vgl Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5). Die Auftragsdatenverarbeitung ist abzugrenzen von der Funktionsübertragung. Diese liegt dann vor, wenn dem Service-Unternehmen eine eigene rechtliche Zuständigkeit für die Aufgabe, deren Erfüllung die Datenverarbeitung oder die Nutzung dient, zugewiesen ist (Gola/Klug, BDSG, 12. Aufl 2015, § 11 RdNr 9). Wesentliches Merkmal für die Abgrenzung der Auftragsdatenverarbeitung von der Funktionsübertragung (Aufgabenübertragung) ist die Entscheidungsbefugnis über die Daten. Liegt diese bei der beauftragten Stelle und kommt dieser nicht nur eine Hilfs- und Unterstützungsfunktion zu, kann nicht mehr von einer Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X ausgegangen werden(Rombach in Hauck/Noftz, SGB X, Stand November 2014, § 80 RdNr 20; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 12, 14).

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Das im Vertrag geregelte Verhältnis des an der HzV teilnehmenden Hausarztes zur HÄVG entspricht nicht dem Bild einer Auftragsdatenverarbeitung. Die HÄVG führt die Abrechnung keineswegs in vollständiger Abhängigkeit von dem teilnehmenden Hausarzt für diesen durch. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass der Hausarzt an dem Vertrag zur HzV, der die Einzelheiten vorgibt, nicht unmittelbar beteiligt ist und damit keinen unmittelbaren Einfluss auf dessen Ausgestaltung hat. Der einzelne Hausarzt hat auch keinen Einfluss darauf, wer für ihn die Daten verarbeiten soll. Bereits eine solche fehlende Auswahlmöglichkeit spricht gegen das Vorliegen einer Auftragsdatenverarbeitung (Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3b; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5a). Zudem wird ihm vorgegeben, welche Datenverarbeitungsprogramme (Software) er für die Abrechnung zu verwenden hat. Damit ist insgesamt davon auszugehen, dass die HÄVG die Abrechnungsdaten in eigener Verantwortung oder im Auftrag der Beklagten verarbeitet bzw durch die HÄVG Rechenzentrum AG verarbeiten lässt, aber jedenfalls nicht im Auftrag des Hausarztes tätig wird. Der Vertrag regelt bezogen auf die Weitergabe der Daten durch den Hausarzt keine nach § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V zulässige Auftragsdatenverarbeitung.

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(2) Mit der Einfügung des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ist die erforderliche gesetzliche Grundlage für die Übermittlung von Abrechnungsdaten durch die an der HzV teilnehmenden Hausärzte geschaffen worden. Anders als unter Geltung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V beschränkt sich die Befugnis nach § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V nicht auf die Beauftragung einer anderen Stelle mit der Verarbeitung, Nutzung und Abrechnung personenbezogener Daten. Vielmehr sind die an den entsprechenden Versorgungsformen teilnehmenden Leistungserbringer für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen nach § 73b, § 73c oder § 140a SGB V erbrachten Leistungen gemäß § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V befugt, die nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels des SGB V erforderlichen Angaben an den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite als verantwortliche Stelle zu übermitteln, indem diese Angaben entweder an ihn oder an eine nach § 295 Abs 2 SGB V beauftragte andere Stelle weitergegeben werden; für den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite gilt § 35 SGB I entsprechend. Voraussetzung ist, dass der Versicherte vor Abgabe der Teilnahmeerklärung an der Versorgungsform umfassend über die vorgesehene Datenübermittlung informiert worden ist und mit der Einwilligung in die Teilnahme zugleich in die damit verbundene Datenübermittlung schriftlich eingewilligt hat. Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite oder die beauftragte andere Stelle dürfen die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten und nutzen; sie übermitteln die Daten im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern an den jeweiligen Vertragspartner auf Krankenkassenseite.

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§ 295a Abs 1 Satz 1 SGB V definiert den "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (also den Hausarztverband und nicht den einzelnen Arzt) als die im datenschutzrechtlichen Sinne "verantwortliche Stelle". Insofern trifft § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V eine spezielle Regelung, die den allgemeinen Bestimmungen der §§ 67a ff SGB X vorgeht. Das bedeutet, dass die datenschutzrechtliche Verantwortung mit dem Eingang der Daten bei dem Hausarztverband ("Vertragspartner auf Leistungserbringerseite") oder bei der von ihm beauftragten Stelle auf den Hausarztverband übergeht (vgl BT-Drucks 17/6141 S 39).

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(3) Die Einwände der Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV, die ihre Grundlage in der Annahme haben, dass der Arzt auch nach dem Eingang der Daten bei den Beklagten oder der von ihnen beauftragten Stelle "verantwortliche Stelle" im Sinne des § 67 Abs 9 SGB X bleibe und dass der Arzt die Daten nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung nach § 80 SGB X geltenden Voraussetzungen weitergeben dürfe, greifen damit bezogen auf die seit Inkrafttreten des § 295a SGB V geltenden Rechtslage nicht mehr durch. § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V regelt die Befugnis des Hausarztes zur Weitergabe der für die Abrechnung erforderlichen Daten an den Hausarztverband oder die von diesem mit der Datenverarbeitung beauftragte Stelle unabhängig von den Voraussetzungen einer Auftragsdatenverarbeitung. Auftraggeber einer Datenverarbeitung durch die HÄVG oder ein Rechenzentrum können allein die "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (vgl BT-Drucks 17/6141 S 40, zu § 295a Abs 2) und damit die Beklagten sein.

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(4) Zutreffend ist dagegen der Einwand der Klägerin, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV, die eine Beauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG vorsehen (vgl zB Anlage 3 § 6 Abs 1) mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren sind. Nach § 295a Abs 2 Satz 1 SGB V darf der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite eine andere Stelle mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten beauftragen, die für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen ua zur HzV erbrachten Leistungen erforderlich sind. Gemäß § 295a Abs 2 Satz 2 SGB V ist § 80 SGB X ua mit der weiteren Maßgabe anzuwenden, dass Unterauftragsverhältnisse ausgeschlossen sind. Demnach dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" im Sinne der genannten Regelung zwar die HÄVG oder auch unmittelbar die HÄVG Rechenzentrum AG mit der Verarbeitung der Abrechnungsdaten beauftragen. Die im Vertrag vorgesehene Erteilung eines Unterauftrags an die HÄVG Rechenzentrum AG durch die von den Beklagten beauftragte HÄVG ist dagegen nicht zulässig (zu einer entsprechenden Regelung vgl auch bereits LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

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(5) Nach den von der Klägerin nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die im Vertrag zur HzV zur Verwendung durch den teilnehmenden Arzt vorgeschriebene Software mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen unvereinbar wäre. Soweit die Klägerin erstmals im Revisionsverfahren - nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung - geltend macht, dass die im Vertrag vorgeschriebene Software einen sog "gekapselten Kern" besitze, der die Möglichkeit biete, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar sei, so steht diese Behauptung im Übrigen im Widerspruch zu der von den Beklagten vorgelegten Technischen Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht vom 17.8.2012 (Az: LDA.3-1085.6-12/10), die sich nach den von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen Angaben der Beklagten auf die auch im vorliegenden Vertrag zur HzV vorgeschriebene Software beziehen soll. Die Stellungnahme kommt für den Senat nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die Kontrollmöglichkeiten über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ausreichend transparent seien. Die Datenverarbeitungsvorgänge in der Arztpraxis würden vom Arzt gesteuert.

101

(6) Auch die in Ziff 2.1 der Anlage 4 zum Vertrag vorgesehene Übermittlung von Einschreibedaten ist entgegen der Auffassung der Klägerin datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden. Bei den Einschreibedaten handelt es sich um die in der Teilnahmeerklärung enthaltenen Stammdaten des Versicherten (Name, Anschrift, Geburtsdatum, Versichertennummer), die Daten zu dem gewählten Hausarzt und den Teilnahmebeginn (vgl die der Teilnahmeerklärung beigefügten Informationen zu Datenschutz, Datenübermittlung und -zusammenführung). Diese Angaben sind für die Durchführung der Abrechnung im Sinne des § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V erforderlich und die Verarbeitung und Nutzung dieser Daten erfolgt in Übereinstimmung mit § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V zu Abrechnungszwecken(im Ergebnis ebenso die Bewertung eines insoweit entsprechenden Vertrages durch das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht, Schreiben vom 30.11.2012, Az: LDA.3-1085.6-12/10).

102

(7) Im Widerspruch zu den geltenden gesetzlichen Vorgaben steht dagegen § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum HzV, der die HÄVG zur Führung von Musterverfahren ermächtigt, weil es sich dabei nicht um eine gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V allein zulässige Verarbeitung oder Nutzung zu Abrechnungszwecken handelt. Zwar regelt der Vertrag nicht ausdrücklich die Verwendung personenbezogener Daten in Musterprozessen. Die vorgesehene Führung solcher Prozesse durch die HÄVG setzt die Verwendung personenbezogener Daten der an der HzV teilnehmenden Versicherten jedoch voraus (ebenso zu einer insoweit vergleichbaren Regelung: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38). Gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verwenden. Dass die Verwendung von Daten zur Führung von Musterprozessen über die Verwendung zu Abrechnungszwecken hinausginge, haben die Beklagten im Revisionsverfahren auch nicht in Zweifel gezogen, sondern geltend gemacht, dass die HÄVG tatsächlich keine "Musterverfahren" unter Nutzung personenbezogener Daten führe. Auf die Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung hat dies indes keinen Einfluss.

103

e) Im Ergebnis ist der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag allein insoweit zu beanstanden, als er eine datenschutzrechtlich unzulässige Unterbeauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG sowie das Recht der HÄVG zur Führung von "Musterverfahren" vorsieht. Dem werden die Beteiligten durch entsprechende Änderungen des Vertrages Rechnung zu tragen haben. Davon unberührt bleibt die Verpflichtung der Beteiligten, den seit der Festsetzung des Vertragsinhalts eingetretenen gesetzlichen Änderungen durch Vertragsanpassungen Rechnung zu tragen.

104

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Bei der Kostenverteilung (§ 155 Abs 1 VwGO) hat der Senat berücksichtigt, dass die Klage bezogen auf die beantragte Aufhebung des Vertrages zur HzV ohne Erfolg und bezogen auf die hilfsweise geltend gemachte Feststellung der Rechtswidrigkeit vertraglicher Bestimmungen ganz überwiegend erfolglos war.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. April 2012 geändert. Es wird festgestellt, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vereinbar ist. Insoweit sind die Beteiligten verpflichtet, den Vertrag zu ändern.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 9/10 und die Beklagten tragen 1/10 der Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen einen Schiedsspruch, mit dem der Inhalt eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV) nach § 73b SGB V zwischen ihr und den beiden beklagten Hausarztverbänden festgelegt worden ist.

2

Nachdem sich Klägerin und Beklagte nicht über den Abschluss eines Vertrages zur HzV einigen konnten, beantragten die Beklagten die Einleitung des Schiedsverfahrens. Die Schiedsperson wurde durch das Bundesversicherungsamt (BVA) bestimmt, nachdem auch dazu keine Einigung erzielt werden konnte. Gegen den Bescheid des BVA zur Bestimmung der Schiedsperson wandte sich die Klägerin mit der Klage und beantragte zugleich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Diesen Antrag wies das SG zurück. Die dagegen eingelegten Beschwerden nahm die Klägerin zurück, nachdem der Schiedsspruch ergangen war.

3

Mit einem weiteren Eilverfahren wandte sich die Klägerin erfolglos gegen die Festsetzung eines Verhandlungstermins durch die Schiedsperson. An der anberaumten mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin nicht teil. Zu dem von den Beklagten vorgelegten Vertragsangebot nahm die Klägerin mit insgesamt 68 Einzelanträgen Stellung.

4

Mit Schiedsspruch vom 9.9.2010 setzte die Schiedsperson den Inhalt des Vertrages zur HzV mit Wirkung zum 15.9.2010 fest und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Beklagten erfüllten die Voraussetzung, nach der sie mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Baden-Württemberg vertreten müssten. Die gesetzliche Regelung könne nicht in dem Sinne verstanden werden, dass eine rechtsgeschäftliche Vertretung im Sinne des § 164 Abs 1 BGB erforderlich sei. Vielmehr sei mit der Formulierung des "Vertretens" gemeint, dass die Gemeinschaften eine gewisse soziale Mächtigkeit haben müssten, damit eine flächendeckende Versorgung mit Hausarztverträgen wahrscheinlich sichergestellt werden könne. Da mehr als die Hälfte der Allgemeinärzte Mitglied der beiden beklagten Verbände seien, seien die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Selbst wenn nicht auf dieses Verständnis des "Vertretens" abgestellt würde, seien die Voraussetzungen erfüllt, weil mehr als die Hälfte der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte die Beklagten zu 1. und 2. mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hätten. Die Schiedsperson sei keine Behörde und sie erlasse auch keinen Verwaltungsakt, sondern werde als Vertragshelfer tätig. Als solche habe sie in Wahrnehmung ihres Bestimmungsrechts den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festzusetzen. In Ausübung ihres billigen Ermessens habe sie entschieden, den Vertrag zur HzV als sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag festzusetzen. Allein die Vereinbarung von Vollversorgungsverträgen entspreche der Intention des Gesetzes, mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen durch Erweiterung ihrer Handlungsspielräume zum Abschluss von Verträgen mit Leistungserbringern oder Gruppen von ihnen zu ermöglichen.

5

Der festgelegte Vertragsinhalt entspreche den gesetzlichen Anforderungen an eine HzV und führe zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung für die Versicherten. Er entspreche hinsichtlich des Leistungsinhalts in vollem Umfang den Forderungen, die die Krankenkassen in früher geführten Schiedsverfahren für den Bezirk der KÄV Bayern aufgestellt hätten und gehe auch hinsichtlich der qualitativen Anforderungen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Hinsichtlich der Vergütung der in der HzV zu erbringenden Leistungen orientiere sich der Vertrag in Ausübung billigen Ermessens an dem Vertrag, den die BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für den Bezirk der KÄV Baden-Württemberg abgeschlossen habe. Vergleichbare Vergütungsregelungen fänden sich auch in zahlreichen weiteren Verträgen zur HzV, die Krankenkassen mit Gemeinschaften von Hausärzten geschlossen hätten. Bei der Festsetzung der Höhe der Vergütung seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Beitragssatzstabilität zu beachten. Dem werde die Vergütungsstruktur sowie die daran anknüpfende Vergütungshöhe gerecht. Die wirtschaftlichen Risiken der Krankenkassen würden durch verschiedene - in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen bezeichnete - Maßnahmen beschränkt. Den durch die Vergütung der HzV-Leistungen bedingten Mehrausgaben stünden Einsparungen gegenüber, die jedoch schwer genauer zu prognostizieren seien. Allerdings zeigten Erfahrungswerte aus bereits laufenden HzV-Verträgen, dass (in der Begründung des Schiedsspruchs näher bezeichnete) Einsparungen erzielt würden, mit denen sich die Mehrausgaben finanzieren ließen. Einer Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson stehe auch nicht entgegen, dass die Auftragsvergabe nicht nach den Vorschriften des Vergaberechts ausgeschrieben worden sei und dass die Anwendung des Sozialdatenschutzes auf die HzV-Verträge umstritten sei. Die Anwendung der Regelungen über den Datenschutz sei zwar streitig. Im Gegensatz zum unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein hätten die Landesdatenschutzbeauftragten für Bayern und Baden-Württemberg aber bisher keinen Anlass zu einer datenschutzrechtlichen Beanstandung bezogen auf die bestehenden HzV-Verträge gesehen. Im Hinblick auf diese Rechtslage werde von der Festsetzung einer datenschutzrechtlichen Regelung abgesehen. Die Schaffung einer datenschutzkonformen Regelung über die Weitergabe von Patientendaten an private Abrechnungsstellen bleibe auf der Rechtsgrundlage des § 295 Abs 1b SGB V bilateralen Behandlungen der Beteiligten überlassen. Eine Festsetzung der HzV-Vergütung auf dem Niveau der Regelversorgung scheide aus, weil im Rahmen der HzV ein bestimmtes Ausstattungsniveau der teilnehmenden hausärztlichen Praxen vorgegeben werde. Der an der HzV teilnehmende Hausarzt sei außerdem zur Erlangung bestimmter Weiterbildungsmaßnahmen und Abrechnungsqualifikationen verpflichtet, die in der Regelversorgung nicht gefordert seien. Hinzu trete die verpflichtende Teilnahme des teilnehmenden Hausarztes an den Disease-Management-Programmen sowie die Wahrnehmung der Betreuung von pflegebedürftigen Patienten. Zudem bestehe die Verpflichtung zur Teilnahme an Fortbildungen, zu hausarztspezifischen Themen, was über die generelle Fortbildungspflicht gemäß § 95d SGB V hinausgehe. Schließlich sei das Dienstleistungsangebot der hausärztlichen Praxen in der HzV erweitert. Diese erweiterten Qualifikationen, apparativen Ausstattungen und verbesserten Dienstleistungsangebote führten zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung, die ein höheres Vergütungsniveau im Vergleich zur hausärztlichen Regelversorgung rechtfertige. Durch das gegen die Bestimmung der Schiedsperson anhängige Klageverfahren werde das Wirksamwerden des Vertrages zur HzV nicht gehindert, weil die Klage gemäß § 73b Abs 4a SGB V keine aufschiebende Wirkung habe.

6

Gegen den Schiedsspruch vom 9.9.2010 hat sich die Klägerin mit der am 9.9.2011 erhobenen Klage gewandt und beantragt festzustellen, dass der Schiedsspruch unwirksam sei. Hilfsweise hat sie beantragt, die Regelung zum Inkrafttreten um den Zusatz zu ergänzen, dass der Vertrag nicht in Kraft trete, bevor nicht sämtliche Anlagen zum Vertrag durch die Parteien vereinbart oder durch weiteren Schiedsspruch festgesetzt worden seien. Mit der gegen die Abweisung der Klage (Urteil des SG vom 25.4.2012) erhobenen Berufung hat die Klägerin ua geltend gemacht, dass es sich bei der Entscheidung der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele. Sie gehe aber davon aus, dass eine isolierte Anfechtungsklage zulässig sein müsse. Sofern der Schiedsspruch ein Verwaltungsakt sein sollte, komme eine Leistungsklage in Form der Ersetzungsklage kaum in Betracht, da der Klägerin kein Recht zustehe, den Verwaltungsakt nach ihren Vorstellungen vollständig durch das Gericht ersetzen zu lassen. Demgegenüber haben die Beklagten die Auffassung vertreten, dass der Schiedsspruch als Verwaltungsakt anzusehen und als solcher rechtmäßig sei.

7

Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem Schiedsspruch vom 9.9.2010 um einen Verwaltungsakt handele. Für Beschlüsse einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V gelte nichts anderes als für Entscheidungen der Schiedsämter gemäß § 89 SGB V und der Schiedsstellen nach § 114 SGB V. § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V regele ein förmliches Schiedsverfahren. Zudem habe das BSG für den hier einschlägigen Bereich des Vertragsarztrechts seit jeher die Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs bejaht. Auch die Änderung des § 73b Abs 4a SGB V zum 1.1.2012 durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl I 2983) spreche nicht gegen die Annahme der Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs. Bei der Schiedsperson handele es sich um eine Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X. Dem stehe auch nicht der Umstand entgegen, dass keine Regelung zur staatlichen Aufsicht über die Schiedsperson existiere. Wenn verfassungsrechtlich zu fordernde Regelungen zur Aufsicht fehlten, könne dies allenfalls die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung zur Folge haben. Schiedspersonen nähmen Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahr, wenn sie die Vertragsverhältnisse zwischen einer Krankenkasse und den Verbänden der Hausärzte festlegten. Bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson handele es sich um eine für Ärzte, Patienten und Krankenkassen außerordentlich weitreichende Entscheidung. Für die gerichtliche Prüfung derart komplexer Regelungen mit weitreichenden Auswirkungen eigneten sich die über § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V entsprechend geltenden Vorschriften der §§ 317 ff BGB über den Vertragshelfer nicht. § 317 BGB regele den Fall, dass die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen bleibe. § 317 BGB überlasse der Schiedsperson nicht die Bestimmung des Vertragsinhalts, sondern die Bestimmung der Leistung. Vorliegend würden von der Schiedsperson aber sämtliche gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien festgelegt. Die Festlegung eines Vertrages über die HzV durch die Schiedsperson gehe somit weit über das hinaus, was Vertragshelfer nach § 317 BGB üblicherweise festlegen könnten. Zudem erweise sich der in § 319 BGB genannte Maßstab des "billigen Ermessens" als wenig geeignet für die Prüfung des von der Schiedsperson festgelegten Vertragsinhalts. Schließlich verhindere die Rechtskonstruktion des Vertragshelfers nicht eine Verzögerung der Umsetzung des geschiedsten Vertrages durch in destruktiver Absicht eingelegte Rechtsmittel. Dies zeige der vorliegende Fall. Für die Erhebung der Gestaltungsklagen gelte keine Ausschlussfrist. Damit bleibe für die Vertragsparteien lange unklar, ob der festgelegte Vertrag rechtsverbindlich werde. Auch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung helfe nicht weiter, weil der Vertrag in der Praxis regelmäßig erst dann als umsetzbar angesehen werde, wenn dessen rechtliche Verbindlichkeit auch feststehe. Auch dies zeige der vorliegende Fall.

8

Die isolierte Anfechtungsklage sei zulässig, jedoch nicht begründet. Der Schiedsperson stehe bei der Festlegung des Vertragsinhalts ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Schiedsspruch sei nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle zugänglich. Verstöße gegen wesentliche verfahrensrechtliche Grundsätze lägen nicht vor. Die Schiedsperson habe die Festlegung des Vertragsinhalts ausführlich begründet. Soweit die Klägerin das Fehlen einer Ausgabenobergrenze rüge, übersehe sie § 10 Abs 9 des Vertrages, der eine Begrenzung der HzV-Vergütung auf einen durchschnittlichen maximalen Fallwert von 76 Euro vorsehe. Unbegründet sei auch der Einwand der Klägerin, dass der Vertrag an mehreren Stellen gegen ihre Satzungsregelungen verstoße. Der Vertrag begründe keine Rechte und Pflichten der Versicherten. Den von den Vertragsparteien oder nach Maßgabe des § 73b Abs 4a SGB V von der Schiedsperson an deren Stelle getroffenen Festlegungen komme Vorrang vor dem Satzungsrecht der einzelnen Krankenkasse zu. Die Krankenkasse müsse den sie bindenden Vertrag bei jeglicher Verwaltungstätigkeit einhalten. Wenn die Satzung der Krankenkasse mit den Festlegungen des Vertrages nicht in Einklang stehe, müsse sie daher die Satzung entsprechend ändern und an den Vertrag anpassen. Für den gestellten Hilfsantrag mit dem Ziel, das Inkrafttreten des Vertrages auf den Zeitpunkt zu verschieben, zu dem sämtliche Anlagen vereinbart oder durch Schiedsspruch festgesetzt worden seien, fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Nach § 16 Abs 4 des Vertrages sei dieser zum Halbjahres- oder Jahresende, erstmals zum 31.12.2013 mit einer Frist von sechs Monaten kündbar. Damit werde der Klägerin eine einfachere rechtliche Möglichkeit eröffnet, die Rechtswirkungen des Vertrages zu beseitigen. Zudem müsse sich die Klägerin widersprüchliches Verhalten entgegenhalten lassen. Mit dem Hinausschieben des Inkrafttretens würde der gesetzlich begründete Kontrahierungszwang vereitelt. Aus dem gesamten Verhalten der Klägerin sei zu erkennen, dass sie sich weigere, ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Eröffnung des Angebots einer HzV nachzukommen. Ernsthafte Bemühungen, die fehlenden Vertragsanlagen auszuhandeln, seien nicht ersichtlich. Darüber hinaus sei der Hilfsantrag auch in der Sache nicht begründet. Ausreichend sei, dass der Schiedsspruch in sich schlüssig sei und dass die geregelten Vertragsteile von den Vertragsparteien umgesetzt werden könnten. Daran bestehe kein Zweifel, weil Verträge mit vergleichbaren Inhalten von anderen Krankenkassen durchgeführt würden.

9

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die erhobene Anfechtungsklage sei statthaft, da es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X handele. Sämtliche LSG hätten § 73b Abs 4, Abs 4a SGB V in der Weise ausgelegt. Ihre zuvor vertretene gegenteilige Rechtsauffassung halte sie nicht mehr aufrecht. Änderungen des § 73b SGB V, die zum 1.1.2012 in Kraft getreten seien, seien für das vorliegende Verfahren von vornherein nicht relevant, da für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 maßgeblich sei. Mit der Festsetzung des Vertrages über die besondere hausärztliche Versorgung nach § 73b SGB V treffe die Schiedsperson eine hoheitliche Entscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die unmittelbare Rechtswirkung im Außenverhältnis habe, indem sie verbindlich den Vertrag zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens festsetze. Der Schiedsspruch zur HzV unterscheide sich insofern nicht von dem Schiedsspruch nach § 77 SGB XII, für den sowohl das BVerwG als auch das BSG die Verwaltungsaktqualität ausdrücklich bejaht hätten.

10

Entgegen der Auffassung des LSG sei das Rechtsschutzinteresse nicht im Hinblick auf die zum 31.12.2013 erstmals bestehende Kündigungsmöglichkeit entfallen. Die ordentliche Kündigung des Vertrages zur HzV führe nicht automatisch zu dessen Beendigung, sondern der Vertrag gelte - wenn ein neuer Vertrag zur HzV nicht zustande komme - solange fort, bis in einem Schiedsverfahren ein neuer Vertrag zur HzV festgesetzt worden sei. Die Umsetzung des streitgegenständlichen Vertrages werde zu Recht verweigert. Die Klage habe selbst dann aufschiebende Wirkung, wenn es sich bei dem Schiedsspruch nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Vertragsfestlegung durch einen Dritten entsprechend §§ 315, 317 BGB handeln würde. Bereits die Erhebung der Einrede der offenbaren Unbilligkeit der Vertragsfestsetzung führe ggf entsprechend § 319 Abs 1 BGB zur Unverbindlichkeit der durch den Schiedsspruch getroffenen Vertragsbestimmungen.

11

Der Schiedsspruch sei mit zwingend zu beachtenden bundesrechtlichen Vorgaben zum Datenschutz unvereinbar. Für die nach dem Vertrag zur HzV vorgesehene Einbindung der Beklagten und der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) sowie von Unterauftragsunternehmern in die Verarbeitung sensibler Patientendaten fehle die nach der Rechtsprechung des BSG zwingend erforderliche gesetzliche Grundlage. Auch das Inkrafttreten des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ändere nichts an der datenschutzrechtlichen Unzulässigkeit des Vertrages zur HzV. Maßgebend sei die zum Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 geltende Rechtslage. Selbst wenn die zum 4.8.2011 eingetretenen Änderungen berücksichtigt würden, bliebe es bei der Unvereinbarkeit mit datenschutzrechtlichen Vorgaben. Die in dem Vertrag vorgesehene zwangsweise Verknüpfung der Teilnahme an der HzV mit einer Pflicht zur Weitergabe von Patientendaten an einen bestimmten Dienstleister sei mit den datenschutzrechtlich an die "verantwortliche Stelle" zu stellenden Anforderungen unvereinbar. Weiterhin unzulässig sei der vorgesehene Einsatz einer Vertragssoftware mit einem sog "gekapselten Kern", zu dessen Einsatz die teilnehmenden Hausärzte verpflichtet würden. Damit werde die Möglichkeit geschaffen, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar bzw kontrollierbar sei. Außerdem erlaube der neue § 295a Abs 2 SGB V lediglicheinen Dienstleister in die Verarbeitung von Patientendaten einzubinden. Die Begründung von Unterauftragsverhältnissen werde ausdrücklich ausgeschlossen. Im Widerspruch dazu sehe § 6 Abs 1 der Anlage 3 des streitgegenständlichen Vertrages zur HzV die Einbindung der HÄVG Rechenzentrum AG als Subunternehmer der HÄVG vor. Rechtswidrig sei ferner die in § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum Vertrag geregelte Befugnis der HÄVG, nach eigenem Gutdünken Patientendaten für "Musterverfahren" zur Klärung grundsätzlicher Fragen der Auslegung des Vertrages zur HzV zu verwenden. Unzulässig sei auch die vorgesehene Einbindung der HÄVG in die Einschreibung von Versicherten. Nach § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürften die auf Leistungserbringerseite von den teilnehmenden Hausärzten übermittelten Patientendaten ausschließlich für Abrechnungszwecke verwendet werden.

12

Zudem werde durch Mehrkosten, die der Vertrag unstreitig auslöse und deren Finanzierung durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen nicht gesichert sei, das in § 53 Abs 9 SGB V normierte Gebot der Selbsttragung des Wahltarifs verletzt. Der Wahltarif sei zwingend mit der HzV nach § 73b SGB V verbunden. Nach § 53 Abs 3 SGB V dürften für einen Wahltarif für die besonderen Versorgungsformen keine Zusatzbeiträge erhoben werden. Gleichzeitig verbiete § 53 Abs 9 SGB V eine Quersubventionierung der Wahltarife aus dem allgemeinen Beitragsaufkommen. Dass durch den Vertrag zur HzV Mehrkosten gegenüber der hausärztlichen Regelversorgung entstünden, sei unstreitig. Dem stünden keine gesicherten Refinanzierungsmaßnahmen gegenüber. Darüber hinaus werde der Grundsatz der Beitragssatzstabilität des § 71 Abs 1 SGB V verletzt, der alle Vergütungsvereinbarungen nach dem SGB V erfasse, weil nicht refinanzierte Mehrausgaben nicht verlässlich ausgeschlossen seien. Die Erhebung von Zwangsbeiträgen der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung für die Subventionierung der HzV verletze Art 2 Abs 1 GG. Zudem würde durch die damit verbundene Aufgabe des Solidaritätsprinzips die Unternehmenseigenschaft der Krankenkassen im Sinne des Art 101 ff des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union begründet.

13

Der Schiedsspruch verletze Bundesrecht auch deshalb, weil die Vertragsfestsetzung unvollständig sei. Obwohl der Hilfsmittelbereich als Bereich möglicher Einsparungen in der Begründung des Schiedsspruchs ausdrücklich angesprochen werde und die Anlage 2a zum Hilfsmittelmanagement in § 23 des Vertrages zur HzV genannt werde, habe die Schiedsperson diese Anlage nicht festgelegt. Aus § 23 des Vertrages zur HzV ergebe sich vielmehr, dass diese "in gemeinsamer Absprache noch zu erstellen" sei. Dies sei mit § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V unvereinbar. Gleiches gelte für die fehlenden Anhänge 2 bis 4 der festgesetzten Anlage 3 des Vertrages. Diese sollten ausweislich § 9 der Anlage 3 des Vertrages die Diagnosen zur Abrechnung des Zuschlags für chronisch Kranke, des Zuschlags zur Förderung einer wirtschaftlichen Arzneimittelverordnung ("Rationaler Pharmakotherapie-Zuschlag") sowie eines Zuschlags (sog VERAH-Zuschlag) für Leistungen von besonders qualifizierten medizinischen Fachangestellten ("Versorgungsassistenten") enthalten.

14

Ferner habe die Schiedsperson ihren Gestaltungsspielraum überschritten, indem sie Regelungen zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten zum Gegenstand des Vertrages zur HzV gemacht habe. Die Einschreibebestimmungen des Vertrages zur HzV seien nicht von der Vertragsregelungsbefugnis der Schiedsperson umfasst. Vielmehr habe die Regelung der Teilnahme von Versicherten an der HzV in der Satzung der Krankenkasse zu erfolgen. Die Teilnahme der Versicherten werde in dem Vertrag zur HzV in Widerspruch zu Satzungsbestimmungen der Klägerin geregelt. Dies sei rechtswidrig. Darüber hinaus verletze der Schiedsspruch Bundesrecht, weil dem Beklagten zu 2. (MEDI Baden-Württemberg e.V.) die erforderliche Antragsbefugnis zur Einleitung eines Schiedsverfahrens fehle. Schiedsverfahren könnten nur von Gemeinschaften beantragt werden, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Diese Voraussetzung erfülle der Beklagte zu 2. nicht.

15

Die Schiedsperson habe ihren Beurteilungsspielraum überschritten, indem sie sich bei der Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend an anderen HzV-Verträgen orientiert habe. Die anderen HzV-Verträgen zugrunde liegenden Verhältnisse seien nicht auf die Klägerin übertragbar. Die Schiedsperson hätte sich mit der konkreten Situation der Klägerin und deren Versicherten auseinandersetzen müssen. Das sei nicht geschehen. Ferner sei die Schiedsperson zu Unrecht davon ausgegangen, dass allein ein Vollversorgungsvertrag, nicht dagegen ein sog Add-on-Vertrag der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Damit habe die Schiedsperson den rechtlichen Rahmen verkannt, der ihrem Gestaltungsspielraum zugrunde liegt. Somit leide der Schiedsspruch an einem nicht heilbaren Fehler.

16

Selbst wenn der Schiedsspruch nicht als Verwaltungsakt anzusehen wäre, sei der auf Aufhebung dieses Schiedsspruchs gerichtete Antrag zulässig. Die Festsetzung des Vertragsinhalts durch das Gericht in entsprechender Anwendung des § 319 BGB sei unter Beachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung ausgeschlossen. Denn der Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages über die HzV nach § 73b SGB V sei Aufgabe der Krankenkassen als Selbstverwaltungskörperschaften und Teil der mittelbaren Staatsverwaltung. In die Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume könne die Rechtsprechung als Kontrollinstanz der Verwaltung nicht in der Form eingreifen, dass sie ihre eigenen Erwägungen an die Stelle derjenigen der Verwaltung setze.

17

Die Klägerin beantragt,

        

1.    

die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 zu ändern und den Schiedsspruch vom 9.9.2010 aufzuheben,

        

2.    

hilfsweise, das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 aufzuheben und den Rechtsstreit an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2, 1. Halbsatz BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts zurückzuverweisen,

        

3.    

weiter hilfsweise unter Änderung der Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 festzustellen, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte HzV-Vertrag mit Bundesrecht nicht vereinbar ist.

18

Die Beklagten beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

19

Sie führen zur Begründung aus: Das angefochtene Urteil des LSG sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Allerdings sei der Schiedsspruch kein Verwaltungsakt. Mit dem GKV-VStG habe der Gesetzgeber eindeutig geregelt, dass es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele, sondern dass die Schiedsperson als Vertragshelfer analog § 317 BGB tätig werde. Die in der Rechtsprechung angestellten Erwägungen zur fehlenden Behördeneigenschaft von Schiedspersonen nach § 132a Abs 2 SGB V seien auf die Schiedspersonen gemäß § 73b Abs 4a SGB V übertragbar. Auch der Umstand, dass die Schiedsperson die in einem Schiedsverfahren festgelegten Verträge der für die Krankenkassen zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen habe, stehe dem nicht entgegen, da die Vorlage auch bei frei verhandelten Verträgen durch die Krankenkasse zu erfolgen habe. Der Schiedsspruch sei rechtlich nicht zu beanstanden. Mit den Anträgen der Klägerin habe sich die Schiedsperson erkennbar auseinandergesetzt und diese gewürdigt. Die Schiedsperson habe den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festgesetzt und zugleich berücksichtigt, dass zahlreiche weitere Krankenkassen im Bundesgebiet ähnliche Verträge mit vergleichbarem Inhalt und vergleichbarer Vergütungsstruktur mit den jeweiligen Hausarztgemeinschaften vereinbart hätten. Es seien keine wesentlichen Vertragsbestandteile ungeregelt geblieben. Soweit den Vertragspartnern überlassen worden sei, im späteren Verlauf Umsetzungsaufgaben und Steuerungsmodule, zB für den Bereich der Arzneimittelverordnung selbst zu verhandeln, sei dies sachgerecht, weil die Vertragspartner damit auf die sich ständig ändernden Arzneimittelrabattverträge reagieren könnten. Auch würden Vorschriften zum Datenschutz nicht verletzt. Maßgebend für die Beurteilung sei die aktuelle Rechtslage und nicht die Rechtslage, die bei Erlass des Schiedsspruchs gegolten habe. Die im Schiedsspruch vorgesehene Verwendung eines "gekapselten Kerns" sei auch nach Auffassung des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht nicht zu beanstanden. Soweit sich die Klägerin gegen die im Vertrag enthaltene Befugnis zur Führung von Musterverfahren unter Verwendung personenbezogener Daten wende, sei darauf hinzuweisen, dass die HÄVG keine Musterverfahren führe. Die Klägerin sei im Übrigen nicht legitimiert, im vorliegenden Verfahren Datenschutzrechte der Patienten geltend zu machen. Bezogen auf die geltend gemachten Widersprüche zwischen dem Vertrag zur HzV und den Satzungsregelungen der Klägerin habe das LSG zutreffend die Auffassung vertreten, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV der Satzung vorgingen. Mit dem vorliegenden Klageverfahren unterlaufe die Klägerin den gesetzlichen Kontrahierungszwang. Die Klägerin sei verpflichtet, ihren Versicherten eine HzV anzubieten und mit qualifizierten Gemeinschaften einen Vertrag zur HzV zu schließen. Gleichwohl habe die Klägerin bis heute die Umsetzung des weiterhin geltenden Vertrages verweigert und auch keinen Antrag auf Verpflichtung zur Neufestsetzung des Vertrages zur HzV mit den von ihr begehrten Modifizierungen gestellt.

Entscheidungsgründe

20

Die Revision der Klägerin hat nur insoweit Erfolg, als die Unvereinbarkeit von Regelungen des Vertrages zur HzV mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen festzustellen war. Im Übrigen hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

21

1. Das SG war zur Entscheidung im ersten Rechtszug nach § 8 SGG sachlich zuständig, da einer der in § 29 Abs 2 SGG geregelten Sonderfälle der sachlichen Zuständigkeit der Landessozialgerichte für eine Entscheidung im ersten Rechtszug nicht vorliegt. Insbesondere liegt keine Klage gegen Entscheidungen der Landesschiedsämter oder gegen Beanstandungen von Entscheidungen der Landesschiedsämter nach dem SGB V, gegen Entscheidungen der Schiedsstellen nach § 120 Abs 4 SGB V, der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI oder der Schiedsstellen nach § 80 SGB XII vor. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Entscheidung einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Aufzählung in § 29 Abs 2 SGG ist abschließend, sodass die Vorschrift nicht entsprechend anwendbar ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 29 RdNr 4; Schreiber in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 29 RdNr 8; Ulrich, NZS 2011, 448, 451 ff; zur Bestimmung einer Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 13 f, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

22

2. Die mit dem Antrag zu 1. erhobene Anfechtungsklage ist nicht statthaft und damit unzulässig.

23

a) Nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGG muss sich die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt richten. Die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson nach § 73b SGB V ist jedoch nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergangen und die Schiedsperson hat auch nicht für sich in Anspruch genommen, durch Verwaltungsakt entscheiden zu können(zur Zulässigkeit von Klagen auch gegen einen sog "formellen Verwaltungsakt" vgl BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 16). Für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage genügt nicht, dass die Klägerin das Vorliegen eines Verwaltungsakts geltend macht (stRspr vgl BSGE 39, 86, 87 = SozR 2200 § 628 Nr 1 S 2, mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 8a).

24

b) Für die Beurteilung der Frage, ob die Entscheidung der Schiedsperson, gegen die sich die Klägerin wendet, in der Form eines Verwaltungsakts ergangen ist, ist in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Entscheidung der Schiedsperson am 9.9.2010 maßgebend. Nur wenn die Schiedsperson zu diesem Zeitpunkt Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X gewesen ist, konnte sie einen Verwaltungsakt erlassen. Später eingetretene Änderungen hätten keinen Einfluss mehr auf die rechtliche Qualifizierung des zuvor ergangenen Schiedsspruchs. Es kommt demnach darauf an, ob die Schiedsperson nach der zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts geltenden Rechtslage Behörde war und ob ihre Entscheidung unter Zugrundelegung dieser Rechtslage als Verwaltungsakt anzusehen war. Dies ist indes nicht der Fall und daran hat sich im Übrigen in der Folge auch nichts geändert.

25

c) Schiedspersonen, die Verträge zur HzV festsetzen, wenn eine Einigung zwischen einer Krankenkasse und der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaft von Allgemeinärzten nicht zustande kommt, werden - ebenso wie Schiedspersonen im Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V - als Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB und nicht als Behörde tätig. Der Schiedsspruch ergeht deshalb auch nicht in der Form eines Verwaltungsakts, sondern ersetzt die Einigung der Parteien. Dies folgt neben dem Wortlaut in erster Linie aus der Entstehungsgeschichte der Regelung und dem darin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers.

26

aa) Verwaltungsakte können nach § 31 Satz 1 SGB X nur von einer Behörde erlassen werden. Nach § 1 Abs 2 SGB X ist Behörde im Sinne des Sozialgesetzbuches jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Danach gilt ein weiter, sog funktionaler Behördenbegriff, der neben den Verwaltungsbehörden im organisatorischen Sinne auch alle sonstigen Einrichtungen, Organe und Stellen einschließt, die aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts mit der Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten, zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge im eigenen Namen oder zu sonstigen, nach öffentlichem Recht zu beurteilenden Handeln ausgestattet sind (vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 14; BSGE 60, 239 = SozR 1300 § 45 Nr 26; BSGE 63, 224 = SozR 1300 § 48 Nr 47; BSGE 77, 295 = SozR 3-1300 § 45 Nr 27).

27

Dass die Schiedsämter und Schiedsstellen im Bereich des SGB V unter diesen weiten funktionalen Behördenbegriff fallen, ist in der Rechtsprechung seit langem geklärt (vgl BSGE 20, 73, 75 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSGE 87, 199, 200 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3300 § 89 Nr 1 RdNr 11; BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 20, 41). Eine solche grundsätzliche Klärung fehlt bisher für die Schiedsperson, die der Gesetzgeber mit der Änderung des § 132a SGB V (Versorgung mit häuslicher Krankenpflege) durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) erstmals im SGB V anstelle von Schiedsämtern und Schiedsstellen für die außergerichtliche Schlichtung vorgesehen hat. In den folgenden Jahren ist die außergerichtliche Streitschlichtung durch Schiedspersonen auf weitere Bereiche ausgedehnt worden: Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) wurde die Schlichtung im Bereich der stationären und ambulanten Hospizleistungen nach § 39a Abs 1 Satz 7 bis 9 SGB V einer Schiedsperson übertragen. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) wurde die Schlichtung durch eine Schiedsperson bei Streitigkeiten um die Finanzierung der Landesverbände der Krankenkassen (§ 211 Abs 4 Satz 4 SGB V) und mWv 1.1.2009 auch für die hausarztzentrierte Versorgung (§ 73b Abs 4a SGB V) sowie die Hilfsmittelversorgung (§ 127 Abs 1a Satz 2 bis 4 SGB V)vorgesehen. Inzwischen ist die Schlichtung durch Schiedspersonen Gegenstand auch der Heilmittelversorgung (§ 125 Abs 2 Satz 4 bis 6 SGB V), des klinischen Krebsregisters (§ 65c Abs 6 Satz 8 bis 12 SGB V) und der Versorgung mit Schutzimpfungen (§ 132e Abs 1 Satz 3 bis 5 SGB V).

28

Ob auch die Entscheidungen von Schiedspersonen als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X anzusehen sind, war von Anfang an umstritten(vgl zB Schnapp, NZS 2010, 241, 245 mwN; Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 17 ff). In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wurde die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V in der Regel als Vertragshelfer qualifiziert, deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, während Entscheidungen der Schiedsperson in der HzV wohl überwiegend als Verwaltungsakt angesehen wurden(LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 84 ff; LSG Hamburg Beschluss vom 18.8.2011 - L 1 KA 24/11 B ER; in dieser Richtung, aber letztlich offenlassend: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 37 f = Juris RdNr 25, 45 f; ausdrücklich offengelassen: LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 32 und Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 58/10 B ER - Juris RdNr 61; anders dagegen : Bayerisches LSG Beschluss vom 17.1.2011 - L 12 KA 123/10 B ER - Breith 2011, 281, 285). Für die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V wurde diese Frage durch Urteil des 3. Senats vom 25.11.2010 (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) geklärt. Danach ist jedenfalls diese Schiedsperson keine Behörde. Dementsprechend ergeht deren Entscheidung auch nicht als Verwaltungsakt. Vielmehr wird die Schiedsperson als öffentlich-rechtlicher Schlichter und Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB tätig.

29

Ausschlaggebend für die Einordnung der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde war nach der genannten Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010, dass diese zwar den Inhalt öffentlich-rechtlicher Verträge festlege, wobei es sich um eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit handele. Die Schiedsperson erhalte ihre Entscheidungsmacht jedoch unmittelbar von den Vertragsparteien des § 132a SGB V selbst, die auch den das Schiedsverfahren regelnden Vertrag zur Konfliktlösung abschließen. Daraus hat der 3. Senat den Schluss gezogen, dass es sich - ungeachtet des Umstands, dass die Vertragsparteien zur Verabredung des Schiedsverfahrens gesetzlich verpflichtet sind - um ein vertraglich vereinbartes Schiedsverfahren handele. Die Schiedsperson sei auch kein Beliehener, weil es an einem öffentlich-rechtlichen Akt der Beleihung fehle. Ferner existiere keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger und anders als Schiedsstellen und Schiedsämter unterliege die Schiedsperson auch keiner Rechtsaufsicht. Das Verfahren der Schlichtung durch die Schiedsperson sei nicht gesetzlich geregelt. Die Funktion als Schiedsperson sei an die Person des Berufenen gebunden, sodass keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution einer Schiedsstelle existiere.

30

bb) Die Regelungen zur Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V entsprachen bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend derjenigen zu der - nicht als Behörde zu qualifizierenden - Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V. Grundsätzlich obliegt es auch hier den Vertragsparteien, sich auf die Schiedsperson zu einigen. Nur für den Fall, dass die Vertragsparteien sich auch darüber nicht einigen können, sieht § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V die Bestimmung der Schiedsperson durch die für die Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde vor. Ebenso wie nach § 132a Abs 2 SGB V gibt es nach § 73b SGB V weder eine Rechtsaufsicht über die Schiedsperson noch eine Regelung zum Schiedsverfahren. Ferner existiert keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution und keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger.

31

Zwar können hoheitliche Aufgaben durch Beleihung auch einer natürlichen Person übertragen werden. Dies erfordert jedoch eine Übertragung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Rechtsverordnung, Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl BVerwG NVwZ 2006, 829; BVerfG NJW 1987, 2501, 2502; BVerwGE 98, 280, 298; Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 1 RdNr 11; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl 2014, § 1 RdNr 60; Wiegand, Die Beleihung mit Normsetzungskompetenz, 2008, 155 f). § 73b Abs 4a SGB V regelt eine Beleihung der Schiedsperson jedenfalls nicht ausdrücklich. Gegen die Annahme, dass in der dort geregelten Bestimmung der Schiedsperson gleichwohl eine Beleihung liegt, spricht, dass das Gesetz keinerlei Festlegungen oder Vorgaben zu deren Auswahl trifft, sondern diese vorrangig den Vertragsparteien überlässt (vgl Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 250). Angesichts des Umstands, dass der Wortlaut die Frage nach einer Beleihung jedenfalls nicht eindeutig beantwortet, kann die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur dann als Beliehene angesehen werden, wenn systematische Gründe, die Entstehungsgeschichte oder Sinn und Zweck der Reglung dafür sprechen würden, dass der Gesetzgeber der Schiedsperson die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben übertragen wollte. Dies ist aus den nachfolgend genannten Gründen jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG gerade klargestellt, dass der Schiedsperson nach § 73b SGB V - in Übereinstimmung mit der Schiedsperson nach § 132a SGB V - keine hoheitlichen Aufgaben übertragen werden sollen.

32

cc) Im Gegensatz zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V hat der 3. Senats des BSG die Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26) nicht eindeutig dem Modell "Vertragshelfer" zugeordnet, sondern diese Frage ausdrücklich offengelassen. Dabei hat der 3. Senat dem Umstand Bedeutung beigemessen, dass § 73b SGB V keine § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V entsprechende Regelung enthält, nach der die Vertragsparteien in Verträgen zu regeln haben, dass im Falle von Nichteinigung eine von den Parteien zu bestimmende unabhängige Schiedsperson den Vertragsinhalt festlegt. Daraus hat der 3. Senat gefolgert, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V im Rahmen eines gesetzlich normierten und nicht eines - wie bei § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V - vertraglich vereinbarten Schiedsverfahrens tätig werde. In der praktischen Umsetzung wirkt sich dieser Unterschied allerdings kaum aus, weil die Vertragspartner nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V nicht frei darüber entscheiden können, ob sie die Festlegung des Vertragsinhalts einer Schiedsperson übertragen, sondern verpflichtet sind, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Falls zwischen den Vertragspartnern eine Einigung auf eine Schiedsperson nicht erzielt werden kann, wird sowohl die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als auch die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V von der für die vertragsschließende Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Dabei kann die Bestimmung einer Schiedsperson durch die zuständige Aufsichtsbehörde auch nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V nicht davon abhängig sein, dass zuvor eine Vereinbarung nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V zustande gekommen ist, nach der der Vertragsinhalt von einer Schiedsperson festgelegt wird(vgl dazu Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 8). Damit bestehen insoweit keine rechtlich bedeutsamen Unterschiede zwischen dem Schiedsverfahren in der HzV und dem Schiedsverfahren in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege (so auch Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15e).

33

dd) Ein Indiz, das gegen die Qualifizierung der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer und für eine Einordnung des Schiedsspruchs als Verwaltungsakt sprechen könnte, hat der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 40, auch zur Veröffentlichung für BSGE vorgesehen) ferner in dem Umstand gesehen, dass § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ausschloss. Diese Regelung konnte den Eindruck erwecken, dass der Gesetzgeber die Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Verwaltungsakte angesehen haben könnte, weil sie gesetzessystematisch nur einen Sinn ergibt, wenn es sich bei der angegriffenen Entscheidung der Schiedsperson um einen Verwaltungsakt handelt. Schließlich bezieht sich die aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs 1 SGG auf den Widerspruch und auf die Anfechtungsklage, die sich grundsätzlich gegen einen Verwaltungsakt richten müssen.

34

Dagegen konnte auch nicht - wie in der Begründung des Schiedsspruchs - mit Erfolg eingewandt werden, die Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts durch einen Vertragshelfer bewirke in entsprechender Anwendung zivilrechtlicher Bestimmungen, dass der Vertrag während der Dauer des Rechtsstreits nicht umsetzbar sei und die Formulierung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF, nach der die Klage keine aufschiebende Wirkung habe, könne aus diesem Grund nicht als Indiz für die rechtliche Einordnung der Entscheidung der Schiedsperson als Verwaltungsakt herangezogen werden.

35

(1) Die Auffassung, nach der die von der Schiedsperson getroffene Bestimmung zum Vertragsinhalt während eines Klageverfahrens um deren Rechtmäßigkeit nicht beachtet werden müsse, trifft nicht zu. Für zivilrechtliche Verträge wird die Frage, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen die offenbare Unbilligkeit der Bestimmung einer Leistung durch einen Dritten nach § 319 Abs 1 Satz 1 BGB die Unbeachtlichkeit der Entscheidung des Dritten zur Folge hat, nicht einheitlich beantwortet. Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass die offenbar unbillige Leistungsbestimmung bereits unabhängig von der Erhebung einer Einrede oder einer Klagerhebung unwirksam sei (Rieble in Staudinger, BGB, Leistungsstörungsrecht 2, Neubearbeitung 2009, § 319 RdNr 17 f; zu § 315 Abs 3 BGB vgl LG Mainz Urteil vom 5.3.2007 - 5 O 94/06 - Juris). Dagegen wird eingewandt, dass die offenbare Unbilligkeit nicht die Nichtigkeit bedeute (vgl OLG Frankfurt am Main Urteil vom 3.12.1998 - 3 U 257/97 - NJW-RR 1999, 379 = Juris RdNr 25) und dass auch die unbillige Bestimmung des Dritten binde, bis sie durch Gerichtsurteil ersetzt werde (Würdinger in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl 2012, § 319 RdNr 23). Dies soll aber nach wohl hM nicht für den Fall gelten, dass die offenbare Unbilligkeit von einem Vertragspartner binnen angemessener Frist geltend gemacht wird (vgl OLG Frankfurt am Main, aaO, mwN; Wolf in Soergel, BGB, Bd 2, 12. Aufl 1990, § 319 RdNr 16; zur ähnlichen Regelung in § 315 Abs 3 BGB vgl Grüneberg in Palandt, BGB, 74. Aufl 2015, § 315 RdNr 16; zur Fälligkeit einer Forderung bei einer Schiedsgutachtenvereinbarung im Falle des Übergangs der Leistungsbestimmung nach § 319 Abs 1 Satz 2 BGB auf das Gericht erst mit Rechtskraft des Urteils vgl BGH Urteil vom 4.7.2013 - III ZR 52/12 - NJW-RR 2014, 492 RdNr 32 ff, mwN). Dagegen geht das BAG im Zusammenhang mit der Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber in entsprechender Anwendung des § 315 Abs 3 BGB davon aus, dass der Arbeitnehmer an die Konkretisierung des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden sei, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe(BAG Urteil vom 22. 2.2012 - 5 AZR 249/11 - BAGE 141, 34 = AP Nr 127 zu § 615 BGB = NJW 2012, 2605, RdNr 24, mwN).

36

Auf die Festsetzung des Vertrages zur HzV durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V sind die genannten, zu zivilrechtlichen Verträgen entwickelten, ohnehin nicht einheitlichen Positionen - entgegen der in der Begründung der Entscheidung der Schiedsperson vertretenen Auffassung(vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 Fn 61) - nicht ohne Weiteres übertragbar. Für Verträge, die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern zum Gegenstand haben, gelten die Vorschriften des BGB und damit auch die Regelungen zur Bestimmung der Leistungen durch einen Dritten (§§ 317 ff BGB) gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nur entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Daher kann bei der entsprechenden Anwendung der §§ 317 ff BGB nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 1 SGB V verpflichtet sind, ihren Versicherten eine besondere hausarztzentrierte Versorgung anzubieten. Die entsprechende Geltung der Vorschriften des BGB ändert zudem nichts daran, dass es sich bei dem Vertrag nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V zwischen Krankenkassen und den die Hausärzte vertretenden Gemeinschaften um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 Abs 1 SGB X handelt, weil durch ihn ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet, geändert oder aufgehoben wird. Insofern gilt für Verträge in der HzV nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V nichts anderes als für Verträge zur Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V(vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 6 RdNr 18 f; BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 23)oder auch für die Bundesmantelverträge und Gesamtverträge, die (auch) als öffentlich-rechtliche Verträge zu qualifizieren sind (vgl BSGE 70, 240, 243 = SozR 3-5533 Allg Nr 1 S 4; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14). Für das gerichtliche Verfahren bleiben die Vorschriften des SGG maßgebend. Nach § 86a Abs 1 SGG kommt zwar Klagen gegen belastende Verwaltungsakte aufschiebende Wirkung zu. Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise für Klagen, mit denen die Rechtswidrigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages geltend gemacht wird. Öffentlich-rechtliche Verträge sind wirksam, auch soweit sie rechtswidrig aber nicht nichtig sind (vgl Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 58 RdNr 2). Zur Nichtigkeit führt nur ein besonders schwerwiegender Mangel (zu gesamtvertraglichen Vereinbarungen vgl zB BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14 f). Der Umstand, dass die Partner des Vertrages zur HzV die Möglichkeit haben, gerichtlich mit der Feststellungsklage die Rechtswidrigkeit von Regelungen des Vertrages geltend zu machen, der durch Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommen ist (vgl dazu nachfolgend 4.), ändert daran nichts. Im Ergebnis hat dies zur Folge, dass der durch die Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommene Vertrag, der nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, vorbehaltlich seiner Nichtigkeit umzusetzen ist, solange dessen Rechtswidrigkeit nicht rechtskräftig festgestellt worden ist (vgl bereits Nr 11 der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines GKV-VStG, BT-Drucks 17/7274 S 29; zu einer vom Bundesrat gewünschten Klarstellung mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Abhängigkeit vom Ausgang des vorliegenden Verfahrens vgl die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks 18/4095, Anlage 4 Nr 22; aA: Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 f). Bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens um die Rechtmäßigkeit des von der Schiedsperson festgesetzten Vertrages kann die Pflicht zur Umsetzung des Vertrages nur durch eine einstweilige Anordnung des Gerichts nach § 86b Abs 2 SGG beseitigt werden.

37

(2) Auch wenn angenommen würde, dass die in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF getroffene Regelung zur fehlenden aufschiebenden Wirkung der Klage allein im Sinne einer Klarstellung sicherstellen sollte, dass Schiedssprüche während eines Klageverfahrens zunächst umgesetzt werden, erklärt dies nicht ohne Weiteres die gewählte Formulierung, weil die Verwendung des Begriffs der aufschiebenden Wirkung den Bezug zu § 86a Abs 1 SGG und zu der dort geregelten aufschiebenden Wirkung von Klagen gegen Verwaltungsakte herstellt.

38

Danach stimmte die gesetzliche Regelung zur Schiedsperson in der Versorgung mit Haushaltshilfe nach § 132a Abs 2 SGB V zwar weitgehend mit der Regelung zur Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V überein. Mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts enthielt § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF jedoch eine Regelung, die in § 132a SGB V keine Entsprechung findet und die als Indiz für die Charakterisierung des Schiedsspruchs in der HzV als Verwaltungsakt herangezogen werden konnte.

39

ee) Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber auf die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V reagiert und mit dem GKV-VStG die aufschiebende Wirkung auf Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson beschränkt. Eine Regelung, nach der Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts keine aufschiebende Wirkung haben, gibt es seitdem nicht mehr. Ferner wurde mit dem GKV-VStG § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V angefügt. Danach richten sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

40

Die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) bestätigt, dass auf diesem Weg bestehende Unklarheiten bezogen auf die rechtliche Einordnung des Schiedsverfahrens in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V ausgeräumt werden sollten und dass - ebenso wie für den Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V - eine eindeutige Einordnung der Schiedsperson als Vertragshelfer erfolgen sollte. Die Einschränkung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V wird damit begründet, dass durch die bisherige Formulierung der Eindruck habe entstehen können, es handele sich bei dem Schiedsspruch um einen Verwaltungsakt. Mit der Streichung werde "klargestellt, dass dies nicht der Fall ist, sondern dass die Schiedsperson analog § 317 BGB als Vertragshelfer tätig wird". Inhaltlich knüpft die Gesetzesbegründung damit an die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege an. Dies wird in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) verdeutlicht, in der unter ausdrücklichem Hinweis auf die genannte Entscheidung des 3. Senats des BSG ausgeführt wird, dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V eine Klarstellung in Richtung auf die Einordnung auch der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer herbeigeführt werden soll. Davon ist im Übrigen auch der 3. Senat in einer Entscheidung vom 8.10.2014 (B 3 KR 7/14 R - SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) ausgegangen.

41

Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 73b Abs 4a SGB V mit dem GKV-VStG auch auf die "insoweit vergleichbare(n) Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII"(BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) Bezug nehme. Zutreffend ist allerdings, dass Entscheidungen der Schiedsstellen zur Vergütung von Einrichtungen und Diensten im Bereich der Sozialhilfe nach ständiger Rechtsprechung in der Form eines Verwaltungsakts ergehen. Dies hat das BVerwG bereits zu der § 80 SGB XII im Wesentlichen entsprechenden Vorgängerregelung des § 94 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entschieden(vgl BVerwGE 108, 47). Daran hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78 = Juris RdNr 14; anders zunächst der 3. Senat des BSG: BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4)auch nach der Einführung des § 93b Abs 1 Satz 4 BSHG festgehalten, der bestimmte, dass die Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist. Der Qualifizierung dieses Schiedsspruchs als Verwaltungsakt hat sich der für Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständige 8. Senat des BSG bezogen auf die seit dem 1.1.2005 geltende entsprechende Rechtslage mit einer entsprechenden Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII angeschlossen(BSG SozR 4-3500 § 77 Nr 1, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage in diesem Verfahren "sui generis" vgl auch BSG SozR 4-3500 § 76 Nr 1 RdNr 12, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

42

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus all dem jedoch nicht geschlossen werden, dass mit dem Hinweis auf § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII die im ersten Teil der Gesetzesbegründung eindeutig zum Ausdruck kommende Orientierung am "Vertragshelfermodell" wieder in Frage gestellt würde. Die Formulierung in der Gesetzesbegründung, nach der sich die Regelung "am Wortlaut der insoweit vergleichbaren Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII" orientiert, bezieht sich erkennbar allein auf die Anfügung des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ("Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson."). Dies wird zum einen durch die Verwendung des Wortes "insoweit" und zum anderen daran deutlich, dass nicht der gesamte § 77 Abs 1 SGB XII in Bezug genommen wird, sondern allein dessen Satz 5, der mit dem eingefügten § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V fast wörtlich übereinstimmt. Die Streichung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson wird also nicht mit Hinweis auf § 77 Abs 1 SGB XII begründet, sondern mit dem Ziel klarzustellen, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde tätig wird. Allein bezogen auf die Ergänzung des § 73b Abs 4a SGB V um einen neuen Satz 5 verweist die Gesetzesbegründung auf die fast wortgleiche Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII.

43

Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des BVerwG war die Regelung, nach der sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen die Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson richten, im Übrigen auch nicht Anknüpfungspunkt für die Einordnung des Schiedsspruchs im Sozialhilferecht als Verwaltungsakt. Das BVerwG (vgl BVerwGE 116, 78, 82 f) hat die Entscheidung der Schiedsstelle keineswegs wegen der Regelung, nach der die Klage gegen die andere Vertragspartei zu richten ist, als Verwaltungsakt qualifiziert, sondern vielmehr trotz der Einführung dieser Regelung und entgegen einer in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung (Münder in LPK-BSHG, 5. Aufl 1998, § 94 RdNr 2; Gottlieb, NDV 2001, 257, 261; Wabnitz, ZfJ 2001, 33, 37; vgl auch BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4) an seiner bereits zuvor bestehenden Rechtsprechung zur Einordnung des Schiedsspruchs nach § 77 Abs 1 SGB XII als Verwaltungsakt festgehalten.

44

Im Übrigen - also mit Ausnahme des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V - unterscheidet sich die Regelung zum Schiedsverfahren nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII grundlegend von der zur Festlegung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Qualifizierung der Schiedsstelle nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII als Behörde und deren Schiedsspruch als Verwaltungsakt stehen deshalb nicht im Widerspruch zur Einordnung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer. Abgesehen davon, dass nach § 77 Abs 1 Satz 3 SGB XII nicht eine natürliche Person, sondern eine Schiedsstelle entscheidet, die gemäß § 80 Abs 2 Satz 1 SGB XII mit Vertretern der Vertragsparteien und einem unparteiischen Vorsitzenden besetzt ist, spricht für den Charakter dieser Schiedsstelle als Behörde auch die Formulierung in § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII, nach der es einer Nachprüfung der Entscheidung in einem Vorverfahren nicht bedarf. Genau diese Formulierung (die sich vor dem 1.1.2005 in § 93b Abs 1 Satz 5 BSHG und vor der Einführung des § 93b BSHG zum 1.1.1999 in § 93 Abs 3 Satz 4 Halbsatz 1 BSHG fand) hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78, 81 f) zur Begründung seiner Auffassung herangezogen, dass der Gesetzgeber diese Schiedsstellenentscheidung - trotz der Regelung, nach der eine Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist - als Verwaltungsakt ausgestalten wollte. Eine § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII entsprechende Formulierung findet sich in § 73b Abs 4a SGB V aber nicht.

45

ff) Danach ist mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG geklärt, dass es sich bei der Schiedsperson, die im Konfliktfall den Inhalt des Vertrages zur HzV feststellt, nicht um eine Behörde handelt und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht(ebenso: Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15d, 15f; Huster in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 17; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 251; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 22; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 23; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 64; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b RdNr 69; SG München Urteil vom 16.7.2014 - S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 27; aA Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1; LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 3.6.2014 - L 7 KA 12/14 B ER - Juris).

46

gg) Die Zuordnung der Schiedsperson für die HzV zum Modell "Vertragshelfer" anstelle des Modells "Schiedsamt" bezieht sich nicht allein auf die Zeit seit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1.1.2012. Wie oben dargelegt, entsprach § 73b Abs 4a SGB V bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend der für die häusliche Krankenpflege geltenden Regelung zur Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V, für die jedenfalls seit der Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) die Einordnung als Vertragshelfer geklärt ist. Die rechtliche Einordnung des Schiedsspruchs der Schiedsperson in der HzV war gleichwohl bis zum Inkrafttreten des GKV-VStG zum 1.1.2012 nicht geklärt, sondern in der og Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 ausdrücklich offengelassen worden. Unter diesen Umständen war der Gesetzgeber nicht gehindert, eine Klarstellung herbeizuführen. Dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V sowie der Anfügung eines neuen Satzes 5 die in der og Entscheidung des 3. Senats des BSG vom 25.11.2010 offengelassene Frage geklärt werden sollte und dass die Regelung somit nur der Klarstellung des bereits zuvor Gewollten dienen sollte, kommt sowohl in der Begründung des Regierungsentwurfs eines GKV-VStG (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Nr 13) als auch in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) eindeutig zum Ausdruck.

47

3. Die Klägerin kann auch nicht - entsprechend dem Antrag zu 2. - die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V erreichen.

48

Soweit der 3. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V von der Statthaftigkeit einer sog Ersetzungsklage ausgegangen ist, mit der dem Gericht aufgegeben werden soll, den Inhalt des Vertrages bei Unbilligkeit der Festlegungen der Schiedsperson zu bestimmen, folgt der Senat dem für die HzV nach § 73b SGB V nicht. §§ 317 ff BGB treffen Regelungen für Konstellationen, in denen sich die Parteien zuvor aus freiem Willen auf eine Schiedsperson geeinigt haben, der die Aufgabe übertragen wird, den Vertrag rechtsgestaltend zu ergänzen. Die Schiedsperson hat also lediglich vertragsausfüllende und vertragsergänzende Funktion (vgl Schnapp, NZS 2010, 241, 245, mwN). Auf die Verträge zur HzV, deren Inhalt vollständig gegen den Willen der Krankenkasse von einer durch die zuständige Aufsichtsbehörde bestimmten Schiedsperson festgelegt werden kann (vgl § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 und 2 SGB V), sind diese Bestimmungen im Rahmen der nur entsprechenden Anwendung nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nicht uneingeschränkt übertragbar. Davon ist im Grundsatz auch schon der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 33) bezogen auf das Schiedsverfahren nach § 132a Abs 2 SGB V ausgegangen, indem er abweichend von § 319 Abs 1 Satz 1 BGB nicht darauf abgestellt hat, ob die durch die Schiedsperson getroffene Bestimmung "offenbar unbillig" ist, sondern die einfache "Unbilligkeit" als Voraussetzung für die Ersetzung des Schiedsspruchs durch die Entscheidung des Gerichts genügen lässt.

49

Der Überlegung, das Gericht könne im Falle der Unbilligkeit den Inhalt der Entscheidung der Schiedsperson ersetzen, liegt die Vorstellung zugrunde, vom Gericht werde ein punktuelles Eingreifen oder die Entscheidung bezogen auf einzelne zwischen den Vertragsparteien umstrittene Punkte verlangt. So liegen die Dinge etwa im Bereich des § 65c Abs 6 Satz 8 SGB V bei der Höhe der Meldevergütungen zum klinischen Krebsregister. Dabei geht es um die Vergütungshöhe für bestimmte Leistungen, die in angemessener Höhe festzusetzen sind. Bei der Festlegung des Inhalts der Verträge zwischen Krankenkassen und den Erbringern von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V stehen zumindest nach den bisherigen gerichtlichen Erfahrungen die "Preise" für die Leistungen im Mittelpunkt des Konflikts der Vertragspartner, obwohl der Schlichtungsauftrag der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 1 und 6 SGB V weitergehen kann. Ob für solche eher punktuellen Festlegungen die Ersetzungsklage mit der Konsequenz der abschließenden Entscheidung durch ein Gericht sachgerecht ist, lässt der Senat offen; er muss deshalb auch nicht beim 3. Senat anfragen, ob dieser an seiner Rechtsprechung dazu festhält. Jedenfalls ist diese Konzeption auf die Verträge nach § 73b SGB V nicht übertragbar.

50

Gerichte können nicht umfassende Vertragswerke festsetzen, Regelungen über den Datenaustausch formulieren und die Beziehungen der Partner der Verträge untereinander vollständig regeln (zu § 132a Abs 2 SGB V vgl die Bedenken von Plantholz, RsDE 64<2007>, 1, 20 f, 23). Die dazu erforderliche Kenntnis nicht zuletzt der technischen Abläufe und deren Gestaltbarkeit ist bei den Gerichten ohne die Kooperation der Vertragspartner, auf die die Schiedsperson setzen kann, nicht vorhanden; insoweit müssten regelmäßig Sachverständige hinzugezogen und möglicherweise sogar mit der Formulierung beauftragt werden. Die Gerichte könnten nur punktuell - etwa bei der Höhe der Vergütung der teilnehmenden Ärzte - nach dem Maßstab der Angemessenheit entscheiden. Soweit ersichtlich, gibt es bisher auch keine sozialgerichtliche Entscheidung, in der ein durch eine Schiedsperson festgesetzter komplexer Vertrag wegen Unbilligkeit aufgehoben und durch einen gerichtlich festgesetzten Vertragsinhalt ersetzt worden wäre.

51

Aus den genannten Gründen muss sich die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V an dem Muster der Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V orientieren: Das Gericht prüft, ob die von einem der Beteiligten gerügten Festsetzungen mit höherrangigem Recht unvereinbar sind, bezeichnet ggf solche Rechtsverstöße und stellt weiter die Verpflichtung der Vertragspartner fest, diese Verstöße zu beseitigen. Wenn das im Wege freier Verhandlungen nicht gelingt, muss erneut eine Schiedsperson tätig werden, die - wie die Partner auch - an die Rechtsauffassung gebunden ist, die dem Feststellungsurteil zugrunde liegt.

52

Der naheliegende Einwand gegen diese Rechtsschutzkonzeption, dass eine abschließende Festlegung des Vertragsinhalts nicht zeitnah gewährleistet wird, greift im Ergebnis nicht durch. Es erscheint bereits fraglich, ob die Festsetzung des komplexen Inhalts eines Vertrages zur HzV durch ein für derartige Aufgaben nicht ausgestattetes Gericht oder eine Festlegung des Vertragsinhalts unter Einbeziehung von Sachverständigen, die das Gericht zu bestellen hätte, zu einer Beschleunigung des Verfahrens beitragen könnten. Auch kann dahingestellt bleiben, ob dem Einwand der Klägerin zu folgen ist, dass die Gestaltung des vollständigen Vertragsinhalts durch das Gericht - die im Verwaltungsprozessrecht sonst keine Entsprechung finden dürfte - in Widerspruch zum Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art 20 Abs 2 Satz 2 GG geriete, weil die Gerichte allein dazu berufen sind, Verwaltungshandeln zu kontrollieren (vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 7 f unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 13 sowie BSGE 90, 42, 44 = SozR 3-8570 § 4 Nr 4). Ausschlaggebend ist, dass der Gesetzgeber den Weg der gerichtlichen Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen - und nicht deren Ersetzung durch die Gerichte - auch sonst im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung - und zwar gemäß § 89 Abs 1a SGB V auch für gesetzlich vorgeschriebene Verträge - gewählt hat. Selbst wenn ein gesetzlich vorgeschriebener Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung nicht zustande kommt und keine der Parteien bei dem Schiedsamt einen Antrag auf Herbeiführung der Einigung stellt, sieht § 89 Abs 1a Satz 1 SGB V keine Ersetzung durch die Aufsichtsbehörde, sondern lediglich ein Recht der Aufsichtsbehörde zur Anrufung des Schiedsamts vor. Solange das Schiedsamt überhaupt fristgerecht tätig wird, beschränkt sich auch die Kontrolle der Entscheidung durch die Aufsichtsbehörden gemäß § 89 Abs 5 Satz 5 SGB V auf Rechtsverstöße. Eine Festsetzung des Vertragsinhalts durch die für das Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde sieht der mit dem GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, 2210) eingeführte § 89 Abs 1 Satz 5 SGB V nur ausnahmsweise für den Fall vor, dass das Schiedsamt auch nach Fristsetzung durch die Aufsichtsbehörde untätig bleibt. Die daraus erkennbar werdende Konzeption des Gesetzgebers, zumindest im Bereich des SGB V Schiedssprüche im Regelfall nicht durch Entscheidungen der Aufsichtsbehörden und erst Recht nicht durch gerichtliche Entscheidungen zu ersetzen, sondern die Kontrolle auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit zu beschränken, ist auf die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V zu übertragen.

53

4. Richtige Klageart ist danach die Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 SGG), die die Klägerin hilfsweise erhoben hat. Diese ist auch zulässig, in der Sache aber nur zum geringen Teil begründet.

54

a) Der Zulässigkeit des in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Feststellungsantrags steht nicht entgegen, dass die Klägerin einen solchen im Revisionsverfahren bis zum Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung nicht formuliert hatte. Zwar darf das BSG über den Antrag grundsätzlich nicht hinausgehen und eine Klagänderung ist gemäß § 168 Satz 1 SGG im Revisionsverfahren unzulässig. Zulässig ist jedoch eine Erweiterung des Klagantrags im Sinne des § 99 Abs 3 SGG, soweit damit keine neuen Revisionsgründe geltend gemacht werden(vgl BSGE 31, 112, 113 = SozR Nr 55 zu § 164 SGG) und auch der Übergang von der Anfechtungsklage zur Feststellungsklage (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 99 RdNr 4 mwN). Ausschlaggebend ist, dass der historische Lebenssachverhalt, aus dem der Anspruch abgeleitet wird, unverändert geblieben ist (vgl BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 5). Das ist hier der Fall. Eine solche Erweiterung des Revisionsantrags ist auch noch nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung bis zum Schluss der mündlichen Revisionsverhandlung möglich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 10 mwN).

55

Die Klägerin hat die Klage zutreffend gegen die Beklagten als Parteien des Vertrages zur HzV gerichtet. Seit der Änderung durch das GKV-VStG regelt § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ausdrücklich, dass Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson zu richten sind. Dies galt aufgrund des Umstands, dass die Schiedsperson keine Behörde ist und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht (vgl oben 2.), auch bereits für die Zeit vor Inkrafttreten der gesetzlichen Klarstellung mWv 1.1.2012 und damit auch bereits zum Zeitpunkt der Klagerhebung am 9.9.2011 (zur Ersetzungsklage gegen die Entscheidung Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 30). Die Tätigkeit der Schiedsperson ist mit dem Erlass des Schiedsspruchs beendet (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen). Aus diesem Grund ist die Schiedsperson zu dem Verfahren um die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Vertragsinhalts auch nicht notwendig beizuladen (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 31).

56

b) Für die Begründetheit der Feststellungklage wird in der Regel auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21 mwN). Vorliegend ist jedoch - in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin - vom Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson am 9.9.2010 auszugehen. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs für den Zeitpunkt seines Ergehens geltend macht. Grundsätzlich hat sie an einer Klärung der Frage, ob der Vertrag zum Zeitpunkt seiner Festsetzung rechtmäßig war, auch ein berechtigtes Interesse. Später eintretenden Änderungen haben die Vertragsparteien gemäß § 22 Abs 2 Satz 2 des Vertrages nach den Grundsätzen von Treu und Glauben Rechnung zu tragen. Soweit diese vertragliche Regelung nicht eingreift, folgt die Möglichkeit zur Anpassung des Vertrages aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X, wobei die vertragliche Regelung Vorrang hat(vgl BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 1 RdNr 25). Nach § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X kann eine Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an geänderte Verhältnisse verlangen, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert haben, dass der Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Wenn eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, kann diese den Vertrag kündigen. Auch diese Vorschrift setzt voraus, dass Änderungen seit Abschluss des Vertrages eingetreten sind. Insofern ist für die Klägerin weiterhin von Interesse, ob der Schiedsspruch zum Zeitpunkt der Vertragsfestsetzung rechtmäßig war. Dagegen ist weder eine Anpassung noch die Kündigung des durch Schiedsspruch festgesetzten Vertrages Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, sodass es auf später eingetretene Änderungen grundsätzlich nicht ankommen kann. Die etwa infolge der Abschaffung der Praxisgebühr (Streichung des § 28 Abs 4 SGB V mit Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom 20.12.2012, BGBl I 2789) erforderlichen Anpassungen des Vertrages (vgl dazu ua § 2 Abs 4, § 13 des Vertrages) sind ersichtlich nicht aufgrund unterschiedlicher Auffassungen der Vertragspartner, sondern wegen der im Vordergrund stehenden grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten und der deshalb bisher nicht erfolgten Umsetzung des Vertrages unterblieben. Eine auf den Anpassungsbedarf bezogene gerichtliche Feststellung hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

57

Allerdings sind im vorliegenden Verfahren Änderungen der Rechtslage zu berücksichtigen, die Einfluss auf das Fortbestehen des Feststellungsinteresses der Klägerin haben. Für die Beurteilung des Feststellungsinteresses ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (zur Fortsetzungsfeststellungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 131 RdNr 10, 10i; vgl auch BSG SozR 4-2700 § 215 Nr 2 RdNr 11). Da der streitgegenständliche Vertrag zur HzV bisher nicht umgesetzt wurde, kann ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin nur bestehen, soweit es darauf für die noch bevorstehende Umsetzung des Vertrages ankommt. Bedeutung gewinnt diese Frage hier bezogen auf Vereinbarkeit des Vertrages mit Bestimmungen zum Datenschutz (vgl dazu im Einzelnen nachfolgend d ii, RdNr 90).

58

c) Die gerichtliche Kontrolle der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson richtet sich aus den og Gründen nach den in der Rechtsprechung zur Überprüfung von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V entwickelten Maßstäben. Danach unterliegt auch die Entscheidung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur in eingeschränktem Umfang der gerichtlichen Kontrolle(vgl die stRspr zu § 89 SGB V: BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 3 RdNr 18; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11 mwN). Die Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle berücksichtigt, dass Schiedspersonen - ebenso wie Schiedsämter - deren Sprüche Vereinbarungen der zum Vertragsabschluss berufenen Vertragspartner ersetzen, eine weite Gestaltungsfreiheit haben. Dies trägt dem Wesen der Schiedssprüche Rechnung, die auf Interessenausgleich angelegt sind und Kompromisscharakter haben (vgl BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5). Der Schiedsspruch ist daher nur daraufhin zu überprüfen, ob die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen beachtet und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten wurden. Mithin ist in formeller Hinsicht zu klären, ob das Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs festgestellt hat und der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennen lässt (stRspr zu § 89 SGB V vgl etwa: BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13). Die inhaltliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsperson den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (zum Schiedsamt vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 20 S 131; BSGE 86, 126, 135 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11). Die Prüfung beschränkt sich dabei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf die Beachtung von Vorschriften, die unmittelbar Rechte der Vertragsparteien zu schützen bestimmt sind (aA zur Frage der Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen auch: LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 188). Deren Betroffenheit in eigenen Rechten folgt bereits aus dem Umstand, dass sie Partner des durch die Schiedsperson festgesetzten Vertrages sind. Die Bindung an einen solchen Vertrag müssen sie nur hinnehmen, soweit die darin getroffenen Bestimmungen materiell rechtmäßig sind. Insofern hat der Umstand, dass der Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, keinen Einfluss auf den gerichtlichen Prüfungsumfang.

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d) Die Überprüfung der Entscheidung der Schiedsperson anhand der genannten Maßstäbe ergibt, dass die Festsetzung des Vertragsinhalts allein bezogen auf die Vereinbarkeit mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz zu beanstanden ist. Im Übrigen entspricht der Schiedsspruch den rechtlichen Anforderungen.

60

aa) Einwände bezogen auf die Einhaltung verfahrensrechtlicher Anforderungen werden von den Beteiligten nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere durfte die Schiedsperson den Vertragsinhalt am 9.9.2010 festsetzen, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch ein Klageverfahren zur Frage der Rechtmäßigkeit der Bestimmung der Schiedsperson anhängig war. Da Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson gemäß § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V keine aufschiebende Wirkung haben, war die Schiedsperson trotz des anhängigen Klageverfahrens berechtigt (und verpflichtet), tätig zu werden(zur Bestellung einer Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 27, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

61

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht zu beanstanden, dass die Schiedsperson nicht allein den Beklagten zu 1. (Hausärzteverband, Landesverband Baden-Württemberg), sondern auch den Beklagten zu 2. (Medi Baden-Württemberg eV) als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag aufgenommen hat.

62

(1) Gemäß § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30.6.2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Nur die so definierten Gemeinschaften von Allgemeinärzten sind gemäß § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 SGB V berechtigt, die Einleitung eines Schiedsverfahrens zu verlangen. Diese Anforderungen müssen jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson erfüllt sein (so auch bereits Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 27; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 17.1.2011 - L 7 KA 66/10 B ER - Juris RdNr 5). Die genannten Voraussetzungen werden von den beiden Beklagten erfüllt.

63

(2) Mit dem Begriff der Allgemeinärzte sind nicht alle nach § 73 Abs 1a SGB V an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte angesprochen. Vielmehr wird der Begriff übereinstimmend mit § 73 Abs 1a Nr 1 SGB V verwendet, sodass darunter nur die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte fallen, die nach Landesrecht zur Führung der Bezeichnung "Arzt für Allgemeinmedizin" berechtigt sind. Vorbehaltlich landesrechtlicher Übergangsregelungen wird also eine fünfjährige Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin vorausgesetzt (Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 14; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 29a; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 11.10.2010 - L 11 KA 61/10 B ER - GesR 2011, 32 = Juris RdNr 35 ff; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 31 ff; vgl auch BT-Drucks 16/10609 S 54). Diesen Begriff der "Allgemeinärzte" hat die Schiedsperson ihrer Prüfung, ob die og 50 %-Quote erreicht wird, zutreffend zugrunde gelegt. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.

64

(3) Gemeinschaften, die die Einleitung eines Schiedsverfahrens beantragen können, müssen nach § 73b Abs 4 Satz 1 und 2, Abs 4a Satz 2 SGB V mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV "vertreten". Dass die Beklagten zu 1. und zu 2. gemeinsam diese Quote erfüllen, wird zu Recht auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V verwendete Begriff "vertreten" wird jedenfalls nicht als eine Vertretung im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Handlung im fremden Namen(§ 164 BGB) verstanden werden können. Vielmehr schließen die in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaften die Verträge mit den Krankenkassen im eigenen Namen ab. Ausschlaggebend ist daher die Zahl der Mitglieder der Gemeinschaft (so auch die ganz hM vgl zB Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; Huster, NZS 2010, 69, 70; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 128; ders in Orlowski/Rau/Schermer/ Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 31b; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 35; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Wie in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen dargelegt wird, waren 3492 der insgesamt 5089 in Baden-Württemberg an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte für Allgemeinmedizin und damit deutlich mehr als die Hälfte Mitglied einer der beiden Beklagten. Allein bei dem Beklagten zu 1. (Hausärzteverband Baden-Württemberg) waren 2742 der in Baden-Württemberg zugelassenen Fachärzte für Allgemeinmedizin Mitglied. Weil mindestens 2566 Allgemeinärzte - und damit ebenfalls mehr als die Hälfte - die beiden Verbände auch mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hatten, wäre die og Voraussetzung hier im Übrigen auch erfüllt, wenn eine Mandatierung erforderlich wäre.

65

Die Klägerin ist allerdings der Auffassung, dass jedenfalls der Beklagte zu 2. die gesetzlich geregelte Quote nicht erfüllen würde und dass dieser deshalb nicht als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag zur HzV hätte aufgenommen werden dürfen. Die Erfüllung der Quote sei bezogen auf jeden einzelnen Verband zu prüfen, sodass die gemeinsame Erfüllung durch mehrere Verbände nicht genüge. Dies trifft indes nicht zu. Zwar waren nur 1267 Allgemeinärzte und damit weniger als die Hälfte der in Baden-Württemberg zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Allgemeinärzte Mitglied des Beklagten zu 2. Darauf kommt es indes nicht an. Vielmehr genügt, dass beide Beklagten als Vertragspartner der Klägerin gemeinsam mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte vertreten und zum gemeinsamen Vertragsschluss zu identischen Konditionen bereit waren und sind.

66

Der Begriff der "Gemeinschaften" wird gesetzlich nicht definiert. Der entsprechende Begriff in § 741 BGB wird nach dem Sinn der Regelung offensichtlich nicht in Bezug genommen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass keine Beschränkung auf eine bestimmte Rechtsform beabsichtigt war und dass weder eine innere noch eine äußere Organisationsstruktur vorgegeben wird (ebenso Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Huster, NZS 2010, 69, 70; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 73b RdNr 13; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 16; vgl auch Bayerisches LSG Beschluss vom 27.6.2009 - L 12 KA 33/09 B ER - GesR 2009, 477, 480). Ausschlaggebend ist allein die soziale Mächtigkeit der Gemeinschaft und die daraus folgende Möglichkeit, eine flächendeckende Versorgung zu organisieren (Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127 f; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Huster, NZS 2010, 69, 70; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Diese Auffassung wird insbesondere durch die in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/10609 S 53 f) zum Ausdruck kommende Zielsetzung der Regelung gestützt. Danach sollte mit der zum 1.1.2009 eingeführten Neuregelung durch das GKV-OrgWG vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) das mit dem GKV-WSG eingeführte eigenständige Verhandlungsmandat der Gemeinschaft von Hausärzten gestärkt werden. Gemeinschaften, die die 50 %-Quote erfüllen, gewährleisteten, dass eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung durch den Vertragsschluss erreicht werden könne. Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung ist davon auszugehen, dass sich Kooperationen nicht nur - wie ausdrücklich gesetzlich geregelt (§ 73b Abs 4 Satz 1 SGB V)- auf Seiten der Krankenkassen, sondern auch auf Seiten der Hausärzte an dem Vertrag zur HzV beteiligen können. Dem gesetzgeberischen Ziel, eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur HzV zu erreichen, wird schon Rechnung getragen, wenn nicht jeder einzelne Verband, sondern nur die Kooperation von Hausarztverbänden die genannte Quote erfüllt (so auch das dem Schriftsatz der Klägerin vom 12.2.2015 als Anlage RK 29 übersandte "Ergebnisse der Besprechung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 22.1.2009 zu Fragestellungen/Problemen im Zusammenhang mit § 73b SGB V in der Fassung vom 1.1.2009", S 3 unter III. 2.; ausdrücklich bezogen auf die beiden Beklagten des vorliegenden Verfahrens: Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 32).

67

cc) Der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV verletzt nicht den Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V. Entgegen der Auffassung der Klägerin findet dieser Grundsatz auf den vorliegenden, vor dem 22.9.2010 zustande gekommenen Vertrag keine Anwendung.

68

(1) In der hier maßgebenden Fassung des § 73b SGB V vor der Änderung durch das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2309) war die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die HzV nicht geregelt. Die Einfügung des § 73 Abs 5a SGB V mit dem GKV-FinG, in dessen Satz 1 bestimmt wird, dass bei der zwischen den Krankenkassen und den die Allgemeinärzte vertretenden Gemeinschaften der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71 SGB V zu beachten ist, gilt ausdrücklich nur für nach dem 22.9.2010 zustande gekommene Verträge. Der hier zu beurteilende Vertrag ist bereits mit der Festsetzung durch die Schiedsperson vom 9.9.2010 und damit bis zum 22.9.2010 zustande gekommen.

69

Die Beschränkung der Geltungsdauer der Bestandsschutzregelung nach § 73b Abs 5a Satz 5 SGB V idF des GKV-FinG auf die Zeit bis zum 30.6.2014 greift nicht ein, weil diese Frist nur für Anschlussvereinbarungen und nicht für den hier zu beurteilenden, bis zum 22.9.2010 geschlossenen Vertrag selbst gilt. Im Übrigen ist § 73b Abs 5a SGB V mit dem dort geregelten Grundsatz der Beitragssatzstabilität durch das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch(14. SGB V-Änderungsgesetz - 14. SGB V-ÄndG) vom 27.3.2014 (BGBl I 261) mWv 1.4.2014 aufgehoben worden, sodass diese Regelung auch im Falle einer Kündigung des Vertrages zur HzV keine Wirkung mehr entfalten könnte.

70

§ 73b SGB V in der hier maßgebenden Fassung unterscheidet sich damit zB von der die Gesamtvergütung betreffenden Bestimmung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V idF vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2013, der die Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) für die Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen anordnete. Allein der Umstand, dass es in § 73b SGB V an einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung für die HzV fehlt, schließt die Geltung dieses Grundsatzes allerdings noch nicht aus. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität allgemein für die im Vierten Kapitel des SGB V geregelten Vergütungsvereinbarungen gilt, ohne dass es einer auf die jeweilige Vergütungsvereinbarung bezogenen speziellen Regelung bedarf. Dies hat der Senat insbesondere aus dem Standort des § 71 SGB V im Abschnitt "Allgemeine Grundsätze" des Vierten Kapitels abgeleitet(BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 17). Bei dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität handelt es sich um eine verbindliche gesetzliche Vorgabe, die auch bei Schiedssprüchen zu beachten ist und die eine verbindliche Grenze für Vergütungsvereinbarungen darstellt (vgl BSGE 86, 126, 135 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 296 f; BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 15 f mwN).

71

Dies gilt jedoch nur, soweit keine Ausnahme eingreift. Solche Ausnahmen und Einschränkungen sind für unterschiedliche Vergütungsvereinbarungen im Vierten Kapitel des SGB V enthalten. So gilt nach § 87a Abs 3 Satz 2 letzter Halbsatz SGB V in der Fassung des GKV-WSG der vereinbarte Behandlungsbedarf als "notwendige medizinische Versorgung" im Sinne des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V mit der Folge, dass die Beschränkungen aus dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität für Gesamtvergütungen in der vertragsärztlichen Versorgung seit 2009 insoweit nicht eingreifen(vgl BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 41). Für die integrierte Versorgung bestimmt § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht für Verträge gilt, die bis zum 31.12.2008 geschlossen worden sind. Für die zahnärztliche Versorgung ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität mit der Änderung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V zwar nicht aufgehoben, aber eingeschränkt worden, indem nicht mehr die Beachtung, sondern nur noch dessen Berücksichtigung vorgeschrieben wird(vgl dazu Axer, GesR 2013, 135, 138 f). Eine ähnliche Einschränkung enthält § 134a Abs 1 Satz 2 SGB V für die Versorgung mit Hebammenhilfe.

72

Für die HzV folgt eine Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V. Danach können Einzelverträge Abweichungen von den Vorschriften "dieses Kapitels" - also des Vierten Kapitels des SGB V - sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. Das Vierte Kapitel umfasst die §§ 69 bis 140h SGB V und damit auch § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; ähnlich Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 257 f; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

73

Eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität kann entgegen der Auffassung von Ebsen aus dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (Rechtliche Anforderungen an das Handeln der Schiedsperson für die Festlegung des Inhalts des Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b Abs 4a SGB V, Rechtsgutachten im Auftrag des AOK-Bundesverbandes aus Juli 2009, unveröffentlicht, RdNr 55) auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V die Nichtgeltung für die Verträge zu integrierten Versorgungsformen ausdrücklich anordnet, während § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V für die HzV nur allgemein Ausnahmen von den Vorschriften des Vierten Kapitels zulässt. Zwar trifft es zu, dass sich der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V mit dem GKV-WSG ua an § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V anlehnen wollte(BT-Drucks 16/3100, S 112), der Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels betrifft. § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, der die Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die integrierte Versorgung ausdrücklich regelt, bleibt in der Gesetzesbegründung zu § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V hingegen unerwähnt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels nur mit Ausnahme des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität zulassen würde. Im Wortlaut der Regelung findet eine solche einschränkende Auslegung keine Grundlage. Der im Gutachten von Ebsen gezogene Vergleich zwischen den für die HzV und den für die integrierte Versorgung geltenden Regelungen berücksichtigt zudem nicht hinreichend, dass § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels des SGB V nicht umfassend, sondern nur insoweit zulässt, als "die abweichende Regelung dem Sinn und der Eigenart der integrierten Versorgung entspricht, die Qualität, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der integrierten Versorgung verbessert oder aus sonstigen Gründen zu ihrer Durchführung erforderlich ist". Da § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels umfassend zulässt, bedurfte es keiner § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V entsprechenden speziellen Regelung zur Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität. Im Übrigen vertritt auch Ebsen nicht die Auffassung, dass die Krankenkassen bei Verträgen zur HzV den Grundsatz der Beitragssatzstabilität umfassend zu beachten hätten. Vielmehr will er den "unternehmerisch" im Wettbewerb stehenden Krankenkassen für freiwillige Vereinbarungen einen größeren Spielraum zubilligen und lediglich den Gestaltungsspielraum der Schiedsperson beschränken (vgl RdNr 31 ff, 61 des Gutachtens). Indes ist die Gestaltungsfreiheit der Schiedsperson nicht geringer als diejenige der Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung. Insofern gilt für Schiedssprüche von Schiedspersonen nichts anderes als für solche der Schiedsämter (vgl zum Gestaltungsspielraum von Schiedsämtern BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 73 RdNr 15; BSGE 86, 126, 134 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295 mwN).

74

Etwas anderes folgt auch nicht aus § 73b Abs 8 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des GKV-WSG, die im Übrigen mit der seit dem 1.4.2014 (wieder) geltenden Fassung des 14. SGB V-ÄndG übereinstimmt. Nach dieser Vorschrift können die Parteien des Vertrages zur HzV vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach § 73b Abs 7 SGB V fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanziert werden, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach § 73b Abs 4 SGB V erzielt werden. Aus der Formulierung "können vereinbaren" folgt, dass es sich nicht um eine für die Vertragspartner verbindliche Vorgabe handelt. Damit übereinstimmend hat der Gesundheitsausschuss, auf dessen Empfehlung die Regelung mit dem GKV-WSG eingeführt worden ist, zur Begründung angegeben, dass es sich um eine Klarstellung handele. In den Verträgen zu HzV könne vereinbart werden, zusätzliche Vergütungen durch Einsparungen zB bei den veranlassten und verordneten Leistungen zu generieren (BT-Drucks 16/4247 S 36).

75

Dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität für die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV keine Geltung beansprucht, findet seine Bestätigung in der Änderung des § 73b SGB V mit dem GKV-FinG. Der mit diesem Gesetz neu eigeführte § 73b Abs 5a SGB V sah in Satz 1 eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ausdrücklich nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge vor. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/3040 S 23) entsprach es auch dem Willen des Gesetzgebers, die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV von der Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität auszunehmen. Danach sollte es für diese Verträge bei der "im bisherigen Recht angelegten Vertragsfreiheit der Vertragsparteien auch im Hinblick auf die Vergütungshöhe" bleiben.

76

Auch die Motive, die den Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zum 14. SGB V-ÄndG (BT-Drucks 18/606 S 11) zur Aufhebung des § 73b Abs 5a SGB V und zur "Rückführung" des Abs 8 auf die vor dem GKV-FinG geltende Fassung mWv 1.4.2014 veranlasst haben, sprechen dafür, dass es sich bei den Änderungen durch das GKV-FinG - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht nur um eine Klarstellung bezogen auf den ohnehin geltenden Grundsatz der Beitragssatzstabilität gehandelt hat, sondern dass dieser Grundsatz im Bereich der HzV allein aufgrund des - mit dem 14. SGB V-ÄndG wieder aufgehobenen - § 73b Abs 5a SGB V und damit auch nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV galt. Nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Änderung zurückgeht, sollten die mit dem GKV-FinG eingeführten Vergütungsbeschränkungen wieder aufgehoben werden, "da sie sich als Hemmnis für den Abschluss von Verträgen über eine hausarztzentrierte Versorgung erwiesen haben". Die Vertragspartner sollten - auch für Vereinbarungen über solche Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen - die Möglichkeit erhalten, Vergütungsvereinbarungen zu treffen, ohne hierbei starren Begrenzungen zu unterliegen. Entscheidend sei, dass der Vertrag "insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot" entspreche. Die Gestaltungsspielräume der Vertragspartner sollten bezogen auf die Vergütung erweitert und die Möglichkeiten zur Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte verbessert werden.

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(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die Vergütung in der HzV auch nicht aus den für die für Wahltarife geltenden Bestimmungen des § 53 Abs 3, Abs 9 SGB V hergeleitet werden. Allerdings weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass die Krankenkassen nach § 53 Abs 3 SGB V verpflichtet sind, in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen - ua nach § 73b SGB V - teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Daran anknüpfend schreibt § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V vor, dass die Aufwendungen für jeden Wahltarif jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden müssen. Danach sei - so die Klägerin - der Abschluss eines Hausarztvertrages ausgeschlossen, der Mehrkosten vorsehe, ohne dass deren Gegenfinanzierung gesichert sei. Der vorliegende Vertrag zur HzV enthalte Regelungen zu Mehrausgaben, deren Gegenfinanzierung spekulativ bleibe.

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Indes betrifft die Regelung zu den Wahltarifen das Verhältnis der Krankenkassen zu den Versicherten und nicht das Leistungserbringungsrecht. Ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 53 Abs 9 SGB V könnte deshalb nur die Rechtsmäßigkeit der Satzung der Krankenkasse berühren und nicht die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; vgl Mehdorn, ZMGR 2012, 3, 12; ebenso bezogen auf einen Vertrag nach § 73c SGB V: SG Berlin Urteil vom 13.10.2010 - S 83 KA 443/08 - MedR 2011, 124, 128). Dies räumt auch Ebsen in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (aaO, RdNr 74) im Grundsatz ein, macht jedoch geltend, dass es den Kassen auch bei Verträgen mit Leistungserbringern selbstverständlich verboten sei, Vereinbarungen zu treffen, die zu einem Verstoß gegen ihre Pflichten im Versicherungsverhältnis führten. Dem kann zwar im Grundsatz zugestimmt werden. Der Senat hat Bedenken gegen die Auffassung des SG München aus der Entscheidung vom 16.7.2014 (S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 47 f), nach der ein Vertrag zur HzV bereits deshalb nicht gegen § 53 Abs 9 SGB V verstoßen könne, weil die möglicherweise durch diesen Vertrag verursachten Mehrkosten keine "Aufwendungen für den Wahltarif" im Sinne des § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V seien und dass diese deshalb auch nicht durch Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen gegenfinanziert werden müssten. Der Begriff der "Aufwendungen für den Wahltarif" dürfte im Grundsatz umfassender zu verstehen sein als das SG München annimmt (zu Mindereinnahmen als "Aufwendungen für den Wahltarif" vgl BSGE 109, 230 = SozR 4-2500 § 53 Nr 2, RdNr 21). Für das vorliegende Verfahren kommt es darauf indes nicht an. Jedenfalls kann die eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der HzV nicht über das Verbot der Quersubventionierung von Wahltarifen aus § 53 Abs 9 SGB V unterlaufen werden(in dieser Richtung auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35 = Juris RdNr 48). Maßgebend ist die - für das Leistungserbringungsverhältnis vorrangige - Regelung des § 73b SGB V. Daher ist § 53 Abs 9 SGB V insoweit einschränkend auszulegen. Soweit die Vertragspartner des HzV von der Gestaltungsfreiheit Gebrauch machen, die der Gesetzgeber ihnen mit der bereichsspezifischen Ausnahme vom Gebot der Beitragssatzstabilität einräumen wollte, kann allein darin kein Verstoß gegen das Verbot der Quersubventionierung aus § 53 Abs 9 SGB V liegen.

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(3) Die für die HzV geltende Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität und die daraus folgende Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 53 Abs 9 SGB V begegnet entgegen der Auffassung der Klägerin auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass sich die Sozialversicherungsbeiträge durch eine strenge grundrechtlich und kompetenzrechtlich begründete Zweckbindung auszeichnen und dass die unter Eingriff in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art 2 Abs 1 GG zustande gekommene Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung die Auferlegung nur solcher Geldleistungen zu rechtfertigen vermag, die ihren Grund und ihre Grenze in den zwingenden Aufgaben der Sozialversicherung finden (vgl BVerfGE 113, 167, 203 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 55). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ist in einem Sozialstaat überragend wichtiges Gemeinschaftsgut (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139). Daraus folgt jedoch nicht, dass der in § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V definierte Grundsatz der Beitragssatzstabilität von der Verfassung vorgegeben wäre(zur Einschränkung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der vertragszahnärztlichen Versorgung vgl Axer, GesR 2013, 135, 140). Vielmehr hat der Gesetzgeber im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139; BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 103, 172, 185 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27; BVerfGE 44, 70, 89 = SozR 5420 § 94 Nr 2 S 2). Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind von der Rechtsprechung zu akzeptieren, solange seine Entscheidungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 89, 365, 376 = SozR 3-2200 § 385 Nr 4 S 4).

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Das Ziel der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung hat der Gesetzgeber mit der Einführung der HzV nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil ist die Verpflichtung der Krankenkassen, ihren Versicherten eine flächendeckende hausarztzentrierte Versorgung zur Verfügung zu stellen, mit dem Ziel eingeführt worden, die Versorgungsqualität zu verbessern und Wirtschaftlichkeitsreserven ua durch Verbesserungen im Bereich Pharmakotherapie, durch den Einsatz von wissenschaftlich begründeten und praxiserprobten hausärztliche Leitlinien und durch eine zielgerichtetere Fortbildung zu erschließen (vgl BT-Drucks 16/3100 S 111 f). Auf die Geltung von Vorschriften des Vierten Kapitels einschließlich des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität hat der Gesetzgeber dabei im Interesse eines weiten Gestaltungsspielraums der Vertragspartner und in der Erwartung verzichtet, dass dieser unter der Beteiligung der Krankenkassen als Vertragspartner im Sinne der og Zielsetzung ausgefüllt wird. Anhaltspunkte dafür, dass diese Erwägungen offensichtlich unzutreffend oder aus anderen Gründen mit der Wertordnung der Verfassung unvereinbar wären, sind weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich. Bei der Einführung neuer Strukturen im Bereich der Leistungserbringung wie dem flächendeckenden Angebot einer HzV können die finanziellen Auswirkungen regelmäßig nicht mit Sicherheit prognostiziert werden. Allein daraus folgt jedoch noch keine Überschreitung des Handlungsspielraums des Gesetzgebers.

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Auch eine Ungleichbehandlung der Versicherten und damit ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG ist mit der Einführung der HzV entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verbunden, soweit alle Krankenkassen ihrer gesetzlichen Pflicht aus § 73b Abs 1 SGB V nachkommen, ihren Versicherten eine HzV anzubieten, weil dann alle Versicherten die Möglichkeit haben, diese Leistung in Anspruch zu nehmen. Mit der vorliegenden Entscheidung stellt der Senat klar, dass die Klägerin dieser bereits seit Inkrafttreten der Änderungen durch das GKV-WSG zum 1.4.2007 gesetzlich geregelten Verpflichtung nachzukommen hat.

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dd) Zu beachten bleibt das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot, das seine Grundlage nicht allein in § 70 Abs 1 SGB V und damit einer Vorschrift aus dem nach § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V nicht zwingend anwendbaren Vierten Kapitel, sondern auch in § 2 Abs 4, § 12 SGB V hat. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Für die Geltung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots spricht im Übrigen die Begründung der der Streichung des § 73b Abs 5a SGB V mit dem 14. SGB V-ÄndG zugrunde liegenden Empfehlung des Gesundheitsausschusses (BT-Drucks 18/606 S 11). Danach bleibt entscheidend, "dass der Vertrag insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht". Dagegen gilt die mit der Änderung des § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V durch das 14. SGB V-ÄndG eingeführte Verpflichtung, Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren, nicht für den vorliegenden, am 9.9.2010 festgesetzten Vertrag zur HzV, sondern nur für Verträge, die nach dem 31.3.2014 zustande gekommen sind.

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Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag entspricht dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade in der Phase der Einführung der flächendeckenden HzV keine hohen Anforderungen an die Prognose der wirtschaftlichen Auswirkungen gestellt werden können. Für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung durch die Schiedsperson ist ausschlaggebend, dass die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Gesichtspunkte erkannt, gegeneinander abgewogen worden sind und Eingang in die Begründung gefunden haben. Die Anforderungen an die Begründung dürfen auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Schiedsperson keinen eigenen Verwaltungsapparat unterhält, nicht überspannt werden (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 38). Den so definierten Anforderungen wird die ausführliche Begründung der Entscheidung der Schiedsperson ohne Weiteres gerecht. Dabei wird - wie die Klägerin zutreffend geltend macht - in der Begründung des Schiedsspruchs nicht in Zweifel gezogen, dass zB mit der vorgesehenen kontaktunabhängigen Pauschale (65 Euro pro Versichertenteilnahmejahr) oder der Chronikerpauschale (30 Euro maximal einmal pro Quartal und maximal 4-mal pro Versichertenteilnahmejahr) Vergütungstatbestände in die HzV aufgenommen worden sind, die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen keine Entsprechung finden und dass insgesamt mit einer Erhöhung des Fallwertes zu rechnen ist. Prognostiziert wird eine Erhöhung um 12,38 Euro im Vergleich zur Regelversorgung. Ferner wird ausgeführt, dass die dadurch verursachten Kosten und auch die erzielten Einsparungen nicht genau zu prognostizieren seien. Allerdings gebe es mit der Vergütungsobergrenze nach § 10 Abs 9 des Vertrages (76 Euro) Regelungen, die geeignet seien, das Risiko der Krankenkassen zu begrenzen. Einsparungen könnten ua aufgrund der Verpflichtung der Versicherten erwartet werden, Fachärzte nur auf Überweisung in Anspruch zu nehmen. Dies führe zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen. Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass jeder Facharztbesuch auch Folgekosten bei den veranlassten Leistungen nach sich ziehe, sodass eine - medizinisch vertretbare - verminderte Inanspruchnahme von Überweisungen zu Fachärzten auch geringere Folgekosten bedinge. Ein gewisses Einsparpotenzial ergebe sich des Weiteren durch die Verpflichtung der Hausärzte, bei der Arzneimittelversorgung die von den Vertragspartnern der HzV zur Verfügung gestellte Software zu verwenden, die gerade bei Original-Präparaten ermöglichen solle, dass der Hausarzt wirtschaftliche Verordnungen vornehmen könne. Insgesamt werden finanzielle Risiken und Einsparpotenziale in der Begründung des Schiedsspruchs ausführlich dargestellt und gegeneinander abgewogen. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung erster Erfahrungen mit ähnlichen Verträgen (Vertrag der BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für Baden-Württemberg, AOK Bayern-Vertrag) kommt die Schiedsperson nachvollziehbar zu der Einschätzung, dass in Umsetzung des Vertrages eine wirtschaftliche Leistungserbringung durch die teilnehmenden Hausärzte erwartet werden kann.

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ee) Dagegen kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Schiedsperson lediglich einen unvollständigen "Vertragstorso" festgesetzt habe. Zwar trifft es zu, dass die Schiedsperson die vorgesehenen Anlagen zum Vertrag nicht vollständig festgesetzt, sondern teilweise der weiteren Vereinbarung durch die Vertragsparteien überlassen hat (etwa zum Hilfsmittelmanagement und zu verschiedenen Vergütungszuschlägen, die ua eine wirtschaftliche Verordnungsweise fördern sollen). Gerade in der Anfangsphase nach Einführung der flächendeckenden HzV ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Vertragsparteien in der Phase der Umsetzung des Vertrages weitere Konkretisierungen und Ergänzungen vornehmen. Ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV ist allein, ob dieser in der vorliegenden Form umgesetzt werden kann. Daran hat der Senat keine Zweifel.

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ff) Auch der Einwand der Klägerin, die Schiedsperson habe in Verkennung des rechtlichen Rahmens angenommen, dass die HzV nur als Vollversorgungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag vereinbart werden dürfe, sie habe dadurch ihren Gestaltungsspielraum verkannt und dies allein führe zur Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs, greift nicht durch. Dass die HzV jedenfalls auch in der Form eines sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrages vereinbart werden kann, der die bisherige Regelversorgung nach § 73 SGB V umfasst und diese nicht lediglich ergänzt, unterliegt keinem Zweifel. Auf die umstrittene Frage, ob eine HzV in Form eines sog Add-on-Vertrages den gesetzlichen Vorgaben entsprechen würde (gegen die Rechtmäßigkeit von Add-on-Verträgen auf der Grundlage des § 73b SGB V: Hess in Kasseler Komm, Stand Dezember 2014, § 73b SGB V RdNr 3; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 47; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 27 f; mit dieser Tendenz auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 8 ff; ähnlich: Sproll in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Februar 2015, § 73b SGB V RdNr 8: "Beide Versorgungsformen schließen sich gegenseitig aus" sowie Orlowski, ZMGR 2009, 124, 125: HzV als "eigenständig zu regelnde einzelvertragliche Versorgung"; anders jedoch Huster, SGb 2010, 253 ff; ders in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 21; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 6; SG Marburg Urteil vom 3.8.2011 - S 12 KA 237/10 - Juris RdNr 29 ff), kommt es für die Entscheidung nicht an. Jedenfalls hat die Schiedsperson mit der Festsetzung eines Vollversorgungsvertrages ihren möglichen Entscheidungsspielraum nicht überschritten. In der Begründung des Schiedsspruchs wird die Auffassung vertreten, dass allein die Vereinbarung eines Vollversorgungsvertrages der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Die Frage, ob deshalb ein Add-on-Vertrag rechtswidrig wäre, wird aber letztlich offengelassen. Die Schiedsperson weist zur weiteren Begründung ua darauf hin, dass sie sich in Ausübung ihres billigen Ermessens für einen Vollversorgungsvertrag entschieden habe, weil dieser den Krankenkassen und den Hausarztgemeinschaften die Möglichkeit eröffne, strukturelle Verbesserungen in der Leistungserbringung für die Versicherten vorzunehmen, während Add-on-Verträge nur punktuelle Ansätze böten. Damit hat die Schiedsperson die Entscheidung für einen Vollversorgungsvertrag den Anforderungen entsprechend begründet.

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gg) Der Vertrag ist auch nicht rechtswidrig, soweit er in § 6 sowie in den Anlagen 4 und 6 Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der HzV enthält, die in einzelnen Punkten (Verbleib des Originals der Teilnahmeerklärung bei der Krankenkasse oder in der Arztpraxis, Frist zwischen der Abgabe der Teilnahmeerklärung und dem Beginn der Teilnahme des Versicherten, Kündigungsfrist für die Teilnahme, Frist für den Wechsel des Hausarztes, ua) vom Inhalt der Satzung der Klägerin abweichen. Zwar trifft der Einwand der Klägerin zu, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 3 Satz 4 SGB V idF des GKV-WSG (heute: Satz 7) bisher(zu der im Entwurf eines GKV-VSG vorgesehenen Änderung vgl BT-Drucks 18/4095 S 16 f zu Art 1 Nr 27 Buchst a) verpflichtet sind, das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, in ihren Satzungen zu regeln. Auf der anderen Seite setzt jedoch auch das Angebot einer HzV, das durch Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V flächendeckend gewährleistet werden soll, Regelungen zur Teilnahme der Versicherten voraus, sodass diese idR auch Gegenstand des Vertrages zur HzV sein werden. Bei der Entscheidung, ob die vertraglichen Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der Satzung der Krankenkasse auszurichten sind oder ob umgekehrt die Krankenkasse ihre Satzung dem Inhalt der Verträge anzupassen hat, ist zu berücksichtigen, dass die Verträge zur HzV über die Festlegung durch eine Schiedsperson ggf auch gegen den Willen der Krankenkassen zustande kommen sollen. Dies steht einer Auslegung dahin entgegen, dass die Krankenkassen der anderen Partei des Vertrages zur HzV die Regelungen zur Teilnahme der Versicherten durch ihre Satzung einseitig vorgeben könnten. Ferner ist von Bedeutung, dass durch die Änderung des § 79 Abs 1 SGB V mWv 1.1.2005 bezogen auf die Vertretungskompetenz - die die Vertretung beim Abschluss von Selektivverträgen einschließt - ein originärer Aufgabenbereich des Vorstands der Krankenkassen geschaffen werden sollte, der nicht vollständig der Gestaltungsmacht der Vertreterversammlung unterworfen ist (BSGE 114, 274 = SozR 4-2500 § 81 Nr 7, RdNr 33, 37 ff). Auch dies spricht dagegen, dass Inhalte des Vertrages zur HzV durch die von der Vertreterversammlung verabschiedete Satzung der Krankenkasse einseitig vorgegeben werden könnten. Daher sind Regelungen des Vertrages zur HzV zur Teilnahme der Versicherten nicht bereits rechtswidrig, wenn sie vom Inhalt der Satzung der Krankenkasse abweichen. Vielmehr ist - wie das LSG bereits zutreffend ausgeführt hat - die Krankenkasse verpflichtet, ihre Satzung dem Inhalt des Vertrages anzupassen (ebenso: Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 50).

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Die im Vertrag zur HzV getroffenen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten müssen danach zwar nicht mit dem Inhalt der Satzung der Krankenkasse übereinstimmen, aber die übrigen gesetzlichen und untergesetzlichen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten beachten. Bezogen auf den hier in erster Linie maßgebenden Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ist der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV auch insoweit nicht zu beanstanden. Allerdings werden bei der bevorstehenden Durchführung des Vertrages die in der Zwischenzeit eingetretenen gesetzlichen Änderungen zu berücksichtigen sein. Eine entsprechende Verpflichtung zur Anpassung ist in den Schlussbestimmungen des Vertrages (§ 22 Abs 2) geregelt und folgt im Übrigen aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X. Neben der Berücksichtigung der mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013 (BGBl I 277) eingeführten Bestimmungen zum Widerrufsrecht der Versicherten (§ 73b Abs 3 Satz 3 bis 6 SGB V) gehört dazu auch die Beachtung der am 26.8.2013 in Kraft getretenen Vorgaben zur Abgabe der Teilnahmeerklärung aus der Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach § 217f Abs 4a SGB V.

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hh) Der Rechtmäßigkeit der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson steht nicht entgegen, dass zuvor keine Auftragsvergabe nach den Vorschriften des Vergaberechts durchgeführt worden ist. Zwar fanden gemäß § 69 Abs 2 Satz 1 SGB V in der hier maßgebenden seit dem 18.12.2008 geltenden Fassung des GKV-OrgWG die die Vergabe öffentlicher Aufträge betreffenden Vorschriften der §§ 97 bis 115 und 128 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auf die in § 69 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Rechtsbeziehungen der Krankenkassen ausdrücklich Anwendung, soweit die dort genannten Voraussetzungen erfüllt waren. Dies galt nach § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V jedoch nicht für Verträge von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind und bei deren Nichtzustandekommen eine Schiedsamtsregelung gilt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Festsetzung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson als "Schiedsamtsregelung" in diesem Sinne zu verstehen ist und ob Satz 2 damit der Anwendbarkeit der §§ 97 ff GWB entgegensteht. Unabhängig von dieser ohnehin nur klarstellenden (vgl BT-Drucks 16/10609 S 52) Beschränkung der Anwendbarkeit wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen, die sich im Übrigen seit der Änderung durch das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2262) nicht mehr auf die Vorschriften des Vierten Teils des GWB (§§ 97 ff GWB) bezieht (vgl jetzt § 69 Abs 2 Satz 4 SGB V), kann ein öffentlicher Auftraggeber dem Kartellvergaberecht nur unterworfen sein, wenn dieser eine Auswahl zwischen verschiedenen Vertragspartnern hat (Kaltenborn, GesR 2011, 1, 2; Engelmann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand Oktober 2013, § 69 RdNr 141; vgl zur Rechtslage vor der Änderung durch das AMNOG: Sormani-Bastian, ZESAR 2010, 13). Daran hat sich im Übrigen auch durch die neuen europäischen Vergaberichtlinien nichts geändert. Nach Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 2014/23/EU vom 26.2.2014 über die Konzessionsvergabe (ABl L 94, 1) sollen Regelungen, nach denen ohne gezielte Auswahl alle Wirtschaftsteilnehmer, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, berechtigt sind, eine bestimmte Aufgabe wahrzunehmen, nicht als Konzessionen gelten. Das betrifft auch Regelungen aufgrund einer Vereinbarung zwischen Behörde und Wirtschaftsunternehmen. Nichts anderes gilt, soweit der Vertrag zur HzV europarechtlich nicht als Dienstleistungskonzession, sondern als entgeltlicher Beschaffungsvertrag angesehen wird: Nach Art 1 Abs 2 der Richtlinie 2014/24/EU vom 26.2.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl L 94, 65) setzt die Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie voraus, dass Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen von öffentlichen Auftraggebern "ausgewählt werden".

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Der sich aus § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ergebende Kontrahierungszwang, der gemäß § 73b Abs 4 Satz 2 iVm Abs 4a SGB V von entsprechend qualifizierten Gemeinschaften durch die Beantragung des Schiedsverfahrens und die Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson durchgesetzt werden kann, hat zur Folge, dass der vertragschließenden Krankenkasse kein Auswahlermessen zukommt, sondern dass der Vertragspartner bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bereits feststeht. Eine Auswahl zwischen verschiedenen Bietern ist also bezogen auf die Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ausgeschlossen. Dies steht der Annahme eines öffentlichen Auftrages im Sinne des § 99 GWB entgegen(so auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 32a; Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137 f; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b SGB V, RdNr 62; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 34; ähnlich Orlowski, ZMGR 2009, 124, 130; BKartA Beschluss vom 2.7.2010 - VK 1 - 52/10 - Juris; bezogen auf die HzV nach § 73b SGB V allerdings nur im Ergebnis ebenso die Begründung zum GKV-OrgWG: BT-Drucks 16/10609 S 52).

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ii) Der Vertrag zur HzV ist mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vollständig kompatibel. Maßgebend ist dabei grundsätzlich die Rechtslage zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson (vgl 4 b, RdNr 56). Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen bereits deshalb nicht zu vereinbaren, weil es an der erforderlichen Befugnisnorm für die dort geregelte Weitergabe von Abrechnungsdaten an private Stellen in Gestalt der HÄVG und der HÄVG Rechenzentrum AG gefehlt hat (nachfolgend 1). Indes ist für die Beurteilung des Feststellungsinteresses die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (vgl 4 b, RdNr 57). Die Klägerin hat weder ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 55 Abs 1 SGG an der isolierten Feststellung einer Rechtswidrigkeit des - bisher nicht durchgeführten - Vertrages zur HzV unter Zugrundelegung einer nicht mehr geltenden Rechtslage nachvollziehbar geltend gemacht noch einen Anspruch gegenüber den Beklagten auf Änderung des Vertrages entsprechend der nicht mehr geltenden Rechtslage. Ein fortbestehendes Feststellungsinteresse kann deshalb nur anerkannt werden, soweit es darauf auch noch für die bevorstehende Durchführung des Vertrages ankommt. Daher ist ergänzend die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats und damit nach Einführung des § 295a SGB V durch Art 3 Nr 9 des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze vom 28.7.2011 (BGBl I 1622, 1627) mWv 4.8.2011 zu berücksichtigen (nachfolgend 2). Die von der Klägerin erhobenen datenschutzrechtlichen Einwände greifen daher zum überwiegenden Teil nicht durch (nachfolgend 3, 5, 6). Soweit der Vertrag zur HzV jedoch auch mit den geänderten bundesrechtlichen Vorgaben nicht vollständig zu vereinbaren ist, sind die Vertragspartner verpflichtet, diesen zu ändern (nachfolgend 4 und 7).

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(1) Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV sieht vor, dass die Abrechnung der Vergütung des Hausarztes gemäß den Vorgaben der Anlage 3 durch die HÄVG als Abrechnungsdienstleister erfolgt (§ 11 Abs 1). Die HÄVG ist berechtigt, sich zum Zwecke der Abrechnung eines Rechenzentrums im Sinne der Anlage 3 zu bedienen (§ 11 Abs 2 Satz 2). Nach Anlage 3 § 6 Satz 2 wird von der HÄVG hierzu "derzeit" die HÄVG Rechenzentrum AG eingesetzt. Damit übereinstimmend werden die Versicherten mit dem Merkblatt (Anhang zu Anlage 6 des Vertrages) unter der Überschrift "Wichtige Informationen zum Schutz Ihrer Daten - Ihre Einwilligung" darüber informiert, dass die Abrechnung der ärztlichen Vergütung ua "über die Dienstleistungsgesellschaft des Hausärzteverbandes und MEDI, die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) und ihr Rechenzentrum erfolgt". Nach § 11 Abs 4 zahlt die Krankenkasse die Vergütung mit schuldbefreiender Wirkung an die HÄVG.

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Für die damit vorgesehene Weitergabe von Patientendaten zu Abrechnungszwecken fehlte zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts die erforderliche Rechtsgrundlage. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 10.12.2008 (B 6 KA 37/07 R - BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2)im Einzelnen dargelegt hat, setzt die Übermittlung von Patientendaten durch Leistungserbringer an private Dienstleistungsunternehmen im Geltungsbereich des SGB V eine bereichsspezifische Befugnisnorm voraus. Als solche kam allein § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009 (BGBl I 1990) in Betracht. Diese Regelung, mit der der Gesetzgeber auf das og Urteil des Senats vom 10.12.2008 reagiert hat, war bis zum 30.6.2010 - und damit auf einen Zeitpunkt vor der Festsetzung des Vertragsinhalts - befristet. Über § 320 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24.7.2010 (BGBl I 983) waren diese Sätze jedoch bis zum 1.7.2011 und damit auch noch zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts am 9.9.2010 weiter anzuwenden. Danach durfte für die ärztlichen Leistungen, die im Rahmen von Verträgen ua zur HzV nach § 73b SGB V erbracht und mit den Krankenkassen abgerechnet wurden, eine andere Stelle mit der Verarbeitung und Nutzung der für die Abrechnung dieser Leistungen erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragt werden. § 80 SGB X war anzuwenden. Auftraggeber und Auftragnehmer unterlagen der Aufsicht der nach § 38 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zuständigen Aufsichtsbehörde.

93

§ 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V aF erlaubte danach allein die Beauftragung einer anderen Stelle im Sinne einer Auftragsdatenverarbeitung(vgl OVG Schleswig-Holstein Beschluss vom 12.1.2011 - 4 MB 56/10 - CR 2011, 359). Der ausdrücklich in Bezug genommene § 80 SGB X regelt die Voraussetzungen der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten im Auftrag. Dass mit der Einfügung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V die Übermittlung von Daten an private Stellen nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung geltenden Voraussetzungen zugelassen werden sollte, wird auch durch die Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Regelung zurückgeht, bestätigt: Danach sollten die Voraussetzungen, unter denen dem Sozialgeheimnis unterliegende Stellen andere Stellen mit der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten beauftragen können, und die Rechtsfolgen einer solchen Beauftragung auch für die besonderen Versorgungsformen gelten(vgl BT-Drucks 16/13428 S 96 unter Bezugnahme auf die Begründung zur entsprechenden Regelung für Krankenhäuser nach § 120 Abs 6, S 92).

94

Bei der in dem Vertrag vorgesehenen Übermittlung von Abrechnungsdaten durch den Arzt an die HÄVG handelt es sich nicht um eine nach § 295 Abs 1b SGB V aF zulässige Auftragsdatenverarbeitung. Die Auftragsdatenverarbeitung ist datenschutzrechtlich privilegiert. Sie stellt keine Übermittlung im Sinne des § 67 Abs 6 Satz 2 Nr 3 SGB X dar(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; I. Palsherm in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand Juli 2013, § 80 RdNr 15). Eine Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X liegt vor, wenn der Auftragnehmer die Datenverarbeitung in vollständiger Abhängigkeit von Vorgaben des Auftraggebers durchführt(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; zur entsprechenden Regelung in § 11 BDSG vgl Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5). Die Auftragsdatenverarbeitung ist abzugrenzen von der Funktionsübertragung. Diese liegt dann vor, wenn dem Service-Unternehmen eine eigene rechtliche Zuständigkeit für die Aufgabe, deren Erfüllung die Datenverarbeitung oder die Nutzung dient, zugewiesen ist (Gola/Klug, BDSG, 12. Aufl 2015, § 11 RdNr 9). Wesentliches Merkmal für die Abgrenzung der Auftragsdatenverarbeitung von der Funktionsübertragung (Aufgabenübertragung) ist die Entscheidungsbefugnis über die Daten. Liegt diese bei der beauftragten Stelle und kommt dieser nicht nur eine Hilfs- und Unterstützungsfunktion zu, kann nicht mehr von einer Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X ausgegangen werden(Rombach in Hauck/Noftz, SGB X, Stand November 2014, § 80 RdNr 20; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 12, 14).

95

Das im Vertrag geregelte Verhältnis des an der HzV teilnehmenden Hausarztes zur HÄVG entspricht nicht dem Bild einer Auftragsdatenverarbeitung. Die HÄVG führt die Abrechnung keineswegs in vollständiger Abhängigkeit von dem teilnehmenden Hausarzt für diesen durch. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass der Hausarzt an dem Vertrag zur HzV, der die Einzelheiten vorgibt, nicht unmittelbar beteiligt ist und damit keinen unmittelbaren Einfluss auf dessen Ausgestaltung hat. Der einzelne Hausarzt hat auch keinen Einfluss darauf, wer für ihn die Daten verarbeiten soll. Bereits eine solche fehlende Auswahlmöglichkeit spricht gegen das Vorliegen einer Auftragsdatenverarbeitung (Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3b; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5a). Zudem wird ihm vorgegeben, welche Datenverarbeitungsprogramme (Software) er für die Abrechnung zu verwenden hat. Damit ist insgesamt davon auszugehen, dass die HÄVG die Abrechnungsdaten in eigener Verantwortung oder im Auftrag der Beklagten verarbeitet bzw durch die HÄVG Rechenzentrum AG verarbeiten lässt, aber jedenfalls nicht im Auftrag des Hausarztes tätig wird. Der Vertrag regelt bezogen auf die Weitergabe der Daten durch den Hausarzt keine nach § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V zulässige Auftragsdatenverarbeitung.

96

(2) Mit der Einfügung des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ist die erforderliche gesetzliche Grundlage für die Übermittlung von Abrechnungsdaten durch die an der HzV teilnehmenden Hausärzte geschaffen worden. Anders als unter Geltung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V beschränkt sich die Befugnis nach § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V nicht auf die Beauftragung einer anderen Stelle mit der Verarbeitung, Nutzung und Abrechnung personenbezogener Daten. Vielmehr sind die an den entsprechenden Versorgungsformen teilnehmenden Leistungserbringer für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen nach § 73b, § 73c oder § 140a SGB V erbrachten Leistungen gemäß § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V befugt, die nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels des SGB V erforderlichen Angaben an den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite als verantwortliche Stelle zu übermitteln, indem diese Angaben entweder an ihn oder an eine nach § 295 Abs 2 SGB V beauftragte andere Stelle weitergegeben werden; für den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite gilt § 35 SGB I entsprechend. Voraussetzung ist, dass der Versicherte vor Abgabe der Teilnahmeerklärung an der Versorgungsform umfassend über die vorgesehene Datenübermittlung informiert worden ist und mit der Einwilligung in die Teilnahme zugleich in die damit verbundene Datenübermittlung schriftlich eingewilligt hat. Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite oder die beauftragte andere Stelle dürfen die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten und nutzen; sie übermitteln die Daten im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern an den jeweiligen Vertragspartner auf Krankenkassenseite.

97

§ 295a Abs 1 Satz 1 SGB V definiert den "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (also den Hausarztverband und nicht den einzelnen Arzt) als die im datenschutzrechtlichen Sinne "verantwortliche Stelle". Insofern trifft § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V eine spezielle Regelung, die den allgemeinen Bestimmungen der §§ 67a ff SGB X vorgeht. Das bedeutet, dass die datenschutzrechtliche Verantwortung mit dem Eingang der Daten bei dem Hausarztverband ("Vertragspartner auf Leistungserbringerseite") oder bei der von ihm beauftragten Stelle auf den Hausarztverband übergeht (vgl BT-Drucks 17/6141 S 39).

98

(3) Die Einwände der Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV, die ihre Grundlage in der Annahme haben, dass der Arzt auch nach dem Eingang der Daten bei den Beklagten oder der von ihnen beauftragten Stelle "verantwortliche Stelle" im Sinne des § 67 Abs 9 SGB X bleibe und dass der Arzt die Daten nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung nach § 80 SGB X geltenden Voraussetzungen weitergeben dürfe, greifen damit bezogen auf die seit Inkrafttreten des § 295a SGB V geltenden Rechtslage nicht mehr durch. § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V regelt die Befugnis des Hausarztes zur Weitergabe der für die Abrechnung erforderlichen Daten an den Hausarztverband oder die von diesem mit der Datenverarbeitung beauftragte Stelle unabhängig von den Voraussetzungen einer Auftragsdatenverarbeitung. Auftraggeber einer Datenverarbeitung durch die HÄVG oder ein Rechenzentrum können allein die "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (vgl BT-Drucks 17/6141 S 40, zu § 295a Abs 2) und damit die Beklagten sein.

99

(4) Zutreffend ist dagegen der Einwand der Klägerin, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV, die eine Beauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG vorsehen (vgl zB Anlage 3 § 6 Abs 1) mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren sind. Nach § 295a Abs 2 Satz 1 SGB V darf der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite eine andere Stelle mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten beauftragen, die für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen ua zur HzV erbrachten Leistungen erforderlich sind. Gemäß § 295a Abs 2 Satz 2 SGB V ist § 80 SGB X ua mit der weiteren Maßgabe anzuwenden, dass Unterauftragsverhältnisse ausgeschlossen sind. Demnach dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" im Sinne der genannten Regelung zwar die HÄVG oder auch unmittelbar die HÄVG Rechenzentrum AG mit der Verarbeitung der Abrechnungsdaten beauftragen. Die im Vertrag vorgesehene Erteilung eines Unterauftrags an die HÄVG Rechenzentrum AG durch die von den Beklagten beauftragte HÄVG ist dagegen nicht zulässig (zu einer entsprechenden Regelung vgl auch bereits LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

100

(5) Nach den von der Klägerin nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die im Vertrag zur HzV zur Verwendung durch den teilnehmenden Arzt vorgeschriebene Software mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen unvereinbar wäre. Soweit die Klägerin erstmals im Revisionsverfahren - nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung - geltend macht, dass die im Vertrag vorgeschriebene Software einen sog "gekapselten Kern" besitze, der die Möglichkeit biete, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar sei, so steht diese Behauptung im Übrigen im Widerspruch zu der von den Beklagten vorgelegten Technischen Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht vom 17.8.2012 (Az: LDA.3-1085.6-12/10), die sich nach den von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen Angaben der Beklagten auf die auch im vorliegenden Vertrag zur HzV vorgeschriebene Software beziehen soll. Die Stellungnahme kommt für den Senat nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die Kontrollmöglichkeiten über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ausreichend transparent seien. Die Datenverarbeitungsvorgänge in der Arztpraxis würden vom Arzt gesteuert.

101

(6) Auch die in Ziff 2.1 der Anlage 4 zum Vertrag vorgesehene Übermittlung von Einschreibedaten ist entgegen der Auffassung der Klägerin datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden. Bei den Einschreibedaten handelt es sich um die in der Teilnahmeerklärung enthaltenen Stammdaten des Versicherten (Name, Anschrift, Geburtsdatum, Versichertennummer), die Daten zu dem gewählten Hausarzt und den Teilnahmebeginn (vgl die der Teilnahmeerklärung beigefügten Informationen zu Datenschutz, Datenübermittlung und -zusammenführung). Diese Angaben sind für die Durchführung der Abrechnung im Sinne des § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V erforderlich und die Verarbeitung und Nutzung dieser Daten erfolgt in Übereinstimmung mit § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V zu Abrechnungszwecken(im Ergebnis ebenso die Bewertung eines insoweit entsprechenden Vertrages durch das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht, Schreiben vom 30.11.2012, Az: LDA.3-1085.6-12/10).

102

(7) Im Widerspruch zu den geltenden gesetzlichen Vorgaben steht dagegen § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum HzV, der die HÄVG zur Führung von Musterverfahren ermächtigt, weil es sich dabei nicht um eine gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V allein zulässige Verarbeitung oder Nutzung zu Abrechnungszwecken handelt. Zwar regelt der Vertrag nicht ausdrücklich die Verwendung personenbezogener Daten in Musterprozessen. Die vorgesehene Führung solcher Prozesse durch die HÄVG setzt die Verwendung personenbezogener Daten der an der HzV teilnehmenden Versicherten jedoch voraus (ebenso zu einer insoweit vergleichbaren Regelung: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38). Gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verwenden. Dass die Verwendung von Daten zur Führung von Musterprozessen über die Verwendung zu Abrechnungszwecken hinausginge, haben die Beklagten im Revisionsverfahren auch nicht in Zweifel gezogen, sondern geltend gemacht, dass die HÄVG tatsächlich keine "Musterverfahren" unter Nutzung personenbezogener Daten führe. Auf die Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung hat dies indes keinen Einfluss.

103

e) Im Ergebnis ist der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag allein insoweit zu beanstanden, als er eine datenschutzrechtlich unzulässige Unterbeauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG sowie das Recht der HÄVG zur Führung von "Musterverfahren" vorsieht. Dem werden die Beteiligten durch entsprechende Änderungen des Vertrages Rechnung zu tragen haben. Davon unberührt bleibt die Verpflichtung der Beteiligten, den seit der Festsetzung des Vertragsinhalts eingetretenen gesetzlichen Änderungen durch Vertragsanpassungen Rechnung zu tragen.

104

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Bei der Kostenverteilung (§ 155 Abs 1 VwGO) hat der Senat berücksichtigt, dass die Klage bezogen auf die beantragte Aufhebung des Vertrages zur HzV ohne Erfolg und bezogen auf die hilfsweise geltend gemachte Feststellung der Rechtswidrigkeit vertraglicher Bestimmungen ganz überwiegend erfolglos war.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Die Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer haben die Vereinbarungen über die Vergütungen nach diesem Buch so zu gestalten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität). Ausgabensteigerungen auf Grund von gesetzlich vorgeschriebenen Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen oder für zusätzliche Leistungen, die im Rahmen zugelassener strukturierter Behandlungsprogramme (§ 137g) auf Grund der Anforderungen der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f oder der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 erbracht werden, verletzen nicht den Grundsatz der Beitragssatzstabilität.

(2) Um den Vorgaben nach Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 zu entsprechen, darf die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung die sich bei Anwendung der Veränderungsrate für das gesamte Bundesgebiet nach Absatz 3 ergebende Veränderung der Vergütung nicht überschreiten. Abweichend von Satz 1 ist eine Überschreitung zulässig, wenn die damit verbundenen Mehrausgaben durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen Leistungsbereichen ausgeglichen werden.

(3) Das Bundesministerium für Gesundheit stellt bis zum 15. September eines jeden Jahres für die Vereinbarungen der Vergütungen des jeweils folgenden Kalenderjahres die nach den Absätzen 1 und 2 anzuwendende durchschnittliche Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der Krankenkassen je Mitglied für den gesamten Zeitraum der zweiten Hälfte des Vorjahres und der ersten Hälfte des laufenden Jahres gegenüber dem entsprechenden Zeitraum der jeweiligen Vorjahre fest. Grundlage sind die monatlichen Erhebungen der Krankenkassen und die vierteljährlichen Rechnungsergebnisse des Gesundheitsfonds, die die beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der Krankenkassen ausweisen. Die Feststellung wird durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger bekannt gemacht. Bei der Ermittlung der durchschnittlichen Veränderungsrate nach Satz 1 werden für die Jahre 2017 und 2018 die Mitglieder nicht berücksichtigt, die nach § 5 Absatz 1 Nummer 2a in der am 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vorrangig familienversichert gewesen wären.

(3a) (weggefallen)

(4) Die Vereinbarungen über die Vergütung der Leistungen nach § 57 Abs. 1 und 2, §§ 83 und 85 sind den für die Vertragsparteien zuständigen Aufsichtsbehörden vorzulegen. Die Aufsichtsbehörden können die Vereinbarungen bei einem Rechtsverstoß innerhalb von zwei Monaten nach Vorlage beanstanden. Klagen der Vertragspartner gegen die Beanstandung haben keine aufschiebende Wirkung.

(5) Die Vereinbarungen nach Absatz 4 Satz 1 und die Verträge nach den §§ 73b und 140a sind unabhängig von Absatz 4 auch den für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder, in denen sie wirksam werden, zu übermitteln, soweit diese nicht die Aufsicht über die vertragsschließende Krankenkasse führen.

(6) Wird durch einen der in den §§ 73b, 127 und 140a genannten Verträge das Recht erheblich verletzt, kann die Aufsichtsbehörde abweichend von § 89 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Vierten Buches alle Anordnungen treffen, die für eine sofortige Behebung der Rechtsverletzung geeignet und erforderlich sind. Sie kann gegenüber der Krankenkasse oder der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen insbesondere anordnen, den Vertrag dafür zu ändern oder aufzuheben. Die Krankenkasse oder Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen kann bei einer solchen Anordnung den Vertrag auch außerordentlich kündigen. Besteht die Gefahr eines schweren, nicht wieder gutzumachenden Schadens insbesondere für die Belange der Versicherten, kann die Aufsichtsbehörde einstweilige Maßnahmen anordnen. Ein Zwangsgeld kann bis zu einer Höhe von 10 Millionen Euro zugunsten des Gesundheitsfonds nach § 271 festgesetzt werden. Die Aufsichtsbehörde kann eine erhebliche Rechtsverletzung auch feststellen, nachdem diese beendet ist, sofern ein berechtigtes Interesse an der Feststellung besteht. Rechtsbehelfe gegen Anordnungen nach den Sätzen 1 bis 4 haben keine aufschiebende Wirkung. Die Sätze 1 bis 7 gelten auch für Verträge nach § 140a Absatz 1 Satz 3. Die Sätze 1 und 4 bis 7 gelten entsprechend bei Verstößen gegen die Pflicht nach § 127 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 2, Vertragsverhandlungen zu ermöglichen. Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern dürfen keine Vorschläge in elektronischer oder maschinell verwertbarer Form für die Vergabe und Dokumentation von Diagnosen für den Vertragspartner beinhalten. Die Krankenkassen haben auf Verlangen der zuständigen Aufsichtsbehörde bezüglich der Einhaltung Nachweise zu erbringen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. April 2012 geändert. Es wird festgestellt, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vereinbar ist. Insoweit sind die Beteiligten verpflichtet, den Vertrag zu ändern.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 9/10 und die Beklagten tragen 1/10 der Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen einen Schiedsspruch, mit dem der Inhalt eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV) nach § 73b SGB V zwischen ihr und den beiden beklagten Hausarztverbänden festgelegt worden ist.

2

Nachdem sich Klägerin und Beklagte nicht über den Abschluss eines Vertrages zur HzV einigen konnten, beantragten die Beklagten die Einleitung des Schiedsverfahrens. Die Schiedsperson wurde durch das Bundesversicherungsamt (BVA) bestimmt, nachdem auch dazu keine Einigung erzielt werden konnte. Gegen den Bescheid des BVA zur Bestimmung der Schiedsperson wandte sich die Klägerin mit der Klage und beantragte zugleich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Diesen Antrag wies das SG zurück. Die dagegen eingelegten Beschwerden nahm die Klägerin zurück, nachdem der Schiedsspruch ergangen war.

3

Mit einem weiteren Eilverfahren wandte sich die Klägerin erfolglos gegen die Festsetzung eines Verhandlungstermins durch die Schiedsperson. An der anberaumten mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin nicht teil. Zu dem von den Beklagten vorgelegten Vertragsangebot nahm die Klägerin mit insgesamt 68 Einzelanträgen Stellung.

4

Mit Schiedsspruch vom 9.9.2010 setzte die Schiedsperson den Inhalt des Vertrages zur HzV mit Wirkung zum 15.9.2010 fest und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Beklagten erfüllten die Voraussetzung, nach der sie mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Baden-Württemberg vertreten müssten. Die gesetzliche Regelung könne nicht in dem Sinne verstanden werden, dass eine rechtsgeschäftliche Vertretung im Sinne des § 164 Abs 1 BGB erforderlich sei. Vielmehr sei mit der Formulierung des "Vertretens" gemeint, dass die Gemeinschaften eine gewisse soziale Mächtigkeit haben müssten, damit eine flächendeckende Versorgung mit Hausarztverträgen wahrscheinlich sichergestellt werden könne. Da mehr als die Hälfte der Allgemeinärzte Mitglied der beiden beklagten Verbände seien, seien die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Selbst wenn nicht auf dieses Verständnis des "Vertretens" abgestellt würde, seien die Voraussetzungen erfüllt, weil mehr als die Hälfte der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte die Beklagten zu 1. und 2. mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hätten. Die Schiedsperson sei keine Behörde und sie erlasse auch keinen Verwaltungsakt, sondern werde als Vertragshelfer tätig. Als solche habe sie in Wahrnehmung ihres Bestimmungsrechts den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festzusetzen. In Ausübung ihres billigen Ermessens habe sie entschieden, den Vertrag zur HzV als sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag festzusetzen. Allein die Vereinbarung von Vollversorgungsverträgen entspreche der Intention des Gesetzes, mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen durch Erweiterung ihrer Handlungsspielräume zum Abschluss von Verträgen mit Leistungserbringern oder Gruppen von ihnen zu ermöglichen.

5

Der festgelegte Vertragsinhalt entspreche den gesetzlichen Anforderungen an eine HzV und führe zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung für die Versicherten. Er entspreche hinsichtlich des Leistungsinhalts in vollem Umfang den Forderungen, die die Krankenkassen in früher geführten Schiedsverfahren für den Bezirk der KÄV Bayern aufgestellt hätten und gehe auch hinsichtlich der qualitativen Anforderungen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Hinsichtlich der Vergütung der in der HzV zu erbringenden Leistungen orientiere sich der Vertrag in Ausübung billigen Ermessens an dem Vertrag, den die BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für den Bezirk der KÄV Baden-Württemberg abgeschlossen habe. Vergleichbare Vergütungsregelungen fänden sich auch in zahlreichen weiteren Verträgen zur HzV, die Krankenkassen mit Gemeinschaften von Hausärzten geschlossen hätten. Bei der Festsetzung der Höhe der Vergütung seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Beitragssatzstabilität zu beachten. Dem werde die Vergütungsstruktur sowie die daran anknüpfende Vergütungshöhe gerecht. Die wirtschaftlichen Risiken der Krankenkassen würden durch verschiedene - in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen bezeichnete - Maßnahmen beschränkt. Den durch die Vergütung der HzV-Leistungen bedingten Mehrausgaben stünden Einsparungen gegenüber, die jedoch schwer genauer zu prognostizieren seien. Allerdings zeigten Erfahrungswerte aus bereits laufenden HzV-Verträgen, dass (in der Begründung des Schiedsspruchs näher bezeichnete) Einsparungen erzielt würden, mit denen sich die Mehrausgaben finanzieren ließen. Einer Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson stehe auch nicht entgegen, dass die Auftragsvergabe nicht nach den Vorschriften des Vergaberechts ausgeschrieben worden sei und dass die Anwendung des Sozialdatenschutzes auf die HzV-Verträge umstritten sei. Die Anwendung der Regelungen über den Datenschutz sei zwar streitig. Im Gegensatz zum unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein hätten die Landesdatenschutzbeauftragten für Bayern und Baden-Württemberg aber bisher keinen Anlass zu einer datenschutzrechtlichen Beanstandung bezogen auf die bestehenden HzV-Verträge gesehen. Im Hinblick auf diese Rechtslage werde von der Festsetzung einer datenschutzrechtlichen Regelung abgesehen. Die Schaffung einer datenschutzkonformen Regelung über die Weitergabe von Patientendaten an private Abrechnungsstellen bleibe auf der Rechtsgrundlage des § 295 Abs 1b SGB V bilateralen Behandlungen der Beteiligten überlassen. Eine Festsetzung der HzV-Vergütung auf dem Niveau der Regelversorgung scheide aus, weil im Rahmen der HzV ein bestimmtes Ausstattungsniveau der teilnehmenden hausärztlichen Praxen vorgegeben werde. Der an der HzV teilnehmende Hausarzt sei außerdem zur Erlangung bestimmter Weiterbildungsmaßnahmen und Abrechnungsqualifikationen verpflichtet, die in der Regelversorgung nicht gefordert seien. Hinzu trete die verpflichtende Teilnahme des teilnehmenden Hausarztes an den Disease-Management-Programmen sowie die Wahrnehmung der Betreuung von pflegebedürftigen Patienten. Zudem bestehe die Verpflichtung zur Teilnahme an Fortbildungen, zu hausarztspezifischen Themen, was über die generelle Fortbildungspflicht gemäß § 95d SGB V hinausgehe. Schließlich sei das Dienstleistungsangebot der hausärztlichen Praxen in der HzV erweitert. Diese erweiterten Qualifikationen, apparativen Ausstattungen und verbesserten Dienstleistungsangebote führten zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung, die ein höheres Vergütungsniveau im Vergleich zur hausärztlichen Regelversorgung rechtfertige. Durch das gegen die Bestimmung der Schiedsperson anhängige Klageverfahren werde das Wirksamwerden des Vertrages zur HzV nicht gehindert, weil die Klage gemäß § 73b Abs 4a SGB V keine aufschiebende Wirkung habe.

6

Gegen den Schiedsspruch vom 9.9.2010 hat sich die Klägerin mit der am 9.9.2011 erhobenen Klage gewandt und beantragt festzustellen, dass der Schiedsspruch unwirksam sei. Hilfsweise hat sie beantragt, die Regelung zum Inkrafttreten um den Zusatz zu ergänzen, dass der Vertrag nicht in Kraft trete, bevor nicht sämtliche Anlagen zum Vertrag durch die Parteien vereinbart oder durch weiteren Schiedsspruch festgesetzt worden seien. Mit der gegen die Abweisung der Klage (Urteil des SG vom 25.4.2012) erhobenen Berufung hat die Klägerin ua geltend gemacht, dass es sich bei der Entscheidung der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele. Sie gehe aber davon aus, dass eine isolierte Anfechtungsklage zulässig sein müsse. Sofern der Schiedsspruch ein Verwaltungsakt sein sollte, komme eine Leistungsklage in Form der Ersetzungsklage kaum in Betracht, da der Klägerin kein Recht zustehe, den Verwaltungsakt nach ihren Vorstellungen vollständig durch das Gericht ersetzen zu lassen. Demgegenüber haben die Beklagten die Auffassung vertreten, dass der Schiedsspruch als Verwaltungsakt anzusehen und als solcher rechtmäßig sei.

7

Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem Schiedsspruch vom 9.9.2010 um einen Verwaltungsakt handele. Für Beschlüsse einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V gelte nichts anderes als für Entscheidungen der Schiedsämter gemäß § 89 SGB V und der Schiedsstellen nach § 114 SGB V. § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V regele ein förmliches Schiedsverfahren. Zudem habe das BSG für den hier einschlägigen Bereich des Vertragsarztrechts seit jeher die Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs bejaht. Auch die Änderung des § 73b Abs 4a SGB V zum 1.1.2012 durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl I 2983) spreche nicht gegen die Annahme der Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs. Bei der Schiedsperson handele es sich um eine Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X. Dem stehe auch nicht der Umstand entgegen, dass keine Regelung zur staatlichen Aufsicht über die Schiedsperson existiere. Wenn verfassungsrechtlich zu fordernde Regelungen zur Aufsicht fehlten, könne dies allenfalls die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung zur Folge haben. Schiedspersonen nähmen Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahr, wenn sie die Vertragsverhältnisse zwischen einer Krankenkasse und den Verbänden der Hausärzte festlegten. Bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson handele es sich um eine für Ärzte, Patienten und Krankenkassen außerordentlich weitreichende Entscheidung. Für die gerichtliche Prüfung derart komplexer Regelungen mit weitreichenden Auswirkungen eigneten sich die über § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V entsprechend geltenden Vorschriften der §§ 317 ff BGB über den Vertragshelfer nicht. § 317 BGB regele den Fall, dass die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen bleibe. § 317 BGB überlasse der Schiedsperson nicht die Bestimmung des Vertragsinhalts, sondern die Bestimmung der Leistung. Vorliegend würden von der Schiedsperson aber sämtliche gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien festgelegt. Die Festlegung eines Vertrages über die HzV durch die Schiedsperson gehe somit weit über das hinaus, was Vertragshelfer nach § 317 BGB üblicherweise festlegen könnten. Zudem erweise sich der in § 319 BGB genannte Maßstab des "billigen Ermessens" als wenig geeignet für die Prüfung des von der Schiedsperson festgelegten Vertragsinhalts. Schließlich verhindere die Rechtskonstruktion des Vertragshelfers nicht eine Verzögerung der Umsetzung des geschiedsten Vertrages durch in destruktiver Absicht eingelegte Rechtsmittel. Dies zeige der vorliegende Fall. Für die Erhebung der Gestaltungsklagen gelte keine Ausschlussfrist. Damit bleibe für die Vertragsparteien lange unklar, ob der festgelegte Vertrag rechtsverbindlich werde. Auch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung helfe nicht weiter, weil der Vertrag in der Praxis regelmäßig erst dann als umsetzbar angesehen werde, wenn dessen rechtliche Verbindlichkeit auch feststehe. Auch dies zeige der vorliegende Fall.

8

Die isolierte Anfechtungsklage sei zulässig, jedoch nicht begründet. Der Schiedsperson stehe bei der Festlegung des Vertragsinhalts ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Schiedsspruch sei nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle zugänglich. Verstöße gegen wesentliche verfahrensrechtliche Grundsätze lägen nicht vor. Die Schiedsperson habe die Festlegung des Vertragsinhalts ausführlich begründet. Soweit die Klägerin das Fehlen einer Ausgabenobergrenze rüge, übersehe sie § 10 Abs 9 des Vertrages, der eine Begrenzung der HzV-Vergütung auf einen durchschnittlichen maximalen Fallwert von 76 Euro vorsehe. Unbegründet sei auch der Einwand der Klägerin, dass der Vertrag an mehreren Stellen gegen ihre Satzungsregelungen verstoße. Der Vertrag begründe keine Rechte und Pflichten der Versicherten. Den von den Vertragsparteien oder nach Maßgabe des § 73b Abs 4a SGB V von der Schiedsperson an deren Stelle getroffenen Festlegungen komme Vorrang vor dem Satzungsrecht der einzelnen Krankenkasse zu. Die Krankenkasse müsse den sie bindenden Vertrag bei jeglicher Verwaltungstätigkeit einhalten. Wenn die Satzung der Krankenkasse mit den Festlegungen des Vertrages nicht in Einklang stehe, müsse sie daher die Satzung entsprechend ändern und an den Vertrag anpassen. Für den gestellten Hilfsantrag mit dem Ziel, das Inkrafttreten des Vertrages auf den Zeitpunkt zu verschieben, zu dem sämtliche Anlagen vereinbart oder durch Schiedsspruch festgesetzt worden seien, fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Nach § 16 Abs 4 des Vertrages sei dieser zum Halbjahres- oder Jahresende, erstmals zum 31.12.2013 mit einer Frist von sechs Monaten kündbar. Damit werde der Klägerin eine einfachere rechtliche Möglichkeit eröffnet, die Rechtswirkungen des Vertrages zu beseitigen. Zudem müsse sich die Klägerin widersprüchliches Verhalten entgegenhalten lassen. Mit dem Hinausschieben des Inkrafttretens würde der gesetzlich begründete Kontrahierungszwang vereitelt. Aus dem gesamten Verhalten der Klägerin sei zu erkennen, dass sie sich weigere, ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Eröffnung des Angebots einer HzV nachzukommen. Ernsthafte Bemühungen, die fehlenden Vertragsanlagen auszuhandeln, seien nicht ersichtlich. Darüber hinaus sei der Hilfsantrag auch in der Sache nicht begründet. Ausreichend sei, dass der Schiedsspruch in sich schlüssig sei und dass die geregelten Vertragsteile von den Vertragsparteien umgesetzt werden könnten. Daran bestehe kein Zweifel, weil Verträge mit vergleichbaren Inhalten von anderen Krankenkassen durchgeführt würden.

9

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die erhobene Anfechtungsklage sei statthaft, da es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X handele. Sämtliche LSG hätten § 73b Abs 4, Abs 4a SGB V in der Weise ausgelegt. Ihre zuvor vertretene gegenteilige Rechtsauffassung halte sie nicht mehr aufrecht. Änderungen des § 73b SGB V, die zum 1.1.2012 in Kraft getreten seien, seien für das vorliegende Verfahren von vornherein nicht relevant, da für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 maßgeblich sei. Mit der Festsetzung des Vertrages über die besondere hausärztliche Versorgung nach § 73b SGB V treffe die Schiedsperson eine hoheitliche Entscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die unmittelbare Rechtswirkung im Außenverhältnis habe, indem sie verbindlich den Vertrag zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens festsetze. Der Schiedsspruch zur HzV unterscheide sich insofern nicht von dem Schiedsspruch nach § 77 SGB XII, für den sowohl das BVerwG als auch das BSG die Verwaltungsaktqualität ausdrücklich bejaht hätten.

10

Entgegen der Auffassung des LSG sei das Rechtsschutzinteresse nicht im Hinblick auf die zum 31.12.2013 erstmals bestehende Kündigungsmöglichkeit entfallen. Die ordentliche Kündigung des Vertrages zur HzV führe nicht automatisch zu dessen Beendigung, sondern der Vertrag gelte - wenn ein neuer Vertrag zur HzV nicht zustande komme - solange fort, bis in einem Schiedsverfahren ein neuer Vertrag zur HzV festgesetzt worden sei. Die Umsetzung des streitgegenständlichen Vertrages werde zu Recht verweigert. Die Klage habe selbst dann aufschiebende Wirkung, wenn es sich bei dem Schiedsspruch nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Vertragsfestlegung durch einen Dritten entsprechend §§ 315, 317 BGB handeln würde. Bereits die Erhebung der Einrede der offenbaren Unbilligkeit der Vertragsfestsetzung führe ggf entsprechend § 319 Abs 1 BGB zur Unverbindlichkeit der durch den Schiedsspruch getroffenen Vertragsbestimmungen.

11

Der Schiedsspruch sei mit zwingend zu beachtenden bundesrechtlichen Vorgaben zum Datenschutz unvereinbar. Für die nach dem Vertrag zur HzV vorgesehene Einbindung der Beklagten und der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) sowie von Unterauftragsunternehmern in die Verarbeitung sensibler Patientendaten fehle die nach der Rechtsprechung des BSG zwingend erforderliche gesetzliche Grundlage. Auch das Inkrafttreten des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ändere nichts an der datenschutzrechtlichen Unzulässigkeit des Vertrages zur HzV. Maßgebend sei die zum Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 geltende Rechtslage. Selbst wenn die zum 4.8.2011 eingetretenen Änderungen berücksichtigt würden, bliebe es bei der Unvereinbarkeit mit datenschutzrechtlichen Vorgaben. Die in dem Vertrag vorgesehene zwangsweise Verknüpfung der Teilnahme an der HzV mit einer Pflicht zur Weitergabe von Patientendaten an einen bestimmten Dienstleister sei mit den datenschutzrechtlich an die "verantwortliche Stelle" zu stellenden Anforderungen unvereinbar. Weiterhin unzulässig sei der vorgesehene Einsatz einer Vertragssoftware mit einem sog "gekapselten Kern", zu dessen Einsatz die teilnehmenden Hausärzte verpflichtet würden. Damit werde die Möglichkeit geschaffen, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar bzw kontrollierbar sei. Außerdem erlaube der neue § 295a Abs 2 SGB V lediglicheinen Dienstleister in die Verarbeitung von Patientendaten einzubinden. Die Begründung von Unterauftragsverhältnissen werde ausdrücklich ausgeschlossen. Im Widerspruch dazu sehe § 6 Abs 1 der Anlage 3 des streitgegenständlichen Vertrages zur HzV die Einbindung der HÄVG Rechenzentrum AG als Subunternehmer der HÄVG vor. Rechtswidrig sei ferner die in § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum Vertrag geregelte Befugnis der HÄVG, nach eigenem Gutdünken Patientendaten für "Musterverfahren" zur Klärung grundsätzlicher Fragen der Auslegung des Vertrages zur HzV zu verwenden. Unzulässig sei auch die vorgesehene Einbindung der HÄVG in die Einschreibung von Versicherten. Nach § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürften die auf Leistungserbringerseite von den teilnehmenden Hausärzten übermittelten Patientendaten ausschließlich für Abrechnungszwecke verwendet werden.

12

Zudem werde durch Mehrkosten, die der Vertrag unstreitig auslöse und deren Finanzierung durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen nicht gesichert sei, das in § 53 Abs 9 SGB V normierte Gebot der Selbsttragung des Wahltarifs verletzt. Der Wahltarif sei zwingend mit der HzV nach § 73b SGB V verbunden. Nach § 53 Abs 3 SGB V dürften für einen Wahltarif für die besonderen Versorgungsformen keine Zusatzbeiträge erhoben werden. Gleichzeitig verbiete § 53 Abs 9 SGB V eine Quersubventionierung der Wahltarife aus dem allgemeinen Beitragsaufkommen. Dass durch den Vertrag zur HzV Mehrkosten gegenüber der hausärztlichen Regelversorgung entstünden, sei unstreitig. Dem stünden keine gesicherten Refinanzierungsmaßnahmen gegenüber. Darüber hinaus werde der Grundsatz der Beitragssatzstabilität des § 71 Abs 1 SGB V verletzt, der alle Vergütungsvereinbarungen nach dem SGB V erfasse, weil nicht refinanzierte Mehrausgaben nicht verlässlich ausgeschlossen seien. Die Erhebung von Zwangsbeiträgen der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung für die Subventionierung der HzV verletze Art 2 Abs 1 GG. Zudem würde durch die damit verbundene Aufgabe des Solidaritätsprinzips die Unternehmenseigenschaft der Krankenkassen im Sinne des Art 101 ff des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union begründet.

13

Der Schiedsspruch verletze Bundesrecht auch deshalb, weil die Vertragsfestsetzung unvollständig sei. Obwohl der Hilfsmittelbereich als Bereich möglicher Einsparungen in der Begründung des Schiedsspruchs ausdrücklich angesprochen werde und die Anlage 2a zum Hilfsmittelmanagement in § 23 des Vertrages zur HzV genannt werde, habe die Schiedsperson diese Anlage nicht festgelegt. Aus § 23 des Vertrages zur HzV ergebe sich vielmehr, dass diese "in gemeinsamer Absprache noch zu erstellen" sei. Dies sei mit § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V unvereinbar. Gleiches gelte für die fehlenden Anhänge 2 bis 4 der festgesetzten Anlage 3 des Vertrages. Diese sollten ausweislich § 9 der Anlage 3 des Vertrages die Diagnosen zur Abrechnung des Zuschlags für chronisch Kranke, des Zuschlags zur Förderung einer wirtschaftlichen Arzneimittelverordnung ("Rationaler Pharmakotherapie-Zuschlag") sowie eines Zuschlags (sog VERAH-Zuschlag) für Leistungen von besonders qualifizierten medizinischen Fachangestellten ("Versorgungsassistenten") enthalten.

14

Ferner habe die Schiedsperson ihren Gestaltungsspielraum überschritten, indem sie Regelungen zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten zum Gegenstand des Vertrages zur HzV gemacht habe. Die Einschreibebestimmungen des Vertrages zur HzV seien nicht von der Vertragsregelungsbefugnis der Schiedsperson umfasst. Vielmehr habe die Regelung der Teilnahme von Versicherten an der HzV in der Satzung der Krankenkasse zu erfolgen. Die Teilnahme der Versicherten werde in dem Vertrag zur HzV in Widerspruch zu Satzungsbestimmungen der Klägerin geregelt. Dies sei rechtswidrig. Darüber hinaus verletze der Schiedsspruch Bundesrecht, weil dem Beklagten zu 2. (MEDI Baden-Württemberg e.V.) die erforderliche Antragsbefugnis zur Einleitung eines Schiedsverfahrens fehle. Schiedsverfahren könnten nur von Gemeinschaften beantragt werden, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Diese Voraussetzung erfülle der Beklagte zu 2. nicht.

15

Die Schiedsperson habe ihren Beurteilungsspielraum überschritten, indem sie sich bei der Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend an anderen HzV-Verträgen orientiert habe. Die anderen HzV-Verträgen zugrunde liegenden Verhältnisse seien nicht auf die Klägerin übertragbar. Die Schiedsperson hätte sich mit der konkreten Situation der Klägerin und deren Versicherten auseinandersetzen müssen. Das sei nicht geschehen. Ferner sei die Schiedsperson zu Unrecht davon ausgegangen, dass allein ein Vollversorgungsvertrag, nicht dagegen ein sog Add-on-Vertrag der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Damit habe die Schiedsperson den rechtlichen Rahmen verkannt, der ihrem Gestaltungsspielraum zugrunde liegt. Somit leide der Schiedsspruch an einem nicht heilbaren Fehler.

16

Selbst wenn der Schiedsspruch nicht als Verwaltungsakt anzusehen wäre, sei der auf Aufhebung dieses Schiedsspruchs gerichtete Antrag zulässig. Die Festsetzung des Vertragsinhalts durch das Gericht in entsprechender Anwendung des § 319 BGB sei unter Beachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung ausgeschlossen. Denn der Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages über die HzV nach § 73b SGB V sei Aufgabe der Krankenkassen als Selbstverwaltungskörperschaften und Teil der mittelbaren Staatsverwaltung. In die Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume könne die Rechtsprechung als Kontrollinstanz der Verwaltung nicht in der Form eingreifen, dass sie ihre eigenen Erwägungen an die Stelle derjenigen der Verwaltung setze.

17

Die Klägerin beantragt,

        

1.    

die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 zu ändern und den Schiedsspruch vom 9.9.2010 aufzuheben,

        

2.    

hilfsweise, das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 aufzuheben und den Rechtsstreit an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2, 1. Halbsatz BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts zurückzuverweisen,

        

3.    

weiter hilfsweise unter Änderung der Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 festzustellen, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte HzV-Vertrag mit Bundesrecht nicht vereinbar ist.

18

Die Beklagten beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

19

Sie führen zur Begründung aus: Das angefochtene Urteil des LSG sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Allerdings sei der Schiedsspruch kein Verwaltungsakt. Mit dem GKV-VStG habe der Gesetzgeber eindeutig geregelt, dass es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele, sondern dass die Schiedsperson als Vertragshelfer analog § 317 BGB tätig werde. Die in der Rechtsprechung angestellten Erwägungen zur fehlenden Behördeneigenschaft von Schiedspersonen nach § 132a Abs 2 SGB V seien auf die Schiedspersonen gemäß § 73b Abs 4a SGB V übertragbar. Auch der Umstand, dass die Schiedsperson die in einem Schiedsverfahren festgelegten Verträge der für die Krankenkassen zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen habe, stehe dem nicht entgegen, da die Vorlage auch bei frei verhandelten Verträgen durch die Krankenkasse zu erfolgen habe. Der Schiedsspruch sei rechtlich nicht zu beanstanden. Mit den Anträgen der Klägerin habe sich die Schiedsperson erkennbar auseinandergesetzt und diese gewürdigt. Die Schiedsperson habe den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festgesetzt und zugleich berücksichtigt, dass zahlreiche weitere Krankenkassen im Bundesgebiet ähnliche Verträge mit vergleichbarem Inhalt und vergleichbarer Vergütungsstruktur mit den jeweiligen Hausarztgemeinschaften vereinbart hätten. Es seien keine wesentlichen Vertragsbestandteile ungeregelt geblieben. Soweit den Vertragspartnern überlassen worden sei, im späteren Verlauf Umsetzungsaufgaben und Steuerungsmodule, zB für den Bereich der Arzneimittelverordnung selbst zu verhandeln, sei dies sachgerecht, weil die Vertragspartner damit auf die sich ständig ändernden Arzneimittelrabattverträge reagieren könnten. Auch würden Vorschriften zum Datenschutz nicht verletzt. Maßgebend für die Beurteilung sei die aktuelle Rechtslage und nicht die Rechtslage, die bei Erlass des Schiedsspruchs gegolten habe. Die im Schiedsspruch vorgesehene Verwendung eines "gekapselten Kerns" sei auch nach Auffassung des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht nicht zu beanstanden. Soweit sich die Klägerin gegen die im Vertrag enthaltene Befugnis zur Führung von Musterverfahren unter Verwendung personenbezogener Daten wende, sei darauf hinzuweisen, dass die HÄVG keine Musterverfahren führe. Die Klägerin sei im Übrigen nicht legitimiert, im vorliegenden Verfahren Datenschutzrechte der Patienten geltend zu machen. Bezogen auf die geltend gemachten Widersprüche zwischen dem Vertrag zur HzV und den Satzungsregelungen der Klägerin habe das LSG zutreffend die Auffassung vertreten, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV der Satzung vorgingen. Mit dem vorliegenden Klageverfahren unterlaufe die Klägerin den gesetzlichen Kontrahierungszwang. Die Klägerin sei verpflichtet, ihren Versicherten eine HzV anzubieten und mit qualifizierten Gemeinschaften einen Vertrag zur HzV zu schließen. Gleichwohl habe die Klägerin bis heute die Umsetzung des weiterhin geltenden Vertrages verweigert und auch keinen Antrag auf Verpflichtung zur Neufestsetzung des Vertrages zur HzV mit den von ihr begehrten Modifizierungen gestellt.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin hat nur insoweit Erfolg, als die Unvereinbarkeit von Regelungen des Vertrages zur HzV mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen festzustellen war. Im Übrigen hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

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1. Das SG war zur Entscheidung im ersten Rechtszug nach § 8 SGG sachlich zuständig, da einer der in § 29 Abs 2 SGG geregelten Sonderfälle der sachlichen Zuständigkeit der Landessozialgerichte für eine Entscheidung im ersten Rechtszug nicht vorliegt. Insbesondere liegt keine Klage gegen Entscheidungen der Landesschiedsämter oder gegen Beanstandungen von Entscheidungen der Landesschiedsämter nach dem SGB V, gegen Entscheidungen der Schiedsstellen nach § 120 Abs 4 SGB V, der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI oder der Schiedsstellen nach § 80 SGB XII vor. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Entscheidung einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Aufzählung in § 29 Abs 2 SGG ist abschließend, sodass die Vorschrift nicht entsprechend anwendbar ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 29 RdNr 4; Schreiber in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 29 RdNr 8; Ulrich, NZS 2011, 448, 451 ff; zur Bestimmung einer Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 13 f, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

22

2. Die mit dem Antrag zu 1. erhobene Anfechtungsklage ist nicht statthaft und damit unzulässig.

23

a) Nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGG muss sich die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt richten. Die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson nach § 73b SGB V ist jedoch nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergangen und die Schiedsperson hat auch nicht für sich in Anspruch genommen, durch Verwaltungsakt entscheiden zu können(zur Zulässigkeit von Klagen auch gegen einen sog "formellen Verwaltungsakt" vgl BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 16). Für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage genügt nicht, dass die Klägerin das Vorliegen eines Verwaltungsakts geltend macht (stRspr vgl BSGE 39, 86, 87 = SozR 2200 § 628 Nr 1 S 2, mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 8a).

24

b) Für die Beurteilung der Frage, ob die Entscheidung der Schiedsperson, gegen die sich die Klägerin wendet, in der Form eines Verwaltungsakts ergangen ist, ist in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Entscheidung der Schiedsperson am 9.9.2010 maßgebend. Nur wenn die Schiedsperson zu diesem Zeitpunkt Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X gewesen ist, konnte sie einen Verwaltungsakt erlassen. Später eingetretene Änderungen hätten keinen Einfluss mehr auf die rechtliche Qualifizierung des zuvor ergangenen Schiedsspruchs. Es kommt demnach darauf an, ob die Schiedsperson nach der zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts geltenden Rechtslage Behörde war und ob ihre Entscheidung unter Zugrundelegung dieser Rechtslage als Verwaltungsakt anzusehen war. Dies ist indes nicht der Fall und daran hat sich im Übrigen in der Folge auch nichts geändert.

25

c) Schiedspersonen, die Verträge zur HzV festsetzen, wenn eine Einigung zwischen einer Krankenkasse und der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaft von Allgemeinärzten nicht zustande kommt, werden - ebenso wie Schiedspersonen im Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V - als Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB und nicht als Behörde tätig. Der Schiedsspruch ergeht deshalb auch nicht in der Form eines Verwaltungsakts, sondern ersetzt die Einigung der Parteien. Dies folgt neben dem Wortlaut in erster Linie aus der Entstehungsgeschichte der Regelung und dem darin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers.

26

aa) Verwaltungsakte können nach § 31 Satz 1 SGB X nur von einer Behörde erlassen werden. Nach § 1 Abs 2 SGB X ist Behörde im Sinne des Sozialgesetzbuches jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Danach gilt ein weiter, sog funktionaler Behördenbegriff, der neben den Verwaltungsbehörden im organisatorischen Sinne auch alle sonstigen Einrichtungen, Organe und Stellen einschließt, die aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts mit der Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten, zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge im eigenen Namen oder zu sonstigen, nach öffentlichem Recht zu beurteilenden Handeln ausgestattet sind (vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 14; BSGE 60, 239 = SozR 1300 § 45 Nr 26; BSGE 63, 224 = SozR 1300 § 48 Nr 47; BSGE 77, 295 = SozR 3-1300 § 45 Nr 27).

27

Dass die Schiedsämter und Schiedsstellen im Bereich des SGB V unter diesen weiten funktionalen Behördenbegriff fallen, ist in der Rechtsprechung seit langem geklärt (vgl BSGE 20, 73, 75 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSGE 87, 199, 200 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3300 § 89 Nr 1 RdNr 11; BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 20, 41). Eine solche grundsätzliche Klärung fehlt bisher für die Schiedsperson, die der Gesetzgeber mit der Änderung des § 132a SGB V (Versorgung mit häuslicher Krankenpflege) durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) erstmals im SGB V anstelle von Schiedsämtern und Schiedsstellen für die außergerichtliche Schlichtung vorgesehen hat. In den folgenden Jahren ist die außergerichtliche Streitschlichtung durch Schiedspersonen auf weitere Bereiche ausgedehnt worden: Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) wurde die Schlichtung im Bereich der stationären und ambulanten Hospizleistungen nach § 39a Abs 1 Satz 7 bis 9 SGB V einer Schiedsperson übertragen. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) wurde die Schlichtung durch eine Schiedsperson bei Streitigkeiten um die Finanzierung der Landesverbände der Krankenkassen (§ 211 Abs 4 Satz 4 SGB V) und mWv 1.1.2009 auch für die hausarztzentrierte Versorgung (§ 73b Abs 4a SGB V) sowie die Hilfsmittelversorgung (§ 127 Abs 1a Satz 2 bis 4 SGB V)vorgesehen. Inzwischen ist die Schlichtung durch Schiedspersonen Gegenstand auch der Heilmittelversorgung (§ 125 Abs 2 Satz 4 bis 6 SGB V), des klinischen Krebsregisters (§ 65c Abs 6 Satz 8 bis 12 SGB V) und der Versorgung mit Schutzimpfungen (§ 132e Abs 1 Satz 3 bis 5 SGB V).

28

Ob auch die Entscheidungen von Schiedspersonen als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X anzusehen sind, war von Anfang an umstritten(vgl zB Schnapp, NZS 2010, 241, 245 mwN; Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 17 ff). In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wurde die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V in der Regel als Vertragshelfer qualifiziert, deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, während Entscheidungen der Schiedsperson in der HzV wohl überwiegend als Verwaltungsakt angesehen wurden(LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 84 ff; LSG Hamburg Beschluss vom 18.8.2011 - L 1 KA 24/11 B ER; in dieser Richtung, aber letztlich offenlassend: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 37 f = Juris RdNr 25, 45 f; ausdrücklich offengelassen: LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 32 und Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 58/10 B ER - Juris RdNr 61; anders dagegen : Bayerisches LSG Beschluss vom 17.1.2011 - L 12 KA 123/10 B ER - Breith 2011, 281, 285). Für die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V wurde diese Frage durch Urteil des 3. Senats vom 25.11.2010 (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) geklärt. Danach ist jedenfalls diese Schiedsperson keine Behörde. Dementsprechend ergeht deren Entscheidung auch nicht als Verwaltungsakt. Vielmehr wird die Schiedsperson als öffentlich-rechtlicher Schlichter und Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB tätig.

29

Ausschlaggebend für die Einordnung der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde war nach der genannten Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010, dass diese zwar den Inhalt öffentlich-rechtlicher Verträge festlege, wobei es sich um eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit handele. Die Schiedsperson erhalte ihre Entscheidungsmacht jedoch unmittelbar von den Vertragsparteien des § 132a SGB V selbst, die auch den das Schiedsverfahren regelnden Vertrag zur Konfliktlösung abschließen. Daraus hat der 3. Senat den Schluss gezogen, dass es sich - ungeachtet des Umstands, dass die Vertragsparteien zur Verabredung des Schiedsverfahrens gesetzlich verpflichtet sind - um ein vertraglich vereinbartes Schiedsverfahren handele. Die Schiedsperson sei auch kein Beliehener, weil es an einem öffentlich-rechtlichen Akt der Beleihung fehle. Ferner existiere keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger und anders als Schiedsstellen und Schiedsämter unterliege die Schiedsperson auch keiner Rechtsaufsicht. Das Verfahren der Schlichtung durch die Schiedsperson sei nicht gesetzlich geregelt. Die Funktion als Schiedsperson sei an die Person des Berufenen gebunden, sodass keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution einer Schiedsstelle existiere.

30

bb) Die Regelungen zur Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V entsprachen bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend derjenigen zu der - nicht als Behörde zu qualifizierenden - Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V. Grundsätzlich obliegt es auch hier den Vertragsparteien, sich auf die Schiedsperson zu einigen. Nur für den Fall, dass die Vertragsparteien sich auch darüber nicht einigen können, sieht § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V die Bestimmung der Schiedsperson durch die für die Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde vor. Ebenso wie nach § 132a Abs 2 SGB V gibt es nach § 73b SGB V weder eine Rechtsaufsicht über die Schiedsperson noch eine Regelung zum Schiedsverfahren. Ferner existiert keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution und keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger.

31

Zwar können hoheitliche Aufgaben durch Beleihung auch einer natürlichen Person übertragen werden. Dies erfordert jedoch eine Übertragung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Rechtsverordnung, Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl BVerwG NVwZ 2006, 829; BVerfG NJW 1987, 2501, 2502; BVerwGE 98, 280, 298; Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 1 RdNr 11; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl 2014, § 1 RdNr 60; Wiegand, Die Beleihung mit Normsetzungskompetenz, 2008, 155 f). § 73b Abs 4a SGB V regelt eine Beleihung der Schiedsperson jedenfalls nicht ausdrücklich. Gegen die Annahme, dass in der dort geregelten Bestimmung der Schiedsperson gleichwohl eine Beleihung liegt, spricht, dass das Gesetz keinerlei Festlegungen oder Vorgaben zu deren Auswahl trifft, sondern diese vorrangig den Vertragsparteien überlässt (vgl Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 250). Angesichts des Umstands, dass der Wortlaut die Frage nach einer Beleihung jedenfalls nicht eindeutig beantwortet, kann die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur dann als Beliehene angesehen werden, wenn systematische Gründe, die Entstehungsgeschichte oder Sinn und Zweck der Reglung dafür sprechen würden, dass der Gesetzgeber der Schiedsperson die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben übertragen wollte. Dies ist aus den nachfolgend genannten Gründen jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG gerade klargestellt, dass der Schiedsperson nach § 73b SGB V - in Übereinstimmung mit der Schiedsperson nach § 132a SGB V - keine hoheitlichen Aufgaben übertragen werden sollen.

32

cc) Im Gegensatz zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V hat der 3. Senats des BSG die Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26) nicht eindeutig dem Modell "Vertragshelfer" zugeordnet, sondern diese Frage ausdrücklich offengelassen. Dabei hat der 3. Senat dem Umstand Bedeutung beigemessen, dass § 73b SGB V keine § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V entsprechende Regelung enthält, nach der die Vertragsparteien in Verträgen zu regeln haben, dass im Falle von Nichteinigung eine von den Parteien zu bestimmende unabhängige Schiedsperson den Vertragsinhalt festlegt. Daraus hat der 3. Senat gefolgert, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V im Rahmen eines gesetzlich normierten und nicht eines - wie bei § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V - vertraglich vereinbarten Schiedsverfahrens tätig werde. In der praktischen Umsetzung wirkt sich dieser Unterschied allerdings kaum aus, weil die Vertragspartner nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V nicht frei darüber entscheiden können, ob sie die Festlegung des Vertragsinhalts einer Schiedsperson übertragen, sondern verpflichtet sind, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Falls zwischen den Vertragspartnern eine Einigung auf eine Schiedsperson nicht erzielt werden kann, wird sowohl die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als auch die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V von der für die vertragsschließende Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Dabei kann die Bestimmung einer Schiedsperson durch die zuständige Aufsichtsbehörde auch nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V nicht davon abhängig sein, dass zuvor eine Vereinbarung nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V zustande gekommen ist, nach der der Vertragsinhalt von einer Schiedsperson festgelegt wird(vgl dazu Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 8). Damit bestehen insoweit keine rechtlich bedeutsamen Unterschiede zwischen dem Schiedsverfahren in der HzV und dem Schiedsverfahren in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege (so auch Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15e).

33

dd) Ein Indiz, das gegen die Qualifizierung der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer und für eine Einordnung des Schiedsspruchs als Verwaltungsakt sprechen könnte, hat der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 40, auch zur Veröffentlichung für BSGE vorgesehen) ferner in dem Umstand gesehen, dass § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ausschloss. Diese Regelung konnte den Eindruck erwecken, dass der Gesetzgeber die Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Verwaltungsakte angesehen haben könnte, weil sie gesetzessystematisch nur einen Sinn ergibt, wenn es sich bei der angegriffenen Entscheidung der Schiedsperson um einen Verwaltungsakt handelt. Schließlich bezieht sich die aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs 1 SGG auf den Widerspruch und auf die Anfechtungsklage, die sich grundsätzlich gegen einen Verwaltungsakt richten müssen.

34

Dagegen konnte auch nicht - wie in der Begründung des Schiedsspruchs - mit Erfolg eingewandt werden, die Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts durch einen Vertragshelfer bewirke in entsprechender Anwendung zivilrechtlicher Bestimmungen, dass der Vertrag während der Dauer des Rechtsstreits nicht umsetzbar sei und die Formulierung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF, nach der die Klage keine aufschiebende Wirkung habe, könne aus diesem Grund nicht als Indiz für die rechtliche Einordnung der Entscheidung der Schiedsperson als Verwaltungsakt herangezogen werden.

35

(1) Die Auffassung, nach der die von der Schiedsperson getroffene Bestimmung zum Vertragsinhalt während eines Klageverfahrens um deren Rechtmäßigkeit nicht beachtet werden müsse, trifft nicht zu. Für zivilrechtliche Verträge wird die Frage, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen die offenbare Unbilligkeit der Bestimmung einer Leistung durch einen Dritten nach § 319 Abs 1 Satz 1 BGB die Unbeachtlichkeit der Entscheidung des Dritten zur Folge hat, nicht einheitlich beantwortet. Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass die offenbar unbillige Leistungsbestimmung bereits unabhängig von der Erhebung einer Einrede oder einer Klagerhebung unwirksam sei (Rieble in Staudinger, BGB, Leistungsstörungsrecht 2, Neubearbeitung 2009, § 319 RdNr 17 f; zu § 315 Abs 3 BGB vgl LG Mainz Urteil vom 5.3.2007 - 5 O 94/06 - Juris). Dagegen wird eingewandt, dass die offenbare Unbilligkeit nicht die Nichtigkeit bedeute (vgl OLG Frankfurt am Main Urteil vom 3.12.1998 - 3 U 257/97 - NJW-RR 1999, 379 = Juris RdNr 25) und dass auch die unbillige Bestimmung des Dritten binde, bis sie durch Gerichtsurteil ersetzt werde (Würdinger in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl 2012, § 319 RdNr 23). Dies soll aber nach wohl hM nicht für den Fall gelten, dass die offenbare Unbilligkeit von einem Vertragspartner binnen angemessener Frist geltend gemacht wird (vgl OLG Frankfurt am Main, aaO, mwN; Wolf in Soergel, BGB, Bd 2, 12. Aufl 1990, § 319 RdNr 16; zur ähnlichen Regelung in § 315 Abs 3 BGB vgl Grüneberg in Palandt, BGB, 74. Aufl 2015, § 315 RdNr 16; zur Fälligkeit einer Forderung bei einer Schiedsgutachtenvereinbarung im Falle des Übergangs der Leistungsbestimmung nach § 319 Abs 1 Satz 2 BGB auf das Gericht erst mit Rechtskraft des Urteils vgl BGH Urteil vom 4.7.2013 - III ZR 52/12 - NJW-RR 2014, 492 RdNr 32 ff, mwN). Dagegen geht das BAG im Zusammenhang mit der Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber in entsprechender Anwendung des § 315 Abs 3 BGB davon aus, dass der Arbeitnehmer an die Konkretisierung des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden sei, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe(BAG Urteil vom 22. 2.2012 - 5 AZR 249/11 - BAGE 141, 34 = AP Nr 127 zu § 615 BGB = NJW 2012, 2605, RdNr 24, mwN).

36

Auf die Festsetzung des Vertrages zur HzV durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V sind die genannten, zu zivilrechtlichen Verträgen entwickelten, ohnehin nicht einheitlichen Positionen - entgegen der in der Begründung der Entscheidung der Schiedsperson vertretenen Auffassung(vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 Fn 61) - nicht ohne Weiteres übertragbar. Für Verträge, die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern zum Gegenstand haben, gelten die Vorschriften des BGB und damit auch die Regelungen zur Bestimmung der Leistungen durch einen Dritten (§§ 317 ff BGB) gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nur entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Daher kann bei der entsprechenden Anwendung der §§ 317 ff BGB nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 1 SGB V verpflichtet sind, ihren Versicherten eine besondere hausarztzentrierte Versorgung anzubieten. Die entsprechende Geltung der Vorschriften des BGB ändert zudem nichts daran, dass es sich bei dem Vertrag nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V zwischen Krankenkassen und den die Hausärzte vertretenden Gemeinschaften um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 Abs 1 SGB X handelt, weil durch ihn ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet, geändert oder aufgehoben wird. Insofern gilt für Verträge in der HzV nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V nichts anderes als für Verträge zur Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V(vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 6 RdNr 18 f; BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 23)oder auch für die Bundesmantelverträge und Gesamtverträge, die (auch) als öffentlich-rechtliche Verträge zu qualifizieren sind (vgl BSGE 70, 240, 243 = SozR 3-5533 Allg Nr 1 S 4; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14). Für das gerichtliche Verfahren bleiben die Vorschriften des SGG maßgebend. Nach § 86a Abs 1 SGG kommt zwar Klagen gegen belastende Verwaltungsakte aufschiebende Wirkung zu. Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise für Klagen, mit denen die Rechtswidrigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages geltend gemacht wird. Öffentlich-rechtliche Verträge sind wirksam, auch soweit sie rechtswidrig aber nicht nichtig sind (vgl Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 58 RdNr 2). Zur Nichtigkeit führt nur ein besonders schwerwiegender Mangel (zu gesamtvertraglichen Vereinbarungen vgl zB BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14 f). Der Umstand, dass die Partner des Vertrages zur HzV die Möglichkeit haben, gerichtlich mit der Feststellungsklage die Rechtswidrigkeit von Regelungen des Vertrages geltend zu machen, der durch Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommen ist (vgl dazu nachfolgend 4.), ändert daran nichts. Im Ergebnis hat dies zur Folge, dass der durch die Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommene Vertrag, der nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, vorbehaltlich seiner Nichtigkeit umzusetzen ist, solange dessen Rechtswidrigkeit nicht rechtskräftig festgestellt worden ist (vgl bereits Nr 11 der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines GKV-VStG, BT-Drucks 17/7274 S 29; zu einer vom Bundesrat gewünschten Klarstellung mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Abhängigkeit vom Ausgang des vorliegenden Verfahrens vgl die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks 18/4095, Anlage 4 Nr 22; aA: Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 f). Bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens um die Rechtmäßigkeit des von der Schiedsperson festgesetzten Vertrages kann die Pflicht zur Umsetzung des Vertrages nur durch eine einstweilige Anordnung des Gerichts nach § 86b Abs 2 SGG beseitigt werden.

37

(2) Auch wenn angenommen würde, dass die in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF getroffene Regelung zur fehlenden aufschiebenden Wirkung der Klage allein im Sinne einer Klarstellung sicherstellen sollte, dass Schiedssprüche während eines Klageverfahrens zunächst umgesetzt werden, erklärt dies nicht ohne Weiteres die gewählte Formulierung, weil die Verwendung des Begriffs der aufschiebenden Wirkung den Bezug zu § 86a Abs 1 SGG und zu der dort geregelten aufschiebenden Wirkung von Klagen gegen Verwaltungsakte herstellt.

38

Danach stimmte die gesetzliche Regelung zur Schiedsperson in der Versorgung mit Haushaltshilfe nach § 132a Abs 2 SGB V zwar weitgehend mit der Regelung zur Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V überein. Mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts enthielt § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF jedoch eine Regelung, die in § 132a SGB V keine Entsprechung findet und die als Indiz für die Charakterisierung des Schiedsspruchs in der HzV als Verwaltungsakt herangezogen werden konnte.

39

ee) Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber auf die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V reagiert und mit dem GKV-VStG die aufschiebende Wirkung auf Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson beschränkt. Eine Regelung, nach der Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts keine aufschiebende Wirkung haben, gibt es seitdem nicht mehr. Ferner wurde mit dem GKV-VStG § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V angefügt. Danach richten sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

40

Die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) bestätigt, dass auf diesem Weg bestehende Unklarheiten bezogen auf die rechtliche Einordnung des Schiedsverfahrens in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V ausgeräumt werden sollten und dass - ebenso wie für den Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V - eine eindeutige Einordnung der Schiedsperson als Vertragshelfer erfolgen sollte. Die Einschränkung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V wird damit begründet, dass durch die bisherige Formulierung der Eindruck habe entstehen können, es handele sich bei dem Schiedsspruch um einen Verwaltungsakt. Mit der Streichung werde "klargestellt, dass dies nicht der Fall ist, sondern dass die Schiedsperson analog § 317 BGB als Vertragshelfer tätig wird". Inhaltlich knüpft die Gesetzesbegründung damit an die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege an. Dies wird in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) verdeutlicht, in der unter ausdrücklichem Hinweis auf die genannte Entscheidung des 3. Senats des BSG ausgeführt wird, dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V eine Klarstellung in Richtung auf die Einordnung auch der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer herbeigeführt werden soll. Davon ist im Übrigen auch der 3. Senat in einer Entscheidung vom 8.10.2014 (B 3 KR 7/14 R - SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) ausgegangen.

41

Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 73b Abs 4a SGB V mit dem GKV-VStG auch auf die "insoweit vergleichbare(n) Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII"(BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) Bezug nehme. Zutreffend ist allerdings, dass Entscheidungen der Schiedsstellen zur Vergütung von Einrichtungen und Diensten im Bereich der Sozialhilfe nach ständiger Rechtsprechung in der Form eines Verwaltungsakts ergehen. Dies hat das BVerwG bereits zu der § 80 SGB XII im Wesentlichen entsprechenden Vorgängerregelung des § 94 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entschieden(vgl BVerwGE 108, 47). Daran hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78 = Juris RdNr 14; anders zunächst der 3. Senat des BSG: BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4)auch nach der Einführung des § 93b Abs 1 Satz 4 BSHG festgehalten, der bestimmte, dass die Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist. Der Qualifizierung dieses Schiedsspruchs als Verwaltungsakt hat sich der für Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständige 8. Senat des BSG bezogen auf die seit dem 1.1.2005 geltende entsprechende Rechtslage mit einer entsprechenden Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII angeschlossen(BSG SozR 4-3500 § 77 Nr 1, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage in diesem Verfahren "sui generis" vgl auch BSG SozR 4-3500 § 76 Nr 1 RdNr 12, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

42

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus all dem jedoch nicht geschlossen werden, dass mit dem Hinweis auf § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII die im ersten Teil der Gesetzesbegründung eindeutig zum Ausdruck kommende Orientierung am "Vertragshelfermodell" wieder in Frage gestellt würde. Die Formulierung in der Gesetzesbegründung, nach der sich die Regelung "am Wortlaut der insoweit vergleichbaren Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII" orientiert, bezieht sich erkennbar allein auf die Anfügung des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ("Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson."). Dies wird zum einen durch die Verwendung des Wortes "insoweit" und zum anderen daran deutlich, dass nicht der gesamte § 77 Abs 1 SGB XII in Bezug genommen wird, sondern allein dessen Satz 5, der mit dem eingefügten § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V fast wörtlich übereinstimmt. Die Streichung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson wird also nicht mit Hinweis auf § 77 Abs 1 SGB XII begründet, sondern mit dem Ziel klarzustellen, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde tätig wird. Allein bezogen auf die Ergänzung des § 73b Abs 4a SGB V um einen neuen Satz 5 verweist die Gesetzesbegründung auf die fast wortgleiche Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII.

43

Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des BVerwG war die Regelung, nach der sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen die Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson richten, im Übrigen auch nicht Anknüpfungspunkt für die Einordnung des Schiedsspruchs im Sozialhilferecht als Verwaltungsakt. Das BVerwG (vgl BVerwGE 116, 78, 82 f) hat die Entscheidung der Schiedsstelle keineswegs wegen der Regelung, nach der die Klage gegen die andere Vertragspartei zu richten ist, als Verwaltungsakt qualifiziert, sondern vielmehr trotz der Einführung dieser Regelung und entgegen einer in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung (Münder in LPK-BSHG, 5. Aufl 1998, § 94 RdNr 2; Gottlieb, NDV 2001, 257, 261; Wabnitz, ZfJ 2001, 33, 37; vgl auch BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4) an seiner bereits zuvor bestehenden Rechtsprechung zur Einordnung des Schiedsspruchs nach § 77 Abs 1 SGB XII als Verwaltungsakt festgehalten.

44

Im Übrigen - also mit Ausnahme des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V - unterscheidet sich die Regelung zum Schiedsverfahren nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII grundlegend von der zur Festlegung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Qualifizierung der Schiedsstelle nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII als Behörde und deren Schiedsspruch als Verwaltungsakt stehen deshalb nicht im Widerspruch zur Einordnung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer. Abgesehen davon, dass nach § 77 Abs 1 Satz 3 SGB XII nicht eine natürliche Person, sondern eine Schiedsstelle entscheidet, die gemäß § 80 Abs 2 Satz 1 SGB XII mit Vertretern der Vertragsparteien und einem unparteiischen Vorsitzenden besetzt ist, spricht für den Charakter dieser Schiedsstelle als Behörde auch die Formulierung in § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII, nach der es einer Nachprüfung der Entscheidung in einem Vorverfahren nicht bedarf. Genau diese Formulierung (die sich vor dem 1.1.2005 in § 93b Abs 1 Satz 5 BSHG und vor der Einführung des § 93b BSHG zum 1.1.1999 in § 93 Abs 3 Satz 4 Halbsatz 1 BSHG fand) hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78, 81 f) zur Begründung seiner Auffassung herangezogen, dass der Gesetzgeber diese Schiedsstellenentscheidung - trotz der Regelung, nach der eine Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist - als Verwaltungsakt ausgestalten wollte. Eine § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII entsprechende Formulierung findet sich in § 73b Abs 4a SGB V aber nicht.

45

ff) Danach ist mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG geklärt, dass es sich bei der Schiedsperson, die im Konfliktfall den Inhalt des Vertrages zur HzV feststellt, nicht um eine Behörde handelt und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht(ebenso: Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15d, 15f; Huster in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 17; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 251; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 22; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 23; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 64; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b RdNr 69; SG München Urteil vom 16.7.2014 - S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 27; aA Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1; LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 3.6.2014 - L 7 KA 12/14 B ER - Juris).

46

gg) Die Zuordnung der Schiedsperson für die HzV zum Modell "Vertragshelfer" anstelle des Modells "Schiedsamt" bezieht sich nicht allein auf die Zeit seit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1.1.2012. Wie oben dargelegt, entsprach § 73b Abs 4a SGB V bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend der für die häusliche Krankenpflege geltenden Regelung zur Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V, für die jedenfalls seit der Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) die Einordnung als Vertragshelfer geklärt ist. Die rechtliche Einordnung des Schiedsspruchs der Schiedsperson in der HzV war gleichwohl bis zum Inkrafttreten des GKV-VStG zum 1.1.2012 nicht geklärt, sondern in der og Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 ausdrücklich offengelassen worden. Unter diesen Umständen war der Gesetzgeber nicht gehindert, eine Klarstellung herbeizuführen. Dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V sowie der Anfügung eines neuen Satzes 5 die in der og Entscheidung des 3. Senats des BSG vom 25.11.2010 offengelassene Frage geklärt werden sollte und dass die Regelung somit nur der Klarstellung des bereits zuvor Gewollten dienen sollte, kommt sowohl in der Begründung des Regierungsentwurfs eines GKV-VStG (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Nr 13) als auch in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) eindeutig zum Ausdruck.

47

3. Die Klägerin kann auch nicht - entsprechend dem Antrag zu 2. - die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V erreichen.

48

Soweit der 3. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V von der Statthaftigkeit einer sog Ersetzungsklage ausgegangen ist, mit der dem Gericht aufgegeben werden soll, den Inhalt des Vertrages bei Unbilligkeit der Festlegungen der Schiedsperson zu bestimmen, folgt der Senat dem für die HzV nach § 73b SGB V nicht. §§ 317 ff BGB treffen Regelungen für Konstellationen, in denen sich die Parteien zuvor aus freiem Willen auf eine Schiedsperson geeinigt haben, der die Aufgabe übertragen wird, den Vertrag rechtsgestaltend zu ergänzen. Die Schiedsperson hat also lediglich vertragsausfüllende und vertragsergänzende Funktion (vgl Schnapp, NZS 2010, 241, 245, mwN). Auf die Verträge zur HzV, deren Inhalt vollständig gegen den Willen der Krankenkasse von einer durch die zuständige Aufsichtsbehörde bestimmten Schiedsperson festgelegt werden kann (vgl § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 und 2 SGB V), sind diese Bestimmungen im Rahmen der nur entsprechenden Anwendung nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nicht uneingeschränkt übertragbar. Davon ist im Grundsatz auch schon der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 33) bezogen auf das Schiedsverfahren nach § 132a Abs 2 SGB V ausgegangen, indem er abweichend von § 319 Abs 1 Satz 1 BGB nicht darauf abgestellt hat, ob die durch die Schiedsperson getroffene Bestimmung "offenbar unbillig" ist, sondern die einfache "Unbilligkeit" als Voraussetzung für die Ersetzung des Schiedsspruchs durch die Entscheidung des Gerichts genügen lässt.

49

Der Überlegung, das Gericht könne im Falle der Unbilligkeit den Inhalt der Entscheidung der Schiedsperson ersetzen, liegt die Vorstellung zugrunde, vom Gericht werde ein punktuelles Eingreifen oder die Entscheidung bezogen auf einzelne zwischen den Vertragsparteien umstrittene Punkte verlangt. So liegen die Dinge etwa im Bereich des § 65c Abs 6 Satz 8 SGB V bei der Höhe der Meldevergütungen zum klinischen Krebsregister. Dabei geht es um die Vergütungshöhe für bestimmte Leistungen, die in angemessener Höhe festzusetzen sind. Bei der Festlegung des Inhalts der Verträge zwischen Krankenkassen und den Erbringern von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V stehen zumindest nach den bisherigen gerichtlichen Erfahrungen die "Preise" für die Leistungen im Mittelpunkt des Konflikts der Vertragspartner, obwohl der Schlichtungsauftrag der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 1 und 6 SGB V weitergehen kann. Ob für solche eher punktuellen Festlegungen die Ersetzungsklage mit der Konsequenz der abschließenden Entscheidung durch ein Gericht sachgerecht ist, lässt der Senat offen; er muss deshalb auch nicht beim 3. Senat anfragen, ob dieser an seiner Rechtsprechung dazu festhält. Jedenfalls ist diese Konzeption auf die Verträge nach § 73b SGB V nicht übertragbar.

50

Gerichte können nicht umfassende Vertragswerke festsetzen, Regelungen über den Datenaustausch formulieren und die Beziehungen der Partner der Verträge untereinander vollständig regeln (zu § 132a Abs 2 SGB V vgl die Bedenken von Plantholz, RsDE 64<2007>, 1, 20 f, 23). Die dazu erforderliche Kenntnis nicht zuletzt der technischen Abläufe und deren Gestaltbarkeit ist bei den Gerichten ohne die Kooperation der Vertragspartner, auf die die Schiedsperson setzen kann, nicht vorhanden; insoweit müssten regelmäßig Sachverständige hinzugezogen und möglicherweise sogar mit der Formulierung beauftragt werden. Die Gerichte könnten nur punktuell - etwa bei der Höhe der Vergütung der teilnehmenden Ärzte - nach dem Maßstab der Angemessenheit entscheiden. Soweit ersichtlich, gibt es bisher auch keine sozialgerichtliche Entscheidung, in der ein durch eine Schiedsperson festgesetzter komplexer Vertrag wegen Unbilligkeit aufgehoben und durch einen gerichtlich festgesetzten Vertragsinhalt ersetzt worden wäre.

51

Aus den genannten Gründen muss sich die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V an dem Muster der Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V orientieren: Das Gericht prüft, ob die von einem der Beteiligten gerügten Festsetzungen mit höherrangigem Recht unvereinbar sind, bezeichnet ggf solche Rechtsverstöße und stellt weiter die Verpflichtung der Vertragspartner fest, diese Verstöße zu beseitigen. Wenn das im Wege freier Verhandlungen nicht gelingt, muss erneut eine Schiedsperson tätig werden, die - wie die Partner auch - an die Rechtsauffassung gebunden ist, die dem Feststellungsurteil zugrunde liegt.

52

Der naheliegende Einwand gegen diese Rechtsschutzkonzeption, dass eine abschließende Festlegung des Vertragsinhalts nicht zeitnah gewährleistet wird, greift im Ergebnis nicht durch. Es erscheint bereits fraglich, ob die Festsetzung des komplexen Inhalts eines Vertrages zur HzV durch ein für derartige Aufgaben nicht ausgestattetes Gericht oder eine Festlegung des Vertragsinhalts unter Einbeziehung von Sachverständigen, die das Gericht zu bestellen hätte, zu einer Beschleunigung des Verfahrens beitragen könnten. Auch kann dahingestellt bleiben, ob dem Einwand der Klägerin zu folgen ist, dass die Gestaltung des vollständigen Vertragsinhalts durch das Gericht - die im Verwaltungsprozessrecht sonst keine Entsprechung finden dürfte - in Widerspruch zum Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art 20 Abs 2 Satz 2 GG geriete, weil die Gerichte allein dazu berufen sind, Verwaltungshandeln zu kontrollieren (vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 7 f unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 13 sowie BSGE 90, 42, 44 = SozR 3-8570 § 4 Nr 4). Ausschlaggebend ist, dass der Gesetzgeber den Weg der gerichtlichen Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen - und nicht deren Ersetzung durch die Gerichte - auch sonst im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung - und zwar gemäß § 89 Abs 1a SGB V auch für gesetzlich vorgeschriebene Verträge - gewählt hat. Selbst wenn ein gesetzlich vorgeschriebener Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung nicht zustande kommt und keine der Parteien bei dem Schiedsamt einen Antrag auf Herbeiführung der Einigung stellt, sieht § 89 Abs 1a Satz 1 SGB V keine Ersetzung durch die Aufsichtsbehörde, sondern lediglich ein Recht der Aufsichtsbehörde zur Anrufung des Schiedsamts vor. Solange das Schiedsamt überhaupt fristgerecht tätig wird, beschränkt sich auch die Kontrolle der Entscheidung durch die Aufsichtsbehörden gemäß § 89 Abs 5 Satz 5 SGB V auf Rechtsverstöße. Eine Festsetzung des Vertragsinhalts durch die für das Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde sieht der mit dem GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, 2210) eingeführte § 89 Abs 1 Satz 5 SGB V nur ausnahmsweise für den Fall vor, dass das Schiedsamt auch nach Fristsetzung durch die Aufsichtsbehörde untätig bleibt. Die daraus erkennbar werdende Konzeption des Gesetzgebers, zumindest im Bereich des SGB V Schiedssprüche im Regelfall nicht durch Entscheidungen der Aufsichtsbehörden und erst Recht nicht durch gerichtliche Entscheidungen zu ersetzen, sondern die Kontrolle auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit zu beschränken, ist auf die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V zu übertragen.

53

4. Richtige Klageart ist danach die Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 SGG), die die Klägerin hilfsweise erhoben hat. Diese ist auch zulässig, in der Sache aber nur zum geringen Teil begründet.

54

a) Der Zulässigkeit des in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Feststellungsantrags steht nicht entgegen, dass die Klägerin einen solchen im Revisionsverfahren bis zum Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung nicht formuliert hatte. Zwar darf das BSG über den Antrag grundsätzlich nicht hinausgehen und eine Klagänderung ist gemäß § 168 Satz 1 SGG im Revisionsverfahren unzulässig. Zulässig ist jedoch eine Erweiterung des Klagantrags im Sinne des § 99 Abs 3 SGG, soweit damit keine neuen Revisionsgründe geltend gemacht werden(vgl BSGE 31, 112, 113 = SozR Nr 55 zu § 164 SGG) und auch der Übergang von der Anfechtungsklage zur Feststellungsklage (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 99 RdNr 4 mwN). Ausschlaggebend ist, dass der historische Lebenssachverhalt, aus dem der Anspruch abgeleitet wird, unverändert geblieben ist (vgl BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 5). Das ist hier der Fall. Eine solche Erweiterung des Revisionsantrags ist auch noch nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung bis zum Schluss der mündlichen Revisionsverhandlung möglich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 10 mwN).

55

Die Klägerin hat die Klage zutreffend gegen die Beklagten als Parteien des Vertrages zur HzV gerichtet. Seit der Änderung durch das GKV-VStG regelt § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ausdrücklich, dass Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson zu richten sind. Dies galt aufgrund des Umstands, dass die Schiedsperson keine Behörde ist und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht (vgl oben 2.), auch bereits für die Zeit vor Inkrafttreten der gesetzlichen Klarstellung mWv 1.1.2012 und damit auch bereits zum Zeitpunkt der Klagerhebung am 9.9.2011 (zur Ersetzungsklage gegen die Entscheidung Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 30). Die Tätigkeit der Schiedsperson ist mit dem Erlass des Schiedsspruchs beendet (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen). Aus diesem Grund ist die Schiedsperson zu dem Verfahren um die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Vertragsinhalts auch nicht notwendig beizuladen (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 31).

56

b) Für die Begründetheit der Feststellungklage wird in der Regel auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21 mwN). Vorliegend ist jedoch - in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin - vom Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson am 9.9.2010 auszugehen. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs für den Zeitpunkt seines Ergehens geltend macht. Grundsätzlich hat sie an einer Klärung der Frage, ob der Vertrag zum Zeitpunkt seiner Festsetzung rechtmäßig war, auch ein berechtigtes Interesse. Später eintretenden Änderungen haben die Vertragsparteien gemäß § 22 Abs 2 Satz 2 des Vertrages nach den Grundsätzen von Treu und Glauben Rechnung zu tragen. Soweit diese vertragliche Regelung nicht eingreift, folgt die Möglichkeit zur Anpassung des Vertrages aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X, wobei die vertragliche Regelung Vorrang hat(vgl BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 1 RdNr 25). Nach § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X kann eine Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an geänderte Verhältnisse verlangen, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert haben, dass der Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Wenn eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, kann diese den Vertrag kündigen. Auch diese Vorschrift setzt voraus, dass Änderungen seit Abschluss des Vertrages eingetreten sind. Insofern ist für die Klägerin weiterhin von Interesse, ob der Schiedsspruch zum Zeitpunkt der Vertragsfestsetzung rechtmäßig war. Dagegen ist weder eine Anpassung noch die Kündigung des durch Schiedsspruch festgesetzten Vertrages Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, sodass es auf später eingetretene Änderungen grundsätzlich nicht ankommen kann. Die etwa infolge der Abschaffung der Praxisgebühr (Streichung des § 28 Abs 4 SGB V mit Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom 20.12.2012, BGBl I 2789) erforderlichen Anpassungen des Vertrages (vgl dazu ua § 2 Abs 4, § 13 des Vertrages) sind ersichtlich nicht aufgrund unterschiedlicher Auffassungen der Vertragspartner, sondern wegen der im Vordergrund stehenden grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten und der deshalb bisher nicht erfolgten Umsetzung des Vertrages unterblieben. Eine auf den Anpassungsbedarf bezogene gerichtliche Feststellung hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

57

Allerdings sind im vorliegenden Verfahren Änderungen der Rechtslage zu berücksichtigen, die Einfluss auf das Fortbestehen des Feststellungsinteresses der Klägerin haben. Für die Beurteilung des Feststellungsinteresses ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (zur Fortsetzungsfeststellungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 131 RdNr 10, 10i; vgl auch BSG SozR 4-2700 § 215 Nr 2 RdNr 11). Da der streitgegenständliche Vertrag zur HzV bisher nicht umgesetzt wurde, kann ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin nur bestehen, soweit es darauf für die noch bevorstehende Umsetzung des Vertrages ankommt. Bedeutung gewinnt diese Frage hier bezogen auf Vereinbarkeit des Vertrages mit Bestimmungen zum Datenschutz (vgl dazu im Einzelnen nachfolgend d ii, RdNr 90).

58

c) Die gerichtliche Kontrolle der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson richtet sich aus den og Gründen nach den in der Rechtsprechung zur Überprüfung von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V entwickelten Maßstäben. Danach unterliegt auch die Entscheidung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur in eingeschränktem Umfang der gerichtlichen Kontrolle(vgl die stRspr zu § 89 SGB V: BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 3 RdNr 18; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11 mwN). Die Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle berücksichtigt, dass Schiedspersonen - ebenso wie Schiedsämter - deren Sprüche Vereinbarungen der zum Vertragsabschluss berufenen Vertragspartner ersetzen, eine weite Gestaltungsfreiheit haben. Dies trägt dem Wesen der Schiedssprüche Rechnung, die auf Interessenausgleich angelegt sind und Kompromisscharakter haben (vgl BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5). Der Schiedsspruch ist daher nur daraufhin zu überprüfen, ob die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen beachtet und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten wurden. Mithin ist in formeller Hinsicht zu klären, ob das Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs festgestellt hat und der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennen lässt (stRspr zu § 89 SGB V vgl etwa: BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13). Die inhaltliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsperson den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (zum Schiedsamt vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 20 S 131; BSGE 86, 126, 135 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11). Die Prüfung beschränkt sich dabei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf die Beachtung von Vorschriften, die unmittelbar Rechte der Vertragsparteien zu schützen bestimmt sind (aA zur Frage der Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen auch: LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 188). Deren Betroffenheit in eigenen Rechten folgt bereits aus dem Umstand, dass sie Partner des durch die Schiedsperson festgesetzten Vertrages sind. Die Bindung an einen solchen Vertrag müssen sie nur hinnehmen, soweit die darin getroffenen Bestimmungen materiell rechtmäßig sind. Insofern hat der Umstand, dass der Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, keinen Einfluss auf den gerichtlichen Prüfungsumfang.

59

d) Die Überprüfung der Entscheidung der Schiedsperson anhand der genannten Maßstäbe ergibt, dass die Festsetzung des Vertragsinhalts allein bezogen auf die Vereinbarkeit mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz zu beanstanden ist. Im Übrigen entspricht der Schiedsspruch den rechtlichen Anforderungen.

60

aa) Einwände bezogen auf die Einhaltung verfahrensrechtlicher Anforderungen werden von den Beteiligten nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere durfte die Schiedsperson den Vertragsinhalt am 9.9.2010 festsetzen, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch ein Klageverfahren zur Frage der Rechtmäßigkeit der Bestimmung der Schiedsperson anhängig war. Da Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson gemäß § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V keine aufschiebende Wirkung haben, war die Schiedsperson trotz des anhängigen Klageverfahrens berechtigt (und verpflichtet), tätig zu werden(zur Bestellung einer Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 27, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

61

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht zu beanstanden, dass die Schiedsperson nicht allein den Beklagten zu 1. (Hausärzteverband, Landesverband Baden-Württemberg), sondern auch den Beklagten zu 2. (Medi Baden-Württemberg eV) als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag aufgenommen hat.

62

(1) Gemäß § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30.6.2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Nur die so definierten Gemeinschaften von Allgemeinärzten sind gemäß § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 SGB V berechtigt, die Einleitung eines Schiedsverfahrens zu verlangen. Diese Anforderungen müssen jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson erfüllt sein (so auch bereits Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 27; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 17.1.2011 - L 7 KA 66/10 B ER - Juris RdNr 5). Die genannten Voraussetzungen werden von den beiden Beklagten erfüllt.

63

(2) Mit dem Begriff der Allgemeinärzte sind nicht alle nach § 73 Abs 1a SGB V an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte angesprochen. Vielmehr wird der Begriff übereinstimmend mit § 73 Abs 1a Nr 1 SGB V verwendet, sodass darunter nur die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte fallen, die nach Landesrecht zur Führung der Bezeichnung "Arzt für Allgemeinmedizin" berechtigt sind. Vorbehaltlich landesrechtlicher Übergangsregelungen wird also eine fünfjährige Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin vorausgesetzt (Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 14; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 29a; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 11.10.2010 - L 11 KA 61/10 B ER - GesR 2011, 32 = Juris RdNr 35 ff; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 31 ff; vgl auch BT-Drucks 16/10609 S 54). Diesen Begriff der "Allgemeinärzte" hat die Schiedsperson ihrer Prüfung, ob die og 50 %-Quote erreicht wird, zutreffend zugrunde gelegt. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.

64

(3) Gemeinschaften, die die Einleitung eines Schiedsverfahrens beantragen können, müssen nach § 73b Abs 4 Satz 1 und 2, Abs 4a Satz 2 SGB V mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV "vertreten". Dass die Beklagten zu 1. und zu 2. gemeinsam diese Quote erfüllen, wird zu Recht auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V verwendete Begriff "vertreten" wird jedenfalls nicht als eine Vertretung im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Handlung im fremden Namen(§ 164 BGB) verstanden werden können. Vielmehr schließen die in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaften die Verträge mit den Krankenkassen im eigenen Namen ab. Ausschlaggebend ist daher die Zahl der Mitglieder der Gemeinschaft (so auch die ganz hM vgl zB Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; Huster, NZS 2010, 69, 70; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 128; ders in Orlowski/Rau/Schermer/ Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 31b; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 35; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Wie in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen dargelegt wird, waren 3492 der insgesamt 5089 in Baden-Württemberg an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte für Allgemeinmedizin und damit deutlich mehr als die Hälfte Mitglied einer der beiden Beklagten. Allein bei dem Beklagten zu 1. (Hausärzteverband Baden-Württemberg) waren 2742 der in Baden-Württemberg zugelassenen Fachärzte für Allgemeinmedizin Mitglied. Weil mindestens 2566 Allgemeinärzte - und damit ebenfalls mehr als die Hälfte - die beiden Verbände auch mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hatten, wäre die og Voraussetzung hier im Übrigen auch erfüllt, wenn eine Mandatierung erforderlich wäre.

65

Die Klägerin ist allerdings der Auffassung, dass jedenfalls der Beklagte zu 2. die gesetzlich geregelte Quote nicht erfüllen würde und dass dieser deshalb nicht als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag zur HzV hätte aufgenommen werden dürfen. Die Erfüllung der Quote sei bezogen auf jeden einzelnen Verband zu prüfen, sodass die gemeinsame Erfüllung durch mehrere Verbände nicht genüge. Dies trifft indes nicht zu. Zwar waren nur 1267 Allgemeinärzte und damit weniger als die Hälfte der in Baden-Württemberg zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Allgemeinärzte Mitglied des Beklagten zu 2. Darauf kommt es indes nicht an. Vielmehr genügt, dass beide Beklagten als Vertragspartner der Klägerin gemeinsam mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte vertreten und zum gemeinsamen Vertragsschluss zu identischen Konditionen bereit waren und sind.

66

Der Begriff der "Gemeinschaften" wird gesetzlich nicht definiert. Der entsprechende Begriff in § 741 BGB wird nach dem Sinn der Regelung offensichtlich nicht in Bezug genommen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass keine Beschränkung auf eine bestimmte Rechtsform beabsichtigt war und dass weder eine innere noch eine äußere Organisationsstruktur vorgegeben wird (ebenso Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Huster, NZS 2010, 69, 70; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 73b RdNr 13; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 16; vgl auch Bayerisches LSG Beschluss vom 27.6.2009 - L 12 KA 33/09 B ER - GesR 2009, 477, 480). Ausschlaggebend ist allein die soziale Mächtigkeit der Gemeinschaft und die daraus folgende Möglichkeit, eine flächendeckende Versorgung zu organisieren (Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127 f; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Huster, NZS 2010, 69, 70; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Diese Auffassung wird insbesondere durch die in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/10609 S 53 f) zum Ausdruck kommende Zielsetzung der Regelung gestützt. Danach sollte mit der zum 1.1.2009 eingeführten Neuregelung durch das GKV-OrgWG vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) das mit dem GKV-WSG eingeführte eigenständige Verhandlungsmandat der Gemeinschaft von Hausärzten gestärkt werden. Gemeinschaften, die die 50 %-Quote erfüllen, gewährleisteten, dass eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung durch den Vertragsschluss erreicht werden könne. Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung ist davon auszugehen, dass sich Kooperationen nicht nur - wie ausdrücklich gesetzlich geregelt (§ 73b Abs 4 Satz 1 SGB V)- auf Seiten der Krankenkassen, sondern auch auf Seiten der Hausärzte an dem Vertrag zur HzV beteiligen können. Dem gesetzgeberischen Ziel, eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur HzV zu erreichen, wird schon Rechnung getragen, wenn nicht jeder einzelne Verband, sondern nur die Kooperation von Hausarztverbänden die genannte Quote erfüllt (so auch das dem Schriftsatz der Klägerin vom 12.2.2015 als Anlage RK 29 übersandte "Ergebnisse der Besprechung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 22.1.2009 zu Fragestellungen/Problemen im Zusammenhang mit § 73b SGB V in der Fassung vom 1.1.2009", S 3 unter III. 2.; ausdrücklich bezogen auf die beiden Beklagten des vorliegenden Verfahrens: Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 32).

67

cc) Der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV verletzt nicht den Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V. Entgegen der Auffassung der Klägerin findet dieser Grundsatz auf den vorliegenden, vor dem 22.9.2010 zustande gekommenen Vertrag keine Anwendung.

68

(1) In der hier maßgebenden Fassung des § 73b SGB V vor der Änderung durch das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2309) war die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die HzV nicht geregelt. Die Einfügung des § 73 Abs 5a SGB V mit dem GKV-FinG, in dessen Satz 1 bestimmt wird, dass bei der zwischen den Krankenkassen und den die Allgemeinärzte vertretenden Gemeinschaften der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71 SGB V zu beachten ist, gilt ausdrücklich nur für nach dem 22.9.2010 zustande gekommene Verträge. Der hier zu beurteilende Vertrag ist bereits mit der Festsetzung durch die Schiedsperson vom 9.9.2010 und damit bis zum 22.9.2010 zustande gekommen.

69

Die Beschränkung der Geltungsdauer der Bestandsschutzregelung nach § 73b Abs 5a Satz 5 SGB V idF des GKV-FinG auf die Zeit bis zum 30.6.2014 greift nicht ein, weil diese Frist nur für Anschlussvereinbarungen und nicht für den hier zu beurteilenden, bis zum 22.9.2010 geschlossenen Vertrag selbst gilt. Im Übrigen ist § 73b Abs 5a SGB V mit dem dort geregelten Grundsatz der Beitragssatzstabilität durch das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch(14. SGB V-Änderungsgesetz - 14. SGB V-ÄndG) vom 27.3.2014 (BGBl I 261) mWv 1.4.2014 aufgehoben worden, sodass diese Regelung auch im Falle einer Kündigung des Vertrages zur HzV keine Wirkung mehr entfalten könnte.

70

§ 73b SGB V in der hier maßgebenden Fassung unterscheidet sich damit zB von der die Gesamtvergütung betreffenden Bestimmung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V idF vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2013, der die Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) für die Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen anordnete. Allein der Umstand, dass es in § 73b SGB V an einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung für die HzV fehlt, schließt die Geltung dieses Grundsatzes allerdings noch nicht aus. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität allgemein für die im Vierten Kapitel des SGB V geregelten Vergütungsvereinbarungen gilt, ohne dass es einer auf die jeweilige Vergütungsvereinbarung bezogenen speziellen Regelung bedarf. Dies hat der Senat insbesondere aus dem Standort des § 71 SGB V im Abschnitt "Allgemeine Grundsätze" des Vierten Kapitels abgeleitet(BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 17). Bei dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität handelt es sich um eine verbindliche gesetzliche Vorgabe, die auch bei Schiedssprüchen zu beachten ist und die eine verbindliche Grenze für Vergütungsvereinbarungen darstellt (vgl BSGE 86, 126, 135 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 296 f; BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 15 f mwN).

71

Dies gilt jedoch nur, soweit keine Ausnahme eingreift. Solche Ausnahmen und Einschränkungen sind für unterschiedliche Vergütungsvereinbarungen im Vierten Kapitel des SGB V enthalten. So gilt nach § 87a Abs 3 Satz 2 letzter Halbsatz SGB V in der Fassung des GKV-WSG der vereinbarte Behandlungsbedarf als "notwendige medizinische Versorgung" im Sinne des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V mit der Folge, dass die Beschränkungen aus dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität für Gesamtvergütungen in der vertragsärztlichen Versorgung seit 2009 insoweit nicht eingreifen(vgl BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 41). Für die integrierte Versorgung bestimmt § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht für Verträge gilt, die bis zum 31.12.2008 geschlossen worden sind. Für die zahnärztliche Versorgung ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität mit der Änderung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V zwar nicht aufgehoben, aber eingeschränkt worden, indem nicht mehr die Beachtung, sondern nur noch dessen Berücksichtigung vorgeschrieben wird(vgl dazu Axer, GesR 2013, 135, 138 f). Eine ähnliche Einschränkung enthält § 134a Abs 1 Satz 2 SGB V für die Versorgung mit Hebammenhilfe.

72

Für die HzV folgt eine Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V. Danach können Einzelverträge Abweichungen von den Vorschriften "dieses Kapitels" - also des Vierten Kapitels des SGB V - sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. Das Vierte Kapitel umfasst die §§ 69 bis 140h SGB V und damit auch § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; ähnlich Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 257 f; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

73

Eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität kann entgegen der Auffassung von Ebsen aus dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (Rechtliche Anforderungen an das Handeln der Schiedsperson für die Festlegung des Inhalts des Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b Abs 4a SGB V, Rechtsgutachten im Auftrag des AOK-Bundesverbandes aus Juli 2009, unveröffentlicht, RdNr 55) auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V die Nichtgeltung für die Verträge zu integrierten Versorgungsformen ausdrücklich anordnet, während § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V für die HzV nur allgemein Ausnahmen von den Vorschriften des Vierten Kapitels zulässt. Zwar trifft es zu, dass sich der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V mit dem GKV-WSG ua an § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V anlehnen wollte(BT-Drucks 16/3100, S 112), der Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels betrifft. § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, der die Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die integrierte Versorgung ausdrücklich regelt, bleibt in der Gesetzesbegründung zu § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V hingegen unerwähnt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels nur mit Ausnahme des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität zulassen würde. Im Wortlaut der Regelung findet eine solche einschränkende Auslegung keine Grundlage. Der im Gutachten von Ebsen gezogene Vergleich zwischen den für die HzV und den für die integrierte Versorgung geltenden Regelungen berücksichtigt zudem nicht hinreichend, dass § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels des SGB V nicht umfassend, sondern nur insoweit zulässt, als "die abweichende Regelung dem Sinn und der Eigenart der integrierten Versorgung entspricht, die Qualität, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der integrierten Versorgung verbessert oder aus sonstigen Gründen zu ihrer Durchführung erforderlich ist". Da § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels umfassend zulässt, bedurfte es keiner § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V entsprechenden speziellen Regelung zur Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität. Im Übrigen vertritt auch Ebsen nicht die Auffassung, dass die Krankenkassen bei Verträgen zur HzV den Grundsatz der Beitragssatzstabilität umfassend zu beachten hätten. Vielmehr will er den "unternehmerisch" im Wettbewerb stehenden Krankenkassen für freiwillige Vereinbarungen einen größeren Spielraum zubilligen und lediglich den Gestaltungsspielraum der Schiedsperson beschränken (vgl RdNr 31 ff, 61 des Gutachtens). Indes ist die Gestaltungsfreiheit der Schiedsperson nicht geringer als diejenige der Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung. Insofern gilt für Schiedssprüche von Schiedspersonen nichts anderes als für solche der Schiedsämter (vgl zum Gestaltungsspielraum von Schiedsämtern BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 73 RdNr 15; BSGE 86, 126, 134 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295 mwN).

74

Etwas anderes folgt auch nicht aus § 73b Abs 8 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des GKV-WSG, die im Übrigen mit der seit dem 1.4.2014 (wieder) geltenden Fassung des 14. SGB V-ÄndG übereinstimmt. Nach dieser Vorschrift können die Parteien des Vertrages zur HzV vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach § 73b Abs 7 SGB V fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanziert werden, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach § 73b Abs 4 SGB V erzielt werden. Aus der Formulierung "können vereinbaren" folgt, dass es sich nicht um eine für die Vertragspartner verbindliche Vorgabe handelt. Damit übereinstimmend hat der Gesundheitsausschuss, auf dessen Empfehlung die Regelung mit dem GKV-WSG eingeführt worden ist, zur Begründung angegeben, dass es sich um eine Klarstellung handele. In den Verträgen zu HzV könne vereinbart werden, zusätzliche Vergütungen durch Einsparungen zB bei den veranlassten und verordneten Leistungen zu generieren (BT-Drucks 16/4247 S 36).

75

Dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität für die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV keine Geltung beansprucht, findet seine Bestätigung in der Änderung des § 73b SGB V mit dem GKV-FinG. Der mit diesem Gesetz neu eigeführte § 73b Abs 5a SGB V sah in Satz 1 eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ausdrücklich nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge vor. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/3040 S 23) entsprach es auch dem Willen des Gesetzgebers, die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV von der Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität auszunehmen. Danach sollte es für diese Verträge bei der "im bisherigen Recht angelegten Vertragsfreiheit der Vertragsparteien auch im Hinblick auf die Vergütungshöhe" bleiben.

76

Auch die Motive, die den Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zum 14. SGB V-ÄndG (BT-Drucks 18/606 S 11) zur Aufhebung des § 73b Abs 5a SGB V und zur "Rückführung" des Abs 8 auf die vor dem GKV-FinG geltende Fassung mWv 1.4.2014 veranlasst haben, sprechen dafür, dass es sich bei den Änderungen durch das GKV-FinG - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht nur um eine Klarstellung bezogen auf den ohnehin geltenden Grundsatz der Beitragssatzstabilität gehandelt hat, sondern dass dieser Grundsatz im Bereich der HzV allein aufgrund des - mit dem 14. SGB V-ÄndG wieder aufgehobenen - § 73b Abs 5a SGB V und damit auch nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV galt. Nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Änderung zurückgeht, sollten die mit dem GKV-FinG eingeführten Vergütungsbeschränkungen wieder aufgehoben werden, "da sie sich als Hemmnis für den Abschluss von Verträgen über eine hausarztzentrierte Versorgung erwiesen haben". Die Vertragspartner sollten - auch für Vereinbarungen über solche Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen - die Möglichkeit erhalten, Vergütungsvereinbarungen zu treffen, ohne hierbei starren Begrenzungen zu unterliegen. Entscheidend sei, dass der Vertrag "insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot" entspreche. Die Gestaltungsspielräume der Vertragspartner sollten bezogen auf die Vergütung erweitert und die Möglichkeiten zur Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte verbessert werden.

77

(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die Vergütung in der HzV auch nicht aus den für die für Wahltarife geltenden Bestimmungen des § 53 Abs 3, Abs 9 SGB V hergeleitet werden. Allerdings weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass die Krankenkassen nach § 53 Abs 3 SGB V verpflichtet sind, in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen - ua nach § 73b SGB V - teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Daran anknüpfend schreibt § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V vor, dass die Aufwendungen für jeden Wahltarif jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden müssen. Danach sei - so die Klägerin - der Abschluss eines Hausarztvertrages ausgeschlossen, der Mehrkosten vorsehe, ohne dass deren Gegenfinanzierung gesichert sei. Der vorliegende Vertrag zur HzV enthalte Regelungen zu Mehrausgaben, deren Gegenfinanzierung spekulativ bleibe.

78

Indes betrifft die Regelung zu den Wahltarifen das Verhältnis der Krankenkassen zu den Versicherten und nicht das Leistungserbringungsrecht. Ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 53 Abs 9 SGB V könnte deshalb nur die Rechtsmäßigkeit der Satzung der Krankenkasse berühren und nicht die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; vgl Mehdorn, ZMGR 2012, 3, 12; ebenso bezogen auf einen Vertrag nach § 73c SGB V: SG Berlin Urteil vom 13.10.2010 - S 83 KA 443/08 - MedR 2011, 124, 128). Dies räumt auch Ebsen in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (aaO, RdNr 74) im Grundsatz ein, macht jedoch geltend, dass es den Kassen auch bei Verträgen mit Leistungserbringern selbstverständlich verboten sei, Vereinbarungen zu treffen, die zu einem Verstoß gegen ihre Pflichten im Versicherungsverhältnis führten. Dem kann zwar im Grundsatz zugestimmt werden. Der Senat hat Bedenken gegen die Auffassung des SG München aus der Entscheidung vom 16.7.2014 (S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 47 f), nach der ein Vertrag zur HzV bereits deshalb nicht gegen § 53 Abs 9 SGB V verstoßen könne, weil die möglicherweise durch diesen Vertrag verursachten Mehrkosten keine "Aufwendungen für den Wahltarif" im Sinne des § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V seien und dass diese deshalb auch nicht durch Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen gegenfinanziert werden müssten. Der Begriff der "Aufwendungen für den Wahltarif" dürfte im Grundsatz umfassender zu verstehen sein als das SG München annimmt (zu Mindereinnahmen als "Aufwendungen für den Wahltarif" vgl BSGE 109, 230 = SozR 4-2500 § 53 Nr 2, RdNr 21). Für das vorliegende Verfahren kommt es darauf indes nicht an. Jedenfalls kann die eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der HzV nicht über das Verbot der Quersubventionierung von Wahltarifen aus § 53 Abs 9 SGB V unterlaufen werden(in dieser Richtung auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35 = Juris RdNr 48). Maßgebend ist die - für das Leistungserbringungsverhältnis vorrangige - Regelung des § 73b SGB V. Daher ist § 53 Abs 9 SGB V insoweit einschränkend auszulegen. Soweit die Vertragspartner des HzV von der Gestaltungsfreiheit Gebrauch machen, die der Gesetzgeber ihnen mit der bereichsspezifischen Ausnahme vom Gebot der Beitragssatzstabilität einräumen wollte, kann allein darin kein Verstoß gegen das Verbot der Quersubventionierung aus § 53 Abs 9 SGB V liegen.

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(3) Die für die HzV geltende Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität und die daraus folgende Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 53 Abs 9 SGB V begegnet entgegen der Auffassung der Klägerin auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass sich die Sozialversicherungsbeiträge durch eine strenge grundrechtlich und kompetenzrechtlich begründete Zweckbindung auszeichnen und dass die unter Eingriff in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art 2 Abs 1 GG zustande gekommene Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung die Auferlegung nur solcher Geldleistungen zu rechtfertigen vermag, die ihren Grund und ihre Grenze in den zwingenden Aufgaben der Sozialversicherung finden (vgl BVerfGE 113, 167, 203 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 55). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ist in einem Sozialstaat überragend wichtiges Gemeinschaftsgut (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139). Daraus folgt jedoch nicht, dass der in § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V definierte Grundsatz der Beitragssatzstabilität von der Verfassung vorgegeben wäre(zur Einschränkung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der vertragszahnärztlichen Versorgung vgl Axer, GesR 2013, 135, 140). Vielmehr hat der Gesetzgeber im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139; BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 103, 172, 185 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27; BVerfGE 44, 70, 89 = SozR 5420 § 94 Nr 2 S 2). Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind von der Rechtsprechung zu akzeptieren, solange seine Entscheidungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 89, 365, 376 = SozR 3-2200 § 385 Nr 4 S 4).

80

Das Ziel der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung hat der Gesetzgeber mit der Einführung der HzV nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil ist die Verpflichtung der Krankenkassen, ihren Versicherten eine flächendeckende hausarztzentrierte Versorgung zur Verfügung zu stellen, mit dem Ziel eingeführt worden, die Versorgungsqualität zu verbessern und Wirtschaftlichkeitsreserven ua durch Verbesserungen im Bereich Pharmakotherapie, durch den Einsatz von wissenschaftlich begründeten und praxiserprobten hausärztliche Leitlinien und durch eine zielgerichtetere Fortbildung zu erschließen (vgl BT-Drucks 16/3100 S 111 f). Auf die Geltung von Vorschriften des Vierten Kapitels einschließlich des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität hat der Gesetzgeber dabei im Interesse eines weiten Gestaltungsspielraums der Vertragspartner und in der Erwartung verzichtet, dass dieser unter der Beteiligung der Krankenkassen als Vertragspartner im Sinne der og Zielsetzung ausgefüllt wird. Anhaltspunkte dafür, dass diese Erwägungen offensichtlich unzutreffend oder aus anderen Gründen mit der Wertordnung der Verfassung unvereinbar wären, sind weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich. Bei der Einführung neuer Strukturen im Bereich der Leistungserbringung wie dem flächendeckenden Angebot einer HzV können die finanziellen Auswirkungen regelmäßig nicht mit Sicherheit prognostiziert werden. Allein daraus folgt jedoch noch keine Überschreitung des Handlungsspielraums des Gesetzgebers.

81

Auch eine Ungleichbehandlung der Versicherten und damit ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG ist mit der Einführung der HzV entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verbunden, soweit alle Krankenkassen ihrer gesetzlichen Pflicht aus § 73b Abs 1 SGB V nachkommen, ihren Versicherten eine HzV anzubieten, weil dann alle Versicherten die Möglichkeit haben, diese Leistung in Anspruch zu nehmen. Mit der vorliegenden Entscheidung stellt der Senat klar, dass die Klägerin dieser bereits seit Inkrafttreten der Änderungen durch das GKV-WSG zum 1.4.2007 gesetzlich geregelten Verpflichtung nachzukommen hat.

82

dd) Zu beachten bleibt das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot, das seine Grundlage nicht allein in § 70 Abs 1 SGB V und damit einer Vorschrift aus dem nach § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V nicht zwingend anwendbaren Vierten Kapitel, sondern auch in § 2 Abs 4, § 12 SGB V hat. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Für die Geltung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots spricht im Übrigen die Begründung der der Streichung des § 73b Abs 5a SGB V mit dem 14. SGB V-ÄndG zugrunde liegenden Empfehlung des Gesundheitsausschusses (BT-Drucks 18/606 S 11). Danach bleibt entscheidend, "dass der Vertrag insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht". Dagegen gilt die mit der Änderung des § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V durch das 14. SGB V-ÄndG eingeführte Verpflichtung, Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren, nicht für den vorliegenden, am 9.9.2010 festgesetzten Vertrag zur HzV, sondern nur für Verträge, die nach dem 31.3.2014 zustande gekommen sind.

83

Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag entspricht dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade in der Phase der Einführung der flächendeckenden HzV keine hohen Anforderungen an die Prognose der wirtschaftlichen Auswirkungen gestellt werden können. Für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung durch die Schiedsperson ist ausschlaggebend, dass die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Gesichtspunkte erkannt, gegeneinander abgewogen worden sind und Eingang in die Begründung gefunden haben. Die Anforderungen an die Begründung dürfen auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Schiedsperson keinen eigenen Verwaltungsapparat unterhält, nicht überspannt werden (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 38). Den so definierten Anforderungen wird die ausführliche Begründung der Entscheidung der Schiedsperson ohne Weiteres gerecht. Dabei wird - wie die Klägerin zutreffend geltend macht - in der Begründung des Schiedsspruchs nicht in Zweifel gezogen, dass zB mit der vorgesehenen kontaktunabhängigen Pauschale (65 Euro pro Versichertenteilnahmejahr) oder der Chronikerpauschale (30 Euro maximal einmal pro Quartal und maximal 4-mal pro Versichertenteilnahmejahr) Vergütungstatbestände in die HzV aufgenommen worden sind, die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen keine Entsprechung finden und dass insgesamt mit einer Erhöhung des Fallwertes zu rechnen ist. Prognostiziert wird eine Erhöhung um 12,38 Euro im Vergleich zur Regelversorgung. Ferner wird ausgeführt, dass die dadurch verursachten Kosten und auch die erzielten Einsparungen nicht genau zu prognostizieren seien. Allerdings gebe es mit der Vergütungsobergrenze nach § 10 Abs 9 des Vertrages (76 Euro) Regelungen, die geeignet seien, das Risiko der Krankenkassen zu begrenzen. Einsparungen könnten ua aufgrund der Verpflichtung der Versicherten erwartet werden, Fachärzte nur auf Überweisung in Anspruch zu nehmen. Dies führe zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen. Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass jeder Facharztbesuch auch Folgekosten bei den veranlassten Leistungen nach sich ziehe, sodass eine - medizinisch vertretbare - verminderte Inanspruchnahme von Überweisungen zu Fachärzten auch geringere Folgekosten bedinge. Ein gewisses Einsparpotenzial ergebe sich des Weiteren durch die Verpflichtung der Hausärzte, bei der Arzneimittelversorgung die von den Vertragspartnern der HzV zur Verfügung gestellte Software zu verwenden, die gerade bei Original-Präparaten ermöglichen solle, dass der Hausarzt wirtschaftliche Verordnungen vornehmen könne. Insgesamt werden finanzielle Risiken und Einsparpotenziale in der Begründung des Schiedsspruchs ausführlich dargestellt und gegeneinander abgewogen. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung erster Erfahrungen mit ähnlichen Verträgen (Vertrag der BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für Baden-Württemberg, AOK Bayern-Vertrag) kommt die Schiedsperson nachvollziehbar zu der Einschätzung, dass in Umsetzung des Vertrages eine wirtschaftliche Leistungserbringung durch die teilnehmenden Hausärzte erwartet werden kann.

84

ee) Dagegen kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Schiedsperson lediglich einen unvollständigen "Vertragstorso" festgesetzt habe. Zwar trifft es zu, dass die Schiedsperson die vorgesehenen Anlagen zum Vertrag nicht vollständig festgesetzt, sondern teilweise der weiteren Vereinbarung durch die Vertragsparteien überlassen hat (etwa zum Hilfsmittelmanagement und zu verschiedenen Vergütungszuschlägen, die ua eine wirtschaftliche Verordnungsweise fördern sollen). Gerade in der Anfangsphase nach Einführung der flächendeckenden HzV ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Vertragsparteien in der Phase der Umsetzung des Vertrages weitere Konkretisierungen und Ergänzungen vornehmen. Ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV ist allein, ob dieser in der vorliegenden Form umgesetzt werden kann. Daran hat der Senat keine Zweifel.

85

ff) Auch der Einwand der Klägerin, die Schiedsperson habe in Verkennung des rechtlichen Rahmens angenommen, dass die HzV nur als Vollversorgungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag vereinbart werden dürfe, sie habe dadurch ihren Gestaltungsspielraum verkannt und dies allein führe zur Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs, greift nicht durch. Dass die HzV jedenfalls auch in der Form eines sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrages vereinbart werden kann, der die bisherige Regelversorgung nach § 73 SGB V umfasst und diese nicht lediglich ergänzt, unterliegt keinem Zweifel. Auf die umstrittene Frage, ob eine HzV in Form eines sog Add-on-Vertrages den gesetzlichen Vorgaben entsprechen würde (gegen die Rechtmäßigkeit von Add-on-Verträgen auf der Grundlage des § 73b SGB V: Hess in Kasseler Komm, Stand Dezember 2014, § 73b SGB V RdNr 3; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 47; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 27 f; mit dieser Tendenz auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 8 ff; ähnlich: Sproll in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Februar 2015, § 73b SGB V RdNr 8: "Beide Versorgungsformen schließen sich gegenseitig aus" sowie Orlowski, ZMGR 2009, 124, 125: HzV als "eigenständig zu regelnde einzelvertragliche Versorgung"; anders jedoch Huster, SGb 2010, 253 ff; ders in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 21; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 6; SG Marburg Urteil vom 3.8.2011 - S 12 KA 237/10 - Juris RdNr 29 ff), kommt es für die Entscheidung nicht an. Jedenfalls hat die Schiedsperson mit der Festsetzung eines Vollversorgungsvertrages ihren möglichen Entscheidungsspielraum nicht überschritten. In der Begründung des Schiedsspruchs wird die Auffassung vertreten, dass allein die Vereinbarung eines Vollversorgungsvertrages der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Die Frage, ob deshalb ein Add-on-Vertrag rechtswidrig wäre, wird aber letztlich offengelassen. Die Schiedsperson weist zur weiteren Begründung ua darauf hin, dass sie sich in Ausübung ihres billigen Ermessens für einen Vollversorgungsvertrag entschieden habe, weil dieser den Krankenkassen und den Hausarztgemeinschaften die Möglichkeit eröffne, strukturelle Verbesserungen in der Leistungserbringung für die Versicherten vorzunehmen, während Add-on-Verträge nur punktuelle Ansätze böten. Damit hat die Schiedsperson die Entscheidung für einen Vollversorgungsvertrag den Anforderungen entsprechend begründet.

86

gg) Der Vertrag ist auch nicht rechtswidrig, soweit er in § 6 sowie in den Anlagen 4 und 6 Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der HzV enthält, die in einzelnen Punkten (Verbleib des Originals der Teilnahmeerklärung bei der Krankenkasse oder in der Arztpraxis, Frist zwischen der Abgabe der Teilnahmeerklärung und dem Beginn der Teilnahme des Versicherten, Kündigungsfrist für die Teilnahme, Frist für den Wechsel des Hausarztes, ua) vom Inhalt der Satzung der Klägerin abweichen. Zwar trifft der Einwand der Klägerin zu, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 3 Satz 4 SGB V idF des GKV-WSG (heute: Satz 7) bisher(zu der im Entwurf eines GKV-VSG vorgesehenen Änderung vgl BT-Drucks 18/4095 S 16 f zu Art 1 Nr 27 Buchst a) verpflichtet sind, das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, in ihren Satzungen zu regeln. Auf der anderen Seite setzt jedoch auch das Angebot einer HzV, das durch Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V flächendeckend gewährleistet werden soll, Regelungen zur Teilnahme der Versicherten voraus, sodass diese idR auch Gegenstand des Vertrages zur HzV sein werden. Bei der Entscheidung, ob die vertraglichen Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der Satzung der Krankenkasse auszurichten sind oder ob umgekehrt die Krankenkasse ihre Satzung dem Inhalt der Verträge anzupassen hat, ist zu berücksichtigen, dass die Verträge zur HzV über die Festlegung durch eine Schiedsperson ggf auch gegen den Willen der Krankenkassen zustande kommen sollen. Dies steht einer Auslegung dahin entgegen, dass die Krankenkassen der anderen Partei des Vertrages zur HzV die Regelungen zur Teilnahme der Versicherten durch ihre Satzung einseitig vorgeben könnten. Ferner ist von Bedeutung, dass durch die Änderung des § 79 Abs 1 SGB V mWv 1.1.2005 bezogen auf die Vertretungskompetenz - die die Vertretung beim Abschluss von Selektivverträgen einschließt - ein originärer Aufgabenbereich des Vorstands der Krankenkassen geschaffen werden sollte, der nicht vollständig der Gestaltungsmacht der Vertreterversammlung unterworfen ist (BSGE 114, 274 = SozR 4-2500 § 81 Nr 7, RdNr 33, 37 ff). Auch dies spricht dagegen, dass Inhalte des Vertrages zur HzV durch die von der Vertreterversammlung verabschiedete Satzung der Krankenkasse einseitig vorgegeben werden könnten. Daher sind Regelungen des Vertrages zur HzV zur Teilnahme der Versicherten nicht bereits rechtswidrig, wenn sie vom Inhalt der Satzung der Krankenkasse abweichen. Vielmehr ist - wie das LSG bereits zutreffend ausgeführt hat - die Krankenkasse verpflichtet, ihre Satzung dem Inhalt des Vertrages anzupassen (ebenso: Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 50).

87

Die im Vertrag zur HzV getroffenen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten müssen danach zwar nicht mit dem Inhalt der Satzung der Krankenkasse übereinstimmen, aber die übrigen gesetzlichen und untergesetzlichen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten beachten. Bezogen auf den hier in erster Linie maßgebenden Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ist der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV auch insoweit nicht zu beanstanden. Allerdings werden bei der bevorstehenden Durchführung des Vertrages die in der Zwischenzeit eingetretenen gesetzlichen Änderungen zu berücksichtigen sein. Eine entsprechende Verpflichtung zur Anpassung ist in den Schlussbestimmungen des Vertrages (§ 22 Abs 2) geregelt und folgt im Übrigen aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X. Neben der Berücksichtigung der mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013 (BGBl I 277) eingeführten Bestimmungen zum Widerrufsrecht der Versicherten (§ 73b Abs 3 Satz 3 bis 6 SGB V) gehört dazu auch die Beachtung der am 26.8.2013 in Kraft getretenen Vorgaben zur Abgabe der Teilnahmeerklärung aus der Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach § 217f Abs 4a SGB V.

88

hh) Der Rechtmäßigkeit der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson steht nicht entgegen, dass zuvor keine Auftragsvergabe nach den Vorschriften des Vergaberechts durchgeführt worden ist. Zwar fanden gemäß § 69 Abs 2 Satz 1 SGB V in der hier maßgebenden seit dem 18.12.2008 geltenden Fassung des GKV-OrgWG die die Vergabe öffentlicher Aufträge betreffenden Vorschriften der §§ 97 bis 115 und 128 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auf die in § 69 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Rechtsbeziehungen der Krankenkassen ausdrücklich Anwendung, soweit die dort genannten Voraussetzungen erfüllt waren. Dies galt nach § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V jedoch nicht für Verträge von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind und bei deren Nichtzustandekommen eine Schiedsamtsregelung gilt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Festsetzung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson als "Schiedsamtsregelung" in diesem Sinne zu verstehen ist und ob Satz 2 damit der Anwendbarkeit der §§ 97 ff GWB entgegensteht. Unabhängig von dieser ohnehin nur klarstellenden (vgl BT-Drucks 16/10609 S 52) Beschränkung der Anwendbarkeit wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen, die sich im Übrigen seit der Änderung durch das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2262) nicht mehr auf die Vorschriften des Vierten Teils des GWB (§§ 97 ff GWB) bezieht (vgl jetzt § 69 Abs 2 Satz 4 SGB V), kann ein öffentlicher Auftraggeber dem Kartellvergaberecht nur unterworfen sein, wenn dieser eine Auswahl zwischen verschiedenen Vertragspartnern hat (Kaltenborn, GesR 2011, 1, 2; Engelmann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand Oktober 2013, § 69 RdNr 141; vgl zur Rechtslage vor der Änderung durch das AMNOG: Sormani-Bastian, ZESAR 2010, 13). Daran hat sich im Übrigen auch durch die neuen europäischen Vergaberichtlinien nichts geändert. Nach Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 2014/23/EU vom 26.2.2014 über die Konzessionsvergabe (ABl L 94, 1) sollen Regelungen, nach denen ohne gezielte Auswahl alle Wirtschaftsteilnehmer, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, berechtigt sind, eine bestimmte Aufgabe wahrzunehmen, nicht als Konzessionen gelten. Das betrifft auch Regelungen aufgrund einer Vereinbarung zwischen Behörde und Wirtschaftsunternehmen. Nichts anderes gilt, soweit der Vertrag zur HzV europarechtlich nicht als Dienstleistungskonzession, sondern als entgeltlicher Beschaffungsvertrag angesehen wird: Nach Art 1 Abs 2 der Richtlinie 2014/24/EU vom 26.2.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl L 94, 65) setzt die Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie voraus, dass Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen von öffentlichen Auftraggebern "ausgewählt werden".

89

Der sich aus § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ergebende Kontrahierungszwang, der gemäß § 73b Abs 4 Satz 2 iVm Abs 4a SGB V von entsprechend qualifizierten Gemeinschaften durch die Beantragung des Schiedsverfahrens und die Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson durchgesetzt werden kann, hat zur Folge, dass der vertragschließenden Krankenkasse kein Auswahlermessen zukommt, sondern dass der Vertragspartner bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bereits feststeht. Eine Auswahl zwischen verschiedenen Bietern ist also bezogen auf die Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ausgeschlossen. Dies steht der Annahme eines öffentlichen Auftrages im Sinne des § 99 GWB entgegen(so auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 32a; Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137 f; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b SGB V, RdNr 62; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 34; ähnlich Orlowski, ZMGR 2009, 124, 130; BKartA Beschluss vom 2.7.2010 - VK 1 - 52/10 - Juris; bezogen auf die HzV nach § 73b SGB V allerdings nur im Ergebnis ebenso die Begründung zum GKV-OrgWG: BT-Drucks 16/10609 S 52).

90

ii) Der Vertrag zur HzV ist mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vollständig kompatibel. Maßgebend ist dabei grundsätzlich die Rechtslage zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson (vgl 4 b, RdNr 56). Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen bereits deshalb nicht zu vereinbaren, weil es an der erforderlichen Befugnisnorm für die dort geregelte Weitergabe von Abrechnungsdaten an private Stellen in Gestalt der HÄVG und der HÄVG Rechenzentrum AG gefehlt hat (nachfolgend 1). Indes ist für die Beurteilung des Feststellungsinteresses die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (vgl 4 b, RdNr 57). Die Klägerin hat weder ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 55 Abs 1 SGG an der isolierten Feststellung einer Rechtswidrigkeit des - bisher nicht durchgeführten - Vertrages zur HzV unter Zugrundelegung einer nicht mehr geltenden Rechtslage nachvollziehbar geltend gemacht noch einen Anspruch gegenüber den Beklagten auf Änderung des Vertrages entsprechend der nicht mehr geltenden Rechtslage. Ein fortbestehendes Feststellungsinteresse kann deshalb nur anerkannt werden, soweit es darauf auch noch für die bevorstehende Durchführung des Vertrages ankommt. Daher ist ergänzend die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats und damit nach Einführung des § 295a SGB V durch Art 3 Nr 9 des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze vom 28.7.2011 (BGBl I 1622, 1627) mWv 4.8.2011 zu berücksichtigen (nachfolgend 2). Die von der Klägerin erhobenen datenschutzrechtlichen Einwände greifen daher zum überwiegenden Teil nicht durch (nachfolgend 3, 5, 6). Soweit der Vertrag zur HzV jedoch auch mit den geänderten bundesrechtlichen Vorgaben nicht vollständig zu vereinbaren ist, sind die Vertragspartner verpflichtet, diesen zu ändern (nachfolgend 4 und 7).

91

(1) Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV sieht vor, dass die Abrechnung der Vergütung des Hausarztes gemäß den Vorgaben der Anlage 3 durch die HÄVG als Abrechnungsdienstleister erfolgt (§ 11 Abs 1). Die HÄVG ist berechtigt, sich zum Zwecke der Abrechnung eines Rechenzentrums im Sinne der Anlage 3 zu bedienen (§ 11 Abs 2 Satz 2). Nach Anlage 3 § 6 Satz 2 wird von der HÄVG hierzu "derzeit" die HÄVG Rechenzentrum AG eingesetzt. Damit übereinstimmend werden die Versicherten mit dem Merkblatt (Anhang zu Anlage 6 des Vertrages) unter der Überschrift "Wichtige Informationen zum Schutz Ihrer Daten - Ihre Einwilligung" darüber informiert, dass die Abrechnung der ärztlichen Vergütung ua "über die Dienstleistungsgesellschaft des Hausärzteverbandes und MEDI, die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) und ihr Rechenzentrum erfolgt". Nach § 11 Abs 4 zahlt die Krankenkasse die Vergütung mit schuldbefreiender Wirkung an die HÄVG.

92

Für die damit vorgesehene Weitergabe von Patientendaten zu Abrechnungszwecken fehlte zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts die erforderliche Rechtsgrundlage. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 10.12.2008 (B 6 KA 37/07 R - BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2)im Einzelnen dargelegt hat, setzt die Übermittlung von Patientendaten durch Leistungserbringer an private Dienstleistungsunternehmen im Geltungsbereich des SGB V eine bereichsspezifische Befugnisnorm voraus. Als solche kam allein § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009 (BGBl I 1990) in Betracht. Diese Regelung, mit der der Gesetzgeber auf das og Urteil des Senats vom 10.12.2008 reagiert hat, war bis zum 30.6.2010 - und damit auf einen Zeitpunkt vor der Festsetzung des Vertragsinhalts - befristet. Über § 320 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24.7.2010 (BGBl I 983) waren diese Sätze jedoch bis zum 1.7.2011 und damit auch noch zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts am 9.9.2010 weiter anzuwenden. Danach durfte für die ärztlichen Leistungen, die im Rahmen von Verträgen ua zur HzV nach § 73b SGB V erbracht und mit den Krankenkassen abgerechnet wurden, eine andere Stelle mit der Verarbeitung und Nutzung der für die Abrechnung dieser Leistungen erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragt werden. § 80 SGB X war anzuwenden. Auftraggeber und Auftragnehmer unterlagen der Aufsicht der nach § 38 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zuständigen Aufsichtsbehörde.

93

§ 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V aF erlaubte danach allein die Beauftragung einer anderen Stelle im Sinne einer Auftragsdatenverarbeitung(vgl OVG Schleswig-Holstein Beschluss vom 12.1.2011 - 4 MB 56/10 - CR 2011, 359). Der ausdrücklich in Bezug genommene § 80 SGB X regelt die Voraussetzungen der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten im Auftrag. Dass mit der Einfügung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V die Übermittlung von Daten an private Stellen nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung geltenden Voraussetzungen zugelassen werden sollte, wird auch durch die Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Regelung zurückgeht, bestätigt: Danach sollten die Voraussetzungen, unter denen dem Sozialgeheimnis unterliegende Stellen andere Stellen mit der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten beauftragen können, und die Rechtsfolgen einer solchen Beauftragung auch für die besonderen Versorgungsformen gelten(vgl BT-Drucks 16/13428 S 96 unter Bezugnahme auf die Begründung zur entsprechenden Regelung für Krankenhäuser nach § 120 Abs 6, S 92).

94

Bei der in dem Vertrag vorgesehenen Übermittlung von Abrechnungsdaten durch den Arzt an die HÄVG handelt es sich nicht um eine nach § 295 Abs 1b SGB V aF zulässige Auftragsdatenverarbeitung. Die Auftragsdatenverarbeitung ist datenschutzrechtlich privilegiert. Sie stellt keine Übermittlung im Sinne des § 67 Abs 6 Satz 2 Nr 3 SGB X dar(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; I. Palsherm in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand Juli 2013, § 80 RdNr 15). Eine Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X liegt vor, wenn der Auftragnehmer die Datenverarbeitung in vollständiger Abhängigkeit von Vorgaben des Auftraggebers durchführt(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; zur entsprechenden Regelung in § 11 BDSG vgl Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5). Die Auftragsdatenverarbeitung ist abzugrenzen von der Funktionsübertragung. Diese liegt dann vor, wenn dem Service-Unternehmen eine eigene rechtliche Zuständigkeit für die Aufgabe, deren Erfüllung die Datenverarbeitung oder die Nutzung dient, zugewiesen ist (Gola/Klug, BDSG, 12. Aufl 2015, § 11 RdNr 9). Wesentliches Merkmal für die Abgrenzung der Auftragsdatenverarbeitung von der Funktionsübertragung (Aufgabenübertragung) ist die Entscheidungsbefugnis über die Daten. Liegt diese bei der beauftragten Stelle und kommt dieser nicht nur eine Hilfs- und Unterstützungsfunktion zu, kann nicht mehr von einer Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X ausgegangen werden(Rombach in Hauck/Noftz, SGB X, Stand November 2014, § 80 RdNr 20; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 12, 14).

95

Das im Vertrag geregelte Verhältnis des an der HzV teilnehmenden Hausarztes zur HÄVG entspricht nicht dem Bild einer Auftragsdatenverarbeitung. Die HÄVG führt die Abrechnung keineswegs in vollständiger Abhängigkeit von dem teilnehmenden Hausarzt für diesen durch. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass der Hausarzt an dem Vertrag zur HzV, der die Einzelheiten vorgibt, nicht unmittelbar beteiligt ist und damit keinen unmittelbaren Einfluss auf dessen Ausgestaltung hat. Der einzelne Hausarzt hat auch keinen Einfluss darauf, wer für ihn die Daten verarbeiten soll. Bereits eine solche fehlende Auswahlmöglichkeit spricht gegen das Vorliegen einer Auftragsdatenverarbeitung (Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3b; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5a). Zudem wird ihm vorgegeben, welche Datenverarbeitungsprogramme (Software) er für die Abrechnung zu verwenden hat. Damit ist insgesamt davon auszugehen, dass die HÄVG die Abrechnungsdaten in eigener Verantwortung oder im Auftrag der Beklagten verarbeitet bzw durch die HÄVG Rechenzentrum AG verarbeiten lässt, aber jedenfalls nicht im Auftrag des Hausarztes tätig wird. Der Vertrag regelt bezogen auf die Weitergabe der Daten durch den Hausarzt keine nach § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V zulässige Auftragsdatenverarbeitung.

96

(2) Mit der Einfügung des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ist die erforderliche gesetzliche Grundlage für die Übermittlung von Abrechnungsdaten durch die an der HzV teilnehmenden Hausärzte geschaffen worden. Anders als unter Geltung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V beschränkt sich die Befugnis nach § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V nicht auf die Beauftragung einer anderen Stelle mit der Verarbeitung, Nutzung und Abrechnung personenbezogener Daten. Vielmehr sind die an den entsprechenden Versorgungsformen teilnehmenden Leistungserbringer für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen nach § 73b, § 73c oder § 140a SGB V erbrachten Leistungen gemäß § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V befugt, die nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels des SGB V erforderlichen Angaben an den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite als verantwortliche Stelle zu übermitteln, indem diese Angaben entweder an ihn oder an eine nach § 295 Abs 2 SGB V beauftragte andere Stelle weitergegeben werden; für den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite gilt § 35 SGB I entsprechend. Voraussetzung ist, dass der Versicherte vor Abgabe der Teilnahmeerklärung an der Versorgungsform umfassend über die vorgesehene Datenübermittlung informiert worden ist und mit der Einwilligung in die Teilnahme zugleich in die damit verbundene Datenübermittlung schriftlich eingewilligt hat. Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite oder die beauftragte andere Stelle dürfen die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten und nutzen; sie übermitteln die Daten im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern an den jeweiligen Vertragspartner auf Krankenkassenseite.

97

§ 295a Abs 1 Satz 1 SGB V definiert den "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (also den Hausarztverband und nicht den einzelnen Arzt) als die im datenschutzrechtlichen Sinne "verantwortliche Stelle". Insofern trifft § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V eine spezielle Regelung, die den allgemeinen Bestimmungen der §§ 67a ff SGB X vorgeht. Das bedeutet, dass die datenschutzrechtliche Verantwortung mit dem Eingang der Daten bei dem Hausarztverband ("Vertragspartner auf Leistungserbringerseite") oder bei der von ihm beauftragten Stelle auf den Hausarztverband übergeht (vgl BT-Drucks 17/6141 S 39).

98

(3) Die Einwände der Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV, die ihre Grundlage in der Annahme haben, dass der Arzt auch nach dem Eingang der Daten bei den Beklagten oder der von ihnen beauftragten Stelle "verantwortliche Stelle" im Sinne des § 67 Abs 9 SGB X bleibe und dass der Arzt die Daten nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung nach § 80 SGB X geltenden Voraussetzungen weitergeben dürfe, greifen damit bezogen auf die seit Inkrafttreten des § 295a SGB V geltenden Rechtslage nicht mehr durch. § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V regelt die Befugnis des Hausarztes zur Weitergabe der für die Abrechnung erforderlichen Daten an den Hausarztverband oder die von diesem mit der Datenverarbeitung beauftragte Stelle unabhängig von den Voraussetzungen einer Auftragsdatenverarbeitung. Auftraggeber einer Datenverarbeitung durch die HÄVG oder ein Rechenzentrum können allein die "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (vgl BT-Drucks 17/6141 S 40, zu § 295a Abs 2) und damit die Beklagten sein.

99

(4) Zutreffend ist dagegen der Einwand der Klägerin, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV, die eine Beauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG vorsehen (vgl zB Anlage 3 § 6 Abs 1) mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren sind. Nach § 295a Abs 2 Satz 1 SGB V darf der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite eine andere Stelle mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten beauftragen, die für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen ua zur HzV erbrachten Leistungen erforderlich sind. Gemäß § 295a Abs 2 Satz 2 SGB V ist § 80 SGB X ua mit der weiteren Maßgabe anzuwenden, dass Unterauftragsverhältnisse ausgeschlossen sind. Demnach dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" im Sinne der genannten Regelung zwar die HÄVG oder auch unmittelbar die HÄVG Rechenzentrum AG mit der Verarbeitung der Abrechnungsdaten beauftragen. Die im Vertrag vorgesehene Erteilung eines Unterauftrags an die HÄVG Rechenzentrum AG durch die von den Beklagten beauftragte HÄVG ist dagegen nicht zulässig (zu einer entsprechenden Regelung vgl auch bereits LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

100

(5) Nach den von der Klägerin nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die im Vertrag zur HzV zur Verwendung durch den teilnehmenden Arzt vorgeschriebene Software mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen unvereinbar wäre. Soweit die Klägerin erstmals im Revisionsverfahren - nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung - geltend macht, dass die im Vertrag vorgeschriebene Software einen sog "gekapselten Kern" besitze, der die Möglichkeit biete, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar sei, so steht diese Behauptung im Übrigen im Widerspruch zu der von den Beklagten vorgelegten Technischen Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht vom 17.8.2012 (Az: LDA.3-1085.6-12/10), die sich nach den von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen Angaben der Beklagten auf die auch im vorliegenden Vertrag zur HzV vorgeschriebene Software beziehen soll. Die Stellungnahme kommt für den Senat nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die Kontrollmöglichkeiten über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ausreichend transparent seien. Die Datenverarbeitungsvorgänge in der Arztpraxis würden vom Arzt gesteuert.

101

(6) Auch die in Ziff 2.1 der Anlage 4 zum Vertrag vorgesehene Übermittlung von Einschreibedaten ist entgegen der Auffassung der Klägerin datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden. Bei den Einschreibedaten handelt es sich um die in der Teilnahmeerklärung enthaltenen Stammdaten des Versicherten (Name, Anschrift, Geburtsdatum, Versichertennummer), die Daten zu dem gewählten Hausarzt und den Teilnahmebeginn (vgl die der Teilnahmeerklärung beigefügten Informationen zu Datenschutz, Datenübermittlung und -zusammenführung). Diese Angaben sind für die Durchführung der Abrechnung im Sinne des § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V erforderlich und die Verarbeitung und Nutzung dieser Daten erfolgt in Übereinstimmung mit § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V zu Abrechnungszwecken(im Ergebnis ebenso die Bewertung eines insoweit entsprechenden Vertrages durch das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht, Schreiben vom 30.11.2012, Az: LDA.3-1085.6-12/10).

102

(7) Im Widerspruch zu den geltenden gesetzlichen Vorgaben steht dagegen § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum HzV, der die HÄVG zur Führung von Musterverfahren ermächtigt, weil es sich dabei nicht um eine gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V allein zulässige Verarbeitung oder Nutzung zu Abrechnungszwecken handelt. Zwar regelt der Vertrag nicht ausdrücklich die Verwendung personenbezogener Daten in Musterprozessen. Die vorgesehene Führung solcher Prozesse durch die HÄVG setzt die Verwendung personenbezogener Daten der an der HzV teilnehmenden Versicherten jedoch voraus (ebenso zu einer insoweit vergleichbaren Regelung: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38). Gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verwenden. Dass die Verwendung von Daten zur Führung von Musterprozessen über die Verwendung zu Abrechnungszwecken hinausginge, haben die Beklagten im Revisionsverfahren auch nicht in Zweifel gezogen, sondern geltend gemacht, dass die HÄVG tatsächlich keine "Musterverfahren" unter Nutzung personenbezogener Daten führe. Auf die Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung hat dies indes keinen Einfluss.

103

e) Im Ergebnis ist der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag allein insoweit zu beanstanden, als er eine datenschutzrechtlich unzulässige Unterbeauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG sowie das Recht der HÄVG zur Führung von "Musterverfahren" vorsieht. Dem werden die Beteiligten durch entsprechende Änderungen des Vertrages Rechnung zu tragen haben. Davon unberührt bleibt die Verpflichtung der Beteiligten, den seit der Festsetzung des Vertragsinhalts eingetretenen gesetzlichen Änderungen durch Vertragsanpassungen Rechnung zu tragen.

104

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Bei der Kostenverteilung (§ 155 Abs 1 VwGO) hat der Senat berücksichtigt, dass die Klage bezogen auf die beantragte Aufhebung des Vertrages zur HzV ohne Erfolg und bezogen auf die hilfsweise geltend gemachte Feststellung der Rechtswidrigkeit vertraglicher Bestimmungen ganz überwiegend erfolglos war.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben; eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils soll beigefügt werden, sofern dies nicht schon nach § 160a Abs. 1 Satz 3 geschehen ist. Satz 2 zweiter Halbsatz gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 30. August 2016 (L 3 KA 2/16 WA) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche wegen Wettbewerbsverletzung geltend.

2

Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) bestehend aus drei Fachärzten für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie, die in N. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind.

3

Der Beklagte ist ebenfalls als Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Bescheid vom 23.10.2003 erteilte ihm die beigeladene KÄV die Genehmigung zur Durchführung besonderer Versorgungsaufträge in eigener Dialysepraxis - in gemeinschaftlicher Ausübung mit Dr. R. B. gemäß § 8 der Anlage 9.1 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) für den Praxissitz "W., 66 H." sowie für die ausgelagerte Praxisstätte LC-Einheit N. in der H. straße , 66 N., und eine ausgelagerte Praxisstätte in S., mit der Maßgabe, dass in den ausgelagerten Praxisstätten ausschließlich Patienten der zentralisierten Heimdialyse behandelt werden. Der Bescheid enthielt den Zusatz, dass die erteilte Genehmigung zur Durchführung besonderer Versorgungsaufträge bei Ausscheiden aus der Dialysepraxis "mit Datum der Beendigung der Niederlassung am Praxisort" erlösche.

4

Im April des Jahres 2011 teilte der Beklagte der Beigeladenen mit, dass er seine bis dahin bestehende BAG mit Dr. B. zum 30.9.2011 beenden werde und die Verlegung seines Praxissitzes in die S. Straße , I. zum 1.10.2011 beantrage. Gleichzeitig beantragte er die Erteilung eines nephrologischen Versorgungsauftrags für den neuen Praxissitz in I. Mit Bescheid vom 31.5.2011 erteilte die Beigeladene dem Beklagten die beantragte Genehmigung zur Übernahme eines Versorgungsauftrags für die Behandlung von maximal 30 Patienten mit Blutreinigungsverfahren in I. Gegen diesen Bescheid wandte sich ua die Klägerin des vorliegenden Verfahrens, die mit ihrem Begehren im Revisionsverfahren Erfolg hatte (Urteil des Senats vom heutigen Tage zum Az B 6 KA 20/16 R).

5

Während des Laufs des den Genehmigungsbescheid vom 31.5.2011 betreffenden Klageverfahrens wurde die Dialysepraxis des Beklagten in I. betrieben, nachdem die beigeladene KÄV die sofortige Vollziehung angeordnet hatte. Der dagegen gerichtete Antrag der Klägerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes blieb vor dem SG (S 2 KA 11/11 ER) und dem LSG (L 3 KA 6/11 B ER) ohne Erfolg. Gegenstand des Verfahrens um die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 31.5.2011 war auch die Frage, ob die mit diesem Bescheid erteilte Genehmigung den Betrieb der ausgelagerten Praxisstätte in N. einschließen würde. Dazu vertrat die beigeladene KÄV in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Auffassung, dass dem Beklagten gestattet worden sei, den ihm bereits mit Bescheid vom 23.10.2003 erteilten Versorgungsauftrag fortzuführen. Die im Bescheid vom 23.10.2003 genehmigte ausgelagerte Praxisstätte müsse nicht noch einmal neu genehmigt werden.

6

Auf eine Mitteilung des Beklagten und seines damaligen Praxispartners Dr. B. aus August 2011, nach der die Versorgung der in N. betreuten Patienten ab dem 1.10.2011 von dem Beklagten in Einzelpraxis übernommen und eine Verlängerung der Genehmigung für diesen Standort um zehn Jahre beantragt werde, teilte die Beigeladene gegenüber der A. Heimdialyse mit, dass die Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte in N. unbefristet erteilt worden sei und es deshalb keiner Verlängerung um weitere zehn Jahre bedürfe.

7

Mit ihrer Klage hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten die Unterlassung der Durchführung von Dialysen in N. sowie in der Stufenklage Auskunftserteilung sowie Schadensersatz geltend gemacht. Die Behandlung von Patienten durch den Beklagten erfolge zu Unrecht, da sich der Genehmigungsbescheid vom 31.5.2011 nicht auf die Durchführung von Dialysebehandlungen in N. beziehe. In Anwendung der Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) habe sie einen Unterlassungsanspruch, weil die rechtswidrigen Dialysebehandlungen des Beklagten in N. unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne dieses Gesetzes darstellten. Die Genehmigung sei dem Beklagten lediglich für die Praxis in I. erteilt worden.

8

Das SG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Beklagte mit dem Betrieb der Praxisstätte in N. nicht gegen das Genehmigungserfordernis nach § 4 Abs 3 Anlage 9.1 BMV-Ä verstoße. Zwar folge die Genehmigung nicht mehr aus dem Bescheid vom 23.10.2003, weil diese sich auf den Hauptsitz der Praxis in H. und die ausgelagerte Praxisstätte zu dieser Praxis beziehe. Allerdings ergebe sich die Genehmigung unter Berücksichtigung des geführten Schriftverkehrs aus dem dem Beklagten erteilten Bescheid vom 31.5.2011.

9

Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin hat das LSG zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Rechtsprechung des 6. Senats des BSG zur Anwendbarkeit der Bestimmungen des UWG bezogen auf Schadensersatzansprüche konkurrierender Leistungserbringer nicht gefolgt werden könne. Jedenfalls könne diese Rechtsprechung nicht auf Schadensersatzansprüche zwischen Vertragsärzten übertragen werden. Den KÄVen werde durch die gesetzlichen Vorschriften der §§ 72 ff SGB V die öffentliche Aufgabe übertragen, die medizinische Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherten sicherzustellen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe bediene sie sich zugelassener Vertragsärzte. Im Hinblick auf diesen öffentlich-rechtlichen Charakter der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung seien wettbewerbsrechtliche Ansprüche von Vertragsärzten untereinander von vornherein ausgeschlossen. Dafür spreche auch, dass der KÄV nach § 81 Abs 5 SGB V die Verpflichtung obliege, im Satzungswege die Voraussetzungen und das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder zu bestimmen, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllten. Hierbei liege Funktion und Zweck des Disziplinarrechts in der Aufrechterhaltung einer geordneten Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung, die ohne Pflichtenverstoß erreicht werden solle. Die Befugnis und Verpflichtung, Verstöße zu ahnden, obliege dem Disziplinarausschuss. Selbst wenn der Klägerin ein aus Wettbewerbsrecht herrührender Anspruch grundsätzlich zustehen würde, wären die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 UWG vorliegend nicht erfüllt, weil von unlauteren geschäftlichen Handlungen des Beklagten durch den Betrieb der ausgelagerten Praxisstätte in N. nicht ausgegangen werden könne. Dabei sei zu berücksichtigen, dass dem Beklagten keine Erstzulassung im Bezirk der beigeladenen KÄV erteilt worden sei, sondern dass er die bereits im Jahr 2003 erteilte Berechtigung an den neuen Sitz der Praxis in I. mitgenommen habe. Daher könne in dem Weiterbetrieb der ausgelagerten Praxisstätte in N. keine unlautere geschäftliche Handlung iS des § 3 Abs 1 UWG gesehen werden, wobei für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung unerheblich sei, ob dem Beklagten eine ausdrückliche Genehmigung zum Weiterbetrieb der ausgelagerten Praxisstätte erteilt worden sei und ob dies - wegen der möglichen Weitergeltung der bereits im Jahr 2003 erteilten Genehmigung - überhaupt nicht erforderlich gewesen sei.

10

Selbst wenn mit der Klägerin von einem Vorrang der klagenden BAG im Verhältnis zu dem Beklagten auszugehen wäre, wäre die auf Bestimmungen des UWG gestützte Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzklage nicht begründet. Die beigeladene KÄV habe als die für die Erteilung einer Genehmigung zuständige Behörde die Auffassung vertreten, dass die dem Beklagten mit Bescheid vom 23.10.2003 erteilte Genehmigung weiterhin Grundlage für dessen Tätigkeit in der ausgelagerten Praxisstätte sei. Da sich der Beklagte damit auf die kundgetane Rechtsauffassung der zuständigen Genehmigungsbehörde berufen könne, könne sein hierauf gestütztes Verhalten auch dann keine "unlautere geschäftliche Handlung" iS des § 3 Abs 1 UWG sein, wenn die erteilte Genehmigung im Nachhinein im gerichtlichen Verfahren als rechtswidrig beurteilt werde.

11

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht in Gestalt von Vorschriften des UWG sowie der Anlage 9.1 BMV-Ä. Das LSG gehe zu Unrecht davon aus, dass die vertragsärztliche Tätigkeit aufgrund des Umstands, dass diese der Sicherstellung der Versorgung der Versicherten diene, als hoheitliches Handeln zu qualifizieren sei, welches der wettbewerblichen Kontrolle nach dem UWG entzogen sei. Der Vertragsarzt sei nicht "Verwaltungshelfer" seiner KÄV und seine Tätigkeit sei auch keine hoheitliche, die nach Weisung der KÄV verrichtet werde. Dies werde durch die Rechtsprechung des BGH bestätigt, der den Vertragsarzt nicht als "Amtsträger" im strafrechtlichen Sinne einordne. Der Vertragsarzt übe seine Tätigkeit freiberuflich aus und die vertragsärztliche Behandlung werde überwiegend durch das persönliche Verhältnis zum Patienten geprägt. Zwischen Vertragsarzt und Patient komme ein zivilrechtliches Behandlungsverhältnis zustande. Mit der Rechtsprechung des 6. Senats des BSG sei davon auszugehen, dass das UWG auch im Verhältnis zwischen konkurrierenden Leistungserbringern Anwendung finde. Der Umstand, dass hier das Verhältnis zwischen verschiedenen Vertragsärzten und nicht - wie in den der bisherigen Rechtsprechung des BSG zugrunde liegenden Fällen - das Verhältnis von Vertragsärzten zu Krankenhäusern oder Krankenhausärzten zu beurteilen sei, stehe der Anwendung des UWG nicht entgegen. Entgegen der Auffassung des LSG schlössen auch disziplinarische Befugnisse der KÄVen Wettbewerbsansprüche der Disziplinarunterworfenen im Verhältnis zueinander nicht aus. Dies folge schon daraus, dass beide Instrumente - Disziplinarmaßnahme und wettbewerbsrechtlicher Anspruch - unterschiedliche Zwecke verfolgten. Während das Disziplinarrecht und die daraus folgende Disziplinargewalt der KÄV die Leistungserbringer zur Einhaltung ihrer vertragsärztlichen Pflichten anhalte und letztlich - objektiv-rechtlich - eine normenkonforme Leistungserbringung gewährleisten solle, diene das Wettbewerbsrecht dem Schutz der Mitbewerber vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Dass disziplinarische Sanktionsmöglichkeiten Wettbewerbsansprüchen nicht entgegenstünden, sei auch für andere Berufsgruppen wie die der Rechtsanwälte anerkannt. Berufliche Selbstverwaltungskörperschaften seien nicht selten von Standesdenken, falscher Rücksichtnahme oder einem übermäßigen Näheverhältnis der involvierten Kollegen geprägt. Angesichts dieser Gefahren wäre es nicht sachgerecht, dem von unlauterem Wettbewerb betroffenen Mitbewerber eigene Handlungsmöglichkeiten zu versagen. Wettbewerbliche Ansprüche könnten unabhängig davon geltend gemacht werden, ob zwischen den Mitbewerbern ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis und damit eine Drittklagebefugnis bestünde. Selbst wenn aber eine Drittklagebefugnis gegen eine nicht vorhandene Genehmigung als Voraussetzung eines Abwehranspruchs nach dem UWG anzusehen wäre, wäre diese Voraussetzung hier erfüllt. Rechtsgrundlage für die Erteilung von Nebenbetriebsstättengenehmigungen neu errichteter Dialysepraxen sei § 4 Abs 3 Anlage 9.1 BMV-Ä. In der Rechtsprechung des BSG sei anerkannt, dass diese Genehmigungsnorm drittschützend sei.

12

Der Umstand, dass die Beigeladene als Genehmigungsbehörde eine Genehmigung als Voraussetzung für die Durchführung von Dialysen in N. nicht für erforderlich halte, stehe einem Unterlassungsanspruch nicht entgegen. Ausschlaggebend sei, dass die tatsächlich erforderliche Genehmigung nicht erteilt worden sei. Auf ein Verschulden des Beklagten komme es insoweit nicht an.

13

Auch die Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs seien erfüllt. Zwar hänge der Anspruch auf Schadensersatz vom Verschulden des Beklagten ab. Insoweit genüge jedoch Fahrlässigkeit. Fahrlässig handele auch, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewege, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen müsse. Der Handelnde sei vom Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht frei, wenn er sich einfach auf die ihm günstige Ansicht stütze, ohne die für ihn ungünstige Rechtsauffassung ernsthaft in Betracht zu ziehen. Bei Anlegung dieser Maßstäbe befinde sich die anwaltlich beratene beklagte Dialysepraxis in einem vermeidbaren und damit fahrlässig verschuldeten Rechtsirrtum, wenn sie meine, sie verfüge über eine vollzugsfähige statusähnliche Genehmigung, die sich auch auf die Betriebsstätte in N. beziehe. Zwar dürfe der Marktteilnehmer im Regelfall auf die Richtigkeit einer von ihm begehrten behördlichen Auskunft durch die zuständige Behörde vertrauen. Diese Grundsätze würden aber nicht uneingeschränkt gelten. Die Fahrlässigkeit entfalle nicht, wenn der Wettbewerber die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens kenne und sich dieser Einsicht bewusst verschließe oder auf die Haltung der Verwaltungsbehörden in unlauterer Weise eingewirkt habe. Darüber hinaus seien nur Auskünfte der materiell zuständigen Behörde relevant. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Beigeladene zwar formal für die Erteilung der Genehmigung zuständig sei. Sie dürfe diese aber nur im Einvernehmen mit den zuständigen Verbänden der Krankenkassen auf Landesebene erteilen. Damit liege die Verantwortung für die Genehmigung von Dialysebetriebsgenehmigungen nicht allein bei der Beigeladenen, sondern sie sei gemeinsame Aufgabe der Beigeladenen und der Landesverbände der Krankenkassen. Der Beklagte habe bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen können, dass die beigeladene KÄV den erteilten "Freibrief" nicht "eigenmächtig" hätte ausstellen dürfen. Darüber hinaus sei die von der beigeladenen KÄV geäußerte Rechtsauffassung so offenkundig einseitig und fehlerhaft, dass sie sich als ungeeignet darstelle, einen fahrlässigen Rechtsirrtum auf Seiten des Beklagten auszuschließen.

14

Die Klägerin beantragt,

1.    

die Urteile des LSG für das Saarland vom 30.8.2016 - L 3 KA 2/16 WA - und des SG für das Saarland vom 23.5.2012 aufzuheben,

2.    

den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines in jedem Fall der Wiederholung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250 000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder es bei Meidung einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten zu unterlassen, ohne die erforderliche, vollziehbare vertragsarztrechtliche Genehmigung im Sinne von § 4 Abs 3 Anlage 9.1 BMV-Ä für die in § 2 Abs 1 Anlage 9.1 BMV-Ä definierten Gruppen gesetzlich versicherten Patienten Behandlungen mit Blutreinigungsverfahren (Dialyse) in den Räumen der A. Heimdialyse in der H. straße in 66 N. anzubieten und durchzuführen,

3.    

den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskünfte zu erteilen, wie viele gesetzlich versicherte Patienten der in § 2 Abs 1 Anlage 9.1 BMV-Ä definierten Patientengruppen in den Räumen der A. Heimdialyse in der H. straße in 66 N. wie oft mit Blutreinigungsverfahren seit dem 1.10.2011 durch den Beklagten behandelt und welche Abrechnungsziffern des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs ("EBM") in der jeweils gültigen Fassung für diese Behandlung gesetzlich Versicherter bei der Beigeladenen abgerechnet wurden oder noch abzurechnen sind,

4.    

den Beklagten zu verurteilen, in einem nach Erteilung der Auskunft (iSv Ziffer 3) zu bestimmenden Höhe Schadensersatz zzgl Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung an die Klägerin zu zahlen.

15

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

16

Wenn man der Ansicht folgen würde, dass auch der persönlich erteilte Versorgungsauftrag in einer Praxis verbleibe, dann in der Praxis, in der die bisherige Tätigkeit fortgeführt werde. Hierbei könne nicht die Adresse entscheidend sein, sondern nur die handelnde Person. Eine BAG, in der der ihm erteilte Versorgungsauftrag hätte verbleiben können, existiere nicht mehr, nachdem er seinen Praxissitz nach I. verlegt und sein ehemaliger Praxispartner Dr. B. zugunsten einer Tätigkeit als Angestellter im MVZ S. auf seine Zulassung verzichtet habe. Die Frage, ob das UWG Anwendung finde, müsse deshalb nicht mehr entschieden werden. Voraussetzung für einen Anspruch des Klägers wäre aber jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten. Sowohl die für Vertragsarztsachen zuständige Kammer des SG für das Saarland als auch der Fachsenat des LSG für das Saarland hätten festgestellt, dass er die Genehmigung besitze, in N. Dialyse zu betreiben. Es liege auf der Hand, dass er in einem solchen Fall nicht schuldhaft gehandelt haben könne.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

18

A. Die Eröffnung des Rechtswegs zu den Sozialgerichten folgt bereits daraus, dass das SG ihn als gegeben angesehen hat und dies gemäß § 17a Abs 5 GVG von den weiteren Instanzen im Rechtsmittelzug nicht mehr in Frage gestellt werden kann(vgl BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 15 mwN). Die Bindungswirkung des § 17a Abs 5 GVG greift hier ein, weil das SG über das Klagebegehren der Klägerin in der Sache entschieden und den Rechtsweg zu den Sozialgerichten(§ 51 SGG) somit inzident für gegeben erachtet hat.

19

Im Übrigen ist die Bejahung des Rechtswegs zu den Sozialgerichten für Streitigkeiten der vorliegenden Art auch inhaltlich zutreffend, weil die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände ua zu den Ärzten gemäß § 69 Abs 1 Satz 1 SGB V abschließend im Vierten Kapitel des SGB V sowie in §§ 63 und 64 SGB V geregelt werden. Dies gilt nach § 69 Abs 1 Satz 4 SGB V auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Dritte betroffen sind. Die Vorschrift ist mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22.12.1999 (BGBl I 2626) gerade mit dem Ziel eingeführt worden klarzustellen, dass auch die sich aus den Rechtsbeziehungen ergebenden Rechte Dritter sozialversicherungsrechtlicher bzw verwaltungsrechtlicher Natur sind (BT-Drucks 14/1245 S 68, zu Nr 29; vgl Engelmann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 69 RdNr 34 Fußnote 21). Im Übrigen haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach § 51 Abs 1 Nr 2, Abs 2 Satz 1 SGG über Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung auch dann zu entscheiden, wenn sie privatrechtliche Streitigkeiten betreffen und auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Damit sind die Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V - mit Ausnahme der nach § 51 Abs 3 SGG ausgenommenen Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Rechtsbeziehungen nach § 69 SGB V betreffen - umfassend den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen, auch soweit die Rechtsbeziehungen der Leistungserbringer untereinander betroffen sind (BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 17).

20

B. Die gegenüber dem Beklagten geltend gemachten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche stehen der Klägerin nicht zu. Zwar hat der Beklagte die ausgelagerte Praxisstätte in N. ohne die erforderliche Erlaubnis betrieben (1). Eine unmittelbare Anwendung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften ist jedoch gesetzlich ausgeschlossen, auch soweit die Rechtsbeziehungen Dritter betroffen sind (2). Eine besondere Konstellation, in der das Gebot des effektiven Rechtsschutzes eine entsprechende Anwendung allgemeiner Regelungen des Wettbewerbsrechts ausnahmsweise gebieten könnte, liegt hier jedenfalls nicht vor (3). Im Übrigen würden die geltend gemachten Ansprüche auch bei entsprechender Anwendung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften nicht bestehen (4).

21

1. Den geltend gemachten Ansprüchen auf Unterlassung und auf Schadensersatz steht nicht bereits entgegen, dass die Erbringung und Abrechnung von Dialyseleistungen durch den Beklagten in der ausgelagerten Praxisstätte in N. rechtmäßig gewesen wäre. Das folgt bereits aus dem Umstand, dass die dem Beklagten erteilte Genehmigung für den Hauptsitz der Praxis in I. rechtswidrig war. Die mit Bescheid der Beigeladenen vom 31.5.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2012 für den Hauptsitz erteilte Genehmigung ist mit dem unter dem Az B 6 KA 20/16 R ergangenen Urteil des Senats vom heutigen Tage aufgehoben worden. Aufgrund der Akzessorietät der Genehmigung einer Zweigpraxis (vgl BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 7/14 R - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 5 RdNr 32; BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 29) oder einer ausgelagerten Praxisstätte (zur Unterscheidung vgl BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 23/14 R - SozR 4-5520 § 32 Nr 5 RdNr 21 ff; BSG Urteil vom 12.9.2001 - B 6 KA 64/00 R - SozR 3-2500 § 135 Nr 20) fehlt damit auch die Grundlage für eine rechtmäßige Erbringung von Dialyseleistungen durch den Beklagten in I.

22

Im Übrigen bedarf die Durchführung von Versorgungsaufträgen in einer Zweigpraxis oder in einer ausgelagerten Praxisstätte nach § 4 Abs 3 Anlage 9.1 BMV-Ä, Abs 1 Satz 1 Anhang 9.1.5 der Anlage 9.1 BMV-Ä einer Genehmigung. Eine solche Genehmigung hat die beigeladene KÄV zwar gegenüber dem Beklagten mit Bescheid vom 23.10.2003 zusammen mit der Genehmigung für die Durchführung von Dialysen am Praxissitz im W. , 66 H. erteilt. Wie der Senat in der am heutigen Tage in der zum Az B 6 KA 20/16 R ergangenen Entscheidung im Einzelnen dargelegt hat, konnte der Beklagte die mit Bescheid vom 23.10.2003 erteilte Genehmigung nach seinem Ausscheiden aus der gemeinsam mit Dr. B. betriebenen BAG wegen der Bindung an den Praxisstandort nicht in seine neue Praxis in I."mitnehmen". Dies gilt in gleicher Weise für die in demselben Bescheid erteilte Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte in N. Eine weitere Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte in N. ist dem Beklagten nicht erteilt worden. Die erteilte Genehmigung für den Praxissitz in I. vom 31.5.2011 umfasste keine ausgelagerte Praxisstätte und allein der geführte Schriftwechsel um das Ausscheiden des Beklagten aus der BAG mit Dr. B. kann entgegen der Auffassung des SG nicht als Genehmigungsbescheid gewertet werden. Dem steht insbesondere der Umstand entgegen, dass die Beigeladene die Erteilung einer erneuten, die ausgelagerte Praxisstätte in N. betreffenden Genehmigung nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der Gemeinschaftspraxis mit Dr. B. nicht für erforderlich gehalten hat. An dieser Auffassung hat sie im sozialgerichtlichen Verfahren ausdrücklich festgehalten. Unter diesen Umständen kann den Schreiben der Beigeladenen keine die ausgelagerte Praxisstätte des Beklagten betreffende Regelung entnommen werden. Ohne einen nach außen erkennbaren Regelungswillen kann kein Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X erlassen und damit auch keine Genehmigung erteilt worden sein.

23

2. Soweit die Klägerin wegen des Betriebs der ausgelagerten Praxisstätte Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche in unmittelbarer Anwendung von Vorschriften des UWG oder des BGB geltend machen möchte, steht dem jedoch § 69 SGB V entgegen. Nach § 69 Abs 1 Satz 1 SGB V werden die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94 SGB V abschließend durch das Vierte Kapitel des SGB V sowie §§ 63, 64 SGB V geregelt. Dies gilt nach § 69 Abs 1 Satz 4 SGB V auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind. Die Vorschriften des BGB gelten für diese Rechtsbeziehungen gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V ebenfalls nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend und auch nur, soweit sie mit den Vorgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Mit dieser durch das mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 eingeführten Regelung hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung, nach der Handlungen der Krankenkassen, die den Versicherten gegenüber als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren sind, im Hinblick auf mögliche wettbewerbswidrige Auswirkungen auch privatrechtlich einzuordnen sind und damit dem Wettbewerbs- und Kartellrecht unterliegen können (vgl BGH Urteil vom 18.12.1981 - I ZR 34/80 - BGHZ 82, 375, 382 = NJW 1982, 2117; GmSOGB Beschluss vom 29.10.1987 - GmS-OGB 1/86, BGHZ 102, 280 = SozR 1500 § 51 Nr 47), die Grundlage entzogen (vgl die Gesetzesbegründung zum GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000, BT-Drucks 14/1245 S 68; ebenso: BSGE 89, 24, 32 f = SozR 3-2500 § 69 Nr 1; BGH Urteil vom 23.2.2006 - I ZR 164/03 - NJW-RR 2006, 1046, RdNr 23; vgl bereits BSGE 87, 95, 99 = SozR 3-2500 § 35 Nr 1).

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Deshalb kann die Anwendung des Wettbewerbsrechts entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht damit begründet werden, dass der Vertragsarzt nicht als Verwaltungshelfer der Krankenkasse oder der KÄV tätig werde, sondern eine freiberufliche Tätigkeit ausübe (zur ärztlichen Tätigkeit in freier Praxis vgl zuletzt BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 6 KA 38/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen für BSGE und SozR, RdNr 102; BSG Urteil vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 37 f). Soweit es um Handlungen in Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags nach dem SGB V geht, bezieht sich § 69 SGB V ganz unabhängig davon auch auf die Beziehungen der Leistungserbringer untereinander, mit der Folge, dass der Rechtsschutz nach dem UWG auch für betroffene Dritte ausgeschlossen ist(BSG Urteil vom 25.9.2001 - B 3 KR 37/01 R - BSGE 89, 24, 32 f = SozR 3-2500 § 69 Nr 1; BSG Urteil vom 12.5.2005 - B 3 KR 32/04 R - SozR 4-2500 § 69 Nr 1 RdNr 17, Juris RdNr 24; BGH Urteil vom 23.2.2006 - I ZR 164/03 - NJW-RR 2006, 1046, RdNr 21 ff; BGH Urteil vom 2.10.2003 - I ZR 117/01 - NZS 2004, 478 = GesR 2004, 151; vgl BGH Beschluss vom 16.1.2008 - KVR 26/07 - BGHZ 175, 333 = NJW-RR 2008, 1426, 1427 = NZS 2008, 653, 654, RdNr 18).

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Allerdings hat der Senat unmittelbar nach der Änderung des § 69 SGB V durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 in einer Entscheidung vom 28.6.2000 (B 6 KA 26/99 R - BSGE 86, 223, 229 f = SozR 3-2500 § 138 Nr 1) in Übereinstimmung mit Teilen der sozialrechtlichen Literatur (Engelmann, NZS 2000, 213, 221; Sodan/Adam, NZS 2006, 113, 114 ff; anders die inzwischen ganz überwiegende Auffassung, vgl zB Ebsen, ZSR 2000, 298, 307; Gassner, VSSR 2000, 121, 130 f; Knispel, NZS 2001, 466, 468 f; Guido Kirchhoff, SGb 2005, 499, 507 f; Peikert/Kroel, MedR 2001, 14, 19; Schwerdtfeger, PharmInd 2000, 106 ff, 185 ff; Wallrabenstein, NZS 2015, 48, 53; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl 2016, § 69 RdNr 3; Becker/Kingreen in dieselben, SGB V, 5. Aufl 2017, § 69 RdNr 44; Krauskopf in ders, Soziale Krankenversicherung, Stand Januar 2017, § 69 SGB V RdNr 24) die Auffassung vertreten, dass § 69 SGB V nur im Sinne einer Rechtswegzuweisung zu verstehen sei und jedenfalls kartellrechtliche Ansprüche von Leistungserbringern gegen Institutionen des Krankenversicherungsrechts nicht ausschließe. Daran hält der Senat nicht mehr fest, jedenfalls nachdem zunächst durch § 69 Abs 1 Satz 2 SGB V idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl l 378) und anschließend mit der Anfügung des § 69 Abs 2 SGB V durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) im Einzelnen geregelt worden ist, welche Vorschriften des GWB unter welchen Voraussetzungen - abweichend von dem in § 69 Abs 1 SGB V geregelten Grundsatz - auch auf das Verhältnis der Krankenkassen zu den Leistungserbringern nach dem SGB V entsprechende Anwendung finden. Eine über die in § 69 Abs 2 SGB V geregelten Ausnahmen hinausgehende Anwendung von Vorschriften des GWB ist in diesem Bereich ausgeschlossen(so im Ergebnis auch: BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 88 f; BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 3 KR 26/15 R - SozR 4-2500 § 132a Nr 10, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen, RdNr 53).

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Entsprechendes gilt für Vorschriften des UWG, für die § 69 Abs 2 SGB V von vornherein keine Ausnahme von dem in Abs 1 geregelten Grundsatz regelt. § 4 Abs 3 Satz 2 SGB V idF des Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 26.6.2013 (BGBl I 1738) regelt zwar Unterlassungsansprüche und sieht in diesem Zusammenhang eine entsprechende Anwendung von Vorschriften des UWG vor. Gegenstand ist aber nicht das im vorliegenden Fall maßgebende Verhältnis der Leistungserbringer, sondern allein das Verhältnis der Krankenkassen untereinander, und zwar beschränkt auf konkret bezeichnete Verfahrensvorschriften (§ 12 Abs 1 bis 3 UWG). Diese Bestimmungen zur Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften für spezielle - hier nicht vorliegende - Konstellationen bestätigen, dass das UWG für den Regelfall im Bereich der Leistungserbringung nach dem SGB V nicht zur Anwendung kommen kann. Damit übereinstimmend geht die Kommentarliteratur zum Lauterkeitsrecht soweit ersichtlich einheitlich davon aus, dass § 69 SGB V Ansprüche nach dem UWG ausschließt(vgl etwa Götting/Hetmank in Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht, 3. Aufl 2016, § 3a RdNr 72; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl 2017, § 3a RdNr 1.36; Link in Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl 2016, § 3a RdNr 59; Schaffert in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Aufl 2014, § 4 Nr 11 UWG RdNr 25). Die in § 69 SGB V geregelte Bereichsausnahme gilt zwar nur, soweit es gerade um Handlungen in Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags der Krankenkassen geht(BSG Urteil vom 23.3.2011 - B 6 KA 11/10 R - BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 43 mwN; verneinend bezogen auf die Zusammenschlusskontrolle bei Krankenhausfusionen: BGH Beschluss vom 16.1.2008 - KVR 26/07 - BGHZ 175, 333 = NZS 2008, 653). Gerade darum geht es hier aber bei der Frage, ob der Beklagte Dialyseleistungen in der ausgelagerten Praxisstätte in N. für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen und gegenüber der KÄV abrechnen darf.

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3. Soweit der Senat in einer Entscheidung vom 25.11.1998 (B 6 KA 75/97 R - BSGE 83, 128, 131 ff = SozR 3-2500 § 116 Nr 17 S 84 ff) § 1 UWG auf das Verhältnis eines Vertragsarztes zu einem ermächtigten Arzt angewandt und dem Vertragsarzt auf dieser Grundlage einen Schadensersatzanspruch zuerkannt hat, ist diese Entscheidung durch die oben dargestellte Änderung des § 69 SGB V mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 überholt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Senat seine Rechtsprechung, nach der im Rahmen einer defensiven Konkurrentenklage durch niedergelassene Vertragsärzte lediglich eine Überprüfung auf gravierende Rechtsverstöße (Willkür) erfolgt (vgl BSG Urteil vom 29.9.1999 - B 6 KA 30/98 R - SozR 3-1500 § 54 Nr 40) im Anschluss an eine dazu ergangene Entscheidung des BVerfG vom 17.8.2004 (1 BvR 378/00 - SozR 4-1500 § 54 Nr 4) aufgegeben hat. Ausgehend von dem Urteil vom 7.2.2007 (B 6 KA 8/06 R - BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10) hat der Senat in den folgenden Jahren in einer Reihe von Entscheidungen geklärt, unter welchen Voraussetzungen Vertragsärzte berechtigt sind, zugunsten anderer Ärzte ergangene Entscheidungen der zuständigen Körperschaften bzw Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung mit dem Ziel der Abwehr rechtswidriger Konkurrenz anzufechten (vgl BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 6 KA 42/06 R - BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4; BSG Urteil vom 17.6.2009 - B 6 KA 25/08 R - BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 19; BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3; zuletzt BSG Urteil vom 28.10.2015 - B 6 KA 43/14 R - SozR 4-5540 § 6 Nr 2; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 6 KA 40/14 R - SozR 4-1500 § 54 Nr 39; BSG Urteil vom 3.8.2016 - B 6 KA 20/15 R - zur Veröffentlichung für SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 7 vorgesehen).

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Damit ist die Rechtfertigung für die an sich systemfremde Heranziehung wettbewerbsrechtlicher Grundsätze jedenfalls weitgehend entfallen. Der Senat stellt deshalb klar, dass in Fällen, in denen eine Drittanfechtungsbefugnis in unmittelbarer Anwendung sozialrechtlicher Vorschriften besteht, eine ergänzende Anwendung wettbewerbsrechtlicher Grundsätze ausgeschlossen ist. Maßgeblich ist dabei nicht, ob es dem Betroffenen tatsächlich gelungen ist, die Begünstigung des Konkurrenten zu verhindern oder wieder zu beseitigen, sondern allein, ob effektiver Rechtsschutz gewährleistet war. Zur Kompensation einer unterlassenen oder im Ergebnis erfolglosen Inanspruchnahme gerichtlichen Primärrechtsschutzes, insbesondere von einstweiligem Rechtsschutz nach § 86b SGG, steht das Instrument wettbewerbsrechtlicher Ansprüche unter vertragsärztlichen Leistungserbringern von vornherein nicht zur Verfügung.

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Soweit nach den vertragsarztrechtlichen Grundsätzen Drittrechtsschutz gegenüber der als rechtswidrig angesehenen Begünstigung von Konkurrenten nicht in Betracht kommt, weil den maßgeblichen Normen keine drittschützende Wirkung zukommt, bleibt es dabei grundsätzlich auch für das Rechtsverhältnis der Leistungserbringer untereinander: Soweit etwa ein Arzt den Honorarbescheid eines anderen Arztes nicht mit der Begründung anfechten kann, die KÄV habe zu Unrecht fachfremde Leistungen vergütet oder einen Fachkundenachweis auf der Grundlage des § 135 Abs 2 SGB V zu Unrecht als geführt angesehen, kann der Arzt sein Ziel, nämlich ein entsprechendes Abrechnungsverhalten des Konkurrenten zu verhindern, auch nicht über eine entsprechende Anwendung von Vorschriften des UWG oder des BGB erreichen. Vielmehr bleibt es dabei, dass weder die Verletzung nur wirtschaftlicher Interessen noch die Verletzung von Rechtssätzen, die lediglich Reflexwirkung haben, eine Anfechtungsberechtigung zu begründen vermögen (vgl BSG Urteil vom 7.2.2007 - B 6 KA 8/06 R - BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, RdNr 21; BVerfG Beschluss vom 23.5.2006 - 1 BvR 2530/04 - BVerfGE 116, 1, 11 mwN).

30

Zutreffend weist die Klägerin allerdings darauf hin, dass der Senat auch noch in einer Entscheidung vom 23.3.2011 (B 6 KA 11/10 R - BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3)Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche von Leistungserbringern nach dem SGB V in Anwendung wettbewerbsrechtlicher Grundsätze bejaht hat. Indes hat der Senat in dieser Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass § 69 SGB V auch im Verhältnis der Leistungserbringer untereinander zu beachten ist(vgl aaO RdNr 43). Im Hinblick darauf hat der Senat Vorschriften des UWG nicht unmittelbar angewandt, sondern nur allgemeine Grundsätze des Wettbewerbsrechts herangezogen (vgl aaO RdNr 42). Für die zu entscheidende Fallkonstellation hatte der Senat die entsprechende Anwendung allgemeiner zivilrechtlicher Regelungen und Grundsätze des Wettbewerbsrechts mit dem verfassungsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) begründet (aaO RdNr 42, 44 bis 46).

31

Ob hieran festzuhalten ist, bedarf hier keiner abschließenden Klärung. Voraussetzung wäre jedenfalls auch nach den Maßstäben aus der Entscheidung des Senats vom 23.3.2011, dass sich die Anwendung von Grundsätzen aus dem Lauterkeitsrecht als erforderlich erweist, um verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare Rechtsschutzdefizite zu vermeiden. Wenn dies nicht der Fall ist, können die im Lauterkeitsrecht geregelten Ansprüche auch nicht über eine - nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V im Grundsatz zulässige - entsprechende Heranziehung von Vorschriften des BGB begründet werden.

32

Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der Leistungserbringer untereinander kommen danach allenfalls noch in ganz besonders gelagerten Fällen in Betracht, in denen es aus systematischen Gründen an verfassungsrechtlich zu fordernden primären Rechtsschutzmöglichkeiten fehlt, weil die zuständigen Gremien der vertragsärztlichen Versorgung nicht mit dem Ziel der Verhinderung rechtswidriger Konkurrenz in Anspruch genommen werden können, obwohl ein Verstoß gegen solche Vorschriften in Rede steht, die auch dem klagenden Arzt zu dienen bestimmt sind. Dabei geht der Senat allerdings - abweichend von der angefochtenen Entscheidung des LSG - davon aus, dass der Anfechtungsberechtigung eines Konkurrenten nicht die Verpflichtung der KÄV entgegengehalten werden kann, gegen Pflichtverletzungen auch mit disziplinarischen Mitteln vorzugehen. Unter dem Gesichtspunkt der Effektivität des Rechtsschutzes kommt es darauf an, ob der Konkurrent selbst die Möglichkeit hat, eine inhaltliche Überprüfung durch die Gerichte zu erreichen.

33

Die Voraussetzungen, unter denen eine entsprechende Anwendung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften danach im Geltungsbereich des § 69 Abs 1 SGB V geboten sein könnte, liegen hier jedenfalls nicht vor. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 11.2.2015 (B 6 KA 7/14 R - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 5; vgl auch die beiden Urteile des Senats vom heutigen Tage zu den Az B 6 KA 22/16 R und B 6 KA 30/16 R) entschieden hat, kann die Genehmigung von Dialysezweigpraxen - anders als andere Zweigpraxisgenehmigungen (BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3) - von einem Dritten, der in derselben Versorgungsregion die gleichen Leistungen anbietet, angefochten werden. Für eine iS des Anhangs 9.1.5 Anlage 9.1 BMV-Ä genehmigungsbedürftige ausgelagerte Praxisstätte gilt nichts anderes, weil sie die in diesem Versorgungsbereich ausnahmsweise geschützte Wettbewerbssituation (Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 7/14 R - SozR 4-5540 An5540 Anl 9.1 Nr 5 RdNr 32) in ganz ähnlicher Weise beeinträchtigen kann wie eine Zweigpraxis. Damit wird dem Erfordernis des effektiven Rechtsschutzes Dritter ausreichend Rechnung getragen. Der Umstand, dass die beigeladene KÄV dem Beklagten hier nach der Beendigung der BAG mit Dr. B. und der Verlegung des Hauptsitzes der Praxis nach I. keine weitere Genehmigung für den Betrieb der hier streitbefangenen ausgelagerten Praxisstätte in N. erteilt hat, sondern die Auffassung vertreten hat, dass es einer solchen nicht bedürfe, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar trifft es zu, dass die Klägerin aus diesem Grund keine Möglichkeit hatte, eine auf die ausgelagerte Praxisstätte bezogene Genehmigungsentscheidung der beigeladenen KÄV anzufechten. Allerdings beruhte die Auffassung der Beigeladenen, nach der es einer Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte nicht bedürfe, auf der Annahme, dass der Beklagte die Genehmigung, die ihm für den Betrieb der Hauptbetriebsstätte erteilt worden war, einschließlich der ihm damals erteilten Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte in N. nach der Beendigung der BAG mit Dr. B. habe "mitnehmen" können. Da eine Zweigpraxisgenehmigung für Dialyseleistungen untrennbar und akzessorisch mit dem Versorgungsauftrag für die Hauptbetriebsstätte verbunden ist (vgl oben B. 1. RdNr 21), hat die Anfechtung der Genehmigung für den Hauptsitz der Praxis des Beklagten in I. unmittelbar Auswirkungen auch auf den hier streitgegenständlichen Betrieb der Zweigpraxis. Von der Möglichkeit, die Genehmigung für die Dialysepraxis in I. anzufechten, hat die Klägerin - letztlich erfolgreich (vgl das Urteil vom heutigen Tage zum Az B 6 KA 20/16 R) - Gebrauch gemacht. Mit der Aufhebung der Genehmigung für die Praxis des Beklagten in I. ist auch die Grundlage für den Betrieb der hier streitbefangenen ausgelagerten Praxisstätte in N. entfallen, wobei die für die Praxis in I. eingeräumte Übergangsfrist bis zum Ablauf des 31.12.2017 auch bezogen auf die ausgelagerte Praxisstätte in N. zu beachten ist.

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Zutreffend ist, dass die Klägerin mit ihrem Begehren nicht bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Erfolg gehabt hat, weil das LSG die Auffassung der beigeladenen KÄV zur Möglichkeit der Mitnahme einer Genehmigung nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der BAG mit Dr. B. geteilt hat. Die Effektivität des Rechtsschutzes wird indes nicht dadurch in Frage gestellt, dass dem nicht mehr anfechtbaren Beschluss des LSG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine nach Auffassung des Senats nicht zutreffende Rechtsauffassung zugrunde lag. Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art 19 Abs 4 Satz 1 GG garantiert den Zugang, das Verfahren vor Gericht und eine Entscheidung durch das Gericht. Ein Anspruch auf die Einrichtung eines bestimmten Instanzenzuges ist davon nicht umfasst (BVerfG Beschluss vom 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 - BVerfGE 125, 104, 136 f mwN). Die Unanfechtbarkeit von Beschlüssen des LSG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (§ 177 SGG) begegnet deshalb keinen Bedenken.

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Im Übrigen hätte die Klägerin - wenn sie allein die Frage hätte klären wollen, ob der Betrieb der ausgelagerten Praxisstätte in N. rechtmäßig ist - auch die Möglichkeit gehabt, mit der Feststellungsklage gegen die beigeladene KÄV vorzugehen. Mit der Klage hätte sie geltend machen können, dass die Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte in N., die ihm für die ursprünglich gemeinsam mit Dr. B. in H. betriebene Gemeinschaftspraxis erteilt worden ist, nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der Gemeinschaftspraxis erloschen ist und dass eine - für den Betrieb erforderliche - Genehmigung damit nicht mehr vorliegt. Das gilt auch bezogen auf den Eilrechtsschutz. Auch bei einem Feststellungsbegehren des Rechtsschutzsuchenden ist vorläufiger Rechtsschutz nicht ausgeschlossen (ebenso: W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl 2016, § 123 RdNr 9; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, § 123 RdNr 35, 139; M. Redeker in Redeker/v. Oertzen, VwGO, 16. Aufl 2014, § 123 VwGO RdNr 19). Vielmehr kann eine vorläufige Feststellung durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Gewährung eines lückenlosen und wirksamen vorläufigen Rechtsschutzes verfassungsrechtlich (Art 19 Abs 4 Satz 1 GG) geboten sein (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 7.4.2003 - 1 BvR 2129/02 - BVerfGK 1, 107 = NVwZ 2003, 856, 857; vgl auch BVerfG Beschluss vom 18.12.1985 - 2 BvR 1167/84 ua -, BVerfGE 71, 305, 347). Der Senat stellt deshalb klar, dass der Umstand, dass ein Kläger ggf auf die Erhebung einer Feststellungklage zu verweisen ist, wenn die KÄV als Genehmigungsbehörde keinen Bescheid erlassen hat, die Effektivität des Rechtsschutzes nicht einschränken darf. Daher ist auch ein gegen die KÄV als Genehmigungsbehörde gerichteter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs 2 SGG mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Betriebs einer ausgelagerten Praxisstätte nicht ausgeschlossen, wenn die KÄV die Auffassung vertritt, dass eine Genehmigung nicht erforderlich sei oder wenn der Inhalt und Umfang einer erteilten Genehmigung im Streit steht.

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4. Auch bei entsprechender Anwendung allgemeiner wettbewerbsrechtlicher Grundsätze würden der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche im Übrigen nicht zustehen.

37

a) Für den auf eine entsprechende Anwendung der §§ 3, 3a iVm § 8 UWG gestützten Unterlassungsanspruch folgt das schon daraus, dass der Senat mit Urteil vom heutigen Tage im Verfahren zum Aktenzeichen B 6 KA 20/16 R entschieden hat, dass die hier umstrittene ausgelagerte Praxisstätte nach dem 31.12.2017 nicht mehr betrieben werden darf, weil der Versorgungsauftrag für den Hauptsitz der Praxis des Beklagten nicht auf diesen übergegangen ist. Ein Unterlassungsanspruch ist in die Zukunft gerichtet. Er muss deshalb nach ständiger Rechtsprechung auch noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bestehen, auf die das Urteil ergeht (vgl BGH Urteil vom 24.9.2013 - I ZR 73/12 - Juris RdNr 8, mwN). Zu dem damit maßgebenden Zeitpunkt hat die Gefahr der Fortsetzung einer Rechtsverletzung aufgrund der Rechtskraft des genannten Urteils (B 6 KA 20/16 R) nicht mehr bestanden, sodass bereits aus diesem Grund ein Unterlassungsanspruch nicht mehr begründet sein kann.

38

b) Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Auskunftserteilung und auf Schadensersatz in entsprechender Anwendung von § 9 UWG hat. Allerdings ist der Anspruch auf Schadensersatz nach § 9 Satz 1 UWG davon abhängig, dass eine nach § 3 oder § 7 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommen wird. Das wird auch von der Klägerin des vorliegenden Verfahrens ausdrücklich nicht in Zweifel gezogen.

39

Einem Verschulden des Beklagten steht hier der Umstand entgegen, dass die beigeladene KÄV eine (erneute) Genehmigung für den Betrieb der ausgelagerten Praxisstätte in N. ausdrücklich nicht für erforderlich gehalten hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist von einem "Gewerbetreibenden" zu verlangen, dass er sich Kenntnis von den für seinen Tätigkeitsbereich einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen verschafft und in Zweifelsfällen mit zumutbaren Anstrengungen besonders sachkundigen Rechtsrat einholt. Wer weder die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens kennt noch sich dieser Einsicht bewusst verschließt und auch nicht auf die Haltung der Verwaltungsbehörden in unlauterer Weise eingewirkt hat, handelt jedoch grundsätzlich auch dann nicht schuldhaft, wenn er sich nicht vorsichtshalber nach der strengsten Gesetzesauslegung und Einzelfallbeurteilung richtet, wenn die zuständigen Behörden und Gerichte sein Verhalten ausdrücklich als rechtlich zulässig bewerten (vgl BGHZ 163, 265, 270 f = NJW 2005, 2705, Juris RdNr 21; BGH Urteil vom 11.10.2001 - I ZR 172/99 - NJW-RR 2002, 395, 396, Juris RdNr 19 mwN).

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Soweit die Klägerin geltend macht, dass die von der Beigeladenen vertretene Rechtsauffassung so offenkundig einseitig und fehlerhaft erfolgt sei, dass sie sich als ungeeignet darstelle, einen fahrlässigen Rechtsirrtum auszuschließen, so steht dem der Umstand entgegen, dass die Rechtsauffassung der Beigeladenen, nach der der Beklagte den ihm im Jahr 2003 erteilten Versorgungsauftrag nach dem Ausscheiden aus der BAG an den neuen Standort seiner Einzelpraxis in I."mitnehmen" konnte, durch das LSG bestätigt worden ist. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen bei einer schwierig zu beantwortenden Rechtsfrage ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht unrichtigerweise die Rechtmäßigkeit einer Amtshandlung bejaht hat, ist in der Regel ein Verschulden des Amtsträgers zu verneinen (vgl BGH Urteil vom 6.2.1986 - III ZR 109/84 - BGHZ 97, 97, 107; BGH Urteil vom 14.3.1996 - III ZR 224/94 - NJW 1996, 2422, 2424, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 132, 181; BGH Urteil vom 4.11.2010 - III ZR 32/10 - NJW 2011, 1072 RdNr 36 f), mit der Folge, dass ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB ausscheidet. Ausnahmen gelten etwa, wenn das Kollegialgericht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist oder im summarischen Verfahren entschieden hat (vgl Sprau in Palandt, BGB, 76. Aufl 2017, § 839 RdNr 53 mwN). Wenn angesichts der die Rechtmäßigkeit bestätigenden Entscheidung eines Kollegialgerichts das Verschulden der zuständigen Behörde bezogen auf eine objektiv unrichtige Entscheidung oder eine objektiv unrichtig erteilte Auskunft im Regelfall ausgeschlossen ist, dann kann dem Empfänger der Entscheidung oder der Auskunft im Regelfall erst recht nicht entgegengehalten werden, dass er die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen. Für einen Sachverhalt, der ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen würde, etwa weil sich der Beklagte der Einsicht in die Unrechtmäßigkeit des Betriebs der ausgelagerten Praxisstätte in N. bewusst verschlossen oder auf die Haltung der Verwaltungsbehörden in unlauterer Weise eingewirkt hätte, gibt es hier keine Anhaltspunkte.

41

Im Grundsatz zutreffend ist der Einwand der Klägerin, dass die Beigeladene eine Erklärung, nach der der Beklagte für den Betrieb der ausgelagerten Praxisstätte keiner Genehmigung mehr bedarf, nicht unmittelbar gegenüber dem Beklagten abgegeben hat. Vielmehr verhält es sich so, dass die aus dem Beklagten und Dr. B. bestehende BAG mit Schreiben vom 18.8.2011 gegenüber der beigeladenen KÄV die Verlängerung der Genehmigung für den Standort N. beantragt und in diesem Zusammenhang gegenüber der KÄV mitgeteilt hat: "Ab dem 01.10.2011 wird die Einzelpraxis Dr. S. (Jobsharing mit Frau Dr. W.) die Versorgung der Patienten in N. übernehmen." Das Antwortschreiben der Beigeladenen vom 5.9.2011, in dem ausdrücklich auf das Schreiben der BAG vom 18.8.2011 Bezug genommen wird, ist nicht an die BAG, sondern die A. Heimdialyse gerichtet worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen der Klägerin zutrifft, nach der die A. Heimdialyse den Beklagten "de facto dirigiert" habe. Jedenfalls unterliegt es keinem Zweifel, dass der Beklagte mit dieser wirtschaftlich eng verbunden war. Vor diesem Hintergrund durfte die Beigeladene davon ausgehen, dass das Antwortschreiben dem Beklagten zur Kenntnis gelangt, auch wenn es an die A. Heimdialyse adressiert war. Dies war im Übrigen auch aufgrund des Eilverfahrens (L 3 KA 6/11 B ER) um die Genehmigung für den Hauptsitz des Beklagten in I. gewährleistet. Bereits in diesem Verfahren war das Schreiben der Beigeladenen an die A. Heimdialyse vom 5.9.2011 Gegenstand intensiver Erörterungen, und die KÄV (Beklagte des dortigen Verfahrens) hat auch in dem dortigen Verfahren die Auffassung vertreten, dass dem Beklagten aufgrund der Genehmigung, die der Gemeinschaftspraxis im Jahr 2003 erteilt worden war, in Kombination mit der Genehmigung zur Verlegung des Praxissitzes des Beklagten nach I. die Erbringung von Leistungen auch in der ausgelagerten Praxisstätte in I. weiterhin gestattet sei. Vor diesem Hintergrund hatte der Beklagte des vorliegenden Verfahrens keinen Anlass, einen erneuten Genehmigungsantrag zu stellen. Vielmehr durfte er auf die Richtigkeit der von der Beigeladenen - als der für die Genehmigung zuständigen Behörde - erteilten Auskunft vertrauen.

42

Dagegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, dass die Beigeladene die Genehmigung nur im Einvernehmen mit den zuständigen Verbänden der Krankenkassen erteilen darf. Richtig ist, dass die Auskunft einer für den Empfänger erkennbar unzuständigen Behörde ein Verschulden nicht ausschließen kann (BGH Urteil vom 2.10.2002 - I ZR 177/00 - NJW-RR 2003, 174 = NVwZ 2003, 503). Nach Abs 1 Satz 1 und 2 Anhang 9.1.5 der Anlage 9.1 BMV-Ä ist die Genehmigung zur Durchführung von Versorgungsaufträgen in einer Dialysezweigpraxis oder einer ausgelagerten Praxisstätte indes - im Einvernehmen mit den zuständigen Verbänden der Krankenkassen auf Landesebene - durch die KÄV zu erteilen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Nur wenn die beantragte Zweigpraxis - was hier nicht der Fall ist - außerhalb des Bezirks der KÄV liegt, ist der Zulassungsausschuss für die dann erforderliche Ermächtigung zuständig. Das Einvernehmenserfordernis begründet keine gemeinsame Zuständigkeit der KÄV und der Krankenkassen für die Erteilung der Genehmigung und beseitigt erst recht nicht die Zuständigkeit der KÄV. "Einvernehmen" setzt eine Willensübereinstimmung zwischen entscheidender und beteiligter Stelle voraus (vgl BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 7/14 R - SozR 4-55405540 Anl 9.1 Nr 5 RdNr 41, mwN). Bei der in Abs 1 Satz 2 Anhang 9.1.5 der Anlage 9.1 BMV-Ä geforderten Herstellung des Einvernehmens handelt es sich um eine verwaltungsinterne Form der Beteiligung (ebenso zur Zustimmung der Aufsichtsbehörde zur Annahme oder Ablehnung der Bereiterklärung eines Krankenhauses nach § 371 Abs 2 Satz 2 RVO: BSG Urteil vom 15.1.1986 - 3/8 RK 5/84 - BSGE 59, 258, 259 = SozR 2200 § 371 Nr 5 S 10 f; zum Zustimmungserfordernis nach § 39 AufenthG als Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, der einem Ausländer die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt, vgl zB Bünte/Knödler, NZA 2008, 743, 745 mwN). Auf etwaige Fehler bei der Herstellung des Einvernehmens können sich Dritte nicht berufen (vgl das Urteil vom heutigen Tage zu Az B 6 KA 18/16 R, I.3.b., RdNr 50 f und zu Az B 6 KA 20/16 R, RdNr 47 f). Den Genehmigungsbescheid erlässt die entscheidende und nicht die zu beteiligende Stelle. Die erforderliche Zustimmung ist kein Verwaltungsakt, weil ihr nicht die nach § 31 SGB X erforderliche Außenwirkung zukommt. Die Genehmigung wird dementsprechend nach Abs 1 Satz 2 Anhang 9.1.5 der Anlage 9.1 BMV-Ä allein durch die KÄV erteilt. Daher ist allein die beigeladene KÄV die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde. In Übereinstimmung mit der von dieser Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 77 Abs 5 SGB V) vertretenen Rechtsauffassung durfte der Beklagte in der Vergangenheit von der Rechtmäßigkeit des Betriebs der ausgelagerten Praxisstätte in N. ausgehen.

43

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

(1) Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94. Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden werden abschließend in diesem Kapitel, in den §§ 63, 64 und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, dem Krankenhausentgeltgesetz sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Für die Rechtsbeziehungen nach den Sätzen 1 und 2 gelten im Übrigen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind.

(2) Die §§ 1 bis 3 Absatz 1, die §§ 19 bis 21, 32 bis 34a, 48 bis 81 Absatz 2 Nummer 1, 2 Buchstabe a und Nummer 6 bis 11, Absatz 3 Nummer 1 und 2 sowie die §§ 81a bis 95 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gelten für die in Absatz 1 genannten Rechtsbeziehungen entsprechend. Satz 1 gilt nicht für Verträge und sonstige Vereinbarungen von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern oder deren Verbänden, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind. Satz 1 gilt auch nicht für Beschlüsse, Empfehlungen, Richtlinien oder sonstige Entscheidungen der Krankenkassen oder deren Verbände, zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind, sowie für Beschlüsse, Richtlinien und sonstige Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, zu denen er gesetzlich verpflichtet ist.

(3) Auf öffentliche Aufträge nach diesem Buch sind die Vorschriften des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden.

(4) Bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach den §§ 63 und 140a über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014, die im Rahmen einer heilberuflichen Tätigkeit erbracht werden, kann der öffentliche Auftraggeber abweichend von § 119 Absatz 1 und § 130 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowie von § 14 Absatz 1 bis 3 der Vergabeverordnung andere Verfahren vorsehen, die die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung gewährleisten. Ein Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb und ohne vorherige Veröffentlichung nach § 66 der Vergabeverordnung darf der öffentliche Auftraggeber nur in den Fällen des § 14 Absatz 4 und 6 der Vergabeverordnung vorsehen. Von den Vorgaben der §§ 15 bis 36 und 42 bis 65 der Vergabeverordnung, mit Ausnahme der §§ 53, 58, 60 und 63, kann abgewichen werden. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen berichtet dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 17. April 2019 über die Anwendung dieses Absatzes durch seine Mitglieder.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 30. August 2016 (L 3 KA 2/16 WA) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche wegen Wettbewerbsverletzung geltend.

2

Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) bestehend aus drei Fachärzten für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie, die in N. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind.

3

Der Beklagte ist ebenfalls als Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Bescheid vom 23.10.2003 erteilte ihm die beigeladene KÄV die Genehmigung zur Durchführung besonderer Versorgungsaufträge in eigener Dialysepraxis - in gemeinschaftlicher Ausübung mit Dr. R. B. gemäß § 8 der Anlage 9.1 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) für den Praxissitz "W., 66 H." sowie für die ausgelagerte Praxisstätte LC-Einheit N. in der H. straße , 66 N., und eine ausgelagerte Praxisstätte in S., mit der Maßgabe, dass in den ausgelagerten Praxisstätten ausschließlich Patienten der zentralisierten Heimdialyse behandelt werden. Der Bescheid enthielt den Zusatz, dass die erteilte Genehmigung zur Durchführung besonderer Versorgungsaufträge bei Ausscheiden aus der Dialysepraxis "mit Datum der Beendigung der Niederlassung am Praxisort" erlösche.

4

Im April des Jahres 2011 teilte der Beklagte der Beigeladenen mit, dass er seine bis dahin bestehende BAG mit Dr. B. zum 30.9.2011 beenden werde und die Verlegung seines Praxissitzes in die S. Straße , I. zum 1.10.2011 beantrage. Gleichzeitig beantragte er die Erteilung eines nephrologischen Versorgungsauftrags für den neuen Praxissitz in I. Mit Bescheid vom 31.5.2011 erteilte die Beigeladene dem Beklagten die beantragte Genehmigung zur Übernahme eines Versorgungsauftrags für die Behandlung von maximal 30 Patienten mit Blutreinigungsverfahren in I. Gegen diesen Bescheid wandte sich ua die Klägerin des vorliegenden Verfahrens, die mit ihrem Begehren im Revisionsverfahren Erfolg hatte (Urteil des Senats vom heutigen Tage zum Az B 6 KA 20/16 R).

5

Während des Laufs des den Genehmigungsbescheid vom 31.5.2011 betreffenden Klageverfahrens wurde die Dialysepraxis des Beklagten in I. betrieben, nachdem die beigeladene KÄV die sofortige Vollziehung angeordnet hatte. Der dagegen gerichtete Antrag der Klägerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes blieb vor dem SG (S 2 KA 11/11 ER) und dem LSG (L 3 KA 6/11 B ER) ohne Erfolg. Gegenstand des Verfahrens um die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 31.5.2011 war auch die Frage, ob die mit diesem Bescheid erteilte Genehmigung den Betrieb der ausgelagerten Praxisstätte in N. einschließen würde. Dazu vertrat die beigeladene KÄV in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Auffassung, dass dem Beklagten gestattet worden sei, den ihm bereits mit Bescheid vom 23.10.2003 erteilten Versorgungsauftrag fortzuführen. Die im Bescheid vom 23.10.2003 genehmigte ausgelagerte Praxisstätte müsse nicht noch einmal neu genehmigt werden.

6

Auf eine Mitteilung des Beklagten und seines damaligen Praxispartners Dr. B. aus August 2011, nach der die Versorgung der in N. betreuten Patienten ab dem 1.10.2011 von dem Beklagten in Einzelpraxis übernommen und eine Verlängerung der Genehmigung für diesen Standort um zehn Jahre beantragt werde, teilte die Beigeladene gegenüber der A. Heimdialyse mit, dass die Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte in N. unbefristet erteilt worden sei und es deshalb keiner Verlängerung um weitere zehn Jahre bedürfe.

7

Mit ihrer Klage hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten die Unterlassung der Durchführung von Dialysen in N. sowie in der Stufenklage Auskunftserteilung sowie Schadensersatz geltend gemacht. Die Behandlung von Patienten durch den Beklagten erfolge zu Unrecht, da sich der Genehmigungsbescheid vom 31.5.2011 nicht auf die Durchführung von Dialysebehandlungen in N. beziehe. In Anwendung der Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) habe sie einen Unterlassungsanspruch, weil die rechtswidrigen Dialysebehandlungen des Beklagten in N. unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne dieses Gesetzes darstellten. Die Genehmigung sei dem Beklagten lediglich für die Praxis in I. erteilt worden.

8

Das SG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Beklagte mit dem Betrieb der Praxisstätte in N. nicht gegen das Genehmigungserfordernis nach § 4 Abs 3 Anlage 9.1 BMV-Ä verstoße. Zwar folge die Genehmigung nicht mehr aus dem Bescheid vom 23.10.2003, weil diese sich auf den Hauptsitz der Praxis in H. und die ausgelagerte Praxisstätte zu dieser Praxis beziehe. Allerdings ergebe sich die Genehmigung unter Berücksichtigung des geführten Schriftverkehrs aus dem dem Beklagten erteilten Bescheid vom 31.5.2011.

9

Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin hat das LSG zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Rechtsprechung des 6. Senats des BSG zur Anwendbarkeit der Bestimmungen des UWG bezogen auf Schadensersatzansprüche konkurrierender Leistungserbringer nicht gefolgt werden könne. Jedenfalls könne diese Rechtsprechung nicht auf Schadensersatzansprüche zwischen Vertragsärzten übertragen werden. Den KÄVen werde durch die gesetzlichen Vorschriften der §§ 72 ff SGB V die öffentliche Aufgabe übertragen, die medizinische Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherten sicherzustellen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe bediene sie sich zugelassener Vertragsärzte. Im Hinblick auf diesen öffentlich-rechtlichen Charakter der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung seien wettbewerbsrechtliche Ansprüche von Vertragsärzten untereinander von vornherein ausgeschlossen. Dafür spreche auch, dass der KÄV nach § 81 Abs 5 SGB V die Verpflichtung obliege, im Satzungswege die Voraussetzungen und das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder zu bestimmen, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllten. Hierbei liege Funktion und Zweck des Disziplinarrechts in der Aufrechterhaltung einer geordneten Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung, die ohne Pflichtenverstoß erreicht werden solle. Die Befugnis und Verpflichtung, Verstöße zu ahnden, obliege dem Disziplinarausschuss. Selbst wenn der Klägerin ein aus Wettbewerbsrecht herrührender Anspruch grundsätzlich zustehen würde, wären die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 UWG vorliegend nicht erfüllt, weil von unlauteren geschäftlichen Handlungen des Beklagten durch den Betrieb der ausgelagerten Praxisstätte in N. nicht ausgegangen werden könne. Dabei sei zu berücksichtigen, dass dem Beklagten keine Erstzulassung im Bezirk der beigeladenen KÄV erteilt worden sei, sondern dass er die bereits im Jahr 2003 erteilte Berechtigung an den neuen Sitz der Praxis in I. mitgenommen habe. Daher könne in dem Weiterbetrieb der ausgelagerten Praxisstätte in N. keine unlautere geschäftliche Handlung iS des § 3 Abs 1 UWG gesehen werden, wobei für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung unerheblich sei, ob dem Beklagten eine ausdrückliche Genehmigung zum Weiterbetrieb der ausgelagerten Praxisstätte erteilt worden sei und ob dies - wegen der möglichen Weitergeltung der bereits im Jahr 2003 erteilten Genehmigung - überhaupt nicht erforderlich gewesen sei.

10

Selbst wenn mit der Klägerin von einem Vorrang der klagenden BAG im Verhältnis zu dem Beklagten auszugehen wäre, wäre die auf Bestimmungen des UWG gestützte Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzklage nicht begründet. Die beigeladene KÄV habe als die für die Erteilung einer Genehmigung zuständige Behörde die Auffassung vertreten, dass die dem Beklagten mit Bescheid vom 23.10.2003 erteilte Genehmigung weiterhin Grundlage für dessen Tätigkeit in der ausgelagerten Praxisstätte sei. Da sich der Beklagte damit auf die kundgetane Rechtsauffassung der zuständigen Genehmigungsbehörde berufen könne, könne sein hierauf gestütztes Verhalten auch dann keine "unlautere geschäftliche Handlung" iS des § 3 Abs 1 UWG sein, wenn die erteilte Genehmigung im Nachhinein im gerichtlichen Verfahren als rechtswidrig beurteilt werde.

11

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht in Gestalt von Vorschriften des UWG sowie der Anlage 9.1 BMV-Ä. Das LSG gehe zu Unrecht davon aus, dass die vertragsärztliche Tätigkeit aufgrund des Umstands, dass diese der Sicherstellung der Versorgung der Versicherten diene, als hoheitliches Handeln zu qualifizieren sei, welches der wettbewerblichen Kontrolle nach dem UWG entzogen sei. Der Vertragsarzt sei nicht "Verwaltungshelfer" seiner KÄV und seine Tätigkeit sei auch keine hoheitliche, die nach Weisung der KÄV verrichtet werde. Dies werde durch die Rechtsprechung des BGH bestätigt, der den Vertragsarzt nicht als "Amtsträger" im strafrechtlichen Sinne einordne. Der Vertragsarzt übe seine Tätigkeit freiberuflich aus und die vertragsärztliche Behandlung werde überwiegend durch das persönliche Verhältnis zum Patienten geprägt. Zwischen Vertragsarzt und Patient komme ein zivilrechtliches Behandlungsverhältnis zustande. Mit der Rechtsprechung des 6. Senats des BSG sei davon auszugehen, dass das UWG auch im Verhältnis zwischen konkurrierenden Leistungserbringern Anwendung finde. Der Umstand, dass hier das Verhältnis zwischen verschiedenen Vertragsärzten und nicht - wie in den der bisherigen Rechtsprechung des BSG zugrunde liegenden Fällen - das Verhältnis von Vertragsärzten zu Krankenhäusern oder Krankenhausärzten zu beurteilen sei, stehe der Anwendung des UWG nicht entgegen. Entgegen der Auffassung des LSG schlössen auch disziplinarische Befugnisse der KÄVen Wettbewerbsansprüche der Disziplinarunterworfenen im Verhältnis zueinander nicht aus. Dies folge schon daraus, dass beide Instrumente - Disziplinarmaßnahme und wettbewerbsrechtlicher Anspruch - unterschiedliche Zwecke verfolgten. Während das Disziplinarrecht und die daraus folgende Disziplinargewalt der KÄV die Leistungserbringer zur Einhaltung ihrer vertragsärztlichen Pflichten anhalte und letztlich - objektiv-rechtlich - eine normenkonforme Leistungserbringung gewährleisten solle, diene das Wettbewerbsrecht dem Schutz der Mitbewerber vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Dass disziplinarische Sanktionsmöglichkeiten Wettbewerbsansprüchen nicht entgegenstünden, sei auch für andere Berufsgruppen wie die der Rechtsanwälte anerkannt. Berufliche Selbstverwaltungskörperschaften seien nicht selten von Standesdenken, falscher Rücksichtnahme oder einem übermäßigen Näheverhältnis der involvierten Kollegen geprägt. Angesichts dieser Gefahren wäre es nicht sachgerecht, dem von unlauterem Wettbewerb betroffenen Mitbewerber eigene Handlungsmöglichkeiten zu versagen. Wettbewerbliche Ansprüche könnten unabhängig davon geltend gemacht werden, ob zwischen den Mitbewerbern ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis und damit eine Drittklagebefugnis bestünde. Selbst wenn aber eine Drittklagebefugnis gegen eine nicht vorhandene Genehmigung als Voraussetzung eines Abwehranspruchs nach dem UWG anzusehen wäre, wäre diese Voraussetzung hier erfüllt. Rechtsgrundlage für die Erteilung von Nebenbetriebsstättengenehmigungen neu errichteter Dialysepraxen sei § 4 Abs 3 Anlage 9.1 BMV-Ä. In der Rechtsprechung des BSG sei anerkannt, dass diese Genehmigungsnorm drittschützend sei.

12

Der Umstand, dass die Beigeladene als Genehmigungsbehörde eine Genehmigung als Voraussetzung für die Durchführung von Dialysen in N. nicht für erforderlich halte, stehe einem Unterlassungsanspruch nicht entgegen. Ausschlaggebend sei, dass die tatsächlich erforderliche Genehmigung nicht erteilt worden sei. Auf ein Verschulden des Beklagten komme es insoweit nicht an.

13

Auch die Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs seien erfüllt. Zwar hänge der Anspruch auf Schadensersatz vom Verschulden des Beklagten ab. Insoweit genüge jedoch Fahrlässigkeit. Fahrlässig handele auch, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewege, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen müsse. Der Handelnde sei vom Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht frei, wenn er sich einfach auf die ihm günstige Ansicht stütze, ohne die für ihn ungünstige Rechtsauffassung ernsthaft in Betracht zu ziehen. Bei Anlegung dieser Maßstäbe befinde sich die anwaltlich beratene beklagte Dialysepraxis in einem vermeidbaren und damit fahrlässig verschuldeten Rechtsirrtum, wenn sie meine, sie verfüge über eine vollzugsfähige statusähnliche Genehmigung, die sich auch auf die Betriebsstätte in N. beziehe. Zwar dürfe der Marktteilnehmer im Regelfall auf die Richtigkeit einer von ihm begehrten behördlichen Auskunft durch die zuständige Behörde vertrauen. Diese Grundsätze würden aber nicht uneingeschränkt gelten. Die Fahrlässigkeit entfalle nicht, wenn der Wettbewerber die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens kenne und sich dieser Einsicht bewusst verschließe oder auf die Haltung der Verwaltungsbehörden in unlauterer Weise eingewirkt habe. Darüber hinaus seien nur Auskünfte der materiell zuständigen Behörde relevant. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Beigeladene zwar formal für die Erteilung der Genehmigung zuständig sei. Sie dürfe diese aber nur im Einvernehmen mit den zuständigen Verbänden der Krankenkassen auf Landesebene erteilen. Damit liege die Verantwortung für die Genehmigung von Dialysebetriebsgenehmigungen nicht allein bei der Beigeladenen, sondern sie sei gemeinsame Aufgabe der Beigeladenen und der Landesverbände der Krankenkassen. Der Beklagte habe bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen können, dass die beigeladene KÄV den erteilten "Freibrief" nicht "eigenmächtig" hätte ausstellen dürfen. Darüber hinaus sei die von der beigeladenen KÄV geäußerte Rechtsauffassung so offenkundig einseitig und fehlerhaft, dass sie sich als ungeeignet darstelle, einen fahrlässigen Rechtsirrtum auf Seiten des Beklagten auszuschließen.

14

Die Klägerin beantragt,

1.    

die Urteile des LSG für das Saarland vom 30.8.2016 - L 3 KA 2/16 WA - und des SG für das Saarland vom 23.5.2012 aufzuheben,

2.    

den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines in jedem Fall der Wiederholung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250 000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder es bei Meidung einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten zu unterlassen, ohne die erforderliche, vollziehbare vertragsarztrechtliche Genehmigung im Sinne von § 4 Abs 3 Anlage 9.1 BMV-Ä für die in § 2 Abs 1 Anlage 9.1 BMV-Ä definierten Gruppen gesetzlich versicherten Patienten Behandlungen mit Blutreinigungsverfahren (Dialyse) in den Räumen der A. Heimdialyse in der H. straße in 66 N. anzubieten und durchzuführen,

3.    

den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskünfte zu erteilen, wie viele gesetzlich versicherte Patienten der in § 2 Abs 1 Anlage 9.1 BMV-Ä definierten Patientengruppen in den Räumen der A. Heimdialyse in der H. straße in 66 N. wie oft mit Blutreinigungsverfahren seit dem 1.10.2011 durch den Beklagten behandelt und welche Abrechnungsziffern des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs ("EBM") in der jeweils gültigen Fassung für diese Behandlung gesetzlich Versicherter bei der Beigeladenen abgerechnet wurden oder noch abzurechnen sind,

4.    

den Beklagten zu verurteilen, in einem nach Erteilung der Auskunft (iSv Ziffer 3) zu bestimmenden Höhe Schadensersatz zzgl Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung an die Klägerin zu zahlen.

15

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

16

Wenn man der Ansicht folgen würde, dass auch der persönlich erteilte Versorgungsauftrag in einer Praxis verbleibe, dann in der Praxis, in der die bisherige Tätigkeit fortgeführt werde. Hierbei könne nicht die Adresse entscheidend sein, sondern nur die handelnde Person. Eine BAG, in der der ihm erteilte Versorgungsauftrag hätte verbleiben können, existiere nicht mehr, nachdem er seinen Praxissitz nach I. verlegt und sein ehemaliger Praxispartner Dr. B. zugunsten einer Tätigkeit als Angestellter im MVZ S. auf seine Zulassung verzichtet habe. Die Frage, ob das UWG Anwendung finde, müsse deshalb nicht mehr entschieden werden. Voraussetzung für einen Anspruch des Klägers wäre aber jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten. Sowohl die für Vertragsarztsachen zuständige Kammer des SG für das Saarland als auch der Fachsenat des LSG für das Saarland hätten festgestellt, dass er die Genehmigung besitze, in N. Dialyse zu betreiben. Es liege auf der Hand, dass er in einem solchen Fall nicht schuldhaft gehandelt haben könne.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

18

A. Die Eröffnung des Rechtswegs zu den Sozialgerichten folgt bereits daraus, dass das SG ihn als gegeben angesehen hat und dies gemäß § 17a Abs 5 GVG von den weiteren Instanzen im Rechtsmittelzug nicht mehr in Frage gestellt werden kann(vgl BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 15 mwN). Die Bindungswirkung des § 17a Abs 5 GVG greift hier ein, weil das SG über das Klagebegehren der Klägerin in der Sache entschieden und den Rechtsweg zu den Sozialgerichten(§ 51 SGG) somit inzident für gegeben erachtet hat.

19

Im Übrigen ist die Bejahung des Rechtswegs zu den Sozialgerichten für Streitigkeiten der vorliegenden Art auch inhaltlich zutreffend, weil die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände ua zu den Ärzten gemäß § 69 Abs 1 Satz 1 SGB V abschließend im Vierten Kapitel des SGB V sowie in §§ 63 und 64 SGB V geregelt werden. Dies gilt nach § 69 Abs 1 Satz 4 SGB V auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Dritte betroffen sind. Die Vorschrift ist mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22.12.1999 (BGBl I 2626) gerade mit dem Ziel eingeführt worden klarzustellen, dass auch die sich aus den Rechtsbeziehungen ergebenden Rechte Dritter sozialversicherungsrechtlicher bzw verwaltungsrechtlicher Natur sind (BT-Drucks 14/1245 S 68, zu Nr 29; vgl Engelmann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 69 RdNr 34 Fußnote 21). Im Übrigen haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach § 51 Abs 1 Nr 2, Abs 2 Satz 1 SGG über Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung auch dann zu entscheiden, wenn sie privatrechtliche Streitigkeiten betreffen und auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Damit sind die Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V - mit Ausnahme der nach § 51 Abs 3 SGG ausgenommenen Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Rechtsbeziehungen nach § 69 SGB V betreffen - umfassend den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen, auch soweit die Rechtsbeziehungen der Leistungserbringer untereinander betroffen sind (BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 17).

20

B. Die gegenüber dem Beklagten geltend gemachten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche stehen der Klägerin nicht zu. Zwar hat der Beklagte die ausgelagerte Praxisstätte in N. ohne die erforderliche Erlaubnis betrieben (1). Eine unmittelbare Anwendung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften ist jedoch gesetzlich ausgeschlossen, auch soweit die Rechtsbeziehungen Dritter betroffen sind (2). Eine besondere Konstellation, in der das Gebot des effektiven Rechtsschutzes eine entsprechende Anwendung allgemeiner Regelungen des Wettbewerbsrechts ausnahmsweise gebieten könnte, liegt hier jedenfalls nicht vor (3). Im Übrigen würden die geltend gemachten Ansprüche auch bei entsprechender Anwendung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften nicht bestehen (4).

21

1. Den geltend gemachten Ansprüchen auf Unterlassung und auf Schadensersatz steht nicht bereits entgegen, dass die Erbringung und Abrechnung von Dialyseleistungen durch den Beklagten in der ausgelagerten Praxisstätte in N. rechtmäßig gewesen wäre. Das folgt bereits aus dem Umstand, dass die dem Beklagten erteilte Genehmigung für den Hauptsitz der Praxis in I. rechtswidrig war. Die mit Bescheid der Beigeladenen vom 31.5.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2012 für den Hauptsitz erteilte Genehmigung ist mit dem unter dem Az B 6 KA 20/16 R ergangenen Urteil des Senats vom heutigen Tage aufgehoben worden. Aufgrund der Akzessorietät der Genehmigung einer Zweigpraxis (vgl BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 7/14 R - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 5 RdNr 32; BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 29) oder einer ausgelagerten Praxisstätte (zur Unterscheidung vgl BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 23/14 R - SozR 4-5520 § 32 Nr 5 RdNr 21 ff; BSG Urteil vom 12.9.2001 - B 6 KA 64/00 R - SozR 3-2500 § 135 Nr 20) fehlt damit auch die Grundlage für eine rechtmäßige Erbringung von Dialyseleistungen durch den Beklagten in I.

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Im Übrigen bedarf die Durchführung von Versorgungsaufträgen in einer Zweigpraxis oder in einer ausgelagerten Praxisstätte nach § 4 Abs 3 Anlage 9.1 BMV-Ä, Abs 1 Satz 1 Anhang 9.1.5 der Anlage 9.1 BMV-Ä einer Genehmigung. Eine solche Genehmigung hat die beigeladene KÄV zwar gegenüber dem Beklagten mit Bescheid vom 23.10.2003 zusammen mit der Genehmigung für die Durchführung von Dialysen am Praxissitz im W. , 66 H. erteilt. Wie der Senat in der am heutigen Tage in der zum Az B 6 KA 20/16 R ergangenen Entscheidung im Einzelnen dargelegt hat, konnte der Beklagte die mit Bescheid vom 23.10.2003 erteilte Genehmigung nach seinem Ausscheiden aus der gemeinsam mit Dr. B. betriebenen BAG wegen der Bindung an den Praxisstandort nicht in seine neue Praxis in I."mitnehmen". Dies gilt in gleicher Weise für die in demselben Bescheid erteilte Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte in N. Eine weitere Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte in N. ist dem Beklagten nicht erteilt worden. Die erteilte Genehmigung für den Praxissitz in I. vom 31.5.2011 umfasste keine ausgelagerte Praxisstätte und allein der geführte Schriftwechsel um das Ausscheiden des Beklagten aus der BAG mit Dr. B. kann entgegen der Auffassung des SG nicht als Genehmigungsbescheid gewertet werden. Dem steht insbesondere der Umstand entgegen, dass die Beigeladene die Erteilung einer erneuten, die ausgelagerte Praxisstätte in N. betreffenden Genehmigung nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der Gemeinschaftspraxis mit Dr. B. nicht für erforderlich gehalten hat. An dieser Auffassung hat sie im sozialgerichtlichen Verfahren ausdrücklich festgehalten. Unter diesen Umständen kann den Schreiben der Beigeladenen keine die ausgelagerte Praxisstätte des Beklagten betreffende Regelung entnommen werden. Ohne einen nach außen erkennbaren Regelungswillen kann kein Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X erlassen und damit auch keine Genehmigung erteilt worden sein.

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2. Soweit die Klägerin wegen des Betriebs der ausgelagerten Praxisstätte Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche in unmittelbarer Anwendung von Vorschriften des UWG oder des BGB geltend machen möchte, steht dem jedoch § 69 SGB V entgegen. Nach § 69 Abs 1 Satz 1 SGB V werden die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94 SGB V abschließend durch das Vierte Kapitel des SGB V sowie §§ 63, 64 SGB V geregelt. Dies gilt nach § 69 Abs 1 Satz 4 SGB V auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind. Die Vorschriften des BGB gelten für diese Rechtsbeziehungen gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V ebenfalls nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend und auch nur, soweit sie mit den Vorgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Mit dieser durch das mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 eingeführten Regelung hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung, nach der Handlungen der Krankenkassen, die den Versicherten gegenüber als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren sind, im Hinblick auf mögliche wettbewerbswidrige Auswirkungen auch privatrechtlich einzuordnen sind und damit dem Wettbewerbs- und Kartellrecht unterliegen können (vgl BGH Urteil vom 18.12.1981 - I ZR 34/80 - BGHZ 82, 375, 382 = NJW 1982, 2117; GmSOGB Beschluss vom 29.10.1987 - GmS-OGB 1/86, BGHZ 102, 280 = SozR 1500 § 51 Nr 47), die Grundlage entzogen (vgl die Gesetzesbegründung zum GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000, BT-Drucks 14/1245 S 68; ebenso: BSGE 89, 24, 32 f = SozR 3-2500 § 69 Nr 1; BGH Urteil vom 23.2.2006 - I ZR 164/03 - NJW-RR 2006, 1046, RdNr 23; vgl bereits BSGE 87, 95, 99 = SozR 3-2500 § 35 Nr 1).

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Deshalb kann die Anwendung des Wettbewerbsrechts entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht damit begründet werden, dass der Vertragsarzt nicht als Verwaltungshelfer der Krankenkasse oder der KÄV tätig werde, sondern eine freiberufliche Tätigkeit ausübe (zur ärztlichen Tätigkeit in freier Praxis vgl zuletzt BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 6 KA 38/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen für BSGE und SozR, RdNr 102; BSG Urteil vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 37 f). Soweit es um Handlungen in Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags nach dem SGB V geht, bezieht sich § 69 SGB V ganz unabhängig davon auch auf die Beziehungen der Leistungserbringer untereinander, mit der Folge, dass der Rechtsschutz nach dem UWG auch für betroffene Dritte ausgeschlossen ist(BSG Urteil vom 25.9.2001 - B 3 KR 37/01 R - BSGE 89, 24, 32 f = SozR 3-2500 § 69 Nr 1; BSG Urteil vom 12.5.2005 - B 3 KR 32/04 R - SozR 4-2500 § 69 Nr 1 RdNr 17, Juris RdNr 24; BGH Urteil vom 23.2.2006 - I ZR 164/03 - NJW-RR 2006, 1046, RdNr 21 ff; BGH Urteil vom 2.10.2003 - I ZR 117/01 - NZS 2004, 478 = GesR 2004, 151; vgl BGH Beschluss vom 16.1.2008 - KVR 26/07 - BGHZ 175, 333 = NJW-RR 2008, 1426, 1427 = NZS 2008, 653, 654, RdNr 18).

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Allerdings hat der Senat unmittelbar nach der Änderung des § 69 SGB V durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 in einer Entscheidung vom 28.6.2000 (B 6 KA 26/99 R - BSGE 86, 223, 229 f = SozR 3-2500 § 138 Nr 1) in Übereinstimmung mit Teilen der sozialrechtlichen Literatur (Engelmann, NZS 2000, 213, 221; Sodan/Adam, NZS 2006, 113, 114 ff; anders die inzwischen ganz überwiegende Auffassung, vgl zB Ebsen, ZSR 2000, 298, 307; Gassner, VSSR 2000, 121, 130 f; Knispel, NZS 2001, 466, 468 f; Guido Kirchhoff, SGb 2005, 499, 507 f; Peikert/Kroel, MedR 2001, 14, 19; Schwerdtfeger, PharmInd 2000, 106 ff, 185 ff; Wallrabenstein, NZS 2015, 48, 53; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl 2016, § 69 RdNr 3; Becker/Kingreen in dieselben, SGB V, 5. Aufl 2017, § 69 RdNr 44; Krauskopf in ders, Soziale Krankenversicherung, Stand Januar 2017, § 69 SGB V RdNr 24) die Auffassung vertreten, dass § 69 SGB V nur im Sinne einer Rechtswegzuweisung zu verstehen sei und jedenfalls kartellrechtliche Ansprüche von Leistungserbringern gegen Institutionen des Krankenversicherungsrechts nicht ausschließe. Daran hält der Senat nicht mehr fest, jedenfalls nachdem zunächst durch § 69 Abs 1 Satz 2 SGB V idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl l 378) und anschließend mit der Anfügung des § 69 Abs 2 SGB V durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) im Einzelnen geregelt worden ist, welche Vorschriften des GWB unter welchen Voraussetzungen - abweichend von dem in § 69 Abs 1 SGB V geregelten Grundsatz - auch auf das Verhältnis der Krankenkassen zu den Leistungserbringern nach dem SGB V entsprechende Anwendung finden. Eine über die in § 69 Abs 2 SGB V geregelten Ausnahmen hinausgehende Anwendung von Vorschriften des GWB ist in diesem Bereich ausgeschlossen(so im Ergebnis auch: BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 88 f; BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 3 KR 26/15 R - SozR 4-2500 § 132a Nr 10, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen, RdNr 53).

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Entsprechendes gilt für Vorschriften des UWG, für die § 69 Abs 2 SGB V von vornherein keine Ausnahme von dem in Abs 1 geregelten Grundsatz regelt. § 4 Abs 3 Satz 2 SGB V idF des Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 26.6.2013 (BGBl I 1738) regelt zwar Unterlassungsansprüche und sieht in diesem Zusammenhang eine entsprechende Anwendung von Vorschriften des UWG vor. Gegenstand ist aber nicht das im vorliegenden Fall maßgebende Verhältnis der Leistungserbringer, sondern allein das Verhältnis der Krankenkassen untereinander, und zwar beschränkt auf konkret bezeichnete Verfahrensvorschriften (§ 12 Abs 1 bis 3 UWG). Diese Bestimmungen zur Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften für spezielle - hier nicht vorliegende - Konstellationen bestätigen, dass das UWG für den Regelfall im Bereich der Leistungserbringung nach dem SGB V nicht zur Anwendung kommen kann. Damit übereinstimmend geht die Kommentarliteratur zum Lauterkeitsrecht soweit ersichtlich einheitlich davon aus, dass § 69 SGB V Ansprüche nach dem UWG ausschließt(vgl etwa Götting/Hetmank in Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht, 3. Aufl 2016, § 3a RdNr 72; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl 2017, § 3a RdNr 1.36; Link in Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl 2016, § 3a RdNr 59; Schaffert in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Aufl 2014, § 4 Nr 11 UWG RdNr 25). Die in § 69 SGB V geregelte Bereichsausnahme gilt zwar nur, soweit es gerade um Handlungen in Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags der Krankenkassen geht(BSG Urteil vom 23.3.2011 - B 6 KA 11/10 R - BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 43 mwN; verneinend bezogen auf die Zusammenschlusskontrolle bei Krankenhausfusionen: BGH Beschluss vom 16.1.2008 - KVR 26/07 - BGHZ 175, 333 = NZS 2008, 653). Gerade darum geht es hier aber bei der Frage, ob der Beklagte Dialyseleistungen in der ausgelagerten Praxisstätte in N. für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen und gegenüber der KÄV abrechnen darf.

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3. Soweit der Senat in einer Entscheidung vom 25.11.1998 (B 6 KA 75/97 R - BSGE 83, 128, 131 ff = SozR 3-2500 § 116 Nr 17 S 84 ff) § 1 UWG auf das Verhältnis eines Vertragsarztes zu einem ermächtigten Arzt angewandt und dem Vertragsarzt auf dieser Grundlage einen Schadensersatzanspruch zuerkannt hat, ist diese Entscheidung durch die oben dargestellte Änderung des § 69 SGB V mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 überholt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Senat seine Rechtsprechung, nach der im Rahmen einer defensiven Konkurrentenklage durch niedergelassene Vertragsärzte lediglich eine Überprüfung auf gravierende Rechtsverstöße (Willkür) erfolgt (vgl BSG Urteil vom 29.9.1999 - B 6 KA 30/98 R - SozR 3-1500 § 54 Nr 40) im Anschluss an eine dazu ergangene Entscheidung des BVerfG vom 17.8.2004 (1 BvR 378/00 - SozR 4-1500 § 54 Nr 4) aufgegeben hat. Ausgehend von dem Urteil vom 7.2.2007 (B 6 KA 8/06 R - BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10) hat der Senat in den folgenden Jahren in einer Reihe von Entscheidungen geklärt, unter welchen Voraussetzungen Vertragsärzte berechtigt sind, zugunsten anderer Ärzte ergangene Entscheidungen der zuständigen Körperschaften bzw Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung mit dem Ziel der Abwehr rechtswidriger Konkurrenz anzufechten (vgl BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 6 KA 42/06 R - BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4; BSG Urteil vom 17.6.2009 - B 6 KA 25/08 R - BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 19; BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3; zuletzt BSG Urteil vom 28.10.2015 - B 6 KA 43/14 R - SozR 4-5540 § 6 Nr 2; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 6 KA 40/14 R - SozR 4-1500 § 54 Nr 39; BSG Urteil vom 3.8.2016 - B 6 KA 20/15 R - zur Veröffentlichung für SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 7 vorgesehen).

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Damit ist die Rechtfertigung für die an sich systemfremde Heranziehung wettbewerbsrechtlicher Grundsätze jedenfalls weitgehend entfallen. Der Senat stellt deshalb klar, dass in Fällen, in denen eine Drittanfechtungsbefugnis in unmittelbarer Anwendung sozialrechtlicher Vorschriften besteht, eine ergänzende Anwendung wettbewerbsrechtlicher Grundsätze ausgeschlossen ist. Maßgeblich ist dabei nicht, ob es dem Betroffenen tatsächlich gelungen ist, die Begünstigung des Konkurrenten zu verhindern oder wieder zu beseitigen, sondern allein, ob effektiver Rechtsschutz gewährleistet war. Zur Kompensation einer unterlassenen oder im Ergebnis erfolglosen Inanspruchnahme gerichtlichen Primärrechtsschutzes, insbesondere von einstweiligem Rechtsschutz nach § 86b SGG, steht das Instrument wettbewerbsrechtlicher Ansprüche unter vertragsärztlichen Leistungserbringern von vornherein nicht zur Verfügung.

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Soweit nach den vertragsarztrechtlichen Grundsätzen Drittrechtsschutz gegenüber der als rechtswidrig angesehenen Begünstigung von Konkurrenten nicht in Betracht kommt, weil den maßgeblichen Normen keine drittschützende Wirkung zukommt, bleibt es dabei grundsätzlich auch für das Rechtsverhältnis der Leistungserbringer untereinander: Soweit etwa ein Arzt den Honorarbescheid eines anderen Arztes nicht mit der Begründung anfechten kann, die KÄV habe zu Unrecht fachfremde Leistungen vergütet oder einen Fachkundenachweis auf der Grundlage des § 135 Abs 2 SGB V zu Unrecht als geführt angesehen, kann der Arzt sein Ziel, nämlich ein entsprechendes Abrechnungsverhalten des Konkurrenten zu verhindern, auch nicht über eine entsprechende Anwendung von Vorschriften des UWG oder des BGB erreichen. Vielmehr bleibt es dabei, dass weder die Verletzung nur wirtschaftlicher Interessen noch die Verletzung von Rechtssätzen, die lediglich Reflexwirkung haben, eine Anfechtungsberechtigung zu begründen vermögen (vgl BSG Urteil vom 7.2.2007 - B 6 KA 8/06 R - BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, RdNr 21; BVerfG Beschluss vom 23.5.2006 - 1 BvR 2530/04 - BVerfGE 116, 1, 11 mwN).

30

Zutreffend weist die Klägerin allerdings darauf hin, dass der Senat auch noch in einer Entscheidung vom 23.3.2011 (B 6 KA 11/10 R - BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3)Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche von Leistungserbringern nach dem SGB V in Anwendung wettbewerbsrechtlicher Grundsätze bejaht hat. Indes hat der Senat in dieser Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass § 69 SGB V auch im Verhältnis der Leistungserbringer untereinander zu beachten ist(vgl aaO RdNr 43). Im Hinblick darauf hat der Senat Vorschriften des UWG nicht unmittelbar angewandt, sondern nur allgemeine Grundsätze des Wettbewerbsrechts herangezogen (vgl aaO RdNr 42). Für die zu entscheidende Fallkonstellation hatte der Senat die entsprechende Anwendung allgemeiner zivilrechtlicher Regelungen und Grundsätze des Wettbewerbsrechts mit dem verfassungsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) begründet (aaO RdNr 42, 44 bis 46).

31

Ob hieran festzuhalten ist, bedarf hier keiner abschließenden Klärung. Voraussetzung wäre jedenfalls auch nach den Maßstäben aus der Entscheidung des Senats vom 23.3.2011, dass sich die Anwendung von Grundsätzen aus dem Lauterkeitsrecht als erforderlich erweist, um verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare Rechtsschutzdefizite zu vermeiden. Wenn dies nicht der Fall ist, können die im Lauterkeitsrecht geregelten Ansprüche auch nicht über eine - nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V im Grundsatz zulässige - entsprechende Heranziehung von Vorschriften des BGB begründet werden.

32

Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der Leistungserbringer untereinander kommen danach allenfalls noch in ganz besonders gelagerten Fällen in Betracht, in denen es aus systematischen Gründen an verfassungsrechtlich zu fordernden primären Rechtsschutzmöglichkeiten fehlt, weil die zuständigen Gremien der vertragsärztlichen Versorgung nicht mit dem Ziel der Verhinderung rechtswidriger Konkurrenz in Anspruch genommen werden können, obwohl ein Verstoß gegen solche Vorschriften in Rede steht, die auch dem klagenden Arzt zu dienen bestimmt sind. Dabei geht der Senat allerdings - abweichend von der angefochtenen Entscheidung des LSG - davon aus, dass der Anfechtungsberechtigung eines Konkurrenten nicht die Verpflichtung der KÄV entgegengehalten werden kann, gegen Pflichtverletzungen auch mit disziplinarischen Mitteln vorzugehen. Unter dem Gesichtspunkt der Effektivität des Rechtsschutzes kommt es darauf an, ob der Konkurrent selbst die Möglichkeit hat, eine inhaltliche Überprüfung durch die Gerichte zu erreichen.

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Die Voraussetzungen, unter denen eine entsprechende Anwendung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften danach im Geltungsbereich des § 69 Abs 1 SGB V geboten sein könnte, liegen hier jedenfalls nicht vor. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 11.2.2015 (B 6 KA 7/14 R - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 5; vgl auch die beiden Urteile des Senats vom heutigen Tage zu den Az B 6 KA 22/16 R und B 6 KA 30/16 R) entschieden hat, kann die Genehmigung von Dialysezweigpraxen - anders als andere Zweigpraxisgenehmigungen (BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3) - von einem Dritten, der in derselben Versorgungsregion die gleichen Leistungen anbietet, angefochten werden. Für eine iS des Anhangs 9.1.5 Anlage 9.1 BMV-Ä genehmigungsbedürftige ausgelagerte Praxisstätte gilt nichts anderes, weil sie die in diesem Versorgungsbereich ausnahmsweise geschützte Wettbewerbssituation (Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 7/14 R - SozR 4-5540 An5540 Anl 9.1 Nr 5 RdNr 32) in ganz ähnlicher Weise beeinträchtigen kann wie eine Zweigpraxis. Damit wird dem Erfordernis des effektiven Rechtsschutzes Dritter ausreichend Rechnung getragen. Der Umstand, dass die beigeladene KÄV dem Beklagten hier nach der Beendigung der BAG mit Dr. B. und der Verlegung des Hauptsitzes der Praxis nach I. keine weitere Genehmigung für den Betrieb der hier streitbefangenen ausgelagerten Praxisstätte in N. erteilt hat, sondern die Auffassung vertreten hat, dass es einer solchen nicht bedürfe, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar trifft es zu, dass die Klägerin aus diesem Grund keine Möglichkeit hatte, eine auf die ausgelagerte Praxisstätte bezogene Genehmigungsentscheidung der beigeladenen KÄV anzufechten. Allerdings beruhte die Auffassung der Beigeladenen, nach der es einer Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte nicht bedürfe, auf der Annahme, dass der Beklagte die Genehmigung, die ihm für den Betrieb der Hauptbetriebsstätte erteilt worden war, einschließlich der ihm damals erteilten Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte in N. nach der Beendigung der BAG mit Dr. B. habe "mitnehmen" können. Da eine Zweigpraxisgenehmigung für Dialyseleistungen untrennbar und akzessorisch mit dem Versorgungsauftrag für die Hauptbetriebsstätte verbunden ist (vgl oben B. 1. RdNr 21), hat die Anfechtung der Genehmigung für den Hauptsitz der Praxis des Beklagten in I. unmittelbar Auswirkungen auch auf den hier streitgegenständlichen Betrieb der Zweigpraxis. Von der Möglichkeit, die Genehmigung für die Dialysepraxis in I. anzufechten, hat die Klägerin - letztlich erfolgreich (vgl das Urteil vom heutigen Tage zum Az B 6 KA 20/16 R) - Gebrauch gemacht. Mit der Aufhebung der Genehmigung für die Praxis des Beklagten in I. ist auch die Grundlage für den Betrieb der hier streitbefangenen ausgelagerten Praxisstätte in N. entfallen, wobei die für die Praxis in I. eingeräumte Übergangsfrist bis zum Ablauf des 31.12.2017 auch bezogen auf die ausgelagerte Praxisstätte in N. zu beachten ist.

34

Zutreffend ist, dass die Klägerin mit ihrem Begehren nicht bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Erfolg gehabt hat, weil das LSG die Auffassung der beigeladenen KÄV zur Möglichkeit der Mitnahme einer Genehmigung nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der BAG mit Dr. B. geteilt hat. Die Effektivität des Rechtsschutzes wird indes nicht dadurch in Frage gestellt, dass dem nicht mehr anfechtbaren Beschluss des LSG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine nach Auffassung des Senats nicht zutreffende Rechtsauffassung zugrunde lag. Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art 19 Abs 4 Satz 1 GG garantiert den Zugang, das Verfahren vor Gericht und eine Entscheidung durch das Gericht. Ein Anspruch auf die Einrichtung eines bestimmten Instanzenzuges ist davon nicht umfasst (BVerfG Beschluss vom 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 - BVerfGE 125, 104, 136 f mwN). Die Unanfechtbarkeit von Beschlüssen des LSG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (§ 177 SGG) begegnet deshalb keinen Bedenken.

35

Im Übrigen hätte die Klägerin - wenn sie allein die Frage hätte klären wollen, ob der Betrieb der ausgelagerten Praxisstätte in N. rechtmäßig ist - auch die Möglichkeit gehabt, mit der Feststellungsklage gegen die beigeladene KÄV vorzugehen. Mit der Klage hätte sie geltend machen können, dass die Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte in N., die ihm für die ursprünglich gemeinsam mit Dr. B. in H. betriebene Gemeinschaftspraxis erteilt worden ist, nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der Gemeinschaftspraxis erloschen ist und dass eine - für den Betrieb erforderliche - Genehmigung damit nicht mehr vorliegt. Das gilt auch bezogen auf den Eilrechtsschutz. Auch bei einem Feststellungsbegehren des Rechtsschutzsuchenden ist vorläufiger Rechtsschutz nicht ausgeschlossen (ebenso: W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl 2016, § 123 RdNr 9; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, § 123 RdNr 35, 139; M. Redeker in Redeker/v. Oertzen, VwGO, 16. Aufl 2014, § 123 VwGO RdNr 19). Vielmehr kann eine vorläufige Feststellung durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Gewährung eines lückenlosen und wirksamen vorläufigen Rechtsschutzes verfassungsrechtlich (Art 19 Abs 4 Satz 1 GG) geboten sein (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 7.4.2003 - 1 BvR 2129/02 - BVerfGK 1, 107 = NVwZ 2003, 856, 857; vgl auch BVerfG Beschluss vom 18.12.1985 - 2 BvR 1167/84 ua -, BVerfGE 71, 305, 347). Der Senat stellt deshalb klar, dass der Umstand, dass ein Kläger ggf auf die Erhebung einer Feststellungklage zu verweisen ist, wenn die KÄV als Genehmigungsbehörde keinen Bescheid erlassen hat, die Effektivität des Rechtsschutzes nicht einschränken darf. Daher ist auch ein gegen die KÄV als Genehmigungsbehörde gerichteter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs 2 SGG mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Betriebs einer ausgelagerten Praxisstätte nicht ausgeschlossen, wenn die KÄV die Auffassung vertritt, dass eine Genehmigung nicht erforderlich sei oder wenn der Inhalt und Umfang einer erteilten Genehmigung im Streit steht.

36

4. Auch bei entsprechender Anwendung allgemeiner wettbewerbsrechtlicher Grundsätze würden der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche im Übrigen nicht zustehen.

37

a) Für den auf eine entsprechende Anwendung der §§ 3, 3a iVm § 8 UWG gestützten Unterlassungsanspruch folgt das schon daraus, dass der Senat mit Urteil vom heutigen Tage im Verfahren zum Aktenzeichen B 6 KA 20/16 R entschieden hat, dass die hier umstrittene ausgelagerte Praxisstätte nach dem 31.12.2017 nicht mehr betrieben werden darf, weil der Versorgungsauftrag für den Hauptsitz der Praxis des Beklagten nicht auf diesen übergegangen ist. Ein Unterlassungsanspruch ist in die Zukunft gerichtet. Er muss deshalb nach ständiger Rechtsprechung auch noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bestehen, auf die das Urteil ergeht (vgl BGH Urteil vom 24.9.2013 - I ZR 73/12 - Juris RdNr 8, mwN). Zu dem damit maßgebenden Zeitpunkt hat die Gefahr der Fortsetzung einer Rechtsverletzung aufgrund der Rechtskraft des genannten Urteils (B 6 KA 20/16 R) nicht mehr bestanden, sodass bereits aus diesem Grund ein Unterlassungsanspruch nicht mehr begründet sein kann.

38

b) Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Auskunftserteilung und auf Schadensersatz in entsprechender Anwendung von § 9 UWG hat. Allerdings ist der Anspruch auf Schadensersatz nach § 9 Satz 1 UWG davon abhängig, dass eine nach § 3 oder § 7 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommen wird. Das wird auch von der Klägerin des vorliegenden Verfahrens ausdrücklich nicht in Zweifel gezogen.

39

Einem Verschulden des Beklagten steht hier der Umstand entgegen, dass die beigeladene KÄV eine (erneute) Genehmigung für den Betrieb der ausgelagerten Praxisstätte in N. ausdrücklich nicht für erforderlich gehalten hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist von einem "Gewerbetreibenden" zu verlangen, dass er sich Kenntnis von den für seinen Tätigkeitsbereich einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen verschafft und in Zweifelsfällen mit zumutbaren Anstrengungen besonders sachkundigen Rechtsrat einholt. Wer weder die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens kennt noch sich dieser Einsicht bewusst verschließt und auch nicht auf die Haltung der Verwaltungsbehörden in unlauterer Weise eingewirkt hat, handelt jedoch grundsätzlich auch dann nicht schuldhaft, wenn er sich nicht vorsichtshalber nach der strengsten Gesetzesauslegung und Einzelfallbeurteilung richtet, wenn die zuständigen Behörden und Gerichte sein Verhalten ausdrücklich als rechtlich zulässig bewerten (vgl BGHZ 163, 265, 270 f = NJW 2005, 2705, Juris RdNr 21; BGH Urteil vom 11.10.2001 - I ZR 172/99 - NJW-RR 2002, 395, 396, Juris RdNr 19 mwN).

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Soweit die Klägerin geltend macht, dass die von der Beigeladenen vertretene Rechtsauffassung so offenkundig einseitig und fehlerhaft erfolgt sei, dass sie sich als ungeeignet darstelle, einen fahrlässigen Rechtsirrtum auszuschließen, so steht dem der Umstand entgegen, dass die Rechtsauffassung der Beigeladenen, nach der der Beklagte den ihm im Jahr 2003 erteilten Versorgungsauftrag nach dem Ausscheiden aus der BAG an den neuen Standort seiner Einzelpraxis in I."mitnehmen" konnte, durch das LSG bestätigt worden ist. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen bei einer schwierig zu beantwortenden Rechtsfrage ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht unrichtigerweise die Rechtmäßigkeit einer Amtshandlung bejaht hat, ist in der Regel ein Verschulden des Amtsträgers zu verneinen (vgl BGH Urteil vom 6.2.1986 - III ZR 109/84 - BGHZ 97, 97, 107; BGH Urteil vom 14.3.1996 - III ZR 224/94 - NJW 1996, 2422, 2424, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 132, 181; BGH Urteil vom 4.11.2010 - III ZR 32/10 - NJW 2011, 1072 RdNr 36 f), mit der Folge, dass ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB ausscheidet. Ausnahmen gelten etwa, wenn das Kollegialgericht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist oder im summarischen Verfahren entschieden hat (vgl Sprau in Palandt, BGB, 76. Aufl 2017, § 839 RdNr 53 mwN). Wenn angesichts der die Rechtmäßigkeit bestätigenden Entscheidung eines Kollegialgerichts das Verschulden der zuständigen Behörde bezogen auf eine objektiv unrichtige Entscheidung oder eine objektiv unrichtig erteilte Auskunft im Regelfall ausgeschlossen ist, dann kann dem Empfänger der Entscheidung oder der Auskunft im Regelfall erst recht nicht entgegengehalten werden, dass er die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen. Für einen Sachverhalt, der ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen würde, etwa weil sich der Beklagte der Einsicht in die Unrechtmäßigkeit des Betriebs der ausgelagerten Praxisstätte in N. bewusst verschlossen oder auf die Haltung der Verwaltungsbehörden in unlauterer Weise eingewirkt hätte, gibt es hier keine Anhaltspunkte.

41

Im Grundsatz zutreffend ist der Einwand der Klägerin, dass die Beigeladene eine Erklärung, nach der der Beklagte für den Betrieb der ausgelagerten Praxisstätte keiner Genehmigung mehr bedarf, nicht unmittelbar gegenüber dem Beklagten abgegeben hat. Vielmehr verhält es sich so, dass die aus dem Beklagten und Dr. B. bestehende BAG mit Schreiben vom 18.8.2011 gegenüber der beigeladenen KÄV die Verlängerung der Genehmigung für den Standort N. beantragt und in diesem Zusammenhang gegenüber der KÄV mitgeteilt hat: "Ab dem 01.10.2011 wird die Einzelpraxis Dr. S. (Jobsharing mit Frau Dr. W.) die Versorgung der Patienten in N. übernehmen." Das Antwortschreiben der Beigeladenen vom 5.9.2011, in dem ausdrücklich auf das Schreiben der BAG vom 18.8.2011 Bezug genommen wird, ist nicht an die BAG, sondern die A. Heimdialyse gerichtet worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen der Klägerin zutrifft, nach der die A. Heimdialyse den Beklagten "de facto dirigiert" habe. Jedenfalls unterliegt es keinem Zweifel, dass der Beklagte mit dieser wirtschaftlich eng verbunden war. Vor diesem Hintergrund durfte die Beigeladene davon ausgehen, dass das Antwortschreiben dem Beklagten zur Kenntnis gelangt, auch wenn es an die A. Heimdialyse adressiert war. Dies war im Übrigen auch aufgrund des Eilverfahrens (L 3 KA 6/11 B ER) um die Genehmigung für den Hauptsitz des Beklagten in I. gewährleistet. Bereits in diesem Verfahren war das Schreiben der Beigeladenen an die A. Heimdialyse vom 5.9.2011 Gegenstand intensiver Erörterungen, und die KÄV (Beklagte des dortigen Verfahrens) hat auch in dem dortigen Verfahren die Auffassung vertreten, dass dem Beklagten aufgrund der Genehmigung, die der Gemeinschaftspraxis im Jahr 2003 erteilt worden war, in Kombination mit der Genehmigung zur Verlegung des Praxissitzes des Beklagten nach I. die Erbringung von Leistungen auch in der ausgelagerten Praxisstätte in I. weiterhin gestattet sei. Vor diesem Hintergrund hatte der Beklagte des vorliegenden Verfahrens keinen Anlass, einen erneuten Genehmigungsantrag zu stellen. Vielmehr durfte er auf die Richtigkeit der von der Beigeladenen - als der für die Genehmigung zuständigen Behörde - erteilten Auskunft vertrauen.

42

Dagegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, dass die Beigeladene die Genehmigung nur im Einvernehmen mit den zuständigen Verbänden der Krankenkassen erteilen darf. Richtig ist, dass die Auskunft einer für den Empfänger erkennbar unzuständigen Behörde ein Verschulden nicht ausschließen kann (BGH Urteil vom 2.10.2002 - I ZR 177/00 - NJW-RR 2003, 174 = NVwZ 2003, 503). Nach Abs 1 Satz 1 und 2 Anhang 9.1.5 der Anlage 9.1 BMV-Ä ist die Genehmigung zur Durchführung von Versorgungsaufträgen in einer Dialysezweigpraxis oder einer ausgelagerten Praxisstätte indes - im Einvernehmen mit den zuständigen Verbänden der Krankenkassen auf Landesebene - durch die KÄV zu erteilen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Nur wenn die beantragte Zweigpraxis - was hier nicht der Fall ist - außerhalb des Bezirks der KÄV liegt, ist der Zulassungsausschuss für die dann erforderliche Ermächtigung zuständig. Das Einvernehmenserfordernis begründet keine gemeinsame Zuständigkeit der KÄV und der Krankenkassen für die Erteilung der Genehmigung und beseitigt erst recht nicht die Zuständigkeit der KÄV. "Einvernehmen" setzt eine Willensübereinstimmung zwischen entscheidender und beteiligter Stelle voraus (vgl BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 7/14 R - SozR 4-55405540 Anl 9.1 Nr 5 RdNr 41, mwN). Bei der in Abs 1 Satz 2 Anhang 9.1.5 der Anlage 9.1 BMV-Ä geforderten Herstellung des Einvernehmens handelt es sich um eine verwaltungsinterne Form der Beteiligung (ebenso zur Zustimmung der Aufsichtsbehörde zur Annahme oder Ablehnung der Bereiterklärung eines Krankenhauses nach § 371 Abs 2 Satz 2 RVO: BSG Urteil vom 15.1.1986 - 3/8 RK 5/84 - BSGE 59, 258, 259 = SozR 2200 § 371 Nr 5 S 10 f; zum Zustimmungserfordernis nach § 39 AufenthG als Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, der einem Ausländer die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt, vgl zB Bünte/Knödler, NZA 2008, 743, 745 mwN). Auf etwaige Fehler bei der Herstellung des Einvernehmens können sich Dritte nicht berufen (vgl das Urteil vom heutigen Tage zu Az B 6 KA 18/16 R, I.3.b., RdNr 50 f und zu Az B 6 KA 20/16 R, RdNr 47 f). Den Genehmigungsbescheid erlässt die entscheidende und nicht die zu beteiligende Stelle. Die erforderliche Zustimmung ist kein Verwaltungsakt, weil ihr nicht die nach § 31 SGB X erforderliche Außenwirkung zukommt. Die Genehmigung wird dementsprechend nach Abs 1 Satz 2 Anhang 9.1.5 der Anlage 9.1 BMV-Ä allein durch die KÄV erteilt. Daher ist allein die beigeladene KÄV die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde. In Übereinstimmung mit der von dieser Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 77 Abs 5 SGB V) vertretenen Rechtsauffassung durfte der Beklagte in der Vergangenheit von der Rechtmäßigkeit des Betriebs der ausgelagerten Praxisstätte in N. ausgehen.

43

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

(1) Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94. Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden werden abschließend in diesem Kapitel, in den §§ 63, 64 und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, dem Krankenhausentgeltgesetz sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Für die Rechtsbeziehungen nach den Sätzen 1 und 2 gelten im Übrigen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind.

(2) Die §§ 1 bis 3 Absatz 1, die §§ 19 bis 21, 32 bis 34a, 48 bis 81 Absatz 2 Nummer 1, 2 Buchstabe a und Nummer 6 bis 11, Absatz 3 Nummer 1 und 2 sowie die §§ 81a bis 95 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gelten für die in Absatz 1 genannten Rechtsbeziehungen entsprechend. Satz 1 gilt nicht für Verträge und sonstige Vereinbarungen von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern oder deren Verbänden, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind. Satz 1 gilt auch nicht für Beschlüsse, Empfehlungen, Richtlinien oder sonstige Entscheidungen der Krankenkassen oder deren Verbände, zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind, sowie für Beschlüsse, Richtlinien und sonstige Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, zu denen er gesetzlich verpflichtet ist.

(3) Auf öffentliche Aufträge nach diesem Buch sind die Vorschriften des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden.

(4) Bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach den §§ 63 und 140a über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014, die im Rahmen einer heilberuflichen Tätigkeit erbracht werden, kann der öffentliche Auftraggeber abweichend von § 119 Absatz 1 und § 130 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowie von § 14 Absatz 1 bis 3 der Vergabeverordnung andere Verfahren vorsehen, die die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung gewährleisten. Ein Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb und ohne vorherige Veröffentlichung nach § 66 der Vergabeverordnung darf der öffentliche Auftraggeber nur in den Fällen des § 14 Absatz 4 und 6 der Vergabeverordnung vorsehen. Von den Vorgaben der §§ 15 bis 36 und 42 bis 65 der Vergabeverordnung, mit Ausnahme der §§ 53, 58, 60 und 63, kann abgewichen werden. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen berichtet dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 17. April 2019 über die Anwendung dieses Absatzes durch seine Mitglieder.

(1) Die Krankenkassen und ihre Verbände können im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung zur Verbesserung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Versorgung Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Verfahrens-, Organisations-, Finanzierungs- und Vergütungsformen der Leistungserbringung durchführen oder nach § 64 vereinbaren.

(2) Die Krankenkassen können Modellvorhaben zu Leistungen zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten, zur Krankenbehandlung sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft, die nach den Vorschriften dieses Buches oder auf Grund hiernach getroffener Regelungen keine Leistungen der Krankenversicherung sind, durchführen oder nach § 64 vereinbaren.

(3) Bei der Vereinbarung und Durchführung von Modellvorhaben nach Absatz 1 kann von den Vorschriften des Vierten und des Zehnten Kapitels dieses Buches, soweit es für die Modellvorhaben erforderlich ist, und des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen abgewichen werden; der Grundsatz der Beitragssatzstabilität gilt entsprechend. Gegen diesen Grundsatz wird insbesondere für den Fall nicht verstoßen, daß durch ein Modellvorhaben entstehende Mehraufwendungen durch nachzuweisende Einsparungen auf Grund der in dem Modellvorhaben vorgesehenen Maßnahmen ausgeglichen werden. Einsparungen nach Satz 2 können, soweit sie die Mehraufwendungen überschreiten, auch an die an einem Modellvorhaben teilnehmenden Versicherten weitergeleitet werden. Satz 1 gilt mit der Maßgabe, dass von § 284 Abs. 1 Satz 4 nicht abgewichen werden darf.

(3a) Gegenstand von Modellvorhaben nach Absatz 1, in denen von den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches abgewichen wird, können insbesondere informationstechnische und organisatorische Verbesserungen der Datenverarbeitung, einschließlich der Erweiterungen der Befugnisse zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten sein. Von den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches zur Verarbeitung personenbezogener Daten darf nur mit schriftlicher oder elektronischer Einwilligung des Versicherten und nur in dem Umfang abgewichen werden, der erforderlich ist, um die Ziele des Modellvorhabens zu erreichen. Der Versicherte ist vor Erteilung der Einwilligung schriftlich oder elektronisch darüber zu unterrichten, inwieweit das Modellvorhaben von den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches abweicht und aus welchen Gründen diese Abweichungen erforderlich sind. Die Einwilligung des Versicherten hat sich auf Zweck, Inhalt, Art, Umfang und Dauer der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten sowie die daran Beteiligten zu erstrecken.

(3b) Modellvorhaben nach Absatz 1 können vorsehen, dass Angehörige der im Pflegeberufegesetz, im Krankenpflegegesetz und im Altenpflegegesetz geregelten Berufe

1.
die Verordnung von Verbandsmitteln und Pflegehilfsmitteln sowie
2.
die inhaltliche Ausgestaltung der häuslichen Krankenpflege einschließlich deren Dauer
vornehmen, soweit diese auf Grund ihrer Ausbildung qualifiziert sind und es sich bei der Tätigkeit nicht um selbständige Ausübung von Heilkunde handelt.

(3c) Modellvorhaben nach Absatz 1 können eine Übertragung der ärztlichen Tätigkeiten, bei denen es sich um selbstständige Ausübung von Heilkunde handelt und für die die Angehörigen des im Pflegeberufegesetz geregelten Berufs auf Grundlage einer Ausbildung nach § 14 des Pflegeberufegesetzes qualifiziert sind, auf diese vorsehen. Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen entsprechende Vorhaben spätestens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 vereinbaren oder durchführen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in Richtlinien fest, bei welchen Tätigkeiten eine Übertragung von Heilkunde auf die Angehörigen des in Satz 1 genannten Berufs im Rahmen von Modellvorhaben erfolgen kann. Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses ist der Bundesärztekammer sowie den maßgeblichen Verbänden der Pflegeberufe Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nach den Sätzen 2 bis 4 festgelegte Richtlinien gelten für die Angehörigen des in Satz 1 geregelten Berufs fort.

(3d) Die Anwendung von Heilmitteln, die nach der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Behandlung krankheitsbedingter Schädigungen nur verordnungsfähig sind, wenn die Schädigungen auf Grund bestimmter Grunderkrankungen eintreten, kann auch bei anderen ursächlichen Grunderkrankungen Gegenstand von Modellvorhaben nach Absatz 2 sein.

(4) Gegenstand von Modellvorhaben nach Absatz 2 können nur solche Leistungen sein, über deren Eignung als Leistung der Krankenversicherung der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 oder im Rahmen der Beschlüsse nach § 137c Abs. 1 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Fragen der biomedizinischen Forschung sowie Forschungen zur Entwicklung und Prüfung von Arzneimitteln und Medizinprodukten können nicht Gegenstand von Modellvorhaben sein.

(5) Die Modellvorhaben sind im Regelfall auf längstens acht Jahre zu befristen. Verträge nach § 64 Abs. 1 sind den für die Vertragsparteien zuständigen Aufsichtsbehörden vorzulegen. Modellvorhaben nach Absatz 1, in denen von den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches abgewichen werden kann, sind auf längstens fünf Jahre zu befristen. Über Modellvorhaben nach Absatz 1, in denen von den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches abgewichen wird, sind der Bundesbeauftragte für den Datenschutz oder die Landesbeauftragten für den Datenschutz, soweit diese zuständig sind, rechtzeitig vor Beginn des Modellvorhabens zu unterrichten.

(6) Modellvorhaben nach den Absätzen 1 und 2 können auch von den Kassenärztlichen Vereinigungen im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung mit den Krankenkassen oder ihren Verbänden vereinbart werden. Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten entsprechend.

(1) Die Krankenkassen und ihre Verbände können mit den in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Leistungserbringern oder Gruppen von Leistungserbringern Vereinbarungen über die Durchführung von Modellvorhaben nach § 63 Abs. 1 oder 2 schließen. Soweit die ärztliche Behandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung betroffen ist, können sie nur mit einzelnen Vertragsärzten, mit Gemeinschaften dieser Leistungserbringer oder mit Kassenärztlichen Vereinigungen Verträge über die Durchführung von Modellvorhaben nach § 63 Abs. 1 oder 2 schließen.

(2) (weggefallen)

(3) Werden in einem Modellvorhaben nach § 63 Abs. 1 oder § 64a Leistungen außerhalb der für diese Leistungen geltenden Vergütungen nach § 85 oder § 87a, der Ausgabenvolumen nach § 84 oder der Krankenhausbudgets vergütet, sind die Vergütungen oder der Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2, die Ausgabenvolumen oder die Budgets, in denen die Ausgaben für diese Leistungen enthalten sind, entsprechend der Zahl und der Morbiditäts- oder Risikostruktur der am Modellversuch teilnehmenden Versicherten sowie dem in den Verträgen nach Absatz 1 jeweils vereinbarten Inhalt des Modellvorhabens zu bereinigen; die Budgets der teilnehmenden Krankenhäuser sind dem geringeren Leistungsumfang anzupassen. Kommt eine Einigung der zuständigen Vertragsparteien über die Bereinigung der Vergütungen, Ausgabenvolumen oder Budgets nach Satz 1 nicht zustande, können auch die Krankenkassen oder ihre Verbände, die Vertragspartner der Vereinbarung nach Absatz 1 sind, das Schiedsamt nach § 89 oder die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes anrufen. Vereinbaren alle gemäß § 18 Abs. 2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes an der Pflegesatzvereinbarung beteiligten Krankenkassen gemeinsam ein Modellvorhaben, das die gesamten nach der Bundespflegesatzverordnung oder dem Krankenhausentgeltgesetz vergüteten Leistungen eines Krankenhauses für Versicherte erfaßt, sind die vereinbarten Entgelte für alle Benutzer des Krankenhauses einheitlich zu berechnen. Bei der Ausgliederung nach Satz 1 sind nicht auf die einzelne Leistung bezogene, insbesondere periodenfremde, Finanzierungsverpflichtungen in Höhe der ausgegliederten Belegungsanteile dem Modellvorhaben zuzuordnen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach § 87a Absatz 3 Satz 2 gilt § 73b Absatz 7 entsprechend; falls eine Vorabeinschreibung der teilnehmenden Versicherten nicht möglich ist, kann eine rückwirkende Bereinigung vereinbart werden. Die Krankenkasse kann bei Verträgen nach Satz 1 auf die Bereinigung verzichten, wenn das voraussichtliche Bereinigungsvolumen einer Krankenkasse für ein Modellvorhaben geringer ist als der Aufwand für die Durchführung dieser Bereinigung. Der Bewertungsausschuss hat in seinen Vorgaben gemäß § 87a Absatz 5 Satz 7 zur Bereinigung und zur Ermittlung der kassenspezifischen Aufsatzwerte des Behandlungsbedarfs auch Vorgaben zur Höhe des Schwellenwertes für das voraussichtliche Bereinigungsvolumen, unterhalb dessen von einer basiswirksamen Bereinigung abgesehen werden kann, zu der pauschalen Ermittlung und Übermittlung des voraussichtlichen Bereinigungsvolumens an die Vertragspartner nach § 73b Absatz 7 Satz 1 sowie zu dessen Anrechnung beim Aufsatzwert der betroffenen Krankenkasse zu machen.

(4) Die Vertragspartner nach Absatz 1 Satz 1 können Modellvorhaben zur Vermeidung einer unkoordinierten Mehrfachinanspruchnahme von Vertragsärzten durch die Versicherten durchführen. Sie können vorsehen, daß der Vertragsarzt, der vom Versicherten weder als erster Arzt in einem Behandlungsquartal noch mit Überweisung noch zur Einholung einer Zweitmeinung in Anspruch genommen wird, von diesem Versicherten verlangen kann, daß die bei ihm in Anspruch genommenen Leistungen im Wege der Kostenerstattung abgerechnet werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 164/03 Verkündet am:
23. Februar 2006
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Blutdruckmessungen
Die Vorschrift des § 69 SGB V schließt es aus, Handlungen der Krankenkassen
und der von ihnen eingeschalteten Leistungserbringer, die der Erfüllung des
öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags gegenüber den Versicherten dienen
sollen, nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu beurteilen.
BGH, Urt. v. 23. Februar 2006 - I ZR 164/03 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Februar 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Schaffert und
Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 3. Juni 2003 wird auf Kosten der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage statt als unzulässig als unbegründet abgewiesen wird.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte zu 1, eine Betriebskrankenkasse, druckte in ihrer Mitgliederzeitung (Ausgabe Juni 2002) einen "Gutschein für eine kostenlose Blutdruck - und Blutzuckermessung" ab, der bei der Apotheke der Beklagten zu 2 in W. einzulösen sein sollte. Dieser Aktion lag ein Vertrag zwischen der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 2 vom 7. Juni 2002 zugrunde. Danach sollten alle Versicherten der Beklagten zu 1 bei Vorlage eines Gutscheins An- spruch auf eine kostenlose Blutdruck- und Blutzuckermessung haben. Die Beklagte zu 2 führte solche Messungen durch und erhielt dafür von der Beklagten zu 1 vereinbarungsgemäß eine Vergütung.
2
Die klagende Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. hat die Aktion unter den rechtlichen Gesichtspunkten des übertriebenen Anlockens und des psychischen Kaufzwangs als wettbewerbswidrig beanstandet und die Zahlung von Abmahnkosten verlangt. Sie hat beantragt, 1. den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen , im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Verteilung von Gutscheinen für kostenlose Blutdruck- und/ oder Blutzuckermessungen anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder derartige Gutscheine einzulösen und/oder einlösen zu lassen. 2. die Beklagten zu verurteilen, jeweils an die Klägerin 175,06 € zuzüglich Zinsen zu zahlen.
3
Die Beklagten haben ihr Verhalten als wettbewerbsgemäß verteidigt. Es gehe zudem um Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge, die nicht der Beurteilung nach dem Recht des unlauteren Wettbewerbs unterlägen.
4
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Gegen diese Entscheidung haben die Beklagten Berufung eingelegt.
5
Die Klägerin hat im Berufungsverfahren weiter vorgetragen, die Beklagte zu 1 sei als gesetzliche Krankenkasse und Körperschaft des öffentlichen Rechts verpflichtet, einzelne Leistungserbringer nicht einseitig auf Kosten anderer zu fördern. Dieses Neutralitätsgebot habe sie verletzt, weil sie nur mit der Beklagten zu 2 einen Vertrag über die Durchführung kostenloser Blutdruck- und Blutzuckermessungen geschlossen habe und damit nur dieser die Möglichkeit geboten habe, kostenlos zu werben und neue Kunden zu gewinnen.
6
Die Klägerin hat beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass der Tenor bei Nr. 1 wie folgt gefasst wird: 1. Den Beklagten wird untersagt,
a) in dem Gesundheitsmagazin "Gesundheit - Das Magazin der BKK V. " oder anderen an die Mitglieder der Beklagten zu 1 gerichteten Publikationen einen Gutschein für eine kostenlose Blutdruck- und/oder Blutzuckermessung abzudrucken (Beklagte zu 1) bzw. abdrucken zu lassen (Beklagte zu 2), der nur in der Apotheke der Beklagten zu 2 eingelöst werden kann, insbesondere wenn der Gutschein folgenden Wortlaut hat: "GUTSCHEIN für eine kostenlose Blutdruckund Blutzuckermessung Einzulösen bei: We. -Apotheke We. W. ";
b) in der Apotheke der Beklagten zu 2 an Kunden, die sich mit einem Gutschein gemäß a) dort einfinden, Blutdruckund /oder Blutzuckermessungen kostenlos durchzuführen oder durchführen zu lassen; äußerst hilfsweise mit der Maßgabe, dass der Urteilstenor bei Nr. 1 durch folgende Nr. 1 und Nr. 1a ersetzt wird: 1. der Beklagten zu 1 wird untersagt, in ihrem Gesundheitsmagazin "Gesundheit - Das Magazin der BKK V. " oder anderen an die Mitglieder der Beklagten zu 1 gerichteten Publikationen einen "Gutschein für eine kostenlose Blutdruck- und Blutzuckermessung" abzudrucken, der nur in der Apotheke der Beklagten zu 2 eingelöst werden kann,
a) ohne dass der Beklagten zu 2 für diesen Abdruck etwas berechnet wird und
b) wobei der Beklagten zu 2 von der Beklagten zu 1 erstattet wird 0,52 € für eine Blutdruckmessung und 2,00 € für eine Blutzuckermessung. 1a. Der Beklagten zu 2 wird untersagt, an Kunden, die sich mit einem Gutschein gemäß Nr. 1 in ihrer Apotheke einfinden, Blutdruck - und/oder Blutzuckermessungen kostenlos durchzuführen.
7
Die Beklagten sind auch den Hilfsanträgen entgegengetreten.
8
Das Berufungsgericht hat die Klage (samt den Hilfsanträgen) abgewiesen (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2003, 378).
9
Mit der (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision beantragt die Klägerin, nach ihren Schlussanträgen in der Berufungsinstanz zu erkennen. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


10
A. Das Berufungsgericht hat die Klage als insgesamt unzulässig angesehen. Dazu hat es ausgeführt:
11
Die Zulässigkeit des Zivilrechtswegs sei im Rechtsmittelverfahren gemäß § 17a Abs. 5 GVG nicht mehr zu prüfen. Die Klage sei aber unzulässig, weil die Klägerin nicht nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG (a.F.) klagebefugt sei. Aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) könne sie keine Ansprüche herleiten , weil die mit der Klage beanstandeten Handlungen nicht nach dem UWG zu beurteilen seien. Die Beklagte zu 1 habe als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung , die Beklagte zu 2 als Leistungserbringer gehandelt. Ihr Vertrag vom 7. Juni 2002 habe geregelt, welche Leistungen und in welcher Form die Beklagte zu 1 durch die Beklagte zu 2 ihren Mitgliedern erbringen lasse. Diese Rechtsbeziehungen würden nach § 69 SGB V abschließend durch Vorschriften des SGB V geregelt. Dies gelte auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen seien.
12
Es sei nicht zu prüfen, ob Leistungserbringern aus verfassungs- oder sozialrechtlichen Gründen Ansprüche zustehen könnten, die dem Schutz gegen eine Ungleichbehandlung oder Kompetenzüberschreitung durch eine Krankenkasse dienen, da die Klägerin für derartige Ansprüche jedenfalls nicht klagebefugt wäre.
13
B. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage statt als unzulässig als unbegründet abzuwei- sen ist. Das Verschlechterungsverbot steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 2.3.2000 - III ZR 65/99, NJW 2000, 1645, 1647 m.w.N.).
14
I. Die Klage ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts fehlt der Klägerin nicht die Klagebefugnis.
15
Die Klägerin hat ihre Klagebefugnis bei Klageerhebung auf § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. gestützt. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 3. Juli 2004 ergibt sich ihre Klagebefugnis aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, der - wie zuvor § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. - auch die prozessuale Klagebefugnis regelt (BGH, Urt. v. 27.1.2005 - I ZR 146/02, GRUR 2005, 689 f. = WRP 2005, 1007 - Sammelmitgliedschaft III, m.w.N.). Die Klägerin erfüllt die Anforderungen dieser Vorschrift. Sie nimmt als rechtsfähiger Verband die Interessen einer erheblichen Zahl von Unternehmen wahr, die auf demselben Markt wie die Beklagten tätig sind.
16
Die prozessuale Klagebefugnis setzt nur voraus, dass ein wettbewerbsrechtlicher Anspruch behauptet wird. Ob dieser Anspruch durchgreift, ist eine Frage der Begründetheit der Klage. Dies gilt auch für die Frage, ob wettbewerbsrechtliche Ansprüche durch § 69 SGB V ausgeschlossen werden (vgl. BGH, Urt. v. 2.10.2003 - I ZR 117/01, GRUR 2004, 247, 248 = WRP 2004, 337 - Krankenkassenzulassung; a.A. BSGE 89, 24, 30 = NJW-RR 2002, 1691).
17
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche nicht zu. Die Klägerin hat dementsprechend auch keinen Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten.

18
1. Der Senat ist nicht gehindert, über die Begründetheit der Klage selbst zu entscheiden, obwohl das Berufungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen hat. Die Klageanträge können - wie im Folgenden dargelegt - bereits aus Rechtsgründen nicht zugesprochen werden, so dass bei Zurückverweisung nicht anders entschieden werden könnte (vgl. BGH, Urt. v. 29.9.1993 - VIII ZR 107/93, WM 1994, 76, 77).
19
2. Mit ihrem als Hauptantrag gestellten Unterlassungsantrag beanstandet die Klägerin als wettbewerbswidrig (§ 3, § 4 Nr. 1, 10, 11 UWG, zuvor § 1 UWG a.F.), dass die Beklagte zu 1 Gutscheine für kostenlose Blutdruck- und/oder Blutzuckermessungen anbietet, die in der Apotheke der Beklagten zu 2 einzulösen sind, und weiter, dass von den Beklagten entsprechend verfahren wird. Der Klägerin steht jedoch gegen dieses Verhalten schon deshalbkein wettbewerbsrechtlicher Anspruch zu, weil § 69 SGB V solche Ansprüche ausschließt.
20
a) Nach § 69 Satz 1 SGB V sind die Rechtsbeziehungen der gesetzlichen Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken und sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden abschließend im Vierten Kapitel des SGB V (Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern) und in §§ 63 und 64 SGB V geregelt. Dies gilt nach § 69 Satz 4 SGB V auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind.
21
b) Entgegen der Ansicht der Revision trifft § 69 SGB V eine materiellrechtliche Regelung. Sie legt fest, nach welchen Bestimmungen die Handlungen der Krankenkassen zu beurteilen sind, durch die sie - mittels ihrer Rechtsbeziehungen zu den Leistungserbringern - ihren öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag erfüllen, den Versicherten die im Dritten Kapitel des SGB V gere- gelten Leistungen in Natur zur Verfügung zu stellen (vgl. BSGE 89, 24, 30 f.; BSG GesR 2005, 409, 411; BGH GRUR 2004, 247, 249 - Krankenkassenzulassung ; jeweils unter Bezugnahme auf die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 [GKV-Gesundheitsreform 2000], BT-Drucks. 14/1245, S. 68).
22
c) Die Vorschrift des § 69 SGB V schließt es aus, Handlungen der Krankenkassen und der von ihnen eingeschalteten Leistungserbringer, die der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags gegenüber den Versicherten dienen sollen, nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu beurteilen (vgl. BSGE 89, 24, 30 ff.; BSG GesR 2005, 409, 411; BGH GRUR 2004, 247, 249 - Krankenkassenzulassung).
23
Der Wortlaut des § 69 SGB V könnte es allerdings nahelegen, diese Bestimmung nur auf die Beurteilung der internen, insbesondere vertraglichen Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern untereinander und - im Hinblick auf § 69 Satz 4 SGB V - auf die Auswirkungen dieser Rechtsbeziehungen auf Dritte anzuwenden. Wie aus der Gesetzesbegründung hervorgeht, sollte mit der Neufassung des § 69 SGB V durch das GKVGesundheitsreformgesetz 2000 (GKVRefG 2000) aber gerade auch sichergestellt werden, dass Handlungen der gesetzlichen Krankenkassen und der für sie tätigen Leistungserbringer zur Erfüllung des Versorgungsauftrags gegenüber dem Versicherten nur nach dem öffentlichen Recht beurteilt werden (vgl. BTDrucks. 14/1245 S. 68; BSGE 89, 24, 32; BSG GesR 2005, 409, 411; BGH GRUR 2004, 247, 249 - Krankenkassenzulassung). Damit sollte der früheren Rechtsprechung (vgl. insbesondere GemS-OGB BGHZ 102, 280) die Grundlage entzogen werden, dass solche (schlicht-hoheitlichen) Handlungen wegen ihrer Auswirkungen auf den Wettbewerb gegebenenfalls eine Doppelnatur ha- ben können und dementsprechend auch dem Wettbewerbs- oder Kartellrecht unterliegen können. Die Vorschrift des § 69 SGB V bezieht sich auch auf die Beziehungen von Leistungserbringern untereinander, soweit es um Handlungen in Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags der Krankenkassen geht (vgl. BSGE 89, 24, 33; BGH GRUR 2004, 247, 249 - Krankenkassenzulassung ).
24
d) Die Beklagten haben bei dem beanstandeten Verhalten in Erfüllung des Versorgungsauftrags der Beklagten zu 1 gegenüber deren Versicherten gehandelt. Die Beklagte zu 1 hat mit dem Vertrag vom 7. Juni 2002 den Zweck verfolgt, ihren Mitgliedern (für diese) kostenlose Blutdruck- und Blutzuckermessungen als Vorsorgeuntersuchungen zu ermöglichen, und hat dazu die Beklagte zu 2 als Leistungserbringerin eingesetzt. Solche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention werden vom öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenkassen umfasst (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 2, § 20 SGB V; vgl. weiter BT-Drucks. 14/1245, S. 61 f.); bei der Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit ist daher § 69 SGB V zu beachten. Die Anwendbarkeit des § 69 SGB V und damit der Ausschluss der Vorschriften des UWG hängt nicht davon ab, ob die zu beurteilenden Handlungen den Anforderungen des SGB V an das Tätigwerden der Krankenkassen genügen. Es ist gerade der Sinn des § 69 SGB V, die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Handlungen der Krankenkassen und der von ihnen eingesetzten Leistungserbringer, die dem öffentlichrechtlichen Versorgungsauftrag dienen sollen, nur den in dieser Bestimmung aufgeführten Rechtsvorschriften zu unterwerfen und dabei die Anwendung des Wettbewerbsrechts auszuschließen.
25
e) Die Revision bringt vor, die Regelung des § 69 SGB V habe zur Folge, dass das UWG nur noch auf Handlungen der privaten Krankenversicherer an- zuwenden sei, nicht aber auf das Verhalten der gesetzlichen Krankenkassen. Ebenso sei danach die Anwendbarkeit des UWG auf Handlungen privater Leistungserbringer davon abhängig, ob diese für private Krankenversicherer oder gesetzliche Krankenkassen tätig würden. Diese Ungleichbehandlung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
26
Bei diesem Vorbringen berücksichtigt die Revision jedoch nicht, dass private Unternehmen gegen beeinträchtigendes oder diskriminierendes Verhalten der gesetzlichen Krankenkassen unter Umständen Abwehransprüche mit der Begründung geltend machen können, sie würden dadurch im Recht der freien Berufsausübung (Art. 12 GG) oder der Gleichbehandlung im Wettbewerb (Art. 3 GG) beeinträchtigt (vgl. BSGE 89, 24, 33 f.). Soweit derartige grundrechtliche Abwehransprüche von strengeren Voraussetzungen abhängen können als Ansprüche aus dem UWG, kann dies seine Rechtfertigung auch darin finden, dass die gesetzlichen Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts bereits strengeren Bindungen unterliegen als private Unternehmen.
27
3. Die Hilfsanträge der Klägerin sind ebenfalls unbegründet.
28
a) Die Revision sieht es als wettbewerbswidrig an, dass die Beklagte zu 1 durch ihre Werbeaktion zu Gunsten der Beklagten zu 2 in den Wettbewerb der Apotheken eingegriffen habe. Die Beklagte zu 1 sei als gesetzliche Krankenkasse im Verhältnis zu den Leistungserbringern zur Neutralität verpflichtet. Sie sei deshalb nicht berechtigt gewesen, die Beklagte zu 2 auf dem Gutschein als einzige Apotheke für die Durchführung der Messungen zu benennen. Dies gelte um so mehr, als an die Beklagte zu 2 für die Messungen ein höheres Entgelt gezahlt worden sei als von den Apotheken üblicherweise gefordert werde.

29
b) Wie sich aus den vorstehenden Darlegungen (unter 2.) ergibt, kann die Klägerin im Hinblick auf § 69 SGB V auch aus diesem Sachverhalt keine wettbewerbsrechtlichen Ansprüche gegen die Beklagten herleiten.
30
c) Abwehransprüche aus Art. 12 GG oder Art. 3 GG können der Klägerin, die ihre Klagebefugnis nur auf § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG stützen kann, nicht zustehen (vgl. - zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. - BGH, Urt. v. 19.1.1997 - I ZR 225/94, GRUR 1997, 669, 671 = WRP 1997, 731 - Euromint).
31
C. Danach war die Revision der Klägerin mit der Maßgabe zurückzuweisen , dass die Klage statt als unzulässig als unbegründet abgewiesen wird.

32
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ullmann v.Ungern-Sternber g Pokrant
Schaffert Bergmann
Vorinstanzen:
LG Wuppertal, Entscheidung vom 20.12.2002 - 1 O 440/02 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 03.06.2003 - 20 U 27/03 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 117/01 Verkündet am:
2. Oktober 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Krankenkassenzulassung
Der Vorschrift des § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB V, nach der Hilfsmittel an Versicherte
gesetzlicher Krankenkassen nur von zugelassenen Leistungserbringern
abgegeben werden dürfen, kommt keine wettbewerbsrechtliche Schutzfunktion
zu. Eine Handwerksinnung (hier: Innung für Orthopädietechnik) kann daher keinen
wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG gegen einen
anderen Leistungserbringer (im Streitfall einen Apotheker) wegen fehlender
Krankenkassenzulassung geltend machen.
BGH, Urt. v. 2. Oktober 2003 - I ZR 117/01 - OLG Hamm
LG Essen
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 2. Oktober 2003 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg,
Prof. Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 1. März 2001 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte vertreibt in seiner Apotheke orthopädische Hilfsmittel, unter anderem Kompressionsstrümpfe, Gehhilfen und ähnliche Artikel.
Die Klägerin, eine Innung für Orthopädie-Technik, hat u.a. vorgetragen, der Beklagte verfüge nicht über die nach dem Gesetz erforderliche Zulassung zur Abgabe orthopädischer Hilfsmittel an gesetzlich Krankenversicherte. Sie hat das Verhalten des Beklagten als Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht beanstandet.
Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen,
1. folgende orthopädische Hilfsmittel und Gegenstände zu bewerben und/oder in seiner Apotheke abzugeben:
Kompressionsstrümpfe/Strumpfhosen, Rollstühle, Rollatoren, Gehstützen und Gehhilfen, Delta-Gehräder, Toilettensitzerhöhungen , Krankenbetten mit Anti-Dekubitus-Therapiesystem, bestehend aus einer Anti-Dekubitus-Matratze nebst Aggregat, Bettserviertische , Rückenstützen, Warmhalteteller, Bestecke, Badewanneneinsteiggriffe , Badebretter, Badewannensitze, Duschsitze , Kopfwaschbecken und Badewannenlifter, Toilettenstühle mit angepaßten Sitzerhöhungen;
2. orthopädische Hilfsmittel, die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 SGB V in der Fassung vom 30. Juni 1999, Bundesanzeiger vom 19. Januar 2000, veröffentlicht sind, in seiner Apotheke an Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung abzugeben , ohne im Besitz einer Zulassung zur Abgabe von Hilfsmitteln nach § 126 Abs. 1 SGB V zu sein.
Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, über die notwendige Erlaubnis der Krankenkassen zu verfügen; das Fehlen der Krankenkassenzulassung könne zudem einen Wettbewerbsverstoß nicht begründen.

Das Landgericht hat den Beklagten nach dem Klageantrag zu 1 teilweise und nach dem Klageantrag zu 2 insgesamt verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.
Mit der Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin den Unterlassungsantrag zu 2 weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der Klageantrag zu 2 nicht hinreichend bestimmt sei. Er nehme auf ein Hilfsmittelverzeichnis Bezug, in dem eine Gruppe "orthopädische Hilfsmittel" nicht angeführt sei. An die dort aufgeführten Produktgruppen habe die Klägerin nicht angeknüpft. Es bleibe daher unklar, auf welche konkreten Hilfsmittel sich das Abgabeverbot beziehen solle.
Wenn der Klageantrag zu 2 dahin verstanden werde, daß er sich jedenfalls auf die im Klageantrag zu 1 genannten orthopädischen Hilfsmittel beziehen solle, sei er zwar bestimmt. Ihm fehle aber das Rechtsschutzbedürfnis, weil sein Klagebegehren in diesem Fall bereits in dem weitergehenden Klageantrag zu 1 enthalten sei. Der Klageantrag zu 2 sei daher nur sinnvoll, wenn er hilfsweise für den Fall gestellt werde, daß die Klägerin mit dem Klageantrag zu 1 keinen Erfolg habe.
Der Antrag richte sich weiter zu Unrecht gegen die Abgabe der Hilfsmittel als solche, weil sich das Problem einer fehlenden Zulassung des Beklagten nach § 126 SGB V erst stelle, wenn er von der gesetzlichen Krankenversicherung Erstattung verlange.
Unabhängig von der Antragsfassung scheitere das begehrte Verbot daran , daß ein Anspruch nach § 1 UWG wegen eines Verstoßes gegen § 126 SGB V nicht gegeben sei. Offenbleiben könne die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob der Beklagte die nach § 126 SGB V erforderliche Zulassung besitze. Der Wettbewerb zu den Mitgliedern der Klägerin werde nicht dadurch berührt, daß der Beklagte orthopädische Hilfsmittel vertreibe, ohne im Besitz der für die Leistungserstattung erforderlichen Zulassung zu sein. Das Abrechnungsverfahren des Apothekers mit den gesetzlichen Krankenkassen i.S. von § 126 SGB V liege außerhalb des Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Apotheken und dem orthopädischen Handwerk. Der Vorschrift des § 126 SGB V fehle jeder wettbewerbsrechtliche Bezug. Es sei allein eine sozialversicherungsrechtliche Frage, ob die Krankenkasse einen Erstattungsanspruch des Beklagten erfüllen müsse.
II. Die hiergegen gerichtete Revision hat keinen Erfolg. Der Klageantrag zu 2 ist, soweit er über die konkrete Verletzungsform hinausgeht, unzulässig (dazu nachstehend Abschnitt II 1b); soweit der mit dem Klageantrag zu 2 verfolgte Unterlassungsanspruch als Minus auf die konkrete Verletzungsform beschränkt ist (hierzu Abschnitt II 1c), ist er unbegründet (vgl. Abschnitt II 2).
1. a) Das Berufungsgericht hat die Klagebefugnis der Klägerin nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG bejaht. Das wird von der Revisionserwiderung nicht beanstandet. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich (zur Klagebefugnis der
Handwerksinnungen vgl. BGH, Urt. v. 27.9.1995 - I ZR 156/93, GRUR 1996, 70 f. = WRP 1996, 11 - Sozialversicherungsfreigrenze). Daß bestimmte Streitig- keiten des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs nach näherer Maßgabe des zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage am 21. Oktober 1999 maßgeblichen § 51 Abs. 2 SGG a.F. den Sozialgerichten zugewiesen worden sind - im Revisionsverfahren ist der Rechtsweg nach § 17a Abs. 5 GVG ohnehin nicht zu prüfen -, berührt die Prozeßführungsbefugnis der Klägerin nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ebensowenig wie die Frage, ob die Vorschrift des § 126 SGB V eine wettbewerbsschützende Funktion hat (a.A. BSG NJW-RR 2002, 1691, 1693).

b) Mit Recht hat das Berufungsgericht den Klageantrag zu 2 in seiner umfassenden Form als nicht hinreichend bestimmt i.S. von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO angesehen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 4.7.2002 - I ZR 38/00, GRUR 2002, 1088, 1089 = WRP 2002, 1269 - Zugabenbündel). Denn der Unterlassungsantrag führt die orthopädischen Hilfsmittel, gegen deren Abgabe er gerichtet ist, nicht im einzelnen an, sondern nimmt nur Bezug auf das Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 SGB V in der Bekanntmachung vom 30. Juni 1999 (BAnz v. 19.1.2000). Diese Bezugnahme genügt nicht dem Bestimmtheitserfordernis. Das Hilfsmittelverzeichnis umfaßt auf 57 Seiten eine Vielzahl von Produktgruppen mit jeweils zahlreichen einzelnen Produkten. Eine Produktgruppe "orthopädische Hilfsmittel" ist in dem Verzeichnis nicht aufgeführt. Eine Zuordnung der einzelnen Produkte zu orthopädischen Hilfsmitteln ist danach keineswegs eindeutig. Sie bliebe vielmehr der Feststellung durch das Vollstreckungsgericht vorbehalten, was dem Bestimmtheitsgebot nicht genügt.

c) Der Klageantrag zu 2 erfaßt jedoch - was auch das Berufungsgericht erwogen hat - als "Minus" diejenigen orthopädischen Hilfsmittel, die im Klageantrag zu 1 konkret aufgeführt sind und sich auch im Hilfsmittelverzeichnis nach
§ 128 SGB V wiederfinden (zu einem zu weit gefaßten Unterlassungsantrag, der als ein Minus die konkrete Verletzungsform umfaßt vgl. BGH, Urt. v. 3.12.1998 - I ZR 74/96, GRUR 1999, 760 = WRP 1999, 842 - Auslaufmodelle II; Urt. v. 8.6.2000 - I ZR 269/97, GRUR 2001, 181, 182 = WRP 2001, 28 - dentalästhetika

).


In dem umfassenden und im Streitfall durch die Bezugnahme auf das Hilfsmittelverzeichnis unbestimmten Klageantrag zu 2 ist das Verbot der konkreten Verletzungsform mitenthalten. Dies folgt aus dem Vorbringen der Klägerin , das zur Auslegung des Klageantrags zu 2 heranzuziehen ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.2001 - I ZR 115/99, GRUR 2002, 177, 179 = WRP 2001, 1182 - Jubiläumsschnäppchen; BGHZ 152, 268, 274 - Dresdner Christstollen). Dem Vortrag der Klägerin ist zu entnehmen, daß sie jedenfalls die Abgabe derjenigen orthopädischen Hilfsmittel in der Apotheke des Beklagten unterbinden will, die dieser in den dort ausgelegten Prospekten angeboten hat und die Grundlage des Verbots des Landgerichts nach dem Klageantrag zu 1 geworden sind.
In diesem auf die konkrete Verletzungsform beschränkten Antrag ist das Unterlassungsbegehren hinreichend konkret bestimmt. Es richtet sich dagegen, daß der Beklagte ohne Zulassung i.S. von § 126 SGB V die Hilfsmittel an Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung abgibt, die sich auf ihren Versicherungsschutz berufen und die Leistungen nicht privat in Anspruch nehmen. Zwischen den Parteien ist auch nicht umstritten, daß es sich bei den im Klageantrag zu 1 im einzelnen angeführten Produkten um orthopädische Hilfsmittel handelt.

d) Das Berufungsgericht hat für das in diesem Sinne (vgl. vorstehend Abschnitt II 1c) beschränkte Unterlassungsbegehren das Rechtsschutzbedürf-
nis verneint. Dem kann nicht beigetreten werden. Auch wenn sich der auf die konkrete Verletzungsform beschränkte Unterlassungsantrag zu 2 lediglich auf die orthopädischen Hilfsmittel bezieht, die der Klageantrag zu 1 erfaßt, liegt den Anträgen ein unterschiedlicher Streitgegenstand zugrunde. Den Klageantrag zu 1 hat die Klägerin auf einen vermeintlichen Verstoß gegen § 25 ApoBetrO gestützt; das Unterlassungsbegehren nach dem Klageantrag zu 2 hat sie mit einer fehlenden Zulassung des Beklagten als Leistungserbringer nach § 126 SGB V begründet.
Die Entscheidung über den rechtskräftig abgewiesenen Klageantrag zu 1 entfaltet auch keine Bindungswirkung hinsichtlich des Klageantrags zu 2, weil es sich um einen anderen Streitgegenstand handelt und auch keine Vorgreiflichkeit der Abweisung des Klageantrags zu 1 für die Beurteilung des weiterverfolgten Unterlassungsanspruchs gegeben ist (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.1993 - III ZR 43/92, NJW 1993, 3204, 3205).
2. Der mit dem Klageantrag zu 2 geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG i.V. mit § 126 SGB V besteht nicht.
Nach § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB V dürfen Hilfsmittel an Versicherte gesetzlicher Krankenkassen nur von zugelassenen Leistungserbringern abgegeben werden. Für die Leistungserbringung zuzulassen ist gemäß § 126 Abs. 1 Satz 2 SGB V, wer eine ausreichende, zweckmäßige, funktionsgerechte und wirtschaftliche Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel gewährleistet und die für die Versorgung der Versicherten geltenden Vereinbarungen anerkennt.
Ob der Beklagte mit der Abgabe von orthopädischen Hilfsmitteln diese Bestimmung verletzt hat, weil er nicht über die notwendige Zulassung nach dieser Vorschrift verfügte, kann dahinstehen. Ein Verstoß gegen § 126 SGB V würde keine wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit nach § 1 UWG begründen.
Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kommt ein Anspruch aus § 1 UWG in Fällen, in denen ein Verhalten gegen ein Gesetz verstößt, nur dann in Betracht, wenn von dem Gesetzesverstoß zugleich eine unlautere Störung des Wettbewerbs auf dem Markt ausgeht. Es muß daher anhand einer am Schutzzweck des § 1 UWG auszurichtenden Würdigung des Gesamtcharakters des Verhaltens geprüft werden, ob dieses durch den Gesetzesverstoß das Gepräge eines wettbewerbsrechtlich unlauteren Verhaltens bekommt. Der Gesetzesverstoß kann dazu allein nicht genügen, wenn die verletzte Norm nicht zumindest auch eine - entsprechend dem Normzweck des § 1 UWG - auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion hat (vgl. BGHZ 150, 343, 347 f. - Elektroarbeiten; BGH, Urt. v. 26.9.2002 - I ZR 293/99, GRUR 2003, 164, 165 = WRP 2003, 262 - Altautoverwertung; Urt. v. 15.5.2003 - I ZR 292/00, GRUR 2003, 969, 970 = WRP 2003, 1350 - Ausschreibung von Vermessungsleistungen ; Urt. v. 3.7.2003 - I ZR 211/01, GRUR 2003, 971, 972 = WRP 2003, 1347 - Telefonischer Auskunftsdienst).
Diese Schutzfunktion fehlt der Bestimmung des § 126 SGB V. Denn durch die Neufassung des § 69 SGB V aufgrund des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV - Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2626) sind die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände u.a. zu Ärzten, Zahnärzten , Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden abschließend im Vierten Kapitel des SGB V (§§ 69-140h) so-
wie in den §§ 63, 64 SGB V geregelt. Nach § 69 Satz 4 SGB V gilt dies auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen die Rechte Dritter betroffen sind. Durch den neu gefaßten § 69 SGB V hat der Gesetzgeber die im Vierten Kapitel des SGB V angeführten Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern , auch soweit sich daraus Rechte Dritter ergeben, ausschließlich sozialversicherungsrechtlich und nicht privatrechtlich geregelt und damit betroffenen Dritten den Rechtsschutz nach dem UWG entzogen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 14/1245, S. 68; BSG NJW-RR 2002, 1691, 1693; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 69 SGB V Rdn. 2; Kasseler Kommentar/Hess, § 69 SGB V Rdn. 3; kritisch: Wannagat /Lindemann, SGB, § 69 SGB V Rdn. 21). Dies schließt auch Fallgestaltungen wie im Streitfall ein, in denen durch die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu einer Apotheke nach § 126 SGB V das Verhältnis zweier Leistungserbringer (Apotheke und Sanitätshaus) betroffen ist. Der Bestimmung des § 126 SGB V kommt daher nach der Neufassung des § 69 SGB V keine wettbewerbsrechtliche Schutzfunktion zu.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
v. Ungern-Sternberg RiBGH Prof. Starck ist in Bornkamm den Ruhestand getreten und daher verhindert zu unterschreiben. v. Ungern-Sternberg
Büscher Schaffert

(1) Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94. Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden werden abschließend in diesem Kapitel, in den §§ 63, 64 und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, dem Krankenhausentgeltgesetz sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Für die Rechtsbeziehungen nach den Sätzen 1 und 2 gelten im Übrigen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind.

(2) Die §§ 1 bis 3 Absatz 1, die §§ 19 bis 21, 32 bis 34a, 48 bis 81 Absatz 2 Nummer 1, 2 Buchstabe a und Nummer 6 bis 11, Absatz 3 Nummer 1 und 2 sowie die §§ 81a bis 95 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gelten für die in Absatz 1 genannten Rechtsbeziehungen entsprechend. Satz 1 gilt nicht für Verträge und sonstige Vereinbarungen von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern oder deren Verbänden, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind. Satz 1 gilt auch nicht für Beschlüsse, Empfehlungen, Richtlinien oder sonstige Entscheidungen der Krankenkassen oder deren Verbände, zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind, sowie für Beschlüsse, Richtlinien und sonstige Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, zu denen er gesetzlich verpflichtet ist.

(3) Auf öffentliche Aufträge nach diesem Buch sind die Vorschriften des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden.

(4) Bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach den §§ 63 und 140a über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014, die im Rahmen einer heilberuflichen Tätigkeit erbracht werden, kann der öffentliche Auftraggeber abweichend von § 119 Absatz 1 und § 130 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowie von § 14 Absatz 1 bis 3 der Vergabeverordnung andere Verfahren vorsehen, die die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung gewährleisten. Ein Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb und ohne vorherige Veröffentlichung nach § 66 der Vergabeverordnung darf der öffentliche Auftraggeber nur in den Fällen des § 14 Absatz 4 und 6 der Vergabeverordnung vorsehen. Von den Vorgaben der §§ 15 bis 36 und 42 bis 65 der Vergabeverordnung, mit Ausnahme der §§ 53, 58, 60 und 63, kann abgewichen werden. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen berichtet dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 17. April 2019 über die Anwendung dieses Absatzes durch seine Mitglieder.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 30. August 2016 (L 3 KA 2/16 WA) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche wegen Wettbewerbsverletzung geltend.

2

Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) bestehend aus drei Fachärzten für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie, die in N. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind.

3

Der Beklagte ist ebenfalls als Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Bescheid vom 23.10.2003 erteilte ihm die beigeladene KÄV die Genehmigung zur Durchführung besonderer Versorgungsaufträge in eigener Dialysepraxis - in gemeinschaftlicher Ausübung mit Dr. R. B. gemäß § 8 der Anlage 9.1 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) für den Praxissitz "W., 66 H." sowie für die ausgelagerte Praxisstätte LC-Einheit N. in der H. straße , 66 N., und eine ausgelagerte Praxisstätte in S., mit der Maßgabe, dass in den ausgelagerten Praxisstätten ausschließlich Patienten der zentralisierten Heimdialyse behandelt werden. Der Bescheid enthielt den Zusatz, dass die erteilte Genehmigung zur Durchführung besonderer Versorgungsaufträge bei Ausscheiden aus der Dialysepraxis "mit Datum der Beendigung der Niederlassung am Praxisort" erlösche.

4

Im April des Jahres 2011 teilte der Beklagte der Beigeladenen mit, dass er seine bis dahin bestehende BAG mit Dr. B. zum 30.9.2011 beenden werde und die Verlegung seines Praxissitzes in die S. Straße , I. zum 1.10.2011 beantrage. Gleichzeitig beantragte er die Erteilung eines nephrologischen Versorgungsauftrags für den neuen Praxissitz in I. Mit Bescheid vom 31.5.2011 erteilte die Beigeladene dem Beklagten die beantragte Genehmigung zur Übernahme eines Versorgungsauftrags für die Behandlung von maximal 30 Patienten mit Blutreinigungsverfahren in I. Gegen diesen Bescheid wandte sich ua die Klägerin des vorliegenden Verfahrens, die mit ihrem Begehren im Revisionsverfahren Erfolg hatte (Urteil des Senats vom heutigen Tage zum Az B 6 KA 20/16 R).

5

Während des Laufs des den Genehmigungsbescheid vom 31.5.2011 betreffenden Klageverfahrens wurde die Dialysepraxis des Beklagten in I. betrieben, nachdem die beigeladene KÄV die sofortige Vollziehung angeordnet hatte. Der dagegen gerichtete Antrag der Klägerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes blieb vor dem SG (S 2 KA 11/11 ER) und dem LSG (L 3 KA 6/11 B ER) ohne Erfolg. Gegenstand des Verfahrens um die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 31.5.2011 war auch die Frage, ob die mit diesem Bescheid erteilte Genehmigung den Betrieb der ausgelagerten Praxisstätte in N. einschließen würde. Dazu vertrat die beigeladene KÄV in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Auffassung, dass dem Beklagten gestattet worden sei, den ihm bereits mit Bescheid vom 23.10.2003 erteilten Versorgungsauftrag fortzuführen. Die im Bescheid vom 23.10.2003 genehmigte ausgelagerte Praxisstätte müsse nicht noch einmal neu genehmigt werden.

6

Auf eine Mitteilung des Beklagten und seines damaligen Praxispartners Dr. B. aus August 2011, nach der die Versorgung der in N. betreuten Patienten ab dem 1.10.2011 von dem Beklagten in Einzelpraxis übernommen und eine Verlängerung der Genehmigung für diesen Standort um zehn Jahre beantragt werde, teilte die Beigeladene gegenüber der A. Heimdialyse mit, dass die Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte in N. unbefristet erteilt worden sei und es deshalb keiner Verlängerung um weitere zehn Jahre bedürfe.

7

Mit ihrer Klage hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten die Unterlassung der Durchführung von Dialysen in N. sowie in der Stufenklage Auskunftserteilung sowie Schadensersatz geltend gemacht. Die Behandlung von Patienten durch den Beklagten erfolge zu Unrecht, da sich der Genehmigungsbescheid vom 31.5.2011 nicht auf die Durchführung von Dialysebehandlungen in N. beziehe. In Anwendung der Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) habe sie einen Unterlassungsanspruch, weil die rechtswidrigen Dialysebehandlungen des Beklagten in N. unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne dieses Gesetzes darstellten. Die Genehmigung sei dem Beklagten lediglich für die Praxis in I. erteilt worden.

8

Das SG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Beklagte mit dem Betrieb der Praxisstätte in N. nicht gegen das Genehmigungserfordernis nach § 4 Abs 3 Anlage 9.1 BMV-Ä verstoße. Zwar folge die Genehmigung nicht mehr aus dem Bescheid vom 23.10.2003, weil diese sich auf den Hauptsitz der Praxis in H. und die ausgelagerte Praxisstätte zu dieser Praxis beziehe. Allerdings ergebe sich die Genehmigung unter Berücksichtigung des geführten Schriftverkehrs aus dem dem Beklagten erteilten Bescheid vom 31.5.2011.

9

Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin hat das LSG zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Rechtsprechung des 6. Senats des BSG zur Anwendbarkeit der Bestimmungen des UWG bezogen auf Schadensersatzansprüche konkurrierender Leistungserbringer nicht gefolgt werden könne. Jedenfalls könne diese Rechtsprechung nicht auf Schadensersatzansprüche zwischen Vertragsärzten übertragen werden. Den KÄVen werde durch die gesetzlichen Vorschriften der §§ 72 ff SGB V die öffentliche Aufgabe übertragen, die medizinische Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherten sicherzustellen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe bediene sie sich zugelassener Vertragsärzte. Im Hinblick auf diesen öffentlich-rechtlichen Charakter der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung seien wettbewerbsrechtliche Ansprüche von Vertragsärzten untereinander von vornherein ausgeschlossen. Dafür spreche auch, dass der KÄV nach § 81 Abs 5 SGB V die Verpflichtung obliege, im Satzungswege die Voraussetzungen und das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder zu bestimmen, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllten. Hierbei liege Funktion und Zweck des Disziplinarrechts in der Aufrechterhaltung einer geordneten Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung, die ohne Pflichtenverstoß erreicht werden solle. Die Befugnis und Verpflichtung, Verstöße zu ahnden, obliege dem Disziplinarausschuss. Selbst wenn der Klägerin ein aus Wettbewerbsrecht herrührender Anspruch grundsätzlich zustehen würde, wären die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 UWG vorliegend nicht erfüllt, weil von unlauteren geschäftlichen Handlungen des Beklagten durch den Betrieb der ausgelagerten Praxisstätte in N. nicht ausgegangen werden könne. Dabei sei zu berücksichtigen, dass dem Beklagten keine Erstzulassung im Bezirk der beigeladenen KÄV erteilt worden sei, sondern dass er die bereits im Jahr 2003 erteilte Berechtigung an den neuen Sitz der Praxis in I. mitgenommen habe. Daher könne in dem Weiterbetrieb der ausgelagerten Praxisstätte in N. keine unlautere geschäftliche Handlung iS des § 3 Abs 1 UWG gesehen werden, wobei für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung unerheblich sei, ob dem Beklagten eine ausdrückliche Genehmigung zum Weiterbetrieb der ausgelagerten Praxisstätte erteilt worden sei und ob dies - wegen der möglichen Weitergeltung der bereits im Jahr 2003 erteilten Genehmigung - überhaupt nicht erforderlich gewesen sei.

10

Selbst wenn mit der Klägerin von einem Vorrang der klagenden BAG im Verhältnis zu dem Beklagten auszugehen wäre, wäre die auf Bestimmungen des UWG gestützte Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzklage nicht begründet. Die beigeladene KÄV habe als die für die Erteilung einer Genehmigung zuständige Behörde die Auffassung vertreten, dass die dem Beklagten mit Bescheid vom 23.10.2003 erteilte Genehmigung weiterhin Grundlage für dessen Tätigkeit in der ausgelagerten Praxisstätte sei. Da sich der Beklagte damit auf die kundgetane Rechtsauffassung der zuständigen Genehmigungsbehörde berufen könne, könne sein hierauf gestütztes Verhalten auch dann keine "unlautere geschäftliche Handlung" iS des § 3 Abs 1 UWG sein, wenn die erteilte Genehmigung im Nachhinein im gerichtlichen Verfahren als rechtswidrig beurteilt werde.

11

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht in Gestalt von Vorschriften des UWG sowie der Anlage 9.1 BMV-Ä. Das LSG gehe zu Unrecht davon aus, dass die vertragsärztliche Tätigkeit aufgrund des Umstands, dass diese der Sicherstellung der Versorgung der Versicherten diene, als hoheitliches Handeln zu qualifizieren sei, welches der wettbewerblichen Kontrolle nach dem UWG entzogen sei. Der Vertragsarzt sei nicht "Verwaltungshelfer" seiner KÄV und seine Tätigkeit sei auch keine hoheitliche, die nach Weisung der KÄV verrichtet werde. Dies werde durch die Rechtsprechung des BGH bestätigt, der den Vertragsarzt nicht als "Amtsträger" im strafrechtlichen Sinne einordne. Der Vertragsarzt übe seine Tätigkeit freiberuflich aus und die vertragsärztliche Behandlung werde überwiegend durch das persönliche Verhältnis zum Patienten geprägt. Zwischen Vertragsarzt und Patient komme ein zivilrechtliches Behandlungsverhältnis zustande. Mit der Rechtsprechung des 6. Senats des BSG sei davon auszugehen, dass das UWG auch im Verhältnis zwischen konkurrierenden Leistungserbringern Anwendung finde. Der Umstand, dass hier das Verhältnis zwischen verschiedenen Vertragsärzten und nicht - wie in den der bisherigen Rechtsprechung des BSG zugrunde liegenden Fällen - das Verhältnis von Vertragsärzten zu Krankenhäusern oder Krankenhausärzten zu beurteilen sei, stehe der Anwendung des UWG nicht entgegen. Entgegen der Auffassung des LSG schlössen auch disziplinarische Befugnisse der KÄVen Wettbewerbsansprüche der Disziplinarunterworfenen im Verhältnis zueinander nicht aus. Dies folge schon daraus, dass beide Instrumente - Disziplinarmaßnahme und wettbewerbsrechtlicher Anspruch - unterschiedliche Zwecke verfolgten. Während das Disziplinarrecht und die daraus folgende Disziplinargewalt der KÄV die Leistungserbringer zur Einhaltung ihrer vertragsärztlichen Pflichten anhalte und letztlich - objektiv-rechtlich - eine normenkonforme Leistungserbringung gewährleisten solle, diene das Wettbewerbsrecht dem Schutz der Mitbewerber vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Dass disziplinarische Sanktionsmöglichkeiten Wettbewerbsansprüchen nicht entgegenstünden, sei auch für andere Berufsgruppen wie die der Rechtsanwälte anerkannt. Berufliche Selbstverwaltungskörperschaften seien nicht selten von Standesdenken, falscher Rücksichtnahme oder einem übermäßigen Näheverhältnis der involvierten Kollegen geprägt. Angesichts dieser Gefahren wäre es nicht sachgerecht, dem von unlauterem Wettbewerb betroffenen Mitbewerber eigene Handlungsmöglichkeiten zu versagen. Wettbewerbliche Ansprüche könnten unabhängig davon geltend gemacht werden, ob zwischen den Mitbewerbern ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis und damit eine Drittklagebefugnis bestünde. Selbst wenn aber eine Drittklagebefugnis gegen eine nicht vorhandene Genehmigung als Voraussetzung eines Abwehranspruchs nach dem UWG anzusehen wäre, wäre diese Voraussetzung hier erfüllt. Rechtsgrundlage für die Erteilung von Nebenbetriebsstättengenehmigungen neu errichteter Dialysepraxen sei § 4 Abs 3 Anlage 9.1 BMV-Ä. In der Rechtsprechung des BSG sei anerkannt, dass diese Genehmigungsnorm drittschützend sei.

12

Der Umstand, dass die Beigeladene als Genehmigungsbehörde eine Genehmigung als Voraussetzung für die Durchführung von Dialysen in N. nicht für erforderlich halte, stehe einem Unterlassungsanspruch nicht entgegen. Ausschlaggebend sei, dass die tatsächlich erforderliche Genehmigung nicht erteilt worden sei. Auf ein Verschulden des Beklagten komme es insoweit nicht an.

13

Auch die Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs seien erfüllt. Zwar hänge der Anspruch auf Schadensersatz vom Verschulden des Beklagten ab. Insoweit genüge jedoch Fahrlässigkeit. Fahrlässig handele auch, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewege, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen müsse. Der Handelnde sei vom Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht frei, wenn er sich einfach auf die ihm günstige Ansicht stütze, ohne die für ihn ungünstige Rechtsauffassung ernsthaft in Betracht zu ziehen. Bei Anlegung dieser Maßstäbe befinde sich die anwaltlich beratene beklagte Dialysepraxis in einem vermeidbaren und damit fahrlässig verschuldeten Rechtsirrtum, wenn sie meine, sie verfüge über eine vollzugsfähige statusähnliche Genehmigung, die sich auch auf die Betriebsstätte in N. beziehe. Zwar dürfe der Marktteilnehmer im Regelfall auf die Richtigkeit einer von ihm begehrten behördlichen Auskunft durch die zuständige Behörde vertrauen. Diese Grundsätze würden aber nicht uneingeschränkt gelten. Die Fahrlässigkeit entfalle nicht, wenn der Wettbewerber die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens kenne und sich dieser Einsicht bewusst verschließe oder auf die Haltung der Verwaltungsbehörden in unlauterer Weise eingewirkt habe. Darüber hinaus seien nur Auskünfte der materiell zuständigen Behörde relevant. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Beigeladene zwar formal für die Erteilung der Genehmigung zuständig sei. Sie dürfe diese aber nur im Einvernehmen mit den zuständigen Verbänden der Krankenkassen auf Landesebene erteilen. Damit liege die Verantwortung für die Genehmigung von Dialysebetriebsgenehmigungen nicht allein bei der Beigeladenen, sondern sie sei gemeinsame Aufgabe der Beigeladenen und der Landesverbände der Krankenkassen. Der Beklagte habe bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen können, dass die beigeladene KÄV den erteilten "Freibrief" nicht "eigenmächtig" hätte ausstellen dürfen. Darüber hinaus sei die von der beigeladenen KÄV geäußerte Rechtsauffassung so offenkundig einseitig und fehlerhaft, dass sie sich als ungeeignet darstelle, einen fahrlässigen Rechtsirrtum auf Seiten des Beklagten auszuschließen.

14

Die Klägerin beantragt,

1.    

die Urteile des LSG für das Saarland vom 30.8.2016 - L 3 KA 2/16 WA - und des SG für das Saarland vom 23.5.2012 aufzuheben,

2.    

den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines in jedem Fall der Wiederholung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250 000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder es bei Meidung einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten zu unterlassen, ohne die erforderliche, vollziehbare vertragsarztrechtliche Genehmigung im Sinne von § 4 Abs 3 Anlage 9.1 BMV-Ä für die in § 2 Abs 1 Anlage 9.1 BMV-Ä definierten Gruppen gesetzlich versicherten Patienten Behandlungen mit Blutreinigungsverfahren (Dialyse) in den Räumen der A. Heimdialyse in der H. straße in 66 N. anzubieten und durchzuführen,

3.    

den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskünfte zu erteilen, wie viele gesetzlich versicherte Patienten der in § 2 Abs 1 Anlage 9.1 BMV-Ä definierten Patientengruppen in den Räumen der A. Heimdialyse in der H. straße in 66 N. wie oft mit Blutreinigungsverfahren seit dem 1.10.2011 durch den Beklagten behandelt und welche Abrechnungsziffern des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs ("EBM") in der jeweils gültigen Fassung für diese Behandlung gesetzlich Versicherter bei der Beigeladenen abgerechnet wurden oder noch abzurechnen sind,

4.    

den Beklagten zu verurteilen, in einem nach Erteilung der Auskunft (iSv Ziffer 3) zu bestimmenden Höhe Schadensersatz zzgl Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung an die Klägerin zu zahlen.

15

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

16

Wenn man der Ansicht folgen würde, dass auch der persönlich erteilte Versorgungsauftrag in einer Praxis verbleibe, dann in der Praxis, in der die bisherige Tätigkeit fortgeführt werde. Hierbei könne nicht die Adresse entscheidend sein, sondern nur die handelnde Person. Eine BAG, in der der ihm erteilte Versorgungsauftrag hätte verbleiben können, existiere nicht mehr, nachdem er seinen Praxissitz nach I. verlegt und sein ehemaliger Praxispartner Dr. B. zugunsten einer Tätigkeit als Angestellter im MVZ S. auf seine Zulassung verzichtet habe. Die Frage, ob das UWG Anwendung finde, müsse deshalb nicht mehr entschieden werden. Voraussetzung für einen Anspruch des Klägers wäre aber jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten. Sowohl die für Vertragsarztsachen zuständige Kammer des SG für das Saarland als auch der Fachsenat des LSG für das Saarland hätten festgestellt, dass er die Genehmigung besitze, in N. Dialyse zu betreiben. Es liege auf der Hand, dass er in einem solchen Fall nicht schuldhaft gehandelt haben könne.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

18

A. Die Eröffnung des Rechtswegs zu den Sozialgerichten folgt bereits daraus, dass das SG ihn als gegeben angesehen hat und dies gemäß § 17a Abs 5 GVG von den weiteren Instanzen im Rechtsmittelzug nicht mehr in Frage gestellt werden kann(vgl BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 15 mwN). Die Bindungswirkung des § 17a Abs 5 GVG greift hier ein, weil das SG über das Klagebegehren der Klägerin in der Sache entschieden und den Rechtsweg zu den Sozialgerichten(§ 51 SGG) somit inzident für gegeben erachtet hat.

19

Im Übrigen ist die Bejahung des Rechtswegs zu den Sozialgerichten für Streitigkeiten der vorliegenden Art auch inhaltlich zutreffend, weil die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände ua zu den Ärzten gemäß § 69 Abs 1 Satz 1 SGB V abschließend im Vierten Kapitel des SGB V sowie in §§ 63 und 64 SGB V geregelt werden. Dies gilt nach § 69 Abs 1 Satz 4 SGB V auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Dritte betroffen sind. Die Vorschrift ist mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22.12.1999 (BGBl I 2626) gerade mit dem Ziel eingeführt worden klarzustellen, dass auch die sich aus den Rechtsbeziehungen ergebenden Rechte Dritter sozialversicherungsrechtlicher bzw verwaltungsrechtlicher Natur sind (BT-Drucks 14/1245 S 68, zu Nr 29; vgl Engelmann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 69 RdNr 34 Fußnote 21). Im Übrigen haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach § 51 Abs 1 Nr 2, Abs 2 Satz 1 SGG über Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung auch dann zu entscheiden, wenn sie privatrechtliche Streitigkeiten betreffen und auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Damit sind die Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V - mit Ausnahme der nach § 51 Abs 3 SGG ausgenommenen Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Rechtsbeziehungen nach § 69 SGB V betreffen - umfassend den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen, auch soweit die Rechtsbeziehungen der Leistungserbringer untereinander betroffen sind (BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 17).

20

B. Die gegenüber dem Beklagten geltend gemachten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche stehen der Klägerin nicht zu. Zwar hat der Beklagte die ausgelagerte Praxisstätte in N. ohne die erforderliche Erlaubnis betrieben (1). Eine unmittelbare Anwendung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften ist jedoch gesetzlich ausgeschlossen, auch soweit die Rechtsbeziehungen Dritter betroffen sind (2). Eine besondere Konstellation, in der das Gebot des effektiven Rechtsschutzes eine entsprechende Anwendung allgemeiner Regelungen des Wettbewerbsrechts ausnahmsweise gebieten könnte, liegt hier jedenfalls nicht vor (3). Im Übrigen würden die geltend gemachten Ansprüche auch bei entsprechender Anwendung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften nicht bestehen (4).

21

1. Den geltend gemachten Ansprüchen auf Unterlassung und auf Schadensersatz steht nicht bereits entgegen, dass die Erbringung und Abrechnung von Dialyseleistungen durch den Beklagten in der ausgelagerten Praxisstätte in N. rechtmäßig gewesen wäre. Das folgt bereits aus dem Umstand, dass die dem Beklagten erteilte Genehmigung für den Hauptsitz der Praxis in I. rechtswidrig war. Die mit Bescheid der Beigeladenen vom 31.5.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2012 für den Hauptsitz erteilte Genehmigung ist mit dem unter dem Az B 6 KA 20/16 R ergangenen Urteil des Senats vom heutigen Tage aufgehoben worden. Aufgrund der Akzessorietät der Genehmigung einer Zweigpraxis (vgl BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 7/14 R - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 5 RdNr 32; BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 29) oder einer ausgelagerten Praxisstätte (zur Unterscheidung vgl BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 23/14 R - SozR 4-5520 § 32 Nr 5 RdNr 21 ff; BSG Urteil vom 12.9.2001 - B 6 KA 64/00 R - SozR 3-2500 § 135 Nr 20) fehlt damit auch die Grundlage für eine rechtmäßige Erbringung von Dialyseleistungen durch den Beklagten in I.

22

Im Übrigen bedarf die Durchführung von Versorgungsaufträgen in einer Zweigpraxis oder in einer ausgelagerten Praxisstätte nach § 4 Abs 3 Anlage 9.1 BMV-Ä, Abs 1 Satz 1 Anhang 9.1.5 der Anlage 9.1 BMV-Ä einer Genehmigung. Eine solche Genehmigung hat die beigeladene KÄV zwar gegenüber dem Beklagten mit Bescheid vom 23.10.2003 zusammen mit der Genehmigung für die Durchführung von Dialysen am Praxissitz im W. , 66 H. erteilt. Wie der Senat in der am heutigen Tage in der zum Az B 6 KA 20/16 R ergangenen Entscheidung im Einzelnen dargelegt hat, konnte der Beklagte die mit Bescheid vom 23.10.2003 erteilte Genehmigung nach seinem Ausscheiden aus der gemeinsam mit Dr. B. betriebenen BAG wegen der Bindung an den Praxisstandort nicht in seine neue Praxis in I."mitnehmen". Dies gilt in gleicher Weise für die in demselben Bescheid erteilte Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte in N. Eine weitere Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte in N. ist dem Beklagten nicht erteilt worden. Die erteilte Genehmigung für den Praxissitz in I. vom 31.5.2011 umfasste keine ausgelagerte Praxisstätte und allein der geführte Schriftwechsel um das Ausscheiden des Beklagten aus der BAG mit Dr. B. kann entgegen der Auffassung des SG nicht als Genehmigungsbescheid gewertet werden. Dem steht insbesondere der Umstand entgegen, dass die Beigeladene die Erteilung einer erneuten, die ausgelagerte Praxisstätte in N. betreffenden Genehmigung nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der Gemeinschaftspraxis mit Dr. B. nicht für erforderlich gehalten hat. An dieser Auffassung hat sie im sozialgerichtlichen Verfahren ausdrücklich festgehalten. Unter diesen Umständen kann den Schreiben der Beigeladenen keine die ausgelagerte Praxisstätte des Beklagten betreffende Regelung entnommen werden. Ohne einen nach außen erkennbaren Regelungswillen kann kein Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X erlassen und damit auch keine Genehmigung erteilt worden sein.

23

2. Soweit die Klägerin wegen des Betriebs der ausgelagerten Praxisstätte Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche in unmittelbarer Anwendung von Vorschriften des UWG oder des BGB geltend machen möchte, steht dem jedoch § 69 SGB V entgegen. Nach § 69 Abs 1 Satz 1 SGB V werden die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94 SGB V abschließend durch das Vierte Kapitel des SGB V sowie §§ 63, 64 SGB V geregelt. Dies gilt nach § 69 Abs 1 Satz 4 SGB V auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind. Die Vorschriften des BGB gelten für diese Rechtsbeziehungen gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V ebenfalls nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend und auch nur, soweit sie mit den Vorgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Mit dieser durch das mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 eingeführten Regelung hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung, nach der Handlungen der Krankenkassen, die den Versicherten gegenüber als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren sind, im Hinblick auf mögliche wettbewerbswidrige Auswirkungen auch privatrechtlich einzuordnen sind und damit dem Wettbewerbs- und Kartellrecht unterliegen können (vgl BGH Urteil vom 18.12.1981 - I ZR 34/80 - BGHZ 82, 375, 382 = NJW 1982, 2117; GmSOGB Beschluss vom 29.10.1987 - GmS-OGB 1/86, BGHZ 102, 280 = SozR 1500 § 51 Nr 47), die Grundlage entzogen (vgl die Gesetzesbegründung zum GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000, BT-Drucks 14/1245 S 68; ebenso: BSGE 89, 24, 32 f = SozR 3-2500 § 69 Nr 1; BGH Urteil vom 23.2.2006 - I ZR 164/03 - NJW-RR 2006, 1046, RdNr 23; vgl bereits BSGE 87, 95, 99 = SozR 3-2500 § 35 Nr 1).

24

Deshalb kann die Anwendung des Wettbewerbsrechts entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht damit begründet werden, dass der Vertragsarzt nicht als Verwaltungshelfer der Krankenkasse oder der KÄV tätig werde, sondern eine freiberufliche Tätigkeit ausübe (zur ärztlichen Tätigkeit in freier Praxis vgl zuletzt BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 6 KA 38/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen für BSGE und SozR, RdNr 102; BSG Urteil vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 37 f). Soweit es um Handlungen in Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags nach dem SGB V geht, bezieht sich § 69 SGB V ganz unabhängig davon auch auf die Beziehungen der Leistungserbringer untereinander, mit der Folge, dass der Rechtsschutz nach dem UWG auch für betroffene Dritte ausgeschlossen ist(BSG Urteil vom 25.9.2001 - B 3 KR 37/01 R - BSGE 89, 24, 32 f = SozR 3-2500 § 69 Nr 1; BSG Urteil vom 12.5.2005 - B 3 KR 32/04 R - SozR 4-2500 § 69 Nr 1 RdNr 17, Juris RdNr 24; BGH Urteil vom 23.2.2006 - I ZR 164/03 - NJW-RR 2006, 1046, RdNr 21 ff; BGH Urteil vom 2.10.2003 - I ZR 117/01 - NZS 2004, 478 = GesR 2004, 151; vgl BGH Beschluss vom 16.1.2008 - KVR 26/07 - BGHZ 175, 333 = NJW-RR 2008, 1426, 1427 = NZS 2008, 653, 654, RdNr 18).

25

Allerdings hat der Senat unmittelbar nach der Änderung des § 69 SGB V durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 in einer Entscheidung vom 28.6.2000 (B 6 KA 26/99 R - BSGE 86, 223, 229 f = SozR 3-2500 § 138 Nr 1) in Übereinstimmung mit Teilen der sozialrechtlichen Literatur (Engelmann, NZS 2000, 213, 221; Sodan/Adam, NZS 2006, 113, 114 ff; anders die inzwischen ganz überwiegende Auffassung, vgl zB Ebsen, ZSR 2000, 298, 307; Gassner, VSSR 2000, 121, 130 f; Knispel, NZS 2001, 466, 468 f; Guido Kirchhoff, SGb 2005, 499, 507 f; Peikert/Kroel, MedR 2001, 14, 19; Schwerdtfeger, PharmInd 2000, 106 ff, 185 ff; Wallrabenstein, NZS 2015, 48, 53; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl 2016, § 69 RdNr 3; Becker/Kingreen in dieselben, SGB V, 5. Aufl 2017, § 69 RdNr 44; Krauskopf in ders, Soziale Krankenversicherung, Stand Januar 2017, § 69 SGB V RdNr 24) die Auffassung vertreten, dass § 69 SGB V nur im Sinne einer Rechtswegzuweisung zu verstehen sei und jedenfalls kartellrechtliche Ansprüche von Leistungserbringern gegen Institutionen des Krankenversicherungsrechts nicht ausschließe. Daran hält der Senat nicht mehr fest, jedenfalls nachdem zunächst durch § 69 Abs 1 Satz 2 SGB V idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl l 378) und anschließend mit der Anfügung des § 69 Abs 2 SGB V durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) im Einzelnen geregelt worden ist, welche Vorschriften des GWB unter welchen Voraussetzungen - abweichend von dem in § 69 Abs 1 SGB V geregelten Grundsatz - auch auf das Verhältnis der Krankenkassen zu den Leistungserbringern nach dem SGB V entsprechende Anwendung finden. Eine über die in § 69 Abs 2 SGB V geregelten Ausnahmen hinausgehende Anwendung von Vorschriften des GWB ist in diesem Bereich ausgeschlossen(so im Ergebnis auch: BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 88 f; BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 3 KR 26/15 R - SozR 4-2500 § 132a Nr 10, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen, RdNr 53).

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Entsprechendes gilt für Vorschriften des UWG, für die § 69 Abs 2 SGB V von vornherein keine Ausnahme von dem in Abs 1 geregelten Grundsatz regelt. § 4 Abs 3 Satz 2 SGB V idF des Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 26.6.2013 (BGBl I 1738) regelt zwar Unterlassungsansprüche und sieht in diesem Zusammenhang eine entsprechende Anwendung von Vorschriften des UWG vor. Gegenstand ist aber nicht das im vorliegenden Fall maßgebende Verhältnis der Leistungserbringer, sondern allein das Verhältnis der Krankenkassen untereinander, und zwar beschränkt auf konkret bezeichnete Verfahrensvorschriften (§ 12 Abs 1 bis 3 UWG). Diese Bestimmungen zur Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften für spezielle - hier nicht vorliegende - Konstellationen bestätigen, dass das UWG für den Regelfall im Bereich der Leistungserbringung nach dem SGB V nicht zur Anwendung kommen kann. Damit übereinstimmend geht die Kommentarliteratur zum Lauterkeitsrecht soweit ersichtlich einheitlich davon aus, dass § 69 SGB V Ansprüche nach dem UWG ausschließt(vgl etwa Götting/Hetmank in Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht, 3. Aufl 2016, § 3a RdNr 72; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl 2017, § 3a RdNr 1.36; Link in Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl 2016, § 3a RdNr 59; Schaffert in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Aufl 2014, § 4 Nr 11 UWG RdNr 25). Die in § 69 SGB V geregelte Bereichsausnahme gilt zwar nur, soweit es gerade um Handlungen in Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags der Krankenkassen geht(BSG Urteil vom 23.3.2011 - B 6 KA 11/10 R - BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 43 mwN; verneinend bezogen auf die Zusammenschlusskontrolle bei Krankenhausfusionen: BGH Beschluss vom 16.1.2008 - KVR 26/07 - BGHZ 175, 333 = NZS 2008, 653). Gerade darum geht es hier aber bei der Frage, ob der Beklagte Dialyseleistungen in der ausgelagerten Praxisstätte in N. für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen und gegenüber der KÄV abrechnen darf.

27

3. Soweit der Senat in einer Entscheidung vom 25.11.1998 (B 6 KA 75/97 R - BSGE 83, 128, 131 ff = SozR 3-2500 § 116 Nr 17 S 84 ff) § 1 UWG auf das Verhältnis eines Vertragsarztes zu einem ermächtigten Arzt angewandt und dem Vertragsarzt auf dieser Grundlage einen Schadensersatzanspruch zuerkannt hat, ist diese Entscheidung durch die oben dargestellte Änderung des § 69 SGB V mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 überholt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Senat seine Rechtsprechung, nach der im Rahmen einer defensiven Konkurrentenklage durch niedergelassene Vertragsärzte lediglich eine Überprüfung auf gravierende Rechtsverstöße (Willkür) erfolgt (vgl BSG Urteil vom 29.9.1999 - B 6 KA 30/98 R - SozR 3-1500 § 54 Nr 40) im Anschluss an eine dazu ergangene Entscheidung des BVerfG vom 17.8.2004 (1 BvR 378/00 - SozR 4-1500 § 54 Nr 4) aufgegeben hat. Ausgehend von dem Urteil vom 7.2.2007 (B 6 KA 8/06 R - BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10) hat der Senat in den folgenden Jahren in einer Reihe von Entscheidungen geklärt, unter welchen Voraussetzungen Vertragsärzte berechtigt sind, zugunsten anderer Ärzte ergangene Entscheidungen der zuständigen Körperschaften bzw Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung mit dem Ziel der Abwehr rechtswidriger Konkurrenz anzufechten (vgl BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 6 KA 42/06 R - BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4; BSG Urteil vom 17.6.2009 - B 6 KA 25/08 R - BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 19; BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3; zuletzt BSG Urteil vom 28.10.2015 - B 6 KA 43/14 R - SozR 4-5540 § 6 Nr 2; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 6 KA 40/14 R - SozR 4-1500 § 54 Nr 39; BSG Urteil vom 3.8.2016 - B 6 KA 20/15 R - zur Veröffentlichung für SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 7 vorgesehen).

28

Damit ist die Rechtfertigung für die an sich systemfremde Heranziehung wettbewerbsrechtlicher Grundsätze jedenfalls weitgehend entfallen. Der Senat stellt deshalb klar, dass in Fällen, in denen eine Drittanfechtungsbefugnis in unmittelbarer Anwendung sozialrechtlicher Vorschriften besteht, eine ergänzende Anwendung wettbewerbsrechtlicher Grundsätze ausgeschlossen ist. Maßgeblich ist dabei nicht, ob es dem Betroffenen tatsächlich gelungen ist, die Begünstigung des Konkurrenten zu verhindern oder wieder zu beseitigen, sondern allein, ob effektiver Rechtsschutz gewährleistet war. Zur Kompensation einer unterlassenen oder im Ergebnis erfolglosen Inanspruchnahme gerichtlichen Primärrechtsschutzes, insbesondere von einstweiligem Rechtsschutz nach § 86b SGG, steht das Instrument wettbewerbsrechtlicher Ansprüche unter vertragsärztlichen Leistungserbringern von vornherein nicht zur Verfügung.

29

Soweit nach den vertragsarztrechtlichen Grundsätzen Drittrechtsschutz gegenüber der als rechtswidrig angesehenen Begünstigung von Konkurrenten nicht in Betracht kommt, weil den maßgeblichen Normen keine drittschützende Wirkung zukommt, bleibt es dabei grundsätzlich auch für das Rechtsverhältnis der Leistungserbringer untereinander: Soweit etwa ein Arzt den Honorarbescheid eines anderen Arztes nicht mit der Begründung anfechten kann, die KÄV habe zu Unrecht fachfremde Leistungen vergütet oder einen Fachkundenachweis auf der Grundlage des § 135 Abs 2 SGB V zu Unrecht als geführt angesehen, kann der Arzt sein Ziel, nämlich ein entsprechendes Abrechnungsverhalten des Konkurrenten zu verhindern, auch nicht über eine entsprechende Anwendung von Vorschriften des UWG oder des BGB erreichen. Vielmehr bleibt es dabei, dass weder die Verletzung nur wirtschaftlicher Interessen noch die Verletzung von Rechtssätzen, die lediglich Reflexwirkung haben, eine Anfechtungsberechtigung zu begründen vermögen (vgl BSG Urteil vom 7.2.2007 - B 6 KA 8/06 R - BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, RdNr 21; BVerfG Beschluss vom 23.5.2006 - 1 BvR 2530/04 - BVerfGE 116, 1, 11 mwN).

30

Zutreffend weist die Klägerin allerdings darauf hin, dass der Senat auch noch in einer Entscheidung vom 23.3.2011 (B 6 KA 11/10 R - BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3)Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche von Leistungserbringern nach dem SGB V in Anwendung wettbewerbsrechtlicher Grundsätze bejaht hat. Indes hat der Senat in dieser Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass § 69 SGB V auch im Verhältnis der Leistungserbringer untereinander zu beachten ist(vgl aaO RdNr 43). Im Hinblick darauf hat der Senat Vorschriften des UWG nicht unmittelbar angewandt, sondern nur allgemeine Grundsätze des Wettbewerbsrechts herangezogen (vgl aaO RdNr 42). Für die zu entscheidende Fallkonstellation hatte der Senat die entsprechende Anwendung allgemeiner zivilrechtlicher Regelungen und Grundsätze des Wettbewerbsrechts mit dem verfassungsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) begründet (aaO RdNr 42, 44 bis 46).

31

Ob hieran festzuhalten ist, bedarf hier keiner abschließenden Klärung. Voraussetzung wäre jedenfalls auch nach den Maßstäben aus der Entscheidung des Senats vom 23.3.2011, dass sich die Anwendung von Grundsätzen aus dem Lauterkeitsrecht als erforderlich erweist, um verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare Rechtsschutzdefizite zu vermeiden. Wenn dies nicht der Fall ist, können die im Lauterkeitsrecht geregelten Ansprüche auch nicht über eine - nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V im Grundsatz zulässige - entsprechende Heranziehung von Vorschriften des BGB begründet werden.

32

Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der Leistungserbringer untereinander kommen danach allenfalls noch in ganz besonders gelagerten Fällen in Betracht, in denen es aus systematischen Gründen an verfassungsrechtlich zu fordernden primären Rechtsschutzmöglichkeiten fehlt, weil die zuständigen Gremien der vertragsärztlichen Versorgung nicht mit dem Ziel der Verhinderung rechtswidriger Konkurrenz in Anspruch genommen werden können, obwohl ein Verstoß gegen solche Vorschriften in Rede steht, die auch dem klagenden Arzt zu dienen bestimmt sind. Dabei geht der Senat allerdings - abweichend von der angefochtenen Entscheidung des LSG - davon aus, dass der Anfechtungsberechtigung eines Konkurrenten nicht die Verpflichtung der KÄV entgegengehalten werden kann, gegen Pflichtverletzungen auch mit disziplinarischen Mitteln vorzugehen. Unter dem Gesichtspunkt der Effektivität des Rechtsschutzes kommt es darauf an, ob der Konkurrent selbst die Möglichkeit hat, eine inhaltliche Überprüfung durch die Gerichte zu erreichen.

33

Die Voraussetzungen, unter denen eine entsprechende Anwendung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften danach im Geltungsbereich des § 69 Abs 1 SGB V geboten sein könnte, liegen hier jedenfalls nicht vor. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 11.2.2015 (B 6 KA 7/14 R - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 5; vgl auch die beiden Urteile des Senats vom heutigen Tage zu den Az B 6 KA 22/16 R und B 6 KA 30/16 R) entschieden hat, kann die Genehmigung von Dialysezweigpraxen - anders als andere Zweigpraxisgenehmigungen (BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3) - von einem Dritten, der in derselben Versorgungsregion die gleichen Leistungen anbietet, angefochten werden. Für eine iS des Anhangs 9.1.5 Anlage 9.1 BMV-Ä genehmigungsbedürftige ausgelagerte Praxisstätte gilt nichts anderes, weil sie die in diesem Versorgungsbereich ausnahmsweise geschützte Wettbewerbssituation (Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 7/14 R - SozR 4-5540 An5540 Anl 9.1 Nr 5 RdNr 32) in ganz ähnlicher Weise beeinträchtigen kann wie eine Zweigpraxis. Damit wird dem Erfordernis des effektiven Rechtsschutzes Dritter ausreichend Rechnung getragen. Der Umstand, dass die beigeladene KÄV dem Beklagten hier nach der Beendigung der BAG mit Dr. B. und der Verlegung des Hauptsitzes der Praxis nach I. keine weitere Genehmigung für den Betrieb der hier streitbefangenen ausgelagerten Praxisstätte in N. erteilt hat, sondern die Auffassung vertreten hat, dass es einer solchen nicht bedürfe, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar trifft es zu, dass die Klägerin aus diesem Grund keine Möglichkeit hatte, eine auf die ausgelagerte Praxisstätte bezogene Genehmigungsentscheidung der beigeladenen KÄV anzufechten. Allerdings beruhte die Auffassung der Beigeladenen, nach der es einer Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte nicht bedürfe, auf der Annahme, dass der Beklagte die Genehmigung, die ihm für den Betrieb der Hauptbetriebsstätte erteilt worden war, einschließlich der ihm damals erteilten Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte in N. nach der Beendigung der BAG mit Dr. B. habe "mitnehmen" können. Da eine Zweigpraxisgenehmigung für Dialyseleistungen untrennbar und akzessorisch mit dem Versorgungsauftrag für die Hauptbetriebsstätte verbunden ist (vgl oben B. 1. RdNr 21), hat die Anfechtung der Genehmigung für den Hauptsitz der Praxis des Beklagten in I. unmittelbar Auswirkungen auch auf den hier streitgegenständlichen Betrieb der Zweigpraxis. Von der Möglichkeit, die Genehmigung für die Dialysepraxis in I. anzufechten, hat die Klägerin - letztlich erfolgreich (vgl das Urteil vom heutigen Tage zum Az B 6 KA 20/16 R) - Gebrauch gemacht. Mit der Aufhebung der Genehmigung für die Praxis des Beklagten in I. ist auch die Grundlage für den Betrieb der hier streitbefangenen ausgelagerten Praxisstätte in N. entfallen, wobei die für die Praxis in I. eingeräumte Übergangsfrist bis zum Ablauf des 31.12.2017 auch bezogen auf die ausgelagerte Praxisstätte in N. zu beachten ist.

34

Zutreffend ist, dass die Klägerin mit ihrem Begehren nicht bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Erfolg gehabt hat, weil das LSG die Auffassung der beigeladenen KÄV zur Möglichkeit der Mitnahme einer Genehmigung nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der BAG mit Dr. B. geteilt hat. Die Effektivität des Rechtsschutzes wird indes nicht dadurch in Frage gestellt, dass dem nicht mehr anfechtbaren Beschluss des LSG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine nach Auffassung des Senats nicht zutreffende Rechtsauffassung zugrunde lag. Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art 19 Abs 4 Satz 1 GG garantiert den Zugang, das Verfahren vor Gericht und eine Entscheidung durch das Gericht. Ein Anspruch auf die Einrichtung eines bestimmten Instanzenzuges ist davon nicht umfasst (BVerfG Beschluss vom 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 - BVerfGE 125, 104, 136 f mwN). Die Unanfechtbarkeit von Beschlüssen des LSG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (§ 177 SGG) begegnet deshalb keinen Bedenken.

35

Im Übrigen hätte die Klägerin - wenn sie allein die Frage hätte klären wollen, ob der Betrieb der ausgelagerten Praxisstätte in N. rechtmäßig ist - auch die Möglichkeit gehabt, mit der Feststellungsklage gegen die beigeladene KÄV vorzugehen. Mit der Klage hätte sie geltend machen können, dass die Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte in N., die ihm für die ursprünglich gemeinsam mit Dr. B. in H. betriebene Gemeinschaftspraxis erteilt worden ist, nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der Gemeinschaftspraxis erloschen ist und dass eine - für den Betrieb erforderliche - Genehmigung damit nicht mehr vorliegt. Das gilt auch bezogen auf den Eilrechtsschutz. Auch bei einem Feststellungsbegehren des Rechtsschutzsuchenden ist vorläufiger Rechtsschutz nicht ausgeschlossen (ebenso: W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl 2016, § 123 RdNr 9; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, § 123 RdNr 35, 139; M. Redeker in Redeker/v. Oertzen, VwGO, 16. Aufl 2014, § 123 VwGO RdNr 19). Vielmehr kann eine vorläufige Feststellung durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Gewährung eines lückenlosen und wirksamen vorläufigen Rechtsschutzes verfassungsrechtlich (Art 19 Abs 4 Satz 1 GG) geboten sein (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 7.4.2003 - 1 BvR 2129/02 - BVerfGK 1, 107 = NVwZ 2003, 856, 857; vgl auch BVerfG Beschluss vom 18.12.1985 - 2 BvR 1167/84 ua -, BVerfGE 71, 305, 347). Der Senat stellt deshalb klar, dass der Umstand, dass ein Kläger ggf auf die Erhebung einer Feststellungklage zu verweisen ist, wenn die KÄV als Genehmigungsbehörde keinen Bescheid erlassen hat, die Effektivität des Rechtsschutzes nicht einschränken darf. Daher ist auch ein gegen die KÄV als Genehmigungsbehörde gerichteter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs 2 SGG mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Betriebs einer ausgelagerten Praxisstätte nicht ausgeschlossen, wenn die KÄV die Auffassung vertritt, dass eine Genehmigung nicht erforderlich sei oder wenn der Inhalt und Umfang einer erteilten Genehmigung im Streit steht.

36

4. Auch bei entsprechender Anwendung allgemeiner wettbewerbsrechtlicher Grundsätze würden der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche im Übrigen nicht zustehen.

37

a) Für den auf eine entsprechende Anwendung der §§ 3, 3a iVm § 8 UWG gestützten Unterlassungsanspruch folgt das schon daraus, dass der Senat mit Urteil vom heutigen Tage im Verfahren zum Aktenzeichen B 6 KA 20/16 R entschieden hat, dass die hier umstrittene ausgelagerte Praxisstätte nach dem 31.12.2017 nicht mehr betrieben werden darf, weil der Versorgungsauftrag für den Hauptsitz der Praxis des Beklagten nicht auf diesen übergegangen ist. Ein Unterlassungsanspruch ist in die Zukunft gerichtet. Er muss deshalb nach ständiger Rechtsprechung auch noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bestehen, auf die das Urteil ergeht (vgl BGH Urteil vom 24.9.2013 - I ZR 73/12 - Juris RdNr 8, mwN). Zu dem damit maßgebenden Zeitpunkt hat die Gefahr der Fortsetzung einer Rechtsverletzung aufgrund der Rechtskraft des genannten Urteils (B 6 KA 20/16 R) nicht mehr bestanden, sodass bereits aus diesem Grund ein Unterlassungsanspruch nicht mehr begründet sein kann.

38

b) Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Auskunftserteilung und auf Schadensersatz in entsprechender Anwendung von § 9 UWG hat. Allerdings ist der Anspruch auf Schadensersatz nach § 9 Satz 1 UWG davon abhängig, dass eine nach § 3 oder § 7 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommen wird. Das wird auch von der Klägerin des vorliegenden Verfahrens ausdrücklich nicht in Zweifel gezogen.

39

Einem Verschulden des Beklagten steht hier der Umstand entgegen, dass die beigeladene KÄV eine (erneute) Genehmigung für den Betrieb der ausgelagerten Praxisstätte in N. ausdrücklich nicht für erforderlich gehalten hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist von einem "Gewerbetreibenden" zu verlangen, dass er sich Kenntnis von den für seinen Tätigkeitsbereich einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen verschafft und in Zweifelsfällen mit zumutbaren Anstrengungen besonders sachkundigen Rechtsrat einholt. Wer weder die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens kennt noch sich dieser Einsicht bewusst verschließt und auch nicht auf die Haltung der Verwaltungsbehörden in unlauterer Weise eingewirkt hat, handelt jedoch grundsätzlich auch dann nicht schuldhaft, wenn er sich nicht vorsichtshalber nach der strengsten Gesetzesauslegung und Einzelfallbeurteilung richtet, wenn die zuständigen Behörden und Gerichte sein Verhalten ausdrücklich als rechtlich zulässig bewerten (vgl BGHZ 163, 265, 270 f = NJW 2005, 2705, Juris RdNr 21; BGH Urteil vom 11.10.2001 - I ZR 172/99 - NJW-RR 2002, 395, 396, Juris RdNr 19 mwN).

40

Soweit die Klägerin geltend macht, dass die von der Beigeladenen vertretene Rechtsauffassung so offenkundig einseitig und fehlerhaft erfolgt sei, dass sie sich als ungeeignet darstelle, einen fahrlässigen Rechtsirrtum auszuschließen, so steht dem der Umstand entgegen, dass die Rechtsauffassung der Beigeladenen, nach der der Beklagte den ihm im Jahr 2003 erteilten Versorgungsauftrag nach dem Ausscheiden aus der BAG an den neuen Standort seiner Einzelpraxis in I."mitnehmen" konnte, durch das LSG bestätigt worden ist. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen bei einer schwierig zu beantwortenden Rechtsfrage ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht unrichtigerweise die Rechtmäßigkeit einer Amtshandlung bejaht hat, ist in der Regel ein Verschulden des Amtsträgers zu verneinen (vgl BGH Urteil vom 6.2.1986 - III ZR 109/84 - BGHZ 97, 97, 107; BGH Urteil vom 14.3.1996 - III ZR 224/94 - NJW 1996, 2422, 2424, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 132, 181; BGH Urteil vom 4.11.2010 - III ZR 32/10 - NJW 2011, 1072 RdNr 36 f), mit der Folge, dass ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB ausscheidet. Ausnahmen gelten etwa, wenn das Kollegialgericht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist oder im summarischen Verfahren entschieden hat (vgl Sprau in Palandt, BGB, 76. Aufl 2017, § 839 RdNr 53 mwN). Wenn angesichts der die Rechtmäßigkeit bestätigenden Entscheidung eines Kollegialgerichts das Verschulden der zuständigen Behörde bezogen auf eine objektiv unrichtige Entscheidung oder eine objektiv unrichtig erteilte Auskunft im Regelfall ausgeschlossen ist, dann kann dem Empfänger der Entscheidung oder der Auskunft im Regelfall erst recht nicht entgegengehalten werden, dass er die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen. Für einen Sachverhalt, der ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen würde, etwa weil sich der Beklagte der Einsicht in die Unrechtmäßigkeit des Betriebs der ausgelagerten Praxisstätte in N. bewusst verschlossen oder auf die Haltung der Verwaltungsbehörden in unlauterer Weise eingewirkt hätte, gibt es hier keine Anhaltspunkte.

41

Im Grundsatz zutreffend ist der Einwand der Klägerin, dass die Beigeladene eine Erklärung, nach der der Beklagte für den Betrieb der ausgelagerten Praxisstätte keiner Genehmigung mehr bedarf, nicht unmittelbar gegenüber dem Beklagten abgegeben hat. Vielmehr verhält es sich so, dass die aus dem Beklagten und Dr. B. bestehende BAG mit Schreiben vom 18.8.2011 gegenüber der beigeladenen KÄV die Verlängerung der Genehmigung für den Standort N. beantragt und in diesem Zusammenhang gegenüber der KÄV mitgeteilt hat: "Ab dem 01.10.2011 wird die Einzelpraxis Dr. S. (Jobsharing mit Frau Dr. W.) die Versorgung der Patienten in N. übernehmen." Das Antwortschreiben der Beigeladenen vom 5.9.2011, in dem ausdrücklich auf das Schreiben der BAG vom 18.8.2011 Bezug genommen wird, ist nicht an die BAG, sondern die A. Heimdialyse gerichtet worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen der Klägerin zutrifft, nach der die A. Heimdialyse den Beklagten "de facto dirigiert" habe. Jedenfalls unterliegt es keinem Zweifel, dass der Beklagte mit dieser wirtschaftlich eng verbunden war. Vor diesem Hintergrund durfte die Beigeladene davon ausgehen, dass das Antwortschreiben dem Beklagten zur Kenntnis gelangt, auch wenn es an die A. Heimdialyse adressiert war. Dies war im Übrigen auch aufgrund des Eilverfahrens (L 3 KA 6/11 B ER) um die Genehmigung für den Hauptsitz des Beklagten in I. gewährleistet. Bereits in diesem Verfahren war das Schreiben der Beigeladenen an die A. Heimdialyse vom 5.9.2011 Gegenstand intensiver Erörterungen, und die KÄV (Beklagte des dortigen Verfahrens) hat auch in dem dortigen Verfahren die Auffassung vertreten, dass dem Beklagten aufgrund der Genehmigung, die der Gemeinschaftspraxis im Jahr 2003 erteilt worden war, in Kombination mit der Genehmigung zur Verlegung des Praxissitzes des Beklagten nach I. die Erbringung von Leistungen auch in der ausgelagerten Praxisstätte in I. weiterhin gestattet sei. Vor diesem Hintergrund hatte der Beklagte des vorliegenden Verfahrens keinen Anlass, einen erneuten Genehmigungsantrag zu stellen. Vielmehr durfte er auf die Richtigkeit der von der Beigeladenen - als der für die Genehmigung zuständigen Behörde - erteilten Auskunft vertrauen.

42

Dagegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, dass die Beigeladene die Genehmigung nur im Einvernehmen mit den zuständigen Verbänden der Krankenkassen erteilen darf. Richtig ist, dass die Auskunft einer für den Empfänger erkennbar unzuständigen Behörde ein Verschulden nicht ausschließen kann (BGH Urteil vom 2.10.2002 - I ZR 177/00 - NJW-RR 2003, 174 = NVwZ 2003, 503). Nach Abs 1 Satz 1 und 2 Anhang 9.1.5 der Anlage 9.1 BMV-Ä ist die Genehmigung zur Durchführung von Versorgungsaufträgen in einer Dialysezweigpraxis oder einer ausgelagerten Praxisstätte indes - im Einvernehmen mit den zuständigen Verbänden der Krankenkassen auf Landesebene - durch die KÄV zu erteilen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Nur wenn die beantragte Zweigpraxis - was hier nicht der Fall ist - außerhalb des Bezirks der KÄV liegt, ist der Zulassungsausschuss für die dann erforderliche Ermächtigung zuständig. Das Einvernehmenserfordernis begründet keine gemeinsame Zuständigkeit der KÄV und der Krankenkassen für die Erteilung der Genehmigung und beseitigt erst recht nicht die Zuständigkeit der KÄV. "Einvernehmen" setzt eine Willensübereinstimmung zwischen entscheidender und beteiligter Stelle voraus (vgl BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 7/14 R - SozR 4-55405540 Anl 9.1 Nr 5 RdNr 41, mwN). Bei der in Abs 1 Satz 2 Anhang 9.1.5 der Anlage 9.1 BMV-Ä geforderten Herstellung des Einvernehmens handelt es sich um eine verwaltungsinterne Form der Beteiligung (ebenso zur Zustimmung der Aufsichtsbehörde zur Annahme oder Ablehnung der Bereiterklärung eines Krankenhauses nach § 371 Abs 2 Satz 2 RVO: BSG Urteil vom 15.1.1986 - 3/8 RK 5/84 - BSGE 59, 258, 259 = SozR 2200 § 371 Nr 5 S 10 f; zum Zustimmungserfordernis nach § 39 AufenthG als Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, der einem Ausländer die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt, vgl zB Bünte/Knödler, NZA 2008, 743, 745 mwN). Auf etwaige Fehler bei der Herstellung des Einvernehmens können sich Dritte nicht berufen (vgl das Urteil vom heutigen Tage zu Az B 6 KA 18/16 R, I.3.b., RdNr 50 f und zu Az B 6 KA 20/16 R, RdNr 47 f). Den Genehmigungsbescheid erlässt die entscheidende und nicht die zu beteiligende Stelle. Die erforderliche Zustimmung ist kein Verwaltungsakt, weil ihr nicht die nach § 31 SGB X erforderliche Außenwirkung zukommt. Die Genehmigung wird dementsprechend nach Abs 1 Satz 2 Anhang 9.1.5 der Anlage 9.1 BMV-Ä allein durch die KÄV erteilt. Daher ist allein die beigeladene KÄV die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde. In Übereinstimmung mit der von dieser Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 77 Abs 5 SGB V) vertretenen Rechtsauffassung durfte der Beklagte in der Vergangenheit von der Rechtmäßigkeit des Betriebs der ausgelagerten Praxisstätte in N. ausgehen.

43

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Im Streit steht, ob der dem Kläger erteilte disziplinar-rechtliche Verweis rechtmäßig ist.

2

Der Kläger nimmt als Facharzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten KÄV teil. Mit Schreiben vom 8.10.2012 setzte er die Beklagte darüber in Kenntnis, dass er am 10.10.2012 zusammen mit fünf anderen Kollegen "das allen Berufsgruppen verfassungsrechtlich zustehende Streikrecht" ausüben und deshalb an diesem Tag seine Praxis schließen werde. Eine Notfallversorgung werde gewährleistet, indem zum Beispiel über den Anrufbeantworter und einen Aushang an der Praxis auf einen die Notfallversorgung übernehmenden Kollegen hingewiesen werde. Mit diesem Warnstreik werde der Forderung nach einem ärztlichen Honorarsystem Ausdruck verliehen, welches feste Preise ohne irgendeine Form von Mengenbegrenzungen vorsehe. Am 10.10.2012 schloss der Kläger nach den Feststellungen des SG seine Praxis, ebenso - wie mit weiterem Schreiben vom 19.11.2012 angekündigt - am 21.11.2012. Auf Antrag des Vorstandes der Beklagten eröffnete der Disziplinarausschuss ein Disziplinarverfahren gegen den Kläger und gab ihm dies mit Beschluss vom 23.1.2013 bekannt; die ihm eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme nahm der Kläger mit Schreiben vom 26.2.2013 wahr.

3

Mit Bescheid vom 7.5.2013 erteilte die Beklagte dem Kläger einen Verweis, da er seine Pflichten als Vertragsarzt verletzt habe. Vertragsärzte seien grundsätzlich verpflichtet, am Vertragsarztsitz in den Praxisräumen Sprechstunde zu halten. Die Praxisschließung zur Ausübung eines Warnstreiks sei nicht durch Art 9 Abs 3 GG gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe den Kassenärzten das Recht vorenthalten, ihre Leistungsbedingungen durch Streik zu erkämpfen. Der Kläger habe in nachhaltiger Weise gegen seine Präsenzpflicht verstoßen und auch schuldhaft gehandelt, denn er habe erkennen können, dass der Gesetzgeber kollektive Ärztestreiks zu Recht als eine "schwerwiegende Verletzung vertragsärztlicher Pflichten" gewertet habe und diese mit harten Sanktionen möglichst verhindern wolle. Da derartige Verstöße gegen die Präsenzpflicht in der vertragsärztlichen Leistungserbringung als schwerwiegend einzustufen seien, andererseits zugunsten des Klägers zu berücksichtigen sei, dass er zum ersten Mal disziplinarisch auffällig geworden sei, werde ein Verweis für angemessen und erforderlich gehalten.

4

Die hiergegen vom Kläger erhobene Klage ist erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 23.7.2015 - berichtigt mit Beschluss vom 27.1.2016). Zur Begründung hat das SG ausgeführt, nach § 24 Abs 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) müsse der Vertragsarzt am Vertragsarztsitz seine Sprechstunde halten, also in den Sprechstundenzeiten dauernd für die ärztliche Versorgung der Patienten bereit sein, sofern er keinen zulässigen Unterbrechungsgrund vorweisen könne. Einer der in § 32 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV genannten Unterbrechungsgründe habe nicht vorgelegen; auch ein sonstiger Unterbrechungsgrund, der im Rahmen einer Güterabwägung berücksichtigt werden könne, liege nicht vor. Weder im SGB V, noch in der Ärzte-ZV oder den Verträgen sei ein Streikrecht als Grund für eine Unterbrechung der Praxistätigkeit vorgesehen. Vielmehr sprächen die Vorschriften insbesondere des SGB V eher gegen ein solches Streikrecht. So hätten nach § 75 Abs 1 SGB V die KÄVen und die KÄBV die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen (KKen) und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspreche. Die Bedeutung des Sicherstellungsauftrags bestehe insbesondere darin, dass es eine verantwortliche Institution gebe, die letztlich immer dafür Sorge zu tragen habe, dass gesetzlich Krankenversicherten eine ambulante ärztliche Versorgung gewährt werden könne. Daraus, dass der Vertragsarzt an diesem System teilnehme, folgere der Gesetzgeber, dass der Vertragsarzt die Erfüllung des Sicherstellungsauftrags zu fördern und alles zu unterlassen habe, was die Sicherstellung und Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung gefährden oder ausschließen könnte.

5

Auch aus Art 9 Abs 3 GG könne kein Recht auf Unterbrechung der Sprechstundenverpflichtung hergeleitet werden. Bereits der Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG sei nicht eröffnet. Trotz der weiten Fassung des Art 9 Abs 3 GG entspreche es der historischen Entwicklung, dass primär auf die Arbeitnehmereigenschaft abgestellt werde. Die Vertragsärzte seien jedoch nicht als Arbeitnehmer einzustufen, die des Schutzes des Art 9 Abs 3 GG bedürften. Die Tätigkeit des Vertragsarztes in freier Praxis werde durch die Merkmale der individuellen Unabhängigkeit in persönlicher und beruflicher Hinsicht und das Tragen des wirtschaftlichen Risikos sowie die Beteiligung an wirtschaftlichen Erfolgen der Praxis konkretisiert. Auch sei das Verhältnis der Vertragsärzte zur KÄV ein anderes als das der Arbeitnehmer zu "ihrer" Gewerkschaft, denn der Streik der Vertragsärzte diene dazu, Druck auf beide Verhandlungsparteien, also auch auf die KÄV als Interessenvertretung der Ärzte, auszuüben. Auch Art 11 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vermöge zu keiner anderen Beurteilung führen, denn auch hier seien Freiberufler vom Schutzbereich nicht erfasst.

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Ein Streik von Vertragsärzten sei dann gerechtfertigt, wenn er sich unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Vertragsarztrechts und des Ärztestreiks als solcher als verhältnismäßig darstelle. Ein absolutes Streikverbot, das über allem stehe, gebe es auch im Vertragsarztrecht nicht; Vertragsärzte könnten im Ergebnis nicht schlechter gestellt werden als zB Arbeitnehmer oder Beamte. Ein vollständiger Ausschluss vom Streikrecht sei weder verfassungsrechtlich noch europarechtlich haltbar. Demnach könne ein Warnstreik von Vertragsärzten, der eine ausreichende Notfallversorgung gewährleiste und verhältnismäßig sei, rechtmäßig sein; ein rechtmäßiger Streik wiederum dürfte nicht zur Verhängung einer Disziplinarmaßnahme führen. Nach dem klaren Wortlaut des Art 9 Abs 3 GG sei auch die Berufsgruppe der Ärzte als Grundrechtsträger vom Schutzbereich dieser Vorschrift umfasst. Was für Ärzte gelte, gelte auch für Vertragsärzte. Dass Vertragsärzte im rechtlichen Sinne keine klassischen Arbeitnehmer seien, sondern vielmehr als Freiberufler eingestuft würden, führe nicht dazu, dass diese generell von einem Streikrecht ausgeschlossen wären. Dem Wortlaut des Art 9 Abs 3 GG sei ein solcher Ausschluss nicht zu entnehmen; vielmehr gelte es für "jedermann" und deshalb für alle Menschen in ihrer Eigenschaft als Berufsangehörige. Die Notwendigkeit, eine individuelle Verhandlungsschwäche mit Hilfe kollektiver Interessenvertretungen auszugleichen, liege ohne Zweifel auch beim Vertragsarzt vor. Die KÄVen seien durch ihre Doppelfunktion als Interessenvertretung und Körperschaft kein gleichwertiger Ersatz für eine Koalition nach Art 9 Abs 3 GG, da es ihnen als Körperschaft des öffentlichen Rechts verboten sei, sich im Fall einer gewünschten Boykottmaßnahme gegen die KKen zu stellen.

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Hinzu komme, dass der Status des Vertragsarztes, gerade in Bezug auf den vielfältigen Pflichtenkatalog, den er zu übernehmen habe, gegenüber einem klassischen Freiberufler so stark limitiert sei, dass er durchaus "arbeitnehmerähnliche Züge" enthalte. Dies sei bei der Auslegung des Art 9 Abs 3 GG zu berücksichtigen. Das vertragsärztliche Honorar werde - wie bei einem Arbeitnehmer - von einem einzigen "Arbeitgeber" bezahlt, nämlich der KÄV. Zudem könne der Vertragsarzt weder sein Honorarrisiko streuen noch die Auswahl seiner Kunden selektieren, sondern müsse mit Sanktionen rechnen, wenn er seine Verpflichtungen auch nur gegenüber einem einzelnen gesetzlich versicherten Patienten nicht erfülle. Auch die wirtschaftliche Freiheit, das "ob" und "wie" der Arbeitsleistung frei zu bestimmen, sei bei einem Vertragsarzt deutlich eingeschränkt. Wenn er im Rahmen seiner Sprechstundentätigkeit dem Grunde nach "rund um die Uhr" zur Verfügung zu stehen habe, habe er keine freie Verfügung mehr über seine eigene Arbeitskraft und könne insbesondere seine Arbeitszeit nicht mehr frei wählen. Die meisten Ärzte seien auf eine Teilnahme an diesem System dringend angewiesen.

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Nach europarechtlichen Vorgaben sei Art 9 Abs 3 GG - wie beispielsweise auch Art 33 Abs 5 GG - so auszulegen, dass diese Auslegung nicht im Widerspruch zur EMRK stehe. In jüngerer Zeit habe das BVerwG festgestellt, dass das statusbezogene Streikverbot nach Art 33 Abs 5 GG und die funktionsbezogenen Gewährleistungen nach Art 11 EMRK in Bezug auf Beamte, die außerhalb der genuinen Hoheitsverwaltung eingesetzt seien, inhaltlich miteinander unvereinbar seien. Für Vertragsärzte gelte nichts anderes. Stehe somit fest, dass Vertragsärzte sowohl vom Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG als auch des Art 11 Abs 1 EMRK erfasst seien, greife die angefochtene Disziplinarmaßnahme in das daraus resultierende Recht des Vertragsarztes ein, sich mit anderen Vertragsärzten kollektiv zusammenzuschließen. Der Eingriff in die Schutzbereiche sei auch nicht gerechtfertigt. Ein verfassungsrechtlich normiertes absolutes Streikverbot bestehe für Vertragsärzte nicht.

9

Auch das vertragsärztliche System schließe ein Recht auf Streik und andere kollektiv abgestimmte Kampfmaßnahmen nicht wirksam aus oder begrenze diese. Zwar könne ein Ärztestreik den Sicherstellungsauftrag der KÄVen gefährden, doch lasse sich hieraus kein generelles bzw absolutes Streikverbot herleiten. So sei der Sicherstellungsauftrag der KÄVen schon durch die hausarztzentrierte oder die besondere Versorgung eingeschränkt. Auch § 95b Abs 1 SGB V schließe einen Ärztestreik, der nicht mit einem kollektiven Verzicht der Zulassungen verbunden sei, nicht aus. Es könne auch nicht allgemein und mit Gewissheit abstrakt behauptet werden, dass jeder Streik zwangsläufig die Finanzierbarkeit oder die Funktionsfähigkeit des Systems gefährde. Schließlich ergebe sich ein konkludentes Streikverbot auch nicht aus dem vertragsärztlichen Pflichtenkatalog. Gegen die Verpflichtung, mindestens 20 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung zu stehen, habe er - der Kläger - mit seinen zweimaligen eintägigen Warnstreiks nicht verstoßen. Das SG stelle zu Unrecht auf einen Verstoß gegen § 32 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV ab, weil die Vorschrift allein den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung normiere. Soweit das SG auf eine "Unterbrechung" der Sprechstunde abstelle, sei diese zulässig, soweit eine einzelfallbezogene Güterabwägung den Vorrang anderer Schutzgüter ergebe. Danach sei der Streik vorliegend rechtmäßig, weil eine ausreichende Notfallversorgung bzw eine kollegiale Vertretung sichergestellt gewesen sei und er weder die finanzielle Stabilität oder die Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gefährdet habe. Auch die allgemeine "Treuepflicht" des Vertragsarztes könne nicht weitergehen als zB die Einschränkung des Streikrechts für Beamte.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.7.2015 sowie den Bescheid des Disziplinarausschusses der Beklagten vom 7.5.2013 aufzuheben.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Der Kläger sei seiner Präsenzpflicht nicht nachgekommen, indem er an zwei Tagen seine Praxis geschlossen und somit den Versicherten nicht zur Verfügung gestanden habe. Es habe auch kein zulässiger Grund für eine Unterbrechung bzw Nichtableistung der Sprechstundentätigkeit vorgelegen. Der Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG sei nicht eröffnet, weil ein Streikrecht ein klassisches Recht von Arbeitnehmern sei; der Kläger sei jedoch Freiberufler, sodass es an dem einen Arbeitnehmer charakterisierenden Abhängigkeitsverhältnis fehle. Auch ein arbeitnehmerähnliches wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis sei bei Vertragsärzten nicht gegeben. Art 11 Abs 1 EMRK führe zu keiner anderen Beurteilung; hieran ändere auch die jüngere Rechtsprechung des EGMR zum Streikrecht von Beamten nichts. Ausschlaggebend sei dort weder die Arbeitnehmereigenschaft noch die hohe Einbindung von Beamten in die staatliche Sphäre gewesen, sondern das Kriterium der abhängigen Beschäftigung. Selbst wenn Vertragsärzte vom Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG und des Art 11 Abs 1 EMRK erfasst würden, habe der Gesetzgeber diesen jedenfalls das Recht vorenthalten, ihre Leistungsbedingungen durch Streik zu erkämpfen. An die Stelle des Tarifkampfes trete im Vertragsarztrecht das gesetzlich geregelte Schlichtungsverfahren. Ein systemimmanentes Streikverbot lasse sich mit dem Sicherstellungsauftrag gemäß § 75 Abs 1 SGB V begründen. Das gesetzgeberische Ziel, streikähnliche Auseinandersetzungen auszuschließen, habe sich nur durch die Bildung der KÄVen als Körperschaften mit Pflichtmitgliedschaft erreichen lassen. Als politischer Ausgleich für den Verzicht der Vertragsärzte auf die Möglichkeit eines streikähnlichen Honorarkampfes sei den KÄVen der Sicherstellungsauftrag übertragen worden. Der Sicherstellungsauftrag bestehe ungeachtet des selektivvertraglichen Versorgungssystems unverändert fort. Eine Gefährdung des Sicherstellungsauftrags liege bereits dann vor, wenn die Versorgung eines Teils der Patienten nicht entsprechend der gesetzlichen und vertraglichen Erfordernisse vorgenommen werden könne.

13

Für die Funktionsfähigkeit des vertragsärztlichen Systems sei es unentbehrlich, dass jeder Vertragsarzt seinen vertragsärztlichen Pflichten - wozu auch die Einhaltung der Präsenzpflicht nach § 24 Abs 2 Ärzte-ZV gehöre - jederzeit nachkomme. Die Sicherung einer angemessenen Versorgung der großen Mehrzahl der Bürger im Krankheitsfall zu bezahlbaren Konditionen sei ein Gemeinwohlbelang von überragender Wichtigkeit, die auch entsprechende Grundrechtseinschränkungen rechtfertige. Im Unterschied zu Arbeitnehmern hätten Vertragsärzte die Möglichkeit, sich für oder gegen eine Eingliederung ins System zu entscheiden. Die Funktionsfähigkeit dieses Systems werde nachhaltig gefährdet, wenn einzelne Vertragsärzte durch Streiks oder streikähnliche Maßnahmen ihre Praxis schlössen und der vertragsärztlichen Versorgung nicht mehr zur Verfügung stünden. Mehrstündige, kollektive Praxisschließungen von Vertragsärzten aufgrund abgesprochener Streikaktionen stellten nicht unerhebliche Verweigerungen der vertragsärztlichen Tätigkeit dar und kämen einem Warnstreik von Beschäftigten öffentlicher Verkehrsbetriebe gleich. Mit der in § 72a Abs 1 SGB V normierten Rechtsfolge habe der Gesetzgeber ein Streikverbot für Vertragsärzte statuiert. Der Sicherstellungsauftrag verpflichte die KÄVen, disziplinarisch gegen Mitglieder vorzugehen, die auch nur zeitweise bzw kurzfristig die erforderliche vertragsärztliche Versorgung verweigerten, wenn sie ihren Sicherstellungsauftrag nicht verlieren wolle. Wenn selbst die äußerst harte Sanktion einer sechsjährigen Wiederzulassungssperre keinen Verstoß gegen Art 9 Abs 3 GG darstelle, müsse dies erst recht für ein sich aus dem Sicherstellungsauftrag ergebendes Streikverbot gelten.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger einen Verweis zu erteilen, als rechtmäßig angesehen. Der Kläger hat dadurch, dass er seine Praxis am 10.10.2012 sowie am 21.11.2012 geschlossen hatte, um mit anderen Ärzten an einem "Warnstreik" teilzunehmen, seine vertragsärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt.

15

A. 1. Rechtsgrundlage der Disziplinarmaßnahme ist § 81 Abs 5 Satz 1 SGB V in Verbindung mit der Satzung der Beklagten. Nach § 81 Abs 5 Satz 1 SGB V müssen die Satzungen der KÄVen die Voraussetzungen und das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder bestimmen, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen. Als Disziplinarmaßnahme kommen je nach Schwere der Verfehlung eine Verwarnung, ein Verweis, eine Geldbuße oder die Anordnung des Ruhens der Zulassung bis zu zwei Jahren in Betracht (aaO Satz 2). Das Höchstmaß der Geldbußen kann bis zu 10 000 Euro (§ 81 Abs 5 Satz 3 SGB V idF bis 22.7.2015) bzw bis zu 50 000 Euro (§ 81 Abs 5 Satz 3 SGB V idF ab 23.7.2015) betragen.

16

Nach § 3 Abs 2 der Satzung der Beklagten(in der ab 1.1.2010 geltenden Fassung) ist diese befugt, gegen Mitglieder, die ihre Pflichten nicht oder in nicht ausreichender Weise erfüllen, nach den Bestimmungen der - als Bestandteil dieser Satzung geregelten - Disziplinarordnung (DO) Maßnahmen zu ergreifen. Nach § 1 Satz 1 DO kann ein Disziplinarverfahren gegen ein Mitglied der KÄV durchgeführt werden, wenn dieses die ihm durch Gesetz, Satzung, Vertrag, Richtlinien und satzungsmäßige Bestimmungen oder Weisungen obliegenden vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt. Zu den in § 13 Abs 1 DO aufgeführten Disziplinarmaßnahmen gehört der Verweis, der dort als "Tadel eines pflichtwidrigen Verhaltens mit der Aufforderung, die sich aus Gesetz, Satzung oder Vertrag ergebenden Pflichten in gehöriger Weise zu erfüllen", umschrieben ist.

17

Die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme setzt - neben der Verletzung vertragsärztlicher Pflichten - zudem voraus, dass der Vertragsarzt schuldhaft gehandelt hat (BSG Beschluss vom 8.5.1996 - 6 BKa 67/95 - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 9.12.2004 - B 6 KA 70/04 B - Juris RdNr 9; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 7 S 37; BSG Beschluss vom 28.8.1996 - 6 BKa 22/96 - Juris RdNr 4).

18

2. Das Disziplinarrecht der KÄVen ist verfassungsgemäß und verstößt insbesondere nicht gegen Art 12 Abs 1 GG (BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 9 S 49; Steinmann-Munzinger in juris-PK SGB V, 3. Aufl 2016, § 81 RdNr 52 f; siehe hierzu auch BSG Beschluss vom 20.3.1996 - 6 BKa 1/96 - Juris). Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die gesetzlichen Vorgaben für die Festsetzung von Disziplinarmaßnahmen hinreichend bestimmt sind (BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 7 S 29; BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 9 S 49; siehe auch BSG Urteil vom 14.3.2001 - B 6 KA 67/00 R - Juris RdNr 13 = MedR 2002, 47 = USK 2001-126).

19

§ 75 Abs 2 Satz 2 SGB V bestimmt ausdrücklich, dass es zu den Aufgaben der KÄVen gehört, die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertragsärzte, soweit notwendig, unter Anwendung der in § 81 Abs 5 SGB V vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten. Im Übrigen bedingt die den KÄVen gemäß § 75 Abs 1 Satz 1 SGB V auferlegte Gewährleistungsverpflichtung deren Disziplinargewalt(Steinmann-Munzinger aaO RdNr 53). Nach § 75 Abs 1 Satz 1 SGB V haben die KÄVen und die KÄBV die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen und den KKen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Diese Gewährleistungsverpflichtungen können sie nur erfüllen, wenn ihnen Sanktionsmöglichkeiten gegenüber denjenigen Mitgliedern zur Verfügung stehen, die ihre Pflichten als Vertragsarzt nicht ordnungsgemäß erfüllen (BSG Beschluss vom 20.3.1996 - 6 BKa 1/96 - Juris RdNr 5).

20

3. Ob ein Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten verletzt hat - dh das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen -, ist gerichtlich voll überprüfbar, ohne dass der KÄV oder ihrem Disziplinarorgan ein Beurteilungsspielraum zusteht (BSGE 62, 127, 128 = SozR 2200 § 368m Nr 3 S 3). Lediglich bei der Auswahl der Disziplinarmaßnahme und bei der Festsetzung ihrer Höhe ist der Disziplinarausschuss grundsätzlich ermächtigt, nach seinem Ermessen zu handeln, sodass die Entscheidung nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist (BSGE 62, 127, 129 = SozR 2200 § 368m Nr 3 S 3; BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 9 S 51); insoweit ist der Bescheid daher nur bei Ermessensüberschreitung oder bei Ermessensfehlgebrauch rechtswidrig (BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 9 S 51).

21

B. Nach diesen Maßstäben ist der Bescheid der Beklagten rechtmäßig.

22

Der Bescheid der Beklagten ist formell rechtmäßig; insbesondere bedarf es keines Vorverfahrens (§ 81 Abs 5 Satz 4 SGB V). Der angefochtene Bescheid ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden; die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine disziplinarische Reaktion auf das Verhalten des Klägers als Vertragsarzt liegen vor und rechtfertigen den Ausspruch eines Verweises. Der Kläger hat seine vertragsärztlichen Pflichten dadurch verletzt, dass er seine Praxis während der Sprechstundenzeit geschlossen hat, um an einem "Warnstreik" teilzunehmen (1.); der Kläger handelte auch schuldhaft (2.). Schließlich ist auch die verhängte Disziplinarmaßnahme als solche nicht zu beanstanden (3.).

23

1. Der Kläger hat die ihm obliegenden vertragsärztlichen Pflichten dadurch verletzt, dass er entgegen seiner in § 24 Abs 2 Ärzte-ZV normierten Verpflichtung, am Vertragsarztsitz eine Sprechstunde zu halten, seine Praxis an zwei Tagen geschlossen hatte, um an einem "Warnstreik" teilzunehmen(a.), und ihm für die Praxisschließung keine diese rechtfertigenden Gründe zur Seite gestanden haben (b.).

24

a. aa. Nach § 24 Abs 2 Ärzte-ZV iVm § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V muss der Vertragsarzt am Vertragsarztsitz seine Sprechstunde halten, also persönlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung stehen(Schallen, Ärzte-ZV, 7. Aufl 2009, § 24 RdNr 19). Diese - aus dem Gebot der persönlichen Leistungserbringung folgende (BSGE 120, 197 = SozR 4-5520 § 20 Nr 4, RdNr 30)- sogenannte "Präsenzpflicht" steht im Zusammenhang mit der Pflicht zur Behandlungsübernahme nach dem Sachleistungsprinzip und der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung (Hartmannsgruber in Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 3. Aufl 2015, Abschnitt 7 RdNr 1235): Wer nicht in der Praxis erreichbar ist, kann auch diese Pflichten nicht erfüllen. Durch diese Pflichten soll es den KÄVen ermöglicht werden, ihren Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs 1 SGB V zu erfüllen.

25

Konkretisiert wird dies durch § 17 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä): Nach § 17 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 BMV-Ä ist der Vertragsarzt gehalten, an seinem Vertragsarztsitz - sowie ggf weiteren Tätigkeitsorten - Sprechstunden entsprechend dem Bedürfnis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen vertragsärztlichen Versorgung mindestens in dem in § 17 Abs 1a BMV-Ä geregelten Umfang festzusetzen und seine Sprechstunden auf einem Praxisschild bekanntzugeben. Die Sprechstunden sind grundsätzlich mit festen Uhrzeiten auf dem Praxisschild anzugeben (Satz 2 aaO). Der sich aus der Zulassung des Vertragsarztes ergebende Versorgungsauftrag ist dadurch zu erfüllen, dass der Vertragsarzt an seinem Vertragsarztsitz persönlich mindestens 20 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung steht (§ 17 Abs 1a Satz 1 BMV-Ä in der ab 1.7.2007 geltenden und seither unveränderten Fassung).

26

bb. Dieser Verpflichtung ist der Kläger am 10.10.2012 sowie am 21.11.2012 nicht nachgekommen. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Kläger ggf ungeachtet der Praxisschließungen die Vorgabe von mindestens 20 Wochenstunden erfüllt hat:

27

Darauf kommt es zum einen schon deshalb nicht an, weil er jedenfalls an einem Tag, an dem er üblicherweise (und wie auf dem Praxisschild bekanntzugeben) seiner Praxistätigkeit nachging, seine Praxis geschlossen hatte. Sprechstunden sind nicht nur anzukündigen, sondern auch einzuhalten (Pawlita in juris-PK SGB V, 3. Aufl 2016, § 95 RdNr 445; siehe auch BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 1 RdNr 18). Der Vertragsarzt muss in den Sprechstundenzeiten dauernd für die vertragsärztliche Versorgung der Patienten bereit sein, sofern er keinen zulässigen Unterbrechungsgrund vorweisen kann (Bayerisches LSG Urteil vom 15.1.2014 - L 12 KA 91/13 - Juris RdNr 18 = GesR 2014, 362 ff = NZS 2014, 518 ff = MedR 2014, 840 ff). Er vernachlässigt daher seine Versorgungsverpflichtung, die er mit der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit übernimmt, wenn er regelmäßig angekündigte Sprechstunden nicht einhält, was unzumutbare Wartezeiten für die Patienten zur Folge hätte (BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 1 RdNr 18).

28

Zum anderen bestimmt § 17 Abs 1a Satz 1 BMV-Ä nur den zeitlichen (Gesamt-)Umfang der Sprechstunden, nicht aber deren Verteilung auf die einzelnen Wochentage. Diese sind grundsätzlich gleichmäßig auf die einzelnen Wochentage zu verteilen und dürfen nicht etwa "geblockt" werden (etwa durch zwei zehnstündige Sprechstunden am Wochenanfang). Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass eine ärztliche Praxis in den Zeiten, in denen kein Notfalldienst eingerichtet ist, grundsätzlich für die Versorgung der Versicherten erreichbar sein muss und nicht nur Sprechstunden an einzelnen Wochentagen anbieten darf (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 29 RdNr 44). Dies folgt bereits aus § 17 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 BMV-Ä, wonach die Sprechstunden "entsprechend dem Bedürfnis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen vertragsärztlichen Versorgung" festzusetzen sind. Im Übrigen bestimmt § 17 Abs 2 BMV-Ä, dass bei der Verteilung der Sprechstunden "auf den einzelnen Tag" - gemeint ist damit nicht allein deren Verteilung innerhalb des Tages, sondern auch ihre Verteilung auf die Wochentage - die "Besonderheiten des Praxisbereiches und die Bedürfnisse der Versicherten (z.B. durch Sprechstunden am Abend oder an Samstagen)" zu berücksichtigen sind. Den Bedürfnissen der Versicherten entspricht es am ehesten, wenn sie den Vertragsarzt an jedem Werktag aufsuchen können.

29

cc. Der Pflichtverstoß entfällt auch nicht deswegen, weil eine Notfallversorgung gesichert war und der Kläger seine Patienten darüber informiert hatte, welche Ärzte ihre Praxis geöffnet hatten (siehe hierzu noch ). Dies stellt kein gesetzeskonformes Surrogat für die Wahrnehmung des vom Kläger übernommenen Versorgungsauftrags dar; maßgeblich ist allein, dass der Kläger seine Praxis geschlossen hatte, ohne hierzu berechtigt zu sein, und deswegen nicht für die Versorgung der Patienten zur Verfügung stand.

30

b. Der Kläger war auch nicht aufgrund normativ anerkannter (aa.) bzw sonstiger anerkennenswerte Gründe (bb.) zur Praxisschließung berechtigt.

31

aa. In welchen Fällen ein Vertragsarzt berechtigt ist, seine Praxis (vorübergehend) zu schließen, ist zwar nicht explizit geregelt, folgt jedoch grundsätzlich aus § 32 Abs 1 Ärzte-ZV iVm § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V. Danach ist der Vertragsarzt verpflichtet, die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben (Satz 1 aaO). Inhalt der - persönlich auszuübenden - Tätigkeit ist die Durchführung von Sprechstunden. Er kann sich jedoch in den in § 32 Abs 1 Satz 2, Abs 2 Ärzte-ZV genannten Konstellationen - in begrenztem zeitlichen Umfang - vertreten lassen. Aus dieser Regelung ist nicht allein der Schluss zu ziehen, dass der Vertragsarzt bei Nichtvorliegen der dort genannten Gründe sich nicht vertreten lassen darf, sondern seine Tätigkeit persönlich auszuüben hat. Vielmehr lässt die Regelung darüber hinaus den Erst-recht-Schluss zu, dass einem Vertragsarzt bei Nichtvorliegen der in § 32 Ärzte-ZV genannten Gründe (bzw sonstiger anerkennenswerter Gründe) auch nicht das Recht zusteht, den Praxisbetrieb - und sei es nur vorübergehend - vollständig einzustellen.

32

Gründe für eine Vertretung sind Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung (§ 32 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV); bei Ärztinnen tritt eine Vertretung im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer Entbindung hinzu (aaO Satz 3). Als (weitere) Gründe für eine - längerfristige - Vertretung (bzw die Beschäftigung von Assistenten) nennt § 32 Abs 2 Satz 2 Ärzte-ZV Kindererziehungszeiten(Nr 2 aaO), die Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen (Nr 3 aaO) sowie eine Vertretung im Rahmen der Aus- und Weiterbildung oder aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung (Nr 1 aaO). Derartige Gründe werden jedoch vom Kläger weder geltend gemacht noch liegen solche vor. Unterbrechungen aus anderen Gründen sind - grundsätzlich (siehe noch bb.) - unzulässig (Hartmannsgruber in Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 3. Aufl 2015, Abschnitt 7 RdNr 1237).

33

bb. Der Kläger war vorliegend auch nicht aus anderen - nicht von § 32 Ärzte-ZV erfassten - Gründen berechtigt, seine Praxis zu schließen. In welchen Fällen Vertragsärzte - über die in § 32 Ärzte-ZV geregelten Konstellationen hinaus - ihre Praxis während der regulären Sprechstundenzeiten schließen dürfen, ohne gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten zu verstoßen, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Außerhalb von § 32 Ärzte-ZV kommen als rechtfertigende Gründe etwa gerichtliche Zeugenvorladungen und Hausbesuche in Betracht (siehe hierzu Hesral in Ehlers, Disziplinarrecht für Ärzte und Zahnärzte, 2. Aufl 2013, RdNr 87; ebenso Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV, § 24 RdNr 3). Die Teilnahme an einem vertragsärztlichen "Warnstreik" ist jedenfalls kein Anlass, der eine Praxisschließung rechtfertigen könnte, da derartige ärztliche "Kampfmaßnahmen" durch die Bestimmungen des Vertragsarztrechts ausgeschlossen sind (siehe B.1.c.).

34

c. Die Durchsetzung ärztlicher Forderungen durch "Kampfmaßnahmen" - hierzu gehören neben "(Warn-)Streiks" etwa Boykottaufrufe gegen bestimmte KKen, aber auch andere Maßnahmen, wie zB die ohne sachlichen Grund erfolgende Verweigerung der Annahme neuer Patienten bzw die Nichtvergabe von Terminen bei planbaren Eingriffen - steht nicht mit den Bestimmungen des Vertragsarztrechts im Einklang (ein "Streikrecht" der Vertragsärzte verneinend: Burkardt, Ärztliche Standespflichten und Streikrecht der Kassenärzte und der in Krankenhäusern privatrechtlich angestellten Ärzte, Dissertation 1971, S 21 f mwN; Hencke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand Januar 2016, § 72 SGB V RdNr 14; Thiele, DVBl 1977, 556 ff; Wenner, GesR 2009, 505, 516; Zacher, ZfS 1966, 129, 161; ders, Abhandlungen zum Sozialrecht, 1993, 582, 615; differenzierend und ein "Streikrecht" für den Fall einer gravierenden Systemstörung bejahend: Kern in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 16 RdNr 4; Uhlenbruck, RdA 1972, 327, 334; ein Streikrecht auf der Grundlage von Art 12 Abs 1 GG bejahend: Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 112 ff).

35

Der Senat hat vorliegend allein darüber zu befinden, ob Praxisschließungen zum Zweck der Durchführung streikähnlicher ärztlicher "Kampfmaßnahmen" eine Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten darstellen. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten ausdrücklich erklärt, ein "Streikrecht" ausüben zu wollen. Damit hat er sein Handeln in dem Sinne verstanden, an einer planmäßigen und gemeinschaftlich durchgeführten "Arbeitsniederlegung" - dh der Einstellung einer an sich zu erbringenden Arbeitsleistung - teilzunehmen (zum Streikbegriff siehe Treber in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl 2015, § 191 RdNr 8; Linsenmaier in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl 2016, Art 9 GG RdNr 161).

36

Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob einmalige Praxisschließungen innerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten, die allein zu dem Zweck einer Teilnahme des Vertragsarztes an einer Protestversammlung oder -kundgebung erfolgen, generell oder unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind.

37

Die durch Art 5 Abs 1 GG und Art 8 GG geschützten Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit stehen auch Vertragsärzten zu und können - unter der Voraussetzung, dass zumindest ein Notdienst sichergestellt ist - im Grundsatz auch eine vorübergehende Praxisschließung rechtfertigen. Zu welchem Zweck diese Versammlung abgehalten wird und gegen wen sie sich richtet, ist dabei unerheblich. Ungeachtet des Gebots des Zusammenwirkens (§ 72 Abs 1 Satz 1 SGB V)kann sich die Versammlung auch auf eine Beeinflussung der KKen, der eigenen KÄV der Vertragsärzte oder aber des Gesetzgebers richten. Die KÄVen werden jedoch zur Vermeidung einer Umgehung des "Streikverbots" durch vorgebliche "Demonstrationen" in jedem Einzelfall - insbesondere bei wiederkehrenden Aktionen - sorgfältig zu prüfen haben, ob es sich (noch) um eine durch Art 8 GG geschützte Versammlung oder vielmehr um einen - vertragsärztliche Pflichten verletzenden - "Streik" handelt.

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Eine - auch eine vorübergehende Praxisschließung rechtfertigende - Teilnahme an einer Versammlung könnte dann anzunehmen sein, wenn dabei das auf eine größere Öffentlichkeit zielende demonstrative Element - im Sinne einer "machtvollen Kundgebung" - im Mittelpunkt steht und die Schließung der Praxis gleichsam nur unvermeidliche Folge der Demonstrationsabsicht ist. Steht hingegen das Bestreben im Vordergrund, durch eine Beeinträchtigung der Versorgung der Versicherten Druck auf die KKen auszuüben und wird diese Maßnahme lediglich medial unterstützt, liegt hingegen ein - unzulässiger - "Streik" vor.

39

aa. Ein ausdrückliches Verbot von kollektiven "Kampfmaßnahmen" der Ärzteschaft bzw eine dem gleichkommende Sanktionierung entsprechenden Verhaltens enthalten allerdings weder das SGB V noch das auf dessen Grundlage ergangene Recht.

40

Zwar bestimmt § 95b Abs 1 SGB V, dass es mit den Pflichten eines Vertragsarztes nicht vereinbar ist, in einem mit anderen Ärzten aufeinander abgestimmten Verhalten auf die Zulassung als Vertragsarzt zu verzichten (sogenannter "Kollektivverzicht"); entsprechende Pflichtverstöße haben (ua) gemäß § 95b Abs 2 SGB V eine sechsjährige Wiederzulassungssperre zur Folge(zur Rechtmäßigkeit dieser Regelung siehe die Urteile des BSG vom 27.6.2007 - B 6 KA 37/06 R - BSGE 98, 294 = SozR 4-2500 § 95b Nr 1, - B 6 KA 38/06 R - USK 2007-68 und - B 6 KA 39/06 R - nicht veröffentlicht, sowie die Urteile vom 17.6.2009 - B 6 KA 16/08 R - BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, - B 6 KA 18/08 R - SozR 4-1500 § 54 Nr 15 und - B 6 KA 14/08 R - nicht veröffentlicht). § 95b SGB V gilt jedoch sowohl nach seinem Wortlaut als auch nach seinem Sinn und Zweck nur für den Fall eines kollektiven Verzichts auf die Zulassung und kann nicht auf andere "Kampfmaßnahmen" - wie vorübergehende Praxisschließungen - analog angewandt werden.

41

Allerdings lässt der Umstand, dass der Gesetzgeber allein den Fall eines kollektiven Zulassungsverzichts explizit sanktioniert hat, auch nicht den Umkehrschluss zu, dass er alle übrigen "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte als zulässig erachtet. Dass sich der Gesetzgeber in Bezug auf den "Kollektivverzicht" zu einer expliziten gesetzlichen Reaktion veranlasst sah, beruht gerade darauf, dass das Mittel des "Kollektivverzichts" aus dem Bewusstsein heraus entwickelt wurde, dass andere "Kampfmaßnahmen" - insbesondere ein "Ärztestreik" - rechtlich ausgeschlossen sind (siehe hierzu Ludes, Die Honorierung kassenärztlicher Leistungen als Instrument zur Angebotssteuerung im ambulanten Sektor, 1986, S 57 ff: Rückgabe der Zulassung als "Quasi-Streik"). Mit Aktionen in Form eines "Kollektivverzichts" sollte der Umstand genutzt werden, dass Vertragsärzte rechtlich nicht gehindert sind, ihre Zulassungen zurückzugeben bzw auf diese zu verzichten. Die gesetzliche Regelung soll einen derartigen Missbrauch dieses Rechts verhindern; sanktioniert wird der rechtsmissbräuchliche, von den Vertragsärzten lediglich als Druckmittel in der Erwartung eingesetzte Verzicht, die vertragsärztliche Versorgung könne auf Dauer nicht ohne sie auskommen (siehe Gesetzesbegründung zum Gesundheitsstrukturgesetz , BT-Drucks 12/3608 S 95 zu § 95b Abs 1 SGB V).

42

Auch § 72a Abs 1 SGB V, der den Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die KKen vorsieht, wenn mehr als 50 vH aller in einem Zulassungsbezirk oder regionalen Planungsbereich niedergelassenen Vertragsärzte auf ihre Zulassung nach § 95b Abs 1 SGB V verzichten oder die vertragsärztliche Versorgung verweigern und die Aufsichtsbehörde festgestellt hat, dass dadurch die vertragsärztliche Versorgung nicht mehr sichergestellt ist, kann weder im Sinne eines "Streikverbots" noch im (umgekehrten) Sinne einer gesetzlichen Tolerierung aller übrigen "Kampfmaßnahmen" verstanden werden. Zwar käme der Fall einer "Verweigerung" vertragsärztlicher Leistungen im Ergebnis einem "Streik" gleich. Der Annahme, dass der Gesetzgeber damit allein den Fall eines "flächendeckenden" Streiks sanktionieren wollte, steht jedoch die Wertung entgegen, dass der Gesetzgeber eine Sanktionierung etwaiger Streikmaßnahmen von Vertragsärzten durch Disziplinarmaßnahmen der KÄVen als grundsätzlich ausreichend erachten durfte und nur im Falle einer "flächendeckenden" Verweigerung der vertragsärztlichen Tätigkeit zusätzlich das schärfere Schwert eines Entzugs des Sicherstellungsauftrags für erforderlich erachtet.

43

bb. Die Unzulässigkeit von gegen die KKen (und ggf auch gegen die KÄVen) gerichteten "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte ergibt sich jedoch aus der gesetzlichen Konzeption des Vertragsarztrechts. Dieses stellt ein in sich geschlossenes System dar, durch dessen Ausgestaltung der Gesetzgeber die partiell gegenläufigen Interessen der KKen auf der einen und der Leistungserbringer auf der anderen Seite zum Ausgleich gebracht hat, um auf diese Weise eine verlässliche Versorgung der Versicherten zu angemessenen Bedingungen sicherzustellen.

44

Der Gesetzgeber hat das Vertragsarztrecht bewusst so konzipiert, dass die Versorgung der Versicherten mit vertragsärztlichen Leistungen ungeachtet der Interessengegensätze zwischen den Leistungserbringern und den Kostenträgern unter allen Umständen gewährleistet bleibt. Dies wird durch bestimmte, das Vertragsarztrecht prägende Strukturelemente erreicht, deren wesentlicher Zweck darin besteht, Störungen der Patientenversorgung zu verhindern. Das vom Gesetzgeber geschaffene System ist dabei vorrangig auf einen Interessenausgleich ausgerichtet, stellt jedoch zugleich sicher, dass auch im Falle unüberbrückbarer Gegensätze zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern die Versorgung der Versicherten gewährleistet bleibt. Wesentliche Strukturelemente des Vertragsarztrechts sind die Trennung der Rechtskreise (siehe dazu <(1)>), die Übertragung des Sicherstellungsauftrags auf die KÄVen (siehe dazu <(2)>) sowie ein "Kollektivvertragssystem" (siehe dazu <(3)>). Dieses System ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen, durch wiederkehrende Auseinandersetzungen und Interessengegensätze geprägten Entwicklung und daher auf den Ausgleich dieser Gegensätze angelegt (siehe dazu <(4)>).

45

(1) Das Vertragsarztrecht ist zunächst so ausgestaltet, dass grundsätzlich (zu Ausnahmen durch Selektivverträge siehe §§ 73b, 140a SGB V)unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen den KKen als Kostenträgern und den Ärzten als Leistungserbringern vermieden werden (vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 130): Rechtliche Beziehungen bestehen allein zwischen den KKen bzw deren Verbänden und den - als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisierten (§ 77 Abs 5 SGB V)- KÄVen, welche in einer Doppelfunktion zugleich die Rechte der Vertragsärzte wahrzunehmen haben (§ 75 Abs 2 Satz 1 SGB V). Auf Bundesebene gilt Entsprechendes für deren Spitzenorganisationen, die KÄBV und den Spitzenverband Bund der KKen. Allein zwischen diesen Vertragsparteien werden die maßgeblichen Leistungsbedingungen ausgehandelt und in Form von Bundesmantelverträgen (§ 82 Abs 1 Satz 1 SGB V)bzw auf regionaler Ebene in Form von Gesamtverträgen (§ 83 Satz 1 SGB V) vereinbart. Dies gilt insbesondere für die Höhe der Vergütungen, die von den Landesverbänden der KKen und den Ersatzkassen mit der jeweiligen KÄV vereinbart und von der jeweiligen KK als "Gesamtvergütung" für alle in einem bestimmten Zeitraum erbrachten vertragsärztlichen Leistungen insgesamt gezahlt werden(§ 85 Abs 1, § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V). Die Verteilung der Gesamtvergütungen auf die einzelnen Vertragsärzte wiederum ist alleinige Aufgabe der jeweiligen KÄV. Bei der Berechnung und Zahlung der Gesamtvergütungen und deren Verteilung handelt es sich um zwei eigenständige, formal getrennte Rechtskreise (stRspr des BSG, zB BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 9 RdNr 32; BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 33).

46

Die Trennung der Rechtskreise sowie der Umstand, dass sich bei den Vertragsverhandlungen Körperschaften des öffentlichen Rechts gegenüberstehen, die an Recht und Gesetz gebunden sind, bewirkt schon für sich genommen eine gewisse "Verrechtlichung" und damit Versachlichung der Auseinandersetzungen.

47

(2) Ein zentrales Element des Vertragsarztrechts und damit des Systems der GKV stellt der den KÄVen übertragene "Sicherstellungsauftrag" dar.

48

§ 72 Abs 1 Satz 1 SGB V bestimmt grundlegend(in der Art einer "Generalklausel", so Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand September 2016, § 72 RdNr 6), dass Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, medizinische Versorgungszentren (MVZ) und KKen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zusammenwirken. Ungeachtet dieser alle Beteiligten treffenden Verpflichtung zur Zusammenarbeit überträgt das Gesetz durch § 75 Abs 1 Satz 1 SGB V die konkrete Aufgabe der Sicherstellung der (Regel-)Versorgung den vertragsärztlichen Körperschaften. Danach haben die KÄVen und die KÄBV die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen und den KKen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht (sogenannter "Sicherstellungsauftrag"). Aus dieser Aufgabenübertragung resultiert die Gesamtverantwortung der vertragsärztlichen Körperschaften für die ordnungsgemäße Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung (stRspr des BSG, zB BSGE 79, 97, 99 f = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 4; BSGE 109, 182 = SozR 4-2500 § 103 Nr 8, RdNr 13). Ob den KÄVen der Sicherstellungsauftrag für die vertragsärztliche Versorgung als politischer Ausgleich für den Verzicht der Kassenärzte auf die Möglichkeit des streikähnlichen Honorarkampfes übertragen wurde (so Hess in Kasseler Komm, SGB V, Stand Juni 2016, § 75 RdNr 3) oder ob die Übertragung auf die KÄVen nicht primär deswegen erfolgte, weil sie die Sicherstellung der Versorgung (über ihre Mitglieder) am besten gewährleisten können, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

49

Entgegen der Auffassung des Klägers ist dieser Sicherstellungsauftrag auch nicht dadurch obsolet geworden, dass § 73b SGB V ("Hausarztzentrierte Versorgung") und § 140a SGB V ("Besondere Versorgung") den Abschluss von Selektivverträgen zwischen KKen und Leistungserbringern ermöglichen, bei deren Durchführung der Sicherstellungsauftrag der KÄV eingeschränkt ist(siehe hierzu § 73b Abs 4 Satz 6 und § 140a Abs 1 Satz 4 SGB V; BSGE 100, 52 = SozR 4-2500 § 140d Nr 1, RdNr 21). Dass nunmehr ein Teil der vertragsärztlichen Versorgung über Selektivverträge organisiert wird, ändert im Grundsatz nichts daran, dass die KÄVen weiterhin die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen haben. Das Gesetz spricht allein von einer "Einschränkung", nicht hingegen von einer "Aufhebung" des Sicherstellungsauftrags; zudem gilt die gesetzliche Einschränkung nur, "soweit" die Versorgung durch Selektivverträge durchgeführt wird. Ob bzw unter welchen Voraussetzungen der den KÄVen verbliebene Sicherstellungsauftrag etwa für die hausärztliche Versorgung obsolet werden kann, wenn die überwiegende Zahl der Vertragsärzte an Selektivverträgen beteiligt ist, bedarf gegenwärtig keiner Entscheidung.

50

Die sich aus § 75 Abs 1 Satz 1 SGB V ergebende Verpflichtung trifft zwar unmittelbar allein die KÄV als Körperschaft. Umgesetzt wird die Sicherstellung aber von den gemäß § 72 Abs 1 Satz 1 SGB V an der vertragsärztlichen Versorgung mitwirkenden Vertragsärzten (und Psychotherapeuten) als Mitglieder der KÄV(BSGE 88, 20, 27 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 73). Die KÄV kann ihre Sicherstellungsverpflichtung nur erfüllen, wenn ihre Mitglieder wiederum ihrer Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nachkommen, dh die zur vertragsärztlichen Versorgung ihres jeweiligen Fachgebiets gehörenden Leistungen auch anbieten und erbringen (BSGE 88, 20, 27 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 73). Daher ist der einzelne Vertragsarzt gemäß §§ 70 Abs 1, 72 Abs 1 Satz 1, 75 Abs 1 SGB V in diesen Sicherstellungsauftrag eingebunden(BSG Urteil vom 14.3.2001 - B 6 KA 67/00 R - Juris RdNr 26 = MedR 2002, 47 = USK 2001-126).

51

Gewährleistet wird die Umsetzung des Sicherstellungsauftrags der KÄV dadurch, dass die zugelassenen Vertragsärzte - sowie die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden angestellten Ärzte nach Maßgabe dieser Vorschrift - (Zwangs-)Mitglieder der für sie zuständigen Körperschaft KÄV werden (§ 77 Abs 3 SGB V). Der einzelne Vertragsarzt wird gemäß § 95 Abs 3 Satz 1 SGB V aufgrund seiner Zulassung kraft Gesetzes zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in dem durch den Sicherstellungsauftrag festgelegten Umfang verpflichtet(BSG Urteil vom 12.10.1994 - 6 RKa 29/93 - Juris RdNr 10 = USK 94139; BSGE 88, 193, 197 f = SozR 3-2500 § 79a Nr 1 S 6); Entsprechendes gilt für MVZ (§ 95 Abs 3 Satz 2 SGB V)und ermächtigte Ärzte (§ 95 Abs 4 Satz 1 SGB V). Dementsprechend haben (ua) die Vertragsärzte an der Erfüllung des den Versicherten zustehenden Anspruchs auf ärztliche Behandlung mitzuwirken (BSGE 88, 20, 26 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 73; BSG Urteil vom 14.3.2001 - B 6 KA 67/00 R - Juris RdNr 26 = MedR 2002, 47 = USK 2001-126). Die KÄVen haben die Vertragsärzte ggf mit den Mitteln des Disziplinarrechts dazu anzuhalten, sich der Mitwirkung an der vertragsärztlichen Versorgung nicht ohne sachlichen Grund - auch nicht in Teilbereichen - zu entziehen (BSG aaO), und sie haben durch die Zwangsmitgliedschaft der an der Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte und die hiermit verbundene Disziplinargewalt über diese auch die Möglichkeit hierzu.

52

Durch die Übertragung des Sicherstellungsauftrags erfolgt eine Inpflichtnahme der KÄV und - hiervon abgeleitet - der dieser angehörenden Vertragsärzte der Art, dass sie für den Gemeinwohlbelang der Funktionsfähigkeit der GKV Verantwortung zu tragen haben. Die Vertragsärzte sind aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der KÄV nicht allein als deren Erfüllungsgehilfen zu betrachten; vielmehr übernimmt (auch) der einzelne Vertragsarzt mit seinem Beitritt zum vertragsärztlichen System die Verantwortung für den Erhalt dieses Systems (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung zum GSG, BT-Drucks 12/3608 S 95 zu § 95b Abs 3 SGB V). Damit ist die Bereitschaft der Vertragsärzte zur Einhaltung der vertragsärztlichen Vorschriften und zur Kooperation mit den vertragsärztlichen Institutionen wesentlich für die Sicherung des Systems der vertragsärztlichen Versorgung und der Funktionsfähigkeit der GKV (vgl BVerfG Beschluss vom 26.9.2016 - 1 BvR 1326/15 - RdNr 43 - Juris). Ohne diese auch tatsächliche Gewährleistung einer störungsfreien Versorgung der Versicherten durch die KÄVen und ihre Mitglieder wäre es nicht zu rechtfertigen, dass die Sicherstellungsaufgaben nicht denjenigen Körperschaften übertragen worden sind, die - über die Beiträge ihrer Mitglieder - die Versorgung finanzieren.

53

Der den KÄVen übertragene Auftrag zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ist von zentraler Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Systems der GKV. Das kommt bereits dadurch zum Ausdruck, dass die "Sicherstellung der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung" ausweislich der Überschrift Gegenstand des gesamten Ersten Titels des Kapitels 4 Abschnitt 2 des SGB V ist. Die Bedeutung des Sicherstellungsauftrags für den Systemerhalt bestätigen zudem zahlreiche gesetzliche Vorschriften, die dessen Erfüllung gewährleisten bzw Systemstörungen verhindern sollen: So sieht § 72a Abs 1 SGB V den Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die KKen vor, wenn mehr als 50 vH aller in einem Zulassungsbezirk oder regionalen Planungsbereich niedergelassenen Vertragsärzte auf ihre Zulassung nach § 95b Abs 1 SGB V verzichten oder die vertragsärztliche Versorgung verweigern und die Aufsichtsbehörde festgestellt hat, dass dadurch die vertragsärztliche Versorgung nicht mehr sichergestellt ist. Die Regelung bezweckt, abgestimmte Boykottaktionen zur Herbeiführung erheblicher Versorgungsengpässe und Erlangung einer nötigungsgleichen Verhandlungsposition zu unterbinden (Hesral in juris-PK SGB V, 3. Aufl 2016 § 72a RdNr 19). Mit dem Übergang des Sicherstellungsauftrags sind die KKen insbesondere berechtigt, mit Ärzten - aber auch mit Krankenhäusern - Einzel- und Gruppenverträge zu schließen (§ 72a Abs 3 Satz 1 SGB V)und Eigeneinrichtungen nach § 140 Abs 2 SGB V zu errichten(§ 72a Abs 3 Satz 2 SGB V).

54

Zudem steht den KKen dann, wenn die KÄV ihrem Sicherstellungsauftrag aus Gründen, die sie zu vertreten hat, nicht nachkommt, das Recht zu, die in den Gesamtverträgen nach § 85 oder § 87a SGB V vereinbarten Vergütungen teilweise zurückzubehalten(§ 75 Abs 1 Satz 2 SGB V). Die Einzelheiten haben die Partner des BMV-Ä gemäß § 75 Abs 1 Satz 3 SGB V vertraglich zu regeln; entsprechende Regelungen enthält § 54 Abs 3 BMV-Ä idF ab 1.10.2013 - einschließlich eines Schadensersatzanspruchs der KK (siehe § 54 Abs 3 Satz 12 BMV-Ä). Zweck der Regelung ist es, den KKen "die Möglichkeit" - letztlich ein Druckmittel (so auch Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand September 2016, § 75 RdNr 4e) - in die Hand zu geben, um die KÄVen zur Einhaltung ihrer Gewährleistungsverpflichtung anzuhalten (Gesetzesbegründung zum GKV-Modernisierungsgesetz , BT-Drucks 15/1525 S 98). Von der KÄV zu vertretende Gründe für ein Versagen des Sicherstellungsauftrags können in einem gesetzwidrigen Verhalten (Boykottaufrufe etc) oder in einem systematischen Unterlassen gesetzlich gebotener oder vertraglich vereinbarter Maßnahmen bestehen, wenn kausal damit Sicherstellungsdefizite verbunden sind (Hess in Kasseler Komm, SGB V, Stand Juni 2016, § 75 RdNr 36a). Nach Sinn und Zweck der Regelung dürften die Voraussetzungen für einen Einbehalt schon dann erfüllt sein, wenn die KÄV nicht in der gebotenen Weise (etwa durch Einleitung von Disziplinarverfahren und/oder durch Verlautbarungen, die auf die Pflichtwidrigkeit der geplanten Maßnahmen hinweisen) ärztlichen "Kampfmaßnahmen" entgegentritt oder diese sogar befürwortet.

55

(3) Das System der vertragsärztlichen Versorgung ist als sogenanntes "Kollektivvertragssystem" konzipiert. Dies bedeutet zum einen, dass die für die Tätigkeit der Vertragsärzte maßgeblichen Bedingungen nicht durch zwischen dem einzelnen Arzt und der einzelnen KK geschlossene Einzelverträge, sondern durch Kollektivverträge der KKen(-Verbände) auf der einen und den vertragsärztlichen Körperschaften (KÄVen, KÄBV bzw KZÄBV) auf der anderen Seite bestimmt werden. Das gesetzlich vorgegebene System verzichtet damit zwar nicht darauf, dass die maßgeblichen Leistungsbedingungen, insbesondere die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen, ausgehandelt werden; dies wird aber nicht durch "Marktkräfte", sondern durch Verbände gesteuert (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 130).

56

Zum anderen ist Wesensmerkmal des vertragsärztlichen Kollektivvertragssystems, dass die beteiligten Körperschaften der KKen und der Ärzte als "gemeinsame Selbstverwaltung" die Einzelheiten der vertragsärztlichen Versorgung auf der Grundlage gesetzlicher Vorgaben weitgehend selbst regeln. Die Selbstverwaltung und das Zusammenwirken der Beteiligten zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Versicherten stellt einen "Grundzug" des Vertragsarztrechts dar (Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik zum Gesetz über die Regelung der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und KKen - GKAR, BT-Drucks <2. Wahlperiode> 1313 S 3). Auch der erkennende Senat hat es als "Leitgedanken" des Vertragsarztrechts bezeichnet, dass die vertragsärztliche Versorgung "in allen ihrer Verästelungen wesentlich vom eigenverantwortlichen Zusammenwirken der KKen und der Kassenärzte sowie ihrer Verbände in gemeinsamer Selbstverwaltung getragen wird" (BSGE 36, 151, 154 = SozR Nr 7 zu § 368g RVO unter Bezugnahme auf BSGE 20, 73, 84 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO). Dieses System kollektivvertraglicher Normsetzung bildet ein Regelungsinstrumentarium eigener Art (BSGE 81, 73, 82 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 57).

57

Rechtliche Grundlage des Kollektivvertragssystems ist § 72 Abs 2 SGB V. Danach ist die vertragsärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des GBA durch schriftliche Verträge der KÄVen mit den Verbänden der KKen zu regeln. Ausgehend hiervon bestimmt etwa § 83 Satz 1 SGB V, dass die KÄVen mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der KKen und den Ersatzkassen Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder zu schließen haben. Den allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge wiederum haben deren Spitzenorganisationen auf Bundesebene - die KÄBV (§ 77 Abs 4 SGB V) sowie der Spitzenverband Bund der KKen (§ 217a SGB V) - in Bundesmantelverträgen zu vereinbaren (§ 82 Abs 1 Satz 1 SGB V). Zu den gesetzlich vorgeschriebenen Vereinbarungen gehören darüber hinaus - auf der Ebene der KÄVen - etwa Punktwertvereinbarungen nach § 87a Abs 2 Satz 1 SGB V und Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Abs 1 SGB V. Auf Bundesebene haben die dortigen Vertragspartner durch einen von ihnen gebildeten Bewertungsausschuss (§ 87 Abs 1 Satz 1 SGB V)insbesondere einen einheitlichen Bewertungsmaßstab (als Bestandteil der Bundesmantelverträge) zu vereinbaren, welcher den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, (grundsätzlich) in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander bestimmt (§ 87 Abs 2 Satz 1 SGB V).

58

Den hierzu zwischen den Vertragspartnern der gemeinsamen Selbstverwaltung geschlossenen Vereinbarungen kommt zudem Rechtsnormqualität zu (sogenannte "Normsetzungsverträge", vgl BSGE 81, 86, 89 = SozR 3-2500 § 87 Nr 18 S 84; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 64 ff; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 13 RdNr 26; BSG Urteil vom 17.2.2016 - B 6 KA 47/14 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 32 RdNr 22 - zu Regelungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs; BSGE 76, 48, 51 = SozR 3-2500 § 120 Nr 5 S 29 - zu Gesamtverträgen; BSG Beschluss vom 28.9.2016 - B 6 KA 11/16 B - nicht veröffentlicht, RdNr 10 - zu Richtgrößenvereinbarungen nach § 84 Abs 6 SGB V aF), mit der Folge, dass sie nicht allein für die Vertragsparteien, sondern auch für die Vertragsärzte und die gesetzlich krankenversicherten Patienten verbindlich sind.

59

Über die gemeinsame Vertragsgestaltung hinaus sind die vertragsärztlichen Körperschaften und die KKen(-Verbände) als "gemeinsame Selbstverwaltung" in vielfältiger Weise miteinander verbunden: So wirken sie im GBA nach § 91 SGB V zusammen, welcher die zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten beschließt(§ 92 Abs 1 Satz 1 SGB V); in dessen Beschlussgremium entsenden die Spitzenorganisationen der Ärzte wie auch der KKen Mitglieder (§ 91 Abs 2 Satz 1 SGB V). Weitere Entscheidungsgremien, in denen KKen und KÄVen zusammenarbeiten, sind zB Landesausschüsse nach § 90 SGB V, Zulassungs- und Berufungsausschüsse nach §§ 96, 97 SGB V sowie Beschwerdeausschüsse nach § 106 Abs 4 SGB V.

60

Die Übertragung des Rechts, die eigenen Angelegenheiten im Wesentlichen selbst durch entsprechende Verträge zu gestalten, und das den Kollektivvertragspartnern damit gewährte hohe Maß an Autonomie macht es zugleich erforderlich, durch entsprechende Rahmenbedingungen sicherzustellen, dass die Beteiligten ihren Verpflichtungen auch nachkommen. Die KÄVen und die KKen-Verbände sind zugleich gezwungen, beim Abschluss der Vereinbarungen über die vertragsärztliche Versorgung einen Interessenausgleich mit der jeweils anderen Seite zu finden (BSGE 81, 73, 82 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 57). Diese Verpflichtung zum Interessenausgleich wird bereits durch das in § 72 Abs 1 Satz 1 SGB V normierte "Zusammenwirkungsgebot"(Hesral in juris-PK SGB V, 3. Aufl 2016, § 72 RdNr 7)verdeutlicht.

61

Um zu verhindern, dass ein vertragsloser und damit "regelungsloser" Zustand eintritt, verlässt sich der Gesetzgeber allerdings weder allein auf das vorerwähnte Gebot einer vertrauensvollen Zusammenarbeit der Vertragspartner noch auf die Möglichkeit, mit Aufsichtsmitteln nach § 89 SGB IV auf die als Körperschaften des öffentlichen Rechts unter staatlicher Aufsicht stehenden Vertragspartner einzuwirken(siehe hierzu § 78 Abs 1 für die KÄBV und die KÄVen, § 208 Abs 1 Satz 1 SGB V für die Landesverbände der KKen, § 217d Satz 3 iVm § 208 Abs 2 Satz 1 SGB V für den Spitzenverband Bund der KKen), auch wenn diese Maßnahmen bis zur Einsetzung eines "Staatskommissars" reichen können (siehe hierzu § 79a Abs 1 SGB V; BSGE 88, 193 = SozR 3-2500 § 79a Nr 1). Vielmehr wird das reibungslose Funktionieren der vertragsärztlichen Versorgung durch zwei weitere für das vertragsärztliche Kollektivvertragssystem typische Gestaltungselemente abgesichert, nämlich durch gesetzlich vorgeschriebene Schlichtungsverfahren sowie die gesetzlich angeordnete Fortgeltung ausgelaufener Verträge bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung.

62

Diese Regelungen gewährleisten, dass ein vertragsloser Zustand vermieden wird (vgl BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 30); gleichzeitig verhindern sie, dass einer der Beteiligten durch die Blockade der Vertragsverhandlungen und den sich aus einem vertragslosen Zustand ergebenden Auswirkungen auf die vertragsärztliche Versorgung ein ihm genehmes Verhandlungsergebnis erzwingen kann. Im Streitfall soll das erforderliche Ergebnis - der Abschluss eines Vertrages über die vertragsärztliche Versorgung - nicht durch Mittel des "Arbeitskampfes" (im Sinne von "Streik" und "Aussperrung") erzwungen werden. Vielmehr wird den Vertragspartnern im Falle der Nichteinigung der Streitgegenstand entzogen und die Entscheidungshoheit auf das neutrale Schiedsamt übertragen, dessen Entscheidung wiederum zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden kann.

63

So bestimmt § 89 Abs 1 SGB V, dass dann, wenn ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande kommt(Satz 1 aaO) oder wenn ein neuer Vertrag nach Kündigung des alten nicht bis zu dessen Ablauf zustande kommt (Satz 3 aaO), das - neben Vertretern der Vertragsparteien mit drei unparteiischen Mitgliedern besetzte - (Landes-)Schiedsamt den Vertragsinhalt innerhalb von drei Monaten festsetzt (siehe hierzu Düring/Schnapp in Schnapp/Düring, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl 2016, S 57 ff). Für den Fall, dass der für eine Entscheidung des Schiedsamts erforderliche Antrag nicht gestellt wird, sieht § 89 Abs 1a Satz 1 SGB V für gesetzlich vorgeschriebene Verträge - wie etwa Gesamtverträge nach § 83 SGB V, deren Inhalt insbesondere die Vereinbarung der Gesamtvergütungen ist(vgl § 85 Abs 2 Satz 1 SGB V) - eine Antragstellung durch die Aufsichtsbehörden vor. Schließlich hat der Gesetzgeber auch für den Fall Vorsorge getroffen, dass das Schiedsamt seinerseits untätig bleibt: Kommt ein Vertrag nicht innerhalb von drei Monaten durch Schiedsspruch zustande und verstreicht sodann auch eine dem Schiedsamt von der Aufsichtsbehörde gesetzte Frist, setzt diese den Vertragsinhalt fest (§ 89 Abs 1 Satz 5 und Abs 1a Satz 3 iVm Abs 1 Satz 5 SGB V). Schließlich wird bestimmt, dass Klagen gegen die Festsetzung des Schiedsamts keine aufschiebende Wirkung haben (§ 89 Abs 1 Satz 6, Abs 1a Satz 4 SGB V), der von diesem festgesetzte Vertragsinhalt also sofort Geltung erlangt.

64

Für den Fall, dass die den Bewertungsausschuss bildenden Organisationen - im Regelfall also die KÄBV und der Spitzenverband Bund der KKen - keine Einigung über die dem Bewertungsausschuss übertragenen Aufgaben, namentlich den Inhalt des Bewertungsmaßstabs nach § 87 Abs 1 SGB V, erzielen, sieht § 87 Abs 5 SGB V eine Entscheidung durch den - um einen unparteiischen Vorsitzenden und zwei weitere unparteiische Mitglieder erweiterten(§ 87 Abs 4 Satz 1 SGB V) -erweiterten Bewertungsausschuss vor (siehe hierzu Altmiks in Schnapp/Düring aaO, S 205 ff).

65

Flankiert werden die Schiedsregelungen durch die Bestimmungen über die Fortgeltung bisheriger Verträge. Zwecks Verhinderung eines vertragslosen Zustandes im Zeitraum zwischen Vertragsablauf und Schiedsamtsentscheidung bestimmt etwa § 89 Abs 1 Satz 4 SGB V, dass ein gekündigter Vertrag bis zur Entscheidung des Schiedsamts fortgilt. Dies wird weder durch das Scheitern der Schiedsverhandlungen in Frage gestellt noch dadurch, dass ein Schiedsentscheid nicht binnen der Dreimonatsfrist des § 89 Abs 1 Satz 3 SGB V ergeht(BSGE 88, 193, 202 = SozR 3-2500 § 79a Nr 1 S 11). Ebenso bestimmt § 84 Abs 1 Satz 3 SGB V, dass dann, wenn eine Arzneimittelvereinbarung nicht bis zum Ablauf der in § 84 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Frist zustande kommt, die bisherige Vereinbarung bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung oder einer Entscheidung durch das Schiedsamt weiter gilt.

66

(4) Die gesetzlichen Regelungen zum Vertragsarztrecht sind in "jahrzehntelanger Entwicklung aus den Interessengegensätzen und dem Interessenausgleich zwischen der Ärzteschaft und den KKen" entstanden (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung zum ersten Entwurf eines GKAR, BT-Drucks <2. Wahlperiode> 87 S 14 - A. Allgemeiner Teil I. Entwicklung des Kassenarztrechts).

67

Nach dem "Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter" (Krankenversicherungsgesetz ) vom 15.6.1883 (RGBl 73) konnten die KKen nach eigenem Ermessen und in freier Vereinbarung mit ihnen genehmen Ärzten bürgerlich-rechtliche (Einzel-)Dienstverträge über die ärztliche Versorgung ihrer Versicherten schließen (Gesetzesbegründung zum GKAR aaO; siehe hierzu auch Rompf, VSSR 2007, 1, 5 ff). So ermächtigte der mit Gesetz vom 10.4.1892 (RGBl 379) in das KVG eingefügte § 6a die KKen, durch Statut zu bestimmen, welche Ärzte die Versicherten behandeln konnten; die Bezahlung anderer als der im Statut benannten Ärzte war ausgeschlossen. Die durch den zunehmenden Organisationsgrad der GKV bedingten Auswirkungen dieser Machtstellung auf die Ärzteschaft (ausführlich hierzu Käsbauer, Die Neuordnung der Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten und KKen durch das Berliner Abkommen vom 23.12.1913, Dissertation, 2015, S 54 ff) führten zur Gründung ärztlicher Interessenorganisationen (namentlich des Leipziger Verbandes bzw "Hartmannbundes"), die insbesondere für eine Erhöhung der Honorare, die freie Arztwahl sowie die Ablösung der Einzelverträge durch Kollektivverträge eintraten (Rompf aaO; Gesetzesbegründung zum GKAR aaO).

68

Die an die Stelle des KVG tretende RVO vom 19.7.1911 (RGBl 509) übernahm die bestehenden Strukturen des KVG und entsprach damit nicht den Interessen der Ärzteschaft (Zacher, ZfS 1966, 129, 131). Vielmehr wurde die Position der Ärzte weiter geschwächt, da die KKen durch § 370 Satz 1 RVO ermächtigt wurden, den Versicherten an Stelle von Sachleistungen zwei Drittel des durchschnittlichen Krankengeldes zu gewähren, sofern die ärztliche Versorgung ernstlich dadurch gefährdet wurde, dass die KK keinen Vertrag zu angemessenen Bedingungen mit einer ausreichenden Zahl von Ärzten schließen konnte oder dass die Ärzte den Vertrag nicht einhielten; hierdurch wurde den Ärzten ein effektives Druckmittel - die Kündigung der Verträge - entzogen, weil die Versicherten in diesem Fall Ärzte konsultieren konnten, die keine Verträge mit den KKen geschlossen hatten (Ziermann, Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der GKV, Dissertation 2007, S 20). Daraufhin wurde auf einem außerordentlichen Ärztetag am 26.10.1913 ein allgemeiner Streik ab dem Inkrafttreten der RVO - dh ab dem 1.1.1914 - beschlossen (Zacher, ZfS 1966, 129, 131). Auf Vermittlung der Reichsregierung wurde am 23.12.1913 zwischen den Spitzenverbänden der KKn und der Ärzteschaft das sogenannte "Berliner Abkommen" (abgedruckt bei Käsbauer aaO S 405 ff) vereinbart. Nach diesem - auf privatrechtlicher Grundlage zwischen Ärzten und KKen geschaffenen - Vertragssystem(zu den Einzelheiten siehe Käsbauer aaO S 149 ff) verblieb es beim Einzelvertragssystem. Jedoch verzichteten die KKen auf die einseitige Bestimmung der Zahl, der Auswahl und der Beschäftigungsbedingungen der Ärzte zugunsten einer gemeinsamen Regelung durch paritätisch besetzte Ausschüsse unter ausschlaggebender Mitwirkung eines beamteten Vorsitzenden (vgl Nr 5 und 6 des Abkommens). Auch sah das Abkommen vor, dass der Leipziger Verband auf eine Weitergeltung der alten Verträge bis zum Abschluss eines neuen Vertrages hinwirken sollte (siehe hierzu auch Rompf aaO Fußnote 59: Verpflichtung zur Weiterbehandlung).

69

Bedingt durch das Auslaufen des zunächst auf zehn Jahre befristeten und nunmehr kündbaren "Berliner Abkommens" sowie durch die Auswirkungen der Geldentwertung (Rompf aaO S 10; Käsbauer aaO S 195 ff) kam es auf der Grundlage eines Ermächtigungsgesetzes vom 13.10.1923 (RGBl 943) mit der Verordnung der Reichsregierung über Ärzte und KKen vom 30.10.1923 (RGBl 1051) erstmals zu einer normativen Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten und KKen. Mit dieser Verordnung wurde der wesentliche Teil des "Berliner Abkommens" in die RVO aufgenommen (Gesetzesbegründung zum GKAR aaO; Käsbauer aaO S 211 mwN). Geregelt wurde die Bildung eines Reichsausschusses für Ärzte und KKen (§§ 1 bis 6), von Landesausschüssen (§§ 7 bis 9)sowie von Einigungs- und Schiedsstellen (§§ 10 bis 17). Die Nichtbeachtung von Schiedsamtsentscheidungen durch den Arzt konnte einen Zulassungsausschluss von bis zu fünf Jahren nach sich ziehen, während für die Verbände der Ärzte und der KKen eine Schadensersatzpflicht bestand (§ 17 der Verordnung). Durch die Verordnung über Krankenhilfe bei den KKen vom 30.10.1923 (RGBl I 1054) wurde hingegen ua - in § 6 - bestimmt, dass die ärztliche Versorgung im Sinne von § 370 RVO insbesondere als ernstlich gefährdet gilt, wenn ein für die ausreichende Versorgung unentbehrlicher Teil der Ärzte den geschlossenen Vertrag nicht einhält(Nr 1), sich nach Ablauf oder Abbruch des Vertrags weigert, die Behandlung vorläufig unter den bisher geltenden Bedingungen fortzusetzen (Nr 2) oder sich weigert, über die künftigen Bedingungen vor den Schiedsstellen zu verhandeln (Nr 3). Der Inhalt der "Verordnung über Ärzte und KKen" wurde durch die Bekanntmachung vom 15.12.1924 (RGBl I 779, 821 ff) - als §§ 368a bis 368t - in die RVO aufgenommen.

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Die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre und die daraus resultierende Massenarbeitslosigkeit mit entsprechender Verringerung des Beitragsaufkommens sowie die Absenkung der Krankenkassenbeiträge zur Finanzierung der Arbeitslosenversicherung bedingte eine Reduzierung der Krankenversicherungsausgaben (Käsbauer aaO S 265 ff). Hierzu dienten die durch die Notverordnung vom 26.7.1930 (RGBl I 311, 321 ff) umgesetzten Maßnahmen. Zu diesen gehörten insbesondere die Normierung eines Wirtschaftlichkeitsgebots und eine mit dessen Verletzung verbundene Schadensersatzpflicht des Arztes sowie die Aufnahme von Regelungen gegen eine übermäßige Ausdehnung des kassenärztlichen Dienstes (§ 368 Abs 2 RVO) und eine Verschärfung des § 370 RVO durch die Reduzierung der anstelle einer Sachleistung zu gewährenden Barleistung auf 80 vH der wirklichen Kosten, die zugleich als Zahlung im Sinne der ärztlichen Gebührenordnung galt, und die Einführung eines Kündigungsrechts bei übermäßigen Ausgaben der KK.

71

Die insbesondere aus diesen Maßnahmen resultierenden Spannungen zwischen Ärzten und KKen (vgl Rompf aaO S 14) führten dazu, dass es auf Initiative und unter maßgeblicher Mitwirkung des Reichsarbeitsministeriums 1931 zu einer Vereinbarung zwischen der Ärzteschaft und den größten Verbänden der KKen kam, die auf der einen Seite Forderungen der Ärzteschaft nach großzügigerer Zulassung durch eine Absenkung der Verhältniszahl entgegenkam und auf der anderen Seite den Forderungen der KKen nach Abgeltung der gesamten Behandlung durch einen festen Abgeltungsbetrag für jeden Versicherten - sogenannte "Kopfpauschale" - entsprach (Gesetzesbegründung zum GKAR aaO). Da die Innungs-, Betriebs- und Landeskrankenkassen dem Kompromiss nicht zustimmten (Rompf aaO), erfolgte mit der Vierten Verordnung des Reichspräsidenten vom 8.12.1931 (RGBl I 699, 718 ff = Fünfter Teil Kapitel I ) auf der Grundlage des vorgenannten Übereinkommens (Gesetzesbegründung zum GKAR aaO S 14 f) eine gesetzliche Regelung. Deren Inhalt wurde nachfolgend durch die Verordnung über die kassenärztliche Versorgung vom 14.1.1932 (RGBl I 19) im Wege einer Neufassung der §§ 368 bis 373 in die RVO eingearbeitet.

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Mit dieser Neuregelung erhielt das Vertragsarztrecht weitgehend seine noch heute gültigen Strukturen. So wurde zur Regelung des "kassenärztlichen Dienstes" der Abschluss von Gesamtverträgen zwischen KKen und KÄVen auf der Grundlage der von den Spitzenverbänden vereinbarten Mantelverträge vorgeschrieben (§ 1 der Notverordnung = § 368 RVO nF), die Zahlung einer nach Kopfpauschalen bemessenen Gesamtvergütung bestimmt (§ 2 = § 368e Abs 1 RVO nF) sowie deren mit befreiender Wirkung erfolgenden Zahlung an die KÄV, welcher deren Verteilung oblag (§ 3 = § 368e Abs 2 RVO nF). Zudem wurde bestimmt, dass die KÄV die Erfüllung der den Kassenärzten obliegenden Verpflichtungen zu überwachen hatte und dass sie den KKen gegenüber die Gewähr dafür übernahm, dass die kassenärztliche Versorgung den Anforderungen entsprach (§ 4 = § 368d Abs 2 und 3 RVO nF). Nach § 368p Abs 3 Satz 3 Halbsatz 2 RVO wurde zudem bestimmt, dass bis zur Entscheidung des Reichsschiedsamts über das gegen eine Entscheidung des Schiedsamts eingelegte Rechtsmittel die Vergütung in der Höhe fortzuzahlen war, in der sie vor Erlass der angefochtenen Entscheidung gewährt wurde.

73

Der nachkonstitutionelle Gesetzgeber hat an das überkommene Regelungskonzept angeknüpft und es weiter ausgebaut (BSGE 78, 70, 78 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 33; BSGE 81, 73, 83 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 58). Mit dem GKAR vom 17.8.1955 (BGBl I 513) hat er dabei bewusst - in der Erkenntnis, dass in der Vergangenheit mehrfach heftige Kämpfe zwischen der Ärzteschaft und den KKen entbrannt seien, die zeitweise die Grundlagen der GKV zu erschüttern gedroht hätten, im Ergebnis aber zu der beiderseitigen Erkenntnis geführt hätten, dass im Interesse der ärztlichen Versorgung der Versicherten das verständnisvolle Zusammenwirken der Ärzteschaft und der KKen in einer umfassenden Gemeinschaftsarbeit unerlässlich sei (Gesetzesbegründung zum GKAR, BT-Drucks <2. Wahlperiode> 87 S 14) - die wesentlichen Strukturen des bisherigen Rechts übernommen. Ausdrücklich hervorgehoben wurde, dass dann, wenn keine Einigung über den Inhalt der Gesamtverträge erzielt werde, ein "Einigungsverfahren" gelte, das notfalls zu einer Zwangsschlichtung führe, und dass bis zur endgültigen Entscheidung die Vergütung gemäß § 368h Abs 5 RVO in der bisherigen Höhe weiterzuzahlen sei(Ausschussbericht zum GKAR, BT-Drucks <2. Wahlperiode> 1313 S 4). Auf die Übernahme der sogenannten "Misstrauensparagraphen" (§§ 370 ff der RVO) werde verzichtet, da Ärztestreiks uÄ aufgrund der gesetzlich vorgegebenen Zwangsschlichtung ausgeschlossen erschienen (Ausschussbericht aaO). Die Gesetzesbegründung betont damit den engen Zusammenhang zwischen der "Zwangsschlichtung" auf der einen und dem Verzicht auf die "Misstrauensparagraphen" auf der anderen Seite: Es habe Einigkeit darüber bestanden, dass der - im Gesetzgebungsverfahren diskutierte - Wegfall der Zwangsschlichtung die Wiedereinführung der §§ 370 ff RVO zur Folge haben müsse; daher habe man im Interesse der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Versicherten an der Zwangsschlichtung festgehalten (Ausschussbericht aaO S 6 zu d) Schlichtung).

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Auch dem nachkonstitutionellen Gesetzgeber kam es damit maßgeblich darauf an, im Interesse der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Versicherten einen vertragslosen Zustand zu verhindern. Dabei wurde als selbstverständlich vorausgesetzt, dass die (vorübergehende) Fortgeltung der bestehenden Vereinbarungen auch ihren Niederschlag in einer durch "Kampfmaßnahmen" unbeeinträchtigten Versorgung der Versicherten findet. Hierauf weisen gerade die im Gesetzgebungsverfahren diskutierten Alternativen "Zwangsschlichtung" oder "Misstrauensparagraphen" hin: Den KKen sollte kein Mittel nach Art des § 370 RVO aF in die Hand gegeben werden, um auf "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte angemessen reagieren zu können, sondern es sollte durch die Verpflichtung der KKen und KÄVen zum Zusammenwirken und die ggf zwangsweise Herbeiführung einer Einigung von vornherein ausgeschlossen werden, dass es überhaupt zu "Kampfmaßnahmen" kommt.

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Hieran hat der Gesetzgeber auch nachfolgend festgehalten. So hat er mit dem Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz ( vom 27.6.1977, BGBl I 1069) eine dreimonatige Frist für das Wirksamwerden eines Zulassungsverzichts eingeführt (siehe hierzu §§ 368a Abs 7, 368c Nr 15 RVO iVm den Zulassungsordnungen). Hierdurch sollten die KÄVen rechtzeitig von einer Veränderung der Versorgungssituation Kenntnis erlangen und ggf geeignete Sicherstellungsmaßnahmen ergreifen können (Ausschussbericht zum KVKG, BT-Drucks 8/338 S 63 zu Art 1 Nr 28); damit sollte vermieden werden, dass sich ein Vertragsarzt mit sofortiger Wirkung von seinen Verpflichtungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung lösen kann (Ausschussbericht aaO S 52 Allgemeiner Teil III.1.; zu den Hintergründen siehe auch Ludes aaO S 57 ff).

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Im Zusammenhang mit der Einfügung der gesetzlichen Regelungen zur Begegnung von Maßnahmen in Form eines "Kollektivverzichts" durch das GSG vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) - hierzu gehört insbesondere der Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die KKen (§ 72a SGB V) und die sechsjährige Wiederzulassungssperre (§ 95b SGB V), aber auch die Regelungen in § 13 Abs 2 Satz 7 SGB V und § 140 Abs 2 Satz 2 SGB V - hat er nicht nur durch die ergriffenen Maßnahmen, sondern auch durch die Gesetzesbegründung deutlich gemacht, dass er jegliche Beeinträchtigung der vertragsärztlichen Versorgung durch ärztliche "Kampfmaßnahmen" für nicht hinnehmbar ansieht. Die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung seien für den Vertragsarzt verbindlich und er habe dementsprechend die Erfüllung des Sicherstellungsauftrags zu fördern und alles zu unterlassen, was die Sicherstellung und die Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung gefährden oder ausschließen könnte; jede Schädigung der vom Körperschaftszweck erfassten Interessen der Beteiligten habe zu unterbleiben (Gesetzesbegründung zum GSG, BT-Drucks 12/3608 S 95 zu § 95b Abs 1 SGB V).

77

Durch das GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) hat der Gesetzgeber den KKen mit § 75 Abs 1 Satz 2 SGB V die Möglichkeit eröffnet, die Gesamtvergütungen teilweise zurückzubehalten, wenn die KÄVen ihrer Sicherstellungsverpflichtung nicht nachkommen. Zudem wurde bestimmt, dass die Satzung der KÄVen auch Bestimmungen über die vertragsärztlichen Pflichten zur Ausfüllung des Sicherstellungsauftrags enthalten muss (§ 81 Abs 1 Satz 1 Nr 9 SGB V). Hierdurch soll nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/1525 S 99 zu Art 1 Nr 59) rein betriebswirtschaftlich motivierten Praxisschließungen vor Ende des Abrechnungsquartals entgegengewirkt werden.

78

cc. Mit diesem in sich geschlossenen, in der Kontinuität einer mehr als hundertjährigen Entwicklung stehenden und bis in die jüngere Zeit durch den Gesetzgeber fortentwickelten System des Vertragsarztrechts sind "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte nicht vereinbar (in diesem Sinne auch LSG Berlin Urteil vom 5.12.2001 - L 7 KA 17/99 - RdNr 29 ff - Juris, zu Streikaufrufen der KZÄV).

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(1) (a) Es würde das dargestellte Regelwerk des Vertragsarztrechts konterkarieren, wenn sich die Vertragsärzte dem vom Gesetzgeber mit der Schiedsregelung und der Fortgeltung von Verträgen beabsichtigten Zweck, eine störungsfreie ärztliche Versorgung der Versicherten sicherzustellen, durch "(Warn-)Streiks" ganz oder auch nur partiell entziehen könnten. Insbesondere die Verpflichtung zur Weiterarbeit unter den bisherigen Bedingungen bis zum Abschluss oder der Festsetzung einer neuen Vereinbarung, die bereits Eingang in die Bestimmungen des Berliner Abkommens gefunden hatte und nachfolgend in die RVO übernommen wurde (siehe § 368p Abs 3 Satz 3 Halbsatz 2 RVO idF der Verordnung vom 14.1.1932), verfolgt den erkennbaren Zweck, jede - und sei es auch nur vorübergehende - Unterbrechung oder Beeinträchtigung der Versorgung der in der GKV versicherten Patienten auszuschließen.

80

Eine der Intention des Gesetzgebers zuwiderlaufende Störung der Versorgung liegt mithin auch dann vor, wenn es sich bei den ärztlichen "Kampfmaßnahmen" lediglich um "Nadelstiche" - also um zeitlich, örtlich oder vom Ausmaß her begrenzte Maßnahmen wie etwa "Warnstreiks" - handelt. Auch in der mit einem vertragsärztlichen "Warnstreik" verbundenen mehrstündigen Praxisschließung liegt eine nicht unerhebliche Verweigerung der vertragsärztlichen Versorgung (so auch LSG Berlin Urteil vom 5.12.2001 - L 7 KA 17/99 - Juris RdNr 34 = NZS 2002, 386 ff = Breith 2002, 495 ff = MedR 2002, 370 ff). Auch derartige partielle "Kampfmaßnahmen" beeinträchtigen die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten. Die teilnehmenden Vertragsärzte stehen für die Dauer des "Warnstreiks" nicht für die Versorgung der Versicherten zur Verfügung, obwohl ihre Teilnahme hieran geboten und erforderlich ist:

81

Die KÄVen und ihre Mitglieder haben gemäß § 75 Abs 1 Satz 1 SGB V zu gewährleisten, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn alle Vertragsärzte im vorgesehenen und als erforderlich erachteten Umfang an der Versorgung teilnehmen. Die vertragsärztliche Bedarfsplanung mit der Feststellung eines bedarfsgerechten Versorgungsgrades und der Feststellung von Überversorgung beruht auf der Prämisse, dass die Vertragsärzte die für ihre Fachgebiete oder für ihren Versorgungsbereich wesentlichen Leistungen anbieten und erbringen (BSGE 88, 20, 27 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 73), und damit natürlich erst recht auf der Annahme, dass die Vertragsärzte überhaupt Leistungen im Umfang des übernommenen Versorgungsauftrags erbringen. Dass im Rahmen der vertragsärztlichen Bedarfsplanung auch diejenigen Vertragsärzte berücksichtigt werden, die tatsächlich kaum Sprechstunden verlässlich durchführen, ist ein auch vom Senat beklagter Missstand (vgl BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 1 RdNr 18), der nicht der mit der Bedarfsplanung verfolgten Intention einer gleichmäßigen und ausreichenden Versorgung entspricht. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass nur ein Tätigwerden im Umfang des übernommenen Versorgungsauftrags den rechtlichen Vorgaben genügt.

82

Dem entspricht die in § 81 Abs 1 Satz 1 Nr 10 SGB V normierte Vorgabe, dass die Satzung der KÄV auch Bestimmungen über die vertragsärztlichen Pflichten zur Ausfüllung des Sicherstellungsauftrags enthalten muss. Hintergrund dieser ausdrücklichen Verpflichtung ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/1525 S 99 zu Nr 59) die Beobachtung, dass Vertragsärzte vor Ende eines Abrechnungszeitraums ihre Praxis schließen, weil das individuelle Abrechnungsvolumen ihrer Praxis erschöpft ist. Mit einem derartigen Verhalten setzten sich diese Vertragsärzte in Widerspruch zu der aus ihrer Zulassung resultierenden Verpflichtung, der vertragsärztlichen Versorgung in vollem Umfang zur Verfügung zu stehen und nicht aus betriebswirtschaftlichen Gründen ihre Praxis zu schließen (aaO). Diesem Verhalten hat der Gesetzgeber auch mit Blick auf § 32 Abs 1 Ärzte-ZV, der eine Praxisschließung nur unter den dort geregelten Voraussetzungen erlaubt, entgegenwirken wollen(vgl Vahldiek in Hauck/Noftz, SGB V, Stand September 2016, § 81 RdNr 26). Auch dies stützt die Annahme, dass jede nicht durch Sachgründe bedingte bzw gerechtfertigte Unterbrechung der vertragsärztlichen Versorgung mit einer Systemstörung gleichzusetzen ist.

83

Es ist im Übrigen gerade der Zweck der als "Kampfmaßnahme" ("Warn-Streik") konzipierten vorübergehenden Praxisschließung, dass sich diese Maßnahme auf die Versorgung der Versicherten auswirkt, weil hierdurch ein Nachgeben der KKen in den (Vergütungs-)Verhandlungen erzwungen werden soll: Es soll den KKen - vorerst zeitlich und vom Umfang her begrenzt - aufgezeigt werden, welche Situation eintreten könnte, wenn diese nicht auf die Forderungen der Ärzteschaft eingehen. "Warnstreiks" von Vertragsärzten kommen in ihrer Wirkung einem Warnstreik der Beschäftigten eines öffentlichen Versorgungsunternehmens gleich, bei dem ebenfalls aufgrund einer kurzfristigen Arbeitsniederlegung durch die Öffentlichkeit vermittelter Druck auf die Verhandlungspartner ausgeübt werden soll (LSG Berlin aaO RdNr 34).

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(b) Ebenso würde es dem vom Gesetzgeber angestrebten Interessenausgleich zwischen den KKen und den Ärzten zuwiderlaufen, wenn die Vertragsärzte die Möglichkeit besäßen, die KKen durch - die ärztliche Versorgung der Mitglieder der KKen beeinträchtigende - "Kampfmaßnahmen", wie vorübergehende Praxisschließungen, unter Druck zu setzen. Der vom Gesetzgeber beabsichtige Ausgleich der partiell gegenläufigen Interessen würde unter diesen Umständen daran scheitern, dass die KKen einen zu Lasten ihrer Versicherten geführten Kampf um Vergütungen und Vertragsbedingungen im Regelfall nicht lange durchhalten würden und daher gezwungen wären, auf die Forderungen der Ärzte bzw der KÄV einzugehen (in diesem Sinne auch Ludes aaO S 59, 60). Denn der von den Vertragsärzten durch "Kampfmaßnahmen" ausgeübte Druck richtete sich nur vermeintlich gegen die KKen selbst; unmittelbar betroffen wären vielmehr die Patienten, die ärztlicher Behandlung bedürfen und diese Behandlung nur in begrenztem zeitlichen Umfang oder gar nicht aufschieben können; diese würden letztlich von den Vertragsärzten als "Geiseln" genommen. Vertragsärzte dürfen ihre Auseinandersetzungen mit der KÄV und den KKen aber nicht auf dem Rücken der Versicherten austragen (Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 30 RdNr 6), vor allem, weil die Versicherten auf die Höhe der vertragsärztlichen Vergütungen keinen Einfluss haben (Wenner, GesR 2009, 505, 517). Im Ergebnis würden die widerstreitenden Interessen also nicht ausgeglichen, sondern es käme im Extremfall zu einem einseitigen "Diktat" zu Lasten der KKen.

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(c) Dass der Gesetzgeber ein derartiges "Diktat" nicht hinzunehmen bereit ist, bestätigen auch die bereits erwähnten Regelungen in § 72a und § 95b SGB V. Der Gesetzgeber hat mit diesen Vorschriften deutlich zu erkennen gegeben, dass "Kampfmaßnahmen" mit der vertragsärztlichen Tätigkeit unvereinbar sind. Die sehr scharfen Sanktionen im Falle eines abgesprochenen Systemausstiegs - namentlich die sechsjährige Wiederzulassungssperre - wären nur beschränkt plausibel, wenn "Ärztestreiks" unter Beibehaltung des Zulassungsstatus zulässig wären. Denn es stellte sich die Frage, worin der Unterschied zwischen einem - sanktionierten - abgesprochenen Zulassungsverzicht mit der Intention, nach Erfüllung der finanziellen Forderungen sofort wieder in das System zurückzukehren, und einem zeitlich unbefristeten Streik unter Beibehaltung des Zulassungsstatus bestehen könnte.

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Die Wertung eines systemimmanenten Ausschlusses von "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte bestätigt der Umstand, dass der nachkonstitutionelle Gesetzgeber - anders, als dies unter der Geltung des "Misstrauensparagraphen" § 370 RVO der Fall war - den KKen kein Instrumentarium in die Hand gegeben hat, um vorübergehenden und ggf auch "niedrigschwelligen" Störungen der Versorgung entgegentreten zu können. Wollte man den Vertragsärzten ein "Streikrecht" zugestehen, müsste man im Übrigen zugleich den KKen die Möglichkeit eröffnen, hierauf adäquat reagieren zu können. Während die Arbeitgeber im Falle eines Streiks ihrer Beschäftigten zur Herstellung der Kampf- bzw Verhandlungsparität (vgl BVerfGE 84, 212, 225) die Möglichkeit der Aussperrung - also der Suspendierung der Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis (vgl Treber in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl 2015, § 191 RdNr 12) - haben, sind vergleichbare Gegenmaßnahmen den KKen für den Regelfall verwehrt (auf die "sehr begrenzten Substitutionsmöglichkeiten" der KK weist auch Ludes hin).

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So ist es ihnen grundsätzlich (vgl § 140 Abs 2 Satz 1 SGB V) versagt, durch Schaffung von Eigeneinrichtungen etwaigen "Kampfmaßnahmen" der Ärzte vorzubeugen. Ebenso wenig sind die KKen berechtigt, eine ambulante Behandlung ihrer Mitglieder durch Krankenhäuser statt durch Vertragsärzte sicherstellen zu lassen, weil die ambulante Versorgung Aufgabe der niedergelassenen Ärzte ist und ihnen hier - grundsätzlich - der Vorrang zukommt (stRspr des BSG, vgl zB BSGE 88, 20, 27 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 73; BSG SozR 4-2500 § 76 Nr 2 RdNr 13; siehe auch BVerfG SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 15 ff). Etwas anderes gilt allein in dem (Extrem-)Fall, dass mehr als 50 vH der Vertragsärzte in einem Zulassungsbereich oder Planungsbezirk nach § 95b Abs 1 SGB V (sogenannter "Kollektivverzicht") auf ihre Zulassung verzichtet haben oder die vertragsärztliche Versorgung verweigern und damit - nach entsprechender Feststellung der Aufsichtsbehörde - der Sicherstellungsauftrag nach § 72a SGB V auf die KKen übergeht. Insoweit lässt das Gesetz auch die Neuerrichtung von Eigeneinrichtungen zur Erfüllung des Sicherstellungsauftrags (§ 72a Abs 3 Satz 2, § 140 Abs 2 Satz 2 SGB V) und den Abschluss von Verträgen mit Krankenhäusern ua zu (§ 72a Abs 3 Satz 1 SGB V).

88

Einem "Ärztestreik" steht schließlich auch entgegen, dass die von den KKen an die KÄVen gezahlte Gesamtvergütung eine Gesamtmenge an Leistungen vergüten soll, die sich nach dem mit der Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundenen Behandlungsbedarf bemisst (vgl § 87a Abs 3 Satz 2 SGB V). Da davon auszugehen ist, dass mit Praxisschließungen konfrontierte Versicherte in gewissem Umfang darauf verzichten werden, "eingepreiste" Behandlungen nachzufragen, etwa um lange Wartezeiten bei den "Vertretungs-Praxen" zu vermeiden, erhalten Vertragsärzte, die aufgrund von "Warnstreiks" oÄ ihre Leistungen zurückhalten, einen Anteil der - abstrakt bemessenen - Gesamtvergütung zu Unrecht.

89

(2) Die gegen wesentliche Strukturelemente des vertragsarztrechtlichen Systems erhobenen Einwände überzeugen nicht. Soweit geltend gemacht wird, dass das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zur Streitschlichtung durch (Landes- oder Bundes-)Schiedsämter nach § 89 SGB V bzw durch den erweiterten Bewertungsausschuss nach § 87 Abs 4 SGB V untauglich sei, weil es nicht sicherstelle, dass die Interessen der Ärzteschaft gewahrt würden, geht dies fehl. Dass die unparteiischen Mitglieder der genannten Gremien oftmals den Ausschlag geben werden, ist einem Schlichtungsverfahren ebenso immanent wie der Umstand, dass die Entscheidung des Schiedsorgans zu Lasten der einen wie auch der anderen Seite ausgehen kann.

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Der weitere Einwand, dass die Sozialgerichtsbarkeit ihrer Überprüfungspflicht nur unzureichend nachkomme, weil sie bei der Überprüfung der Schiedssprüche starke Zurückhaltung übe (so auch Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 112), trifft ebenfalls nicht zu. Die eingeschränkte Überprüfbarkeit der Schiedssprüche bzw der Entscheidungen des erweiterten Bewertungsausschusses beruht zum einen auf dem Umstand, dass es sich nach der gesetzlichen Konstruktion auch bei den an die Stelle der vertraglichen Vereinbarung tretenden Entscheidungen der Schiedsorgane um untergesetzliche Normsetzung handelt, sodass die hierfür geltenden Prüfmaßstäbe anzuwenden sind und insbesondere die Gestaltungsfreiheit des Normgebers zu respektieren ist (stRspr des BSG, vgl zum Bewertungsausschuss: BSGE 88, 126, 134 = SozR 3-2500 § 87 Nr 29 S 153; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 86; zu Gesamtvergütungsvereinbarungen: BSGE 95, 141 RdNr 17 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 17; siehe auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 72 RdNr 33 mwN). Zum anderen besitzen Schiedsämter eine besondere Gestaltungsfreiheit, die dem auf den Interessenausgleich angelegten Wesen der Schiedssprüche und dem ihnen immanenten Kompromisscharakter Rechnung trägt und die nicht geringer ist als der Gestaltungsspielraum der Vertragspartner (stRspr des BSG, vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13). Dies gilt nicht allein für Schiedsämter nach § 89 SGB V, sondern gleichermaßen für den erweiterten Bewertungsausschuss, da es sich bei der in § 87 Abs 4 SGB V vorgesehenen Erweiterung des Bewertungssauschusses um ein in den Normsetzungsvorgang inkorporiertes Schiedsverfahren handelt(BSGE 90, 61, 62 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 202; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 75). Auch diesen besonderen Gestaltungsspielraum haben die Gerichte zu respektieren.

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Der Feststellung, dass die rechtlichen Vorgaben des Vertragsarztrechts einen Streik der Vertragsärzte nicht zulassen, steht schließlich auch nicht das Urteil des 3. Senats des BSG vom 25.9.2001 (B 3 KR 14/00 R - BSGE 89, 19 = SozR 3-2500 § 125 Nr 7)entgegen, mit dem dieser einen Boykottaufruf des Zentralverbandes der Krankengymnasten als zulässig angesehen hat (aA Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 116). Unabhängig von dem Gesichtspunkt, dass das für die Krankengymnasten geltende Regelwerk nicht ohne Weiteres mit dem Vertragsarztrecht vergleichbar ist, hat der 3. Senat des BSG seine auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen gestützte Entscheidung namentlich damit begründet, dass innerhalb des Systems der GKV kein geeignetes Konfliktlösungsinstrument zur Verfügung stehe, welches die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Krankengymnasten berücksichtige (BSGE 89, 19, 24 = SozR 3-2500 § 125 Nr 7 S 28). Derartige Konfliktlösungsinstrumente stellen jedoch ein wesentliches Strukturelement des Vertragsarztrechts dar.

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dd. Das "Streikverbot" gilt nicht allein für zugelassene Vertragsärzte, sondern auch für MVZ, da diese kraft ihrer Zulassung denselben vertragsärztlichen Vorgaben unterliegen (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 14 RdNr 15, 25 für die Verpflichtung des MVZ zur Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst). Das MVZ kann seinen ihm kraft seiner Zulassung zugewiesenen Versorgungsauftrag nur durch die bei ihm tätigen angestellten Ärzte oder Vertragsärzte erfüllen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 80 RdNr 35). Das dargestellte "Streikverbot" gilt generell für alle Ärzte, die innerhalb des GKV-Systems an der Versorgung der Versicherten beteiligt sind. Es ist also auch von Ärzten zu beachten, die als angestellte Ärzte bei in Einzelpraxis tätigen Ärzten, in Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) oder in MVZ beschäftigt sind, ebenso - soweit die vertragsärztliche Tätigkeit betroffen ist - auch von ermächtigten Ärzten:

93

Wesensmerkmal der vertragsärztlichen Versorgung ist - wie dargestellt -, dass die KÄVen die Versorgung sicherzustellen haben und sich zur Gewährleistung dieser Verpflichtung ihrer Mitglieder "bedienen". Durch die Zwangsmitgliedschaft in der KÄV - die gemäß § 77 Abs 3 Satz 1 SGB V auch angestellte Ärzte umfasst, sofern sie mindestens halbtags beschäftigt sind(§ 77 Abs 3 Satz 2 SGB V - nach Art 1 Nr 1 des GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetzes, BT-Drucks 18/10605 S 7 zu § 77 Abs 3 Satz 2 SGB V ist zukünftig eine Grenze von zehn Stunden pro Woche vorgesehen) - und die daraus resultierende Disziplinargewalt wird den KÄVen die Möglichkeit eröffnet, ihre Mitglieder zur Gewährleistung des ihr obliegenden Sicherstellungsauftrags heranziehen. Dies spricht dafür, dass grundsätzlich alle Ärzte, die am Sicherstellungsauftrag mitwirken, dem systemimmanenten "Streikverbot" unterliegen. Dies ist nicht zuletzt deswegen von Bedeutung, weil die Zahl der angestellten Ärzte erheblich zugenommen hat (siehe hierzu auch Gesetzesbegründung zum GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz, BT-Drucks 18/10605 S 24 f zu § 77 Abs 3 Satz 2 SGB V)und daher Zweifel angebracht sind, ob die KÄVen ohne deren Einbeziehung noch die Sicherstellung der Versorgung gewährleisten könnten.

94

Etwas anderes gilt für den Fall, dass angestellte Ärzte durch eine Arbeitsniederlegung allein Druck auf ihren Arbeitgeber ausüben wollen. Insoweit sind sie angestellten Krankenhausärzten vergleichbar und damit auch berechtigt, ihre Forderungen gegenüber ihrem Arbeitgeber durch Arbeitskampfmaßnahmen durchzusetzen. Mit dem Streikverbot im dargestellten Sinne auch für angestellte Ärzte im MVZ, in einer BAG und bei einzelnen Vertragsärzten wird die Koalitionsfreiheit (Art 9 Abs 3 GG) der als Arbeitnehmer tätigen Ärzte nicht in verfassungswidriger Weise beschränkt. Deren Berufsverbände sind nicht gehindert, auf den Abschluss eines Tarifvertrages mit (potentiellen) Verbänden ärztlicher Kooperationen oder auch mit Einrichtungen hinzuwirken und in diesem Rahmen auch einen Arbeitskampf zu führen. Dieser darf sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allerdings nur auf tariflich regelbare Ziele richten (stRspr, vgl BAGE 122, 134, 156 = NZA 2007, 987, RdNr 79), also ausdrücklich nicht auf eine Verbesserung der Honorierung der Leistung des MVZ oder der BAG, bei dem die ärztlichen Arbeitnehmer, die der KÄV angehören, tätig sind.

95

d. Der sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen des Vertragsarztrechts ergebende Ausschluss ärztlicher "Kampfmaßnahmen" steht auch mit Verfassungsrecht (sowie Menschenrechten) im Einklang. Dabei lässt der Senat dahingestellt, ob sich der Kläger überhaupt - dem Grunde nach - auf derartige Rechte berufen könnte (siehe aa.), weil diese jedenfalls in zulässiger Weise durch das Gesetz beschränkt worden sind (siehe hierzu bb.).

96

aa. (1) Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob der Kläger als Vertragsarzt aus Art 9 Abs 3 GG Rechte herleiten könnte.

97

Art 9 Abs 3 Satz 1 GG bestimmt, dass für jedermann und für alle Berufe das Recht gewährleistet ist, zur Wahrung und zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Das als "Koalitionsfreiheit" bezeichnete Grundrecht (vgl etwa BVerfGE 88, 103, 113) soll gewährleisten, dass die Beteiligten selbst und eigenverantwortlich, grundsätzlich frei von staatlicher Einflussnahme über die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen bestimmen (BVerfGE 50, 290, 367). Zu den geschützten Tätigkeiten gehört im Bereich der individuellen Koalitionsfreiheit die Gründung sowie der Beitritt zu einer Koalition, der Verbleib in der Koalition und die Teilnahme an der geschützten Tätigkeit (vgl BVerfGE 116, 202, 217 mwN). Im Bereich der kollektiven Koalitionsfreiheit werden zum einen der Bestand und damit die verbandsbezogenen Tätigkeiten und zum anderen die nach außen gerichteten koalitionsspezifischen Aktivitäten geschützt (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl 2016, Art 9 RdNr 37 mwN). In den Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG sind solche Betätigungen einbezogen, die dem Zweck der Koalitionen dienen, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern (BVerfG Beschluss vom 6.2.2007 - 1 BvR 978/05 - RdNr 22 - Juris = BVerfGK 10, 250 unter Hinweis auf BVerfGE 28, 295, 305). Zu den geschützten Tätigkeiten gehört insbesondere der Streik, der auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet ist (vgl BVerfGE 92, 365, 393 f = SozR 3-4100 § 116 Nr 3 S 115).

98

Ob sich auch Ärzte im Rahmen ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit auf dieses Grundrecht berufen können, ist zweifelhaft. Schon dem Grunde nach stellt sich die Frage, ob Koalitionen von Angehörigen eines freien Berufes bzw Selbstständigen überhaupt in den Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG einbezogen sind (a); erst recht unterliegt es gravierenden Zweifeln, ob ein "Warnstreik" von Vertragsärzten eine koalitionsmäßige Betätigung im Sinne des Art 9 Abs 3 GG darstellen kann (b).

99

(a) Der Senat lässt es - wie bereits in seinem Urteil zum "Kollektivverzicht" (BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 81)- weiterhin offen, ob Art 9 Abs 3 GG so zu verstehen ist, dass Träger der Koalitionsfreiheit nicht allein Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind, sondern sich grundsätzlich alle Menschen in ihrer Eigenschaft als Angehörige eines Berufes - also auch Selbstständige - hierauf berufen können. Diese Frage wird, soweit sie überhaupt Erörterung findet, in Rechtsprechung (bejahend wohl LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 9.4.2008 - L 3 KA 139/06 - Juris RdNr 50; LSG Berlin Urteil vom 5.12.2001 - L 7 KA 17/99 - Juris RdNr 30 = NZS 2002, 386 ff = Breith 2002, 495 ff = MedR 2002, 370 ff; verneinend LSG für das Saarland Urteil vom 4.4.2000 - L 2/3 K 31/95 - Juris RdNr 32) und Schrifttum (verneinend Scholz in Maunz/Dürig, GG, Stand Mai 2016, Art 9 RdNr 180) unterschiedlich beantwortet.

100

Auch wenn der Begriff "Beruf" es nicht per se ausschließt, auch die freien Berufe miteinzubeziehen, wird der Schutzbereich des Art 9 Abs 3 Satz 1 GG sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum regelmäßig allein auf "Arbeitnehmer" und "Arbeitgeber" bezogen (aus dem Schrifttum zB Scholz aaO RdNr 174, 178; Bauer in Dreier, GG, 2013, Art 9 RdNr 67; Sodan in ders, GG, 3. Aufl 2015, Art 9 RdNr 21; Jarass aaO, Art 9 RdNr 43; Kannengießer in Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 13. Aufl 2014, Art 9 RdNr 23). Soweit das BVerfG ausgeführt hat, dass die Koalitionsfreiheit nach Art 9 Abs 3 GG - obwohl historisch vor allem den Arbeitnehmern vorenthalten und von diesen erstritten - nicht als Arbeitnehmer-Grundrecht ausgestaltet sei, hat es daran angeschlossen, dass das Grundrecht ebenso den Arbeitgebern zustehe (BVerfGE 84, 212, 224).

101

Wären daher vom Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG nicht nur in erster Linie, sondern ausschließlich Arbeitnehmer und Arbeitgeber erfasst, könnten sich Vertragsärzte - sofern sie nicht in der Funktion eines Arbeitgebers betroffen sind - nicht auf dieses Grundrecht berufen. Der Vertragsarzt ist kein Arbeitnehmer (Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 94 f; Zacher, ZfS 1966, 129, 158), sondern er übt einen freien Beruf aus (allg Ansicht, siehe zB Zacher, ZfS 1966, 129, 157; Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 91; Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 18 RdNr 39 ff).

102

Der Kläger kann - unabhängig davon, ob dieser Umstand überhaupt eine Geltung des Art 9 Abs 3 GG begründen könnte - auch nicht damit durchdringen, dass Vertragsärzte aufgrund des "vielfältigen Pflichtenkanons" des Vertragsarztrechts jedenfalls im Ergebnis Arbeitnehmern gleichzustellen seien. Der Begriff des "Arbeitnehmers" ist vor allem durch das Merkmal unselbstständiger Arbeit gekennzeichnet (Scholz aaO RdNr 178 mwN) und dieses Merkmal ist auch für den Arbeitnehmerbegriff des Art 9 Abs 3 GG maßgebend. Auch "arbeitnehmerähnliche Personen" unterfallen daher nur dann dem Schutzbereich des Art 9 Abs 3 Satz 1 GG, wenn sie persönliche Arbeitsleistungen in wirtschaftlicher Abhängigkeit erbringen (Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 99; siehe auch Linsenmaier in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl 2016, Art 9 GG RdNr 28). Diese Voraussetzungen erfüllen Vertragsärzte - ungeachtet gefühlter Abhängigkeiten - nicht ansatzweise (so im Ergebnis auch Uhlenbruck, RdA 1972, 327, 334). Es fehlt zweifelsfrei an der für unselbstständige Beschäftigungsverhältnisse kennzeichnenden persönlichen Abhängigkeit: Eine durch Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht geprägte Tätigkeit ist gerade Wesensmerkmal einer Tätigkeit in freier Praxis im Sinne des § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV(BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 37 f).

103

(b) Aber auch wenn man davon ausgeht, dass auch Angehörige freier Berufe dem Grunde nach Koalitionen im Sinne des Art 9 Abs 3 GG bilden und koalitionsspezifische Rechte wahrnehmen könnten, erscheint es jedenfalls als sehr fernliegend, dass die durch Art 9 Abs 3 GG gewährleisteten koalitionsspezifischen Rechte und Betätigungen - insbesondere der Abschluss von Tarifverträgen sowie Arbeitskampfmaßnahmen wie Streik und Aussperrung - der Sache nach Anwendung auf das Handeln der Vertragsärzte finden können.

104

Wesensmerkmal der durch Art 9 Abs 3 GG gewährleisteten Rechte ist es, dass zwischen den Beteiligten Verhandlungen über die "Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" - hierzu gehören insbesondere das Arbeitsentgelt sowie die anderen materiellen Arbeitsbedingungen (BVerfGE 100, 271, 282 = SozR 3-4300 § 275 Nr 1 S 5 f, mwN)- geführt werden und beide Seiten die Möglichkeiten haben, ihre diesbezüglichen Vorstellungen ggf durch Arbeitskampfmaßnahmen durchzusetzen. Eine solche Konstellation besteht in Bezug auf das Verhältnis zwischen Vertragsärzten und KKen jedoch nicht:

105

Zum einen stehen sich Vertragsärzte und KKen überhaupt nicht als ("Tarif"-)Vertragspartner oder Gegner gegenüber, weil es aufgrund der spezifischen Konstruktion des Vertragsarztrechts (siehe hierzu B.1.c.bb.) keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen Vertragsärzten und KKen gibt. Die maßgeblichen Verträge über die "Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" werden zwischen den KKen bzw ihren Verbänden und den K(Z)ÄVen, der KÄBV bzw der KZÄBV geschlossen. Insbesondere wird die Höhe des vertragsärztlichen Honorars - in Form einer "Gesamtvergütung" - allein zwischen den KKen(-Verbänden) und den KÄVen verhandelt und vereinbart. Zwischen den Kontrahenten etwaiger "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte und den die für das Vertragsarztrecht maßgeblichen "Arbeitsbedingungen" aushandelnden Vertragspartnern besteht mithin gerade keine Identität. Ein Streik, der sich nicht gegen einen Tarifvertragspartner wendet und kein Ziel verfolgt, das mit den Mitteln des "kollektiven Arbeitsrechts" regelbar wäre, stellt jedoch einen unzulässigen politischen Streik dar (vgl Linsenmaier in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl 2016, Art 9 GG RdNr 119; Jarass aaO, Art 9 RdNr 40 mwN).

106

Zum anderen sind auch die Verhandlungsspielräume der "eigentlichen" Vertragspartner - der KKen und KÄVen bzw ihrer Spitzenorganisationen - aufgrund ihrer Gesetzesbindung stark eingeschränkt. Namentlich bei der Bestimmung der Höhe der zu vereinbarenden Gesamtvergütung sind die Vertragspartner nicht frei; vielmehr enthält das Gesetz hierzu Vorgaben, die die Vertragspartner teilweise zwingend zu beachten, teilweise jedenfalls zu berücksichtigen haben. So bestimmt etwa § 87a Abs 3 Satz 2 SGB V für den vertragsärztlichen Bereich, dass die Vertragspartner zur Bestimmung der Höhe der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung den mit der Zahl und der Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundenen Behandlungsbedarf als Punktzahlvolumen auf der Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabs zu vereinbaren haben. Für die vertragszahnärztliche Versorgung gibt § 85 Abs 3 Satz 1 und 2 SGB V die Faktoren vor, die bei der Vereinbarung der Veränderung der Gesamtvergütung zu berücksichtigen sind; zu diesen gehört etwa der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V). Selbst wenn sich die Vertragspartner über die gesetzlichen Vorgaben hinwegsetzen würden, stünde der Erreichung des ärztlichen "Kampfzieles" entgegen, dass die Partner der Kollektivverträge staatlicher Aufsicht unterliegen. Gemäß § 71 Abs 4 Satz 1 SGB V sind die Vereinbarungen über die Vergütung der Leistungen (ua) nach den §§ 83 und 85 SGB V den für die Vertragsparteien zuständigen Aufsichtsbehörden vorzulegen; diese können die Vereinbarungen bei einem Rechtsverstoß innerhalb von zwei Monaten nach deren Vorlage beanstanden (§ 71 Abs 4 Satz 2 SGB V).

107

Schließlich fehlte es auch an der erforderlichen "Waffengleichheit" bzw einem "Verhandlungsgleichgewicht" (Kannengießer aaO RdNr 31) zwischen den Kontrahenten eines "Arbeitskampfes" der Vertragsärzte, weil den KKen anders als Arbeitgebern nicht die Möglichkeit der "Aussperrung" - im Sinne einer vorübergehenden Suspendierung des aus der Zulassung folgenden Rechts zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung - zukommt.

108

(2) Für Art 11 Abs 1 EMRK gilt nichts anderes, da die Norm einen vergleichbaren Schutzbereich wie Art 9 Abs 3 GG aufweist. Danach hat jede Person das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen; dazu gehört auch das Recht, zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten. Art 11 Abs 1 EMRK gewährleistet damit die Koalitionsfreiheit insoweit, als ausdrücklich das Recht eingeräumt wird, Gewerkschaften zum Schutz der Interessen der Mitglieder zu bilden und sich ihnen anzuschließen (Kluth in Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Stand August 2016, C Art 9 RdNr 142). So werden ua das Eintreten der Gewerkschaft für die Interessen ihrer Mitglieder und das Streikrecht als Mittel des Arbeitskampfes gewährleistet, wobei der in allen Konventionsstaaten bekannte Begriff der "Gewerkschaft" - als Zusammenschluss abhängig Beschäftigter zur Vertretung ihrer Interessen aus dem Beschäftigungsverhältnis - vorausgesetzt wird (Kluth aaO RdNr 143 mwN). Auch insoweit bestehen die in Bezug auf Art 9 Abs 3 GG dargestellten Zweifel an einer Anwendbarkeit der Norm auf "(Warn-)Streiks" von Vertragsärzten, ohne dass dies einer abschließenden Entscheidung bedarf.

109

(3) Ebenfalls keiner Entscheidung bedarf es, ob das Verbot von Arbeitskampfmaßnahmen einen Eingriff in die durch Art 12 Abs 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit darstellt (in diesem Sinne Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 110 f).

110

bb. Unabhängig davon, ob sich Vertragsärzte überhaupt auf die angeführten Grund- und Menschenrechte berufen können, stellt der inzidente Ausschluss gegen die KK oder gegen die KÄV gerichteter streikähnlicher "Kampfmaßnahmen" durch das Vertragsarztrecht - nicht anders als die sechsjährige Wiederzulassungssperre nach § 95b Abs 2 SGB V(siehe hierzu BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 68 ff, 81)- eine verfassungsrechtlich unbedenkliche, zum Schutz der Stabilität der vertragsärztlichen Versorgung erforderliche Begrenzung des Art 9 Abs 3 GG, des Art 12 Abs 1 GG sowie des Art 11 Abs 1 EMRK dar.

111

Die in Art 9 Abs 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit kann, obwohl sie ohne Gesetzesvorbehalt gewährt wird, zum Schutz von Rechtsgütern und Gemeinwohlbelangen eingeschränkt werden, denen gleichermaßen verfassungsrechtlicher Rang gebührt (stRspr, vgl BVerfGE 84, 212, 228; BVerfGE 100, 271, 283 = SozR 3-4300 § 275 Nr 1 S 6; BVerfGE 103, 293, 306; BVerfG Beschluss vom 6.2.2007 - 1 BvR 978/05 - RdNr 23 - Juris = BVerfGK 10, 250, 256); hierzu gehört auch die finanzielle Stabilität und Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung (BVerfGE 103, 293, 306 f; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl 2016, Art 9 RdNr 53). Für Art 12 Abs 1 GG und für Art 11 Abs 1 EMRK gilt nichts anderes. Der durch ein Verbot von "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte - vorliegend in der Form eines "Warnstreiks" - (ggf) bewirkte Eingriff in die genannten Grund- und Menschenrechte ist verfassungskonform, weil er wichtigen Gemeinwohlbelangen dient, zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele geeignet und erforderlich ist sowie insgesamt verhältnismäßig ist.

112

(1) Die Verhinderung ärztlicher "Kampfmaßnahmen" dient gewichtigen Gemeinwohlbelangen, nämlich zum einen der Sicherstellung der Versorgung der gesetzlich Versicherten (siehe hierzu BVerfGE 103, 172, 184 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27; BVerfG SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 16, 25), zum anderen der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Systems der GKV (BVerfGE 68, 193, 218 = SozR 5495 Art 5 Nr 1 S 3; BVerfGE 103, 172, 184 f, 192 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27, 32 f; BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139; BVerfG SozR 4-2500 § 5 Nr 1 RdNr 24; BVerfGE 123, 186, 264 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 233; zuletzt BVerfG Beschluss vom 26.9.2016 - 1 BvR 1326/15 - RdNr 43 - Juris; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 139; BSGE 98, 294 = SozR 4-2500 § 95b Nr 1, RdNr 34; siehe auch BVerfG SozR 4-2500 § 87 Nr 6 RdNr 13). Neben ihrer Funktionsfähigkeit ist auch die finanzielle Stabilität des Systems der GKV bzw dessen Finanzierbarkeit als ein Gemeinwohlbelang von hohem Rang anerkannt (vgl BVerfGE 68, 193, 218 = SozR 5495 Art 5 Nr 1 S 3; BVerfGE 70, 1, 26, 29 = SozR 2200 § 376d Nr 1 S 8, 10; BVerfGE 82, 209, 230; BVerfG SozR 3-2500 § 34 Nr 1 S 4; BVerfG SozR 3-2500 § 73 Nr 3 S 17; BVerfGE 103, 172, 184 f, 192 = SozR 3-5520 § 266 Nr 9 S 27, 32; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 30 S 229; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 136; BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 1 RdNr 27; BSG SozR 4-5562 § 8 Nr 5 RdNr 22). Letztlich dient die Sicherung der finanziellen Stabilität der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Systems (vgl BVerfGE 123, 186, 264 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 233).

113

Das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) enthält einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber; es verpflichtet ihn unter anderem, für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze zu sorgen (BVerfGE 100, 271, 284 = SozR 3-4300 § 275 Nr 1 S 7 mwN). Dies gilt auch für den Bereich der GKV (vgl BVerfGE 123, 186, 263 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 229). Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 9.12.2004 (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 134 ff) dargelegt hat, ist das bestehende System einer Gesundheitsversorgung durch ein Sozialversicherungssystem - dessen wesentlicher Bestandteil das Vertragsarztrecht ist - als solches nicht "beliebig", sondern in dieser oder ähnlicher Form geboten. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht frei, ob er ein System errichten und erhalten will, das allen oder zumindest der großen Mehrzahl der Bürger eine angemessene Versorgung im Krankheitsfall gewährleistet, sondern er hat auch einkommensschwachen Bevölkerungsteilen einen vollen Krankenversicherungsschutz zu moderaten Beiträgen zu ermöglichen (vgl BVerfGE 103, 172, 185 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27). Unabhängig von der Ausgestaltung des Krankenversicherungssystems im Einzelnen besteht ein struktureller Gegensatz zwischen dem Ziel einer qualitativ hochstehenden Gesundheitsversorgung zu bezahlbaren Konditionen und den Interessen der Leistungserbringer an möglichst hohen Einkünften aus ihrer Tätigkeit, der vom Gesetzgeber zum Ausgleich zu bringen ist (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 134, 140; siehe hierzu schon BVerfGE 103, 172, 185 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27; siehe auch BVerfGE 101, 331, 348). Die Sicherung einer solchen angemessenen Versorgung zu bezahlbaren Konditionen ist ein Gemeinwohlbelang von überragender Wichtigkeit (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 134).

114

Für die Einschränkung der Berufsausübung ist anerkannt, dass die Versorgung der Patienten als hohes Gut von öffentlichem Interesse die Regulierung der vertragsärztlichen Versorgung mit den daraus resultierenden Beschränkungen der Berufsfreiheit der Leistungserbringer legitimiert (BVerfG SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 16, 25); Rang und Gemeinwohlbedeutung der Funktionsfähigkeit der GKV sind dabei von solchem Gewicht, dass denjenigen, die ihre berufliche Tätigkeit in diesem System und unter seinem Schutz ausüben, stärkere Reglementierungen zugemutet werden können als anderen freiberuflich tätigen Personen, die in einem allein durch die Marktkräfte gesteuerten System arbeiten (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 139). Für eine (etwaige) Beschränkung des Rechts auf Koalitionsfreiheit gilt nichts anderes, da sich dieses Recht - wenn überhaupt - gerade aus der beruflichen Betätigung der Vertragsärzte ergibt.

115

Die genannten Gemeinwohlbelange würden durch ärztliche "Kampfmaßnahmen" in Form von "Warnstreiks" oÄ beeinträchtigt: Zum einen würden "Kampfmaßnahmen" unmittelbar eine Störung der vertragsärztlichen Versorgung der GKV-Versicherten bewirken, weil die hieran teilnehmenden Vertragsärzte nicht für eine Versorgung zur Verfügung stünden. Zum anderen besteht die Gefahr, dass die "Kampfmaßnahmen" - ihrem Zweck entsprechend - zu Kostensteigerungen führen, sei es aufgrund überproportionaler Honorarsteigerungen für die Vertragsärzte oder zumindest für einzelne Gruppen von Vertragsärzten, sei es - wie vom Kläger im Rahmen seines "Warnstreiks" gefordert - als Folge eines durch "Kampfmaßnahmen" erzwungenen Honorarsystems mit festen Preisen und ohne irgendeine Form der Mengenbegrenzung; diese Kostensteigerungen wären wiederum geeignet, die finanzielle Stabilität der GKV zu beeinträchtigen. Eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Systems der GKV durch die mit den "Kampfmaßnahmen" verbundenen Engpässe in der Versorgung und absehbaren Ausgabenerhöhungen für die KKen wäre mit dem gesetzgeberischen Ziel und der sozialstaatlichen Verpflichtung, im Rahmen der GKV eine funktionsfähige und bedarfsgerechte Patientenversorgung zu bezahlbaren Preisen zu gewährleisten (BVerfGE 123, 186, 242 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 171; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 52; siehe schon BVerfGE 103, 172, 186 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 28), unvereinbar.

116

(2) Der Eingriff in die verfassungsmäßigen Rechte der Vertragsärzte ist auch zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich. Eine Maßnahme ist geeignet, wenn der gewünschte Erfolg mit ihrer Hilfe gefördert werden kann, und sie ist erforderlich, wenn kein anderes, gleich wirksames, das betreffende Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes (milderes) Mittel zur Verfügung steht (vgl BVerfGE 63, 88, 115 = SozR 7610 § 1587b Nr 3 S 7; BVerfGE 70, 1, 28 = SozR 2200 § 376d Nr 1 S 10 mwN; BSGE 61, 1, 2 = SozR 2200 § 368a Nr 16 S 58; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 72).

117

Das "Streikverbot" für Vertragsärzte ist geeignet, die genannten Gemeinwohlbelange zu fördern: Unterbleiben "Warnstreiks" oder andere "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte, weil die andernfalls drohenden Disziplinarmaßnahmen präventive Wirkung haben, oder weil jedenfalls die Möglichkeit besteht, pflichtwidrig handelnde Ärzte zu disziplinieren und ggf - im Extremfall - aus dem System auszuschließen, kommt es weder zu einer Störung in der Versorgung der Versicherten noch zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der GKV. Ebenso wird eine Gefährdung der finanziellen Stabilität der KKen durch überhöhte Honorarsteigerungen vermieden.

118

Darüber hinaus ist das generelle Verbot vertragsärztlicher "Kampfmaßnahmen" und die damit verbundene Möglichkeit einer Sanktionierung abweichenden Verhaltens auch erforderlich, weil keine milderen Mittel erkennbar sind. Insbesondere genügt es nicht, lediglich solche "Warnstreiks" auszuschließen, die ohne vorherige Information der Versicherten und ohne ausreichenden "Notdienst" durchgeführt werden, weil sich - ausgehend von einer gebotenen Versorgung der Versicherten durch alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte - jede nicht gerechtfertigte Versorgungsunterbrechung als Störung des Systems der vertragsärztlichen Versorgung darstellt (siehe hierzu schon ); die Organisation eines "Notdienstes" und die Information der Patienten über behandlungsbereite Ärzte ändert hieran nichts.

119

(3) Schließlich ist der Eingriff auch im engeren Sinne verhältnismäßig, da bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (zu diesen Anforderungen vgl BVerfGE 103, 1, 10 mwN; vgl auch BVerfGE 100, 271, 286 = SozR 3-4300 § 275 Nr 1 S 9 sowie BVerfG SozR 4-2500 § 135 Nr 16 RdNr 14 = BVerfGK 17, 381, 386; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 75), bzw Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen (so zB BVerfGE 123, 186, 238 f = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 165).

120

Der mit dem "Streikverbot" für Vertragsärzte verfolgte Zweck, der auf eine Verhinderung der Systemgefährdung gerichtet ist (vgl zu diesem Maßstab BVerfG Beschluss vom 26.9.2016 - 1 BvR 1326/15 - RdNr 44 - Juris), und die Intensität des Eingriffs in die Rechte des Klägers stehen in einem angemessenen Verhältnis zueinander: Leistungserbringer innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung profitieren einerseits von den Vorteilen des öffentlich-rechtlichen Systems des Vertragsarztrechts, müssen im Interesse der Funktionsfähigkeit und Finanzierbarkeit des Systems unter Umständen aber auch Einschränkungen hinnehmen, die ihnen das Berufsrecht nicht abverlangt (BVerfG SozR 4-2500 § 135 Nr 2 RdNr 29; BSGE 88, 20, 24 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 70; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 135).

121

Wer aus diesem System Nutzen zieht, indem er davon lebt, muss zum Erhalt des Systems auch Eingriffe ertragen, die ein Unternehmen, dass sich auf dem Markt behaupten muss, nicht hinnehmen müsste (Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 13 RdNr 11 mwN). Dies gilt umso mehr, als Vertragsärzte die Möglichkeit haben, sich für oder gegen die Eingliederung in das System der GKV in Kenntnis der damit für sie verbundenen Vor- und Nachteile zu entscheiden (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 135). Mit der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit akzeptiert der Vertragsarzt - oder hat es zumindest hinzunehmen -, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit gewissen Beschränkungen unterworfen ist; die Option, von den Vorteilen des Systems zu profitieren, aber ansonsten nach Marktgesetzen agieren zu können, steht Vertragsärzten nicht zu.

122

Der erkennende Senat wie auch das BVerfG haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit die Teilhabe an einem umfassenden Leistungssystem der GKV ermöglicht, von dem auch die Leistungserbringer profitieren (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 135, 139; siehe hierzu auch BVerfGE 103, 172, 185 f = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27 f; BVerfG SozR 3-2500 § 73 Nr 3 S 17). Mit dem Erwerb des besonderen Status eines Vertragsarztes sind verschiedene Begünstigungen verbunden: So wird ihm der Zugang zum Kreis der GKV-Versicherten als potentielle Patienten eröffnet und es werden ihm sichere, insolvenzgeschützte und auch auskömmliche Einnahmen von öffentlich-rechtlichen Institutionen als Schuldnern gewährt (BSGE 88, 20, 24 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 70); sie sind - anders als viele andere freiberuflich tätige Berufsgruppen - durch ihre öffentlich-rechtlichen Vergütungsansprüche gegen die KÄVen davor geschützt, ihre erbrachten Leistungen nicht, nicht vollständig oder nicht in angemessener Zeit honoriert zu bekommen, was ihnen ein hohes Maß an Planungssicherheit gewährleistet (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 135).

123

Innerhalb dieses Systems sind Vertragsärzte aufgrund von Zulassungsbeschränkungen, insbesondere aber aufgrund des ihnen eingeräumten Vorrangs im Bereich der ambulanten ärztlichen Versorgung, weitgehend gegen Konkurrenz geschützt (vgl BVerfG SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 21). Externe Anbieter - insbesondere Krankenhäuser - erhalten in der Regel nur bei Vorliegen eines nicht durch die am System beteiligten Leistungserbringer gedeckten Bedarfs Zugang hierzu. Zudem können sich Vertragsärzte im Wege der defensiven Konkurrentenklage gegen das Hinzutreten weiterer Leistungserbringer wehren, sofern der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber demjenigen des Anfechtenden nachrangig ist (stRspr, vgl BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10; BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4; BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 19; BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 19). Nicht zuletzt sind die Vertragsärzte durch das Kollektivvertragssystem davor geschützt, als Einzelne und im Wettbewerb mit anderen Ärzten die Vertragsbedingungen mit marktstarken KKen aushandeln zu müssen.

124

Den Interessen der Vertragsärzte an einer angemessenen Vergütung der von ihnen innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung erbrachten Leistungen trägt § 72 Abs 2 SGB V Rechnung. Danach ist die vertragsärztliche Versorgung ua so zu regeln, dass die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Die Einhaltung dieses zwingenden gesetzlichen Gebots der Angemessenheit der Vergütung (siehe hierzu schon BSGE 68, 291, 296 = SozR 3-1500 § 54 Nr 7 S 16)können die Vertragsärzte gerichtlich klären lassen. Speziell den Vertragsärzten wird aus ihrer Tätigkeit für die Versicherten der KKen seit Jahrzehnten und bis heute ein Einkommen ermöglicht, das weit über dem Durchschnittseinkommen der pflichtversicherten Arbeitnehmer liegt (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 135; in diesem Sinne schon BVerfGE 103, 172, 192) und auch bei einem Vergleich mit anderen Berufsgruppen mit akademischer Qualifikation eine Spitzenstellung gewährt.

125

Angesichts der Unvereinbarkeit ärztlicher "Kampfmaßnahmen" mit dem System des Vertragsarztrechts und der durch diese bewirkten Störung des Systems der Gesundheitsversorgung stellt sich das systemimmanente Verbot ärztlicher "Kampfmaßnahmen" als vergleichsweise geringfügiger Eingriff in die Rechte der Vertragsärzte dar. Diese werden durch ein "Streikverbot" keineswegs schutzlos gestellt, weil durch die gesetzlich vorgeschriebenen Schlichtungsverfahren in ausreichendem Umfang sichergestellt ist, dass ihre Interessen Berücksichtigung finden. Der Ausschluss von "Kampfmaßnahmen" ist daher Vertragsärzten ohne Weiteres zumutbar, weil es dieser zur Durchsetzung ihrer legitimen Interessen nicht bedarf. Sofern Vertragsärzte der Auffassung sind, dass sich die sie vertretende KÄV in den Verhandlungen mit den KKen als zu nachgiebig erweist, haben sie die Möglichkeit, über die Wahlen zur Vertreterversammlung Einfluss auf die Organe der KÄV zu nehmen.

126

2. Der Kläger handelte auch schuldhaft. Die Feststellung der Beklagten, dass der Kläger zumindest grob fahrlässig gehandelt hat, begegnet keinen Bedenken. Der Umstand, dass ein vertragsärztlicher Pflichtenverstoß begangen wurde, verliert nicht dadurch an Bedeutung, dass der Betroffene in Unkenntnis war oder sich in einem Irrtum über die Rechtslage befand bzw dass zur Zulässigkeit einer konkreten Verhaltensweise noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorlag (BSG Urteil vom 14.3.2001 - B 6 KA 67/00 R - Juris RdNr 27 = MedR 2002, 47 = USK 2001-126; BSG Beschluss vom 15.8.2012 - B 6 KA 13/12 B - Juris RdNr 12).

127

3. Schließlich ist der Bescheid der Beklagten auch hinsichtlich der ausgewählten Disziplinarmaßnahme nicht zu beanstanden. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Unabhängig davon erscheint ein Verweis als die "zweitmildeste" Disziplinarmaßnahme ("Tadel") zur Ahndung des Pflichtenverstoßes angemessen.

128

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

(1) Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt die vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psychotherapeuten, medizinischen Versorgungszentren sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung; dabei sollen die von fachärztlich tätigen Ärzten erbrachten hausärztlichen Leistungen nicht den hausärztlichen Teil der Gesamtvergütungen und die von hausärztlich tätigen Ärzten erbrachten fachärztlichen Leistungen nicht den fachärztlichen Teil der Gesamtvergütungen mindern. Die Kassenärztliche Vereinigung wendet bei der Verteilung den Verteilungsmaßstab an, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt worden ist. Die Vergütung der Leistungen im Notfall und im Notdienst erfolgt aus einem vor der Trennung für die Versorgungsbereiche gebildeten eigenen Honorarvolumen mit der Maßgabe, dass für diese Leistungen im Verteilungsmaßstab keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars angewandt werden dürfen; Gleiches gilt unter Beachtung der nach § 87a Absatz 3b Satz 7 beschlossenen Vorgaben für die Vergütung der Leistungen des Versorgungsbereichs der Kinder- und Jugendmedizin, die gegenüber Patienten erbracht werden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Bisherige Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen, gelten bis zur Entscheidung über einen Verteilungsmaßstab vorläufig fort.

(2) Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird; dabei soll dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden. Der Verteilungsmaßstab hat der kooperativen Behandlung von Patienten in dafür gebildeten Versorgungsformen angemessen Rechnung zu tragen. Für Praxisnetze, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen anerkannt sind, müssen gesonderte Vergütungsregelungen vorgesehen werden; für solche Praxisnetze können auch eigene Honorarvolumen als Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen nach § 87a Absatz 3 gebildet werden. Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten. Im Verteilungsmaßstab dürfen keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars für anästhesiologische Leistungen angewandt werden, die im Zusammenhang mit vertragszahnärztlichen Behandlungen von Patienten mit mangelnder Kooperationsfähigkeit bei geistiger Behinderung oder schwerer Dyskinesie notwendig sind. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie gegen deren Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(2a) Mindert sich die Fallzahl in einem die Fortführung der Arztpraxis gefährdenden Umfang infolge einer Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder eines anderen Großschadensereignisses, soll die Kassenärztliche Vereinigung im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen im Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen zur Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Leistungserbringers vorsehen. Regelungen nach Satz 1 können auch bei einer Minderung von Fallzahlen von Leistungen vorgesehen werden, die nach § 87a Absatz 3 Satz 5 Nummer 1, 3, 4, 5 und 6 und Satz 6 vergütet werden. In der Vergangenheit gebildete und noch nicht aufgelöste Rückstellungen im Rahmen der Honorarverteilung sollen ebenfalls verwendet werden. Eine weitere Voraussetzung für die Zahlung von Kompensationszahlungen ist, dass der vertragsärztliche Leistungserbringer die in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden einhält. Bei einer Unterschreitung der in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden können Kompensationszahlungen nur vorgenommen werden, wenn der vertragsärztliche Leistungserbringer durch eine Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder ein anderes Großschadensereignis verursachte rechtfertigende Gründe für die Unterschreitung nachweist.

(3) Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen einen Beschluss nach § 100 Absatz 1 oder 3 getroffen, dürfen für Ärzte der betroffenen Arztgruppe im Verteilungsmaßstab Maßnahmen zur Fallzahlbegrenzung oder -minderung nicht bei der Behandlung von Patienten des betreffenden Planungsbereiches angewendet werden. Darüber hinausgehend hat der Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen vorzusehen, nach der die Kassenärztliche Vereinigung im Einzelfall verpflichtet ist, zu prüfen, ob und in welchem Umfang diese Maßnahme ausreichend ist, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. Die Kassenärztliche Vereinigung veröffentlicht einmal jährlich in geeigneter Form Informationen über die Grundsätze und Versorgungsziele des Honorarverteilungsmaßstabs.

(4) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat Vorgaben zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung nach Absatz 1 Satz 1 sowie Kriterien und Qualitätsanforderungen für die Anerkennung besonders förderungswürdiger Praxisnetze nach Absatz 2 Satz 3 als Rahmenvorgabe für Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigungen, insbesondere zu Versorgungszielen, im Einvernehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu bestimmen. Darüber hinaus hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung Vorgaben insbesondere zu den Regelungen des Absatzes 2 Satz 1 bis 4 und zur Durchführung geeigneter und neutraler Verfahren zur Honorarbereinigung zu bestimmen; dabei ist das Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen herzustellen. Die Vorgaben nach den Sätzen 1 und 2 sind von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu beachten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben bis spätestens zum 23. Oktober 2015 Richtlinien nach Satz 1 zu beschließen.

(5) Die Regelungen der Absätze 1 bis 4 gelten nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

Tatbestand

1

Im Streit steht ein Regress wegen der Verordnung eines Arzneimittels.

2

Der Beigeladene zu 1. ist Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde des Kreiskrankenhauses H. und war im fraglichen Zeitraum zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. Am 18.12.2000 verordnete er zugunsten eines bei der Beigeladenen zu 8. versicherten Patienten Wobe Mugos E-Tabletten. Am 22.10.2001 stellte die Beigeladene zu 8. bei der klagenden Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) einen Antrag auf Prüfung dieser Verordnung und Festsetzung eines Regresses in Höhe von 260,27 DM (= 133,07 Euro). Mit Schreiben vom 27.12.2001 setzte die Bezirksstelle Hannover der Klägerin den Beigeladenen zu 1. über den Prüfantrag in Kenntnis. Zugleich teilte sie diesem sowie der Beigeladenen zu 8. mit, dass sie den Antrag bis zur Klärung der Rechtslage ruhen lassen werde; die Verordnungsfähigkeit des Präparats sei unsicher, da für Wobe Mugos E-Tabletten nur eine fiktive Zulassung vorliege.

3

Nachdem das BSG mit Urteil vom 27.9.2005 (B 1 KR 6/04 R - BSGE 95, 132 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3)entschieden hatte, dass Wobe Mugos E-Tabletten nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können, setzte der Prüfungsausschuss mit Bescheid vom 10.8.2006 gegen den Beigeladenen zu 1. einen Regress in Höhe von 133,07 Euro fest. Der vom Beigeladenen zu 1. unter Hinweis auf zwischenzeitlich eingetretene Verjährung eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Der Beklagte vertrat die Auffassung, der Ablauf der hier maßgeblichen Verjährungsfrist von vier Jahren sei dadurch unterbrochen (bzw gehemmt) worden, dass der betroffene Vertragsarzt von der Prüfungseinrichtung über die Antragstellung der Krankenkasse informiert und ihm rechtliches Gehör eingeräumt worden sei.

4

Auch die hiergegen von der Klägerin erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben. Das SG hat die Auffassung vertreten, die vierjährige Ausschlussfrist sei im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung für Honorarkürzungen entwickelt worden; durch die hier festgesetzten Regresse werde jedoch unmittelbar keine Honorarkürzung bewirkt. Eine Ausschlussfrist sei auch nicht zur Wahrung der Rechtssicherheit erforderlich, weil die Prüfvereinbarung vorsehe, dass Krankenkassen Anträge auf Festsetzung eines sonstigen Schadens innerhalb von vier Jahren nach der Pflichtverletzung stellen müssten. Die von der Klägerin erhobene Einrede der Verjährung sei ohne Rechtswirkung, weil das hier fragliche verfahrensrechtliche Gestaltungsrecht grundsätzlich nicht der Verjährung unterliegen könne (Urteil vom 10.10.2007).

5

Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG sowie den Bescheid des Beklagten aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar sei der Beigeladene zu 1. dem Grunde nach verpflichtet, der betroffenen Krankenkasse den Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unzulässige Verordnung von Wobe Mugos E entstanden sei. Jedoch sei der Beklagte durch Fristablauf an der Festsetzung eines Regresses gehindert gewesen. Allerdings greife nicht die von der BSG-Rechtsprechung entwickelte Ausschlussfrist ein, denn für diese sei von vornherein kein Raum, wenn sich - wie hier - die Regressforderung aus einem Schadensersatzanspruch ergebe, bei dem die zeitliche Begrenzung bereits aus der Möglichkeit der Verjährung folge. Der Schadensersatzanspruch der Beigeladenen zu 8. sei verjährt, denn ausgehend von der Einlösung der umstrittenen Verordnung im Jahre 2001 sei der Lauf der vierjährigen Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2005 - und damit vor Erlass des Bescheides des Prüfungsausschusses vom 10.8.2006 - vollendet gewesen. Die Verjährung sei auch nicht dadurch gehemmt worden, dass die Beigeladene zu 8. die Festsetzung des Schadensersatzanspruchs bei der Klägerin beantragt und die Klägerin dies dem Beigeladenen zu 1. mitgeteilt habe. § 45 Abs 3 SGB I sei nicht einschlägig, da die darin liegende Privilegierung des Anspruchsinhabers auf Sozialleistungen beschränkt sei(Urteil vom 28.1.2009).

6

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von Bundesrecht. Er teile zwar die Auffassung des Berufungsgerichts, dass bei einem Arzneimittelverordnungsregress im Einzelfall wegen der Nähe zum klassischen Schadensersatzrecht keine Ausschlussfrist eingreife, sondern Regressansprüche der Krankenkassen der Verjährung unterlägen, gehe jedoch von einer wirksamen Hemmung der Verjährungsfrist aus. Bei den gesetzlichen Verjährungsregelungen gehe es jeweils um ein Zweierverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, während im komplizierten Kompetenzgeflecht im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung immer Verhältnisse mit mehr als zwei Beteiligten zu beurteilen seien. Zudem sei er - der Beklagte - nie Gläubiger der Regressforderung, die er festsetze. Als Konsequenz aus diesen Besonderheiten dürften etwaige Hemmungsvorschriften nur entsprechend und nicht direkt zur Anwendung kommen. In diesem Sinne seien "Verhandlungen" iS des § 203 BGB nF (in der seit dem 1.1.2002 gültigen Fassung) in Form der Rechtsverfolgung bzw eines alle Instanzen durchlaufenden Gerichtsverfahrens erfolgt. Auch eine Anwendung des § 206 BGB sei nicht ausgeschlossen, denn er - der Beklagte - habe die höchstrichterliche Entscheidung zu dem Problemkomplex um das Präparat Wobe Mugos E abwarten müssen, um ggf nicht sehenden Auges rechtswidrige Bescheide zu erlassen. Die vom LSG angeführte Entscheidung des BVerwG sei auf den vorliegenden Fall mangels Vergleichbarkeit nicht übertragbar; sie benachteilige auch diejenigen, die auf ein zweistufiges Verwaltungsverfahren verwiesen würden. Schließlich sei der Grundsatz nicht beachtet worden, dass die Verjährung nicht gegen denjenigen laufe, welcher den Eintritt der Verjährung nicht - klageweise - verhindern könne. Die Beigeladene zu 8. habe keine Möglichkeit gehabt, das laufende Verfahren zu beeinflussen, sondern sei zur Untätigkeit gezwungen gewesen. Nach der Entscheidung des erkennenden Senats vom 28.8.1996 sei eine Hemmung der Verjährungsfrist dann gegeben, wenn die Beteiligten über den Hemmungsgrund "offiziell" Kenntnis erlangt hätten, dieser Hemmungsgrund zweckmäßig sei und nicht eine sittenwidrige Verzögerung bedinge, und der Hemmungszeitraum angemessen sei und nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt.

7

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. Januar 2009 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. Oktober 2007 zurückzuweisen,

hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. Januar 2009 aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Die Prüfbefugnis der Gremien nach § 106 SGB V unterliege als verfahrensrechtliches Gestaltungsrecht allein einer vierjährigen Ausschlussfrist. Die Prüfgremien seien in jedem Einzelfall verpflichtet, zunächst von Amts wegen zu prüfen, ob die Prüfbefugnis gegeben oder aufgrund des Ablaufs der Ausschlussfrist entfallen sei. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit dürften die Verfahren hinsichtlich der Fristenregelung nicht unterschiedlich beurteilt werden. Es müsse den Prüfgremien von vornherein klar sein, ob Fristenregelungen von Amts wegen vor Beginn der Prüfung (Ausschlussfrist) oder erst im Rahmen der Durchführung der materiellen rechtlichen Prüfung auf Einrede (Verjährung) zu beachten seien. Im vorliegenden Fall sei die Ausschlussfrist nicht wirksam gehemmt worden. Dies erfordere zwingend den Erlass eines Verwaltungsaktes gegenüber dem Betroffenen; die bloße Kenntnisnahme einer solchen Möglichkeit vor Ablauf der Ausschlussfrist genüge nicht. Bei dem Schreiben ihrer Bezirksstelle vom 27.12.2001 handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine bloße Information. Eine Hemmung durch Rechtshandlungen der antragstellenden Krankenkasse komme nur in Ausnahmefällen in Betracht, nämlich dann, wenn es darum gehe, einer Vereitelung der Wirtschaftlichkeitsprüfung durch die Prüfgremien entgegenzutreten. Der Beigeladenen zu 8. habe die Möglichkeit offengestanden, eine Hemmung der Frist durch Erhebung der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG zu bewirken. Es hätten weder Verhandlungen in Form der Rechtsverfolgung stattgefunden, noch stelle das Zuwarten auf eine höchstrichterliche Entscheidung höhere Gewalt dar, die eine Rechtsverfolgung verhindert habe.

10

Die Beigeladenen zu 6. und zu 8. haben sich - ohne Anträge zu stellen - den Ausführungen des Beklagten angeschlossen. Die übrigen Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch sich geäußert.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Beklagten ist begründet. Das LSG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Anspruch der Beigeladenen zu 8. auf Festsetzung eines Arzneikostenregresses verjährt ist. Er ist auch nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen.

12

1. Die KÄV ist durch den Bescheid, mit dem der Beklagte einen Arzneikostenregress gegen den Beigeladenen zu 1. festgesetzt hat, rechtlich beschwert (BSGE 79, 97, 99 f = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 3 f; BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, RdNr 21). Eine Betroffenheit der KÄV in eigenen Rechten hat der Senat aus der Gesamtverantwortung der KÄVen für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung (§ 75 Abs 1 SGB V)abgeleitet, in die durch die Entscheidung der Prüfgremien eingegriffen wird (BSGE 79 aaO S 99 f = SozR aaO S 4; BSGE 92 aaO = SozR aaO, RdNr 22). Hieraus folgt ihre Befugnis, die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung unabhängig vom Nachweis eines darüber hinausgehenden konkreten rechtlichen Interesses im Einzelfall geltend zu machen (BSGE 79 aaO S 100 = SozR aaO S 4 mwN).

13

2. Für die vom Beigeladenen zu 1. im Quartal IV/2000 vorgenommene Verordnung von Wobe Mugos E haben die Prüfgremien zu Recht einen Regress festgesetzt. Dieser ist - wie auch nicht im Streit steht - in der Sache nicht zu beanstanden. Der Festsetzung eines Regresses stehen auch weder ein Verjährungseintritt noch ein Verstreichen der Ausschlussfrist von vier Jahren entgegen.

14

a) Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V (hier zugrunde zu legen idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, die im Quartal IV/2000 galt; - zur Zugrundelegung des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 und BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, und zwar entweder nach Durchschnittswerten oder bei Überschreitung von Richtgrößen nach § 84 SGB V106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (§ 106 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB V) geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren; diese Prüfvereinbarungen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen (s zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 bis 14 mwN). Diese waren auch in der hier einschlägigen Prüfvereinbarung vom 24.6.1996 vorgesehen, wie sich aus dem Urteil des SG ergibt, das für die Feststellung und Auslegung von Landesrecht (auch) zuständig ist (s § 162 SGG und dazu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 mwN). Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und ihre Auswahl daher rechtmäßig - wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in einem bestimmten Behandlungsfall hinsichtlich des Behandlungs- und Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 16; BSG SozR § 106 Nr 21 RdNr 14). Dem Beschluss des Beklagten ist auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass er eine Einzelfallprüfung wegen Unwirtschaftlichkeit durchgeführt hat.

15

b) Die im vorliegenden Fall aufgrund vorgenannter Rechtsgrundlage durchgeführte Einzelfallprüfung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Annahme der Unwirtschaftlichkeit wie auch die Höhe des festgesetzten Regresses sind nicht zu beanstanden.

16

Wie der Senat bereits mit Urteilen vom 5.11.2008 (B 6 KA 63/07 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und B 6 KA 64/07 R) sowie vom 6.5.2009 (B 6 KA 3/08 R = USK 2009-14 = MedR 2010, 276) entschieden hat, war die vom Beigeladenen zu 1. vorgenommene Verordnung von Wobe Mugos E im Quartal IV/2000 nicht zulässig. Denn dieses Arzneimittel durfte nicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden; insoweit bestand weder eine Leistungspflicht der Krankenkassen noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten. Jedenfalls seit der Ablehnung der Zulassungsverlängerung durch den Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 9.6.1998 war Wobe Mugos E nicht mehr verordnungsfähig im Sinne des SGB V (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 25). Fehlte die Verordnungsfähigkeit, so ist Unwirtschaftlichkeit gegeben (BSG aaO unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 281 f und BSG MedR 2007, 557).

17

c) Die Festsetzung des Regresses ist auch nicht wegen Zeitablaufs ausgeschlossen.

18

aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterliegt das Recht der Prüfgremien auf Erlass von Prüfbescheiden nicht der Verjährung. Dies hat das BSG - unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 16.1.1991 - BSGE 68, 97 = SozR 3-2500 § 106 Nr 4, und vom 31.7.1991 - BSGE 69, 147 = SozR 3-2500 § 106 Nr 7) bereits mit Urteil vom 16.6.1993 (14a/6 RKa 37/91- BSGE 72, 271 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19; bestätigt durch BSGE 79, 97, 100 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 4; s auch BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 16; BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 20)entschieden.

19

(1) Wie der Senat dargelegt hat, unterliegt nach § 194 Abs 1 BGB der Verjährung nur das Recht, von einem Anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch); Rechte, die keine Ansprüche sind, unterliegen nicht der Verjährung (BSGE 72, 271, 273 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19 S 107). Das gilt insbesondere für Gestaltungsrechte (BSGE aaO = SozR aaO mwN; s auch Ellenberger in: Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 194 RdNr 3). Das Prüfverfahren ist nach dem Gesetz auf die endgültige Feststellung des Honoraranspruchs in Ersetzung des Honorarbescheides und auf die Festsetzung eines etwaigen Regresses wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise ausgerichtet (BSG aaO). Das Recht des Prüfungsausschusses, den Honoraranspruch endgültig und entsprechend dem Prüfergebnis anders als im Honorarbescheid festzusetzen, ist nicht auf ein Tun oder Unterlassen des Vertragsarztes gerichtet (BSG aaO). Es ist jedenfalls kein Anspruch, sondern einem Gestaltungsrecht vergleichbar (BSG aaO; s auch BSGE 79, 97, 100 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 4).

20

(2) Etwas anderes gilt lediglich für das Verfahren auf Feststellung eines "sonstigen Schadens" (s BSGE 79, 97, 100 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 4). Zur Begründung hat der Senat (aaO) auf die Unterschiede verwiesen, die zwischen der Überprüfung des dem Vertragsarzt gegen die KÄV zustehenden Honoraranspruchs unter den Gesichtspunkten der sachlich-rechnerischen Richtigkeit und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung auf der einen und der Feststellung eines gegen den Vertragsarzt gerichteten Schadensersatzanspruchs auf der anderen Seite bestehen. Anders als die auf Prüfung und ggf Kürzung der eingereichten Honorarforderung gerichtete Prüfungsbefugnis der Prüfgremien, die - wie dargelegt - als verfahrensrechtliches Gestaltungsrecht nicht der Verjährung unterliegt, bildet das Verfahren auf Feststellung eines "sonstigen Schadens" nach bundesmantelvertraglichen Vorschriften (jetzt § 48 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/§ 44 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen sowie § 23 Abs 1 Satz 2 Bundesmangelvertrag-Zahnärzte) die Grundlage für die Geltendmachung eines gegen den Vertragsarzt gerichteten Schadensersatzanspruchs, der wie jeder Anspruch verjähren kann (BSG aaO). In diesem Fall wird dem Interesse des betroffenen Vertragsarztes, nicht zeitlich unbegrenzt Ersatzansprüchen aus einer abgeschlossenen Behandlung ausgesetzt zu sein, bereits durch die Verjährungsvorschriften Rechnung getragen.

21

(3) Bei Arzneikostenregressen, die auf der Verordnung eines nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähigen Arzneimittels beruhen, handelt es sich jedoch nicht um einen Fall des "sonstigen Schadens" im Sinne der BSG-Rechtsprechung. Der gegenteiligen Auffassung des LSG kann nicht gefolgt werden.

22

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl BSG, Urteile vom 14.3.2001 = SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 283 sowie B 6 KA 18/00 R, vom 30.1.2002, B 6 KA 9/01 R = USK 2002-110 sowie vom 20.10.2004 = SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12)sind Schadens- und Verordnungsregresse wegen eines Verstoßes gegen die Arzneimittelrichtlinien bzw generell wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel nicht als Fall der Festsetzung eines "sonstigen Schadens" im Sinne der bundesmantelvertraglichen Vorschriften anzusehen. Der durch fehlerhaftes Verordnungsverhalten des Arztes einer Krankenkasse entstandene Schaden unterscheidet sich grundlegend von dem - verschuldensabhängigen (s hierzu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 283 und BSG USK 2002-110) - "sonstigen Schaden".

23

Bei Verordnungsregressen besteht der zu ersetzende Schaden der Krankenkasse darin, dass sie an Apotheken Geldbeträge für Arzneien gezahlt hat, welche dem Versicherten gegen Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung ausgehändigt wurden und ausgehändigt werden durften (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 284; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12). Die Krankenkasse hat mithin Kosten aufgewandt, die sie prinzipiell aufwenden muss, die aber im konkreten Fall nicht angefallen wären, wenn der Vertragsarzt den normativen Vorgaben entsprochen hätte (Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 28 RdNr 3). Der "Schaden", der durch einen Verordnungsregress auszugleichen ist, entspricht somit demjenigen, der durch eine unwirtschaftliche Verordnungsweise im Sinne von § 106 Abs 2 Satz 1 SGB V verursacht worden ist(BSG aaO).

24

Der typische Schadensregress außerhalb des Verordnungsverhaltens ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass das Verhalten des Arztes (zB ein Behandlungsfehler oder eine falsche Bescheinigung) Folgekosten der Krankenkasse in anderen Leistungsbereichen ausgelöst hat (zB notwendige Nachbehandlung, Leistungen wegen Mutterschaft). Der dann zu ersetzende Schaden ist der Struktur nach einem Mangelfolgeschaden nach bürgerlichem Recht vergleichbar (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 284; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12; in diesem Sinne auch Wenner aaO RdNr 3; vgl ferner BSGE 55, 144 = SozR 2200 § 368n Nr 26).

25

Aber auch außerhalb dieser typischen Konstellationen kann es Verordnungsregresse geben, die dem Schadensregress nach den bundesmantelvertraglichen Vorschriften zuzuordnen sind. Hierfür kommen insbesondere Fallgestaltungen in Betracht, bei denen Fehler in Frage stehen, die nicht speziell der Verordnung selbst anhaften, sondern sich aus der Art und Weise der Ausstellung der Verordnung ergeben. Dies kann zB in Betracht kommen, wenn ein Vertragsarzt für einen Patienten eine Verordnung ausstellt, obgleich er ihn nicht selbst in Behandlung hat, dieser sich zur Zeit der Ausstellung der Verordnung in der Behandlung eines Krankenhauses befindet, in dem umfassend Therapien einschließlich aller Arzneimittel zu gewähren sind. Gleiches gilt, wenn ein ermächtigter Krankenhausarzt Arzneiverordnungen im Rahmen seiner Ermächtigungstätigkeit durch einen insoweit nicht vertretungsbefugten anderen Krankenhausarzt unterzeichnen lässt. In solchen Fällen ist im Wege des Schadensregresses vorzugehen, dessen Rechtmäßigkeit ein Verschulden und die Einhaltung der vierjährigen Verjährungsfrist voraussetzt.

26

Kein Schadensregress nach den bundesmantelvertraglichen Vorschriften, sondern ein Fall der Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 106 SGB V liegt indessen zB dann vor, wenn eine Krankenkasse gegenüber einem Vertragsarzt geltend macht, dieser habe die Verteilung des Sprechstundenbedarfs zwischen Primär- und Ersatzkassen fehlerhaft vorgenommen(s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7). Ein Fall des § 106 SGB V ist auch dann gegeben, wenn ein Regress deshalb erfolgt, weil die Grenzen der gesetzlichen Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht eingehalten wurden. Auch dieser Regress entspricht der systematischen Struktur nach einem Arzneikostenregress wegen unzureichender Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots oder einer Kürzung vertragsärztlichen Honorars wegen unwirtschaftlicher Leistungserbringung. Diese Maßnahmen knüpfen an die inhaltliche Ausrichtung der Verordnung an, die sich als unzulässig bzw unwirtschaftlich darstellt. Diese Zuordnung wird durch § 106 Abs 5b SGB V bekräftigt, der klarstellt, dass im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Einhaltung der Arzneimittel-Richtlinien zu prüfen ist. In solchen Fällen kommt es auf ein Verschulden nicht an.

27

bb) Dass ein Prüfanspruch nicht der Verjährung unterliegt, bedeutet jedoch nicht, dass ein Regressbescheid wegen unzulässiger - und damit unwirtschaftlicher - Arzneiverordnungen zeitlich unbegrenzt ergehen könnte.

28

(1) Wie das BSG bereits mit Urteil vom 16.6.1993 (14a/6 RKa 37/91 - BSGE 72, 271 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19)entschieden hat, ergibt sich die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung des Prüfverfahrens bereits aus dem rechtsstaatlichen Gebot der Rechtssicherheit (Art 20 Abs 3 GG); greifen die Verjährungsvorschriften nicht ein, so muss der Gefahr eines "ewigen Prüfverfahrens" auf andere Weise Rechnung getragen werden (BSGE aaO S 275 = SozR aaO S 109 f). Daher hat es das BSG als sachgerecht angesehen, die in den Büchern des SGB für die Verjährung einheitlich festgesetzte Frist von vier Jahren im Sinne einer zeitlichen Höchstgrenze als Ausschlussfrist auch auf das Verfahren zur endgültigen Festsetzung der vertragsärztlichen Honorare zu übertragen (BSGE aaO S 277 = SozR aaO S 112). Diese Ausschlussfrist, innerhalb derer der Bescheid ergehen muss, gilt für sachlich-rechnerische Richtigstellungen (s hierzu BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 14; BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 16)und für Bescheide zur Umsetzung degressionsbedingter Honorarminderungen (BSG MedR 2008, 100 RdNr 15 ff, und BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 15 ff)gleichermaßen wie für Wirtschaftlichkeitsprüfungen (s hierzu BSGE 72, 271, 277 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19 S 111 f; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62).

29

(2) Diese Ausschlussfrist gilt auch für Regresse wegen solcher Verordnungen, die die Grenzen der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht eingehalten haben, da sie - wie dargelegt - der systematischen Struktur nach einem Arzneikostenregress wegen unzureichender Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots entsprechen. Soweit das LSG die Auffassung vertritt, dass für eine Ausschlussfrist von vornherein dann kein Raum sei, wenn sich die Regressforderung aus einem Schadensersatzanspruch ergebe, bei dem die zeitliche Begrenzung bereits aus der Möglichkeit der Verjährung erfolge, trägt es der Argumentation des 14a Senats zur Ausschlussfrist nicht hinreichend Rechnung. Dieser hat seine Entscheidung, dass das Recht der Prüfgremien auf Erlass von Honorarkürzungsbescheiden nicht der Verjährung unterliegt, damit begründet, dass dieses Recht keinen Anspruch im Sinne des § 194 BGB darstellt, sondern vielmehr einem Gestaltungsrecht vergleichbar ist. Zwar unterliegen Rückzahlungs- und Schadensersatzansprüche als solche der Verjährung; damit kann aber eine Verjährung des Prüfrechts nicht begründet werden (BSGE 72, 271, 274 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19 S 108 f).

30

cc) Der Bescheid vom 10.8.2006 ist allerdings nicht innerhalb der hier maßgeblichen Ausschlussfrist von vier Jahren ergangen.

31

Der die Wirtschaftlichkeitsprüfung bzw die Prüfung der sachlich-rechnerischen Berichtigung abschließende Bescheid muss nach der zitierten Senatsrechtsprechung innerhalb der Ausschlussfrist von vier Jahren ergehen. Dabei kann offen bleiben, wann diese Ausschlussfrist in den Fällen zu laufen beginnt, in denen - wie hier - ein Regress wegen einzelner Arzneimittelverordnungen im Streit steht. Wie der Senat mit Urteil vom 28.3.2007 (B 6 KA 22/06 R - BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35; ebenso die weiteren Urteile vom 28.3.2007, MedR 2008, 100 und B 6 KA 28/06 R) entschieden hat, beginnt die Ausschlussfrist "in allen Fällen der Berichtigung von Honorarbescheiden" mit dem Tag nach der Bekanntgabe des für den Abrechnungszeitraum maßgeblichen Honorarbescheids zu laufen (BSGE aaO = SozR aaO, RdNr 18). Ob dies - im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung - auch bei Arzneikostenregressen entsprechend gilt (zu weiteren möglichen Anknüpfungspunkten s SG Berlin, Urteil vom 27.8.2008 - S 83 KA 653/07, juris), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn unabhängig davon, ob die Ausschlussfrist noch im Laufe des Jahres 2000 oder - äußerstenfalls - mit Ablauf des Jahres 2001 zu laufen begonnen hatte, war sie spätestens mit Ende des Jahres 2005, also vor Erlass des Regressbescheides, abgelaufen.

32

Später ergehende Kürzungs- bzw Rückforderungsbescheide können regelmäßig nur noch dann Rechtswirkungen entfalten, wenn die Vertrauensschutzausschlusstatbestände des § 45 SGB X(Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1) vorliegen (BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 16; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12). Deren Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt, denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beigeladene zu 1. "bösgläubig" im Sinne des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X war.

33

dd) Der Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist ist jedoch unbeachtlich, weil die Ausschlussfrist vorliegend unterbrochen bzw gehemmt worden ist.

34

(1) Die Möglichkeit einer Unterbrechung bzw Hemmung der Ausschlussfrist für den Erlass von Prüf- und Richtigstellungsbescheiden folgt aus der entsprechenden Anwendung der Vorschriften des § 45 SGB I über die Unterbrechung bzw Hemmung der Verjährung(s hierzu BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 14; s auch BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 28, und BSG, Beschluss vom 27.4.2005 - B 6 KA 46/04 B - juris RdNr 10 f; vgl auch BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62). Die Anwendung einzelner Verjährungsvorschriften, insbesondere der über die Unterbrechung bzw Hemmung der Verjährung, auf Ausschlussfristen ist trotz der Unterschiede zwischen Verjährung und Ausschlussfrist nicht ausgeschlossen und auch im bürgerlichen Recht anerkannt (BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 15 mwN).

35

Dabei sind die Änderungen des § 45 SGB I wie auch der entsprechend anwendbaren BGB-Vorschriften durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz im Ergebnis ohne Bedeutung. Insbesondere für die ohnehin nur entsprechende Heranziehung der Hemmungs- bzw Unterbrechungstatbestände des BGB auf die Ausschlussfrist kommt es nicht darauf an, in welcher Weise sich die zum 1.1.2002 in Kraft getretenen Neuregelungen des BGB auf bereits laufende Verjährungsvorschriften auswirkten. Denn für die Wahrung der genannten Ausschlussfrist ist es ohne Belang, ob die Frist vor dem 1.1.2002 unterbrochen, die Unterbrechungswirkung danach fortdauerte oder ob sie nach diesem Zeitpunkt gehemmt wurde. Für § 45 SGB I gilt nichts anderes. Die Rechtswirkungen von Unterbrechung und Hemmung bleiben insoweit gleich (s schon BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 14). Nach § 205 BGB aF wie nach § 209 BGB nF bewirkt die Hemmung, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird; die Unterbrechung der Verjährung bewirkte nach § 217 BGB aF, dass die bis zur Unterbrechung verstrichene Zeit nicht in Betracht kommt.

36

(2) Eine Hemmung der Verjährung bzw des Ablaufs der Ausschlussfrist bei höherer Gewalt nach § 206 BGB nF bzw § 203 BGB aF kommt hier entgegen der Auffassung des Beklagten allerdings nicht in Betracht. Dem steht entgegen, dass höhere Gewalt - zu der auch der Stillstand der Rechtspflege gehört (s Ellenberger in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 206 RdNr 1; vgl § 203 Abs 1 BGB aF) - nur dann vorliegt, wenn der Berechtigte auch bei äußerster, nach den Umständen vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist (Lakkis in: JurisPK-BGB, 4. Aufl 2008, § 206 RdNr 2; vgl auch BSGE 101, 235 = SozR 4-1300 § 44 Nr 17, RdNr 31). Die Beigeladene zu 8. war aber nicht in diesem Sinne an der Rechtsverfolgung gehindert, denn ihr stand die rechtliche Möglichkeit offen, im Wege der Untätigkeitsklage nach § 88 Abs 1 SGG eine Entscheidung der Prüfgremien herbeizuführen.

37

Der Senat hat wiederholt auf die Möglichkeit verwiesen, zur Unterbrechung bzw Hemmung der Ausschlussfrist Untätigkeitsklage gegen das zuständige Prüfgremium zu erheben. Bereits mit Urteil vom 8.12.1993 (BSGE 73, 244 = SozR 3-1500 § 88 Nr 1)hatte der 14a Senat betont, dass Antragsteller gegenüber den Prüfgremien einen Rechtsanspruch auf Erlass eines Prüfbescheides haben und ihre Interessen nicht nur durch den Inhalt der Entscheidungen der Prüfgremien berührt werden, sondern auch durch ihren Zeitpunkt (BSGE aaO = SozR aaO S 5). Diesen Anspruch können sie ggf mit der Untätigkeitsklage durchsetzen (BSGE aaO = SozR aaO; s hierzu auch BSG, Urteil vom 20.9.1995 - BSGE 76, 285, 287 = SozR 3-2500 § 106 Nr 30 S 167, 168; BSG, Urteil vom 14.5.1997 - SozR 3-2500 § 106 Nr 39 S 215; zuletzt Urteil vom 6.9.2006 - BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 17). Deren Erhebung unterbricht bzw hemmt auch - in entsprechender Anwendung des § 209 Abs 1 BGB aF (in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung) bzw § 204 BGB nF - die vierjährige Ausschlussfrist(BSGE 76, 285, 289 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 30 S 170; s auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 39 S 215). Ungeachtet des Umstandes, dass eine Verjährungsunterbrechung bzw -hemmung im Regelfall nur eintritt, wenn die Klage gegen den Schuldner gerichtet wird (s BSGE 79, 97, 103 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 7), wird eine analoge Anwendung jedenfalls dann bejaht, wenn dem betroffenen Vertragsarzt vor Ablauf der Frist der Beschluss über seine Beiladung zu diesem Verfahren zugestellt wird und er damit förmlich Kenntnis nimmt (BSGE 76, 285, 293 = SozR 3-2500 § 106 Nr 30 S 170; BSGE 79, 97, 103 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 7; s auch BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 17).

38

Sofern die Ausführungen des 14a Senats in seiner Entscheidung vom 16.6.1993 (BSGE 72, 271 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19), die Deutung des Prüfungsrechts als ein der Verjährung unterliegender Anspruch sei auch deshalb abzulehnen, weil diejenigen Beteiligten, die die Folgen der Verjährung letztlich wirtschaftlich träfe, nämlich Krankenkassen und KÄVen, nicht in der Lage seien, "den Eintritt der Verjährung zu verhindern" (BSGE aaO S 274 = SozR aaO S 109), im gegenteiligen Sinne verstanden werden könnten, wird hieran nicht festgehalten.

39

(3) Zu Recht hat das LSG auch eine Ablaufhemmung in entsprechender Anwendung des § 203 BGB nF(bzw § 852 Abs 2 BGB aF analog) verneint, denn es fanden gerade keine Verhandlungen zwischen dem Schuldner - also dem Beigeladenen zu 1. - und dem Gläubiger - der Beigeladenen zu 8. - statt. Abgesehen davon, dass ein dem Vertragsarzt "aufgezwungenes" Verfahren vor den Prüfgremien schon wegen fehlender Freiwilligkeit nicht einer Verhandlung im Sinne des § 203 BGB nF gleichgestellt werden kann, beschränkten sich die Handlungen der Beteiligten des Verwaltungsverfahrens bis zu dessen Wiederaufnahme auf die Geltendmachung einer entsprechenden (Regress-)Forderung auf der einen und deren Zurückweisung auf der anderen Seite.

40

(4) Eine Unterbrechung bzw Hemmung des Ablaufs der Ausschlussfrist ist jedoch durch die Stellung des Prüfantrages seitens der Beigeladenen zu 8. eingetreten. Diese Wirkung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 204 Abs 1 Nr 12 Halbs 1 BGB nF(bzw § 210 Satz 1 BGB aF)wie auch des § 45 Abs 3 SGB I.

41

(a) Nach § 204 Abs 1 Nr 12 Halbs 1 BGB nF(bzw § 210 Satz 1 BGB aF) wird die Verjährung durch die Einreichung des Antrags bei einer Behörde gehemmt, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird. Eine "Vorabentscheidung" einer Behörde stellen auch die Entscheidungen der Prüfstellen (bzw der früheren Prüfungsausschüsse) nach § 106 SGB V dar.

42

Dem steht nicht entgegen, dass nach ganz herrschender Auffassung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nur diejenigen Anträge verjährungshemmende Wirkung haben, die unmittelbar, also ohne weitere Verfahrensschritte, Voraussetzung für die Klageerhebung sind (so grundlegend BVerwGE 57, 306, 309 f; bestätigt durch BVerwGE 102, 33; ohne nähere Begründung auch BVerwG, Urteile vom 15.6.2006 - 2 C 17/05 - Buchholz 240 § 73 BBesG Nr 13 und - 2 C 15/05 - IÖD 2007, 7; die verwaltungsgerichtliche Instanzrechtsprechung ist dem gefolgt: vgl Verwaltungsgericht Kassel, Urteil vom 19.6.2007 - 1 E 520/05 - juris RdNr 7; VG Magdeburg, Urteil vom 21.3.2006 - 5 A 104/05 - juris RdNr 15; Thüringer Oberverwaltungsgericht , Urteil vom 29.10.2009 - 2 KO 893/07 - juris RdNr 40). Zur Begründung wird darauf verwiesen (BVerwGE 57, 306, 309 f), aus der Gleichstellung des Gesuchs an eine Behörde mit den Wirkungen einer die Verjährung unterbrechenden Klageerhebung ergebe sich, dass nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur solche Schritte als ausreichend anzusehen seien, die den eindeutigen Willen zur gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs gegenüber dem Schuldner erkennen ließen. Diesem Zweck diene die erstmalige Geltendmachung eines Anspruchs noch nicht, sondern zunächst nur der Konkretisierung eines sich aus dem Gesetz lediglich abstrakt ergebenden Anspruchs. Es sei dem Betroffenen zuzumuten, seinen Anspruch so rechtzeitig bei der Behörde einzureichen, dass gegen den daraufhin erlassenen Verwaltungsakt noch vor Ablauf der Verjährungsfrist Widerspruch eingelegt werden könne.

43

Diese einschränkende Auslegung des § 204 Abs 1 Nr 12 BGB kann jedoch auf die lediglich entsprechende Anwendung der Norm im Vertragsarztrecht wegen der dort bestehenden Besonderheiten nicht übertragen werden. Das BSG hat bereits in seinem Urteil vom 28.8.1996 (BSGE 79, 97 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1) dargelegt, dass ein Antrag auf Schadensfeststellung im Prinzip geeignet ist, eine Verjährungsunterbrechung zu bewirken, und eine Anwendung des § 210 BGB (aF) in Betracht käme (BSGE aaO S 101 f = SozR aaO S 6). Es hat ausgeführt, dass diese Norm den Interessen des Anspruchstellers Rechnung tragen solle, der seine Forderung nicht unmittelbar durch Klageerhebung geltend machen könne, weil das Gesetz die Zulässigkeit der Klage von einer vorherigen Überprüfung des Anspruchs in einem Verwaltungsverfahren abhängig mache. Der Rechtsgedanke des § 210 BGB (aF) sei grundsätzlich auf sozialrechtliche Ansprüche übertragbar.

44

Diesen Gedanken fortführend hält der Senat eine Anwendung des § 204 Abs 1 Nr 12 BGB nF im Vertragsarztrecht deswegen für geboten, weil nur so den hier bestehenden Besonderheiten Rechnung getragen werden kann. Im Verwaltungsrecht stehen sich üblicherweise Gläubiger und Schuldner in Zweierbeziehungen unmittelbar gegenüber. So lag der oben angeführten Entscheidung des BVerwG ein Antrag eines Beamten gegen seinen Dienstherrn auf Gewährung beamtenrechtlicher Besoldungszahlungen zugrunde. Demgegenüber bestehen im Vertragsarztrecht wegen der hier maßgeblichen Trennung der Rechtskreise keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen dem "Gläubiger" (der Krankenkasse) und dem "Schuldner" (dem Vertragsarzt). Die Krankenkasse hat im Regelfall keine Möglichkeit, den Vertragsarzt unmittelbar "in Regress" zu nehmen. Vielmehr ist nach den gesetzlichen Vorgaben die Festsetzung eines Regresses ausschließlich den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen zugewiesen (vgl § 106 Abs 4 Satz 1 iVm Abs 5 Satz 1 SGB V). Eine Krankenkasse, die einen Regressanspruch gegen einen Vertragsarzt durchsetzen möchte, ist daher auf ein Tätigwerden der Prüfgremien angewiesen.

45

Dem steht auch nicht die Überlegung entgegen, dass die Beigeladene zu 8. die Möglichkeit gehabt hätte, eine Untätigkeitsklage nach § 88 Abs 1 SGG zu erheben. Zum einen wäre die rechtliche Wirkung einer derartigen Klage nicht sicher zu beurteilen, da die „verjährungsunterbrechende“ Wirkung der Untätigkeitsklage von einer (einfachen) Beiladung des betroffenen Vertragsarztes abhängig ist (vgl BSGE 76, 285, 293 = SozR 3-2500 § 106 Nr 30 S 174; BSGE 79, 97, 103 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 7 f; s auch BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 17), die wiederum im Ermessen des Gerichts steht. Zum anderen entspricht das Vorgehen, bei einer strittigen und schwierig zu beurteilenden Frage wie der Verordnungsfähigkeit von Wobe Mugos E eine höchstrichterliche Klärung abzuwarten, dem gesetzlich angelegten partnerschaftlichen System der gemeinsamen Selbstverwaltung von Vertragsärzten und Krankenkassen. Dieses würde empfindlich gestört, wenn Krankenkassen wegen des Fehlens einer den Ablauf der Ausschlussfrist hemmenden Wirkung ihres Prüfantrages gezwungen wären, die Prüfungsstellen regelhaft durch Erhebung von Untätigkeitsklagen zu einer vorzeitigen Entscheidung zu nötigen.

46

Somit reicht es im Vertragsarztrecht aus, dass die vom Tätigwerden eines Dritten abhängige Krankenkasse ihr Recht geltend macht. Um allerdings die Rechte des ebenfalls von einer Entscheidung der Prüfgremien abhängigen Vertragsarztes zu wahren, ist der Eintritt einer die Ausschlussfrist unterbrechenden bzw hemmenden Wirkung des Prüfantrags zudem davon abhängig, dass der Anspruchsgegner - der Vertragsarzt - von der Stellung des Prüfantrages Kenntnis erlangt. Dies war vorliegend der Fall. Darüber hinaus war der Beigeladene zu 1. auch über die Gründe informiert, die einer zügigen Entscheidung über den von der Krankenkasse gestellten Prüfantrag entgegenstanden, so dass sich bei ihm kein Vertrauen dahingehend bilden konnte, dass sich der Antrag zwischenzeitlich erledigt haben könnte.

47

(b) Zum selben Ergebnis führt eine entsprechende Anwendung des § 45 Abs 3 SGB I. Danach wird die Verjährung neben den im BGB genannten - nach § 45 Abs 2 SGB I entsprechend anwendbaren - Fällen auch durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung oder durch Erhebung eines Widerspruchs gehemmt(in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung: "unterbrochen"). Dementsprechend hat der Antrag der Beigeladenen zu 8. auf Festsetzung eines Arzneikostenregresses den Ablauf der Ausschlussfrist bis zu der Entscheidung der Prüfungsstelle gehemmt.

48

§ 45 SGB I gilt zwar unmittelbar nur für Sozialleistungen, findet aber nach der Rechtsprechung des Senats bezüglich der im Vertragsarztrecht geltenden Ausschlussfristen entsprechende Anwendung(BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 14; BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 28; BSG, Beschluss vom 27.4.2005 - B 6 KA 46/04 B - juris RdNr 10 f). Auch wenn sich die genannten Entscheidungen des Senats allein auf § 45 Abs 2 SGB I beziehen, ist eine entsprechende Anwendung des § 45 Abs 3 SGB I jedenfalls in den Fällen zu bejahen, in denen der Arzt - wie hier - von dem Prüfantrag der Krankenkasse unterrichtet ist und über den Grund informiert wird, weshalb mit einer zügigen Entscheidung nicht gerechnet werden kann.

49

(c) Die das Verstreichen der Ausschlussfrist unterbrechende bzw hemmende Wirkung des Prüfantrags ist schließlich nicht dadurch entfallen, dass das Verfahren infolge des angeordneten "Ruhens" nicht "betrieben" wurde. Nach § 204 Abs 2 BGB nF endet die Hemmung nach Absatz 1 der Norm ("Hemmung durch Rechtsverfolgung") sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens(Satz 1). Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle (§ 204 Abs 2 Satz 2 BGB nF, § 211 Abs 2 Satz 1 BGB aF). Die letzte Verfahrenshandlung in diesem Sinne wäre die Mitteilung des Ruhens durch die KÄV gewesen.

50

Es entspricht jedoch herrschender Auffassung, dass § 204 Abs 2 Satz 2 BGB nF bzw § 211 Abs 2 BGB aF in dem vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrschten sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren nicht entsprechend anzuwenden ist(BSGE 92, 159 = SozR 4-6580 Art 19 Nr 1, RdNr 12; LSG Hamburg, Urteil vom 24.2.2005 - L 6 RJ 122/03 - juris RdNr 27; Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I, § 45 RdNr 26 mwN; aA noch Kretschmer in: GK-SGB I, 3. Aufl 1996, § 45 RdNr 24). Denn das "Betreiben" ist ein spezifisches Erfordernis des vom Beibringungsgrundsatz beherrschten zivilrechtlichen Verfahrens; die Vorschrift passt daher nicht auf das sozialrechtliche Verfahren (BSGE aaO = SozR aaO, RdNr 13; LSG Hamburg aaO).

51

Auch außerhalb des Sozialrechts führt eine Untätigkeit des Gläubigers nicht zur Beendigung der Unterbrechung bzw Hemmung, wenn die Behörde von Amts wegen für den Fortgang des Verfahrens zu sorgen hat (BGH VersR 77, 647; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.12.2008 - 4 N 77.07 - juris RdNr 9; Ellenberger in: Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 204 RdNr 27; Peters/Jacoby in: Staudinger, BGB, 2009, § 204 RdNr 125, 140; Mansel/Budzikiewicz in: Anwaltkommentar BGB, Band 1, 2005, § 204 RdNr 125; Kesseler in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 4. Aufl 2009, § 204 RdNr 19, 21). Diese Voraussetzungen sind angesichts des Umstandes, dass die Beigeladene zu 8. - abgesehen von der "irregulären" Option einer Untätigkeitsklage - keine Möglichkeit hatte, auf den Fortgang des Verfahrens Einfluss zu nehmen, auch in diesem Fall gegeben.

52

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen, da sie unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 15. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten auch des Revisionsverfahrens, mit Ausnahme der außergericht-lichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Regress der klagenden Krankenkasse (KK) gegen einen ermächtigten Krankenhausarzt wegen fehlerhafter Ausstellung von Arzneiverordnungen.

2

Die Klägerin ist eine KK im Land Rheinland-Pfalz. Der Beklagte ist Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie; er war Chefarzt der Medizinischen Klinik eines Krankenhauses in L. und seit 2003 bis zum 28.2.2007 ermächtigt, auf Überweisung vertragsärztliche Behandlungen durchzuführen. Die Beigeladene ist die bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) eingerichtete Schlichtungsstelle gemäß § 49 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä), § 45 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä).

3

Die Klägerin rief am 17.12.2007 wegen vom Beklagten ausgestellter Arzneiverordnungen die beigeladene Schlichtungsstelle an. Sie beanstandete zahlreiche Verordnungen des Beklagten als fehlerhaft; die Mehrzahl der erhobenen Beanstandungen verfolgte sie später in diesem Verfahren nicht weiter. Sie hat ihr Regressbegehren schließlich auf sieben Verordnungsfälle beschränkt:

        

Bei drei (Erst-)Verordnungen liege ihr kein Überweisungsschein (= Abrechnungsschein) mit der Angabe einer der Verordnung zugrunde liegenden ärztlichen Behandlung vor (Verordnungen vom 28.3.2003 für H.M., vom 8.7.2005 für H.H. und vom 30.11.2006 für H.O.);

        

eine Verordnung weise keine Unterschrift auf (Verordnung vom 26.1.2007 für A.A.);

        

drei Verordnungen seien nicht vom Beklagten, sondern von einem anderen Arzt des Krankenhauses unterzeichnet (zwei Verordnungen vom 26.1.2007 für A.A. mit der Unterschrift des Oberarztes Dr. S.; eine Verordnung vom 8.8.2007 für I.T. mit der Unterschrift der Nachfolgerin des Beklagten in der Chefarztposition).

4

Die Klägerin hat - wie sie geltend macht: aus Vorsorge gegen eine etwaige Verjährung der von ihr erhobenen Regressansprüche - am 18.12.2009 beim SG Zahlungsklage erhoben. Ihre Forderung hat zuletzt noch 477,72 Euro betragen.

5

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15.2.2012): Die Leistungsklage sei unzulässig. Der Klägerin sei der Klageweg verwehrt, denn es bestehe eine ausschließliche Kompetenz der Prüfgremien. Bei diesen könne die Klägerin den Erlass eines Regressbescheides gegen den Beklagten beantragen. Der von ihr geltend gemachte Regress wegen fehlerhafter Verordnungen betreffe in allen sieben Fällen einen sog sonstigen Schaden gemäß § 48 BMV-Ä. Die Zuordnung zum Verfahren gemäß § 48 BMV-Ä entspreche der Rechtsprechung des BSG; dieses ordne diesem Verfahren alle Verordnungen zu, bei denen ein Fehler bei der Art und Weise der Ausstellung der Verordnung - und nicht bei ihrem Inhalt - in Frage stehe. Hierzu gehöre das Fehlen einer durch Überweisungsschein belegten, der Verordnung zugrunde liegenden ärztlichen Behandlung ebenso wie Mängel persönlicher Leistungserbringung einschließlich des Fehlens eigener Unterzeichnung durch den verordnenden ermächtigten Arzt. Wegen dieser Zuständigkeit der Prüfgremien gemäß § 48 BMV-Ä sei weder das Schlichtungsverfahren gemäß § 49 BMV-Ä eröffnet noch Raum für eine Leistungsklage.

6

Die Klägerin hat am 2.4.2012 (Sprung-)Revision eingelegt. Am 18.4.2012 hat sie gegenüber der Schlichtungsstelle, die am 3.2.2010 getagt, aber keine Entscheidung getroffen hatte, ihren Antrag auf Schlichtung zurückgenommen.

7

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, entgegen der Auffassung des SG seien für ihr Regressverlangen nicht die Prüfgremien gemäß § 48 BMV-Ä, sondern die Schlichtungsstelle gemäß § 49 BMV-Ä zuständig. Dem Schlichtungsverfahren seien alle Fälle eines Verstoßes gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung zuzuordnen, wozu nicht nur die ärztliche Entscheidung über das jeweils zu verordnende Medikament, sondern auch die Verordnung selbst und deren eigenhändige Unterzeichnung gehöre. Der Schlichtungsausschuss sei weiterhin zuständig bei Fehlen einer durch Überweisungsschein belegten, der Verordnung zugrunde liegenden ärztlichen Behandlung. In allen Fällen habe der Beklagte auch schuldhaft gehandelt, wie es für eine Schadensfeststellung gemäß § 49 BMV-Ä erforderlich sei. Das fehlerhafte Verordnungsverhalten habe auch einen Schaden verursacht; unbeachtlich sei der Einwand, die Verordnungen seien notwendig gewesen und wären sonst von einem anderen Arzt ebenso ausgestellt worden. Auch bei völligem Fehlen einer Unterschrift - obgleich hier nicht der Vorhalt greife, er habe die Pflicht zu nur eigenhändigem Handeln verletzt - sei er zum Regress verpflichtet.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 15.2.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 477,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2009 zu zahlen.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Der Beklagte verteidigt das Urteil des SG. Die Zuständigkeit der Prüfgremien gemäß § 48 BMV-Ä entspreche der Auslegung dieser Bestimmung durch das BSG. Die Konsequenz daraus sei allerdings, dass ein Anwendungsraum für das Verfahren gemäß § 49 BMV-Ä nicht mehr erkennbar sei, seit die Praxisgebühr abgeschafft und somit die Verweisung von § 18 Abs 7a Satz 3 auf § 49 BMV-Ä gegenstandslos sei. Wegen der Anwendbarkeit des § 48 BMV-Ä sei kein Raum für eine Leistungsklage der KK, sodass das SG die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen habe. Die Klageabweisung sei auch richtig, wenn statt der Prüfgremien die Schlichtungsstelle zuständig wäre: Die Anrufung der Schlichtungsstelle wäre dann der einfachere Weg, sodass für eine Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde. Der Klage würde in einem Fall wie hier zudem die Anhängigkeit des Verfahrens vor der Schlichtungsstelle entgegenstehen, wie § 49 Abs 4 Satz 2 BMV-Ä ergebe. §§ 48, 49 BMV-Ä seien auch auf ermächtigte Ärzte anzuwenden, wenn dies auch im BMV-Ä nicht so klar zum Ausdruck komme wie in § 8 Abs 3 EKV-Ä. Im Übrigen wäre eine Leistungsklage, falls sie zulässig wäre, jedenfalls unbegründet; relevante Verordnungsfehler lägen nicht vor. In allen Fällen hätten Überweisungsscheine vorgelegen; er - der Beklagte - habe die Versicherungskarten eingelesen und dem Krankenhaus zur Abrechnung weitergeleitet. Ihm könne das Versäumnis des Krankenhauses, die Behandlung gegenüber der KÄV abzurechnen, nicht zugerechnet werden. Auch das Fehlen eigenhändiger Unterzeichnung von Verordnungen rechtfertige keinen Regress. Es gebe keine Vorschrift, wonach der ermächtigte Arzt das Verordnungsblatt eigenhändig unterzeichnen müsse; er müsse die einzunehmenden Arzneimittel lediglich persönlich auswählen. Überdies sei es in der jeweiligen konkreten Situation rechtens gewesen, die Verordnungen den Patienten ohne seine Unterschrift aushändigen zu lassen: Er sei nach seiner Auswahl der einzunehmenden Arzneimittel jeweils plötzlich abgerufen worden und eine Zeit lang unabkömmlich gewesen; ein Warten auf seine Rückkehr sei den schwerkranken Patienten nicht zuzumuten gewesen. Das Rezept vom 8.8.2007, das seine Nachfolgerin unterzeichnet habe, sei zeitlich weit nach seinem Ausscheiden ausgestellt worden und könne ihm nicht angelastet werden.

11

Die beigeladene Schlichtungsstelle hat sich - ohne einen Antrag zu stellen - dahingehend geäußert, dass ihre Zuständigkeit zweifelhaft sei. Die Rechtsprechung des BSG ergebe Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit der Prüfgremien gemäß § 48 BMV-Ä. Für eine Gesamtzuständigkeit der Prüfgremien in allen hier umstrittenen Konstellationen spreche, dass es nicht praktikabel wäre, je nach Typus des Fehlers bei der Ausstellung der Verordnung unterschiedliche Zuständigkeiten - teilweise der Schlichtungsstelle und teilweise der Prüfgremien - anzunehmen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das SG hat ihre Leistungsklage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin hätte, statt Klage gegen den Arzt zu erheben oder die Schlichtungsstelle gemäß § 49 BMV-Ä anzurufen, beim Prüfungsausschuss die Festsetzung eines Regresses gemäß § 48 BMV-Ä wegen fehlerhafter vertragsärztlicher Verordnungen beantragen müssen(unten 1.). Dies gilt für das Vorgehen gegen einen Arzt auch noch nach Beendigung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit (unten 2. und 3.) und ebenso gegenüber ermächtigten Krankenhausärzten (unten 4.). Einen entsprechenden Regressantrag kann die Klägerin auch jetzt noch mit Erfolgsaussicht stellen (unten 5.).

13

1. Das SG hat im vorliegenden Fall zu Recht die Klage als unzulässig abgewiesen. Für ein Klageverfahren ist kein Raum; die Klägerin hat nur die Möglichkeit, bei den Prüfgremien den Erlass eines Schadensfeststellungsbescheids zu beantragen.

14

In der Rechtsordnung ist vielfach vorgesehen, dass vor der Geltendmachung eines Anspruchs im Klageweg zunächst ein Verwaltungsverfahren durchzuführen ist - mit der Folge, dass eine unmittelbar erhobene Klage unzulässig ist -. So ist vor Erhebung einer Verpflichtungsklage ein Antragsverfahren bei der Behörde durchzuführen (vgl § 78 Abs 1 Satz 1 SGG; - ebenso § 68 Abs 1 Satz 1 VwGO; vergleichbar auch der Vorrang eines Schiedsverfahrens, § 1032 Abs 1 ZPO). Ebenso darf im Bereich des Vertragsarztrechts eine KK, die zB wegen Verordnungs- oder Behandlungsfehler Ansprüche gegen einen Arzt erhebt, nicht direkt gegen ihn Klage erheben; sie muss vielmehr ein Verwaltungsverfahren bei den Prüfgremien auf Erlass eines Verwaltungsakts gegen den Arzt einleiten, sofern deren Zuständigkeit gemäß § 106 SGB V oder gemäß § 48 BMV-Ä gegeben ist. Der sachliche Grund für diese vorrangigen Zuständigkeiten liegt in der besonderen Sachkunde der fachkundig besetzten Gremien, die die Kompetenz zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Tätigkeit haben.

15

Auf der Grundlage der Abgrenzung der §§ 106 SGB V, 48, 49 BMV-Ä voneinander(unten a) sowie speziell zwischen § 106 SGB V zu § 48 BMV-Ä(unten b) ist im vorliegenden Fall die Zuständigkeit gemäß § 48 BMV-Ä gegeben(unten c). Die Folge eines "Leerlaufens" des § 49 BMV-Ä ist hinzunehmen(unten d). Das Ergebnis der Zuständigkeit der Prüfgremien gemäß § 48 BMV-Ä und der daraus folgenden Unzulässigkeit einer direkten Klage der KK gegen den Arzt entspricht dem System des vertragsarztrechtlichen Viereck-Verhältnisses(unten e).

16

a) Die auf der Grundlage des § 106 Abs 4 Satz 1 SGB V errichteten Prüfgremien entscheiden über die Wirtschaftlichkeit vertragsärztlicher Verordnungen. Die Partner der Bundesmantelverträge haben in § 48 BMV-Ä den Prüfgremien aber auch die Kompetenz zugewiesen, den sonstigen durch einen Vertragsarzt verursachten Schaden festzustellen, der einer KK aus der unzulässigen Verordnung von Leistungen oder aus der fehlerhaften Ausstellung von Bescheinigungen entsteht. Nur solche Schadensersatzansprüche, die eine KK gegen einen Vertragsarzt aus der schuldhaften Verletzung vertragsärztlicher Pflichten geltend macht und für deren Prüfung und Feststellung nicht die Verfahren nach §§ 45, 47 und 48 BMV-Ä vorgeschrieben sind, können gemäß § 49 BMV-Ä durch eine Schlichtungsstelle geprüft werden.

17

Die Anrufung der Schlichtungsstelle ist allerdings nicht zwingend vorgeschrieben. Verzichtet die KK darauf oder scheitert die Schlichtung, so kann die KK ihren Anspruch gerichtlich geltend machen (§ 49 Abs 4 BMV-Ä). Insofern liegt es hier anders als in den Fällen der Geltendmachung eines "sonstigen Schadens" im Sinne des § 48 BMV-Ä und der Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß §§ 47 BMV-Ä, 106 SGB V; in diesen beiden Fällen müssen die zuständigen Prüfgremien angerufen werden, die im Falle der §§ 47 BMV-Ä, 106 SGB V im Übrigen auch ohne Antrag tätig werden können.

18

b) Die Zuständigkeit der Prüfgremien, die eine direkte Klage der KK gegen den Arzt sperrt, erfasst alle Arten von Verordnungsfehlern. Deren Sanktionierung ist insgesamt in §§ 47 BMV-Ä, 106 SGB V und § 48 BMV-Ä geregelt und damit umfassend dem Verfahren vor den Prüfgremien zugewiesen. Fehler des Arztes bei der Verordnung von Arznei- oder Heilmitteln, die nicht schon Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfung im engeren Sinne sind (§ 106 SGB V), werden ausnahmslos von der Kompetenz der Prüfgremien zur Feststellung "sonstiger Schäden" gemäß § 48 Abs 1 BMV-Ä erfasst. Diese Regelung betrifft, ohne zwischen formalen und inhaltlichen Fehlern zu unterscheiden, generalisierend die "unzulässige Verordnung von Leistungen" und verdrängt insoweit die subsidiäre Regelung des § 49 BMV-Ä, dessen Abs 1 Satz 1 die Verfahren nach §§ 45, 47(heute § 106a, § 106 SGB V) und 48 BMV-Ä ausdrücklich ausnimmt. Dies gilt auch, soweit Verstöße gegen das in § 49 Abs 1 Satz 2 BMV-Ä genannte Gebot der persönlichen Leistungserbringung betroffen sind; hiermit werden nur Behandlungsleistungen angesprochen, nicht Verordnungsleistungen, für die § 48 Abs 1 BMV-Ä die speziellere und deshalb vorrangige Regelung enthält. Somit ist für die Überprüfung von Verordnungen der Anwendungsbereich des § 49 BMV-Ä, der eine Wahlmöglichkeit zwischen der Einleitung eines Verwaltungsverfahrens oder der Erhebung einer Klage(siehe dessen Abs 4) gewährt, von vornherein nicht eröffnet (s hierzu noch RdNr 22).

19

Die für Verordnungsfehler in Betracht kommenden Prüfungen gemäß § 106 SGB V einerseits und § 48 BMV-Ä andererseits - in beiden Konstellationen sind die Prüfgremien zuständig(vgl oben RdNr 16) - hat der Senat danach voneinander abgegrenzt, ob geltend gemacht wird, die Verordnung selbst sei in ihrer inhaltlichen Ausrichtung fehlerhaft gewesen - zB fragwürdiger Off-Label-Use -; dann ist der Anwendungsbereich des § 106 SGB V eröffnet. Wird hingegen geltend gemacht, (nur) die Art und Weise der Ausstellung der Verordnung sei fehlerhaft gewesen, so steht ein "sonstiger Schaden" in Frage, der im Verfahren gemäß § 48 BMV-Ä geltend zu machen ist(vgl BSG vom 5.5.2010, SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 21-26; BSG vom 18.8.2010, SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 25; BSG vom 13.10.2010, SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 11; BSG vom 29.6.2011, SozR 4-2500 § 106 Nr 31 RdN 18 f und 21; BSG vom 12.12.2012 - B 6 KA 50/11 R - RdNr 11, zur Veröffentlichung in BSGE und in SozR 4-2500 § 106 Nr 38 vorgesehen).

20

Diese Unterscheidung zwischen den originären Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren gemäß § 106 SGB V und den Verfahren zur Feststellung sonstiger Schäden im Sinne des § 48 BMV-Ä hat Bedeutung zum einen insofern, als die Schadensfeststellung nach § 48 Abs 1 BMV-Ä anders als die Prüfung nach § 106 Abs 2 SGB V einen Antrag der KK voraussetzt. Zum anderen setzt eine Schadensfeststellung gemäß § 48 Abs 1 BMV-Ä eine verschuldete Pflichtverletzung voraus(vgl zB BSG vom 5.5.2010, SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 22 und 25 aE; BSG vom 29.6.2011, SozR 4-2500 § 106 Nr 31 RdNr 26, 34; vgl auch BSG SozR 4-5545 Allg Nr 1 RdNr 20). Schließlich unterliegt die Schadensfeststellung einer vierjährigen Verjährungs-, die Wirtschaftlichkeitsprüfung hingegen einer vierjährigen Ausschlussfrist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 20; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 28, 33; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 31 RdNr 24, 32).

21

c) Die dargestellte Abgrenzung zwischen dem Anwendungsbereich des § 106 SGB V und demjenigen des § 48 BMV-Ä hat der Senat in seiner Rechtsprechung in der Weise umgesetzt, dass er das Regressverlangen wegen einer Verordnung für einen Patienten während dessen Krankenhausaufenthalts dem Verfahren wegen "sonstigen Schadens" gemäß § 48 BMV-Ä zugeordnet hat(BSG vom 5.5.2010 aaO RdNr 25; ebenso BSG vom 29.6.2011 aaO RdNr 18 iVm RdNr 13 f). In diesem Verfahren sind auch Regressverlangen wegen solcher Fehler zu realisieren, wie sie hier von der Klägerin gegen den Beklagten geltend gemacht werden; sowohl die Konstellation, dass eine KK die Unzulässigkeit von vertragsärztlichen Verordnungen darauf stützt, ihr liege kein Überweisungsschein (= Abrechnungsschein) mit der Angabe einer der Verordnung zugrunde liegenden ärztlichen Behandlung vor, als auch der Fall, dass der Arzt das Verordnungsblatt nicht eigenhändig unterzeichnete, betreffen die Verfahrensmodalitäten bei der Ausstellung der Verordnung bzw die Art und Weise des Vorgehens bei deren Ausstellung. In keinem der Fälle wird die inhaltliche Korrektheit der Verordnungen bezweifelt, wie dies zB in Konstellationen eines Off-Label-Use oder eines Verordnungsausschlusses aufgrund der Arzneimittel-Richtlinie (AMRL) oder des SGB V in Frage stehen kann (zum Off-Label-Use vgl zB BSG vom 13.10.2010, BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 15 ff; - zu inhaltlichen Verordnungsausschlüssen vgl zB: BSG vom 14.12.2011, BSGE 110, 20 = SozR 4-2500 § 92 Nr 13, RdNr 38-40, zum AMRL-Ausschluss von Hustenmitteln mit fixer Kombination gegenläufiger Wirkstoffe und BSG vom 12.12.2012 - B 6 KA 50/11 R - zur Veröffentlichung auch in BSGE und in SozR 4-2500 § 106 Nr 38 RdNr 14 ff vorgesehen - zum gesetzlichen Ausschluss von Appetitzüglern).

22

d) Sind mithin die Prüfgremien umfassend für die Beanstandung von Verordnungsfehlern zuständig - teils im Wege von Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren gemäß § 106 SGB V und im Übrigen im Schadensfeststellungsverfahren gemäß § 48 BMV-Ä -, so ist kein Raum für eine Anwendung des § 49 BMV-Ä. Einen Überschneidungsbereich zwischen § 48 und § 49 BMV-Ä in dem Sinne, dass ein Regressanspruch wahlweise im Verfahren gemäß § 48 BMV-Ä oder im Verfahren gemäß § 49 BMV-Ä geltend gemacht werden könnte, gibt es nicht; die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen § 48 und § 49 BMV-Ä ist - wie auch § 49 Abs 1 Satz 1 mit seiner Abgrenzung zu §§ 45, 47, 48 BMV-Ä ergibt(vgl oben RdNr 16 und 18) - ein Entweder-Oder, die eine Zuordnung nur zu einem dieser Verfahren zulässt. Dafür sprechen auch praktische Erwägungen: Andernfalls wären für die Prüfung einer Verordnung, deren Ausstellung - wie es häufig vorkommt - unter mehreren Aspekten als fehlerhaft beanstandet wird, unterschiedliche Gremien - Schlichtungsstellen oder Prüfgremien - zuständig, was zu nicht sinnvollen Verfahrenskomplikationen führen würde. Die Konzentration der Verordnungskontrolle bei den Prüfgremien verhindert auch divergierende Entscheidungen und kann zur zügigen Verfahrensdurchführung beitragen.

23

Werden demnach Regresse wegen Fehlern bei der Verordnung von Arznei- und Heilmitteln überhaupt nicht von § 49 BMV-Ä erfasst, so hat das allerdings die Konsequenz, dass ein Anwendungsraum für diese Regelung nicht mehr erkennbar ist. Ein ausdrücklicher Anwendungsbereich ergibt sich heute nicht mehr aus § 18 Abs 7a Satz 3 BMV-Ä(vgl dazu BSG vom 8.2.2012 - B 6 KA 12/11 R - SozR 4-2500 § 43b Nr 1 RdNr 20 f, 29 ff), weil dessen Verweisung auf § 49 BMV-Ä seit der Abschaffung der Praxisgebühr(Art 1 des Gesetzes vom 20.12.2012, BGBl I 2789, mit Aufhebung der §§ 28 Abs 4, 43b Abs 2, 106a Abs 3 Satz 1 Nr 4, 295 Abs 2 Satz 1 Nr 8 SGB V) gegenstandslos ist. Mithin bleibt als möglicher Anwendungsbereich des Schlichtungsverfahrens nur noch die Funktion als Auffangvorschrift für Pflichtverletzungen, die weder von § 48 BMV-Ä noch von §§ 47 BMV-Ä, 106 SGB V noch von §§ 45 BMV-Ä, 106a SGB V erfasst werden. Konkrete Beispiele dafür haben die Verfahrensbeteiligten allerdings nicht benennen können und vermag der Senat auch seinerseits nicht zu erkennen, sodass die Funktion als Auffangvorschrift derzeit eher theoretischer Natur sein dürfte.

24

e) Ist ein "Schaden" einer KK von den Prüfgremien festzustellen - sei es im Wege einer Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 106 SGB V oder im Wege eines Schadensfeststellungsverfahrens gemäß § 48 BMV-Ä -, so ist wegen deren vorrangiger Zuständigkeit eine direkte Leistungsklage der KK gegen den Arzt unzulässig(oben RdNr 15). Dies entspricht dem System des vertragsarztrechtlichen Viereck-Verhältnisses. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass Rechtsbeziehungen grundsätzlich nur in dem Viereck-Verhältnis Versicherter-KK-KÄV-Arzt bestehen, eine Rechtsbeziehung unmittelbar zwischen KK und Arzt hingegen nicht. Die Rechtsbeziehungen zwischen den KKn und der KÄV auf der einen Seite und zwischen der KÄV und dem Vertragsarzt auf der anderen Seite sind zu trennen (vgl BSGE 80, 1, 6 = SozR 3-5545 § 19 Nr 2 S 11 = Juris RdNr 22; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 9 RdNr 32; vgl auch BSGE 88, 20, 26 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 72 = Juris RdNr 32). Das vertragsarztrechtliche Beziehungsgeflecht vermeidet grundsätzlich unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen den KKn als Leistungsträgern und den (Vertrags-)Ärzten als Leistungserbringern (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 130 = Juris RdNr 143; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 44; so auch - zum zahnärztlichen Bereich - BSG SozR 4-1500 § 55 Nr 1 RdNr 3 f = Juris RdNr 9 f). Nur in Ausnahmekonstellationen ist ein Rechtsstreit direkt zwischen KK und Arzt zulässig (vgl BSG vom 15.8.2012 - B 6 KA 34/11 R - SozR 4-5540 § 44 Nr 1 RdNr 10 f zum Kostenverlangen für Sprechstundenbedarf). Dementsprechend hat der Senat im Urteil vom 5.5.2010 ausgeführt, dass die KK im Regelfall keine Möglichkeit hat, den Vertragsarzt unmittelbar in Regress zu nehmen, vielmehr die Festsetzung eines Regresses ausschließlich den vertragsarztrechtlichen Gremien zugewiesen ist und die KK daher auf deren Tätigwerden angewiesen ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 44).

25

2. Diese Grundsätze über die Zuständigkeit der Prüfgremien für die Prüfung und Feststellung der Verletzung vertragsärztlicher Pflichten - je nach Fallkonstellation im Verfahren gemäß §§ 47 BMV-Ä, 106 SGB V oder im Verfahren gemäß § 48 BMV-Ä - gelten auch dann noch, wenn der Arzt nicht mehr vertragsärztlich tätig ist. Deshalb ist im vorliegenden Verfahren der Umstand ohne Bedeutung, dass der Beklagte seit Ende Februar 2007 nicht mehr an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten mitwirkt. Auch gegen einen ausgeschiedenen Arzt darf eine KK, die ihm die Verletzung vertragsärztlicher Pflichten vorwirft, nicht im Wege der Leistungsklage vorgehen; sie hat vielmehr nur die Möglichkeit, bei den Prüfgremien zu beantragen, dass diese einen Regressbescheid gegen den Arzt erlassen (ebenso Senatsurteil vom 20.3.2013 - B 6 KA 18/12 R -, RdNr 16, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

26

a) Richtig ist zwar, dass nach dem Ausscheiden aus dem vertragsärztlichen System die Möglichkeit, Ansprüche gegenüber dem Arzt gegen Honoraransprüche aus vertragsärztlichen Leistungen aufzurechnen und somit die Ansprüche durch Einbehalt fälliger Gegenzahlungen zu realisieren, nicht mehr besteht (vgl BSGE 80, 1, 2 f und 7 = SozR 3-5545 § 19 Nr 2 S 7 und 12 = Juris RdNr 14 und 23). Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es aber nicht, die Zuständigkeit der vertragsarztrechtlichen Institutionen für die Prüfung und Feststellung von Ansprüchen gegenüber dem Arzt nach dessen Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung überhaupt zu verneinen und der KK den Klageweg direkt gegen den Arzt zu eröffnen. Es bestehen vielmehr nachgehende Rechte und Pflichten des Vertragsarztes, die mit einer nachwirkenden Kompetenz der Gremien einhergehen (vgl hierzu BSGE 64, 209, 210, 212 = SozR 5550 § 18 Nr 1 S 1/2, 3 = Juris RdNr 12, 19; ebenso BSGE 80, 1, 7 = SozR 3-5545 § 19 Nr 2 S 12 = Juris RdNr 23: "nachwirkende Regelungsbefugnisse"). Aus diesen Nachwirkungen ergibt sich, dass die vertragsarztrechtlichen Gremien auch dann noch für die Beurteilung vertragsärztlichen Verhaltens zuständig sind, wenn der Arzt nicht mehr vertragsärztlich tätig ist. Der sachliche Grund hierfür liegt in der besonderen Sachkunde der fachlich spezialisierten Gremien, die die Kompetenz zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Tätigkeit haben (vgl oben RdNr 13 ff). Dieser Grund entfällt nicht dadurch, dass der Arzt aktuell keine vertragsärztliche Tätigkeit ausübt. Der Arzt hätte es sonst in der Hand, sich durch ein Ausscheiden aus der Versorgung einem Verfahren vor den Prüfgremien zu entziehen.

27

Daher steht außer Zweifel, dass die Prüfgremien auch nach dem Ausscheiden eines Arztes ein Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung gegen den Vertragsarzt hinsichtlich vergangener Quartale durchführen können, und ebenso, dass die KÄV noch sachlich-rechnerische Richtigstellungen wegen vertragsärztlicher Fehlabrechnungen durchführen kann. Das hat der Senat auch in seinem Urteil vom 18.12.1996 (BSGE 80, 1, 7 = SozR 3-5545 § 19 Nr 2 S 12) nicht in Frage gestellt. Er hat vielmehr ausdrücklich die aus dem Mitgliedschaftsverhältnis nachwirkende Regelungsbefugnis der KÄV hervorgehoben und ausgeführt, dass sie weiterhin Richtigstellungen vornehmen und zu Unrecht gezahlte Honorare aus der Zeit der vertragsärztlichen Tätigkeit zurückfordern kann. Er hat lediglich gemeint, dass für einen Erstattungsanspruch einer KK der Erlass eines Richtigstellungsbescheids keine notwendige Voraussetzung sei; nur hiervon rückt der Senat ab (vgl nachfolgend b). Die gesetzgeberische Entscheidung, die Tätigkeit der Leistungserbringer im System der vertragsärztlichen Versorgung einem besonderen Regime der ärztlichen Selbstverwaltung mit fachlich spezialisierten Gremien zu unterwerfen, verliert nicht dadurch an Bedeutung, dass die vertragsärztliche Tätigkeit beendet worden ist.

28

b) Aus dieser umfassenden Zuständigkeit der vertragsarztrechtlichen Fachgremien - auch noch nach dem Ausscheiden des Arztes aus der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung - ergeben sich Folgerungen, die Anlass zu einer Klarstellung geben. An der Aussage in der Entscheidung des Senats vom 18.12.1996 (BSGE 80, 1, 6 = SozR 3-5545 § 19 Nr 2), dass eine KK, die nach Ausscheiden eines (Zahn-)Arztes aus dem vertrags(zahn)ärztlichen System von der K(Z)ÄV eine Abrechnungskorrektur verlangt, keine vorherige Richtigstellung durch die K(Z)ÄV erwirken müsse (BSGE 80, 1, 7 = SozR 3-5545 § 19 Nr 2 S 12 f = Juris RdNr 23), hält der Senat für Ansprüche, die nach Veröffentlichung dieses Urteils erstmals geltend gemacht werden, nicht mehr fest. Aus Gründen der Einheitlichkeit der Abwicklung fehlerhafter Leistungserbringung und -abrechnung ist stets der Vorrang der vertrags(zahn)ärztlichen Institutionen (KÄV und Prüfgremien) zu wahren, die den Umfang der Zahlungspflichten des Arztes bzw Zahnarztes mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten (Vertragsarzt, KÄV, KKn) verbindlich feststellen (vgl dazu auch BSG SozR 4-5555 § 21 Nr 2). So kann die Gefahr widersprechender Feststellungen, die bei der gerichtlichen Durchsetzung einzelner Rückforderungsansprüche möglich sind, vermindert werden. Der Senat knüpft damit umfassend an seine Aussagen an, dass der frühere Status als Vertrags(zahn)arzt Nachwirkungen entfaltet (BSGE 64, 209, 210, 212 = SozR 5550 § 18 Nr 1 S 1/2, 3 = Juris RdNr 12, 19) und die vertrags(zahn)arztrechtlichen Institutionen nachwirkende Regelungsbefugnisse haben (BSGE 80, 1, 7 = SozR 3-5545 § 19 Nr 2 S 12 = Juris RdNr 23).

29

3. Die Aspekte der Rechtssicherheit und der Verwaltungspraktikabilität stützen die unter 1. und 2. dargestellte Auslegung der maßgeblichen Vorschriften. Die Zuständigkeitskonzentration bei den Prüfgremien sichert inhaltlich eine einheitliche Handhabung innerhalb des KÄV-Bezirks. Sie ermöglicht den KKn, gemeinsam ein Verfahren bei den Prüfgremien einzuleiten, und macht Klageverfahren durch jede einzelne KK entbehrlich. Auch der Arzt muss sich dann nur mit einem Verfahren auseinandersetzen; zudem kann er davon ausgehen, dass im Zusammenhang stehende Umstände bzw andere Verfahren berücksichtigt werden, zB bei einer Richtgrößenprüfung etwa der Aufwand für solche Arzneimittel unberücksichtigt bleibt, deren Kosten bereits als sonstiger Schaden festgesetzt wurden.

30

Die Zuständigkeit der Prüfgremien für die Überprüfung der Korrektheit vertragsärztlicher Verordnungen in allen Varianten auch nach dem Ausscheiden des betroffenen Arztes aus der vertragsärztlichen Versorgung trägt schließlich auch der Verwaltungspraktikabilität Rechnung. Die Prüfgremien verfügen über die jeweils erforderlichen Daten und über die unverzichtbaren Erfahrungen bei der Aufklärung der jeweils entscheidungserheblichen Sachverhalte. Ihnen stehen in manchen Bereichen gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbare Beurteilungsspielräume und Ermessen bei der Bemessung der Höhe von Regressen zu. Auf diese Kompetenzen könnte bei einer Direktklage der KK gegen einen Arzt nicht zurückgegriffen werden. Vergleichbares gilt für die gesetzlich den KÄVen zugewiesenen Verfahren der Plausibilitätsprüfung und der Honorarberichtigung (§ 106a Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 sowie Halbsatz 2 iVm Satz 2 ff SGB V). Auch diese Verfahrenszuständigkeiten würden bei Zulassung von Klagen einer KK gegen einen Arzt wegen fehlerhafter Abrechnungen überspielt; die Gefahr widersprechender Entscheidungen je nach dem, ob ein Arzt an der Versorgung teilnimmt oder nicht, wäre erheblich.

31

4. Die zu 1.-3. dargestellten Grundsätze gelten ebenso wie für Vertragsärzte auch für ermächtigte Ärzte und ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen. Für die Ermächtigten ergibt sich die Geltung aus § 95 Abs 4 SGB V: Die Ermächtigung bewirkt, dass der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist sowie die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung für sie verbindlich sind. Dies schließt auch die Geltung der bundesmantelvertraglichen Regelungen des BMV-Ä und des EKV-Ä ein.

32

Dies steht für den EKV-Ä zumal deshalb außer Zweifel, weil in dessen § 8 Abs 3 nochmals klarstellt ist, dass die im EKV-Ä für Vertragsärzte getroffenen Regelungen auch für zugelassene Einrichtungen sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist. Für den BMV-Ä gilt nichts anderes, auch wenn dieser seit dem 1.7.2007 keine dementsprechende allgemeine Bestimmung mehr enthält. Die Nichtübernahme der früheren entsprechenden Bestimmung des § 4 Abs 1 Satz 2 BMV-Ä(vgl DÄ 2005, A-854) in die Neufassung (DÄ 2007, A-1684, A-1687) hat keine konstitutive Bedeutung. Vielmehr sind die Vertragspartner des BMV-Ä davon ausgegangen, dass dessen Geltung auch für zugelassene Einrichtungen sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen ohnehin unzweifelhaft ist. Dies ergibt sich aus zahlreichen Einzelregelungen, die die Geltung für diese weiteren Personen und Einrichtungen als selbstverständlich voraussetzen (vgl zB § 1a Satz 1 Nr 5, Nr 15 Ziff 1, Nr 21, Nr 29, § 3 Abs 2 Nr 8, §§ 4 bis 8, § 13 Abs 3, § 15a Abs 1 Satz 7, § 21 Abs 1a Satz 3, § 24 Abs 1 Satz 1, Abs 5 Satz 2 BMV-Ä). Hiervon ist auch der Senat zB in seinem Urteil vom 8.2.2012 mit der Anwendung des BMV-Ä auf die ermächtigten Ärzte und auf die ermächtigten ärztlich geleiteten Einrichtungen ausgegangen (vgl BSG SozR 4-2500 § 43b Nr 1 RdNr 20 ff betr ärztlich geleitete Einrichtungen, hier: Notfallambulanzen der Krankenhäuser). Auch vom Ergebnis her kann die Anwendung auf Ermächtigte nicht zweifelhaft sein; die Geltung für sie steht zB bei der Vordruckvereinbarung der Anlage 2 zum BMV-Ä außer Frage.

33

5. Aus den zu 1.-4. dargelegten Grundsätzen folgt, dass die Leistungsklage der Klägerin gegen den Beklagten unzulässig ist und die Klägerin nur die Möglichkeit hat, bei der Prüfungsstelle zu beantragen, dass diese im Verfahren gemäß § 48 BMV-Ä einen Regressbescheid gegen den Beklagten erlässt. Ein solches Vorgehen wäre bzw ist auch erfolgversprechend; dies scheitert weder an einer Verjährung (unten a) noch am Fehlen eines Schadens (unten b), und in sechs der sieben Verordnungsfälle fallen dem Beklagten auch schuldhafte Pflichtverletzungen zur Last (unten c).

34

a) Einem Schadensfestsetzungsantrag der Klägerin an den Prüfungsausschuss steht nicht die Verjährung entgegen (zur vierjährigen Verjährungsfrist vgl die BSG-Angaben oben in RdNr 20 am Ende). Deren Ablauf war sowohl durch die Anrufung der Schlichtungsstelle - seit Dezember 2007 - als auch durch die Klageerhebung - seit Dezember 2009 - gehemmt (vgl zur Verjährungshemmung durch Antrag auf Schadensfeststellung beim Prüfungsausschuss: BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 42 ff, insbesondere RdNr 43, 47; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 39; BSG vom 12.12.2012 - B 6 KA 35/12 R - RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

35

Der Fristenhemmung steht nicht entgegen, dass diese Rechtsbehelfe unzulässig gewesen sind, die Klägerin sich nämlich - wie dargelegt - an den Prüfungsausschuss hätte wenden müssen. Auch unzulässige Rechtsbehelfe hemmen die Verjährung (vgl allgemein zur Hemmungswirkung unzulässiger Leistungsklagen BGH vom 9.12.2010, NJW 2011, 2193 RdNr 13, 15 und BGH vom 24.5.2012, NJW 2012, 2180 RdNr 17; zur Klageerhebung bei einem unzuständigen Gericht BSG vom 28.9.2006, BSGE 97, 125 = SozR 4-1500 § 92 Nr 3, RdNr 12 und BSG vom 20.10.2010, SozR 4-1500 § 153 Nr 11 RdNr 24). Selbst wenn dies bei offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfen anders zu beurteilen und ihnen keine Hemmungswirkung zuzuerkennen wäre, ergäbe sich hier nichts anderes; denn eine offensichtliche Unzulässigkeit steht nicht in Rede: Vor Ergehen dieses heutigen Urteils war nicht geklärt, wie Regresse wegen Verordnungen ohne Überweisungsschein und ohne eigenhändige Unterzeichnung im Falle nicht mehr vertragsärztlich tätiger Ärzte geltend zu machen sind (vgl oben RdNr 21 und 28).

36

b) In den dargestellten Konstellationen ist auch unzweifelhaft ein Schaden eingetreten. Dem kann nicht ein hypothetischer alternativer Geschehensablauf entgegengehalten werden, etwa mit dem Vorbringen, die Verordnung sei inhaltlich sachgerecht gewesen und bei sachgerechter Ausstellung der Verordnung - sei es durch den Beklagten oder durch einen anderen Arzt - wären der Klägerin dieselben Kosten entstanden und deshalb sei ihr durch den Fehler bei der Ausstellung der Verordnung kein Schaden entstanden (vgl zu solcher Argumentation auch Begriffe wie hypothetische Reserveursache, alternative Kausalität, saldierende Kompensation, Vorteilsausgleichung).

37

Derartige Einwendungen hat der Senat stets zurückgewiesen: Im Vertragsarztrecht ist kein Raum, einen Verstoß gegen Gebote und Verbote, die nicht bloße Ordnungsvorschriften betreffen, durch Berücksichtigung eines hypothetischen alternativen Geschehensablaufs als unbeachtlich anzusehen; denn damit würde das vertragsarztrechtliche Ordnungssystem relativiert. So hat der Senat in seinem Urteil vom 18.8.2010 zusammenfassend ausgeführt: "Die Zuerkennung der Kosten, die bei rechtmäßigem Verhalten angefallen wären, hätte zur Folge, dass es auf die Beachtung der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Bestimmungen nicht ankäme" (BSG aaO SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 51; in der Sache ebenso - zum Teil im Rahmen der Prüfung ungerechtfertigter Bereicherung - BSG vom 8.9.2004, SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 betr unzulässige faktisch-stationäre Behandlung; BSG vom 22.3.2006, BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11 betr eine als Praxisgemeinschaft auftretende Gemeinschaftspraxis; BSG vom 28.2.2007, SozR 4-2500 § 39 Nr 7 RdNr 17 f betr zu lange stationäre Versorgung; BSG vom 5.5.2010 BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27, RdNr 47 betr Verordnung von Immunglobulin; BSG vom 18.8.2010, SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 51 betr Verordnung von Sprechstundenbedarf; BSG vom 13.10.2010, SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 44 betr Verordnung von Megestat; vgl auch BSG vom 21.6.1995, BSGE 76, 153, 155 f = SozR 3-2500 § 95 Nr 5 S 22 f, und BSG vom 23.6.2010, BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 67; vgl ferner die neuere BGH-Rspr zu dem - an sich nicht vergleichbaren - strafrechtlichen Betrugstatbestand in Fällen ärztlichen Fehlverhaltens mit ihrer Bezugnahme auf die "zum Vertragsarztrecht entwickelte streng formale Betrachtungsweise" in BGHSt 57, 95 = NJW 2012, 1377 = MedR 2012, 388, RdNr 82, 85; vgl auch BGHSt 57, 312 = NJW 2012, 3665 = MedR 2013, 174, RdNr 52). Wie die Beispiele der Senatsrechtsprechung zeigen, gilt das vertragsarztrechtliche Prinzip, dass kein Raum für die Berücksichtigung hypothetischer alternativer Geschehensabläufe ist, gleichermaßen für Verfahren gemäß § 106 SGB V wie für solche gemäß § 48 BMV-Ä und für alle Arten von Verstößen gegen Gebote und Verbote, ohne Unterscheidung danach, ob ein sog Status betroffen ist oder nicht; ausgenommen sind nur Verstöße, die lediglich sog Ordnungsvorschriften betreffen.

38

Ein Schaden der KK könnte allerdings dann zu verneinen sein, wenn diese der Apotheke auf eine Verordnung hin - zB weil sie überhaupt nicht unterzeichnet war - überhaupt keine Arzneikostenerstattung gewährt hatte (vgl zur Unterzeichnungspflicht § 3 Abs 2 Satz 1 Buchst n des Arzneiliefervertrags zwischen dem Apothekerverband Rheinland-Pfalz eV und den KKn vom 26.2.1996). Dies wäre ggf im Schadensfeststellungsverfahren aufzuklären.

39

c) In sechs der sieben umstrittenen Verordnungsfälle ist auch die weitere Voraussetzung für einen Schadensregress gemäß § 48 BMV-Ä, dass nämlich eine verschuldete Pflichtverletzung vorliegen muss, auf der Grundlage des vom SG festgestellten Geschehensablaufs zu bejahen(zum Verschuldenserfordernis vgl oben RdNr 20).

40

aa) Schuldhaft hat der Beklagte zunächst in den drei Fällen gehandelt, in denen die Klägerin geltend macht, ihr liege kein Überweisungsschein mit Angabe einer der (Erst-)Verordnung zugrunde liegenden ärztlichen Behandlung vor (hierzu s § 15 Abs 2 BMV-Ä; vgl auch den Einheitlichen Bewertungsmaßstab - Ärzte (EBM-Ä), der eine Vergütung für Rezeptausstellung ohne persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt nur für Wiederholungsrezepte vorsieht, s dazu Nr 01430 EBM-Ä). Es gehört zum Verantwortungsbereich des Arztes, dass die KKn mit Verordnungskosten nur für korrekte Verordnungen belastet wird. Dazu gehört bei einer Erstverordnung, dass ihr eine ärztliche Behandlung zugrunde gelegen hat. Dies muss der Arzt auf dem Abrechnungs- bzw Überweisungsschein dokumentieren, und dieser muss der KÄV vorgelegt werden.

41

Fehlt es hieran - und hat die KK die Verordnungskosten der Apotheke erstattet -, so kann die KK den Arzt in Regress nehmen. Den ermächtigten Ärzten ist die Dienstleistung des Krankenhauses zuzurechnen: Gemäß § 120 Abs 1 Satz 3 SGB V rechnet der Krankenhausträger die den ermächtigten Krankenhausärzten zustehenden Vergütungen "für diese" ab und leitet diese nach Abzug der anteiligen Verwaltungskosten sowie der dem Krankenhaus entstandenen Kosten an die Krankenhausärzte weiter. Aus dem Zusammenhang dieser Regelungen folgt, dass sich die ermächtigten Krankenhausärzte ein Verschulden des Krankenhausträgers bei der Weiterverarbeitung und Weitergabe der ihm zugeleiteten Unterlagen bzw Daten zurechnen lassen müssen. Der Arzt kann sich nicht damit exculpieren, er habe die Behandlung durchgeführt und dokumentiert sowie dies auch dem Krankenhaus zur Weiterverarbeitung und Weitergabe an die KÄV zugeleitet; erst das Krankenhaus habe die entsprechende Abrechnung und Weiterreichung versäumt. Der Arzt kann nur darauf verwiesen werden, ggf nach der Inanspruchnahme durch die KK dann seinerseits das Krankenhaus bzw dessen Träger in Regress zu nehmen. Vorschriften darüber, dass die KK direkt beim Krankenhaus Regress nehmen könnte, bestehen nicht.

42

bb) Bei den drei Verordnungen vom 26.1.2007, bei denen der Beklagte den Patienten Verordnungsblätter ohne seine persönliche Unterzeichnung aushändigen ließ, ist ihm ebenfalls jeweils eine schuldhafte Pflichtverletzung anzulasten. Es lag nämlich jeweils ein Verstoß gegen das Gebot persönlicher Leistungserbringung vor.

43

Diesem Gebot kommt großes Gewicht zu (vgl BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 34 iVm 37). Es gilt nicht nur für die Behandlungs-, sondern auch für die Verordnungstätigkeit des Arztes; Vertragsärzte und ermächtigte Krankenhausärzte müssen es gleichermaßen beachten. Ermächtigungen für Krankenhausärzte werden diesen mit Blick auf einen Versorgungsbedarf und ihre persönliche Qualifikation iVm den ihnen im Krankenhaus zur Verfügung stehenden Möglichkeiten erteilt (vgl § 116 SGB V iVm § 31a Abs 1 und 2 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und dazu BSG vom 20.3.2013 - B 6 KA 26/12 R - RdNr 26 am Ende und RdNr 34, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen); eine Ermächtigung berechtigt den ermächtigten Arzt nur persönlich. Eine Befugnis des im stationären Bereich zuständigen Vertreters, den Krankenhausarzt auch bei seiner vertragsärztlichen Tätigkeit zu vertreten, besteht nicht. Unzutreffend ist ferner die Ansicht, das Gebot persönlicher Leistungserbringung fordere lediglich die ärztliche Entscheidung über das zu verordnende Medikament selbst, nicht aber auch die persönliche Ausstellung und Unterzeichnung der Verordnung. Eine solche Einschränkung ist den Regelungen über die persönliche Leistungserbringung nicht zu entnehmen. Auch die Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) stellt klar, dass die Verschreibung "die eigenhändige Unterschrift der verschreibenden Person" enthalten muss (§ 2 Abs 1 Nr 10 AMVV).

44

Für den Fall, dass ein (Krankenhaus-)Arzt nicht zeitgerecht zur Aushändigung einer von ihm persönlich unterzeichneten Verordnung in der Lage ist, ergibt sich aus § 4 AMVV, dass er den Apotheker - insbesondere fernmündlich - über die Verschreibung und deren Inhalt unterrichten kann, sodass der Apotheker die Arznei vorab aushändigen kann; der Arzt hat dem Apotheker die Verschreibung in schriftlicher oder elektronischer Form unverzüglich nachzureichen. Mit dieser Regelung wird dem Arzt ein Weg gewiesen, dem Patienten noch ohne Aushändigung der persönlich unterzeichneten Verordnung das Medikament zukommen zu lassen. In diesen Rechtsvorschriften sind andere Vorgehensweisen nicht vorgesehen: Zu beanstanden ist daher sowohl der vom Beklagten praktizierte Weg, Verordnungsblätter durch einen anderen Arzt unterzeichnen zu lassen - so in den zwei Fällen der Unterzeichnung durch Dr. S. -, als auch die Aushändigung eines überhaupt nicht unterzeichneten Verordnungsblatts an einen Patienten - so im Fall der einen Verordnung vom 26.1.2007 -. Diese Vorgehensweisen widersprechen sowohl dem Gebot der persönlichen Leistungserbringung als auch den Regelungen der AMVV.

45

Die aufgeführten Pflichtverletzungen sind auch als verschuldet anzusehen. Die Regelungen des BMV-Ä und der AMVV muss jeder Vertragsarzt und ebenso jeder ermächtigte Arzt kennen. Die Ausführungen des Beklagten, die Pflicht zur eigenhändigen Unterzeichnung des Verordnungsblatts sei ihm und generell den ermächtigten Krankenhausärzten nicht bewusst gewesen bzw diese seien durchgängig anders verfahren, können den Beklagten nicht exculpieren.

46

cc) Kein Verschulden trifft den Beklagten demgegenüber im Zusammenhang mit der Verordnung vom 8.8.2007, die seine Arztnummer aufwies, aber von seiner Nachfolgerin unterzeichnet war. Diese Verordnung ist mehr als sechs Monate nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgestellt worden. Daraus, dass sich im Krankenhaus noch Verordnungsblätter mit seiner Arztnummer befanden und diese nach seinem Ausscheiden noch verwendet wurden, lässt sich keine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten ableiten. Eine Pflicht, sie bei seinem Ausscheiden zu vernichten, um ihre Verwendung zu verhindern, trifft das Krankenhaus und nicht ihn. Ein Tatbestand, wonach ein insoweit gegebenes Versäumnis des Krankenhauses ihm zuzurechnen wäre, findet sich in der Rechtsordnung nicht; die oben herangezogene Regelung des § 120 Abs 1 Satz 3 SGB V(vgl oben RdNr 41) reicht so weit nicht.

47

d) Schließlich ist im Schadensregressverfahren gemäß § 48 BMV-Ä, soweit eine verschuldete Pflichtverletzung mit Verursachung eines Schadens festgestellt wird, auch noch dessen Höhe festzustellen(vgl zum Abzug von Apothekenrabatt und Patienten-Zuzahlungen und zur Möglichkeit der Pauschalierung die BSG-Angaben bei Th. Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106 RdNr 108).

48

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung von Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst; sie hat im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl dazu BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, daß die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Kommt die Kassenärztliche Vereinigung ihrem Sicherstellungsauftrag aus Gründen, die sie zu vertreten hat, nicht nach, können die Krankenkassen die in den Gesamtverträgen nach § 85 oder § 87a vereinbarten Vergütungen teilweise zurückbehalten. Die Einzelheiten regeln die Partner der Bundesmantelverträge.

(1a) Der Sicherstellungsauftrag nach Absatz 1 umfasst auch die angemessene und zeitnahe Zurverfügungstellung der vertragsärztlichen Versorgung. Hierzu informieren die Kassenärztlichen Vereinigungen die Versicherten im Internet in geeigneter Weise bundesweit einheitlich über die Sprechstundenzeiten der Vertragsärzte und über die Zugangsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen zur Versorgung (Barrierefreiheit) und richten Terminservicestellen ein, die spätestens zum 1. Januar 2020 für 24 Stunden täglich an sieben Tagen in der Woche unter einer bundesweit einheitlichen Telefonnummer erreichbar sein müssen; die Terminservicestellen können in Kooperation mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen betrieben werden und mit den Rettungsleitstellen der Länder kooperieren. Die Terminservicestelle hat

1.
Versicherten innerhalb einer Woche einen Behandlungstermin bei einem Leistungserbringer nach § 95 Absatz 1 Satz 1 zu vermitteln,
2.
Versicherte bei der Suche nach einem Hausarzt zu unterstützen, den sie nach § 76 Absatz 3 Satz 2 wählen möchten,
3.
Versicherte bei der Suche nach einem Angebot zur Versorgung mit telemedizinischen Leistungen zu unterstützen und
4.
Versicherten in Akutfällen auf der Grundlage eines bundesweit einheitlichen, standardisierten Ersteinschätzungsverfahrens eine unmittelbare ärztliche Versorgung in der medizinisch gebotenen Versorgungsebene, in geeigneten Fällen auch in Form einer telefonischen ärztlichen Konsultation, zu vermitteln.
Für die Vermittlung von Behandlungsterminen bei einem Facharzt muss mit Ausnahme
1.
von Behandlungsterminen bei einem Augenarzt oder einem Frauenarzt,
2.
der Fälle, in denen bei einer zuvor erfolgten Inanspruchnahme eines Krankenhauses zur ambulanten Notfallbehandlung die Ersteinschätzung auf der Grundlage der nach § 120 Absatz 3b zu beschließenden Vorgaben einen ärztlichen Behandlungsbedarf, nicht jedoch eine sofortige Behandlungsnotwendigkeit ergeben hat, und
3.
der Vermittlung in Akutfällen nach Satz 3 Nummer 4
eine Überweisung vorliegen; eine Überweisung muss auch in den Fällen des Satzes 11 Nummer 2 vorliegen. Die Wartezeit auf einen Behandlungstermin darf vier Wochen nicht überschreiten. Die Entfernung zwischen Wohnort des Versicherten und dem vermittelten Arzt muss zumutbar sein. Kann die Terminservicestelle keinen Behandlungstermin bei einem Leistungserbringer nach § 95 Absatz 1 Satz 1 innerhalb der Frist nach Satz 5 vermitteln, hat sie einen ambulanten Behandlungstermin in einem zugelassenen Krankenhaus anzubieten; Satz 3 Nummer 1 und die Sätze 4, 5 und 6 gelten entsprechend. Satz 7 gilt nicht bei verschiebbaren Routineuntersuchungen, sofern es sich nicht um termingebundene Gesundheitsuntersuchungen für Kinder handelt, und in Fällen von Bagatellerkrankungen sowie bei weiteren vergleichbaren Fällen. Für die ambulante Behandlung im Krankenhaus gelten die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung. In den Fällen von Satz 8 hat die Terminservicestelle einen Behandlungstermin bei einem Leistungserbringer nach § 95 Absatz 1 Satz 1 in einer angemessenen Frist zu vermitteln. Im Bundesmantelvertrag nach § 82 Absatz 1 sind insbesondere Regelungen zu treffen
1.
zum Nachweis des Vorliegens einer Überweisung,
2.
zu den Fällen, in denen es für die Vermittlung von einem Behandlungstermin bei einem Haus- oder einem Kinder- und Jugendarzt einer Überweisung bedarf,
3.
zur zumutbaren Entfernung nach Satz 6, differenziert nach Arztgruppen,
4.
über das Nähere zu den Fällen nach Satz 8,
5.
zur Notwendigkeit weiterer Behandlungen nach § 76 Absatz 1a Satz 2.
Im Bundesmantelvertrag können zudem ergänzende Regelungen insbesondere zu weiteren Ausnahmen von der Notwendigkeit des Vorliegens einer Überweisung getroffen werden. Die Sätze 2 bis 12 gelten nicht für Behandlungen nach § 28 Absatz 2 und § 29. Für Behandlungen nach § 28 Absatz 3 gelten die Sätze 2 und 3 Nummer 1 sowie die Sätze 5 bis 12 hinsichtlich der Vermittlung eines Termins für ein Erstgespräch im Rahmen der psychotherapeutischen Sprechstunden und hinsichtlich der sich aus der Abklärung ergebenden zeitnah erforderlichen Behandlungstermine sowie hinsichtlich der Vermittlung eines Termins im Rahmen der Versorgung nach § 92 Absatz 6b; einer Überweisung bedarf es nicht. Die Wartezeit auf eine psychotherapeutische Akutbehandlung darf zwei Wochen nicht überschreiten. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung unterstützt die Kassenärztlichen Vereinigungen durch das Angebot einer Struktur für ein elektronisch gestütztes Wartezeitenmanagement und für ein elektronisch gestütztes Dispositionsmanagement bei der Terminvermittlung; sie hat ein elektronisches Programm zur Verfügung zu stellen, mit dem die Versicherten auf die Internetseite der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung geleitet werden, um sich über die Sprechstundenzeiten der Ärzte informieren zu können. Die Kassenärztlichen Vereinigungen können darüber hinaus zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Satz 3 auch eigene digitale Angebote bereitstellen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung evaluiert die Auswirkungen der Tätigkeit der Terminservicestellen insbesondere im Hinblick auf die Erreichung der fristgemäßen Vermittlung von Arztterminen, auf die Häufigkeit der Inanspruchnahme und auf die Vermittlungsquote. Über die Ergebnisse hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung dem Bundesministerium für Gesundheit jährlich, erstmals zum 30. Juni 2017, zu berichten. Die Vertragsärzte sind verpflichtet, der Terminservicestelle freie Termine zu melden. Soweit Vertragsärzte Leistungen in Form von Videosprechstunden anbieten, können die Vertragsärzte den Terminservicestellen freie Termine, zu denen Leistungen in Form der Videosprechstunde angeboten werden, freiwillig melden.

(1b) Der Sicherstellungsauftrag nach Absatz 1 umfasst auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst), nicht jedoch die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes, soweit Landesrecht nichts anderes bestimmt. Im Rahmen des Notdienstes sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen spätestens ab dem 31. März 2022 ergänzend auch telemedizinische Leistungen zur Verfügung stellen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollen den Notdienst auch durch Kooperation und eine organisatorische Verknüpfung mit zugelassenen Krankenhäusern sicherstellen; hierzu sollen sie entweder Notdienstpraxen in oder an Krankenhäusern einrichten oder Notfallambulanzen der Krankenhäuser unmittelbar in den Notdienst einbinden. Im Rahmen einer Kooperation nach Satz 3 zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenhäusern kann auch die Nutzung der technischen Ausstattung der Krankenhäuser zur Erbringung telemedizinischer Leistungen durch Notdienstpraxen oder die Erbringung telemedizinischer Leistungen durch die Notfallambulanzen der Krankenhäuser vereinbart werden. Nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende zugelassene Krankenhäuser und Ärzte, die aufgrund einer Kooperationsvereinbarung mit der Kassenärztlichen Vereinigung in den Notdienst einbezogen sind, sind zur Leistungserbringung im Rahmen des Notdienstes berechtigt und nehmen zu diesem Zweck an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Satz 5 gilt entsprechend für nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte im Rahmen der notärztlichen Versorgung des Rettungsdienstes, soweit entsprechend Satz 1 durch Landesrecht bestimmt ist, dass auch diese Versorgung vom Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung umfasst ist. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollen mit den Landesapothekerkammern in einen Informationsaustausch über die Organisation des Notdienstes treten, um die Versorgung der Versicherten im Notdienst zu verbessern; die Ergebnisse aus diesem Informationsaustausch sind in die Kooperationen nach Satz 3 einzubeziehen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollen mit den Rettungsleitstellen der Länder kooperieren.

(2) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben die Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen. Sie haben die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertragsärzte, soweit notwendig, unter Anwendung der in § 81 Abs. 5 vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten.

(3) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben auch die ärztliche Versorgung von Personen sicherzustellen, die auf Grund dienstrechtlicher Vorschriften über die Gewährung von Heilfürsorge einen Anspruch auf unentgeltliche ärztliche Versorgung haben, soweit die Erfüllung dieses Anspruchs nicht auf andere Weise gewährleistet ist. Die ärztlichen Leistungen sind so zu vergüten, wie die Ersatzkassen die vertragsärztlichen Leistungen vergüten. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für ärztliche Untersuchungen zur Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht sowie Untersuchungen zur Vorbereitung von Personalentscheidungen und betriebs- und fürsorgeärztliche Untersuchungen, die von öffentlich-rechtlichen Kostenträgern veranlaßt werden.

(3a) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben auch die ärztliche Versorgung der in den brancheneinheitlichen Standardtarifen nach § 257 Abs. 2a in Verbindung mit § 403 und nach § 257 Abs. 2a in Verbindung mit § 404 sowie dem brancheneinheitlichen Basistarif nach § 152 Absatz 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes und dem Notlagentarif nach § 153 des Versicherungsaufsichtsgesetzes Versicherten mit den in diesen Tarifen versicherten ärztlichen Leistungen sicherzustellen. Solange und soweit nach Absatz 3b nichts Abweichendes vereinbart oder festgesetzt wird, sind die in Satz 1 genannten Leistungen einschließlich der belegärztlichen Leistungen nach § 121 nach der Gebührenordnung für Ärzte oder der Gebührenordnung für Zahnärzte mit der Maßgabe zu vergüten, dass Gebühren für die in Abschnitt M des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte genannten Leistungen sowie für die Leistung nach Nummer 437 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte nur bis zum 1,16fachen des Gebührensatzes der Gebührenordnung für Ärzte, Gebühren für die in den Abschnitten A, E und O des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte genannten Leistungen nur bis zum 1,38fachen des Gebührensatzes der Gebührenordnung für Ärzte, Gebühren für die übrigen Leistungen des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte nur bis zum 1,8fachen des Gebührensatzes der Gebührenordnung für Ärzte und Gebühren für die Leistungen des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Zahnärzte nur bis zum 2fachen des Gebührensatzes der Gebührenordnung für Zahnärzte berechnet werden dürfen. Für die Vergütung von in den §§ 115b und 116b bis 119 genannten Leistungen gilt Satz 2 entsprechend, wenn diese für die in Satz 1 genannten Versicherten im Rahmen der dort genannten Tarife erbracht werden.

(3b) Die Vergütung für die in Absatz 3a Satz 2 genannten Leistungen kann in Verträgen zwischen dem Verband der privaten Krankenversicherung einheitlich mit Wirkung für die Unternehmen der privaten Krankenversicherung und im Einvernehmen mit den Trägern der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften mit den Kassenärztlichen Vereinigungen oder den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen ganz oder teilweise abweichend von den Vorgaben des Absatzes 3a Satz 2 geregelt werden. Für den Verband der privaten Krankenversicherung gilt § 158 Absatz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes entsprechend. Wird zwischen den Beteiligten nach Satz 1 keine Einigung über eine von Absatz 3a Satz 2 abweichende Vergütungsregelung erzielt, kann der Beteiligte, der die Abweichung verlangt, die Schiedsstelle nach Absatz 3c anrufen. Diese hat innerhalb von drei Monaten über die Gegenstände, über die keine Einigung erzielt werden konnte, zu entscheiden und den Vertragsinhalt festzusetzen. Die Schiedsstelle hat ihre Entscheidung so zu treffen, dass der Vertragsinhalt

1.
den Anforderungen an eine ausreichende, zweckmäßige, wirtschaftliche und in der Qualität gesicherte ärztliche Versorgung der in Absatz 3a Satz 1 genannten Versicherten entspricht,
2.
die Vergütungsstrukturen vergleichbarer Leistungen aus dem vertragsärztlichen und privatärztlichen Bereich berücksichtigt und
3.
die wirtschaftlichen Interessen der Vertragsärzte sowie die finanziellen Auswirkungen der Vergütungsregelungen auf die Entwicklung der Prämien für die Tarife der in Absatz 3a Satz 1 genannten Versicherten angemessen berücksichtigt.
Wird nach Ablauf einer von den Vertragsparteien nach Satz 1 vereinbarten oder von der Schiedsstelle festgesetzten Vertragslaufzeit keine Einigung über die Vergütung erzielt, gilt der bisherige Vertrag bis zu der Entscheidung der Schiedsstelle weiter. Für die in Absatz 3a Satz 1 genannten Versicherten und Tarife kann die Vergütung für die in den §§ 115b und 116b bis 119 genannten Leistungen in Verträgen zwischen dem Verband der privaten Krankenversicherung einheitlich mit Wirkung für die Unternehmen der privaten Krankenversicherung und im Einvernehmen mit den Trägern der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften mit den entsprechenden Leistungserbringern oder den sie vertretenden Verbänden ganz oder teilweise abweichend von den Vorgaben des Absatzes 3a Satz 2 und 3 geregelt werden; Satz 2 gilt entsprechend. Wird nach Ablauf einer von den Vertragsparteien nach Satz 7 vereinbarten Vertragslaufzeit keine Einigung über die Vergütung erzielt, gilt der bisherige Vertrag weiter.

(3c) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen bilden mit dem Verband der privaten Krankenversicherung je eine gemeinsame Schiedsstelle. Sie besteht aus Vertretern der Kassenärztlichen Bundesvereinigung oder der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung einerseits und Vertretern des Verbandes der privaten Krankenversicherung und der Träger der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften andererseits in gleicher Zahl, einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern sowie je einem Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre. Über den Vorsitzenden und die weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Vertragsparteien einigen. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, gilt § 134a Absatz 4 Satz 5 und 6 entsprechend. Im Übrigen gilt § 129 Abs. 9 entsprechend. Die Aufsicht über die Geschäftsführung der Schiedsstelle führt das Bundesministerium der Finanzen; § 129 Abs. 10 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben auch die ärztliche Behandlung von Gefangenen in Justizvollzugsanstalten in Notfällen außerhalb der Dienstzeiten der Anstaltsärzte und Anstaltszahnärzte sicherzustellen, soweit die Behandlung nicht auf andere Weise gewährleistet ist. Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend.

(5) Soweit die ärztliche Versorgung in der knappschaftlichen Krankenversicherung nicht durch Knappschaftsärzte sichergestellt wird, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(6) Mit Zustimmung der Aufsichtsbehörden können die Kassenärztlichen Vereinigungen und Kassenärztlichen Bundesvereinigungen weitere Aufgaben der ärztlichen Versorgung insbesondere für andere Träger der Sozialversicherung übernehmen.

(7) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben

1.
die erforderlichen Richtlinien für die Durchführung der von ihnen im Rahmen ihrer Zuständigkeit geschlossenen Verträge aufzustellen,
2.
in Richtlinien die überbezirkliche Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung und den Zahlungsausgleich hierfür zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen zu regeln, soweit nicht in Bundesmantelverträgen besondere Vereinbarungen getroffen sind,
3.
Richtlinien über die Betriebs-, Wirtschafts- und Rechnungsführung der Kassenärztlichen Vereinigungen aufzustellen,
3a.
bis zum 31. Dezember 2021 Richtlinien zur Gewährleistung einer bundesweit einheitlichen und vollständigen Bereitstellung von Informationen nach Absatz 1a Satz 2 auf den Internetseiten der Kassenärztlichen Vereinigungen aufzustellen,
4.
Richtlinien für die Umsetzung einer bundeseinheitlichen Telefonnummer nach Absatz 1a Satz 2 aufzustellen,
5.
Richtlinien für ein digitales Angebot zur Vermittlung von Behandlungsterminen nach Absatz 1a Satz 3 Nummer 1 sowie zur Vermittlung einer unmittelbaren ärztlichen Versorgung in Akutfällen nach Absatz 1a Satz 3 Nummer 3 und für ein Angebot eines elektronisch gestützten Dispositionsmanagements aufzustellen und
6.
Richtlinien für ein bundesweit einheitliches, standardisiertes Ersteinschätzungsverfahren aufzustellen, auf dessen Grundlage die Vermittlung in Akutfällen nach Absatz 1a Satz 3 Nummer 3 erfolgt.
Die Richtlinie nach Satz 1 Nr. 2 muss sicherstellen, dass die für die erbrachte Leistung zur Verfügung stehende Vergütung die Kassenärztliche Vereinigung erreicht, in deren Bezirk die Leistung erbracht wurde; eine Vergütung auf der Basis bundesdurchschnittlicher Verrechnungspunktwerte ist zulässig. Die Richtlinie nach Satz 1 Nr. 2 kann auch Regelungen über die Abrechnungs-, Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung sowie über Verfahren bei Disziplinarangelegenheiten bei überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaften, die Mitglieder in mehreren Kassenärztlichen Vereinigungen haben, treffen, soweit hierzu nicht in den Bundesmantelverträgen besondere Vereinbarungen getroffen sind. Bei der Erarbeitung der Richtlinien nach Satz 1 Nummer 3a sind die Bundesfachstelle Barrierefreiheit sowie die maßgeblichen Interessenvertretungen der Patientinnen und Patienten nach § 140f zu beteiligen. Die Richtlinien nach Satz 1 Nummer 4 und 5 müssen auch sicherstellen, dass die von Vertragsärzten in Umsetzung der Richtlinienvorgaben genutzten elektronischen Programme von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zugelassen sind.

(7a) Abweichend von Absatz 7 Satz 2 muss die für die ärztliche Versorgung geltende Richtlinie nach Absatz 7 Satz 1 Nr. 2 sicherstellen, dass die Kassenärztliche Vereinigung, in deren Bezirk die Leistungen erbracht wurden (Leistungserbringer-KV), von der Kassenärztlichen Vereinigung, in deren Bezirk der Versicherte seinen Wohnort hat (Wohnort-KV), für die erbrachten Leistungen jeweils die entsprechenden Vergütungen der in der Leistungserbringer-KV geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs. 2 erhält. Dabei ist das Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen herzustellen.

(8) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben durch geeignete Maßnahmen darauf hinzuwirken, daß die zur Ableistung der Vorbereitungszeiten von Ärzten sowie die zur allgemeinmedizinischen Weiterbildung in den Praxen niedergelassener Vertragsärzte benötigten Plätze zur Verfügung stehen.

(9) Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind verpflichtet, mit Einrichtungen nach § 13 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes auf deren Verlangen Verträge über die ambulante Erbringung der in § 24b aufgeführten ärztlichen Leistungen zu schließen und die Leistungen außerhalb des Verteilungsmaßstabes nach den zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Einrichtungen nach § 13 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes oder deren Verbänden vereinbarten Sätzen zu vergüten.

(10) (weggefallen)

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. September 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Streitig ist das Verlangen des Klägers nach Honorierung von Leistungen, die er in der Zeit nach der Anordnung der sofortigen Vollziehung (VzA) der Zulassungsentziehung durch den Zulassungsausschuss (ZA) am 15.5.2007 bis zur Aufhebung dieser VzA durch das SG am 9.7.2007 erbracht hatte.

2

Der Kläger war seit 1997 als Allgemeinarzt tätig; er führte Heroin-Substitutionsbehandlungen durch. Gegründet auf den Vorwurf jahrelanger sexueller Übergriffe gegen - teils minderjährige - Patientinnen entzog der ZA dem Kläger die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung; die vom Kläger dagegen eingelegten Rechtsbehelfe hatten keinen Erfolg (Beschluss/Bescheid vom 14.8./5.11.2007 sowie anschließendes erfolgloses Klage- und Berufungsverfahren).

3

Der ZA ordnete zugleich mit der Zulassungsentziehung auch deren sofortige Vollziehung an (Beschluss/Bescheid vom 18.4./15.5.2007). Ungeachtet dieser VzA erbrachte der Kläger über den 15.5.2007 hinaus weiterhin Leistungen und brachte diese auch in seiner späteren Quartalsabrechnung vom Juli 2007 gegenüber der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) in Ansatz. Die Beklagte versagte dem Kläger indessen das Honorar für die Leistungen, die er nach dem 15.5.2007 (bis zur Aufhebung der VzA durch das SG) erbracht hatte (sog quartalsgleiche sachlich-rechnerische Richtigstellung vom 10.10.2007).

4

Am 9.7.2007 hob das SG die VzA des ZA vom 18.4./15.5.2007 auf; das LSG wies die Beschwerde des Berufungsausschusses (BA) zurück; SG und LSG führten zur Begründung aus, dass für Anordnungen der sofortigen Vollziehung nicht die Zulassungs-, sondern nur die Berufungsausschüsse zuständig seien (Beschluss des SG vom 9.7.2007 und Zurückweisung der Beschwerde des BA durch Beschluss des LSG vom 22.8.2008). Eine VzA des BA vom 14.8./5.11.2007 ist demgegenüber vom SG und vom LSG bestätigt worden (Beschlüsse vom 7.12.2007 und vom 14.8.2008).

5

Den Widerspruch des Klägers gegen die Honorarversagung - der sich auf die von ihm beim SG am 9.7.2007 erreichte gerichtliche Aufhebung der VzA des ZA berief - hat die Beklagte zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 23.9.2009). Anders als das SG (Urteil vom 28.1.2011) hat das LSG die Klage abgewiesen (Urteil vom 19.9.2012). In dessen Urteil ist ausgeführt, dass die sachlich-rechnerische Richtigstellung zu Recht erfolgt sei. Der Kläger habe über den 15.5.2007 hinaus keine Leistungen erbringen dürfen; er hätte die VzA des ZA beachten müssen, ungeachtet der Frage, ob dieser - oder nur der BA - für die VzA zuständig gewesen sei. Die spätere gerichtliche Aufhebung der VzA habe keine Rückwirkung entfalten können. Im Übrigen hätten die Zulassungsausschüsse die Kompetenz für Anordnungen sofortiger Vollziehung; die frühere gegenteilige Auffassung, die noch dem Beschluss vom 22.8.2008 zugrunde gelegen habe, werde aufgegeben.

6

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, die Frage der Rückwirkung gerichtlicher Aufhebungen von Vollziehungsanordnungen und die Frage der Zuständigkeit der Zulassungsausschüsse für Vollziehungsanordnungen hätten grundsätzliche Bedeutung. Ferner liege ein Verfahrensverstoß in Gestalt der Missachtung der Bindungswirkungen des früheren LSG-Beschlusses vom 22.8.2008 vor.

7

II. Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Er hat weder mit der Geltendmachung grundsätzlicher Bedeutung noch mit der von ihm erhobenen Verfahrensrüge Erfolg.

8

1. Eine grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) setzt voraus, dass eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt insbesondere dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu siehe zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Klärungsfähigkeit ist nicht gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage nicht im Revisionsverfahren zur Entscheidung anstehen würde (Entscheidungserheblichkeit). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (siehe die BVerfG-Angaben in BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 sowie BVerfG SozR 4-1500 § 160a Nr 16 RdNr 4 f).

9

Nach diesen Maßstäben sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nicht gegeben. Die - hier sinngemäß wiedergegebenen - Rechtsfragen,

        

-       

ob die Aufhebung einer VzA durch ein SG Wirkung ex nunc oder ex tunc hat

        

-       

ob die Aufhebung der VzA grundsätzlich ex nunc wirkt oder ob insoweit eine Ausnahme gelten muss, als die Aufhebung der VzA des ZA wegen dessen Unzuständigkeit ex tunc anzuordnen ist,

sind unter Heranziehung der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BSG dahin zu beantworten, dass eine VzA-Aufhebung durch das SG nur Wirkung ex nunc entfaltet; der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf es insoweit nicht.

10

a) Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung herausgestellt hat, kann ein vertragsärztlicher Status nicht rückwirkend zuerkannt oder aberkannt werden, sondern im vertragsärztlichen System "muss zu jedem Zeitpunkt klar sein, welcher Arzt Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen (KKn) zu deren Lasten behandeln und Leistungen verordnen darf und ob insoweit ein Anspruch des Arztes besteht, wegen der von ihm erbrachten Leistungen an der Verteilung des Honorars durch die KÄV beteiligt zu werden" (Zitat aus BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 34 iVm 36 iVm 28, mit zahlreichen weiteren BSG-Angaben wie zB BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 15 f iVm 22; BSGE 110, 43 = SozR 4-2500 § 103 Nr 9, RdNr 17). Status-Erteilungen und -Aufhebungen wirken nur ex nunc und nicht ex tunc (so zB BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 2 RdNr 10 ff zur Genehmigung einer Praxisverlegung; BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 22 zur aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen eine Ermächtigung; vgl auch schon früher zB BSGE 80, 48, 50 = SozR 3-2500 § 85 Nr 19 S 119/120 betr Großgeräte-Genehmigung).

11

Wie sich aus der Rechtsprechung ergibt, gilt dieser allgemeine Grundsatz nicht nur für den Status selbst, sondern auch für die im Zusammenhang mit einem Status stehende aufschiebende Wirkung und deren Fortfall durch Einlegung von Rechtsbehelfen und Anordnungen der sofortigen Vollziehung. So hat der Senat im Urteil vom 11.3.2009 zu einer Drittanfechtungskonstellation ausgeführt, dass die aufschiebende Wirkung nicht ex tunc eintreten kann (BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 21), und als zweifelhaft bezeichnet, dass eine VzA den Wegfall der aufschiebenden Wirkung rückwirkend bewirken könne (aaO RdNr 28). Er hat hervorgehoben, dass "ein … ex tunc … zurückbezogener Eintritt der aufschiebenden Wirkung … gerade zu der in der Senatsrechtsprechung hervorgehobenen (als nicht tragbar erachteten) Unsicherheit führen" würde (aaO RdNr 22). Der Senat hat dargelegt, dass bis zur Einlegung des Widerspruchs der Ermächtigte Leistungen erbringen darf und dafür Honorar beanspruchen kann; dies kann nicht etwa rückwirkend in Frage gestellt werden, wenn später Widerspruch eingelegt wird; die Widerspruchseinlegung wirkt nur ex nunc (vgl BSG aaO RdNr 21-29).

12

Der Aussagekraft dieser Entscheidung und ihre Anwendbarkeit auf die vorliegende Konstellation steht nicht entgegen, dass der Senat seine Ausführungen anhand einer sog Drittanfechtung und damit in einem Fall "mehrpoliger Rechtsbeziehungen" formuliert hat (vgl hierzu BSG aaO RdNr 32). So wie der Senat zur damaligen Konstellation ausgeführt hat, dass die Widerspruchseinlegung nur ex nunc aufschiebende Wirkung entfaltet und eine VzA die aufschiebende Wirkung nur ex nunc wegfallen lässt, so wirken in einem Fall der vorliegenden Art die VzA und deren spätere Aufhebung durch das SG auch jeweils nur ex nunc. Die später erfolgte Aufhebung der VzA durch das SG konnte das als Folge der VzA zunächst bestehende Verbot der Leistungserbringung also nur ex nunc und nicht rückwirkend aufheben.

13

Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung und des von ihr herausgestellten allgemeinen Grundsatzes ist die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage dahin zu beantworten, dass der betroffene Arzt die VzA sofort ab ihrem Ergehen - ex nunc - beachten muss, dh dass er ab der VzA keine vertragsärztlichen Leistungen mehr erbringen darf und kein Honorar für dennoch erbrachte Leistungen beanspruchen kann, sowie dass er ab der Aufhebung der VzA erneut Leistungen erbringen darf und für diese Honorar beanspruchen kann, dies aber nur ex nunc. Schon vorher - ungeachtet der VzA - erbrachte Leistungen werden nicht rückwirkend legal mit der Folge, dass die KÄV sie honorieren müsste.

14

aa) Diesem aus der Senatsrechtsprechung abzuleitenden Ergebnis steht nicht entgegen, dass andere Gerichte und das Schrifttum vielfach abstrakt formulieren, die gerichtliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wirke auf den Zeitpunkt der VzA zurück (zum Streitstand vgl zB Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 86b RdNr 19 ; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl 2013, § 80 RdNr 171; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 28 mwN). Dies kann jedenfalls angesichts der unter a) dargestellten besonderen vertragsarztrechtlichen Rechtslage nicht für vertragsarztrechtliche Konstellationen der vorliegenden Art gelten. Auch in zahlreichen anderen Fällen sind Abweichungen von allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen aufgrund von Besonderheiten des vertragsarztrechtlichen Systems akzeptiert; dies beruht auf § 37 Satz 1 SGB I("soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt"), wie der Senat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl dazu zB BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 15 RdNr 23, 45; BSG vom 6.2.2013 - B 6 KA 2/12 R - RdNr 16). Ein Bedarf nach grundsätzlicher Klärung besteht insoweit nicht.

15

bb) Im Übrigen liefe es der Funktion der nach der Rechtsprechung des BVerfG ohnehin nur in Ausnahmefällen zulässigen Anordnung des Sofortvollzugs einer Zulassungsentziehung zuwider, wenn der Betroffene seine Tätigkeit ungeachtet der VzA fortsetzen und daraus Vergütungsansprüche generieren könnte. Gerade wenn die VzA dem Schutz der Patienten dient - hier war der Kläger dringend verdächtig, sexuelle Übergriffe gegenüber minderjährigen Mädchen im Zusammenhang mit Substitutionsbehandlungen begangen zu haben und nach dem LSG-Beschluss vom 14.8.2008 - L 12 B 106/08 KA ER - Seite 11, stand zumal Wiederholungsgefahr in Frage -, müssen alle Anreize zum Unterlaufen der Anordnung ausgeschlossen sein (vgl BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 17, 19, 21 zur Ausrichtung "auf die konkrete Rechtsfolge und deren Ordnungsfunktion").

16

b) Auch die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) fordert nicht, dass ein von einer VzA betroffener Arzt seine vertragsärztliche Tätigkeit zunächst fortsetzen darf, bis ein Gericht im Eilverfahren über die Rechtmäßigkeit entschieden hat. Auch wenn der Arzt unmittelbar nach der VzA das SG angerufen und seinerseits alles Erforderliche veranlasst hat, um dem SG eine schnelle Entscheidung zu ermöglichen, darf er seine vertragsärztliche Tätigkeit zunächst nicht weiterführen. Hierzu wird im Schrifttum darauf hingewiesen, dass bei den Gerichten die Praxis verbreitet ist, im Falle nicht sogleich möglicher Entscheidung gemäß § 80 Abs 5 VwGO, § 86b Abs 1 SGG, § 32 BVerfGG - bei drohendem existentiellen oder sonstwie erheblichen Eingriff - einen sog "Hängebeschluss" (auch "Zwischenregelung" genannt) zu erlassen(hierzu ausführlich Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 3. Aufl 2012, RdNr 461-472 ; kurz gefasst auch zB Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 86b RdNr 14; Binder in Lüdtke, SGG, 4. Aufl 2012, § 86b RdNr 72; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl 2013, § 80 RdNr 170). Damit wird den Erfordernissen des Art 19 Abs 4 GG Rechnung getragen. Sollte sich nachträglich herausstellen, dass dem betroffenen Arzt die Zulassung nicht hätte entzogen werden dürfen, können Amtshaftungsansprüche bestehen, soweit ein Arzt durch bindende, aber rechtswidrige Vollziehungsanordnungen an seiner Tätigkeit gehindert worden sein sollte (zur Verfassungsmäßigkeit der Verweisung auf Sekundäransprüche vgl zB BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 31; BSGE 110, 43 = SozR 4-2500 § 103 Nr 9, RdNr 33 mwN).

17

c) Der Grundsatz der Verbindlichkeit von Vollzugsanordnungen bis zu ihrer etwaigen gerichtlichen Aufhebung gilt auch dann, wenn das Gericht die VzA allein mit der Begründung aufgehoben hat, der ZA sei insoweit nicht zuständig. Die Verbindlichkeit könnte nur dann nachträglich-rückwirkend zweifelhaft sein, wenn das SG ausdrücklich ausgesprochen hätte, die Aufhebung der VzA erfolge rückwirkend ab deren Erlass. Hierfür kann der Aufhebung durch das SG im vorliegenden Fall aber nichts entnommen werden; dazu wäre das SG in einer Konstellation wie hier auch nicht berechtigt gewesen.

18

d) Eine grundsätzliche Bedeutung ergibt sich ferner nicht aus der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage,

        

ob der ZA die Kompetenz hat, die sofortige Vollziehbarkeit der Zulassungsentziehung anzuordnen.

19

Diese Frage ist nach dem Kontext des LSG-Urteils schon nicht entscheidungserheblich, also nicht klärungsfähig. Auf die Frage der Kompetenz des ZA könnte es nur ankommen, wenn ein etwaiger Kompetenzmangel die Nichtigkeit der VzA begründen würde und dadurch die weitere Leistungserbringung durch den Kläger berechtigt gewesen wäre mit der Folge des Entstehens von Honoraransprüchen. Indessen steht eine Nichtigkeit nicht in Rede; ein etwaiges Zuständigkeitsdefizit des ZA ergäbe keinen evidenten schwerwiegenden Rechtsfehler der VzA im Sinne des § 40 Abs 1 SGB X. Eine sog absolute Unzuständigkeit kann nicht in Betracht gezogen werden, weil eine VzA-Befugnis des ZA einen sachlichen Bezug zu dessen Aufgabenbereich hat.

20

Ungeachtet des Fehlens der Entscheidungserheblichkeit weist der Senat aus Gründen der Klarstellung daraufhin, dass auch der ZA - und nicht erst nur der BA - als Behörde im Sinne des § 86a Abs 2 Nr 5 SGG die Kompetenz hat, eine VzA zu erlassen(so auch BayLSG vom 19.9.2012 - L 12 KA 59/11 - in Abkehr von BayLSG vom 22.8.2008 - L 12 B 650/07 KA ER - MedR 2009, 565; vgl auch zB Pawlita in: Schlegel/Voelzke/Engelmann, juris-PK SGB V, 2. Aufl 2012, § 97 RdNr 70; Schiller, Entscheidungsanmerkung MedR 2009, 566 f; Clemens, Aufschiebende Wirkung und sofortige Vollziehbarkeit, in: Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht , Festschrift 10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, 2008, S 339; offengelassen in BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 30 mwN). Danach kann Sinn und Funktion des § 97 Abs 4 SGG, der mit der Einführung des § 86a Abs 2 Nr 5 SGG bestehen blieb, darin gesehen werden klarzustellen, dass der Berufungsausschuss ungeachtet der abweichenden Terminologie des § 86 Abs 2 Nr 5 SGG("Stelle, die … über den Widerspruch zu entscheiden hat"; anders § 96 Abs 4 SGB V: "den Berufungsausschuss anrufen ") die Kompetenz zum Erlass einer VzA behalten hat.

21

2. Erfolglos ist schließlich auch die vom Kläger erhobene Verfahrensrüge (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), die er unter dem Gesichtspunkt der Missachtung der Bindungswirkungen des früheren LSG-Beschlusses vom 22.8.2008 erhebt.

22

Die Missachtung einer Bindungswirkung würde einen Verfahrensmangel darstellen (unstreitig, vgl zB Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 141 RdNr 23). Das ist bei Urteilen für Fälle der Nichtbeachtung der Rechtskraftwirkung gemäß § 141 Abs 1 SGG anerkannt und gilt entsprechend für Beschlüsse in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes(unstreitig, vgl zB Keller aaO § 141 RdNr 2 und 5). In der vorliegenden Konstellation steht aber keine Bindungswirkung in Frage, deren Missachtung mit der Nichtbeachtung der Rechtskraftwirkung bei Urteilen vergleichbar wäre. Voraussetzung für eine verfahrensmäßig beachtliche Bindungswirkung ist, dass sie (a) zwischen denselben Prozessparteien (sog inter-partes-Bindung) und (b) auf der sog Hauptfragenebene besteht:

23

a) Bedenken ergeben sich hier nicht daraus, dass vorliegend ein Streit zwischen Kläger und KÄV betroffen ist, während der LSG-Beschluss vom 22.8.2008 einen Streit zwischen dem Kläger und dem BA betraf; denn jener LSG-Beschluss entfaltet Bindungswirkung auch im Verhältnis zwischen Kläger und KÄV, weil diese damals beigeladen war.

24

b) Einer Bindungswirkung im Sinne des § 141 Abs 1 SGG steht aber entgegen, dass Gegenstand des LSG-Beschlusses vom 22.8.2008 auf der sog Hauptfragenebene allein die gerichtliche Aufhebung der VzA des ZA war. Zu dessen Streitgegenstand im prozessrechtlichen Sinne gehörte weder die Aussage des LSG dazu, warum die VzA aufgehoben wurde, noch, ob die Aufhebung ex tunc oder nur ex nunc auszusprechen war. Die Auffassung des LSG, die VzA sei rechtswidrig gewesen, weil der ZA dafür nicht zuständig sei, betraf im Rahmen des LSG-Beschlusses vom 22.8.2008 nur die Begründung = Vorfrageebene, sodass keine Bindungswirkung für die hier vom LSG zu treffende Entscheidung ausging. Auch die Frage der ex tunc- oder ex nunc-Wirkung war nicht Gegenstand des LSG-Beschlusses vom 22.8.2008; das LSG hatte damals keinen Anlass, zur ex tunc- oder ex nunc-Wirkung Stellung zu nehmen, und hat dies auch nicht getan.

25

Dementsprechend konnte das LSG im Urteil vom 19.9.2012, ohne eine Bindungswirkung des früheren LSG-Beschlusses vom 22.8.2008 beachten zu müssen, frei darüber entscheiden, ob es nur von einer ex nunc-Wirkung ausgehe und ob es auch den ZA als befugt zur Anordnung einer sofortigen Vollziehbarkeit erachte. Im Übrigen hat das LSG zur Zuständigkeit des ZA, eine sofortige Vollziehung anzuordnen, nur im Rahmen eines obiter dictum Stellung genommen; auch aus diesem Grund gibt es keine "Entscheidungskollision", und somit kann insoweit kein Verfahrensmangel vorliegen.

26

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

27

Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Die Bemessung erfolgt entsprechend der Festsetzung der Vorinstanzen auf den sog Regelwert von 5000 Euro, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. November 2013 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 9. November 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 6., die diese selbst tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein in der Rechtsform einer GmbH betriebenes medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), wendet sich gegen die Feststellung, dass ihre Zulassung geendet habe sowie gegen die vorsorglich erklärte Entziehung der Zulassung.

2

Mit Bescheid des Zulassungsausschusses (ZA) vom 5.9.2008, zur Post gegeben am 8.12.2008 wurde die Klägerin mit Wirkung vom 1.10.2008 mit Sitz in T., . zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gleichzeitig wurde ihr die Genehmigung zur Anstellung des Arztes für Nervenheilkunde Dr. B., des Arztes für Innere Medizin Dr. A. und des Arztes für Kinderheilkunde Dr. M. erteilt. Für die Arztgruppen, denen die Ärzte angehören, bestanden im maßgebenden Planungsbereich (B.) Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung. In dem Bescheid wurde verfügt, dass die vertragsärztliche Tätigkeit innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Bescheides aufzunehmen sei. Ferner wurde das Ende der Zulassung von Dr. B., Dr. A. und Dr. M. zum 30.9.2008 festgestellt. Diese hatten auf ihre Zulassung verzichtet, um in dem MVZ als angestellte Ärzte tätig zu werden.

3

Als Betriebsstätte beabsichtigte die Klägerin ein Ärztehaus zu errichten, das zum Zeitpunkt der Erteilung der Zulassung noch nicht existierte. Auch die erforderliche Baugenehmigung lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor; sie wurde am 22.1.2009 durch die Stadt T. erteilt. Im September 2008 und im Mai 2009 zeigte die Klägerin gegenüber der zu 1 beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) die Aufnahme der Tätigkeit des MVZ an. Als Anschrift des MVZ wurde die B. straße in T. angegeben. Unter dieser Hausnummer existierte eine alte Backsteinvilla, die sich im Eigentum der Gründer des MVZ befand und die bis zum 31.8.2009 an die Stiftung L. vermietet war. Die Stiftung nutzte das Gebäude ua für die Betreuung behinderter Menschen in Form einer Wohngruppe. Die Ärzte Dr. B., Dr. A. und Dr. M. führten ihre ärztliche Tätigkeit nach dem Ende ihrer Zulassung an ihren bisherigen Praxisstandorten fort, die sich in einer Entfernung von etwa 200 bis 450 Metern von der angegebenen Anschrift des zugelassenen MVZ befanden. Die Abrechnung der Leistungen erfolgte unter Angabe der Betriebsstättennummer des MVZ.

4

Nachdem der ZA darauf hingewiesen worden war, dass die angestellten Ärzte des MVZ ihre Tätigkeit weiterhin in ihren Arztpraxen und nicht am Sitz des MVZ ausübten, hörte er die Klägerin am 12.2.2010 dazu an. Darauf teilte die Geschäftsführerin der Klägerin dem Beklagten mit, dass Dr. B. und Dr. M. ihre vertragsärztliche Tätigkeit am Sitz des MVZ in der B. straße ausüben würden. Die Telefonnummern ihrer vormaligen Praxen seien beibehalten worden, um die Erreichbarkeit für langjährige Patienten zu gewährleisten. Ferner legte die Mitgründerin und Geschäftsführerin der Klägerin einen Vertrag vom 15.9.2008 über die Anmietung der Räume der "Backsteinvilla" (B. straße) durch das MVZ vor; der Beginn des Mietverhältnisses war in dem Vertrag mit dem 1.10.2008 angegeben. Die Geschäftsführerin der Klägerin ließ in der Folge Räume der Backsteinvilla, die hinsichtlich Größe und Ausstattung zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit kaum geeignet waren, notdürftig und zum Schein als Arztpraxis herrichten. Bei einer Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter des ZA am 11.3.2010 wurde in dem Gebäude, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Grundstück befindet, auf dem das Gebäude für das MVZ errichtet wurde, eine Arzthelferin in einem provisorisch eingerichteten Empfang, jedoch keine Ärzte oder Patienten angetroffen. Praxisschilder wiesen auf Dr. B. und Dr. A. hin, die jedoch nicht anwesend waren und die fünf Tage später telefonisch mitteilten, dass sie von der Geschäftsführung unter Androhung einer Kündigung gezwungen würden, ihre Tätigkeit in für die Ausübung ärztlicher Tätigkeit nicht geeigneten Räumen der "Backsteinvilla" auszuüben.

5

Daraufhin beantragte die Beigeladene zu 1 beim ZA, der Klägerin die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu entziehen und bezog sich zur Begründung neben der Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit unter der angegebenen Anschrift auf Hinweise zu Verstößen gegen den Datenschutz sowie auf Abrechnungsmanipulationen.

6

Ab etwa Mai 2010 nahmen die bei der Klägerin angestellten Ärzte ihre Tätigkeit in den Räumen des inzwischen weitgehend fertiggestellten Neubaus (Ärztehaus) auf. Auf Antrag der Geschäftsführung des MVZ wurde für die "Backsteinvilla" anstelle der Hausnummer 14 die Hausnummer 16 vergeben, während der Neubau die Hausnummer 14 erhielt. Damit entsprach die Anschrift des MVZ dem im Zulassungsbescheid vom 5.9.2008 angegebenen Sitz.

7

Mit Bescheid vom 10.5.2010 entzog der ZA der Klägerin die Zulassung "mit sofortiger Wirkung" und stellte das Ende der erteilten Anstellungsgenehmigungen fest. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin ihre Tätigkeit am Sitz des MVZ in der B. straße , T., nicht aufgenommen habe. Auf gröbliche Pflichtverletzungen, etwa wegen Abrechnungsbetruges sowie Verletzung des Datenschutzes komme es unter diesen Umständen nicht mehr an.

8

Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Bescheid vom 26.7.2010 zurück, stellte unter Hinweis auf § 19 Abs 3 ÄrzteZV das Ende der Zulassung der Klägerin bereits zum 11.3.2009, 24:00 Uhr, sowie das Ende der Genehmigungen zur Beschäftigung der angestellten Ärzte fest und bestätigte hilfsweise die Entscheidung des ZA zur Entziehung der Zulassung der Klägerin. Sowohl bezogen auf die Feststellung des Endes der Zulassung zum 11.3.2009, 24:00 Uhr, als auch bezogen auf die Entziehung der Zulassung ordnete er außerdem die sofortige Vollziehung an. Auf Antrag der Klägerin ordnete das SG Freiburg mit Beschluss vom 19.8.2010 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 26.7.2010 an. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das LSG Baden-Württemberg mit Beschluss vom 11.1.2011 zurück.

9

Die gegen den Bescheid vom 26.7.2010 gerichtete Klage hat das SG Freiburg mit Urteil vom 9.11.2011 abgewiesen. Auf die dagegen eingelegte Berufung hat das LSG Baden-Württemberg das Urteil des SG Freiburg sowie den Bescheid des Beklagten vom 26.7.2010 aufgehoben. Sowohl die Feststellung des Endes der Zulassung zum 11.3.2009 als auch die hilfsweise ausgesprochene Entziehung der Zulassung seien rechtswidrig. Das Ende der Zulassung wegen Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV greife nur ein, wenn es an der Ausübung jeglicher vertragsärztlicher Tätigkeit fehle, nicht jedoch, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit - wie vorliegend - lediglich am falschen Ort ausgeübt werde. Aus dem Umstand, dass diese Tätigkeit als vertragsärztliche Tätigkeit des MVZ von der Klägerin gegenüber der zu 1 beigeladenen KÄV abgerechnet wurde, folge auch, dass es sich um vertragsärztliche Leistungen des MVZ gehandelt habe. Die Entziehung der Zulassung sei ebenfalls rechtswidrig, weil sich der Pflichtverstoß des MVZ zwar als gröblich, in seiner Schwere jedoch nicht als so erheblich erweise, dass die Entziehung der Zulassung als Eingriff in das Recht der Berufsfreiheit nach Art 12 GG gerechtfertigt wäre. Die vertragsärztliche Tätigkeit des MVZ sei ab Mai 2010 tatsächlich am Vertragsarztsitz ausgeübt worden. Im Hinblick auf diese zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten bestehende Situation erweise sich die Entziehung der Zulassung als unverhältnismäßig. Bei der verspäteten Errichtung des MVZ und dem verzögerten Einzug habe es sich um einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Sachverhalt gehandelt, der sich nach Fertigstellung und Bezug des Ärztehauses so nicht wiederholen könne. Die Unverhältnismäßigkeit einer Zulassungsentziehung folge auch aus dem in der Rechtsprechung des BSG entwickelten Rechtsgedanken zum Wohlverhalten im laufenden Zulassungsentziehungsverfahren. Zwar habe das BSG diese Rechtsprechung mit Urteil vom 17.10.2012 (B 6 KA 49/11 R) aufgegeben. Dies gelte jedoch erst für Verfahren, in denen die Entscheidung des Berufungsausschusses nach der Veröffentlichung des Urteils ergehe. Mithin verbleibe es für das vorliegende Verfahren dabei, dass Verhaltensänderungen des Betroffenen bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz zu berücksichtigen seien. Die Missstände hinsichtlich der zunächst pflichtwidrig "dezentral durchgeführten vertragsärztlichen Tätigkeit" seien endgültig abgestellt. Weitere Pflichtverletzungen würden der Klägerin nicht vorgehalten werden können.

10

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, dass die Zulassung nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV kraft Gesetzes ende, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen werde. Bei der Fortführung der Tätigkeit durch die angestellten Ärzte des MVZ am Ort ihres früheren Praxissitzes handele es sich nicht um eine Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift. Der Sinn des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV erschöpfe sich nicht in der Vermeidung von Verwerfungen im Rahmen der Bedarfsplanung. Vielmehr sollten in zulassungsbeschränkten Gebieten nur solche Ärzte eine Zulassung erhalten, die auch eine Niederlassungsabsicht hegen. Maßgebend für die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit sei der konkrete Ort mit konkreter Adresse, auf den sich die Zulassung beziehe. Ferner sei zu berücksichtigen, dass MVZ fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen seien und dass der ärztliche Leiter in dem MVZ selbst ärztlich tätig sein müsse. Auch dagegen werde mit der dezentralen Tätigkeit der angestellten Ärzte an unterschiedlichen Orten verstoßen. § 19 Abs 3 Ärzte-ZV verstoße als Regelung zur Berufsausübung nicht gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art 12 GG. Auch soweit die hilfsweise verfügte Entziehung der Zulassung aufgehoben werde, verletze das Urteil des LSG Bundesrecht. Das LSG habe in seiner Entscheidung nicht gewürdigt, dass die Klägerin durch wahrheitswidrige Angaben zur Tätigkeit am Sitz des MVZ in Praxisaufnahmebögen, Arbeitsverträgen, Genehmigungsanträgen und Abrechnungssammelerklärung arglistig und absichtlich getäuscht und damit ihre vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt habe.

11

Der Beklagte und die Beigeladene zu 1. beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20.11.2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 9.11.2011 zurückzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Das Urteil des LSG sei nicht zu beanstanden. Unter "Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit" iS des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV sei die tatsächliche ärztliche Versorgung der GKV-Patienten im betreffenden Planungsbereich zu verstehen. § 19 Abs 3 Ärzte-ZV sei im Zuge der Bedarfsplanung eingeführt worden. Ziel der Vorschrift sei es zu gewährleisten, dass der festzustellende Versorgungsgrad der Versorgungsrealität entspreche. Unter Berücksichtigung des Sinngehalts und der hohen Eingriffsintensität sei die Regelung dahin auszulegen, dass die Tätigkeit auch dann aufgenommen werden könne, wenn sie nicht ausschließlich am Vertragsarztsitz stattgefunden habe. Bei verfassungskonformer Auslegung könne die Ausübung der Tätigkeit an einem anderen Ort als dem Ort der Zulassung jedenfalls nicht automatisch zur Beendigung der Zulassung nach Ablauf von drei Monaten führen. Wegen der durch den Beklagten hilfsweise verfügten Entziehung der Zulassung bezieht sich die Klägerin auf die Gründe des Urteils des LSG. Entgegen der Auffassung des Beklagten habe sich das LSG in seiner Entscheidung auch mit den wahrheitswidrigen Dokumenten, der Täuschung über die Aufnahme der Tätigkeit des MVZ am Vertragsarztsitz und der Gründung des MVZ zu einem erheblich verfrühten Zeitpunkt befasst.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Beklagten gegen das Urteil des LSG ist begründet. Das LSG hat die klagabweisende Entscheidung des SG zu Unrecht aufgehoben.

15

A. Einer Sachentscheidung steht nicht entgegen, dass die bei der Klägerin angestellten Ärzte nicht zum Verfahren beigeladen worden sind. Die Entscheidung über das Ende der Zulassung des MVZ hat für die angestellten Ärzte, die zugunsten der Anstellung durch das MVZ auf ihre Zulassung verzichtet haben (vgl § 103 Abs 4a Satz 1 SGB V), zwar erhebliche praktische Bedeutung. Das ändert aber nichts daran, dass die Zulassung der bei der Klägerin angestellten Ärzte aufgrund ihres Verzichts auf die Zulassung mWv 30.9.2008 geendet hat. Die entsprechende Feststellung des ZA aus dem Bescheid vom 5.9.2008 ist bestandskräftig geworden. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die Frage des Endes der Zulassung des MVZ. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Berufungsausschuss auch das Ende der Genehmigung der Anstellung festgestellt hat. Dabei handelt es sich nicht um eine von dem Ende der Zulassung des MVZ isoliert zu betrachtende Entscheidung, sondern um eine Folge des Endes der Zulassung. Der Status der angestellten Ärzte im MVZ ist stets von dem des zugelassenen MVZ abgeleitet (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 27 RdNr 21; BSG Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 39/11 R - Juris RdNr 22; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 14 RdNr 16). Die Anstellungsmöglichkeit ist nicht als Recht des anzustellenden Arztes, sondern als ausschließliches Recht des MVZ bzw des zugelassenen Praxisinhabers ausgestaltet (zur Anstellung bei einem Vertragsarzt vgl BSGE 78, 291, 293 = SozR 3-5520 § 32b Nr 2 S 3). Adressat der Anstellungsgenehmigung ist also das MVZ, das durch diese zur Anstellung eines Arztes in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis berechtigt wird - nicht der angestellte Arzt (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 27 RdNr 21; BSG Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 39/11 R - Juris RdNr 22; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 14 RdNr 16; entsprechend bezogen auf die Anstellung bei einem Vertragsarzt: BSGE 78, 291, 292 f = SozR 3-5520 § 32b Nr 2 S 3 mwN). Aus diesem Grund ist der anzustellende oder bereits angestellte Arzt auch in einem Rechtsstreit über die Anstellungsgenehmigung nicht notwendig beizuladen (BSG Urteil vom 23.3.2011 - B 6 KA 8/10 R - Juris RdNr 11 = SozR 4-2500 § 103 Nr 7, jedoch insoweit nicht abgedruckt; vgl auch BSG SozR 3-5525 § 32b Nr 1 S 3; BSG SozR 3-5520 § 32b Nr 3 S 9 f). Etwas anderes folgt auch nicht aus der mittelbaren Betroffenheit der angestellten Ärzte in ihrem Grundrecht aus Art 12 Abs 1 GG. Allerdings wird ihnen ggf die Möglichkeit einzuräumen sein, nach der Entziehung der Zulassung "ihres" MVZ weiterhin im bisherigen Planungsbereich vertragsärztlich tätig zu sein, wenn ihnen nicht selbst eine gröbliche Pflichtverletzung zur Last fällt (vgl BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 30 mwN).

16

B. In der Sache kann der Entscheidung des LSG nicht gefolgt werden. Die Feststellung im angefochtenen Bescheid des Beklagten, nach der die Zulassung der Klägerin beendet ist, ist ebenso wenig zu beanstanden wie die hilfsweise Entziehung der Zulassung.

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1. Die Klägerin hat ihre Tätigkeit als zugelassenes MVZ nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zustellung aufgenommen. Für diesen Fall ordnet § 19 Abs 3 Ärzte-ZV das Ende der Zulassung mit Ablauf der Frist an.

18

a) Der Senat billigt den Zulassungsgremien in ständiger Rechtsprechung die Befugnis zu, deklaratorische Entscheidungen über das Ende der Zulassung zu treffen, um Rechtssicherheit herzustellen und für alle an der vertragsärztlichen Versorgung Beteiligten Klarheit darüber zu schaffen, ob ein Arzt berechtigt ist, vertragsärztlich tätig zu werden (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 2 RdNr 12; vgl auch BSGE 100, 43 = SozR 4-2500 § 95 Nr 14, RdNr 9; BSGE 83, 135, 138 = SozR 3-2500 § 95 Nr 18 S 65; BSGE 78, 175, 183 = SozR 3-5407 Art 33 § 3a Nr 1 S 10).

19

Grundlage der Feststellung des Beklagten, nach der die Zulassung der Klägerin mit Ablauf des 11.3.2009 endet, ist § 19 Abs 3 Ärzte-ZV(in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung - GSG) vom 21.12.1992 (BGBl I 2266). Nach dieser Vorschrift endet die Zulassung, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen wird. Die Zulassung endet nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV kraft Gesetzes und ohne dass es einer Umsetzung durch VA bedürfte, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen(vgl BSG Beschluss vom 29.11.2006 - B 6 KA 35/06 B - RdNr 9; zur ehemals geltenden Altersgrenze für Vertragsärzte vgl BSGE 83, 135, 138 f = SozR 3-2500 § 95 Nr 18 S 66; BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 32 S 154; BSG Beschluss vom 5.11.2003 - B 6 KA 56/03 B - Juris RdNr 8; vgl auch SG Marburg, Gerichtsbescheid vom 8.10.2008 - S 12 KA 284/08, Juris RdNr 35; Dahm in FS 10 Jahre AG Medizinrecht, 2008, 343, 345 f). Die Klägerin hat ihre Tätigkeit als zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenes MVZ nicht innerhalb dieser Frist aufgenommen. Vielmehr haben die Ärzte, die auf ihre Zulassung verzichtet hatten, um bei der Klägerin tätig zu werden, auch noch weit über den Ablauf der Frist hinaus für mehr als ein Jahr ihre ärztliche Tätigkeit weiterhin jeweils am Ort ihrer bisherigen Praxissitze ausgeübt.

20

b) Die Vorschrift des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV ist wirksam. Insbesondere beruht die Vorschrift auf einer rechtmäßigen Ermächtigungsgrundlage und hält sich im Rahmen der Ermächtigung (ebenso: Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV, 2007, § 19 RdNr 17; Dahm, FS 10 Jahre AG Medizinrecht im DAV, 2008, S 343, 344 f; Großbölting/Jaklin, NZS 2002, 525, 527; Kremer/Wittmann, Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, 2. Aufl 2014, RdNr 1397; Schiller in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 5 D RdNr 12; Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 2. Aufl 2014, § 15 RdNr 46; aA, jedoch ohne nähere Begründung: Bedei/Zalewski in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, § 19 Ärzte-ZV, RdNr E 19-4; vgl auch Schallen, Zulassungsverordnung, 8. Aufl 2012, § 19 RdNr 22). Sie steht auch nicht im Widerspruch zu höherrangigem Gesetzesrecht.

21

aa) § 19 Abs 3 Ärzte-ZV ist mit der Vierten Verordnung zur Änderung der Zulassungsordnung für Kassenärzte vom 20.7.1987 (BGBl I 1679 f) eingeführt und mit dem GSG durch den parlamentarischen Gesetzgeber - allerdings nur redaktionell (Ersetzung des Wortes "kassenärztliche" durch "vertragsärztliche") - geändert worden. Der Senat war in der Vergangenheit in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die durch den Gesetzgeber geänderten Bestimmungen der Ärzte-ZV im Rang eines formellen Gesetzes stünden und deshalb keiner gesetzlichen Ermächtigung bedürften (BSGE 91, 164 RdNr 8 ff = SozR 4-5520 § 33 Nr 1, RdNr 7 ff; BSGE 76, 59, 61 = SozR 3-5520 § 20 Nr 1 S 4; BSGE 70, 167, 172 = SozR 3-2500 § 116 Nr 2 S 13 f). Diese Rechtsprechung ist jedoch durch die Entscheidung des BVerfG vom 13.9.2005 (2 BvF 2/03 = BVerfGE 114, 196, 234 ff = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 93 ff; vgl auch BVerfGE 114, 303, 311 ff; BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 65; BSGE 116, 31 = SozR 4-2500 § 272 Nr 1, RdNr 30 mwN; Pawlita in JurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 98 RdNr 12) überholt.

22

Das BVerfG hat in der genannten Entscheidung vom 13.9.2005 die Änderung von Rechtsverordnungen durch den parlamentarischen Gesetzgeber ausdrücklich gebilligt. Aus Gründen der Normklarheit seien die Regelungen jedoch insgesamt auch hinsichtlich der durch den Gesetzgeber geänderten Teile als Rechtsverordnung zu qualifizieren. Die Änderung von Rechtsverordnungen sei zudem nur unter bestimmten Voraussetzungen und Maßgaben mit dem Grundgesetz vereinbar. Dazu gehöre, dass der parlamentarische Gesetzgeber an die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage (Art 80 Abs 1 Satz 2 GG) gebunden sei (BVerfGE 114, 196, 239 f = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 109).

23

Auch unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist § 19 Abs 3 Ärzte-ZV nicht zu beanstanden. Die Vorschrift fällt allerdings nicht unter eine der Gegenstände, die nach dem Katalog des § 98 Abs 2 Nr 1 bis 15 SGB V in den Zulassungsverordnungen zwingend zu regeln sind. So müssen die Zulassungsverordnungen nach § 98 Abs 2 Nr 10 SGB V Vorschriften über "die Voraussetzungen der Zulassungen" enthalten. Dies gilt jedoch nur "hinsichtlich der Vorbereitung und der Eignung zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit sowie die nähere Bestimmung des zeitlichen Umfangs des Versorgungsauftrags aus der Zulassung". Die in § 19 Abs 3 Ärzte-ZV getroffene Regelung zum Ende der Zulassung bei Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit kann nicht unter diesen Wortlaut subsumiert werden.

24

Daraus folgt indes nicht, dass die erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage fehlen würde. § 98 Abs 2 Ärzte-ZV zählt lediglich bestimmte spezifische Bereiche auf, zu denen in den Zulassungsverordnungen Regelungen zu treffen sind, beschränkt die Zulassungsverordnungen jedoch nicht darauf. Vielmehr ist ergänzend § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V als Ermächtigungsgrundlage heranzuziehen(vgl Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV, 2008, § 19 RdNr 17; Dahm, FS 10 Jahre AG Medizinrecht im DAV, 2008, S 343, 345). Danach regeln die Zulassungsordnungen das Nähere über die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sowie die zu ihrer Sicherstellung erforderliche Bedarfsplanung (§ 99 SGB V) und die Beschränkung von Zulassungen. Dass die Aufzählung in Abs 2 lediglich der Konkretisierung bezogen auf bestimmte, nicht abschließend aufgezählte Punkte dient, die zwingend zu regeln sind und dass damit ein eigenständiger Anwendungsbereich des § 98 Abs 1 SGB V als Ermächtigungsgrundlage verbleibt, wird auch durch die Entstehungsgeschichte der Regelung bestätigt: § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V geht auf den mit dem Gesetz über Änderungen von Vorschriften des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung und zur Ergänzung des Sozialgerichtsgesetzes(Gesetz über Kassenarztrecht - GKAR) vom 17.8.1955 (BGBl I 513) eingeführten § 368c Abs 1 Satz 1 RVO zurück, der zunächst folgenden Wortlaut hatte: "Die Zulassungsordnungen regeln das Nähere über die Zulassung". Die dem heute geltenden § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V im Wesentlichen entsprechende Fassung erhielt die Regelung mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Kassenarztrechts(Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetz - KVWG) vom 28.12.1976 (BGBl I 3871), mit dem die Wendung "die sonstige Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung sowie die zu ihrer Sicherstellung erforderliche Bedarfsplanung und Beschränkung von Zulassungen" eingefügt wurde. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 7/3336 S 23) sollte der Regelungsbereich der Zulassungsordnungen mit dieser Änderung des Abs 1 erweitert werden. Dies spricht für einen eigenständigen Anwendungsbereich des Abs 1 als Ermächtigungsgrundlage. Auch der Umstand, dass die Verordnungsermächtigung gleichzeitig durch Änderungen der Aufzählung des Abs 2 "konkretisiert" (BT-Drucks 7/3336 S 23) wurde, kann nach Auffassung des Senats nicht dahin verstanden werden, dass der Umfang der Ermächtigung allein durch Abs 2 definiert würde.

25

bb) § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V genügt dem Bestimmtheitsgebot aus Art 80 Abs 1 Satz 2 GG. Danach müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Der Gesetzgeber muss also selbst die Grenzen einer solchen Regelung festsetzen und angeben, welchem Ziel sie dienen soll (BVerfGE 2, 307, 334 f; BVerfGE 23, 62, 72). Zur Klärung von Zweck, Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung können - wie auch sonst bei der Auslegung von Normen - neben dem Wortlaut die Entstehungsgeschichte, der Sinnzusammenhang und das Ziel der gesetzlichen Regelung berücksichtigt werden (BVerfGE 19, 354, 361 f). Welche Anforderungen an die Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind, ist vom Regelungsgegenstand und der Eingriffsintensität abhängig. An Regelungen, die erheblich in die Rechtsstellung des Betroffenen eingreifen sind höhere Anforderungen zu stellen, als wenn es sich um Regelungsbereiche handelt, die die Grundrechtsausübung weniger tangieren (vgl BVerfGE 58, 257, 277 f; BVerfGE 62, 203, 210; BVerfGE 113, 167, 269).

26

Bezogen auf die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung und zur Bedarfsplanung hat der Gesetzgeber die wesentlichen Bestimmungen in §§ 95 ff und §§ 99 ff SGB V selbst getroffen und dem Verordnungsgeber mit § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V lediglich die nähere Ausgestaltung bezogen auf die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, die zu ihrer Sicherstellung erforderliche Bedarfsplanung(§ 99 SGB V) und die Beschränkung von Zulassungen übertragen. Der gesetzlich vorgegebenen Zielsetzung entspricht § 19 Abs 3 Ärzte-ZV. Die Vorschrift ist durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Zulassungsordnung für Kassenärzte vom 20.7.1987 (BGBl I 1679) im Zusammenhang mit weiteren Regelungen zur Bedarfsplanung eingeführt worden und regelt das Ende der Zulassung bei Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit allein für von Zulassungsbeschränkungen betroffene Planungsbereiche. Nach der Begründung des für den Erlass der Zulassungsverordnungen damals zuständigen Bundesministeriums zur Einführung des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV soll die Regelung sicherstellen, "daß nur der Antragsteller die Zulassung erhält, der eine konkrete Niederlassungsabsicht in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich hat. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Aufnahme der kassenärztlichen Tätigkeit innerhalb einer Frist von drei Monaten zumutbar ist" (BR-Drucks 230/87 S 8). § 19 Abs 3 SGB V regelt damit Näheres zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung iS des § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V. Gleichzeitig besteht ein enger Zusammenhang mit der in § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V ebenfalls angesprochenen Bedarfsplanung und der Beschränkung von Zulassungen. Dies wird auch daran deutlich, dass die § 19 Abs 3 Ärzte-ZV entsprechende Vorschrift für den vertragszahnärztlichen Bereich zusammen mit Regelungen zur Bedarfsplanung bei Überversorgung aufgehoben worden ist(vgl Art 22 Nr 9 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378, 458).

27

Bezogen auf die Eingriffsintensität des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV ist zu berücksichtigen, dass der als Rechtsfolge vorgesehene Verlust der Zulassung zwar schwerwiegend ist. Andererseits sind zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren gemäß § 95 Abs 3 Satz 1 und 2 SGB V zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht nur berechtigt, sondern im Interesse der Sicherstellung der Versorgung im Umfang des aus der Zulassung folgenden Versorgungsauftrags auch verpflichtet. Für den Fall der Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit hat bereits der Gesetzgeber in § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V die Entziehung der Zulassung verbindlich vorgeschrieben. Die darüber hinausgehenden Rechtsfolgen, die § 19 Abs 3 Ärzte-ZV speziell für Planungsbereiche mit Zulassungsbeschränkungen vorsieht, sind nicht als besonders gravierend zu bewerten. Unter diesen Umständen begegnet es keinen Bedenken, dass das Nähere zur Beendigung der Zulassung speziell für den Fall der Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich auf der Grundlage des § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V durch Rechtsverordnung geregelt wurde.

28

cc) § 19 Abs 3 Ärzte-ZV steht auch nicht im Widerspruch zu anderen die Beendigung der Zulassung regelnden Bestimmungen des SGB V(aA Bedei/Zalewski in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, § 19 Ärzte-ZV, S E 19-5; ähnlich: Schallen, Zulassungsverordnung, 8. Aufl 2012, § 19 RdNr 22). Zwar trifft auch § 95 Abs 7 SGB V Regelungen zu den Voraussetzungen, unter denen die Zulassung eines Vertragsarztes(Satz 1) oder eines MVZ (Satz 2) endet, wie zB bei Ablauf eines Befristungszeitraums oder dem Wirksamwerden eines Verzichts. Es handelt sich dabei aber nicht um eine abschließende Regelung von Beendigungsgründen (Schiller in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 5 D RdNr 12). Von § 19 Abs 3 Ärzte-ZV abweichende Bestimmungen enthält die Vorschrift daher nicht. Entsprechendes gilt für § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V, der bestimmt, dass die Zulassung zu entziehen ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Damit erstreckt sich § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V zwar auch auf den Fall der Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit. § 19 Abs 3 Ärzte-ZV trifft dazu jedoch eine spezielle Regelung, die allein für die Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in von Zulassungsbeschränkungen getroffenen Planungsbereichen gilt und die in den Rechtsfolgen über die allgemeine Regelung des § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V insofern hinausgeht, als die Zulassung gemäß § 19 Abs 3 Ärzte-ZV nach Ablauf einer bestimmten Frist kraft Gesetzes endet, ohne dass es einer Entziehung durch VA bedarf. Beide Vorschriften widersprechen einander nicht. Auch wird das Recht der Zulassungsgremien, die Zulassung nach § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V (vorsorglich) zu entziehen, durch § 19 Abs 3 Ärzte-ZV nicht eingeschränkt(zu einer bedingt erteilten Zulassung bei Nichteintritt der Bedingung vgl BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 2 RdNr 13).

29

c) Die Beendigung der Zulassung bei Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in einem wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereich verstößt auch nicht gegen die in Art 12 Abs 1 GG geregelte Berufsfreiheit. Grundsätzlich ist es einem Arzt zuzumuten, seine vertragsärztliche Tätigkeit innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufzunehmen. Allerdings ist die Vorschrift unter Berücksichtigung von Art 12 Abs 1 GG einschränkend auszulegen. Einschränkungen im Anwendungsbereich sind geboten, wenn der Arzt die Frist von drei Monaten ohne eigenes Verschulden nicht einhalten kann. Davon ist der Senat im Ergebnis bereits in Fallgestaltungen ausgegangen, in denen die erteilte Zulassung von einem Dritten angefochten worden war und hat im Interesse des effektiven Rechtsschutzes darüber hinaus bei der Praxisnachfolge ausdrücklich auf das Erfordernis der Existenz einer fortführungsfähigen Praxis zum Zeitpunkt der letzten Tatsacheninstanz verzichtet (vgl BSGE 115, 57 = SozR 4-2500 § 103 Nr 13, RdNr 39 f; vgl auch Schiller in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 5 D RdNr 13). Dass die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit innerhalb von drei Monaten im Falle der Anfechtung durch einen Konkurrenten nicht verlangt werden kann, folgt aus dem Umstand, dass der zugelassene Arzt von der durch einen Dritten angefochtenen Zulassung - jedenfalls sobald ihm die Anfechtung bekannt ist - noch keinen Gebrauch machen darf, solange die sofortige Vollziehung der Zulassung nicht angeordnet worden ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 13, 21 mwN).

30

Nach Auffassung des Senats kann bei verfassungskonformer Auslegung des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV die Möglichkeit einer Verlängerung der Frist von drei Monaten auch für andere Fälle einer unverschuldeten Verzögerung der Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht gänzlich ausgeschlossen werden(im Ergebnis ebenso: LSG Baden-Württemberg Urteil vom 15.3.2006 - L 5 KA 3995/04 - Juris RdNr 24, 29; Schroeder-Printzen in Ratzel/Luxenburg, Handbuch Medizinrecht, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 399; einschränkend, aber ausdrücklich offen gelassen bezogen auf die Möglichkeit, die Frist durch einen rechtzeitigen Ruhensantrag zu verlängern: LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 20.6.2007 - L 7 KA 7/04 - MedR 2008, 393, 395; gegen eine Verlängerungsmöglichkeit dagegen: Dahm in FS 10 Jahre AG Medizinrecht, 2008, 343, 348). Davon ist der Senat bereits in einem unveröffentlichten Beschluss vom 29.11.2006 (B 6 KA 35/06 B - RdNr 9) ausgegangen und hat einem Psychotherapeuten, der geltend gemacht hat, die Tätigkeit wegen einer schweren Erkrankung nicht aufgenommen zu haben, im Grundsatz die Möglichkeit eingeräumt, zur Vermeidung einer Beendigung der Zulassung nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV das Ruhen der Zulassung nach § 95 Abs 5 Satz 1 SGB V iVm § 26 Ärzte-ZV zu beantragen. Unter Bezugnahme auf seine Rechtsprechung zur ehemals geltenden 55-Jahres-Zugangsgrenze (vgl BSG SozR 3-5520 § 25 Nr 5 S 39) hat der Senat eine Verlängerung der Drei-Monats-Frist des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV allerdings davon abhängig gemacht, dass der Ruhensantrag bis zum letzten Tag der Frist gestellt worden ist. Daran hält der Senat fest und geht davon aus, dass die Drei-Monats-Frist nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV bei rechtzeitiger Antragstellung verlängert werden kann, jedenfalls wenn sich die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit aus einem wichtigen, zum Zeitpunkt der Beantragung der Zulassung noch nicht absehbaren Grund ohne eigenes Verschulden verzögert und wenn die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit außerdem in angemessener Frist zu erwarten ist.

31

Danach kann eine Verlängerung der Frist zur Aufnahme der Tätigkeit des MVZ vorliegend nicht in Betracht kommen. Von einer unverschuldeten Versäumung der Frist von drei Monaten kann keine Rede sein, weil zum Zeitpunkt der Beantragung der Zulassung und deren Erteilung mindestens absehbar war, dass die vertragsärztliche Tätigkeit nicht innerhalb der gesetzlichen Frist aufgenommen werden kann. Die "Backsteinvilla", die sich am Sitz des zugelassenen MVZ in der B. straße befand und deren Eigentümer die Gründer des MVZ waren, war auch zum Zeitpunkt der Erteilung der Zulassung noch an die Stiftung L. vermietet, die dort behinderte Menschen in einer Wohngruppe betreute. Räume, in denen das MVZ ohne weiteres hätte betrieben werden können, existierten dort nach den Feststellungen des LSG nicht. Für das "Ärztehaus" in unmittelbarer Nachbarschaft zur "Backsteinvilla", in der das MVZ betrieben werden sollte, war zum Zeitpunkt der Antragstellung und auch zum Zeitpunkt der Zustellung des Zulassungsbescheides im Dezember 2008 noch nicht einmal die Baugenehmigung erteilt worden. Zudem hat die Klägerin nicht nur versäumt, rechtzeitig eine Verlängerung der Frist zur Aufnahme der Tätigkeit des MVZ zu beantragen, sondern im Gegenteil gegenüber dem Zulassungsausschuss und gegenüber der zu 1. beigeladenen KÄV die Existenz eines MVZ an dem Ort, für den die Zulassung erteilt worden war, vorgetäuscht, indem sie im September 2008 und im Mai 2009 wahrheitswidrig die Aufnahme der Tätigkeit des MVZ angezeigt und Abrechnungen unter der Betriebsnummer des MVZ erstellt hat. Nachdem beim ZA Anfang des Jahres 2010 Zweifel an der Existenz des MVZ aufgekommen waren, hat die Klägerin versucht, die Täuschung aufrechtzuerhalten, indem sie noch einmal schriftlich erklärt hat, dass die angestellten Ärzte am Sitz des MVZ in der B. straße tätig seien, zum Beleg ua einen Mietvertrag vorgelegt hat, ausweislich dessen die Räume der "Backsteinvilla" ab dem 1.10.2008 an das MVZ vermietet worden sein sollen und schließlich Räume der "Backsteinvilla" zum Schein als Arztpraxis hergerichtet hat.

32

d) Über § 1 Abs 3 Nr 2 Ärzte-ZV gilt § 19 Abs 3 Ärzte-ZV für MVZ entsprechend. Auf die Frage, ob die Regelung bereits zur Anwendung kommt, wenn für eine der im MVZ vertretenen Arztgruppen Zulassungsbeschränkungen gelten, oder ob auf die Aufnahme der Tätigkeit der von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Arztgruppen abzustellen ist, kommt es vorliegend nicht an, weil für alle drei im MVZ vertretenen Arztgruppen (Nervenheilkunde, Innere Medizin, Kinder- und Jugendmedizin) im Zeitraum der Zulassung der Klägerin und auch noch drei Monate nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung im betroffenen Planungsbereich Zulassungsbeschränkungen galten.

33

e) Das MVZ hat seine Tätigkeit nicht innerhalb von drei Monaten nach der Zustellung des Bescheides über die Zulassung im Dezember 2008 aufgenommen. Vielmehr haben die bei der Klägerin angestellten Ärzte ihre Tätigkeit ohne eine vertragsärztliche Zulassung bis etwa Mai 2010 und damit weit über drei Monate hinaus in den jeweiligen Räumen ihrer Arztpraxen fortgeführt, anstatt gemeinsam am Sitz des MVZ tätig zu werden. Der Bescheid des ZA vom 5.9.2008 ist am 8.12.2008 zur Post gegeben und der Klägerin in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise (vgl § 65 Abs 2 SGB X iVm § 4 Abs 1 Verwaltungszustellungsgesetz für Baden-Württemberg vom 3.7.2007, GBl 2007, 293) mittels Einschreiben durch Übergabe zugestellt worden, sodass die Klägerin ihre Tätigkeit jedenfalls im Laufe des März 2009 hätte aufnehmen müssen. Entgegen der Auffassung des LSG kann in dem Umstand, dass die bei der Klägerin angestellten Ärzte, die zuvor auf ihre Zulassung verzichtet hatten, ihre Tätigkeit am Ort ihrer ehemaligen Praxissitze fortgesetzt haben, nicht die Aufnahme der Tätigkeit des MVZ gesehen werden.

34

aa) Zwar spricht aus Sicht des Senats - auch unter Berücksichtigung der einschneidenden Rechtsfolgen, die § 19 Abs 3 Ärzte-ZV anordnet - einiges dafür, dass nicht jede von der erteilten Zulassung abweichende Form der Leistungserbringung zur Folge hat, dass von einer fehlenden Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit ausgegangen werden könnte. Grundsätzlich ist aber für eine Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit iS des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV zu fordern, dass diese am Vertragsarztsitz bzw - bei der Zulassung eines MVZ - am Sitz des MVZ ausgeübt wird. Die Zulassung ist nach § 18 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV für einen konkreten Sitz zu beantragen und die Zulassung erfolgt gemäß § 95 Abs 1 Satz 7 SGB V, § 24 Abs 1 Ärzte-ZV für diesen Ort(vgl BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 7/14 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 19 mwN). Zulassung und Vertragsarztsitz sind rechtlich so eng miteinander verknüpft, dass der Vertragsarztsitz in seiner rechtlichen Wirkung an dem Statuscharakter der Zulassung teilnimmt (BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 2 RdNr 13). Der Umstand, dass der Vertragsarztsitz in § 95 Abs 1 Satz 7 SGB V als "Ort der Niederlassung" definiert wird, bedeutet nach ständiger Rechtsprechung (vgl BSG SozR 3-5520 § 24 Nr 4 S 15 mwN) nicht, dass auf die Ortschaft iS einer Verwaltungseinheit abzustellen wäre. Vielmehr ist die konkrete Praxisanschrift gemeint. Sowohl Vertragsärzte wie MVZ sind gemäß § 17 Abs 1a BMV-Ä verpflichtet, am Vertragsarztsitz in Form von Sprechstunden zur Verfügung zu stehen. Das MVZ kann diese Verpflichtung nur durch seine angestellten Ärzte bzw seine Vertragsärzte erfüllen.

35

Ob gleichwohl mit dem LSG davon auszugehen ist, dass auch die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit unter einer anderen Anschrift als dem Vertragsarztsitz als Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit iS des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV angesehen werden kann, sodass die Zulassung in einem solchen Fall jedenfalls nicht kraft Gesetzes nach Ablauf von drei Monaten endet(gegen eine solche einschränkende Auslegung des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV zB Hesral in Ehlers, Fortführung von Arztpraxen, 3. Aufl 2009, RdNr 422), lässt der Senat dahingestellt. Für die vorliegende Entscheidung kommt es darauf im Ergebnis nicht an, weil das MVZ seine Tätigkeit nicht nur "am falschen Ort", sondern innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten nach Zustellung des Bescheides über die Zulassung überhaupt nicht aufgenommen hat.

36

bb) Anders als bei einer Berufsausübungsgemeinschaft sind bei einem MVZ nicht die dort tätigen Ärzte Träger der Zulassung, sondern das MVZ selbst (vgl § 95 Abs 1 SGB V). Dem entsprechend richten sich Rechte und Pflichten bezogen auf die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 72 Abs 1, § 95 Abs 3 SGB V in erster Linie unmittelbar an das zugelassene MVZ(BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 14 RdNr 15 f mwN). Insbesondere für den Einsatz der Ärzte und für die Korrektheit der Abrechnung ist das MVZ selbst verantwortlich (BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 21). Dieser Struktur entsprechend ist bei der gemäß § 1 Abs 3 Nr 2 Ärzte-ZV gebotenen Anwendung des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV auf MVZ nicht die Aufnahme (oder Fortführung) der Tätigkeit durch einzelne Ärzte maßgebend, sondern allein die Frage, ob das MVZ als Einrichtung, der die Zulassung erteilt worden ist, seine Tätigkeit innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen hat. Daran fehlt es hier.

37

Nach § 95 Abs 1 Satz 2 SGB V sind MVZ fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen in denen Ärzte, die in das Arztregister nach § 95 Abs 2 Satz 3 SGB V eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Der Begriff der Einrichtung wird im SGB V an verschiedenen Stellen verwendet aber nicht definiert. Zu fordern ist jedenfalls eine räumlich und sachlich abgrenzbare Einheit (so auch: Quaas in Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 17 RdNr 11; Kaya, Rechtsfragen medizinischer Versorgungszentren, 2012, S 92; Konerding, Der Vertragsarztsitz im MVZ, 2009, 48; Dahm, in Dahm/Möller/Ratzel, Rechtshandbuch MVZ, 2005, Kap III RdNr 3). In dieser Einheit müssen nach § 95 Abs 1 Satz 2 SGB V Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen vertreten sein(zu der vorgesehenen, hier noch nicht maßgebenden gesetzlichen Änderung, nach der auf das Merkmal "fachübergreifend" verzichtet werden soll, vgl Art 1 Nr 41 Buchstabe a) aa) des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-VSG, BT-Drucks 18/4095). Ferner muss der ärztliche Leiter selbst in der Einrichtung tätig sein. Letzteres galt nach der Rechtsprechung des Senats (BSG Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 33/10 R - MedR 2012, 695) bereits vor der ausdrücklichen Regelung in § 95 Abs 1 Satz 3 SGB V zum 1.1.2012 durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl I 2983).

38

Eine Einrichtung, die dieser Definition auch nur in Ansätzen entsprechen würde, hat jedenfalls innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung des MVZ nicht existiert. Die Ärzte, die auf ihre Zulassung verzichtet hatten, um bei der Klägerin als angestellte Ärzte tätig zu werden, haben ihre Tätigkeit am Ort ihrer ursprünglichen Arztpraxen fortgesetzt. Weder unter der Anschrift, die mit der Zulassung als Sitz des MVZ bestimmt worden ist, noch an einem anderen Ort sind mehrere Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen im Rahmen einer räumlich und sachlich abgrenzbaren Einheit vertragsärztlich tätig geworden. Bereits weil es an einer Einrichtung im Sinne einer organisatorischen Einheit gefehlt hat, konnte ein ärztlicher Leiter nicht "in der Einrichtung" tätig sein. Der Umstand, dass die erbrachten ärztlichen Leistungen als solche des MVZ abgerechnet wurden und dass die Klägerin nach außen zB bei Überweisungen als MVZ aufgetreten sein mag, hat nicht zur Folge, dass von der Existenz eines MVZ ausgegangen werden könnte. Vielmehr hat die Klägerin die Existenz des MVZ auf diese Weise lediglich vorgetäuscht. Gerade solche bloß "virtuellen" Erscheinungsformen, die "bloß auf dem Papier" existieren, können nicht als Einrichtungen, iS des § 95 Abs 1 Satz 2 SGB V qualifiziert werden(vgl Dahm in Dahm/Möller/Ratzel, Rechtshandbuch MVZ, 2005, Kap III RdNr 4; Quaas in Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 17 RdNr 11 mwN).

39

Damit steht fest, dass das MVZ seine Tätigkeit nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zustellung aufgenommen hat. Folge ist nach der insoweit eindeutigen Regelung des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV, dass die Zulassung kraft Gesetzes geendet hat.

40

cc) Dagegen kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg einwenden, dass § 19 Abs 3 Ärzte-ZV im Zuge der Einführung der Bedarfsplanung als notwendige Regelung zur Feststellung des Versorgungsgrades eingeführt worden sei und deshalb nicht eingreifen könne, wenn die in dem MVZ angestellten Ärzte zwar nicht am Sitz des MVZ tätig geworden sind, aber die in der Bedarfsplanung zugrunde gelegte vertragsärztliche Versorgung tatsächlich gewährleistet haben. Zwar trifft es zu, dass die Regelung des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV in einem Zusammenhang mit der Bedarfsplanung steht. Das wird bereits daran deutlich, dass die Vorschrift durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Zulassungsordnung für Kassenärzte vom 20.7.1987 (BGBl I 1679) im Zusammenhang mit weiteren Regelungen zur Bedarfsplanung eingeführt worden ist und auch nur in den von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereichen Anwendung findet (vgl B 1.b bb, RdNr 26). Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass eine Beendigung der Zulassung nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV ausgeschlossen wäre, wenn innerhalb von drei Monaten nach Erteilung der Zulassung irgend eine ärztliche Tätigkeit ausgeübt wird, die tatsächlich zur Deckung des Behandlungsbedarfs auch von gesetzlich Versicherten beiträgt. Ausschlaggebend ist allein, ob gerade das MVZ, dem die Zulassung erteilt worden ist, seine Tätigkeit aufgenommen und damit von der ihm erteilten Zulassung Gebrauch gemacht hat. Das war hier aus den dargestellten Gründen nicht der Fall.

41

f) Der Bescheid des Beklagten war auch nicht deshalb teilweise aufzuheben, weil mit der Feststellung des Endes der Zulassung bereits auf den 11.3.2009, 24:00 Uhr, gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen würde. Zwar hat der ZA der Klägerin die Zulassung erst mit Bescheid vom 10.5.2010 "mit sofortiger Wirkung" entzogen und keine Feststellung zu einem bereits zuvor eingetretenen Ende der Zulassung getroffen. Die davon abweichende Entscheidung des Beklagten verstößt jedoch nicht gegen das Verbot der reformatio in peius.

42

aa) Das Verbot der reformatio in peius ist ein im Rechtsstaatsprinzip verankerter Grundsatz (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 37 RdNr 34), der auch im Verfahren vor den Zulassungsgremien gilt (vgl BSG SozR 3-2500 § 96 Nr 1 S 4; BSGE 71, 274 = SozR 3-1500 § 85 Nr 1). Der Begriff beschreibt die Veränderung der mit dem Widerspruch angegriffenen Verwaltungsentscheidung im Widerspruchsverfahren zuungunsten des Widerspruchsführers (BSGE 71, 274, 275 = SozR 3-1500 § 85 Nr 1 S 2). Der Umstand, dass der Berufungsausschuss mit dessen Anrufung funktionell ausschließlich zuständig wird (vgl BSG SozR 3-2500 § 96 Nr 1), begründet entgegen der Auffassung des Beklagten (S 17 f des Bescheides) keine Abweichung von diesem Grundsatz (zur entsprechenden Fragestellung in den Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 37 RdNr 34).

43

bb) Zur Begründung der Entscheidung, der Klägerin die Zulassung „mit sofortiger Wirkung“ zu entziehen, hat der ZA ua ausgeführt, dass ein Ende der Zulassung nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV nicht festgestellt worden sei, nachdem die Klägerin die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit zum 1.10.2008 angezeigt habe. Die Zulassung eines MVZ erfolge für einen konkreten Vertragsarztsitz. Werde die Tätigkeit an diesem Vertragsarztsitz nicht aufgenommen, ende die Zulassung nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV. Isoliert betrachtet stelle § 19 Abs 3 Ärzte-ZV damit bereits einen Tatbestand für das gesetzliche Ende der Zulassung dar. Unter Bezugnahme auf ein Urteil des Senats vom 5.2.2003 (B 6 KA 22/02 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 2) hat der ZA weiter ausgeführt, dass die Möglichkeit bestehe, die Zulassung nach § 95 Abs 6 SGB V zu entziehen, obgleich diese rechtlich nie wirksam geworden sei. Zu der Frage, ob die Zulassung zum Zeitpunkt der Entscheidung über deren Entziehung überhaupt noch bestanden hat oder ob diese bereits zuvor kraft Gesetzes endete, wird in dem Bescheid des ZA danach keine Regelung getroffen. Eine verbindliche, die Klägerin begünstigende Entscheidung dahin, dass er sich auf ein bereits vor dem Zeitpunkt der Entziehung eingetretenes Ende der Zulassung nicht berufen werde, kann der Entscheidung des ZA zur Entziehung der Zulassung "mit sofortiger Wirkung" nicht entnommen werden. Der ZA wäre daher auch für den Fall, dass der Bescheid über die Entziehung der Zulassung bestandskräftig geworden wäre, etwa im Zusammenhang mit einem späteren Streit um Honorarrückforderungen, nicht gehindert gewesen festzustellen, dass das Ende der Zulassung bereits vor der Entziehung kraft Gesetzes eingetreten ist (zum Ende der Zulassung wegen Erreichens der ehemals geltenden Altersgrenze für Vertragsärzte vgl den Beschluss des Senats vom 5.11.2003 - B 6 KA 56/03 B, Juris). Damit war auch der beklagte Berufungsausschuss durch die Entscheidung des ZA zur Zulassungsentziehung nicht gehindert festzustellen, dass die Zulassung bereits vor deren Entziehung gemäß § 19 Abs 3 Ärzte-ZV kraft Gesetzes geendet hat. Denn der Grundsatz der reformatio in peius steht nur einer Änderung des VA im Widerspruchsverfahren zu Lasten des Widerspruchsführers entgegen, die die Ausgangsbehörde aufgrund der Bindung des bereits erlassenen VA nicht mehr hätte vornehmen dürfen (vgl BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 22/14 R, RdNr 27 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; BSGE 53, 284, 287 f = SozR 5550 § 15 Nr 1 S 4 f; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 85 RdNr 5). Der Vertrauensschutz darf also durch die Einlegung des Widerspruchs nicht eingeschränkt werden. Soweit dagegen die Behörde, die einen VA erlassen hat, auch nach dessen Bestandskraft berechtigt ist, ändernde Regelungen oder - wie hier - Feststellungen zu treffen, können diese ebenso im Widerspruchsverfahren getroffen werden (vgl BSGE 71, 274, 276 f = SozR 3-1500 § 85 Nr 1 S 3 f mwN). Für das Verfahren vor dem Berufungsausschuss gilt insofern nichts Anderes.

44

cc) Im Ergebnis war der Beklagte an der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellung zum eingetretenen Ende der Zulassung auch unter dem Gesichtspunkt der reformatio in peius nicht gehindert. Im Übrigen wirkt sich die Beantwortung der Frage, ob die Zulassung kraft Gesetzes entfallen oder aber entzogen worden ist, jedenfalls für die Zeit vor der Aufnahme der Tätigkeit des MVZ etwa im Mai 2010 sowie für die Zeit seit der gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht zum Nachteil der Klägerin aus.

45

(1) Soweit die Klägerin gegenüber der Beigeladenen zu 1. Leistungen abgerechnet hat, die tatsächlich nicht durch das MVZ erbracht worden sind, schützt die streitgegenständliche Zulassung die Klägerin ohnehin nicht vor Honorarrückforderungen: Ein die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllendes MVZ, das sich die Zulassung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verschafft hat, kann grundsätzlich nicht unter Berufung auf den dadurch erworbenen formalrechtlichen Status vertragsärztliche Leistungen erbringen und abrechnen (zur entsprechenden Fragestellung bei der Zulassung als Vertragsarzt: BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 23; BSGE 76, 153, 155 = SozR 3-2500 § 95 Nr 5 S 22 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 368f Nr 1). Voraussetzung eines Anspruchs des MVZ auf Honorar ist unabhängig von der Zulassung, dass die abzurechnenden Leistungen im Übrigen in Übereinstimmung mit den rechtlichen Vorgaben erbracht wurden. Ein zugelassener Leistungserbringer kann grundsätzlich nur Leistungen abrechnen, die er selbst erbracht hat. Zwar kann das MVZ Leistungen nicht unmittelbar, sondern nur durch die dort tätigen angestellten Ärzte/Vertragsärzte erbringen. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Existenz des MVZ als ärztlich geleitete Einrichtung iS des § 95 Abs 1 Satz 2 SGB V grundlegende Voraussetzung für die Abrechnung erbrachter Leistungen durch das MVZ ist. Bereits für Leistungen, die ein Arzt nicht an dem Vertragsarztsitz (§ 24 Abs 1 Ärzte-ZV) erbracht hat, weil er seine Praxis ohne die erforderliche vorherige Genehmigung verlegt hat, steht ihm grundsätzlich kein Anspruch auf Vergütung zu (vgl BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 2). Erst Recht können Leistungen eines MVZ, das zur Zeit der Erbringung der Leistung noch nicht existierte, nicht vergütet werden. In Betracht käme allenfalls eine Abrechnung durch die einzelnen Ärzte, die die Leistung erbracht haben. Voraussetzung wäre aber, dass diese über die erforderliche Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung verfügen. Im Ergebnis kann die im Bescheid des Beklagten getroffene Feststellung zum Ende der Zulassung daher keinen Einfluss auf den Vergütungsanspruch für Leistungen haben, die vor der Aufnahme des Betriebs des MVZ durch Angestellte der Klägerin erbracht worden sind.

46

(2) Auf der anderen Seite kann Vergütungsansprüchen der Klägerin - jedenfalls für die Zeit seit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage durch die ergangenen gerichtlichen Entscheidungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl BSG Beschluss vom 5.6.2013 - B 6 KA 4/13 B, MedR 2013, 826) - die Beendigung der Zulassung nicht entgegengehalten werden:

47

Der Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid die sofortige Wirkung nicht nur der (hilfsweisen) Entziehung der Zulassung, sondern auch der Feststellung des Endes der Zulassung mit Ablauf der Frist des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV zum 11.3.2009, 24:00 Uhr, angeordnet. Bezogen auf die getroffene Feststellung zum Ende der Zulassung ist der Regelungsgehalt der Anordnung insofern zweifelhaft, als Rechtsbehelfe im Falle eines Verwaltungsakts, der eine durch Gesetz eingetretene Rechtsfolge lediglich deklaratorisch feststellt, ohnehin keinen Einfluss auf das Eintreten der Rechtsfolge haben können. Dies hat der Senat bereits bezogen auf das Ende der Zulassung wegen Erreichens der ehemals geltenden Altersgrenze von 68 Jahren für Vertragsärzte entschieden (vgl BSGE 100, 43 = SozR 4-2500 § 95 Nr 14, RdNr 26 mwN). Für die deklaratorische Feststellung des Endes der Zulassung wegen Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV kann insofern nichts anderes gelten als für die deklaratorische Feststellung des Endes der Zulassung wegen Erreichens einer Altersgrenze.

48

Vorliegend hat das SG gleichwohl im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entscheidung des Beklagten angeordnet. Das LSG hat die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen und in der Begründung ua ausgeführt, dass die strengen Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des BVerfG zu Art 12 Abs 1 GG an den Sofortvollzug statusbeendender Entscheidungen im Vertragsarztrecht gestellt werden müssten, auch für die deklaratorische Feststellung des Endes der Zulassung nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV entsprechend gelten müssten. Dem ist nach Auffassung des Senats im Grundsatz zuzustimmen. Allerdings hätte dann nicht lediglich die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet werden dürfen, sondern zumindest auch eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs 2 SGG des Inhalts erlassen müssen, dass die Zulassung vorläufig zu verlängern bzw zu erteilen ist(so auch zu der entsprechenden Konstellation in Streitigkeiten um das gesetzliche Ende der Zulassung wegen Eintritts der ehemals geltenden Altersgrenze für Vertragsärzte: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss 28.11.2007 - L 7 B 153/07 KA ER - Juris RdNr 23; LSG Bayern Beschluss vom 11.7.2008 - L 12 B 1113/07 KA ER - Juris RdNr 15 f; Hessisches LSG Beschluss vom 25.6.2008 - L 4 KA 48/08 B ER - Juris RdNr 15; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 17.5.2005 - L 10 B 10/04 KA ER - GesR 2005, 378 und Beschluss vom 18.9.2007 - L 11 B 17/07 KA ER, Breith 2008, 81; Meschke in Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV, 2007, § 28 RdNr 3; aA Kremer/Wittmann, Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, 2. Aufl 2015 RdNr 266).

49

Auch wenn das LSG im Tenor der Entscheidung den Beschluss des SG zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bestätigt hat, hat es in den Entscheidungsgründen eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass der Klägerin die Möglichkeit gegeben werden soll, bis zum Abschluss des Klageverfahrens von der ihr ursprünglich erteilten Zulassung Gebrauch zu machen und vertragsärztlich tätig zu sein. So haben soweit ersichtlich auch die Beteiligten die Entscheidung des LSG verstanden. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gebots des effektiven Rechtsschutzes aus Art 19 Abs 4 GG muss die Entscheidung des LSG daher (auch) im Sinne einer Regelungsanordnung ausgelegt werden. Das aber hat zur Konsequenz, dass Vergütungsansprüchen der Klägerin jedenfalls für die Zeit seit dem Ergehen der gerichtlichen Anordnung und bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens nicht entgegengehalten werden kann, dass sie nicht über eine Zulassung verfüge.

50

2. Da die der Klägerin erteilte Zulassung bereits gemäß § 19 Abs 3 Ärzte-ZV kraft Gesetzes geendet hat, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Voraussetzungen der - von dem Beklagten hilfsweise verfügten - Entziehung der Zulassung vorgelegen haben. Wenn die Zulassung nicht bereits kraft Gesetzes entfallen wäre, wäre sie jedoch auch aufgrund der Entziehung beendet. Der Bescheid des Beklagten ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch insoweit nicht zu beanstanden.

51

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Zulassung ist § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V, wonach diese unter anderem dann zu entziehen ist, wenn der Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Dieser Tatbestand gilt gleichermaßen für alle zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer; er gilt auch für ein MVZ, wie sich generell aus der Verweisung des § 72 Abs 1 Satz 2 SGB V und speziell aus dem Verhältnis des § 95 Abs 6 zu dessen Abs 1 SGB V ergibt(BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 22). Eine gröbliche Pflichtverletzung liegt nach der Rechtsprechung des Senats vor, wenn die Verletzung ein Ausmaß erreicht, dass das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in die ordnungsgemäße Behandlung des Versicherten und/oder in die Richtigkeit der Leistungsabrechnung so gestört ist, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann (stRspr, vgl BSGE 73, 234, 237 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 12 f; BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10; BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 23 mwN). Dabei kommt es nicht darauf an, ob den Leistungserbringer ein Verschulden an der Zerstörung des Vertrauens trifft (vgl hierzu BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 36; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 28 aE). Wenn das Vertrauensverhältnis zerstört ist, kann dies grundsätzlich nicht durch eine spätere gewissenhafte Pflichterfüllung kompensiert werden, sondern nur die Basis für den Aufbau einer neuen Vertrauensbeziehung bilden und so - im Wege eines neuen Zulassungsantrags und dessen Stattgabe - zur Wiederzulassung führen (BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 23).

52

Unter welchen Voraussetzungen bei einem MVZ von einer gröblichen Pflichtverletzung auszugehen ist, die die Entziehung der Zulassung rechtfertigt, hat der Senat in seiner Entscheidung vom 21.3.2012 (BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 24 ff; vgl dazu auch BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 22.3.2013 - 1 BvR 791/12, NZS 2013, 355) im Einzelnen dargelegt. Danach ist bei Pflichtverstößen zu unterscheiden, ob sie vorrangig oder ausschließlich in den Verantwortungsbereich des MVZ selbst fallen oder aber vorrangig in den Verantwortungsbereich der dort beschäftigten Ärzte. Das Fehlverhalten einzelner Ärzte im Bereich ihres Pflichtenkreises (zB Fehlverhalten gegenüber Patienten) muss nicht zwangsläufig die Entziehung der Zulassung zur Folge haben, wenn das MVZ glaubhaft machen kann, solche Verstöße weder gekannt noch geduldet zu haben. Dagegen trifft das MVZ die volle Verantwortung für die korrekte Organisation der Abläufe und für die Leistungsabrechnung.

53

Die hier in Rede stehenden Pflichtverletzungen betreffen den Pflichtenkreis der Klägerin und nicht den der einzelnen angestellten Ärzte. Der Betrieb des MVZ, der die Existenz dafür geeigneter Räume voraussetzt, fällt in die alleinige Verantwortung des MVZ selbst. Die der Klägerin vorzuwerfenden Pflichtverletzungen sind auch als gröblich zu bewerten. Entgegen der Auffassung des LSG ist der Klägerin nicht "allein der formelle Verstoß hinsichtlich des Ortes der Ausübung der ärztlichen Behandlung im Rahmen der Errichtungsphase des MVZ“ entgegenzuhalten. Vielmehr hat die Klägerin über einen Zeitraum von etwa 1 ½ Jahren Leistungen unter der Betriebsstättennummer einer Einrichtung abgerechnet, die tatsächlich nicht existierte. Darüber hinaus hat der Beklagte zutreffend dem Umstand besonderes Gewicht beigemessen, dass die Geschäftsführerin der Klägerin versucht hat, die Täuschung des ZA sowie der zu 1 beigeladenen KÄV auf konkrete Nachfrage durch wahrheitswidrige Angabe zur Existenz des MVZ und zum Ort der Leistungserbringung aufrechtzuerhalten. Dieses Verhalten ist ohne jeden Zweifel geeignet, das Vertrauen der KÄV in die korrekte Organisation der Leistungserbringung und -abrechnung der Klägerin so nachhaltig zu zerstören, dass ihr eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht mehr zuzumuten ist.

54

Entgegen der Auffassung des LSG rechtfertigt der Umstand, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten ihre Tätigkeit als MVZ in den Räumen des Ärztehauses aufgenommen hatte und dass sich der Sachverhalt so nicht mehr wiederholen kann, keine andere Bewertung. Die Entziehung der Zulassung erfordert keine Negativprognose für das künftige Verhalten des Leistungserbringers im Sinne einer Wiederholungsgefahr. § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V ist nicht auf die Steuerung künftigen Verhaltens ausgerichtet, sondern regelt eine nachträgliche Reaktion auf ein in der Vergangenheit liegendes Fehlverhalten(BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 57). Die Klägerin hat im Übrigen deutlich erkennen lassen, dass sie in einer für sie schwierigen Situation - Zulassung ohne die Möglichkeit zu einer regelkonformen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit - nicht den Kontakt mit den Trägern der vertragsärztlichen Versorgung sucht, um mögliche Lösungen abzustimmen. Sie hat vielmehr gezielt und mit großer Energie den wirklichen Sachverhalt verschleiert und ZA sowie KÄV immer wieder getäuscht. Diese Ausrichtung des Verhaltens hat Wirkung über den Kontext der Zulassungssituation 2008/2009 hinaus, weil es nachhaltige Zweifel daran begründet, ob sich die Klägerin in Situationen, in denen die korrekte Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in Frage steht, kooperativ um eine Lösung bemühen würde. Die Klägerin hat deutlich gemacht, dass sie zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Interessen die von ihr tendenziell banalisierten Vorschriften über die vertragsärztliche Versorgung nicht beachtet. Damit ist auch zukunftsbezogen keine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Trägern der vertragsärztlichen Versorgung gesichert.

55

Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats zum sog Wohlverhalten ist die Entscheidung des Beklagten entgegen der Auffassung des LSG nicht zu beanstanden. Das LSG hat nicht übersehen, dass der Senat seine Rechtsprechung aufgegeben hat, nach der zu prüfen war, ob der Arzt bzw das MVZ im Laufe des - der Entscheidung des Berufungsausschuss folgenden - gerichtlichen Verfahrens seine Eignung für die vertragsärztliche Tätigkeit durch sog "Wohlverhalten" zurückgewonnen hat (BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26).

56

Das LSG hat allerdings angenommen, dass die Maßstäbe aus der Rechtsprechung zum Wohlverhalten übergangsweise weiterhin anzuwenden seien, weil das BSG die Wirkung der Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung auf die Verfahren beschränkt habe, in denen die Entscheidung des Berufungsausschusses nach der Veröffentlichung des Urteils vom 17.10.2012 ergehe. Dies trifft indes nicht zu. Vielmehr hat der Senat den Vertrauensschutz weitergehend auf solche Fälle begrenzt, in denen die vom Senat für ein Wohlverhalten vorausgesetzte "Bewährungszeit" von im Regelfall fünf Jahren (vgl BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 55 mwN) seit der Entscheidung des Berufungsausschusses bereits verstrichen war (BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26, RdNr 56). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil der Zeitraum zwischen der Entscheidung des Beklagten (Beschluss/Bescheid vom 26.7.2010) und der Entscheidung des Senats vom 17.10.2012 fünf Jahre nicht erreicht. Selbst der Zeitraum zwischen der Entscheidung des Beklagten vom 26.7.2010 und der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht als letzter Tatsacheninstanz am 20.11.2013 (zur Bemessung des Zeitraums nur zwischen der Entscheidung des Berufungsausschusses bis zur Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz s BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 15 am Ende; BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26, RdNr 47; BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 55) betrug deutlich weniger als fünf Jahre, sodass bereits nach den Maßstäben, die der Senat in seiner - inzwischen aufgegebenen - Rechtsprechung zum Wohlverhalten entwickelt hatte, eine Wiederherstellung der Vertrauensbasis durch eine nachhaltige Verhaltensänderung nicht in Betracht gekommen wäre.

57

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die unterliegende Klägerin die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs 1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 6. ist nicht veranlasst; sie haben im gesamten Verfahren keine Anträge gestellt (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. September 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Streitig ist das Verlangen des Klägers nach Honorierung von Leistungen, die er in der Zeit nach der Anordnung der sofortigen Vollziehung (VzA) der Zulassungsentziehung durch den Zulassungsausschuss (ZA) am 15.5.2007 bis zur Aufhebung dieser VzA durch das SG am 9.7.2007 erbracht hatte.

2

Der Kläger war seit 1997 als Allgemeinarzt tätig; er führte Heroin-Substitutionsbehandlungen durch. Gegründet auf den Vorwurf jahrelanger sexueller Übergriffe gegen - teils minderjährige - Patientinnen entzog der ZA dem Kläger die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung; die vom Kläger dagegen eingelegten Rechtsbehelfe hatten keinen Erfolg (Beschluss/Bescheid vom 14.8./5.11.2007 sowie anschließendes erfolgloses Klage- und Berufungsverfahren).

3

Der ZA ordnete zugleich mit der Zulassungsentziehung auch deren sofortige Vollziehung an (Beschluss/Bescheid vom 18.4./15.5.2007). Ungeachtet dieser VzA erbrachte der Kläger über den 15.5.2007 hinaus weiterhin Leistungen und brachte diese auch in seiner späteren Quartalsabrechnung vom Juli 2007 gegenüber der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) in Ansatz. Die Beklagte versagte dem Kläger indessen das Honorar für die Leistungen, die er nach dem 15.5.2007 (bis zur Aufhebung der VzA durch das SG) erbracht hatte (sog quartalsgleiche sachlich-rechnerische Richtigstellung vom 10.10.2007).

4

Am 9.7.2007 hob das SG die VzA des ZA vom 18.4./15.5.2007 auf; das LSG wies die Beschwerde des Berufungsausschusses (BA) zurück; SG und LSG führten zur Begründung aus, dass für Anordnungen der sofortigen Vollziehung nicht die Zulassungs-, sondern nur die Berufungsausschüsse zuständig seien (Beschluss des SG vom 9.7.2007 und Zurückweisung der Beschwerde des BA durch Beschluss des LSG vom 22.8.2008). Eine VzA des BA vom 14.8./5.11.2007 ist demgegenüber vom SG und vom LSG bestätigt worden (Beschlüsse vom 7.12.2007 und vom 14.8.2008).

5

Den Widerspruch des Klägers gegen die Honorarversagung - der sich auf die von ihm beim SG am 9.7.2007 erreichte gerichtliche Aufhebung der VzA des ZA berief - hat die Beklagte zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 23.9.2009). Anders als das SG (Urteil vom 28.1.2011) hat das LSG die Klage abgewiesen (Urteil vom 19.9.2012). In dessen Urteil ist ausgeführt, dass die sachlich-rechnerische Richtigstellung zu Recht erfolgt sei. Der Kläger habe über den 15.5.2007 hinaus keine Leistungen erbringen dürfen; er hätte die VzA des ZA beachten müssen, ungeachtet der Frage, ob dieser - oder nur der BA - für die VzA zuständig gewesen sei. Die spätere gerichtliche Aufhebung der VzA habe keine Rückwirkung entfalten können. Im Übrigen hätten die Zulassungsausschüsse die Kompetenz für Anordnungen sofortiger Vollziehung; die frühere gegenteilige Auffassung, die noch dem Beschluss vom 22.8.2008 zugrunde gelegen habe, werde aufgegeben.

6

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, die Frage der Rückwirkung gerichtlicher Aufhebungen von Vollziehungsanordnungen und die Frage der Zuständigkeit der Zulassungsausschüsse für Vollziehungsanordnungen hätten grundsätzliche Bedeutung. Ferner liege ein Verfahrensverstoß in Gestalt der Missachtung der Bindungswirkungen des früheren LSG-Beschlusses vom 22.8.2008 vor.

7

II. Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Er hat weder mit der Geltendmachung grundsätzlicher Bedeutung noch mit der von ihm erhobenen Verfahrensrüge Erfolg.

8

1. Eine grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) setzt voraus, dass eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt insbesondere dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu siehe zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Klärungsfähigkeit ist nicht gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage nicht im Revisionsverfahren zur Entscheidung anstehen würde (Entscheidungserheblichkeit). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (siehe die BVerfG-Angaben in BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 sowie BVerfG SozR 4-1500 § 160a Nr 16 RdNr 4 f).

9

Nach diesen Maßstäben sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nicht gegeben. Die - hier sinngemäß wiedergegebenen - Rechtsfragen,

        

-       

ob die Aufhebung einer VzA durch ein SG Wirkung ex nunc oder ex tunc hat

        

-       

ob die Aufhebung der VzA grundsätzlich ex nunc wirkt oder ob insoweit eine Ausnahme gelten muss, als die Aufhebung der VzA des ZA wegen dessen Unzuständigkeit ex tunc anzuordnen ist,

sind unter Heranziehung der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BSG dahin zu beantworten, dass eine VzA-Aufhebung durch das SG nur Wirkung ex nunc entfaltet; der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf es insoweit nicht.

10

a) Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung herausgestellt hat, kann ein vertragsärztlicher Status nicht rückwirkend zuerkannt oder aberkannt werden, sondern im vertragsärztlichen System "muss zu jedem Zeitpunkt klar sein, welcher Arzt Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen (KKn) zu deren Lasten behandeln und Leistungen verordnen darf und ob insoweit ein Anspruch des Arztes besteht, wegen der von ihm erbrachten Leistungen an der Verteilung des Honorars durch die KÄV beteiligt zu werden" (Zitat aus BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 34 iVm 36 iVm 28, mit zahlreichen weiteren BSG-Angaben wie zB BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 15 f iVm 22; BSGE 110, 43 = SozR 4-2500 § 103 Nr 9, RdNr 17). Status-Erteilungen und -Aufhebungen wirken nur ex nunc und nicht ex tunc (so zB BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 2 RdNr 10 ff zur Genehmigung einer Praxisverlegung; BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 22 zur aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen eine Ermächtigung; vgl auch schon früher zB BSGE 80, 48, 50 = SozR 3-2500 § 85 Nr 19 S 119/120 betr Großgeräte-Genehmigung).

11

Wie sich aus der Rechtsprechung ergibt, gilt dieser allgemeine Grundsatz nicht nur für den Status selbst, sondern auch für die im Zusammenhang mit einem Status stehende aufschiebende Wirkung und deren Fortfall durch Einlegung von Rechtsbehelfen und Anordnungen der sofortigen Vollziehung. So hat der Senat im Urteil vom 11.3.2009 zu einer Drittanfechtungskonstellation ausgeführt, dass die aufschiebende Wirkung nicht ex tunc eintreten kann (BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 21), und als zweifelhaft bezeichnet, dass eine VzA den Wegfall der aufschiebenden Wirkung rückwirkend bewirken könne (aaO RdNr 28). Er hat hervorgehoben, dass "ein … ex tunc … zurückbezogener Eintritt der aufschiebenden Wirkung … gerade zu der in der Senatsrechtsprechung hervorgehobenen (als nicht tragbar erachteten) Unsicherheit führen" würde (aaO RdNr 22). Der Senat hat dargelegt, dass bis zur Einlegung des Widerspruchs der Ermächtigte Leistungen erbringen darf und dafür Honorar beanspruchen kann; dies kann nicht etwa rückwirkend in Frage gestellt werden, wenn später Widerspruch eingelegt wird; die Widerspruchseinlegung wirkt nur ex nunc (vgl BSG aaO RdNr 21-29).

12

Der Aussagekraft dieser Entscheidung und ihre Anwendbarkeit auf die vorliegende Konstellation steht nicht entgegen, dass der Senat seine Ausführungen anhand einer sog Drittanfechtung und damit in einem Fall "mehrpoliger Rechtsbeziehungen" formuliert hat (vgl hierzu BSG aaO RdNr 32). So wie der Senat zur damaligen Konstellation ausgeführt hat, dass die Widerspruchseinlegung nur ex nunc aufschiebende Wirkung entfaltet und eine VzA die aufschiebende Wirkung nur ex nunc wegfallen lässt, so wirken in einem Fall der vorliegenden Art die VzA und deren spätere Aufhebung durch das SG auch jeweils nur ex nunc. Die später erfolgte Aufhebung der VzA durch das SG konnte das als Folge der VzA zunächst bestehende Verbot der Leistungserbringung also nur ex nunc und nicht rückwirkend aufheben.

13

Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung und des von ihr herausgestellten allgemeinen Grundsatzes ist die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage dahin zu beantworten, dass der betroffene Arzt die VzA sofort ab ihrem Ergehen - ex nunc - beachten muss, dh dass er ab der VzA keine vertragsärztlichen Leistungen mehr erbringen darf und kein Honorar für dennoch erbrachte Leistungen beanspruchen kann, sowie dass er ab der Aufhebung der VzA erneut Leistungen erbringen darf und für diese Honorar beanspruchen kann, dies aber nur ex nunc. Schon vorher - ungeachtet der VzA - erbrachte Leistungen werden nicht rückwirkend legal mit der Folge, dass die KÄV sie honorieren müsste.

14

aa) Diesem aus der Senatsrechtsprechung abzuleitenden Ergebnis steht nicht entgegen, dass andere Gerichte und das Schrifttum vielfach abstrakt formulieren, die gerichtliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wirke auf den Zeitpunkt der VzA zurück (zum Streitstand vgl zB Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 86b RdNr 19 ; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl 2013, § 80 RdNr 171; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 28 mwN). Dies kann jedenfalls angesichts der unter a) dargestellten besonderen vertragsarztrechtlichen Rechtslage nicht für vertragsarztrechtliche Konstellationen der vorliegenden Art gelten. Auch in zahlreichen anderen Fällen sind Abweichungen von allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen aufgrund von Besonderheiten des vertragsarztrechtlichen Systems akzeptiert; dies beruht auf § 37 Satz 1 SGB I("soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt"), wie der Senat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl dazu zB BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 15 RdNr 23, 45; BSG vom 6.2.2013 - B 6 KA 2/12 R - RdNr 16). Ein Bedarf nach grundsätzlicher Klärung besteht insoweit nicht.

15

bb) Im Übrigen liefe es der Funktion der nach der Rechtsprechung des BVerfG ohnehin nur in Ausnahmefällen zulässigen Anordnung des Sofortvollzugs einer Zulassungsentziehung zuwider, wenn der Betroffene seine Tätigkeit ungeachtet der VzA fortsetzen und daraus Vergütungsansprüche generieren könnte. Gerade wenn die VzA dem Schutz der Patienten dient - hier war der Kläger dringend verdächtig, sexuelle Übergriffe gegenüber minderjährigen Mädchen im Zusammenhang mit Substitutionsbehandlungen begangen zu haben und nach dem LSG-Beschluss vom 14.8.2008 - L 12 B 106/08 KA ER - Seite 11, stand zumal Wiederholungsgefahr in Frage -, müssen alle Anreize zum Unterlaufen der Anordnung ausgeschlossen sein (vgl BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 17, 19, 21 zur Ausrichtung "auf die konkrete Rechtsfolge und deren Ordnungsfunktion").

16

b) Auch die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) fordert nicht, dass ein von einer VzA betroffener Arzt seine vertragsärztliche Tätigkeit zunächst fortsetzen darf, bis ein Gericht im Eilverfahren über die Rechtmäßigkeit entschieden hat. Auch wenn der Arzt unmittelbar nach der VzA das SG angerufen und seinerseits alles Erforderliche veranlasst hat, um dem SG eine schnelle Entscheidung zu ermöglichen, darf er seine vertragsärztliche Tätigkeit zunächst nicht weiterführen. Hierzu wird im Schrifttum darauf hingewiesen, dass bei den Gerichten die Praxis verbreitet ist, im Falle nicht sogleich möglicher Entscheidung gemäß § 80 Abs 5 VwGO, § 86b Abs 1 SGG, § 32 BVerfGG - bei drohendem existentiellen oder sonstwie erheblichen Eingriff - einen sog "Hängebeschluss" (auch "Zwischenregelung" genannt) zu erlassen(hierzu ausführlich Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 3. Aufl 2012, RdNr 461-472 ; kurz gefasst auch zB Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 86b RdNr 14; Binder in Lüdtke, SGG, 4. Aufl 2012, § 86b RdNr 72; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl 2013, § 80 RdNr 170). Damit wird den Erfordernissen des Art 19 Abs 4 GG Rechnung getragen. Sollte sich nachträglich herausstellen, dass dem betroffenen Arzt die Zulassung nicht hätte entzogen werden dürfen, können Amtshaftungsansprüche bestehen, soweit ein Arzt durch bindende, aber rechtswidrige Vollziehungsanordnungen an seiner Tätigkeit gehindert worden sein sollte (zur Verfassungsmäßigkeit der Verweisung auf Sekundäransprüche vgl zB BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 31; BSGE 110, 43 = SozR 4-2500 § 103 Nr 9, RdNr 33 mwN).

17

c) Der Grundsatz der Verbindlichkeit von Vollzugsanordnungen bis zu ihrer etwaigen gerichtlichen Aufhebung gilt auch dann, wenn das Gericht die VzA allein mit der Begründung aufgehoben hat, der ZA sei insoweit nicht zuständig. Die Verbindlichkeit könnte nur dann nachträglich-rückwirkend zweifelhaft sein, wenn das SG ausdrücklich ausgesprochen hätte, die Aufhebung der VzA erfolge rückwirkend ab deren Erlass. Hierfür kann der Aufhebung durch das SG im vorliegenden Fall aber nichts entnommen werden; dazu wäre das SG in einer Konstellation wie hier auch nicht berechtigt gewesen.

18

d) Eine grundsätzliche Bedeutung ergibt sich ferner nicht aus der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage,

        

ob der ZA die Kompetenz hat, die sofortige Vollziehbarkeit der Zulassungsentziehung anzuordnen.

19

Diese Frage ist nach dem Kontext des LSG-Urteils schon nicht entscheidungserheblich, also nicht klärungsfähig. Auf die Frage der Kompetenz des ZA könnte es nur ankommen, wenn ein etwaiger Kompetenzmangel die Nichtigkeit der VzA begründen würde und dadurch die weitere Leistungserbringung durch den Kläger berechtigt gewesen wäre mit der Folge des Entstehens von Honoraransprüchen. Indessen steht eine Nichtigkeit nicht in Rede; ein etwaiges Zuständigkeitsdefizit des ZA ergäbe keinen evidenten schwerwiegenden Rechtsfehler der VzA im Sinne des § 40 Abs 1 SGB X. Eine sog absolute Unzuständigkeit kann nicht in Betracht gezogen werden, weil eine VzA-Befugnis des ZA einen sachlichen Bezug zu dessen Aufgabenbereich hat.

20

Ungeachtet des Fehlens der Entscheidungserheblichkeit weist der Senat aus Gründen der Klarstellung daraufhin, dass auch der ZA - und nicht erst nur der BA - als Behörde im Sinne des § 86a Abs 2 Nr 5 SGG die Kompetenz hat, eine VzA zu erlassen(so auch BayLSG vom 19.9.2012 - L 12 KA 59/11 - in Abkehr von BayLSG vom 22.8.2008 - L 12 B 650/07 KA ER - MedR 2009, 565; vgl auch zB Pawlita in: Schlegel/Voelzke/Engelmann, juris-PK SGB V, 2. Aufl 2012, § 97 RdNr 70; Schiller, Entscheidungsanmerkung MedR 2009, 566 f; Clemens, Aufschiebende Wirkung und sofortige Vollziehbarkeit, in: Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht , Festschrift 10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, 2008, S 339; offengelassen in BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 30 mwN). Danach kann Sinn und Funktion des § 97 Abs 4 SGG, der mit der Einführung des § 86a Abs 2 Nr 5 SGG bestehen blieb, darin gesehen werden klarzustellen, dass der Berufungsausschuss ungeachtet der abweichenden Terminologie des § 86 Abs 2 Nr 5 SGG("Stelle, die … über den Widerspruch zu entscheiden hat"; anders § 96 Abs 4 SGB V: "den Berufungsausschuss anrufen ") die Kompetenz zum Erlass einer VzA behalten hat.

21

2. Erfolglos ist schließlich auch die vom Kläger erhobene Verfahrensrüge (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), die er unter dem Gesichtspunkt der Missachtung der Bindungswirkungen des früheren LSG-Beschlusses vom 22.8.2008 erhebt.

22

Die Missachtung einer Bindungswirkung würde einen Verfahrensmangel darstellen (unstreitig, vgl zB Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 141 RdNr 23). Das ist bei Urteilen für Fälle der Nichtbeachtung der Rechtskraftwirkung gemäß § 141 Abs 1 SGG anerkannt und gilt entsprechend für Beschlüsse in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes(unstreitig, vgl zB Keller aaO § 141 RdNr 2 und 5). In der vorliegenden Konstellation steht aber keine Bindungswirkung in Frage, deren Missachtung mit der Nichtbeachtung der Rechtskraftwirkung bei Urteilen vergleichbar wäre. Voraussetzung für eine verfahrensmäßig beachtliche Bindungswirkung ist, dass sie (a) zwischen denselben Prozessparteien (sog inter-partes-Bindung) und (b) auf der sog Hauptfragenebene besteht:

23

a) Bedenken ergeben sich hier nicht daraus, dass vorliegend ein Streit zwischen Kläger und KÄV betroffen ist, während der LSG-Beschluss vom 22.8.2008 einen Streit zwischen dem Kläger und dem BA betraf; denn jener LSG-Beschluss entfaltet Bindungswirkung auch im Verhältnis zwischen Kläger und KÄV, weil diese damals beigeladen war.

24

b) Einer Bindungswirkung im Sinne des § 141 Abs 1 SGG steht aber entgegen, dass Gegenstand des LSG-Beschlusses vom 22.8.2008 auf der sog Hauptfragenebene allein die gerichtliche Aufhebung der VzA des ZA war. Zu dessen Streitgegenstand im prozessrechtlichen Sinne gehörte weder die Aussage des LSG dazu, warum die VzA aufgehoben wurde, noch, ob die Aufhebung ex tunc oder nur ex nunc auszusprechen war. Die Auffassung des LSG, die VzA sei rechtswidrig gewesen, weil der ZA dafür nicht zuständig sei, betraf im Rahmen des LSG-Beschlusses vom 22.8.2008 nur die Begründung = Vorfrageebene, sodass keine Bindungswirkung für die hier vom LSG zu treffende Entscheidung ausging. Auch die Frage der ex tunc- oder ex nunc-Wirkung war nicht Gegenstand des LSG-Beschlusses vom 22.8.2008; das LSG hatte damals keinen Anlass, zur ex tunc- oder ex nunc-Wirkung Stellung zu nehmen, und hat dies auch nicht getan.

25

Dementsprechend konnte das LSG im Urteil vom 19.9.2012, ohne eine Bindungswirkung des früheren LSG-Beschlusses vom 22.8.2008 beachten zu müssen, frei darüber entscheiden, ob es nur von einer ex nunc-Wirkung ausgehe und ob es auch den ZA als befugt zur Anordnung einer sofortigen Vollziehbarkeit erachte. Im Übrigen hat das LSG zur Zuständigkeit des ZA, eine sofortige Vollziehung anzuordnen, nur im Rahmen eines obiter dictum Stellung genommen; auch aus diesem Grund gibt es keine "Entscheidungskollision", und somit kann insoweit kein Verfahrensmangel vorliegen.

26

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

27

Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Die Bemessung erfolgt entsprechend der Festsetzung der Vorinstanzen auf den sog Regelwert von 5000 Euro, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 12.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Entziehung der Zulassung für ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ).

2

Die Klägerin, ein MVZ in der Rechtsform einer GmbH, über deren Vermögen das Amtsgericht Köln am 25.1.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet hat, nimmt seit 2007 unter dem Namen "Medizinisches Versorgungszentrum L. GmbH" an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die GmbH hatte nach ihrer Gründung durch Gesellschaftsvertrag vom 31.5.2007 und dem Handelsregistereintrag am 1.4.2008 zunächst als "Medizinisches Versorgungszentrum R. GmbH" firmiert, danach als "Medizinisches Versorgungszentrum A. GmbH". Alleingesellschafterin ist die H. GmbH, deren Name früher "R. GmbH" und danach "A. GmbH" war.

3

Die GmbH erhielt - zum 1.4.2008 - eine Zulassung gemäß § 124 SGB V als physiotherapeutische krankengymnastische Praxis und - zum 1.7.2008 - eine Zulassung gemäß § 95 SGB V als MVZ zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Die Zulassung (Beschluss vom 5.3.2008/Bescheid vom 24.4.2008) erfolgte mit der Auflage, mehr als fünftägige Abwesenheiten der im MVZ tätigen Ärzte durch Urlaub, Fortbildung oder Krankheit formlos mitzuteilen und die Vertreter zu benennen. Weiterhin war darin als ärztlicher Leiter der (frühere) Beigeladene zu 8. (Dr. Ka. - inzwischen verstorben) benannt, dem in einer Nebenbestimmung des Zulassungsbescheids auch die Verantwortung für die korrekte Leistungserbringung und -abrechnung der im MVZ tätigen Ärzte zugewiesen war. Zum 18.7.2008 verlegte die Klägerin ihren Standort an die heutige Anschrift in B.

4

Der Beigeladene zu 8. war bis zum 31.12.2008 der ärztliche Leiter des MVZ; am 1.1.2009 löste ihn der Beigeladene zu 9. (Dr. J. Ko.) ab. Zum 1.1.2009 stimmte der Zulassungsausschuss auch weiteren Anstellungen zu, unter anderem der Anstellung der Beigeladenen zu 7. (Gynäkologin Frau G.) (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 8.12.2008/Bescheid vom 20.2.2008).

5

           

Im März 2009 beantragte die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) beim Zulassungsausschuss, der Klägerin wegen gröblicher Verletzung vertragsärztlicher Pflichten die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung zu entziehen. Die Beigeladene zu 1. stützte diesen Vorwurf im Wesentlichen auf die folgenden Ungereimtheiten, die sie bei der Überprüfung der Abrechnung für das Quartal IV/2008 festgestellt hatte:

        

-       

1023 Leistungen seien drei Arztnummern (lebenslange Arztnummer ) zugeordnet worden, die überhaupt nicht vergeben worden seien (LANR 3453538 66 - 161 Ansätze; LANR 5345451 45 - 201 Ansätze; LANR 6556563 78 - 661 Ansätze).

        

-       

797 Ansätze seien der LANR der Beigeladenen zu 7. - Gynäkologin G. - und 9 Ansätze der LANR der Dermatologin Dr. R. zugeordnet worden, obgleich deren Anstellungen erst zum 1.1.2009 (also mit Wirksamkeit erst für die Zeit nach der Leistungserbringung) genehmigt worden seien.

        

-       

475 Leistungen seien unter der LANR der Allgemeinärztin Dr. Str. in Ansatz gebracht worden, obgleich für sie eine Anstellungsgenehmigung weder beantragt noch erteilt worden sei.

Hierauf stützten sich auch der Zulassungs- und der beklagte Berufungsausschuss bei ihren Bescheiden über die Zulassungsentziehung (Beschluss vom 27.4.2009/Bescheid vom 13.5.2009 sowie Beschluss vom 15.7.2009/Bescheid vom 21.8.2009).

6

Die Klägerin räumte im Klageverfahren - wie auch schon im Verfahren vor dem Zulassungs- und Berufungsausschuss - ein, der Sachverhalt treffe im Wesentlichen zu. Entlastend sei aber zu berücksichtigen, dass sich die Abrechnungsfehler vor allem auf Mängel der Software gründeten, die keine Schutzmechanismen wie zB Warnhinweise bei Eingaben falscher LANR und bei Überschreiben richtiger LANR enthalten habe. So habe jeder Mitarbeiter eine bestehende LANR überschreiben können; auch die LANR überweisender Ärzte seien im System erfasst worden. Die Daten der Beigeladenen zu 7. - Frau G. - und der Frau Dr. R. seien fälschlicherweise schon vor dem 1.1.2009 in die Software eingepflegt und ihnen seien - von übereifrigem Praxispersonal - Leistungen zugeordnet worden; als die Anstellungsgenehmigungen entgegen dem Antrag nicht rückwirkend erteilt worden seien, sei versäumt worden, die Leistungen wieder aus der Abrechnung herauszunehmen. Wie die LANR der - auch gynäkologisch tätigen - Allgemeinärztin Dr. Str. ins System gelangt sei - sie sei an die Stelle der LANR des bis 31.12.2008 tätigen Orthopäden Dr. H. gesetzt worden -, sei unerklärlich, weil sie weder zur Anstellung angestanden habe noch Überweiserin gewesen sei. Die Leistungen als solche seien aber erbracht worden, nämlich von anderen Ärztinnen - Frau Dr. Sto. und Frau Dr. K. -, die noch bis 31.12.2008 im MVZ tätig gewesen seien. Bei allem sei auch zu berücksichtigen, dass ihr Personal durch die organisatorischen Folgen ihrer Standortverlegung im Juli 2008 und durch die Umstellung des Computersystems im September 2008 auf neue Software überfordert gewesen sei.

7

           

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7.7.2010); das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 23.2.2011 - L 7 KA 62/10 - in Juris dokumentiert). Das SG und das LSG haben die Zulassungsentziehung als rechtmäßig angesehen. Das LSG hat die von der KÄV benannten Vorwürfe zugrunde gelegt und als weiteren festgestellt, dass

        

-       

der Beigeladene zu 9. umfänglich Vertretungstätigkeiten ausgeübt habe, ohne dass dies, wie in § 32 Abs 1 Satz 4 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) bestimmt und als Auflage in der Zulassung(Beschluss vom 5.3.2008/Bescheid vom 24.4.2008) vorgegeben, der KÄV mitgeteilt worden sei.

8

SG und LSG haben ausgeführt, Pflichtverletzungen im MVZ, jedenfalls soweit sie das Abrechnungswesen beträfen, seien dem MVZ (zumindest: auch) selbst anzulasten und nicht etwa nur einzelnen dort tätigen Mitarbeitern. Keine Entlastung ergebe sich daraus, dass die Abrechnungssoftware möglicherweise keinen ausreichenden Schutz gegen Manipulationen geboten habe; dies relativiere nicht die gegen das MVZ zu erhebenden Vorwürfe, alle Mitarbeiter hätten auf die Abrechnungssoftware zugreifen und Manipulationen durch Eingabe von LANR und Überschreiben vornehmen können, und eine Kontrolle bei Abgabe der Abrechnungssammelerklärung sei nicht gewährleistet gewesen. Insgesamt sei ein erschreckender Mangel an Sensibilität für die bei Abrechnungen nötige Sorgfalt sowie eine erschreckende Sorglosigkeit im Umgang mit den durch die Kassenzulassung begründeten Pflichten peinlich genauer Leistungsabrechnung und persönlicher Leistungserbringung festzustellen. Voraussetzung der Entziehung der Zulassung sei nur das Vorliegen einer gröblichen Pflichtverletzung, nicht auch Wiederholungsgefahr, und es gebe auch keinen Vorrang für zB Disziplinarmaßnahmen oder den Widerruf von Anstellungsgenehmigungen. Im Urteil des LSG ist zusätzlich ausgeführt, die Bemühungen der Klägerin um Aufklärung der näheren Umstände der Pflichtverletzungen seien offensichtlich unzureichend gewesen und auch nach zwei Jahren sei ein ernster Wille zur Behebung der Missstände nicht erkennbar. Die Klägerin sei zu einer ausreichend kritischen Einschätzung ihrer Pflichtverletzungen nicht gelangt, bagatellisiere diese vielmehr in besorgniserregender Weise, indem sie sie nur dem kaufmännischen Bereich zuordne und als bloße "Förmeleien" einstufe. Dem Vorwurf gröblicher Pflichtverletzung stehe nicht entgegen, dass Eingaben falscher LANR im Rahmen der Abrechnungsprüfung durch die Beigeladene zu 1. hätten leicht aufgedeckt werden können. Großes Gewicht komme der Richtigkeit der Abrechnungssammelerklärung zu, die im vorliegenden Fall gravierende Fehler aufgewiesen habe. Ungeachtet dessen, dass die Klägerin zwischenzeitlich nicht unerhebliche Anstrengungen unternommen habe, die erkannten Missstände zu beseitigen, und dass in den Folgequartalen keine weiteren Unregelmäßigkeiten bei der Leistungsabrechnung aufgetreten seien, verblieben Zweifel, ob der Eignungsmangel zwischenzeitlich behoben sei. Der Zulassungsentziehung entgegenstehendes sog Wohlverhalten sei nicht feststellbar. Die Entziehung der Zulassung stelle auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff dar.

9

Mit ihrer Revision wendet sich die Klägerin gegen die Bewertung ihres Fehlverhaltens als gröbliche Pflichtverletzung. Sie räumt das vom LSG festgestellte Fehlverhalten ein: Sie habe zum einen Leistungen unter bundesweit nicht vergebenen LANR abgerechnet; zum anderen habe sie Leistungen solchen Ärzten zugeordnet, die entweder zu keinem Zeitpunkt bei ihr angestellt waren (Frau Dr. Str.) oder deren Anstellungsgenehmigungen erst zu einem späteren Zeitpunkt Wirkung entfalteten (Beigeladene zu 7. und Frau Dr. R.); ferner habe sie Vertretungstätigkeiten - des Beigeladenen zu 9. - entgegen § 32 Abs 1 Satz 4 Ärzte-ZV und entgegen Nr 12 Satz 1 des Bescheids über ihre Zulassung nicht angezeigt. Bei allen diesen Pflichtverstößen sei aber zu berücksichtigen, dass ihr Personal im Quartal IV/2008 durch die erfolgte Standortverlegung, die Einführung der LANR, die Integration weiterer Arztpraxen und die Neueinstellung von ca 25 Mitarbeitern erheblich belastet gewesen sei; ihr könne weder Absicht noch strafbares Verhalten angelastet werden; zudem seien die Pflichtverstöße auf ein einziges Quartal beschränkt. Es sei kein Schaden verblieben, nachdem 10 000 Euro im Wege sachlich-rechnerischer Richtigstellung ausgeglichen worden seien. Die Negativprognose des LSG sei nicht haltbar. Die Zulassungsentziehung sei, gemessen an Art 12 Abs 1 iVm Art 19 Abs 3 GG, verfassungswidrig und im Übrigen wegen der Existenzvernichtung im Gefolge eines Fehlverhaltens, das nicht bestritten werde, jedenfalls unverhältnismäßig. Die Zulassungsentziehung führe zur Schließung des MVZ und für zahlreiche Patienten zum Verlust der Ärzte ihres Vertrauens sowie für alle Mitarbeiter zum Verlust ihrer Arbeitsplätze, wobei viele der betroffenen Ärzte wegen der Sperren für Neuzulassungen wegen Überversorgung wohl kaum eine (erneute) Kassenzulassung erlangen könnten. Dies sei im Hinblick auf die Aussagen des BVerfG, die dieses in den von ihr geführten vorläufigen Rechtsschutzverfahren gemacht habe, problematisch; hiernach reichten insbesondere generalpräventive Erwägungen für eine Zulassungsentziehung nicht aus.

10

Die Auslegung des Begriffs gröbliche Pflichtverletzung im Sinne des § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V müsse den Besonderheiten eines MVZ und dessen zweistufiger Struktur mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten Rechnung tragen: Die Trägergesellschaft bzw ihre Gesellschafter seien Zulassungsinhaber und Abrechnungsberechtigte; hierher gehöre die Abrechnung, die Teil der kaufmännischen Praxisführung und damit Angelegenheit der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführung sei. Demgegenüber obliege die Leistungserbringung im engeren Sinne mit der Behandlung der Patienten den Ärzten, die nur ihre Leistungen tatsächlich, vollständig und persönlich erbringen und dies an die Geschäftsführung bzw Buchhaltung übermitteln müssten; ihnen seien die Fehler der Abrechnung nicht anzulasten. Das Fehlverhalten habe vielmehr im kaufmännischen Bereich gelegen, wofür natürlich die Klägerin die Verantwortung trage, die sich aber vom kaufmännisch verantwortlichen Standortleiter mittlerweile getrennt habe. Dass den Ärzten kein Fehlverhalten und keine Fehlbehandlungen angelastet werden könnten, müsse bei der Bewertung der Pflichtverletzungen berücksichtigt werden, ebenso wie der Umstand, dass es um Fehler nur in einem einzigen Quartal und - wie SG und LSG festgestellt hätten - ohne jeden Ansatz eines kriminellen Verhaltens gehe. Deshalb sei das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen den vertragsarztrechtlichen Institutionen und ihr, der Klägerin, nicht irreparabel und auf Dauer zerstört. Bei der Frage der Gröblichkeit von Pflichtverletzungen müssten die individuellen Umstände und Verantwortlichkeiten beachtet werden sowie auch das Maß an subjektiver Vorwerfbarkeit, vergleichbar den Graden von Fahrlässigkeit bis hin zu Vorsatz und strafbarer Absicht. Der Vorhalt des LSG, es stehe "die Möglichkeit eines vorsätzlichen und damit strafbaren Verhaltens eines oder mehrerer Mitarbeiter der Klägerin im Raum", sei ein krasser Fehlgriff; denn bisher seien weder sie - die Klägerin - noch ihre Mitarbeiter strafrechtlich belangt worden; der Vorhalt einer Betrugsabsicht sei abwegig, wie die Art der Fehlabrechnung mit falschen LANR belege, die vom Prüfsystem der KÄV - wie allgemein bekannt - auf Anhieb erkannt würden.

11

Ebenso fehlsam und unsubstantiiert sei der Vorhalt des LSG, sie habe sich nicht ernstlich bemüht, die Fehlerquellen und -ursachen aufzuklären und die Missstände zu beheben; das LSG sage nicht, welche Bemühungen sie über die von ihr unternommenen Maßnahmen hinaus - Einholung eines Gutachtens eines EDV-Sachverständigen, Software-Änderung durch Softwarehersteller, Austausch des Standortleiters, Beauftragung einer externen controlling-Firma; Abrechnungsprüfungen durch Geschäftsführer; Schulungen der Mitarbeiter - noch hätte unternehmen sollen und können. Vor allem sei in die Wertung einzubeziehen, dass sie die entdeckten Fehler umgehend beseitigt habe. Vor diesem Hintergrund dürften ihr nicht unzulängliche Eigeneinschätzung und Uneinsichtigkeit sowie Widersprüchlichkeit und Unglaubhaftigkeit vorgeworfen werden. Indiskutabel sei auch der Vorhalt, sie habe ihren ärztlichen Leiter nur zögerlich von seinen Aufgaben entbunden; denn sie sei aufgrund der vom LSG gestützten sofortigen Vollziehung der Zulassungsentziehung bis zum Beschluss des BVerfG vom 15.3.2010 handlungsunfähig gewesen und habe dann sogleich - zum 31.3.2010 - die Trennung umgesetzt. Die Gesamtwürdigung hätte im Falle eines Einzelarztes wohl nur zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung geführt, eine Zerstörung des Vertrauens der vertragsarztrechtlichen Institutionen wäre wohl kaum angenommen worden; bei einem MVZ könne nichts anderes gelten. Die Qualifizierung als gröbliche Pflichtverletzung sei auch nicht mit dem Schutz der Berufsfreiheit durch Art 12 Abs 1 GG vereinbar, der eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles und eine strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordere; dabei seien auch die Belange und Grundrechte der im MVZ tätigen Ärzte und Mitarbeiter sowie die Belange der Patienten zu berücksichtigen.

12

Die Annahme von Wiederholungsgefahr und Negativprognose scheitere daran, dass die Abrechnungsfehler nur versehentlich - nicht vorsätzlich - und nur in einem einzigen Quartal erfolgt seien, dass sie nach Entdeckung umgehend abgestellt und dass zahlreiche grundlegende Veränderungen vorgenommen worden seien. Eine Negativprognose könne schließlich auch nicht darauf gestützt werden, dass sie sich gegen die Zulassungsentziehung gewehrt habe; das widerspräche dem verfassungsrechtlich in Art 19 Abs 4 GG verbürgten Anspruch auf Rechtsschutz.

13

Die Zulassungsentziehung sei auch deshalb unverhältnismäßig, weil zahlreiche mildere Mittel zur Verfügung stünden und ausreichten, wie zB eine sachlich-rechnerische Richtigstellung, die bereits erfolgt sei und bei umfassender Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen und den Belangen der Klägerin und bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ausreiche. Schließlich könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Software trotz ihrer Unvollkommenheiten von der KÄV geprüft und genehmigt worden sei.

14

Die Klägerin hat im Revisionsverfahren darauf hingewiesen, dass sie vorsorglich im Hinblick auf das Zulassungsentziehungsverfahren die Ausschreibung der MVZ-Zulassung beantragt, die Beigeladene zu 1. dies aber abgelehnt und sie - die Klägerin - mit ihren hiergegen gerichteten Rechtsmitteln noch keinen Erfolg gehabt habe. Sie hat ferner ihre Überlegungen mitgeteilt, das Zulassungsentziehungsverfahren durch Veräußerung des MVZ und/oder der Trägergesellschaft zur Erledigung zu bringen, hat dies aber bisher - soweit ersichtlich - nicht weiterverfolgt.

15

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23.2.2011 und des Sozialgerichts Berlin vom 7.7.2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 21.8.2009 aufzuheben.

16

Der Beklagte und die zu 1. beigeladene KÄV beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

17

Sie verteidigen das Urteil des LSG. Der Beklagte hebt hervor, dass es für die Entziehung der Zulassung nicht auf ein Verschulden ankomme. Maßgebend sei allein das Vorliegen gröblicher Pflichtverletzungen. Für die Frage der Gröblichkeit der Pflichtverletzung sei nur diese selbst und ihre Eigenart relevant, nicht hingegen die Höhe des daraus resultierenden Schadens und die Größe des von der Entziehung betroffenen Personenkreises (MVZ-Mitarbeiter und Patienten). Pflichtverletzungen lägen nicht nur aufgrund der Abrechnungsverstöße durch die Verwendung falscher LANR vor, sondern auch aufgrund der Beschäftigung nicht genehmigter Ärzte, was dem Schutz der Patienten zuwiderlaufe und deshalb schwer wiege. Das Gewicht aller Verstöße zusammen impliziere die Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Leistungserbringer und vertragsarztrechtlichen Institutionen und begründe ohne Weiteres die Gröblichkeit der Pflichtverletzungen. Den von der Klägerin herangezogenen Entscheidungen des BVerfG zur sofortigen Vollziehung komme für die hier vorliegende Problematik nur begrenzte Aussagekraft zu, weil sie nur die Abwägung der Interessen für und wider die Vollziehung vor Bestandskraft beträfen. Im Übrigen dürfe bei der Beurteilung der Gröblichkeit einer Pflichtverletzung auch der Gesichtspunkt der Generalprävention einbezogen werden.

18

Die Beigeladene zu 1. sieht eine gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten ebenfalls als gegeben an. Mit der Beschäftigung von nicht über einen Status verfügenden angestellten Ärzten und der Einreichung einer Abrechnung mit falschen LANR habe die Klägerin gegen Grundpflichten der Teilnahme an der vertragsärztlich-ambulanten Versorgung verstoßen. Die Argumentation der Klägerin, die Pflichtverletzungen beträfen die Ebene der Geschäftsführung, entlaste sie nicht. Für ein MVZ gälten grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie für niedergelassene Ärzte. Der Vertragsarzt könne sich seiner Verantwortlichkeit für die peinlich genaue Abrechnung nicht entledigen, wie insbesondere anhand der Pflicht zur Abgabe der sog Abrechnungssammelerklärung deutlich werde. Entsprechendes gelte für das MVZ; hier treffe die Verantwortung für die korrekte Abrechnung immer auch das MVZ als Ganzes.

19

Die Beigeladenen zu 2. bis 12. stellen keine Anträge und äußern sich nicht.

Entscheidungsgründe

20

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Bescheid, mit dem der Beklagte der Klägerin die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung entzog, ist rechtmäßig.

21

1. Der Klagebefugnis und der Aktivlegitimation der Klägerin steht nicht entgegen, dass über ihr Vermögen durch Beschluss des AG Köln vom 25.1.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Wie der Senat wiederholt ausgeführt hat, betrifft der Status der Zulassung eine höchstpersönliche Rechtsposition des Vertragsarztes - bzw hier: des MVZ -, die nicht der Insolvenzmasse zuzuordnen ist. Der Senat hat ausdrücklich entschieden, dass auch das Recht auf Praxisverlegung - als Ausfluss der Zulassung - der höchstpersönlichen Rechtssphäre des Vertragsarztes zuzuordnen ist; deshalb darf er - ohne Mitbestimmung des Insolvenzverwalters - nach eigenem Belieben seinen Praxissitz verlegen (BSG vom 10.5.2000, BSGE 86, 121, 123 iVm 125 f = SozR 3-5520 § 24 Nr 4 S 16 iVm 18 f; hierauf Bezug nehmend auch BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 10 RdNr 7). Auch das Recht zur Drittanfechtung gegen einen Bescheid, mit dem einem Praxispartner die Zulassung entzogen oder die Genehmigung der Gemeinschaftspraxis widerrufen bzw zurückgenommen wird, ist mit dem persönlichen Status der Zulassung so eng verbunden, dass es nicht der Insolvenzmasse zuzuordnen ist (BSG vom 16.7.2008 - B 6 KA 79/07 B - RdNr 9 und - B 6 KA 2/08 B - RdNr 11). Ebenso - erst recht - ist das Recht zur Anfechtung einer Zulassungsentziehung dem persönlichen Status zuzuordnen. Mithin lässt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Klagebefugnis und/oder Aktivlegitimation nicht entfallen.

22

2. Rechtsgrundlage für die Entziehung der Zulassung ist § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V, wonach diese unter anderem dann zu entziehen ist, "wenn … der Vertragsarzt … seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt." Dieser Tatbestand gilt gleichermaßen für alle zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer; er gilt auch für ein MVZ, wie sich generell aus der Verweisung des § 72 Abs 1 Satz 2 SGB V und speziell aus dem Verhältnis des § 95 Abs 6 zu dessen Abs 1 SGB V ergibt. Die Anwendung des Grundtatbestandes des § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V auf ein MVZ wird nicht durch die Regelungen in § 95 Abs 6 Satz 3 und(seit dem 1.1.2012:) Satz 4 SGB V in Frage gestellt. Diese Bestimmungen normieren nur weitere Zulassungsentziehungstatbestände, die zu dem des Satz 1 noch hinzutreten (Satz 3: "auch dann zu entziehen, wenn"). Die Bewertung, ob eine gröbliche Pflichtverletzung vorliegt, unterliegt uneingeschränkter gerichtlicher Überprüfung; ein den Zulassungsgremien vorbehaltener Beurteilungsspielraum besteht nicht (vgl BSGE 60, 76, 77 = SozR 2200 § 368a Nr 15 S 54; BSG MedR 1987, 254, 255 = USK 86179 S 837 f; s auch BSG SozR 4-2500 § 117 Nr 1 RdNr 29).

23

a) Eine gröbliche Pflichtverletzung liegt nach der Rechtsprechung des Senats vor, wenn die Verletzung ein Ausmaß erreicht, dass das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in die ordnungsgemäße Behandlung des Versicherten und/oder in die Richtigkeit der Leistungsabrechnung so stark zerstört ist, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann (vgl hierzu zB BSGE 73, 234, 237 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 12 f; BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 13; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 37; BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 13). Ein Verschulden des Leistungserbringers hinsichtlich der Vertrauenszerstörung ist nicht Voraussetzung der Zulassungsentziehung (vgl hierzu BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 36; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 28 aE). Ist eine Vertrauenszerstörung eingetreten, so wird dies grundsätzlich nicht durch eine spätere gewissenhafte Pflichterfüllung wettgemacht. Eine solche kann grundsätzlich nur die Basis für den Aufbau einer neuen Vertrauensbeziehung bilden und so - im Wege eines neuen Zulassungsantrags und dessen Stattgabe - zur Wiederzulassung führen.

24

b) Diese Grundsätze zur Zulassungsentziehung hat der Senat anhand von Pflichtverstößen von Vertragsärzten und Vertragszahnärzten herausgearbeitet. Sie können auf ein MVZ nur mit gewissen Modifikationen angewandt werden.

25

Die Regelungen, die die Gründung eines MVZ und seiner Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermöglichen, wurden zum 1.1.2004 geschaffen und in das SGB V eingefügt (GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190, siehe insbesondere die Neuregelungen in § 95 Abs 1 bis 3, 6, 7 und in § 103 Abs 4a SGB V). Sie sind zum 1.1.2007 novelliert worden (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz vom 22.12.2006, BGBl I 3439). Seitdem sind in größerer Zahl MVZ gegründet worden. Seit 2011 sind der Status und die Betätigung von MVZ auch Gegenstand revisionsgerichtlicher Entscheidungen des erkennenden Senats. Das Schrifttum hat sich bereits früher - alsbald nach Schaffung der Regelungen im GKV-Modernisierungsgesetz - mit den Rechtsfragen befasst, die das MVZ betreffen. Dabei ist auch die Frage behandelt worden, wegen welcher Rechtsverstöße dem MVZ die Zulassung entzogen werden kann und/oder ob nur Maßnahmen gegen Mitarbeiter des MVZ ergriffen werden dürfen (vgl dazu zB Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, 2007, Anhang zu § 18 RdNr 115-118; Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 31 RdNr 9; Zwingel/Preißler, Ärzte-Kooperationen und Medizinische Versorgungszentren, 2. Aufl 2008, Abschnitt 4.9.2 ; Konerding, Der Vertragsarztsitz im Medizinischen Versorgungszentrum, 2009, S 214; Wigge/Boos/Ossege in Wigge/von Leoprechting, Handbuch Medizinische Versorgungszentren, 2011, Abschnitt 6.9.2 ; Möller/Dahm in Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 2. Aufl 2011, § 9 RdNr 165; Orlowski/Schirmer/Halbe, Medizinische Versorgungszentren in Halbe/Schirmer, Handbuch Kooperationen im Gesundheitswesen, Kapitel B 1400, Stand März 2011, RdNr 147, 160, 161; Schallen, Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten, 8. Aufl 2012, Vorbem zu § 18 RdNr 90 f). Im Schrifttum wird die Verantwortung für Pflichtverstöße differenzierend dem MVZ als solchem, ggf zu Teilen dem Geschäftsführer, dem ärztlichen Leiter, einzelnen Ärzten und/oder weiteren Mitarbeitern zugeordnet. Je nach Ebene und Verantwortungsbereich werden im Falle gröblicher Pflichtverletzungen eine Entziehung der Zulassung des MVZ oder nur der Widerruf von Anstellungsgenehmigungen oder Disziplinarmaßnahmen für rechtlich zulässig gehalten.

26

Die unterschiedlichen Rechtsmeinungen beruhen auf der besonderen Struktur des MVZ. Bei ihm fallen der vertragsärztliche Status und die tatsächliche Durchführung der Behandlungen auseinander; der Status ist dem MVZ zugewiesen, die Behandlungen werden durch die dort tätigen Ärzte durchgeführt. Mit Rücksicht hierauf ist zu differenzieren: Für die organisatorischen Abläufe, insbesondere den Einsatz der Ärzte und für die Korrektheit der Abrechnung, ist das MVZ selbst verantwortlich, während die Verantwortung für die ordnungsgemäße Behandlung der Patienten in medizinischer Hinsicht in erster Linie dem einzelnen behandelnden Arzt obliegt; dieser muss dafür berufs- und haftungsrechtlich einstehen; zusätzlich unterliegt er der Disziplinargewalt der KÄV (§ 95 Abs 3 Satz 2 iVm § 81 Abs 5 SGB V). Status und Behandlungsdurchführung sind indessen nicht in der Weise trennbar, dass das MVZ generell nicht für die Fehler einzelner dort tätiger Ärzte verantwortlich wäre. So ist ein MVZ nicht vor der Pflicht zur Erstattung solchen Honorars geschützt, das es für Leistungen erhalten hat, die ein dort tätiger Arzt - entgegen seinen Angaben gegenüber dem MVZ - tatsächlich nicht erbracht hat. Vielmehr sind die Pflichtenkreise "des" MVZ und derjenigen der dort tätigen Ärzte miteinander verzahnt. Dementsprechend müssen die Anwendungsbereiche der Entziehung der MVZ-Zulassung und vertragsarztrechtlicher Disziplinarmaßnahmen wie auch berufsrechtlicher Sanktionen aufeinander abgestimmt werden. Die Möglichkeit einer Zulassungsentziehung gegenüber einem MVZ muss zielgenau bestimmt werden. Nur wenn klar ist, welche Pflichten spezifisch das MVZ als Träger der Zulassung treffen, lässt sich beurteilen, wann eine Verletzung dieser Pflichten gröblich ist.

27

Das MVZ ist gegenüber den Krankenkassen und der KÄV für Auswahl und Einsatz der Ärzte sowie für die Leistungsabrechnung selbst verantwortlich. Ihm obliegt die Überprüfung, ob für die Ärzte bereits eine Anstellungsgenehmigung vorliegt, die Organisation der Behandlungen und zB auch die Anzeige notwendiger Vertretungen bei Urlaub, Fortbildung und Krankheit, sowie weiterhin die Korrektheit der Leistungsabrechnung und die Wirtschaftlichkeit der Behandlungen und Verordnungen sowie auch die Abgabe einer wahrheitsgemäßen Abrechnungssammelerklärung. Diese Verantwortung ist unteilbar und nicht delegierbar, sodass das MVZ gegenüber den Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung nicht auf ein eventuelles Fehlverhalten der dort tätigen Ärzte verweisen könnte.

28

Der im MVZ tätige Arzt reduziert mit der Entscheidung, seine Tätigkeit im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung in einem MVZ auszuüben, seinen Pflichtenkreis im technisch-administrativen Bereich; dem Arzt diese Möglichkeit zu bieten, war eines der Ziele bei der Schaffung des Rechtsinstituts des MVZ (vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 7 RdNr 22; siehe auch BT-Drucks 15/1525 S 108). Er behandelt die Patienten und muss dem MVZ gegenüber deutlich machen, welche Leistungen er wann bei welchem Patienten erbracht hat. Die Erstellung und Kontrolle der Abrechnung gegenüber der KÄV ist hingegen Sache des MVZ, was für den dort tätigen Arzt - im Vergleich mit dem in eigener Praxis tätigen Vertragsarzt - den Vorteil hat, sich mit den administrativen Aufgaben nicht befassen zu müssen. Das hat auf der anderen Seite unvermeidlich die Konsequenz, dass dies dem MVZ obliegt: Der Verminderung der Verantwortung des einzelnen Arztes korrespondiert die volle Verantwortung des MVZ für die korrekte Organisation der Behandlung und für die Leistungsabrechnung. Mit diesen Zuständigkeiten ist der zentrale Verantwortungsbereich des MVZ beschrieben; die Verantwortung für die organisatorischen Abläufe und für die Leistungsabrechnung kennzeichnen den Kern der Aufgaben des MVZ, sie stehen nicht wie beim Vertragsarzt neben der Aufgabe der Patientenbehandlung. Die korrekte Gestaltung der Leistungserbringung und der Leistungsabrechnung sind die bei weitem wichtigste Aufgabe des MVZ; unterlaufen ihm dabei Versäumnisse, so betrifft dies den Kern seiner vertragsarztrechtlichen Pflichten und nicht nur "bürokratische Nebenaufgaben". Daher ist bei der Entscheidung darüber, ob einem MVZ eine gröbliche Pflichtverletzung zur Last fällt, für die Überlegung, ob ihm auch gesundheitliche Gefährdungen von Patienten anzulasten sind, grundsätzlich kein Raum.

29

Das kann zu einer Modifikation der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Zulassungsentziehung in Bezug auf ein MVZ führen, ohne dass der Senat dies hier umfassend für alle denkbaren Fallgestaltungen festlegen könnte. Naheliegend ist die Annahme, dass das Fehlverhalten einzelner Ärzte, das bei diesen zur Zulassungsentziehung führen würde (zB Beleidigung von KÄV-Mitarbeitern , sexuelle Übergriffe auf Patienten und/oder Auszubildende; vgl auch LSG Berlin-Brandenburg vom 9.2.2010 - L 7 KA 169/09 B ER -, ZMGR 2010, 96, 97 f = Juris RdNr 10 mit weiteren Beispielen), nicht zwangsläufig zur Entziehung der Zulassung des MVZ führen muss. Wenn dieses nämlich glaubhaft machen kann, solche Verstöße im Pflichtenkreis des Arztes weder gekannt noch geduldet zu haben, dürfte es in der Regel ausreichen, dass der betroffene Arzt aus seinem Beschäftigungsverhältnis mit dem MVZ-Träger entlassen und seine Anstellung nach § 95 Abs 2 Satz 7 SGB V widerrufen wird. Ist dagegen ein personenbezogener Durchgriff nicht möglich, so kommt auch in Betracht, den Pflichtverstoß der im MVZ tätigen Ärzte auch dem MVZ als solchem zuzurechnen (vgl zu diesem Ansatz bereits Senatsurteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 33/10 R - RdNr 20). Eine Entziehung der MVZ-Zulassung liegt von vornherein nahe, wenn Pflichtverstöße in Rede stehen, die den Pflichtenkreis des MVZ als solchen betreffen. Dies gilt zB für Fehlverhalten bei dem Einsatz der Ärzte des MVZ wie auch bei fehlerhaften Abrechnungen. Fehlerhafte Abrechnungen eines MVZ können möglicherweise eher zur Entziehung von dessen Zulassung führen als bei einem Vertragsarzt, schon weil der KÄV insoweit das Instrument der Disziplinargewalt nicht zur Verfügung steht. Weder "das MVZ" noch seine Rechtsträger (Personengesellschaft, eingetragene Genossenschaft oder GmbH gemäß § 95 Abs 1a SGB V) sind Mitglieder der KÄV; deshalb kann die KÄV auf deren Verhalten nicht über § 81 Abs 5 SGB V einwirken. Die Entziehung der MVZ-Zulassung ist daher bei solchen Pflichtverletzungen nicht das letzte, sondern das einzige Mittel, das den Krankenkassen und der KÄV zur Verfügung steht, um ihre Verantwortung für eine korrekte Leistungserbringung und -abrechnung in einem MVZ effektiv wahrzunehmen.

30

Diese Differenzierung ist mit dem grundrechtlichen Schutz durch Art 12 Abs 1 GG vereinbar. Sowohl das Betreiben eines MVZ wie die ärztliche Tätigkeit dort stehen unter dem Schutz dieses Grundrechts; doch können sich das MVZ und der einzelne Arzt jeweils nur auf "ihre eigene" berufliche Tätigkeit berufen. Das MVZ kann sich im Verfahren gegen eine ihm gegenüber erfolgende Zulassungsentziehung gemäß § 95 Abs 6 SGB V nicht auf die Berufsausübungsfreiheit der bei ihm tätigen Ärzte berufen. Hieraus folgt zugleich, dass die einzelnen Ärzte des MVZ grundsätzlich die Möglichkeit haben müssen, nach der Entziehung der Zulassung ihres MVZ weiterhin im bisherigen Planungsbereich vertragsärztlich tätig zu sein. Dies könnte nur anders sein, wenn auch ihnen selbst eine gröbliche Pflichtverletzung zur Last fiele (vgl BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 82 ff, 90 zur umfassenden Wiederzulassungssperre auf sechs Jahre; - zur Fünf-Jahres-Frist siehe BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 14 und 15). Die Möglichkeit weiterer vertragsärztlicher Tätigkeit ergibt sich für Vertragsärzte im MVZ schon aus ihrem fortbestehenden Zulassungsstatus; bei angestellten Ärzten dürften jedenfalls die zum 1.1.2012 neu geschaffenen Optionen der (Rück-)Umwandlung von Arztanstellungen in Zulassungen (§ 95 Abs 2 Satz 8 iVm Abs 9b, § 103 Abs 4a Satz 4 SGB V) eine Fortsetzung der Mitwirkung an der vertragsärztlichen Versorgung im bisherigen Planungsbereich auch dann ermöglichen, wenn dort Zulassungsbeschränkungen gelten (vgl dazu Bäune/Dahm/Flasbarth, MedR 2012, 77, 81).

31

Aufgrund der Differenzierung zwischen dem MVZ einerseits und den einzelnen bei ihm tätigen Ärzten andererseits kann ohne Verfassungsverstoß im Rahmen von Entscheidungen nach § 95 Abs 6 SGB V über die Entziehung einer MVZ-Zulassung die Schwere des Pflichtverstoßes und Prüfung der Verhältnismäßigkeit allein an dessen Pflichtenkreis und an dessen Grundrechtsschutz ausgerichtet werden. Dem MVZ werden weder unterschiedslos alle Pflichtverletzungen der bei ihm tätigen Ärzte einschließlich der fachlich-ärztlichen und höchstpersönlichen (zB Beleidigungen) zugerechnet, noch kann sich das MVZ auf das Interesse der einzelnen Ärzte an der persönlichen Fortführung der genuin ärztlichen Tätigkeit als abwägungsrelevanten Belang im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung berufen. Maßgeblich ist vielmehr stets eine Gesamtbetrachtung der Pflichtverletzungen, der Reaktion des MVZ darauf und das damit bewirkte Ausmaß der Störung des Vertrauens.

32

           

c) Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist die Entscheidung des LSG, die Klägerin habe ihre Pflichten gröblich verletzt, nicht zu beanstanden. Das LSG hat festgestellt - und dies hat die Klägerin ausdrücklich als zutreffend anerkannt -, dass sie bei der Abrechnung ihrer im Quartal IV/2008 erbrachten Leistungen in dreifacher Weise gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten verstoßen hat:

        

-       

Zum einen rechnete sie Leistungen von Ärzten ab, die entweder zu keinem Zeitpunkt bei ihr angestellt waren (Frau Dr. Str.) oder deren Anstellungsgenehmigungen erst zu einem späteren Zeitpunkt Wirkung entfalteten (Beigeladene zu 7. und Frau Dr. R.).

        

-       

Zum zweiten rechnete sie Leistungen unter bundesweit nicht vergebenen LANR ab.

        

-       

Schließlich zeigte sie Vertretungstätigkeiten - des Beigeladenen zu 9. - entgegen § 32 Abs 1 Satz 4 Ärzte-ZV und entgegen Nr 12 Satz 1 des Bescheids über ihre Zulassung nicht an.

33

Diese Pflichtverletzungen sind in ihrem Zusammenhang gröblich, weil sie das Vertrauen der KÄV und der Krankenkassen auf eine korrekte Organisation der Leistungserbringung und -abrechnung bei der Klägerin so nachhaltig zerstörten, dass diesen eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht mehr zuzumuten ist. Für die Frage der Gröblichkeit der Pflichtverletzung ist maßgeblich, welchen Stellenwert die verletzte Pflicht hat und wie schwer der Verstoß unter Berücksichtigung seiner Eigenart wiegt (unten aa). Dies führt für die vorliegenden Pflichtverletzungen zur Bewertung als gröblich; dies gilt ungeachtet der Konzentration auf ein Quartal (unten bb). Die Zulassungsentziehung erfordert kein Verschulden (unten 3.). Ein sog Wohlverhalten liegt nicht vor (unten 4.). Eine Negativprognose oder eine umfassende Einbeziehung nachteiliger Folgen der Zulassungsentziehung ist nicht erforderlich (unten 5.). Die Verhältnismäßigkeit ist gewahrt (unten 6.), und Art 3 Abs 1 GG ist nicht verletzt (unten 7.).

34

           

aa) Grundlegend für die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung sind insbesondere

        

-       

die Pflicht, vor Tätigkeitsbeginn einen statusbegründenden Verwaltungsakt der Zulassungsgremien zu erwirken,

        

-       

die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung und

        

-       

die Pflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung.

Allen diesen Pflichten kommt großes Gewicht zu.

35

Die Pflicht zur stets korrekten Leistungsabrechnung hat nicht nur bei einem MVZ die oben beschriebene große Bedeutung, weil sie bei ihm eine zentrale Aufgabe darstellt. Sie hat vielmehr auch sonst allgemein, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung hervorhebt, hohen Stellenwert; denn das Abrechnungs- und Honorierungssystem der vertragsärztlichen Versorgung baut auf Vertrauen auf. Der Honorierung werden die Angaben der Leistungserbringer über die von ihnen erbrachten Leistungen zugrunde gelegt; eine Überprüfung erfolgt nur bei Auffälligkeit oder stichprobenweise (vgl hierzu § 106a Abs 2 und § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 2 iVm Satz 2 ff SGB V). Da also bei der Honorierung die Angaben der Leistungserbringer grundsätzlich als zutreffend zugrunde gelegt werden, muss auf deren Richtigkeit vertraut werden können: Dies ist ein Fundament des Systems der vertragsärztlichen Versorgung (sog Pflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung, vgl dazu ausführlich zB BSGE 73, 234, 237 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 12 f; darauf Bezug nehmend zB BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10).

36

Der Pflicht, vor Tätigkeitsbeginn einen statusbegründenden Verwaltungsakt der Zulassungsgremien zu erwirken, kommt ebenfalls großes Gewicht zu. Im vertragsärztlichen System muss zu jedem Zeitpunkt klar sein, welcher Arzt Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen zu deren Lasten behandeln und Leistungen verordnen darf und ob insoweit ein Anspruch des Arztes besteht, wegen der von ihm erbrachten Leistungen an der Verteilung des Honorars durch die KÄV beteiligt zu werden (vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 2 RdNr 14 mwN und RdNr 15; BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 16 iVm 22; BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 57; BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 13/11 R - SozR 4-2500 § 103 Nr 9 RdNr 17 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Zu jedem Zeitpunkt muss ohne verwaltungsmäßigen Aufwand feststehen, ob jemand im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung bestimmte Leistungen erbringen darf (vgl vorgenannte BSG-Angaben). Nur dann kann sich der jeweils behandelte Versicherte darauf verlassen, dass sein Arzt in das vertragsärztliche System eingebunden ist, dass keine Vergütung unmittelbar dem Arzt gegenüber zu zahlen ist und dass die spezifische Fachkunde des Arztes (vgl § 135 Abs 2 Satz 1 SGB V) festgestellt ist.

37

Erhebliche Bedeutung hat ferner die Pflicht des zur Leistungserbringung Berechtigten, seine Leistungen persönlich zu erbringen, soweit nicht ein Ausnahmefall delegierbarer Leistungen vorliegt. Diese Pflicht dient der Sicherung der hohen Qualität der vertragsärztlichen Versorgung. Diese kann nur gewährleistet werden, wenn die Leistungen von demjenigen persönlich erbracht werden, der auf der Grundlage der Regelungen über die Zulassung bzw Ermächtigung oder Anstellung von Leistungserbringern als befähigt angesehen worden ist, qualitätsgerechte Leistungen zu gewährleisten (zur persönlichen Leistungserbringung vgl zB BSGE 107, 56 = SozR 4-5520 § 20 Nr 3, RdNr 27 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 121 Nr 2 RdNr 29; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 30 und Nr 24 RdNr 19).

38

Verstöße gegen diese Verpflichtungen sind in der Rechtsprechung des Senats bisher regelmäßig wegen ihrer vertrauenszerstörenden Tendenz als gröblich gewertet worden. Das betrifft wiederholt unkorrekte Abrechnungen, aber auch die Beschäftigung von Assistenten oder Vertretern ohne Genehmigung (BSG-Nachweise und weitere Beispiele bei Schallen, aaO, § 27 RdNr 28 ff; Krauskopf/Clemens in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 29 RdNr 137, sowie bei Plagemann, Münchener AnwaltsHandbuch Sozialrecht, 3. Aufl 2009, § 20 RdNr 81; Meschke in Bäune/Meschke/Rothfuß, aaO, § 27 RdNr 12 ff). Wegen der Ausrichtung der Gröblichkeit der Pflichtverletzung an einer Gesamtbewertung können auch einmalige Rechtsverstöße oder Pflichtverletzungen in nur einem Quartal für eine Entziehung ausreichen, wenn sie den Eindruck bestätigen, der betroffene Leistungserbringer begegne den Anforderungen der vertragsärztlichen Versorgung nicht mit der gebotenen Sensibilität und Aufmerksamkeit.

39

bb) Nach diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall die vom SG und vom LSG gezogene Schlussfolgerung, es lägen gröbliche Pflichtverletzungen vor, die eine Entziehung der Zulassung rechtfertigen, nicht zu beanstanden. Maßgeblich ist, dass der Klägerin die oben in RdNr 32 ff aufgeführte Vielzahl von Verstößen gegen verschiedene grundlegende Pflichten anzulasten ist.

40

(1) Gravierende Pflichtverletzungen ergeben sich schon aus dem oben angeführten ersten Sachverhalt der Abrechnung von Leistungen von Ärzten, die entweder zu keinem Zeitpunkt bei ihr - der Klägerin - angestellt waren oder deren Anstellungsgenehmigungen erst zu einem späteren Zeitpunkt Wirkung entfalteten.

41

Zu diesem Sachverhalt hat die Klägerin ausgeführt: Die Daten der Beigeladenen zu 7. - Frau G. - und der Frau Dr. R. seien fälschlicherweise schon vor dem 1.1.2009 in die Software eingepflegt und diesen Ärztinnen seien - von übereifrigem Praxispersonal - Leistungen zugeordnet worden; als die Anstellungsgenehmigungen entgegen dem Antrag nicht rückwirkend erteilt worden seien, sei versäumt worden, die Leistungen wieder aus der Abrechnung herauszunehmen. Unerklärlich sei, wie auch die LANR der - auch gynäkologisch tätigen - Allgemeinärztin Dr. Str. ins System gelangt sei, die weder zur Anstellung angestanden habe noch Überweiserin gewesen sei. Dazu führt die Klägerin weiter aus, die Leistungen als solche seien aber erbracht worden, nämlich von anderen Ärztinnen - Frau Dr. Sto. und Frau Dr. K. -, die noch bis 31.12.2008 im MVZ tätig gewesen seien.

42

Mit dieser Darstellung hat die Klägerin unterstrichen, dass sie dem Erfordernis, dass vertragsärztliche Leistungen nur von Personen erbracht werden dürfen, die vor Tätigkeitsbeginn einen statusbegründenden Verwaltungsakt der Zulassungsgremien erlangt haben, keine ausreichende Aufmerksamkeit schenkte. Aus dem Sachverhalt in Verbindung mit ihren Ausführungen ergibt sich weiterhin, dass sie davon ausging, sie könne die bei einem gesetzlich Versicherten nötigen Leistungen von irgendeinem Arzt erbringen lassen und müsse sie lediglich bei der Abrechnung dann einem (anderen) Arzt, dessen Leistungen abzurechnen sie befugt war, zuordnen. In diesem Verhalten liegt eine mehrfache Pflichtverletzung. Sie verstieß erstens gegen die Pflicht, vor Tätigkeitsbeginn einen statusbegründenden Verwaltungsakt der Zulassungsgremien zu erwirken, zweitens gegen die Pflicht der persönlichen Leistungserbringung durch den zur Leistung Berechtigten und schließlich durch die Zuordnung der Leistungen zu einem anderen Arzt bei der Abrechnung auch gegen die Pflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung.

43

(2) Hinzu kam noch, dass sie zusätzlich mehr als 1000 Leistungen unter bundesweit nicht vergebenen LANR abrechnete. Damit wies ihre Leistungsabrechnung Arztnummern aus, die keinerlei Bezug zu den tatsächlichen Leistungserbringern erkennen lassen. Während bei bloßen Schreibfehlern noch das Ziel erkennbar ist, den tatsächlichen Leistungserbringer anzugeben, und deshalb in einem solchen Fall die Entziehung der Zulassung nicht gerechtfertigt wäre, gab die Klägerin eine irgendwie gegriffene Arztnummer an, die entweder fiktiv oder einem anderen Arzt als dem Leistungserbringer zugeordnet war: Hier fehlt insgesamt die Zielrichtung genauer Leistungsabrechnung; darin liegt grundsätzlich ein schwerwiegender Verstoß gegen die Pflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung. Das vermittelt den Eindruck, die Klägerin sehe die Vorgaben für die vertragsärztliche Versorgung lediglich als bürokratische Hemmnisse, denen sie kein Gewicht oder jedenfalls kein ausreichendes Gewicht beimisst.

44

(3) Schließlich ließ die Klägerin den Beigeladenen zu 9. als Vertreter für den wiederholt erkrankten bzw beurlaubten Dr. H. tätig werden, ohne dass sie dies der KÄV anzeigte. Hierin liegt ein Verstoß gegen § 32 Abs 1 Satz 4 Ärzte-ZV, wonach Vertretungen, die länger als eine Woche dauern, der KÄV anzuzeigen sind. Damit missachtete sie zugleich die ihr im Bescheid über ihre Zulassung erteilte Auflage, Fälle von Urlaub, Fortbildung oder Krankheit ab einer Abwesenheit von mehr als fünf Tagen bzw bei regelmäßig wiederkehrender Abwesenheit an einzelnen Tagen dem Arztregister formlos mitzuteilen sowie die Vertreter zu benennen (so Nr 12 Satz 1 des Zulassungsbescheides: Beschluss vom 5.3.2008/Bescheid vom 24.4.2008).

45

(4) Von diesen drei Sachverhaltskomplexen waren jedenfalls die beiden erstgenannten, die jeweils Verstöße gegen grundlegende Pflichten betrafen, schon jeder für sich schwerwiegend und begründeten jeweils eine gröbliche Pflichtverletzung: Beide zeigten - wie vom SG ausdrücklich ausgeführt und vom LSG in seinem Urteil (Juris RdNr 45, 47) in Bezug genommen - eine "erschreckende Sorglosigkeit" im Umgang mit den durch die Kassenzulassung begründeten Pflichten und einen "erschreckenden Mangel an Sensibilität" für die bei Abrechnungen nötige Sorgfalt. Diese Wertung der Vorinstanzen ist schlüssig und aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Mithin lagen sowohl aufgrund der Schwere der Pflichtverstöße als auch zusätzlich aufgrund der Art und Weise der Verletzungshandlungen gröbliche Pflichtverletzungen im Sinne des § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V vor.

46

Erst recht kann bei kumulativer Betrachtung aller Pflichtverstöße die Wertung als gröblich nicht beanstandet werden. Das von der Klägerin eingeräumte Fehlverhalten betrifft grundlegende vertragsärztliche Pflichten und zeigt, wie bereits aus den vorinstanzlichen Formulierungen zitiert, eine "erschreckende Sorglosigkeit" und einen "erschreckenden Mangel an Sensibilität" für die mit der Kassenzulassung begründeten Pflichten. Dies trägt die Wertung als gröblich.

47

(5) Die Bewertung der Pflichtverletzungen als gröblich ist ungeachtet der Konzentration der von der Klägerin zu verantwortenden Fehler auf ein Quartal unbedenklich. Die Gesamtbetrachtung der Pflichtverletzungen der Klägerin zwingt zur Folgerung der Verantwortungslosigkeit beim Umgang mit den vertragsärztlichen Pflichten. Wie ausgeführt (zuvor <4>), handelte es sich nicht lediglich um eine einmalige Pflichtverletzung, sondern um eine Vielzahl von Verstößen gegen verschiedene grundlegende Pflichten und dies in einer schwerwiegenden Art, sodass die Bewertung als gröblich, ungeachtet der Konzentration auf ein Quartal, nicht zu beanstanden ist. Aufgrund des erheblichen Gewichts der Pflichtverstöße ergab sich die Folgerung, dass das Vertrauen der vertragsarztrechtlichen Institutionen in die ordnungsgemäße Wahrnehmung und Durchführung der vertragsarztrechtlichen Aufgaben so stark zerstört wurde, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden konnte.

48

Die Klägerin hätte den Geschehensablauf der Zerstörung des Vertrauens der kassenarztrechtlichen Institutionen allenfalls dadurch aufhalten können, dass sie binnen kürzester Frist die Fehlerursache feststellt und das pflichtwidrige Fehlverhalten abstellt sowie die Fehlerursache und -behebung von sich aus den für die Versorgung verantwortlichen Körperschaften offenlegt. Nur unter dieser Voraussetzung könnte erwogen werden, dass trotz der schwerwiegenden Pflichtverletzungen keine Zerstörung des Vertrauens dieser Körperschaften auf die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen des MVZ eingetreten ist.

49

So handelte die Klägerin jedoch nicht. Die Klägerin hat von sich aus der zu 1. beigeladenen KÄV weder bei der Abrechnung einen Hinweis auf mögliche Fehler gegeben noch alsbald danach die Fehlerursachen benannt, um so die Zerstörung des Vertrauens aufzuhalten. Sie hätte schon bei Einreichung der Abrechnung der Leistungen aus dem Quartal IV/2008 deren Richtigkeit überprüfen und erkennen müssen, wie es bei Abgabe einer sog Abrechnungssammelerklärung gefordert wird (vgl hierzu BSG SozR 3-5550 § 35 Nr 1; siehe auch BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 28; BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 17). Ihr ist es nach ihren eigenen Angaben auch anschließend nicht gelungen, die Fehlerursache festzustellen und offenzulegen, etwa durch Benennung der Personen, die für die Fehlerhaftigkeit der Abrechnung verantwortlich waren.

50

3. Über die Bewertung einer Pflichtverletzung als gröblich hinaus setzt die Zulassungsentziehung nicht zusätzlich voraus, dass der Pflichtenverstoß verschuldet war. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl zB BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10, und die weitere oben in RdNr 23 angegebene Rspr).

51

Die Rechtsprechung, dass das Vorliegen eines Verschuldens nicht relevant ist, gründet sich zunächst darauf, dass der Tatbestand des § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V keinen Ansatzpunkt für ein Verschuldenserfordernis bietet. Ein solches Erfordernis wäre auch nicht kompatibel mit dem Ziel der Regelungen des SGB V, die auf eine funktionsfähige vertragsärztliche Versorgung ausgerichtet sind: Ist zB ein Leistungserbringer rauschgiftsüchtig geworden (vgl § 21 Ärzte-ZV), so ist er unabhängig davon, ob ihm dies als verschuldet zugerechnet werden kann oder ob etwa eine Krankheit oder eine medikamentöse Behandlung die Ursache waren, ungeeignet für die Teilnahme an der Versorgung und muss im Interesse von deren Funktionsfähigkeit von der Teilnahme ausgeschlossen werden können.

52

In vergleichbarer Weise wird die Zulassungsentziehung nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin sich - wie sie geltend macht - infolge der im Juli 2008 erfolgten Verlegung ihres Standortes noch in Organisationsschwierigkeiten befunden habe. Ein Grund, Pflichtverletzungen aufgrund eines Umzugs milder zu bewerten, besteht nicht. Die Klägerin muss jederzeit - auch während eines Umzugs - die ihr obliegenden Pflichten gewissenhaft erfüllen. Zudem ist kein Zusammenhang zwischen dem Umzug und den von ihr begangenen Pflichtverletzungen ersichtlich: Ein Umzug mag dazu führen, dass etwa Unterlagen kurzfristig nicht greifbar sind und Anfragen von Kostenträgern verspätet beantwortet werden. Für den Einsatz von Ärzten ohne Anstellungsgenehmigung und die Verwendung falscher Arztnummern kann ein Umzug dagegen keine Rechtfertigung oder Entschuldigung sein. Die Art und die Vielzahl der Verstöße gegen verschiedene grundlegende Pflichten lassen vielmehr auf schwerwiegende Organisationsdefizite der Klägerin schließen. Dies gilt auch, soweit die Klägerin auf Defizite der EDV verweist. Dass eine andere als die verwendete Software die Auswirkungen der fehlerhaften Eingaben von Daten möglicherweise begrenzt hätte, kann die Klägerin nicht entlasten. Kein Bürger kann sich für fehlerhafte Eingaben in der elektronischen Einkommensteuererklärung mit dem Hinweis entlasten, das "System" habe ihn nicht gewarnt. Für die Dateneingabe ist nicht die Software, sondern der Eingebende verantwortlich; eine Bewertung der Eingabefehler als verzeihlich scheidet im Hinblick auf die Vielzahl der Abrechnungsfehler aus. Im Übrigen obliegt es dem Abrechnenden, schon bei der Auswahl der Software dafür Sorge zu tragen, dass diese den Anforderungen entspricht.

53

4. Die Rechtsprechung des Senats, wonach die Möglichkeit besteht, durch Wohlverhalten im laufenden Zulassungsentziehungsprozess noch die Aufhebung des Bescheids über die Zulassungsentziehung zu erreichen, kann im Fall der Klägerin nicht zur Anwendung kommen.

54

Der Senat hat die Rechtsprechung zum sog Wohlverhalten zuletzt in seinem Urteil vom 19.7.2006 ausführlich dargestellt (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 16 ff; vgl dazu auch BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 19). Danach ist bei einer Zulassungsentziehung - jedenfalls im Fall noch nicht sofort vollzogener Entziehung - zu prüfen, ob sich die Sachlage während des Prozesses zu Gunsten des Leistungserbringers in einer Weise geändert hat, dass eine Entziehung nicht mehr als angemessen erscheint. Das stimmt nicht in vollem Umfang mit der Rechtsprechung von BVerwG und BGH in den von ihnen entschiedenen Fällen überein; diese betrafen zB die Zurruhesetzung eines Beamten, den Widerruf bzw die Rücknahme der Zulassung eines Rechtsanwalts, den Widerruf einer zahnärztlichen Approbation oder den Widerruf der Berufserlaubnis eines Logopäden. Diese Gerichte stellen bei ihren Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts jeweils auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ab, sodass der Betroffene für die Geltendmachung erst späterer Verbesserungen der Sachlage darauf verwiesen wird, mit diesen Gesichtspunkten eine erneute Berufung in das Beamtenverhältnis, ein erneutes Verfahren auf Erteilung der Berufserlaubnis oder ein erneutes Approbationsverfahren zu betreiben - womit der Grundsatz gewahrt bleibt, dass bei Anfechtung eines belastenden Verwaltungsakts die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist und bleibt - (vgl hierzu zB BVerwGE 105, 267, 269 f; BVerwGE 137, 1 = NJW 2010, 2901, RdNr 11; vgl ferner BVerwG NJW 2011, 1830 = GesR 2011, 244, RdNr 5; weitere Angaben in BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 14 und 15; - diese Rechtsprechung nicht beanstandend BVerfG BVerfGK 6, 156, 161 = NJW 2005, 3057, 3058 = Juris RdNr 18-20). Demgegenüber berücksichtigt der erkennende Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu Zulassungsentziehungen gemäß § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V - jedenfalls soweit sie bisher nicht sofort vollzogen worden waren - für den Betroffenen günstige Veränderungen auch noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht: Bei Zulassungsentziehungen ist - abweichend vom Grundsatz der maßgeblichen Sachlage im Zeitpunkt nach der letzten Verwaltungsentscheidung - zu überprüfen, ob sich die Sachlage während des Prozesses durch ein Wohlverhalten des Leistungserbringers in einer Weise zu seinen Gunsten geändert hat, dass eine Grundlage für eine erneute Vertrauensbasis zwischen dem Betroffenen und den vertragsarztrechtlichen Institutionen wieder aufgebaut worden ist(zu dieser Ausnahme vom sonst maßgeblichen Zeitpunkt vgl zB BSGE 73, 234, 236 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 11 f; BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 13, 15 f).

55

Ob bzw inwieweit diese Rechtsprechung einer Ausnahme vom Grundsatz der maßgeblichen Sachlage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung fortzuführen ist oder ob sie zu Gunsten der Grundsätze des BVerwG und des BGH aufzugeben ist - mit der Folge, dass der Betroffene für die Berufung auf sein Wohlverhalten seit der letzten Verwaltungsentscheidung darauf verwiesen wird, erneut die Kassenzulassung zu beantragen -, bedarf im vorliegenden Fall weder näherer Erörterung noch einer Entscheidung. Dies kann hier deshalb unentschieden bleiben, weil im vorliegenden Fall die inhaltlichen Voraussetzungen für ein Wohlverhalten ohnehin nicht erfüllt sind. Dieses setzt nach der Rechtsprechung des Senats eine zweifelsfreie nachhaltige Verhaltensänderung während eines Zeitraums von mehreren Jahren sowie eine zweifelsfreie Prognose künftig rechtmäßigen Verhaltens voraus (vgl BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 19 mwN zum Erfordernis zweifelsfreier Prognose; ebenso BSG vom 27.6.2007 - B 6 KA 20/07 B - Juris RdNr 13; hier in RdNr 13 auch zur Frist: "im Regelfall nach ca fünf Jahren"; ebenso - betr Wiederzulassung - BSG MedR 1987, 254, 255 = USK 86179 S 838: "Bewährungszeit von fünf Jahren"; in Bezug genommen in BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 14; vgl hier auch RdNr 15 zum Fünf-Jahres-Zeitraum). Für ein Wohlverhalten in diesem Sinne reicht die Zeit von weniger als zwei Jahren, die seit der letzten Verwaltungsentscheidung vom 15.7.2009 bis zur Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz am 23.2.2011 verstrichen ist, nicht aus (zur Bemessung nur bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts siehe BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 15 am Ende).

56

5. Eine Zulassungsentziehung erfordert - anders, als die Klägerin geltend macht - keine Negativprognose für das künftige Verhalten des Leistungserbringers im Sinne der Feststellung einer Wiederholungsgefahr. Für ein solches Erfordernis gibt es keinen Ansatzpunkt, weder in § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V noch in der Rechtsprechung des BSG oder des BVerfG.

57

Der Tatbestand des § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V ist nicht auf die Steuerung künftigen Verhaltens ausgerichtet. Zwar mag eine Wirkung auf das künftige Verhalten des Betroffenen und auch auf dasjenige der anderen Leistungserbringer (Generalprävention) ein erwünschter Nebeneffekt einer Zulassungsentziehung sein; hierauf ist die Norm aber nicht ausgerichtet. Sie regelt vielmehr nach ihrem Wortlaut eine nachträgliche Reaktion auf ein in der Vergangenheit liegendes pflichtwidriges Verhalten. Das BSG hat diese Zielrichtung in Abgrenzung zu Disziplinarmaßnahmen herausgestellt (vgl BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 36 f mwN). Mithin sind allein Ausmaß und Schwere der Pflichtverletzungen der Maßstab dafür, ob den Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung eine Fortsetzung der Zusammenarbeit zuzumuten ist.

58

Auch aus der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung des BVerfG lässt sich nichts Abweichendes herleiten. Der Beschluss vom 31.8.2005 (BVerfG BVerfGK 6, 156 = NJW 2005, 3057) hat zwar einen Beschluss des BGH über eine Amtsenthebung gegenüber einem Notar wegen Verletzung des Art 12 Abs 1 GG aufgehoben, dies aber nicht deshalb, weil es an einer Negativprognose gefehlt habe, sondern deshalb, weil die den Notar entlastenden, noch bis zur letzten Verwaltungsentscheidung eingetretenen Änderungen der Sachlage nicht ausreichend berücksichtigt worden waren (BVerfGK aaO S 161 ff bzw NJW aaO S 3058 . Die Notwendigkeit einer Negativprognose ergibt sich auch nicht aus den weiteren Beschlüssen vom 15.3.2010 und vom 8.11.2010, die auf Anrufung der Klägerin hin ergangen sind (BVerfG - jeweils zum Az 1 BvR 722/10 - SozR 4-2500 § 95 Nr 19 = ZMGR 2010, 100 = GesR 2010, 326, und NZS 2011, 619 = ZMGR 2011, 27, zunächst einstweilige Anordnung auf Aussetzung sofortiger Vollziehung und danach Verfassungsbeschwerde gegen Anordnung sofortiger Vollziehung):

59

In diesen Beschlüssen hat das BVerfG jeweils eine Interessenabwägung und in deren Rahmen auch eine Folgenabschätzung vorgenommen, wie es seiner ständigen Rechtsprechung in Fällen entspricht, in denen eine einstweilige Regelung zu treffen (§ 32 Abs 1 BVerfGG) oder über eine von den Fachgerichten getroffene einstweilige Regelung zu entscheiden ist (§ 80 Abs 5 ff, § 123 Abs 1 VwGO bzw § 86b Abs 1 und 2 SGG). Eine solche Folgenabschätzung erfordert nach der Rechtsprechung des BVerfG jeweils auch die Prüfung der Gefahr künftiger (erneuter) Rechtsverletzungen. Dies betrifft aber nur Fälle, in denen das BVerfG entweder über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 32 Abs 1 BVerfGG oder über eine fachgerichtliche Ablehnung der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes(§ 80 Abs 5 ff, § 123 Abs 1 VwGO bzw § 86b Abs 1 und 2 SGG) zu entscheiden hat. Eine dem vergleichbare Konstellation, die die Anwendung entsprechender Entscheidungsgrundsätze im anhängigen Revisionsverfahren erfordern könnte, liegt hier nicht vor. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 28.8.2007 (BVerfGK 12, 72) deutlich gemacht, dass aus dem Erfordernis einer besonderen Gefahrenprognose im Rahmen von Anordnungen der sofortigen Vollziehung nicht gefolgert werden kann, aufgrund des Art 12 Abs 1 GG sei generell eine Negativprognose zu fordern (aaO S 80).

60

Dies ist im vorliegenden Verfahren zu beachten. Hier ist allein über die Rechtmäßigkeit einer Reaktion auf vergangenes Verhalten gemäß § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V zu entscheiden. Zu diesem Tatbestand passt das Erfordernis einer Negativprognose oder Wiederholungsgefahr nicht. Vielmehr wird wie zB auch beim Widerruf der (zahn)ärztlichen Approbation oder der Berufserlaubnis eines Logopäden wegen Pflichtverletzungen und darauf gegründeter Unwürdigkeit keine (Gefahren-)Prognose für die Zukunft vorgenommen, sondern allein an das Fehlverhalten in der Vergangenheit angeknüpft; hierbei sind allerdings die verfassungsrechtlichen Maßstäbe des Art 12 Abs 1 GG und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes anzulegen, sodass zu prüfen ist, ob die Sanktion eine noch angemessene, nicht unverhältnismäßige Reaktion auf die begangenen Pflichtwidrigkeiten darstellt (ebenso zB BVerwG NJW 2011, 1830 = GesR 2011, 244, RdNr 4; modifizierend BVerwGE 137, 1 = NJW 2010, 2901, RdNr 11, 18-20 betr Merkmal der Unzuverlässigkeit; ebenso BVerwG vom 25.2.2008 - 3 B 85/07 - Juris RdNr 16). Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist mit zu berücksichtigen, dass die Entziehung nicht einen lebenslangen Ausschluss bedeuten muss, weil bei erneutem Vorliegen aller Voraussetzungen eine erneute Berufung in das Beamtenverhältnis, eine erneute Berufserlaubnis oder eine erneute Approbation bzw Zulassung mit Aussicht auf Erfolg beantragt werden kann (vgl hierzu BVerwGE 105, 267, 269 f zum Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit; BVerwGE 137, 1 = NJW 2010, 2901, RdNr 11 iVm 21 zum Widerruf der Berufserlaubnis für Logopäden; BVerwG NJW 2011, 1830 = GesR 2011, 244, RdNr 5 zum Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit; - zu den Maßstäben für Wiederzulassungen vgl BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 14 ff; zur Verfassungsmäßigkeit von Wiederzulassungssperren siehe ferner BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 70 ff).

61

6. Die Verhältnismäßigkeit unterliegt auch nicht unter anderen Gesichtspunkten durchgreifenden Bedenken. Die Kriterien Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne sind eingehalten.

62

Die Erforderlichkeit kann nicht unter dem Gesichtspunkt eines weniger belastenden Mittels in Frage gestellt werden. Ein das MVZ weniger belastendes Mittel als die Zulassungsentziehung stellt das Gesetz im Falle von dessen Pflichtverletzungen nicht zur Verfügung (vgl oben RdNr 29 mit Hinweis auf das Fehlen disziplinarischer Möglichkeiten). Die Verweisung darauf, es könnten aber uU Maßnahmen gegen die Mitarbeiter des MVZ ergriffen werden, verkennt, dass die vorliegenden Pflichtverletzungen den Pflichtenkreis speziell des MVZ betreffen (RdNr 24 ff); ohnehin sind individuell-verantwortliche Mitarbeiter gerade nicht von der Klägerin benannt worden (RdNr 48 f).

63

Auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, dh die Angemessenheit bei Abwägung des von der Klägerin gesetzten Eingriffsanlasses im Verhältnis zur Eingriffstiefe, ist gewahrt. Wie bereits ausgeführt, verletzte die Klägerin nicht etwa nur Nebenpflichten, sondern die in Rede stehenden Pflichtverstöße betrafen zentrale Pflichten des MVZ (vgl oben RdNr 28 f), und angesichts des dargestellten schwerwiegenden Charakters der Pflichtverletzungen (vgl insbesondere oben RdNr 45 f) ist die Zulassungsentziehung sachangemessen.

64

Die Verhältnismäßigkeit gilt auch bei Würdigung des Umstandes, dass die Klägerin nach Entziehung der Zulassung ihren Gesellschaftszweck nicht weiterverfolgen kann, weil dieser nur auf den Betrieb des konkreten MVZ gerichtet ist. Dies macht die Entziehung nicht im engeren Sinne unverhältnismäßig. Abgesehen davon, dass die Klägerin sich ohnehin im Stadium der Insolvenz befindet, passt der von der Klägerin angeführte Aspekt der schweren Folgen eines dauerhaften Ausschlusses von jeder beruflichen Tätigkeit hier nicht. Einer GmbH steht das Grundrecht aus Art 12 Abs 1 GG zu, weil sie den rechtlichen Rahmen für die berufliche Tätigkeit der hinter ihr stehenden Personen stellt. Die GmbH selbst kann - wenn die Insolvenz als Ergebnis des laufenden Insolvenzverfahrens doch noch abzuwenden sein sollte - später eventuell erneut ihre Zulassung beantragen, wenn sie glaubhaft macht, ausreichende Vorkehrungen gegen künftige Pflichtverstöße getroffen zu haben, allerdings nur nach Maßgabe der Maßstäbe für Wiederzulassungen (vgl hierzu BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 14 ff; zur Verfassungsmäßigkeit von Wiederzulassungssperren siehe ferner BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 70 ff).

65

Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne kann auch nicht im Hinblick auf die Rechtspositionen der im Gefolge der Entziehung der MVZ-Zulassung betroffenen Ärzte in Zweifel gezogen werden. Die im Rahmen des MVZ ihre Berufstätigkeit ausübenden Personen können, wie oben ausgeführt, ihre gewünschten Tätigkeiten auch nach der Liquidation der klagenden GmbH fortsetzen (zu den Ärzten vgl oben RdNr 30); ihre Rechtspositionen aus Art 12 Abs 1 GG sind nicht in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Zulassungsentziehung gegenüber dem MVZ einzubeziehen (vgl oben RdNr 30, 31).

66

Schließlich führen auch die Auswirkungen, die eine Zulassungsentziehung für die vom MVZ betreuten Patienten und für die weiteren dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Entziehung. Derartige Auswirkungen sind zwingend mit jedem Ausscheiden eines Vertragsarztes aus der Versorgung oder auch mit dem Widerruf der Zulassung von Rechtsanwälten und mit der Schließung von Krankenhäusern zB wegen Fehlens der Zuverlässigkeit des Betreibers verbunden. Alle Vorschriften über die Entziehung oder den Widerruf einer Berufszulassung bzw -erlaubnis werden ungeachtet der Mitbelastung weiterer Betroffener von der Erwägung getragen, dass auf Dauer die Mitwirkung von Personen oder Institutionen, die keine Gewähr für eine korrekte Erfüllung der Berufspflichten bieten, nicht hingenommen werden kann. In diesem Sinne können auch bei Zulassungsentziehungen im Vertragsarztrecht - anders als bei Entscheidungen im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl oben RdNr 56 ff) - die Schwierigkeiten der Patienten bei der Suche nach neuen Behandlungsmöglichkeiten und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Suche nach neuen Stellen keine Rolle spielen.

67

7. Schließlich ist auch keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art 3 Abs 1 GG ersichtlich. Für das Vorbringen der Klägerin, bei gleichartigen Pflichtverletzungen, wie sie ihr angelastet werden, würde im Falle von Krankenhäusern oder Vertragsärzten keine gröbliche Pflichtverletzung mit der Folge einer Zulassungsentziehung angenommen, hat die Klägerin schon keine konkreten Belege beigebracht.

68

Für Krankenhäuser fehlt es auch an der erforderlichen Vergleichbarkeit, weil für sie andere Rechtsvorschriften gelten. Vertragsärzte unterliegen zwar derselben Sanktionsregelung des § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V; auch hier fehlt es aber an der Vergleichbarkeit, weil ihr Pflichtenkreis anders zugeschnitten ist; so stellt bei ihnen das Abrechnungswesen nur eine Nebentätigkeit dar, und Pflichtverstöße in diesem Bereich können deshalb bei ihnen uU geringer gewichtet werden (vgl oben RdNr 25 ff, 29).

69

Im Übrigen wäre aber bei derart gravierenden Pflichtverletzungen, wie sie hier der Klägerin anzulasten sind, auch im Falle einzelner Vertragsärzte eine gröbliche Pflichtverletzung anzunehmen. Sollte es dennoch einen Fall geben - den die Klägerin freilich nicht konkret benennt -, in dem eine solche Pflichtverletzung bei einem Vertragsarzt nicht als gröblich bewertet wurde, so könnte sich die Klägerin hierauf nicht mit Erfolg unter Anführung von Art 3 Abs 1 GG berufen. Denn wegen der vorrangigen Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht (Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG) besteht kein Anspruch darauf, dass bei gleicher Sachlage künftig wieder in gleicher Weise falsch entschieden werden müsste. Einen "Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht" kennt die Rechtsordnung nicht (stRspr des BVerfG und des BSG, vgl BSG SozR 4-2500 § 119 Nr 1 RdNr 33 mwN).

70

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO), einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 1., die sich am Verfahren beteiligt und auch einen Antrag gestellt hat (§ 162 Abs 3 VwGO). Eine Erstattung von Kosten der übrigen Beigeladenen ist nicht veranlasst; sie haben keine Anträge gestellt (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen nach den §§ 73b, 132e, 132f und 140a erbrachten Leistungen sind die an diesen Versorgungsformen teilnehmenden Leistungserbringer befugt, die nach den Vorschriften dieses Kapitels erforderlichen Angaben an den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite als Verantwortlichen oder an eine nach Absatz 2 beauftragte andere Stelle zu übermitteln; für den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite gilt § 35 des Ersten Buches entsprechend. Voraussetzung ist, dass der Versicherte vor Abgabe der Teilnahmeerklärung an der Versorgungsform umfassend über die vorgesehene Datenübermittlung informiert worden ist und mit der Einwilligung in die Teilnahme zugleich in die damit verbundene Datenübermittlung schriftlich oder elektronisch eingewilligt hat. Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite oder die beauftragte andere Stelle dürfen die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten; sie übermitteln die Daten im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern an den jeweiligen Vertragspartner auf Krankenkassenseite.

(2) Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite darf eine andere Stelle mit der Verarbeitung der für die Abrechnung der in Absatz 1 genannten Leistungen erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragen; die Vorschriften des Fünften Abschnitts bleiben unberührt. § 80 des Zehnten Buches ist anzuwenden mit der weiteren Maßgabe, dass Unterauftragsverhältnisse ausgeschlossen sind. Für Auftraggeber und Auftragsverarbeiter, die nicht zu den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen gehören, gilt diese Vorschrift entsprechend; sie haben insbesondere die technischen und organisatorischen Maßnahmen nach den Artikeln 24, 25 und 32 der Verordnung (EU) 2016/679 zu treffen.

(3) Für die Abrechnung von im Notfall erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen darf das Krankenhaus eine andere Stelle mit der Verarbeitung der erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragen, sofern der Versicherte schriftlich oder elektronisch in die Datenübermittlung eingewilligt hat; § 334 bleibt unberührt. Der Auftragsverarbeiter darf diese Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten. Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen bilden je ein gemeinsames Schiedsamt für die vertragsärztliche Versorgung und ein gemeinsames Schiedsamt für die vertragszahnärztliche Versorgung (Landesschiedsämter).

(2) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden ein gemeinsames Schiedsamt für die vertragsärztliche Versorgung und ein gemeinsames Schiedsamt für die vertragszahnärztliche Versorgung (Bundesschiedsämter).

(3) Kommt ein Vertrag über die vertragsärztliche oder die vertragszahnärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande, setzt das zuständige Schiedsamt mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten den Vertragsinhalt fest. Wird ein für die Einleitung des Verfahrens erforderlicher Antrag nicht gestellt, können auch die für das jeweilige Schiedsamt oder die für die Vertragsparteien zuständigen Aufsichtsbehörden, nachdem sie den Organisationen, die das Schiedsamt bilden, eine Frist zur Antragstellung gesetzt haben und die Frist abgelaufen ist oder nach Ablauf einer für das Zustandekommen des Vertrages gesetzlich vorgeschriebenen Frist, das Schiedsamt mit Wirkung für die Vertragsparteien anrufen. Das Schiedsamtsverfahren beginnt mit dem bei dem Schiedsamt gestellten Antrag.

(4) Kündigt eine Vertragspartei einen Vertrag, hat sie die Kündigung dem zuständigen Schiedsamt schriftlich oder elektronisch mitzuteilen. Kommt bis zum Ablauf des Vertrages kein neuer Vertrag zustande, setzt das zuständige Schiedsamt mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten den Inhalt des neuen Vertrages fest. In diesem Fall gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages bis zur Festsetzung des Inhalts des neuen Vertrages durch das Schiedsamt weiter. Das Schiedsamtsverfahren beginnt mit dem auf den Ablauf der Kündigungsfrist folgenden Tag.

(5) Die Landesschiedsämter und die Bundesschiedsämter bestehen aus je vier Vertretern der Ärzte oder Zahnärzte und vier Vertretern der Krankenkassen sowie einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Bei der Festsetzung des Inhalts eines Vertrages, der nicht alle Kassenarten betrifft, wirken als Vertreter der Krankenkassen nur Vertreter der betroffenen Kassenarten im Schiedsamt mit. Die in Absatz 1 genannten Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen können von Satz 2 abweichende Regelungen vereinbaren. Für jedes Mitglied gibt es zwei Stellvertreter. Die Amtsdauer der Mitglieder beträgt vier Jahre. Die Vertreter und Stellvertreter werden jeweils durch die Organisationen, die das jeweilige Schiedsamt bilden, bestellt. Kommt eine Bestellung durch die Organisationen nicht zustande, bestellt die für das jeweilige Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde die Vertreter und Stellvertreter, nachdem sie den Organisationen eine Frist zur Bestellung gesetzt hat und diese Frist abgelaufen ist.

(6) Über den unparteiischen Vorsitzenden und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Vertragsparteien einigen. § 213 Absatz 2 in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung gilt für die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen entsprechend. Kommt eine Einigung nicht zustande, erfolgt eine Bestellung des unparteiischen Vorsitzenden, der weiteren unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter durch die für das jeweilige Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde, nachdem sie den Vertragsparteien eine Frist zur Einigung gesetzt hat und diese Frist abgelaufen ist. Die unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter gelten als bestellt, sobald sie sich den beteiligten Vertragsparteien gegenüber zur Amtsübernahme bereit erklärt haben.

(7) Die Mitglieder des Schiedsamtes führen ihr Amt als Ehrenamt. Sie sind an Weisungen nicht gebunden. Die unparteiischen Mitglieder und ihre Stellvertreter können aus wichtigem Grund von der für das jeweilige Schiedsamt zuständigen Aufsichtsbehörde abberufen werden. Die Vertreter der Ärzte oder Zahnärzte und die Vertreter der Krankenkassen sowie ihre Stellvertreter können von den Organisationen, die sie bestellt haben, abberufen werden. Eine Amtsniederlegung ist gegenüber den Organisationen zu erklären, die das jeweilige Schiedsamt gebildet haben. Die Mitglieder sind verpflichtet, an den Sitzungen des Schiedsamtes teilzunehmen oder bei Verhinderung ihre Stellvertreter zu benachrichtigen. Eine Stimmenthaltung ist unzulässig. Jedes Mitglied hat eine Stimme.

(8) Das Schiedsamt ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder oder deren Stellvertreter anwesend sind. Ist das Schiedsamt in einer Sitzung nicht beschlussfähig, ist innerhalb von 14 Kalendertagen nach dieser Sitzung eine erneute Sitzung einzuberufen. In dieser erneuten Sitzung ist die Beschlussfähigkeit gegeben, wenn die unparteiischen Mitglieder oder deren Stellvertreter und mehr als die Hälfte der weiteren Mitglieder des Schiedsamtes oder deren Stellvertreter anwesend sind. Ist auch in der erneuten Sitzung keine Beschlussfähigkeit nach Satz 3 gegeben, setzen die unparteiischen Mitglieder des Schiedsamtes den Vertragsinhalt fest. Auf diese Folgen ist in der Einladung zur erneuten Sitzung ausdrücklich hinzuweisen.

(9) Setzt das Schiedsamt innerhalb der Frist nach Absatz 3 Satz 1 oder Absatz 4 Satz 2 keinen Vertragsinhalt fest, setzt die für das jeweilige Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde eine Frist zur Festsetzung des Vertragsinhalts. Nach Ablauf dieser Frist setzen die unparteiischen Mitglieder des Schiedsamtes den Vertragsinhalt fest. Die unparteiischen Mitglieder können auf Kosten der Vertragsparteien Datenerhebungen, Auswertungen oder Sachverständigengutachten in Auftrag geben. Klagen gegen Entscheidungen des Schiedsamtes sowie Klagen gegen Entscheidungen der Aufsichtsbehörden nach diesem Paragraphen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet in den Fällen des Satzes 4 nicht statt.

(10) Die Aufsicht über die Landesschiedsämter führen die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung eine andere Behörde als Aufsichtsbehörde bestimmen; die Landesregierungen können diese Ermächtigung auf die obersten Landesbehörden weiterübertragen. Die Aufsicht über die Bundesschiedsämter führt das Bundesministerium für Gesundheit. Die Aufsicht erstreckt sich auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht. Die Aufsicht umfasst auch das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen der Schiedsämter; das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen der Schiedsämter gilt auch für das Bundesversicherungsamt, sofern ihm die Entscheidungen der Schiedsämter gemäß Satz 6 vorzulegen sind. Die Entscheidungen der Schiedsämter über die Vergütung der Leistungen nach § 57 Absatz 1 und 2, den §§ 83, 85 und 87a sind der jeweiligen zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen. Die Aufsichtsbehörden können die Entscheidungen bei einem Rechtsverstoß innerhalb von zwei Monaten nach Vorlage beanstanden. Für Klagen der Vertragspartner gegen die Beanstandung gilt Absatz 9 Satz 4 und 5 entsprechend.

(11) Das Bundesministerium für Gesundheit bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Bestellung, die Amtsdauer, die Amtsführung, die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für Zeitaufwand der Mitglieder der Schiedsämter, die Geschäftsführung, das Verfahren, die Erhebung und die Höhe der Gebühren sowie über die Verteilung der Kosten.

(12) Der Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden ein weiteres Schiedsamt auf Bundesebene. Das Schiedsamt besteht aus Vertretern des Verbandes Deutscher Zahntechniker-Innungen und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in gleicher Zahl sowie einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Im Übrigen gelten die Absätze 3, 4, 5 Satz 4 bis 7, die Absätze 6, 7, 8, 9 und 10 Satz 3, 4 und 5 sowie die aufgrund des Absatzes 11 erlassene Schiedsamtsverordnung entsprechend.

(13) Die Innungsverbände der Zahntechniker, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen bilden ein weiteres Schiedsamt auf Landesebene. Das Schiedsamt besteht aus Vertretern der Innungsverbände der Zahntechniker und der Krankenkassen in gleicher Zahl sowie einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Im Übrigen gelten die Absätze 3, 4, 5 Satz 4 bis 7, die Absätze 6, 7, 8, 9 und 10 Satz 1, 2, 4 und 5 sowie die aufgrund des Absatzes 11 erlassene Verordnung entsprechend.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. April 2012 geändert. Es wird festgestellt, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vereinbar ist. Insoweit sind die Beteiligten verpflichtet, den Vertrag zu ändern.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 9/10 und die Beklagten tragen 1/10 der Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen einen Schiedsspruch, mit dem der Inhalt eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV) nach § 73b SGB V zwischen ihr und den beiden beklagten Hausarztverbänden festgelegt worden ist.

2

Nachdem sich Klägerin und Beklagte nicht über den Abschluss eines Vertrages zur HzV einigen konnten, beantragten die Beklagten die Einleitung des Schiedsverfahrens. Die Schiedsperson wurde durch das Bundesversicherungsamt (BVA) bestimmt, nachdem auch dazu keine Einigung erzielt werden konnte. Gegen den Bescheid des BVA zur Bestimmung der Schiedsperson wandte sich die Klägerin mit der Klage und beantragte zugleich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Diesen Antrag wies das SG zurück. Die dagegen eingelegten Beschwerden nahm die Klägerin zurück, nachdem der Schiedsspruch ergangen war.

3

Mit einem weiteren Eilverfahren wandte sich die Klägerin erfolglos gegen die Festsetzung eines Verhandlungstermins durch die Schiedsperson. An der anberaumten mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin nicht teil. Zu dem von den Beklagten vorgelegten Vertragsangebot nahm die Klägerin mit insgesamt 68 Einzelanträgen Stellung.

4

Mit Schiedsspruch vom 9.9.2010 setzte die Schiedsperson den Inhalt des Vertrages zur HzV mit Wirkung zum 15.9.2010 fest und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Beklagten erfüllten die Voraussetzung, nach der sie mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Baden-Württemberg vertreten müssten. Die gesetzliche Regelung könne nicht in dem Sinne verstanden werden, dass eine rechtsgeschäftliche Vertretung im Sinne des § 164 Abs 1 BGB erforderlich sei. Vielmehr sei mit der Formulierung des "Vertretens" gemeint, dass die Gemeinschaften eine gewisse soziale Mächtigkeit haben müssten, damit eine flächendeckende Versorgung mit Hausarztverträgen wahrscheinlich sichergestellt werden könne. Da mehr als die Hälfte der Allgemeinärzte Mitglied der beiden beklagten Verbände seien, seien die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Selbst wenn nicht auf dieses Verständnis des "Vertretens" abgestellt würde, seien die Voraussetzungen erfüllt, weil mehr als die Hälfte der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte die Beklagten zu 1. und 2. mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hätten. Die Schiedsperson sei keine Behörde und sie erlasse auch keinen Verwaltungsakt, sondern werde als Vertragshelfer tätig. Als solche habe sie in Wahrnehmung ihres Bestimmungsrechts den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festzusetzen. In Ausübung ihres billigen Ermessens habe sie entschieden, den Vertrag zur HzV als sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag festzusetzen. Allein die Vereinbarung von Vollversorgungsverträgen entspreche der Intention des Gesetzes, mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen durch Erweiterung ihrer Handlungsspielräume zum Abschluss von Verträgen mit Leistungserbringern oder Gruppen von ihnen zu ermöglichen.

5

Der festgelegte Vertragsinhalt entspreche den gesetzlichen Anforderungen an eine HzV und führe zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung für die Versicherten. Er entspreche hinsichtlich des Leistungsinhalts in vollem Umfang den Forderungen, die die Krankenkassen in früher geführten Schiedsverfahren für den Bezirk der KÄV Bayern aufgestellt hätten und gehe auch hinsichtlich der qualitativen Anforderungen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Hinsichtlich der Vergütung der in der HzV zu erbringenden Leistungen orientiere sich der Vertrag in Ausübung billigen Ermessens an dem Vertrag, den die BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für den Bezirk der KÄV Baden-Württemberg abgeschlossen habe. Vergleichbare Vergütungsregelungen fänden sich auch in zahlreichen weiteren Verträgen zur HzV, die Krankenkassen mit Gemeinschaften von Hausärzten geschlossen hätten. Bei der Festsetzung der Höhe der Vergütung seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Beitragssatzstabilität zu beachten. Dem werde die Vergütungsstruktur sowie die daran anknüpfende Vergütungshöhe gerecht. Die wirtschaftlichen Risiken der Krankenkassen würden durch verschiedene - in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen bezeichnete - Maßnahmen beschränkt. Den durch die Vergütung der HzV-Leistungen bedingten Mehrausgaben stünden Einsparungen gegenüber, die jedoch schwer genauer zu prognostizieren seien. Allerdings zeigten Erfahrungswerte aus bereits laufenden HzV-Verträgen, dass (in der Begründung des Schiedsspruchs näher bezeichnete) Einsparungen erzielt würden, mit denen sich die Mehrausgaben finanzieren ließen. Einer Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson stehe auch nicht entgegen, dass die Auftragsvergabe nicht nach den Vorschriften des Vergaberechts ausgeschrieben worden sei und dass die Anwendung des Sozialdatenschutzes auf die HzV-Verträge umstritten sei. Die Anwendung der Regelungen über den Datenschutz sei zwar streitig. Im Gegensatz zum unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein hätten die Landesdatenschutzbeauftragten für Bayern und Baden-Württemberg aber bisher keinen Anlass zu einer datenschutzrechtlichen Beanstandung bezogen auf die bestehenden HzV-Verträge gesehen. Im Hinblick auf diese Rechtslage werde von der Festsetzung einer datenschutzrechtlichen Regelung abgesehen. Die Schaffung einer datenschutzkonformen Regelung über die Weitergabe von Patientendaten an private Abrechnungsstellen bleibe auf der Rechtsgrundlage des § 295 Abs 1b SGB V bilateralen Behandlungen der Beteiligten überlassen. Eine Festsetzung der HzV-Vergütung auf dem Niveau der Regelversorgung scheide aus, weil im Rahmen der HzV ein bestimmtes Ausstattungsniveau der teilnehmenden hausärztlichen Praxen vorgegeben werde. Der an der HzV teilnehmende Hausarzt sei außerdem zur Erlangung bestimmter Weiterbildungsmaßnahmen und Abrechnungsqualifikationen verpflichtet, die in der Regelversorgung nicht gefordert seien. Hinzu trete die verpflichtende Teilnahme des teilnehmenden Hausarztes an den Disease-Management-Programmen sowie die Wahrnehmung der Betreuung von pflegebedürftigen Patienten. Zudem bestehe die Verpflichtung zur Teilnahme an Fortbildungen, zu hausarztspezifischen Themen, was über die generelle Fortbildungspflicht gemäß § 95d SGB V hinausgehe. Schließlich sei das Dienstleistungsangebot der hausärztlichen Praxen in der HzV erweitert. Diese erweiterten Qualifikationen, apparativen Ausstattungen und verbesserten Dienstleistungsangebote führten zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung, die ein höheres Vergütungsniveau im Vergleich zur hausärztlichen Regelversorgung rechtfertige. Durch das gegen die Bestimmung der Schiedsperson anhängige Klageverfahren werde das Wirksamwerden des Vertrages zur HzV nicht gehindert, weil die Klage gemäß § 73b Abs 4a SGB V keine aufschiebende Wirkung habe.

6

Gegen den Schiedsspruch vom 9.9.2010 hat sich die Klägerin mit der am 9.9.2011 erhobenen Klage gewandt und beantragt festzustellen, dass der Schiedsspruch unwirksam sei. Hilfsweise hat sie beantragt, die Regelung zum Inkrafttreten um den Zusatz zu ergänzen, dass der Vertrag nicht in Kraft trete, bevor nicht sämtliche Anlagen zum Vertrag durch die Parteien vereinbart oder durch weiteren Schiedsspruch festgesetzt worden seien. Mit der gegen die Abweisung der Klage (Urteil des SG vom 25.4.2012) erhobenen Berufung hat die Klägerin ua geltend gemacht, dass es sich bei der Entscheidung der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele. Sie gehe aber davon aus, dass eine isolierte Anfechtungsklage zulässig sein müsse. Sofern der Schiedsspruch ein Verwaltungsakt sein sollte, komme eine Leistungsklage in Form der Ersetzungsklage kaum in Betracht, da der Klägerin kein Recht zustehe, den Verwaltungsakt nach ihren Vorstellungen vollständig durch das Gericht ersetzen zu lassen. Demgegenüber haben die Beklagten die Auffassung vertreten, dass der Schiedsspruch als Verwaltungsakt anzusehen und als solcher rechtmäßig sei.

7

Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem Schiedsspruch vom 9.9.2010 um einen Verwaltungsakt handele. Für Beschlüsse einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V gelte nichts anderes als für Entscheidungen der Schiedsämter gemäß § 89 SGB V und der Schiedsstellen nach § 114 SGB V. § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V regele ein förmliches Schiedsverfahren. Zudem habe das BSG für den hier einschlägigen Bereich des Vertragsarztrechts seit jeher die Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs bejaht. Auch die Änderung des § 73b Abs 4a SGB V zum 1.1.2012 durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl I 2983) spreche nicht gegen die Annahme der Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs. Bei der Schiedsperson handele es sich um eine Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X. Dem stehe auch nicht der Umstand entgegen, dass keine Regelung zur staatlichen Aufsicht über die Schiedsperson existiere. Wenn verfassungsrechtlich zu fordernde Regelungen zur Aufsicht fehlten, könne dies allenfalls die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung zur Folge haben. Schiedspersonen nähmen Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahr, wenn sie die Vertragsverhältnisse zwischen einer Krankenkasse und den Verbänden der Hausärzte festlegten. Bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson handele es sich um eine für Ärzte, Patienten und Krankenkassen außerordentlich weitreichende Entscheidung. Für die gerichtliche Prüfung derart komplexer Regelungen mit weitreichenden Auswirkungen eigneten sich die über § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V entsprechend geltenden Vorschriften der §§ 317 ff BGB über den Vertragshelfer nicht. § 317 BGB regele den Fall, dass die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen bleibe. § 317 BGB überlasse der Schiedsperson nicht die Bestimmung des Vertragsinhalts, sondern die Bestimmung der Leistung. Vorliegend würden von der Schiedsperson aber sämtliche gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien festgelegt. Die Festlegung eines Vertrages über die HzV durch die Schiedsperson gehe somit weit über das hinaus, was Vertragshelfer nach § 317 BGB üblicherweise festlegen könnten. Zudem erweise sich der in § 319 BGB genannte Maßstab des "billigen Ermessens" als wenig geeignet für die Prüfung des von der Schiedsperson festgelegten Vertragsinhalts. Schließlich verhindere die Rechtskonstruktion des Vertragshelfers nicht eine Verzögerung der Umsetzung des geschiedsten Vertrages durch in destruktiver Absicht eingelegte Rechtsmittel. Dies zeige der vorliegende Fall. Für die Erhebung der Gestaltungsklagen gelte keine Ausschlussfrist. Damit bleibe für die Vertragsparteien lange unklar, ob der festgelegte Vertrag rechtsverbindlich werde. Auch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung helfe nicht weiter, weil der Vertrag in der Praxis regelmäßig erst dann als umsetzbar angesehen werde, wenn dessen rechtliche Verbindlichkeit auch feststehe. Auch dies zeige der vorliegende Fall.

8

Die isolierte Anfechtungsklage sei zulässig, jedoch nicht begründet. Der Schiedsperson stehe bei der Festlegung des Vertragsinhalts ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Schiedsspruch sei nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle zugänglich. Verstöße gegen wesentliche verfahrensrechtliche Grundsätze lägen nicht vor. Die Schiedsperson habe die Festlegung des Vertragsinhalts ausführlich begründet. Soweit die Klägerin das Fehlen einer Ausgabenobergrenze rüge, übersehe sie § 10 Abs 9 des Vertrages, der eine Begrenzung der HzV-Vergütung auf einen durchschnittlichen maximalen Fallwert von 76 Euro vorsehe. Unbegründet sei auch der Einwand der Klägerin, dass der Vertrag an mehreren Stellen gegen ihre Satzungsregelungen verstoße. Der Vertrag begründe keine Rechte und Pflichten der Versicherten. Den von den Vertragsparteien oder nach Maßgabe des § 73b Abs 4a SGB V von der Schiedsperson an deren Stelle getroffenen Festlegungen komme Vorrang vor dem Satzungsrecht der einzelnen Krankenkasse zu. Die Krankenkasse müsse den sie bindenden Vertrag bei jeglicher Verwaltungstätigkeit einhalten. Wenn die Satzung der Krankenkasse mit den Festlegungen des Vertrages nicht in Einklang stehe, müsse sie daher die Satzung entsprechend ändern und an den Vertrag anpassen. Für den gestellten Hilfsantrag mit dem Ziel, das Inkrafttreten des Vertrages auf den Zeitpunkt zu verschieben, zu dem sämtliche Anlagen vereinbart oder durch Schiedsspruch festgesetzt worden seien, fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Nach § 16 Abs 4 des Vertrages sei dieser zum Halbjahres- oder Jahresende, erstmals zum 31.12.2013 mit einer Frist von sechs Monaten kündbar. Damit werde der Klägerin eine einfachere rechtliche Möglichkeit eröffnet, die Rechtswirkungen des Vertrages zu beseitigen. Zudem müsse sich die Klägerin widersprüchliches Verhalten entgegenhalten lassen. Mit dem Hinausschieben des Inkrafttretens würde der gesetzlich begründete Kontrahierungszwang vereitelt. Aus dem gesamten Verhalten der Klägerin sei zu erkennen, dass sie sich weigere, ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Eröffnung des Angebots einer HzV nachzukommen. Ernsthafte Bemühungen, die fehlenden Vertragsanlagen auszuhandeln, seien nicht ersichtlich. Darüber hinaus sei der Hilfsantrag auch in der Sache nicht begründet. Ausreichend sei, dass der Schiedsspruch in sich schlüssig sei und dass die geregelten Vertragsteile von den Vertragsparteien umgesetzt werden könnten. Daran bestehe kein Zweifel, weil Verträge mit vergleichbaren Inhalten von anderen Krankenkassen durchgeführt würden.

9

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die erhobene Anfechtungsklage sei statthaft, da es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X handele. Sämtliche LSG hätten § 73b Abs 4, Abs 4a SGB V in der Weise ausgelegt. Ihre zuvor vertretene gegenteilige Rechtsauffassung halte sie nicht mehr aufrecht. Änderungen des § 73b SGB V, die zum 1.1.2012 in Kraft getreten seien, seien für das vorliegende Verfahren von vornherein nicht relevant, da für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 maßgeblich sei. Mit der Festsetzung des Vertrages über die besondere hausärztliche Versorgung nach § 73b SGB V treffe die Schiedsperson eine hoheitliche Entscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die unmittelbare Rechtswirkung im Außenverhältnis habe, indem sie verbindlich den Vertrag zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens festsetze. Der Schiedsspruch zur HzV unterscheide sich insofern nicht von dem Schiedsspruch nach § 77 SGB XII, für den sowohl das BVerwG als auch das BSG die Verwaltungsaktqualität ausdrücklich bejaht hätten.

10

Entgegen der Auffassung des LSG sei das Rechtsschutzinteresse nicht im Hinblick auf die zum 31.12.2013 erstmals bestehende Kündigungsmöglichkeit entfallen. Die ordentliche Kündigung des Vertrages zur HzV führe nicht automatisch zu dessen Beendigung, sondern der Vertrag gelte - wenn ein neuer Vertrag zur HzV nicht zustande komme - solange fort, bis in einem Schiedsverfahren ein neuer Vertrag zur HzV festgesetzt worden sei. Die Umsetzung des streitgegenständlichen Vertrages werde zu Recht verweigert. Die Klage habe selbst dann aufschiebende Wirkung, wenn es sich bei dem Schiedsspruch nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Vertragsfestlegung durch einen Dritten entsprechend §§ 315, 317 BGB handeln würde. Bereits die Erhebung der Einrede der offenbaren Unbilligkeit der Vertragsfestsetzung führe ggf entsprechend § 319 Abs 1 BGB zur Unverbindlichkeit der durch den Schiedsspruch getroffenen Vertragsbestimmungen.

11

Der Schiedsspruch sei mit zwingend zu beachtenden bundesrechtlichen Vorgaben zum Datenschutz unvereinbar. Für die nach dem Vertrag zur HzV vorgesehene Einbindung der Beklagten und der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) sowie von Unterauftragsunternehmern in die Verarbeitung sensibler Patientendaten fehle die nach der Rechtsprechung des BSG zwingend erforderliche gesetzliche Grundlage. Auch das Inkrafttreten des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ändere nichts an der datenschutzrechtlichen Unzulässigkeit des Vertrages zur HzV. Maßgebend sei die zum Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 geltende Rechtslage. Selbst wenn die zum 4.8.2011 eingetretenen Änderungen berücksichtigt würden, bliebe es bei der Unvereinbarkeit mit datenschutzrechtlichen Vorgaben. Die in dem Vertrag vorgesehene zwangsweise Verknüpfung der Teilnahme an der HzV mit einer Pflicht zur Weitergabe von Patientendaten an einen bestimmten Dienstleister sei mit den datenschutzrechtlich an die "verantwortliche Stelle" zu stellenden Anforderungen unvereinbar. Weiterhin unzulässig sei der vorgesehene Einsatz einer Vertragssoftware mit einem sog "gekapselten Kern", zu dessen Einsatz die teilnehmenden Hausärzte verpflichtet würden. Damit werde die Möglichkeit geschaffen, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar bzw kontrollierbar sei. Außerdem erlaube der neue § 295a Abs 2 SGB V lediglicheinen Dienstleister in die Verarbeitung von Patientendaten einzubinden. Die Begründung von Unterauftragsverhältnissen werde ausdrücklich ausgeschlossen. Im Widerspruch dazu sehe § 6 Abs 1 der Anlage 3 des streitgegenständlichen Vertrages zur HzV die Einbindung der HÄVG Rechenzentrum AG als Subunternehmer der HÄVG vor. Rechtswidrig sei ferner die in § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum Vertrag geregelte Befugnis der HÄVG, nach eigenem Gutdünken Patientendaten für "Musterverfahren" zur Klärung grundsätzlicher Fragen der Auslegung des Vertrages zur HzV zu verwenden. Unzulässig sei auch die vorgesehene Einbindung der HÄVG in die Einschreibung von Versicherten. Nach § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürften die auf Leistungserbringerseite von den teilnehmenden Hausärzten übermittelten Patientendaten ausschließlich für Abrechnungszwecke verwendet werden.

12

Zudem werde durch Mehrkosten, die der Vertrag unstreitig auslöse und deren Finanzierung durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen nicht gesichert sei, das in § 53 Abs 9 SGB V normierte Gebot der Selbsttragung des Wahltarifs verletzt. Der Wahltarif sei zwingend mit der HzV nach § 73b SGB V verbunden. Nach § 53 Abs 3 SGB V dürften für einen Wahltarif für die besonderen Versorgungsformen keine Zusatzbeiträge erhoben werden. Gleichzeitig verbiete § 53 Abs 9 SGB V eine Quersubventionierung der Wahltarife aus dem allgemeinen Beitragsaufkommen. Dass durch den Vertrag zur HzV Mehrkosten gegenüber der hausärztlichen Regelversorgung entstünden, sei unstreitig. Dem stünden keine gesicherten Refinanzierungsmaßnahmen gegenüber. Darüber hinaus werde der Grundsatz der Beitragssatzstabilität des § 71 Abs 1 SGB V verletzt, der alle Vergütungsvereinbarungen nach dem SGB V erfasse, weil nicht refinanzierte Mehrausgaben nicht verlässlich ausgeschlossen seien. Die Erhebung von Zwangsbeiträgen der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung für die Subventionierung der HzV verletze Art 2 Abs 1 GG. Zudem würde durch die damit verbundene Aufgabe des Solidaritätsprinzips die Unternehmenseigenschaft der Krankenkassen im Sinne des Art 101 ff des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union begründet.

13

Der Schiedsspruch verletze Bundesrecht auch deshalb, weil die Vertragsfestsetzung unvollständig sei. Obwohl der Hilfsmittelbereich als Bereich möglicher Einsparungen in der Begründung des Schiedsspruchs ausdrücklich angesprochen werde und die Anlage 2a zum Hilfsmittelmanagement in § 23 des Vertrages zur HzV genannt werde, habe die Schiedsperson diese Anlage nicht festgelegt. Aus § 23 des Vertrages zur HzV ergebe sich vielmehr, dass diese "in gemeinsamer Absprache noch zu erstellen" sei. Dies sei mit § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V unvereinbar. Gleiches gelte für die fehlenden Anhänge 2 bis 4 der festgesetzten Anlage 3 des Vertrages. Diese sollten ausweislich § 9 der Anlage 3 des Vertrages die Diagnosen zur Abrechnung des Zuschlags für chronisch Kranke, des Zuschlags zur Förderung einer wirtschaftlichen Arzneimittelverordnung ("Rationaler Pharmakotherapie-Zuschlag") sowie eines Zuschlags (sog VERAH-Zuschlag) für Leistungen von besonders qualifizierten medizinischen Fachangestellten ("Versorgungsassistenten") enthalten.

14

Ferner habe die Schiedsperson ihren Gestaltungsspielraum überschritten, indem sie Regelungen zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten zum Gegenstand des Vertrages zur HzV gemacht habe. Die Einschreibebestimmungen des Vertrages zur HzV seien nicht von der Vertragsregelungsbefugnis der Schiedsperson umfasst. Vielmehr habe die Regelung der Teilnahme von Versicherten an der HzV in der Satzung der Krankenkasse zu erfolgen. Die Teilnahme der Versicherten werde in dem Vertrag zur HzV in Widerspruch zu Satzungsbestimmungen der Klägerin geregelt. Dies sei rechtswidrig. Darüber hinaus verletze der Schiedsspruch Bundesrecht, weil dem Beklagten zu 2. (MEDI Baden-Württemberg e.V.) die erforderliche Antragsbefugnis zur Einleitung eines Schiedsverfahrens fehle. Schiedsverfahren könnten nur von Gemeinschaften beantragt werden, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Diese Voraussetzung erfülle der Beklagte zu 2. nicht.

15

Die Schiedsperson habe ihren Beurteilungsspielraum überschritten, indem sie sich bei der Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend an anderen HzV-Verträgen orientiert habe. Die anderen HzV-Verträgen zugrunde liegenden Verhältnisse seien nicht auf die Klägerin übertragbar. Die Schiedsperson hätte sich mit der konkreten Situation der Klägerin und deren Versicherten auseinandersetzen müssen. Das sei nicht geschehen. Ferner sei die Schiedsperson zu Unrecht davon ausgegangen, dass allein ein Vollversorgungsvertrag, nicht dagegen ein sog Add-on-Vertrag der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Damit habe die Schiedsperson den rechtlichen Rahmen verkannt, der ihrem Gestaltungsspielraum zugrunde liegt. Somit leide der Schiedsspruch an einem nicht heilbaren Fehler.

16

Selbst wenn der Schiedsspruch nicht als Verwaltungsakt anzusehen wäre, sei der auf Aufhebung dieses Schiedsspruchs gerichtete Antrag zulässig. Die Festsetzung des Vertragsinhalts durch das Gericht in entsprechender Anwendung des § 319 BGB sei unter Beachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung ausgeschlossen. Denn der Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages über die HzV nach § 73b SGB V sei Aufgabe der Krankenkassen als Selbstverwaltungskörperschaften und Teil der mittelbaren Staatsverwaltung. In die Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume könne die Rechtsprechung als Kontrollinstanz der Verwaltung nicht in der Form eingreifen, dass sie ihre eigenen Erwägungen an die Stelle derjenigen der Verwaltung setze.

17

Die Klägerin beantragt,

        

1.    

die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 zu ändern und den Schiedsspruch vom 9.9.2010 aufzuheben,

        

2.    

hilfsweise, das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 aufzuheben und den Rechtsstreit an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2, 1. Halbsatz BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts zurückzuverweisen,

        

3.    

weiter hilfsweise unter Änderung der Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 festzustellen, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte HzV-Vertrag mit Bundesrecht nicht vereinbar ist.

18

Die Beklagten beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

19

Sie führen zur Begründung aus: Das angefochtene Urteil des LSG sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Allerdings sei der Schiedsspruch kein Verwaltungsakt. Mit dem GKV-VStG habe der Gesetzgeber eindeutig geregelt, dass es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele, sondern dass die Schiedsperson als Vertragshelfer analog § 317 BGB tätig werde. Die in der Rechtsprechung angestellten Erwägungen zur fehlenden Behördeneigenschaft von Schiedspersonen nach § 132a Abs 2 SGB V seien auf die Schiedspersonen gemäß § 73b Abs 4a SGB V übertragbar. Auch der Umstand, dass die Schiedsperson die in einem Schiedsverfahren festgelegten Verträge der für die Krankenkassen zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen habe, stehe dem nicht entgegen, da die Vorlage auch bei frei verhandelten Verträgen durch die Krankenkasse zu erfolgen habe. Der Schiedsspruch sei rechtlich nicht zu beanstanden. Mit den Anträgen der Klägerin habe sich die Schiedsperson erkennbar auseinandergesetzt und diese gewürdigt. Die Schiedsperson habe den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festgesetzt und zugleich berücksichtigt, dass zahlreiche weitere Krankenkassen im Bundesgebiet ähnliche Verträge mit vergleichbarem Inhalt und vergleichbarer Vergütungsstruktur mit den jeweiligen Hausarztgemeinschaften vereinbart hätten. Es seien keine wesentlichen Vertragsbestandteile ungeregelt geblieben. Soweit den Vertragspartnern überlassen worden sei, im späteren Verlauf Umsetzungsaufgaben und Steuerungsmodule, zB für den Bereich der Arzneimittelverordnung selbst zu verhandeln, sei dies sachgerecht, weil die Vertragspartner damit auf die sich ständig ändernden Arzneimittelrabattverträge reagieren könnten. Auch würden Vorschriften zum Datenschutz nicht verletzt. Maßgebend für die Beurteilung sei die aktuelle Rechtslage und nicht die Rechtslage, die bei Erlass des Schiedsspruchs gegolten habe. Die im Schiedsspruch vorgesehene Verwendung eines "gekapselten Kerns" sei auch nach Auffassung des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht nicht zu beanstanden. Soweit sich die Klägerin gegen die im Vertrag enthaltene Befugnis zur Führung von Musterverfahren unter Verwendung personenbezogener Daten wende, sei darauf hinzuweisen, dass die HÄVG keine Musterverfahren führe. Die Klägerin sei im Übrigen nicht legitimiert, im vorliegenden Verfahren Datenschutzrechte der Patienten geltend zu machen. Bezogen auf die geltend gemachten Widersprüche zwischen dem Vertrag zur HzV und den Satzungsregelungen der Klägerin habe das LSG zutreffend die Auffassung vertreten, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV der Satzung vorgingen. Mit dem vorliegenden Klageverfahren unterlaufe die Klägerin den gesetzlichen Kontrahierungszwang. Die Klägerin sei verpflichtet, ihren Versicherten eine HzV anzubieten und mit qualifizierten Gemeinschaften einen Vertrag zur HzV zu schließen. Gleichwohl habe die Klägerin bis heute die Umsetzung des weiterhin geltenden Vertrages verweigert und auch keinen Antrag auf Verpflichtung zur Neufestsetzung des Vertrages zur HzV mit den von ihr begehrten Modifizierungen gestellt.

Entscheidungsgründe

20

Die Revision der Klägerin hat nur insoweit Erfolg, als die Unvereinbarkeit von Regelungen des Vertrages zur HzV mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen festzustellen war. Im Übrigen hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

21

1. Das SG war zur Entscheidung im ersten Rechtszug nach § 8 SGG sachlich zuständig, da einer der in § 29 Abs 2 SGG geregelten Sonderfälle der sachlichen Zuständigkeit der Landessozialgerichte für eine Entscheidung im ersten Rechtszug nicht vorliegt. Insbesondere liegt keine Klage gegen Entscheidungen der Landesschiedsämter oder gegen Beanstandungen von Entscheidungen der Landesschiedsämter nach dem SGB V, gegen Entscheidungen der Schiedsstellen nach § 120 Abs 4 SGB V, der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI oder der Schiedsstellen nach § 80 SGB XII vor. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Entscheidung einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Aufzählung in § 29 Abs 2 SGG ist abschließend, sodass die Vorschrift nicht entsprechend anwendbar ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 29 RdNr 4; Schreiber in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 29 RdNr 8; Ulrich, NZS 2011, 448, 451 ff; zur Bestimmung einer Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 13 f, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

22

2. Die mit dem Antrag zu 1. erhobene Anfechtungsklage ist nicht statthaft und damit unzulässig.

23

a) Nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGG muss sich die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt richten. Die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson nach § 73b SGB V ist jedoch nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergangen und die Schiedsperson hat auch nicht für sich in Anspruch genommen, durch Verwaltungsakt entscheiden zu können(zur Zulässigkeit von Klagen auch gegen einen sog "formellen Verwaltungsakt" vgl BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 16). Für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage genügt nicht, dass die Klägerin das Vorliegen eines Verwaltungsakts geltend macht (stRspr vgl BSGE 39, 86, 87 = SozR 2200 § 628 Nr 1 S 2, mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 8a).

24

b) Für die Beurteilung der Frage, ob die Entscheidung der Schiedsperson, gegen die sich die Klägerin wendet, in der Form eines Verwaltungsakts ergangen ist, ist in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Entscheidung der Schiedsperson am 9.9.2010 maßgebend. Nur wenn die Schiedsperson zu diesem Zeitpunkt Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X gewesen ist, konnte sie einen Verwaltungsakt erlassen. Später eingetretene Änderungen hätten keinen Einfluss mehr auf die rechtliche Qualifizierung des zuvor ergangenen Schiedsspruchs. Es kommt demnach darauf an, ob die Schiedsperson nach der zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts geltenden Rechtslage Behörde war und ob ihre Entscheidung unter Zugrundelegung dieser Rechtslage als Verwaltungsakt anzusehen war. Dies ist indes nicht der Fall und daran hat sich im Übrigen in der Folge auch nichts geändert.

25

c) Schiedspersonen, die Verträge zur HzV festsetzen, wenn eine Einigung zwischen einer Krankenkasse und der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaft von Allgemeinärzten nicht zustande kommt, werden - ebenso wie Schiedspersonen im Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V - als Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB und nicht als Behörde tätig. Der Schiedsspruch ergeht deshalb auch nicht in der Form eines Verwaltungsakts, sondern ersetzt die Einigung der Parteien. Dies folgt neben dem Wortlaut in erster Linie aus der Entstehungsgeschichte der Regelung und dem darin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers.

26

aa) Verwaltungsakte können nach § 31 Satz 1 SGB X nur von einer Behörde erlassen werden. Nach § 1 Abs 2 SGB X ist Behörde im Sinne des Sozialgesetzbuches jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Danach gilt ein weiter, sog funktionaler Behördenbegriff, der neben den Verwaltungsbehörden im organisatorischen Sinne auch alle sonstigen Einrichtungen, Organe und Stellen einschließt, die aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts mit der Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten, zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge im eigenen Namen oder zu sonstigen, nach öffentlichem Recht zu beurteilenden Handeln ausgestattet sind (vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 14; BSGE 60, 239 = SozR 1300 § 45 Nr 26; BSGE 63, 224 = SozR 1300 § 48 Nr 47; BSGE 77, 295 = SozR 3-1300 § 45 Nr 27).

27

Dass die Schiedsämter und Schiedsstellen im Bereich des SGB V unter diesen weiten funktionalen Behördenbegriff fallen, ist in der Rechtsprechung seit langem geklärt (vgl BSGE 20, 73, 75 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSGE 87, 199, 200 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3300 § 89 Nr 1 RdNr 11; BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 20, 41). Eine solche grundsätzliche Klärung fehlt bisher für die Schiedsperson, die der Gesetzgeber mit der Änderung des § 132a SGB V (Versorgung mit häuslicher Krankenpflege) durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) erstmals im SGB V anstelle von Schiedsämtern und Schiedsstellen für die außergerichtliche Schlichtung vorgesehen hat. In den folgenden Jahren ist die außergerichtliche Streitschlichtung durch Schiedspersonen auf weitere Bereiche ausgedehnt worden: Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) wurde die Schlichtung im Bereich der stationären und ambulanten Hospizleistungen nach § 39a Abs 1 Satz 7 bis 9 SGB V einer Schiedsperson übertragen. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) wurde die Schlichtung durch eine Schiedsperson bei Streitigkeiten um die Finanzierung der Landesverbände der Krankenkassen (§ 211 Abs 4 Satz 4 SGB V) und mWv 1.1.2009 auch für die hausarztzentrierte Versorgung (§ 73b Abs 4a SGB V) sowie die Hilfsmittelversorgung (§ 127 Abs 1a Satz 2 bis 4 SGB V)vorgesehen. Inzwischen ist die Schlichtung durch Schiedspersonen Gegenstand auch der Heilmittelversorgung (§ 125 Abs 2 Satz 4 bis 6 SGB V), des klinischen Krebsregisters (§ 65c Abs 6 Satz 8 bis 12 SGB V) und der Versorgung mit Schutzimpfungen (§ 132e Abs 1 Satz 3 bis 5 SGB V).

28

Ob auch die Entscheidungen von Schiedspersonen als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X anzusehen sind, war von Anfang an umstritten(vgl zB Schnapp, NZS 2010, 241, 245 mwN; Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 17 ff). In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wurde die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V in der Regel als Vertragshelfer qualifiziert, deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, während Entscheidungen der Schiedsperson in der HzV wohl überwiegend als Verwaltungsakt angesehen wurden(LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 84 ff; LSG Hamburg Beschluss vom 18.8.2011 - L 1 KA 24/11 B ER; in dieser Richtung, aber letztlich offenlassend: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 37 f = Juris RdNr 25, 45 f; ausdrücklich offengelassen: LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 32 und Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 58/10 B ER - Juris RdNr 61; anders dagegen : Bayerisches LSG Beschluss vom 17.1.2011 - L 12 KA 123/10 B ER - Breith 2011, 281, 285). Für die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V wurde diese Frage durch Urteil des 3. Senats vom 25.11.2010 (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) geklärt. Danach ist jedenfalls diese Schiedsperson keine Behörde. Dementsprechend ergeht deren Entscheidung auch nicht als Verwaltungsakt. Vielmehr wird die Schiedsperson als öffentlich-rechtlicher Schlichter und Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB tätig.

29

Ausschlaggebend für die Einordnung der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde war nach der genannten Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010, dass diese zwar den Inhalt öffentlich-rechtlicher Verträge festlege, wobei es sich um eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit handele. Die Schiedsperson erhalte ihre Entscheidungsmacht jedoch unmittelbar von den Vertragsparteien des § 132a SGB V selbst, die auch den das Schiedsverfahren regelnden Vertrag zur Konfliktlösung abschließen. Daraus hat der 3. Senat den Schluss gezogen, dass es sich - ungeachtet des Umstands, dass die Vertragsparteien zur Verabredung des Schiedsverfahrens gesetzlich verpflichtet sind - um ein vertraglich vereinbartes Schiedsverfahren handele. Die Schiedsperson sei auch kein Beliehener, weil es an einem öffentlich-rechtlichen Akt der Beleihung fehle. Ferner existiere keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger und anders als Schiedsstellen und Schiedsämter unterliege die Schiedsperson auch keiner Rechtsaufsicht. Das Verfahren der Schlichtung durch die Schiedsperson sei nicht gesetzlich geregelt. Die Funktion als Schiedsperson sei an die Person des Berufenen gebunden, sodass keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution einer Schiedsstelle existiere.

30

bb) Die Regelungen zur Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V entsprachen bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend derjenigen zu der - nicht als Behörde zu qualifizierenden - Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V. Grundsätzlich obliegt es auch hier den Vertragsparteien, sich auf die Schiedsperson zu einigen. Nur für den Fall, dass die Vertragsparteien sich auch darüber nicht einigen können, sieht § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V die Bestimmung der Schiedsperson durch die für die Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde vor. Ebenso wie nach § 132a Abs 2 SGB V gibt es nach § 73b SGB V weder eine Rechtsaufsicht über die Schiedsperson noch eine Regelung zum Schiedsverfahren. Ferner existiert keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution und keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger.

31

Zwar können hoheitliche Aufgaben durch Beleihung auch einer natürlichen Person übertragen werden. Dies erfordert jedoch eine Übertragung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Rechtsverordnung, Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl BVerwG NVwZ 2006, 829; BVerfG NJW 1987, 2501, 2502; BVerwGE 98, 280, 298; Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 1 RdNr 11; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl 2014, § 1 RdNr 60; Wiegand, Die Beleihung mit Normsetzungskompetenz, 2008, 155 f). § 73b Abs 4a SGB V regelt eine Beleihung der Schiedsperson jedenfalls nicht ausdrücklich. Gegen die Annahme, dass in der dort geregelten Bestimmung der Schiedsperson gleichwohl eine Beleihung liegt, spricht, dass das Gesetz keinerlei Festlegungen oder Vorgaben zu deren Auswahl trifft, sondern diese vorrangig den Vertragsparteien überlässt (vgl Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 250). Angesichts des Umstands, dass der Wortlaut die Frage nach einer Beleihung jedenfalls nicht eindeutig beantwortet, kann die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur dann als Beliehene angesehen werden, wenn systematische Gründe, die Entstehungsgeschichte oder Sinn und Zweck der Reglung dafür sprechen würden, dass der Gesetzgeber der Schiedsperson die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben übertragen wollte. Dies ist aus den nachfolgend genannten Gründen jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG gerade klargestellt, dass der Schiedsperson nach § 73b SGB V - in Übereinstimmung mit der Schiedsperson nach § 132a SGB V - keine hoheitlichen Aufgaben übertragen werden sollen.

32

cc) Im Gegensatz zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V hat der 3. Senats des BSG die Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26) nicht eindeutig dem Modell "Vertragshelfer" zugeordnet, sondern diese Frage ausdrücklich offengelassen. Dabei hat der 3. Senat dem Umstand Bedeutung beigemessen, dass § 73b SGB V keine § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V entsprechende Regelung enthält, nach der die Vertragsparteien in Verträgen zu regeln haben, dass im Falle von Nichteinigung eine von den Parteien zu bestimmende unabhängige Schiedsperson den Vertragsinhalt festlegt. Daraus hat der 3. Senat gefolgert, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V im Rahmen eines gesetzlich normierten und nicht eines - wie bei § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V - vertraglich vereinbarten Schiedsverfahrens tätig werde. In der praktischen Umsetzung wirkt sich dieser Unterschied allerdings kaum aus, weil die Vertragspartner nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V nicht frei darüber entscheiden können, ob sie die Festlegung des Vertragsinhalts einer Schiedsperson übertragen, sondern verpflichtet sind, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Falls zwischen den Vertragspartnern eine Einigung auf eine Schiedsperson nicht erzielt werden kann, wird sowohl die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als auch die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V von der für die vertragsschließende Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Dabei kann die Bestimmung einer Schiedsperson durch die zuständige Aufsichtsbehörde auch nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V nicht davon abhängig sein, dass zuvor eine Vereinbarung nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V zustande gekommen ist, nach der der Vertragsinhalt von einer Schiedsperson festgelegt wird(vgl dazu Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 8). Damit bestehen insoweit keine rechtlich bedeutsamen Unterschiede zwischen dem Schiedsverfahren in der HzV und dem Schiedsverfahren in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege (so auch Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15e).

33

dd) Ein Indiz, das gegen die Qualifizierung der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer und für eine Einordnung des Schiedsspruchs als Verwaltungsakt sprechen könnte, hat der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 40, auch zur Veröffentlichung für BSGE vorgesehen) ferner in dem Umstand gesehen, dass § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ausschloss. Diese Regelung konnte den Eindruck erwecken, dass der Gesetzgeber die Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Verwaltungsakte angesehen haben könnte, weil sie gesetzessystematisch nur einen Sinn ergibt, wenn es sich bei der angegriffenen Entscheidung der Schiedsperson um einen Verwaltungsakt handelt. Schließlich bezieht sich die aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs 1 SGG auf den Widerspruch und auf die Anfechtungsklage, die sich grundsätzlich gegen einen Verwaltungsakt richten müssen.

34

Dagegen konnte auch nicht - wie in der Begründung des Schiedsspruchs - mit Erfolg eingewandt werden, die Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts durch einen Vertragshelfer bewirke in entsprechender Anwendung zivilrechtlicher Bestimmungen, dass der Vertrag während der Dauer des Rechtsstreits nicht umsetzbar sei und die Formulierung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF, nach der die Klage keine aufschiebende Wirkung habe, könne aus diesem Grund nicht als Indiz für die rechtliche Einordnung der Entscheidung der Schiedsperson als Verwaltungsakt herangezogen werden.

35

(1) Die Auffassung, nach der die von der Schiedsperson getroffene Bestimmung zum Vertragsinhalt während eines Klageverfahrens um deren Rechtmäßigkeit nicht beachtet werden müsse, trifft nicht zu. Für zivilrechtliche Verträge wird die Frage, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen die offenbare Unbilligkeit der Bestimmung einer Leistung durch einen Dritten nach § 319 Abs 1 Satz 1 BGB die Unbeachtlichkeit der Entscheidung des Dritten zur Folge hat, nicht einheitlich beantwortet. Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass die offenbar unbillige Leistungsbestimmung bereits unabhängig von der Erhebung einer Einrede oder einer Klagerhebung unwirksam sei (Rieble in Staudinger, BGB, Leistungsstörungsrecht 2, Neubearbeitung 2009, § 319 RdNr 17 f; zu § 315 Abs 3 BGB vgl LG Mainz Urteil vom 5.3.2007 - 5 O 94/06 - Juris). Dagegen wird eingewandt, dass die offenbare Unbilligkeit nicht die Nichtigkeit bedeute (vgl OLG Frankfurt am Main Urteil vom 3.12.1998 - 3 U 257/97 - NJW-RR 1999, 379 = Juris RdNr 25) und dass auch die unbillige Bestimmung des Dritten binde, bis sie durch Gerichtsurteil ersetzt werde (Würdinger in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl 2012, § 319 RdNr 23). Dies soll aber nach wohl hM nicht für den Fall gelten, dass die offenbare Unbilligkeit von einem Vertragspartner binnen angemessener Frist geltend gemacht wird (vgl OLG Frankfurt am Main, aaO, mwN; Wolf in Soergel, BGB, Bd 2, 12. Aufl 1990, § 319 RdNr 16; zur ähnlichen Regelung in § 315 Abs 3 BGB vgl Grüneberg in Palandt, BGB, 74. Aufl 2015, § 315 RdNr 16; zur Fälligkeit einer Forderung bei einer Schiedsgutachtenvereinbarung im Falle des Übergangs der Leistungsbestimmung nach § 319 Abs 1 Satz 2 BGB auf das Gericht erst mit Rechtskraft des Urteils vgl BGH Urteil vom 4.7.2013 - III ZR 52/12 - NJW-RR 2014, 492 RdNr 32 ff, mwN). Dagegen geht das BAG im Zusammenhang mit der Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber in entsprechender Anwendung des § 315 Abs 3 BGB davon aus, dass der Arbeitnehmer an die Konkretisierung des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden sei, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe(BAG Urteil vom 22. 2.2012 - 5 AZR 249/11 - BAGE 141, 34 = AP Nr 127 zu § 615 BGB = NJW 2012, 2605, RdNr 24, mwN).

36

Auf die Festsetzung des Vertrages zur HzV durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V sind die genannten, zu zivilrechtlichen Verträgen entwickelten, ohnehin nicht einheitlichen Positionen - entgegen der in der Begründung der Entscheidung der Schiedsperson vertretenen Auffassung(vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 Fn 61) - nicht ohne Weiteres übertragbar. Für Verträge, die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern zum Gegenstand haben, gelten die Vorschriften des BGB und damit auch die Regelungen zur Bestimmung der Leistungen durch einen Dritten (§§ 317 ff BGB) gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nur entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Daher kann bei der entsprechenden Anwendung der §§ 317 ff BGB nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 1 SGB V verpflichtet sind, ihren Versicherten eine besondere hausarztzentrierte Versorgung anzubieten. Die entsprechende Geltung der Vorschriften des BGB ändert zudem nichts daran, dass es sich bei dem Vertrag nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V zwischen Krankenkassen und den die Hausärzte vertretenden Gemeinschaften um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 Abs 1 SGB X handelt, weil durch ihn ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet, geändert oder aufgehoben wird. Insofern gilt für Verträge in der HzV nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V nichts anderes als für Verträge zur Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V(vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 6 RdNr 18 f; BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 23)oder auch für die Bundesmantelverträge und Gesamtverträge, die (auch) als öffentlich-rechtliche Verträge zu qualifizieren sind (vgl BSGE 70, 240, 243 = SozR 3-5533 Allg Nr 1 S 4; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14). Für das gerichtliche Verfahren bleiben die Vorschriften des SGG maßgebend. Nach § 86a Abs 1 SGG kommt zwar Klagen gegen belastende Verwaltungsakte aufschiebende Wirkung zu. Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise für Klagen, mit denen die Rechtswidrigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages geltend gemacht wird. Öffentlich-rechtliche Verträge sind wirksam, auch soweit sie rechtswidrig aber nicht nichtig sind (vgl Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 58 RdNr 2). Zur Nichtigkeit führt nur ein besonders schwerwiegender Mangel (zu gesamtvertraglichen Vereinbarungen vgl zB BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14 f). Der Umstand, dass die Partner des Vertrages zur HzV die Möglichkeit haben, gerichtlich mit der Feststellungsklage die Rechtswidrigkeit von Regelungen des Vertrages geltend zu machen, der durch Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommen ist (vgl dazu nachfolgend 4.), ändert daran nichts. Im Ergebnis hat dies zur Folge, dass der durch die Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommene Vertrag, der nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, vorbehaltlich seiner Nichtigkeit umzusetzen ist, solange dessen Rechtswidrigkeit nicht rechtskräftig festgestellt worden ist (vgl bereits Nr 11 der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines GKV-VStG, BT-Drucks 17/7274 S 29; zu einer vom Bundesrat gewünschten Klarstellung mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Abhängigkeit vom Ausgang des vorliegenden Verfahrens vgl die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks 18/4095, Anlage 4 Nr 22; aA: Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 f). Bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens um die Rechtmäßigkeit des von der Schiedsperson festgesetzten Vertrages kann die Pflicht zur Umsetzung des Vertrages nur durch eine einstweilige Anordnung des Gerichts nach § 86b Abs 2 SGG beseitigt werden.

37

(2) Auch wenn angenommen würde, dass die in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF getroffene Regelung zur fehlenden aufschiebenden Wirkung der Klage allein im Sinne einer Klarstellung sicherstellen sollte, dass Schiedssprüche während eines Klageverfahrens zunächst umgesetzt werden, erklärt dies nicht ohne Weiteres die gewählte Formulierung, weil die Verwendung des Begriffs der aufschiebenden Wirkung den Bezug zu § 86a Abs 1 SGG und zu der dort geregelten aufschiebenden Wirkung von Klagen gegen Verwaltungsakte herstellt.

38

Danach stimmte die gesetzliche Regelung zur Schiedsperson in der Versorgung mit Haushaltshilfe nach § 132a Abs 2 SGB V zwar weitgehend mit der Regelung zur Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V überein. Mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts enthielt § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF jedoch eine Regelung, die in § 132a SGB V keine Entsprechung findet und die als Indiz für die Charakterisierung des Schiedsspruchs in der HzV als Verwaltungsakt herangezogen werden konnte.

39

ee) Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber auf die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V reagiert und mit dem GKV-VStG die aufschiebende Wirkung auf Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson beschränkt. Eine Regelung, nach der Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts keine aufschiebende Wirkung haben, gibt es seitdem nicht mehr. Ferner wurde mit dem GKV-VStG § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V angefügt. Danach richten sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

40

Die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) bestätigt, dass auf diesem Weg bestehende Unklarheiten bezogen auf die rechtliche Einordnung des Schiedsverfahrens in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V ausgeräumt werden sollten und dass - ebenso wie für den Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V - eine eindeutige Einordnung der Schiedsperson als Vertragshelfer erfolgen sollte. Die Einschränkung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V wird damit begründet, dass durch die bisherige Formulierung der Eindruck habe entstehen können, es handele sich bei dem Schiedsspruch um einen Verwaltungsakt. Mit der Streichung werde "klargestellt, dass dies nicht der Fall ist, sondern dass die Schiedsperson analog § 317 BGB als Vertragshelfer tätig wird". Inhaltlich knüpft die Gesetzesbegründung damit an die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege an. Dies wird in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) verdeutlicht, in der unter ausdrücklichem Hinweis auf die genannte Entscheidung des 3. Senats des BSG ausgeführt wird, dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V eine Klarstellung in Richtung auf die Einordnung auch der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer herbeigeführt werden soll. Davon ist im Übrigen auch der 3. Senat in einer Entscheidung vom 8.10.2014 (B 3 KR 7/14 R - SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) ausgegangen.

41

Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 73b Abs 4a SGB V mit dem GKV-VStG auch auf die "insoweit vergleichbare(n) Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII"(BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) Bezug nehme. Zutreffend ist allerdings, dass Entscheidungen der Schiedsstellen zur Vergütung von Einrichtungen und Diensten im Bereich der Sozialhilfe nach ständiger Rechtsprechung in der Form eines Verwaltungsakts ergehen. Dies hat das BVerwG bereits zu der § 80 SGB XII im Wesentlichen entsprechenden Vorgängerregelung des § 94 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entschieden(vgl BVerwGE 108, 47). Daran hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78 = Juris RdNr 14; anders zunächst der 3. Senat des BSG: BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4)auch nach der Einführung des § 93b Abs 1 Satz 4 BSHG festgehalten, der bestimmte, dass die Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist. Der Qualifizierung dieses Schiedsspruchs als Verwaltungsakt hat sich der für Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständige 8. Senat des BSG bezogen auf die seit dem 1.1.2005 geltende entsprechende Rechtslage mit einer entsprechenden Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII angeschlossen(BSG SozR 4-3500 § 77 Nr 1, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage in diesem Verfahren "sui generis" vgl auch BSG SozR 4-3500 § 76 Nr 1 RdNr 12, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

42

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus all dem jedoch nicht geschlossen werden, dass mit dem Hinweis auf § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII die im ersten Teil der Gesetzesbegründung eindeutig zum Ausdruck kommende Orientierung am "Vertragshelfermodell" wieder in Frage gestellt würde. Die Formulierung in der Gesetzesbegründung, nach der sich die Regelung "am Wortlaut der insoweit vergleichbaren Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII" orientiert, bezieht sich erkennbar allein auf die Anfügung des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ("Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson."). Dies wird zum einen durch die Verwendung des Wortes "insoweit" und zum anderen daran deutlich, dass nicht der gesamte § 77 Abs 1 SGB XII in Bezug genommen wird, sondern allein dessen Satz 5, der mit dem eingefügten § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V fast wörtlich übereinstimmt. Die Streichung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson wird also nicht mit Hinweis auf § 77 Abs 1 SGB XII begründet, sondern mit dem Ziel klarzustellen, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde tätig wird. Allein bezogen auf die Ergänzung des § 73b Abs 4a SGB V um einen neuen Satz 5 verweist die Gesetzesbegründung auf die fast wortgleiche Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII.

43

Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des BVerwG war die Regelung, nach der sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen die Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson richten, im Übrigen auch nicht Anknüpfungspunkt für die Einordnung des Schiedsspruchs im Sozialhilferecht als Verwaltungsakt. Das BVerwG (vgl BVerwGE 116, 78, 82 f) hat die Entscheidung der Schiedsstelle keineswegs wegen der Regelung, nach der die Klage gegen die andere Vertragspartei zu richten ist, als Verwaltungsakt qualifiziert, sondern vielmehr trotz der Einführung dieser Regelung und entgegen einer in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung (Münder in LPK-BSHG, 5. Aufl 1998, § 94 RdNr 2; Gottlieb, NDV 2001, 257, 261; Wabnitz, ZfJ 2001, 33, 37; vgl auch BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4) an seiner bereits zuvor bestehenden Rechtsprechung zur Einordnung des Schiedsspruchs nach § 77 Abs 1 SGB XII als Verwaltungsakt festgehalten.

44

Im Übrigen - also mit Ausnahme des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V - unterscheidet sich die Regelung zum Schiedsverfahren nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII grundlegend von der zur Festlegung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Qualifizierung der Schiedsstelle nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII als Behörde und deren Schiedsspruch als Verwaltungsakt stehen deshalb nicht im Widerspruch zur Einordnung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer. Abgesehen davon, dass nach § 77 Abs 1 Satz 3 SGB XII nicht eine natürliche Person, sondern eine Schiedsstelle entscheidet, die gemäß § 80 Abs 2 Satz 1 SGB XII mit Vertretern der Vertragsparteien und einem unparteiischen Vorsitzenden besetzt ist, spricht für den Charakter dieser Schiedsstelle als Behörde auch die Formulierung in § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII, nach der es einer Nachprüfung der Entscheidung in einem Vorverfahren nicht bedarf. Genau diese Formulierung (die sich vor dem 1.1.2005 in § 93b Abs 1 Satz 5 BSHG und vor der Einführung des § 93b BSHG zum 1.1.1999 in § 93 Abs 3 Satz 4 Halbsatz 1 BSHG fand) hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78, 81 f) zur Begründung seiner Auffassung herangezogen, dass der Gesetzgeber diese Schiedsstellenentscheidung - trotz der Regelung, nach der eine Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist - als Verwaltungsakt ausgestalten wollte. Eine § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII entsprechende Formulierung findet sich in § 73b Abs 4a SGB V aber nicht.

45

ff) Danach ist mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG geklärt, dass es sich bei der Schiedsperson, die im Konfliktfall den Inhalt des Vertrages zur HzV feststellt, nicht um eine Behörde handelt und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht(ebenso: Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15d, 15f; Huster in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 17; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 251; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 22; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 23; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 64; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b RdNr 69; SG München Urteil vom 16.7.2014 - S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 27; aA Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1; LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 3.6.2014 - L 7 KA 12/14 B ER - Juris).

46

gg) Die Zuordnung der Schiedsperson für die HzV zum Modell "Vertragshelfer" anstelle des Modells "Schiedsamt" bezieht sich nicht allein auf die Zeit seit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1.1.2012. Wie oben dargelegt, entsprach § 73b Abs 4a SGB V bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend der für die häusliche Krankenpflege geltenden Regelung zur Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V, für die jedenfalls seit der Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) die Einordnung als Vertragshelfer geklärt ist. Die rechtliche Einordnung des Schiedsspruchs der Schiedsperson in der HzV war gleichwohl bis zum Inkrafttreten des GKV-VStG zum 1.1.2012 nicht geklärt, sondern in der og Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 ausdrücklich offengelassen worden. Unter diesen Umständen war der Gesetzgeber nicht gehindert, eine Klarstellung herbeizuführen. Dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V sowie der Anfügung eines neuen Satzes 5 die in der og Entscheidung des 3. Senats des BSG vom 25.11.2010 offengelassene Frage geklärt werden sollte und dass die Regelung somit nur der Klarstellung des bereits zuvor Gewollten dienen sollte, kommt sowohl in der Begründung des Regierungsentwurfs eines GKV-VStG (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Nr 13) als auch in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) eindeutig zum Ausdruck.

47

3. Die Klägerin kann auch nicht - entsprechend dem Antrag zu 2. - die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V erreichen.

48

Soweit der 3. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V von der Statthaftigkeit einer sog Ersetzungsklage ausgegangen ist, mit der dem Gericht aufgegeben werden soll, den Inhalt des Vertrages bei Unbilligkeit der Festlegungen der Schiedsperson zu bestimmen, folgt der Senat dem für die HzV nach § 73b SGB V nicht. §§ 317 ff BGB treffen Regelungen für Konstellationen, in denen sich die Parteien zuvor aus freiem Willen auf eine Schiedsperson geeinigt haben, der die Aufgabe übertragen wird, den Vertrag rechtsgestaltend zu ergänzen. Die Schiedsperson hat also lediglich vertragsausfüllende und vertragsergänzende Funktion (vgl Schnapp, NZS 2010, 241, 245, mwN). Auf die Verträge zur HzV, deren Inhalt vollständig gegen den Willen der Krankenkasse von einer durch die zuständige Aufsichtsbehörde bestimmten Schiedsperson festgelegt werden kann (vgl § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 und 2 SGB V), sind diese Bestimmungen im Rahmen der nur entsprechenden Anwendung nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nicht uneingeschränkt übertragbar. Davon ist im Grundsatz auch schon der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 33) bezogen auf das Schiedsverfahren nach § 132a Abs 2 SGB V ausgegangen, indem er abweichend von § 319 Abs 1 Satz 1 BGB nicht darauf abgestellt hat, ob die durch die Schiedsperson getroffene Bestimmung "offenbar unbillig" ist, sondern die einfache "Unbilligkeit" als Voraussetzung für die Ersetzung des Schiedsspruchs durch die Entscheidung des Gerichts genügen lässt.

49

Der Überlegung, das Gericht könne im Falle der Unbilligkeit den Inhalt der Entscheidung der Schiedsperson ersetzen, liegt die Vorstellung zugrunde, vom Gericht werde ein punktuelles Eingreifen oder die Entscheidung bezogen auf einzelne zwischen den Vertragsparteien umstrittene Punkte verlangt. So liegen die Dinge etwa im Bereich des § 65c Abs 6 Satz 8 SGB V bei der Höhe der Meldevergütungen zum klinischen Krebsregister. Dabei geht es um die Vergütungshöhe für bestimmte Leistungen, die in angemessener Höhe festzusetzen sind. Bei der Festlegung des Inhalts der Verträge zwischen Krankenkassen und den Erbringern von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V stehen zumindest nach den bisherigen gerichtlichen Erfahrungen die "Preise" für die Leistungen im Mittelpunkt des Konflikts der Vertragspartner, obwohl der Schlichtungsauftrag der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 1 und 6 SGB V weitergehen kann. Ob für solche eher punktuellen Festlegungen die Ersetzungsklage mit der Konsequenz der abschließenden Entscheidung durch ein Gericht sachgerecht ist, lässt der Senat offen; er muss deshalb auch nicht beim 3. Senat anfragen, ob dieser an seiner Rechtsprechung dazu festhält. Jedenfalls ist diese Konzeption auf die Verträge nach § 73b SGB V nicht übertragbar.

50

Gerichte können nicht umfassende Vertragswerke festsetzen, Regelungen über den Datenaustausch formulieren und die Beziehungen der Partner der Verträge untereinander vollständig regeln (zu § 132a Abs 2 SGB V vgl die Bedenken von Plantholz, RsDE 64<2007>, 1, 20 f, 23). Die dazu erforderliche Kenntnis nicht zuletzt der technischen Abläufe und deren Gestaltbarkeit ist bei den Gerichten ohne die Kooperation der Vertragspartner, auf die die Schiedsperson setzen kann, nicht vorhanden; insoweit müssten regelmäßig Sachverständige hinzugezogen und möglicherweise sogar mit der Formulierung beauftragt werden. Die Gerichte könnten nur punktuell - etwa bei der Höhe der Vergütung der teilnehmenden Ärzte - nach dem Maßstab der Angemessenheit entscheiden. Soweit ersichtlich, gibt es bisher auch keine sozialgerichtliche Entscheidung, in der ein durch eine Schiedsperson festgesetzter komplexer Vertrag wegen Unbilligkeit aufgehoben und durch einen gerichtlich festgesetzten Vertragsinhalt ersetzt worden wäre.

51

Aus den genannten Gründen muss sich die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V an dem Muster der Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V orientieren: Das Gericht prüft, ob die von einem der Beteiligten gerügten Festsetzungen mit höherrangigem Recht unvereinbar sind, bezeichnet ggf solche Rechtsverstöße und stellt weiter die Verpflichtung der Vertragspartner fest, diese Verstöße zu beseitigen. Wenn das im Wege freier Verhandlungen nicht gelingt, muss erneut eine Schiedsperson tätig werden, die - wie die Partner auch - an die Rechtsauffassung gebunden ist, die dem Feststellungsurteil zugrunde liegt.

52

Der naheliegende Einwand gegen diese Rechtsschutzkonzeption, dass eine abschließende Festlegung des Vertragsinhalts nicht zeitnah gewährleistet wird, greift im Ergebnis nicht durch. Es erscheint bereits fraglich, ob die Festsetzung des komplexen Inhalts eines Vertrages zur HzV durch ein für derartige Aufgaben nicht ausgestattetes Gericht oder eine Festlegung des Vertragsinhalts unter Einbeziehung von Sachverständigen, die das Gericht zu bestellen hätte, zu einer Beschleunigung des Verfahrens beitragen könnten. Auch kann dahingestellt bleiben, ob dem Einwand der Klägerin zu folgen ist, dass die Gestaltung des vollständigen Vertragsinhalts durch das Gericht - die im Verwaltungsprozessrecht sonst keine Entsprechung finden dürfte - in Widerspruch zum Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art 20 Abs 2 Satz 2 GG geriete, weil die Gerichte allein dazu berufen sind, Verwaltungshandeln zu kontrollieren (vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 7 f unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 13 sowie BSGE 90, 42, 44 = SozR 3-8570 § 4 Nr 4). Ausschlaggebend ist, dass der Gesetzgeber den Weg der gerichtlichen Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen - und nicht deren Ersetzung durch die Gerichte - auch sonst im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung - und zwar gemäß § 89 Abs 1a SGB V auch für gesetzlich vorgeschriebene Verträge - gewählt hat. Selbst wenn ein gesetzlich vorgeschriebener Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung nicht zustande kommt und keine der Parteien bei dem Schiedsamt einen Antrag auf Herbeiführung der Einigung stellt, sieht § 89 Abs 1a Satz 1 SGB V keine Ersetzung durch die Aufsichtsbehörde, sondern lediglich ein Recht der Aufsichtsbehörde zur Anrufung des Schiedsamts vor. Solange das Schiedsamt überhaupt fristgerecht tätig wird, beschränkt sich auch die Kontrolle der Entscheidung durch die Aufsichtsbehörden gemäß § 89 Abs 5 Satz 5 SGB V auf Rechtsverstöße. Eine Festsetzung des Vertragsinhalts durch die für das Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde sieht der mit dem GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, 2210) eingeführte § 89 Abs 1 Satz 5 SGB V nur ausnahmsweise für den Fall vor, dass das Schiedsamt auch nach Fristsetzung durch die Aufsichtsbehörde untätig bleibt. Die daraus erkennbar werdende Konzeption des Gesetzgebers, zumindest im Bereich des SGB V Schiedssprüche im Regelfall nicht durch Entscheidungen der Aufsichtsbehörden und erst Recht nicht durch gerichtliche Entscheidungen zu ersetzen, sondern die Kontrolle auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit zu beschränken, ist auf die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V zu übertragen.

53

4. Richtige Klageart ist danach die Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 SGG), die die Klägerin hilfsweise erhoben hat. Diese ist auch zulässig, in der Sache aber nur zum geringen Teil begründet.

54

a) Der Zulässigkeit des in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Feststellungsantrags steht nicht entgegen, dass die Klägerin einen solchen im Revisionsverfahren bis zum Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung nicht formuliert hatte. Zwar darf das BSG über den Antrag grundsätzlich nicht hinausgehen und eine Klagänderung ist gemäß § 168 Satz 1 SGG im Revisionsverfahren unzulässig. Zulässig ist jedoch eine Erweiterung des Klagantrags im Sinne des § 99 Abs 3 SGG, soweit damit keine neuen Revisionsgründe geltend gemacht werden(vgl BSGE 31, 112, 113 = SozR Nr 55 zu § 164 SGG) und auch der Übergang von der Anfechtungsklage zur Feststellungsklage (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 99 RdNr 4 mwN). Ausschlaggebend ist, dass der historische Lebenssachverhalt, aus dem der Anspruch abgeleitet wird, unverändert geblieben ist (vgl BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 5). Das ist hier der Fall. Eine solche Erweiterung des Revisionsantrags ist auch noch nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung bis zum Schluss der mündlichen Revisionsverhandlung möglich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 10 mwN).

55

Die Klägerin hat die Klage zutreffend gegen die Beklagten als Parteien des Vertrages zur HzV gerichtet. Seit der Änderung durch das GKV-VStG regelt § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ausdrücklich, dass Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson zu richten sind. Dies galt aufgrund des Umstands, dass die Schiedsperson keine Behörde ist und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht (vgl oben 2.), auch bereits für die Zeit vor Inkrafttreten der gesetzlichen Klarstellung mWv 1.1.2012 und damit auch bereits zum Zeitpunkt der Klagerhebung am 9.9.2011 (zur Ersetzungsklage gegen die Entscheidung Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 30). Die Tätigkeit der Schiedsperson ist mit dem Erlass des Schiedsspruchs beendet (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen). Aus diesem Grund ist die Schiedsperson zu dem Verfahren um die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Vertragsinhalts auch nicht notwendig beizuladen (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 31).

56

b) Für die Begründetheit der Feststellungklage wird in der Regel auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21 mwN). Vorliegend ist jedoch - in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin - vom Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson am 9.9.2010 auszugehen. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs für den Zeitpunkt seines Ergehens geltend macht. Grundsätzlich hat sie an einer Klärung der Frage, ob der Vertrag zum Zeitpunkt seiner Festsetzung rechtmäßig war, auch ein berechtigtes Interesse. Später eintretenden Änderungen haben die Vertragsparteien gemäß § 22 Abs 2 Satz 2 des Vertrages nach den Grundsätzen von Treu und Glauben Rechnung zu tragen. Soweit diese vertragliche Regelung nicht eingreift, folgt die Möglichkeit zur Anpassung des Vertrages aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X, wobei die vertragliche Regelung Vorrang hat(vgl BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 1 RdNr 25). Nach § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X kann eine Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an geänderte Verhältnisse verlangen, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert haben, dass der Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Wenn eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, kann diese den Vertrag kündigen. Auch diese Vorschrift setzt voraus, dass Änderungen seit Abschluss des Vertrages eingetreten sind. Insofern ist für die Klägerin weiterhin von Interesse, ob der Schiedsspruch zum Zeitpunkt der Vertragsfestsetzung rechtmäßig war. Dagegen ist weder eine Anpassung noch die Kündigung des durch Schiedsspruch festgesetzten Vertrages Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, sodass es auf später eingetretene Änderungen grundsätzlich nicht ankommen kann. Die etwa infolge der Abschaffung der Praxisgebühr (Streichung des § 28 Abs 4 SGB V mit Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom 20.12.2012, BGBl I 2789) erforderlichen Anpassungen des Vertrages (vgl dazu ua § 2 Abs 4, § 13 des Vertrages) sind ersichtlich nicht aufgrund unterschiedlicher Auffassungen der Vertragspartner, sondern wegen der im Vordergrund stehenden grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten und der deshalb bisher nicht erfolgten Umsetzung des Vertrages unterblieben. Eine auf den Anpassungsbedarf bezogene gerichtliche Feststellung hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

57

Allerdings sind im vorliegenden Verfahren Änderungen der Rechtslage zu berücksichtigen, die Einfluss auf das Fortbestehen des Feststellungsinteresses der Klägerin haben. Für die Beurteilung des Feststellungsinteresses ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (zur Fortsetzungsfeststellungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 131 RdNr 10, 10i; vgl auch BSG SozR 4-2700 § 215 Nr 2 RdNr 11). Da der streitgegenständliche Vertrag zur HzV bisher nicht umgesetzt wurde, kann ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin nur bestehen, soweit es darauf für die noch bevorstehende Umsetzung des Vertrages ankommt. Bedeutung gewinnt diese Frage hier bezogen auf Vereinbarkeit des Vertrages mit Bestimmungen zum Datenschutz (vgl dazu im Einzelnen nachfolgend d ii, RdNr 90).

58

c) Die gerichtliche Kontrolle der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson richtet sich aus den og Gründen nach den in der Rechtsprechung zur Überprüfung von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V entwickelten Maßstäben. Danach unterliegt auch die Entscheidung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur in eingeschränktem Umfang der gerichtlichen Kontrolle(vgl die stRspr zu § 89 SGB V: BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 3 RdNr 18; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11 mwN). Die Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle berücksichtigt, dass Schiedspersonen - ebenso wie Schiedsämter - deren Sprüche Vereinbarungen der zum Vertragsabschluss berufenen Vertragspartner ersetzen, eine weite Gestaltungsfreiheit haben. Dies trägt dem Wesen der Schiedssprüche Rechnung, die auf Interessenausgleich angelegt sind und Kompromisscharakter haben (vgl BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5). Der Schiedsspruch ist daher nur daraufhin zu überprüfen, ob die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen beachtet und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten wurden. Mithin ist in formeller Hinsicht zu klären, ob das Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs festgestellt hat und der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennen lässt (stRspr zu § 89 SGB V vgl etwa: BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13). Die inhaltliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsperson den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (zum Schiedsamt vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 20 S 131; BSGE 86, 126, 135 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11). Die Prüfung beschränkt sich dabei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf die Beachtung von Vorschriften, die unmittelbar Rechte der Vertragsparteien zu schützen bestimmt sind (aA zur Frage der Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen auch: LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 188). Deren Betroffenheit in eigenen Rechten folgt bereits aus dem Umstand, dass sie Partner des durch die Schiedsperson festgesetzten Vertrages sind. Die Bindung an einen solchen Vertrag müssen sie nur hinnehmen, soweit die darin getroffenen Bestimmungen materiell rechtmäßig sind. Insofern hat der Umstand, dass der Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, keinen Einfluss auf den gerichtlichen Prüfungsumfang.

59

d) Die Überprüfung der Entscheidung der Schiedsperson anhand der genannten Maßstäbe ergibt, dass die Festsetzung des Vertragsinhalts allein bezogen auf die Vereinbarkeit mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz zu beanstanden ist. Im Übrigen entspricht der Schiedsspruch den rechtlichen Anforderungen.

60

aa) Einwände bezogen auf die Einhaltung verfahrensrechtlicher Anforderungen werden von den Beteiligten nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere durfte die Schiedsperson den Vertragsinhalt am 9.9.2010 festsetzen, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch ein Klageverfahren zur Frage der Rechtmäßigkeit der Bestimmung der Schiedsperson anhängig war. Da Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson gemäß § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V keine aufschiebende Wirkung haben, war die Schiedsperson trotz des anhängigen Klageverfahrens berechtigt (und verpflichtet), tätig zu werden(zur Bestellung einer Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 27, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

61

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht zu beanstanden, dass die Schiedsperson nicht allein den Beklagten zu 1. (Hausärzteverband, Landesverband Baden-Württemberg), sondern auch den Beklagten zu 2. (Medi Baden-Württemberg eV) als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag aufgenommen hat.

62

(1) Gemäß § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30.6.2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Nur die so definierten Gemeinschaften von Allgemeinärzten sind gemäß § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 SGB V berechtigt, die Einleitung eines Schiedsverfahrens zu verlangen. Diese Anforderungen müssen jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson erfüllt sein (so auch bereits Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 27; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 17.1.2011 - L 7 KA 66/10 B ER - Juris RdNr 5). Die genannten Voraussetzungen werden von den beiden Beklagten erfüllt.

63

(2) Mit dem Begriff der Allgemeinärzte sind nicht alle nach § 73 Abs 1a SGB V an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte angesprochen. Vielmehr wird der Begriff übereinstimmend mit § 73 Abs 1a Nr 1 SGB V verwendet, sodass darunter nur die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte fallen, die nach Landesrecht zur Führung der Bezeichnung "Arzt für Allgemeinmedizin" berechtigt sind. Vorbehaltlich landesrechtlicher Übergangsregelungen wird also eine fünfjährige Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin vorausgesetzt (Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 14; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 29a; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 11.10.2010 - L 11 KA 61/10 B ER - GesR 2011, 32 = Juris RdNr 35 ff; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 31 ff; vgl auch BT-Drucks 16/10609 S 54). Diesen Begriff der "Allgemeinärzte" hat die Schiedsperson ihrer Prüfung, ob die og 50 %-Quote erreicht wird, zutreffend zugrunde gelegt. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.

64

(3) Gemeinschaften, die die Einleitung eines Schiedsverfahrens beantragen können, müssen nach § 73b Abs 4 Satz 1 und 2, Abs 4a Satz 2 SGB V mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV "vertreten". Dass die Beklagten zu 1. und zu 2. gemeinsam diese Quote erfüllen, wird zu Recht auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V verwendete Begriff "vertreten" wird jedenfalls nicht als eine Vertretung im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Handlung im fremden Namen(§ 164 BGB) verstanden werden können. Vielmehr schließen die in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaften die Verträge mit den Krankenkassen im eigenen Namen ab. Ausschlaggebend ist daher die Zahl der Mitglieder der Gemeinschaft (so auch die ganz hM vgl zB Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; Huster, NZS 2010, 69, 70; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 128; ders in Orlowski/Rau/Schermer/ Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 31b; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 35; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Wie in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen dargelegt wird, waren 3492 der insgesamt 5089 in Baden-Württemberg an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte für Allgemeinmedizin und damit deutlich mehr als die Hälfte Mitglied einer der beiden Beklagten. Allein bei dem Beklagten zu 1. (Hausärzteverband Baden-Württemberg) waren 2742 der in Baden-Württemberg zugelassenen Fachärzte für Allgemeinmedizin Mitglied. Weil mindestens 2566 Allgemeinärzte - und damit ebenfalls mehr als die Hälfte - die beiden Verbände auch mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hatten, wäre die og Voraussetzung hier im Übrigen auch erfüllt, wenn eine Mandatierung erforderlich wäre.

65

Die Klägerin ist allerdings der Auffassung, dass jedenfalls der Beklagte zu 2. die gesetzlich geregelte Quote nicht erfüllen würde und dass dieser deshalb nicht als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag zur HzV hätte aufgenommen werden dürfen. Die Erfüllung der Quote sei bezogen auf jeden einzelnen Verband zu prüfen, sodass die gemeinsame Erfüllung durch mehrere Verbände nicht genüge. Dies trifft indes nicht zu. Zwar waren nur 1267 Allgemeinärzte und damit weniger als die Hälfte der in Baden-Württemberg zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Allgemeinärzte Mitglied des Beklagten zu 2. Darauf kommt es indes nicht an. Vielmehr genügt, dass beide Beklagten als Vertragspartner der Klägerin gemeinsam mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte vertreten und zum gemeinsamen Vertragsschluss zu identischen Konditionen bereit waren und sind.

66

Der Begriff der "Gemeinschaften" wird gesetzlich nicht definiert. Der entsprechende Begriff in § 741 BGB wird nach dem Sinn der Regelung offensichtlich nicht in Bezug genommen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass keine Beschränkung auf eine bestimmte Rechtsform beabsichtigt war und dass weder eine innere noch eine äußere Organisationsstruktur vorgegeben wird (ebenso Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Huster, NZS 2010, 69, 70; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 73b RdNr 13; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 16; vgl auch Bayerisches LSG Beschluss vom 27.6.2009 - L 12 KA 33/09 B ER - GesR 2009, 477, 480). Ausschlaggebend ist allein die soziale Mächtigkeit der Gemeinschaft und die daraus folgende Möglichkeit, eine flächendeckende Versorgung zu organisieren (Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127 f; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Huster, NZS 2010, 69, 70; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Diese Auffassung wird insbesondere durch die in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/10609 S 53 f) zum Ausdruck kommende Zielsetzung der Regelung gestützt. Danach sollte mit der zum 1.1.2009 eingeführten Neuregelung durch das GKV-OrgWG vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) das mit dem GKV-WSG eingeführte eigenständige Verhandlungsmandat der Gemeinschaft von Hausärzten gestärkt werden. Gemeinschaften, die die 50 %-Quote erfüllen, gewährleisteten, dass eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung durch den Vertragsschluss erreicht werden könne. Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung ist davon auszugehen, dass sich Kooperationen nicht nur - wie ausdrücklich gesetzlich geregelt (§ 73b Abs 4 Satz 1 SGB V)- auf Seiten der Krankenkassen, sondern auch auf Seiten der Hausärzte an dem Vertrag zur HzV beteiligen können. Dem gesetzgeberischen Ziel, eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur HzV zu erreichen, wird schon Rechnung getragen, wenn nicht jeder einzelne Verband, sondern nur die Kooperation von Hausarztverbänden die genannte Quote erfüllt (so auch das dem Schriftsatz der Klägerin vom 12.2.2015 als Anlage RK 29 übersandte "Ergebnisse der Besprechung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 22.1.2009 zu Fragestellungen/Problemen im Zusammenhang mit § 73b SGB V in der Fassung vom 1.1.2009", S 3 unter III. 2.; ausdrücklich bezogen auf die beiden Beklagten des vorliegenden Verfahrens: Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 32).

67

cc) Der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV verletzt nicht den Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V. Entgegen der Auffassung der Klägerin findet dieser Grundsatz auf den vorliegenden, vor dem 22.9.2010 zustande gekommenen Vertrag keine Anwendung.

68

(1) In der hier maßgebenden Fassung des § 73b SGB V vor der Änderung durch das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2309) war die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die HzV nicht geregelt. Die Einfügung des § 73 Abs 5a SGB V mit dem GKV-FinG, in dessen Satz 1 bestimmt wird, dass bei der zwischen den Krankenkassen und den die Allgemeinärzte vertretenden Gemeinschaften der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71 SGB V zu beachten ist, gilt ausdrücklich nur für nach dem 22.9.2010 zustande gekommene Verträge. Der hier zu beurteilende Vertrag ist bereits mit der Festsetzung durch die Schiedsperson vom 9.9.2010 und damit bis zum 22.9.2010 zustande gekommen.

69

Die Beschränkung der Geltungsdauer der Bestandsschutzregelung nach § 73b Abs 5a Satz 5 SGB V idF des GKV-FinG auf die Zeit bis zum 30.6.2014 greift nicht ein, weil diese Frist nur für Anschlussvereinbarungen und nicht für den hier zu beurteilenden, bis zum 22.9.2010 geschlossenen Vertrag selbst gilt. Im Übrigen ist § 73b Abs 5a SGB V mit dem dort geregelten Grundsatz der Beitragssatzstabilität durch das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch(14. SGB V-Änderungsgesetz - 14. SGB V-ÄndG) vom 27.3.2014 (BGBl I 261) mWv 1.4.2014 aufgehoben worden, sodass diese Regelung auch im Falle einer Kündigung des Vertrages zur HzV keine Wirkung mehr entfalten könnte.

70

§ 73b SGB V in der hier maßgebenden Fassung unterscheidet sich damit zB von der die Gesamtvergütung betreffenden Bestimmung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V idF vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2013, der die Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) für die Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen anordnete. Allein der Umstand, dass es in § 73b SGB V an einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung für die HzV fehlt, schließt die Geltung dieses Grundsatzes allerdings noch nicht aus. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität allgemein für die im Vierten Kapitel des SGB V geregelten Vergütungsvereinbarungen gilt, ohne dass es einer auf die jeweilige Vergütungsvereinbarung bezogenen speziellen Regelung bedarf. Dies hat der Senat insbesondere aus dem Standort des § 71 SGB V im Abschnitt "Allgemeine Grundsätze" des Vierten Kapitels abgeleitet(BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 17). Bei dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität handelt es sich um eine verbindliche gesetzliche Vorgabe, die auch bei Schiedssprüchen zu beachten ist und die eine verbindliche Grenze für Vergütungsvereinbarungen darstellt (vgl BSGE 86, 126, 135 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 296 f; BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 15 f mwN).

71

Dies gilt jedoch nur, soweit keine Ausnahme eingreift. Solche Ausnahmen und Einschränkungen sind für unterschiedliche Vergütungsvereinbarungen im Vierten Kapitel des SGB V enthalten. So gilt nach § 87a Abs 3 Satz 2 letzter Halbsatz SGB V in der Fassung des GKV-WSG der vereinbarte Behandlungsbedarf als "notwendige medizinische Versorgung" im Sinne des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V mit der Folge, dass die Beschränkungen aus dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität für Gesamtvergütungen in der vertragsärztlichen Versorgung seit 2009 insoweit nicht eingreifen(vgl BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 41). Für die integrierte Versorgung bestimmt § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht für Verträge gilt, die bis zum 31.12.2008 geschlossen worden sind. Für die zahnärztliche Versorgung ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität mit der Änderung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V zwar nicht aufgehoben, aber eingeschränkt worden, indem nicht mehr die Beachtung, sondern nur noch dessen Berücksichtigung vorgeschrieben wird(vgl dazu Axer, GesR 2013, 135, 138 f). Eine ähnliche Einschränkung enthält § 134a Abs 1 Satz 2 SGB V für die Versorgung mit Hebammenhilfe.

72

Für die HzV folgt eine Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V. Danach können Einzelverträge Abweichungen von den Vorschriften "dieses Kapitels" - also des Vierten Kapitels des SGB V - sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. Das Vierte Kapitel umfasst die §§ 69 bis 140h SGB V und damit auch § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; ähnlich Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 257 f; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

73

Eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität kann entgegen der Auffassung von Ebsen aus dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (Rechtliche Anforderungen an das Handeln der Schiedsperson für die Festlegung des Inhalts des Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b Abs 4a SGB V, Rechtsgutachten im Auftrag des AOK-Bundesverbandes aus Juli 2009, unveröffentlicht, RdNr 55) auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V die Nichtgeltung für die Verträge zu integrierten Versorgungsformen ausdrücklich anordnet, während § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V für die HzV nur allgemein Ausnahmen von den Vorschriften des Vierten Kapitels zulässt. Zwar trifft es zu, dass sich der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V mit dem GKV-WSG ua an § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V anlehnen wollte(BT-Drucks 16/3100, S 112), der Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels betrifft. § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, der die Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die integrierte Versorgung ausdrücklich regelt, bleibt in der Gesetzesbegründung zu § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V hingegen unerwähnt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels nur mit Ausnahme des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität zulassen würde. Im Wortlaut der Regelung findet eine solche einschränkende Auslegung keine Grundlage. Der im Gutachten von Ebsen gezogene Vergleich zwischen den für die HzV und den für die integrierte Versorgung geltenden Regelungen berücksichtigt zudem nicht hinreichend, dass § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels des SGB V nicht umfassend, sondern nur insoweit zulässt, als "die abweichende Regelung dem Sinn und der Eigenart der integrierten Versorgung entspricht, die Qualität, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der integrierten Versorgung verbessert oder aus sonstigen Gründen zu ihrer Durchführung erforderlich ist". Da § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels umfassend zulässt, bedurfte es keiner § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V entsprechenden speziellen Regelung zur Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität. Im Übrigen vertritt auch Ebsen nicht die Auffassung, dass die Krankenkassen bei Verträgen zur HzV den Grundsatz der Beitragssatzstabilität umfassend zu beachten hätten. Vielmehr will er den "unternehmerisch" im Wettbewerb stehenden Krankenkassen für freiwillige Vereinbarungen einen größeren Spielraum zubilligen und lediglich den Gestaltungsspielraum der Schiedsperson beschränken (vgl RdNr 31 ff, 61 des Gutachtens). Indes ist die Gestaltungsfreiheit der Schiedsperson nicht geringer als diejenige der Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung. Insofern gilt für Schiedssprüche von Schiedspersonen nichts anderes als für solche der Schiedsämter (vgl zum Gestaltungsspielraum von Schiedsämtern BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 73 RdNr 15; BSGE 86, 126, 134 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295 mwN).

74

Etwas anderes folgt auch nicht aus § 73b Abs 8 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des GKV-WSG, die im Übrigen mit der seit dem 1.4.2014 (wieder) geltenden Fassung des 14. SGB V-ÄndG übereinstimmt. Nach dieser Vorschrift können die Parteien des Vertrages zur HzV vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach § 73b Abs 7 SGB V fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanziert werden, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach § 73b Abs 4 SGB V erzielt werden. Aus der Formulierung "können vereinbaren" folgt, dass es sich nicht um eine für die Vertragspartner verbindliche Vorgabe handelt. Damit übereinstimmend hat der Gesundheitsausschuss, auf dessen Empfehlung die Regelung mit dem GKV-WSG eingeführt worden ist, zur Begründung angegeben, dass es sich um eine Klarstellung handele. In den Verträgen zu HzV könne vereinbart werden, zusätzliche Vergütungen durch Einsparungen zB bei den veranlassten und verordneten Leistungen zu generieren (BT-Drucks 16/4247 S 36).

75

Dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität für die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV keine Geltung beansprucht, findet seine Bestätigung in der Änderung des § 73b SGB V mit dem GKV-FinG. Der mit diesem Gesetz neu eigeführte § 73b Abs 5a SGB V sah in Satz 1 eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ausdrücklich nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge vor. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/3040 S 23) entsprach es auch dem Willen des Gesetzgebers, die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV von der Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität auszunehmen. Danach sollte es für diese Verträge bei der "im bisherigen Recht angelegten Vertragsfreiheit der Vertragsparteien auch im Hinblick auf die Vergütungshöhe" bleiben.

76

Auch die Motive, die den Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zum 14. SGB V-ÄndG (BT-Drucks 18/606 S 11) zur Aufhebung des § 73b Abs 5a SGB V und zur "Rückführung" des Abs 8 auf die vor dem GKV-FinG geltende Fassung mWv 1.4.2014 veranlasst haben, sprechen dafür, dass es sich bei den Änderungen durch das GKV-FinG - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht nur um eine Klarstellung bezogen auf den ohnehin geltenden Grundsatz der Beitragssatzstabilität gehandelt hat, sondern dass dieser Grundsatz im Bereich der HzV allein aufgrund des - mit dem 14. SGB V-ÄndG wieder aufgehobenen - § 73b Abs 5a SGB V und damit auch nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV galt. Nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Änderung zurückgeht, sollten die mit dem GKV-FinG eingeführten Vergütungsbeschränkungen wieder aufgehoben werden, "da sie sich als Hemmnis für den Abschluss von Verträgen über eine hausarztzentrierte Versorgung erwiesen haben". Die Vertragspartner sollten - auch für Vereinbarungen über solche Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen - die Möglichkeit erhalten, Vergütungsvereinbarungen zu treffen, ohne hierbei starren Begrenzungen zu unterliegen. Entscheidend sei, dass der Vertrag "insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot" entspreche. Die Gestaltungsspielräume der Vertragspartner sollten bezogen auf die Vergütung erweitert und die Möglichkeiten zur Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte verbessert werden.

77

(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die Vergütung in der HzV auch nicht aus den für die für Wahltarife geltenden Bestimmungen des § 53 Abs 3, Abs 9 SGB V hergeleitet werden. Allerdings weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass die Krankenkassen nach § 53 Abs 3 SGB V verpflichtet sind, in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen - ua nach § 73b SGB V - teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Daran anknüpfend schreibt § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V vor, dass die Aufwendungen für jeden Wahltarif jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden müssen. Danach sei - so die Klägerin - der Abschluss eines Hausarztvertrages ausgeschlossen, der Mehrkosten vorsehe, ohne dass deren Gegenfinanzierung gesichert sei. Der vorliegende Vertrag zur HzV enthalte Regelungen zu Mehrausgaben, deren Gegenfinanzierung spekulativ bleibe.

78

Indes betrifft die Regelung zu den Wahltarifen das Verhältnis der Krankenkassen zu den Versicherten und nicht das Leistungserbringungsrecht. Ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 53 Abs 9 SGB V könnte deshalb nur die Rechtsmäßigkeit der Satzung der Krankenkasse berühren und nicht die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; vgl Mehdorn, ZMGR 2012, 3, 12; ebenso bezogen auf einen Vertrag nach § 73c SGB V: SG Berlin Urteil vom 13.10.2010 - S 83 KA 443/08 - MedR 2011, 124, 128). Dies räumt auch Ebsen in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (aaO, RdNr 74) im Grundsatz ein, macht jedoch geltend, dass es den Kassen auch bei Verträgen mit Leistungserbringern selbstverständlich verboten sei, Vereinbarungen zu treffen, die zu einem Verstoß gegen ihre Pflichten im Versicherungsverhältnis führten. Dem kann zwar im Grundsatz zugestimmt werden. Der Senat hat Bedenken gegen die Auffassung des SG München aus der Entscheidung vom 16.7.2014 (S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 47 f), nach der ein Vertrag zur HzV bereits deshalb nicht gegen § 53 Abs 9 SGB V verstoßen könne, weil die möglicherweise durch diesen Vertrag verursachten Mehrkosten keine "Aufwendungen für den Wahltarif" im Sinne des § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V seien und dass diese deshalb auch nicht durch Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen gegenfinanziert werden müssten. Der Begriff der "Aufwendungen für den Wahltarif" dürfte im Grundsatz umfassender zu verstehen sein als das SG München annimmt (zu Mindereinnahmen als "Aufwendungen für den Wahltarif" vgl BSGE 109, 230 = SozR 4-2500 § 53 Nr 2, RdNr 21). Für das vorliegende Verfahren kommt es darauf indes nicht an. Jedenfalls kann die eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der HzV nicht über das Verbot der Quersubventionierung von Wahltarifen aus § 53 Abs 9 SGB V unterlaufen werden(in dieser Richtung auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35 = Juris RdNr 48). Maßgebend ist die - für das Leistungserbringungsverhältnis vorrangige - Regelung des § 73b SGB V. Daher ist § 53 Abs 9 SGB V insoweit einschränkend auszulegen. Soweit die Vertragspartner des HzV von der Gestaltungsfreiheit Gebrauch machen, die der Gesetzgeber ihnen mit der bereichsspezifischen Ausnahme vom Gebot der Beitragssatzstabilität einräumen wollte, kann allein darin kein Verstoß gegen das Verbot der Quersubventionierung aus § 53 Abs 9 SGB V liegen.

79

(3) Die für die HzV geltende Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität und die daraus folgende Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 53 Abs 9 SGB V begegnet entgegen der Auffassung der Klägerin auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass sich die Sozialversicherungsbeiträge durch eine strenge grundrechtlich und kompetenzrechtlich begründete Zweckbindung auszeichnen und dass die unter Eingriff in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art 2 Abs 1 GG zustande gekommene Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung die Auferlegung nur solcher Geldleistungen zu rechtfertigen vermag, die ihren Grund und ihre Grenze in den zwingenden Aufgaben der Sozialversicherung finden (vgl BVerfGE 113, 167, 203 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 55). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ist in einem Sozialstaat überragend wichtiges Gemeinschaftsgut (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139). Daraus folgt jedoch nicht, dass der in § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V definierte Grundsatz der Beitragssatzstabilität von der Verfassung vorgegeben wäre(zur Einschränkung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der vertragszahnärztlichen Versorgung vgl Axer, GesR 2013, 135, 140). Vielmehr hat der Gesetzgeber im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139; BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 103, 172, 185 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27; BVerfGE 44, 70, 89 = SozR 5420 § 94 Nr 2 S 2). Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind von der Rechtsprechung zu akzeptieren, solange seine Entscheidungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 89, 365, 376 = SozR 3-2200 § 385 Nr 4 S 4).

80

Das Ziel der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung hat der Gesetzgeber mit der Einführung der HzV nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil ist die Verpflichtung der Krankenkassen, ihren Versicherten eine flächendeckende hausarztzentrierte Versorgung zur Verfügung zu stellen, mit dem Ziel eingeführt worden, die Versorgungsqualität zu verbessern und Wirtschaftlichkeitsreserven ua durch Verbesserungen im Bereich Pharmakotherapie, durch den Einsatz von wissenschaftlich begründeten und praxiserprobten hausärztliche Leitlinien und durch eine zielgerichtetere Fortbildung zu erschließen (vgl BT-Drucks 16/3100 S 111 f). Auf die Geltung von Vorschriften des Vierten Kapitels einschließlich des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität hat der Gesetzgeber dabei im Interesse eines weiten Gestaltungsspielraums der Vertragspartner und in der Erwartung verzichtet, dass dieser unter der Beteiligung der Krankenkassen als Vertragspartner im Sinne der og Zielsetzung ausgefüllt wird. Anhaltspunkte dafür, dass diese Erwägungen offensichtlich unzutreffend oder aus anderen Gründen mit der Wertordnung der Verfassung unvereinbar wären, sind weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich. Bei der Einführung neuer Strukturen im Bereich der Leistungserbringung wie dem flächendeckenden Angebot einer HzV können die finanziellen Auswirkungen regelmäßig nicht mit Sicherheit prognostiziert werden. Allein daraus folgt jedoch noch keine Überschreitung des Handlungsspielraums des Gesetzgebers.

81

Auch eine Ungleichbehandlung der Versicherten und damit ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG ist mit der Einführung der HzV entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verbunden, soweit alle Krankenkassen ihrer gesetzlichen Pflicht aus § 73b Abs 1 SGB V nachkommen, ihren Versicherten eine HzV anzubieten, weil dann alle Versicherten die Möglichkeit haben, diese Leistung in Anspruch zu nehmen. Mit der vorliegenden Entscheidung stellt der Senat klar, dass die Klägerin dieser bereits seit Inkrafttreten der Änderungen durch das GKV-WSG zum 1.4.2007 gesetzlich geregelten Verpflichtung nachzukommen hat.

82

dd) Zu beachten bleibt das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot, das seine Grundlage nicht allein in § 70 Abs 1 SGB V und damit einer Vorschrift aus dem nach § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V nicht zwingend anwendbaren Vierten Kapitel, sondern auch in § 2 Abs 4, § 12 SGB V hat. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Für die Geltung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots spricht im Übrigen die Begründung der der Streichung des § 73b Abs 5a SGB V mit dem 14. SGB V-ÄndG zugrunde liegenden Empfehlung des Gesundheitsausschusses (BT-Drucks 18/606 S 11). Danach bleibt entscheidend, "dass der Vertrag insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht". Dagegen gilt die mit der Änderung des § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V durch das 14. SGB V-ÄndG eingeführte Verpflichtung, Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren, nicht für den vorliegenden, am 9.9.2010 festgesetzten Vertrag zur HzV, sondern nur für Verträge, die nach dem 31.3.2014 zustande gekommen sind.

83

Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag entspricht dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade in der Phase der Einführung der flächendeckenden HzV keine hohen Anforderungen an die Prognose der wirtschaftlichen Auswirkungen gestellt werden können. Für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung durch die Schiedsperson ist ausschlaggebend, dass die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Gesichtspunkte erkannt, gegeneinander abgewogen worden sind und Eingang in die Begründung gefunden haben. Die Anforderungen an die Begründung dürfen auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Schiedsperson keinen eigenen Verwaltungsapparat unterhält, nicht überspannt werden (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 38). Den so definierten Anforderungen wird die ausführliche Begründung der Entscheidung der Schiedsperson ohne Weiteres gerecht. Dabei wird - wie die Klägerin zutreffend geltend macht - in der Begründung des Schiedsspruchs nicht in Zweifel gezogen, dass zB mit der vorgesehenen kontaktunabhängigen Pauschale (65 Euro pro Versichertenteilnahmejahr) oder der Chronikerpauschale (30 Euro maximal einmal pro Quartal und maximal 4-mal pro Versichertenteilnahmejahr) Vergütungstatbestände in die HzV aufgenommen worden sind, die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen keine Entsprechung finden und dass insgesamt mit einer Erhöhung des Fallwertes zu rechnen ist. Prognostiziert wird eine Erhöhung um 12,38 Euro im Vergleich zur Regelversorgung. Ferner wird ausgeführt, dass die dadurch verursachten Kosten und auch die erzielten Einsparungen nicht genau zu prognostizieren seien. Allerdings gebe es mit der Vergütungsobergrenze nach § 10 Abs 9 des Vertrages (76 Euro) Regelungen, die geeignet seien, das Risiko der Krankenkassen zu begrenzen. Einsparungen könnten ua aufgrund der Verpflichtung der Versicherten erwartet werden, Fachärzte nur auf Überweisung in Anspruch zu nehmen. Dies führe zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen. Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass jeder Facharztbesuch auch Folgekosten bei den veranlassten Leistungen nach sich ziehe, sodass eine - medizinisch vertretbare - verminderte Inanspruchnahme von Überweisungen zu Fachärzten auch geringere Folgekosten bedinge. Ein gewisses Einsparpotenzial ergebe sich des Weiteren durch die Verpflichtung der Hausärzte, bei der Arzneimittelversorgung die von den Vertragspartnern der HzV zur Verfügung gestellte Software zu verwenden, die gerade bei Original-Präparaten ermöglichen solle, dass der Hausarzt wirtschaftliche Verordnungen vornehmen könne. Insgesamt werden finanzielle Risiken und Einsparpotenziale in der Begründung des Schiedsspruchs ausführlich dargestellt und gegeneinander abgewogen. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung erster Erfahrungen mit ähnlichen Verträgen (Vertrag der BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für Baden-Württemberg, AOK Bayern-Vertrag) kommt die Schiedsperson nachvollziehbar zu der Einschätzung, dass in Umsetzung des Vertrages eine wirtschaftliche Leistungserbringung durch die teilnehmenden Hausärzte erwartet werden kann.

84

ee) Dagegen kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Schiedsperson lediglich einen unvollständigen "Vertragstorso" festgesetzt habe. Zwar trifft es zu, dass die Schiedsperson die vorgesehenen Anlagen zum Vertrag nicht vollständig festgesetzt, sondern teilweise der weiteren Vereinbarung durch die Vertragsparteien überlassen hat (etwa zum Hilfsmittelmanagement und zu verschiedenen Vergütungszuschlägen, die ua eine wirtschaftliche Verordnungsweise fördern sollen). Gerade in der Anfangsphase nach Einführung der flächendeckenden HzV ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Vertragsparteien in der Phase der Umsetzung des Vertrages weitere Konkretisierungen und Ergänzungen vornehmen. Ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV ist allein, ob dieser in der vorliegenden Form umgesetzt werden kann. Daran hat der Senat keine Zweifel.

85

ff) Auch der Einwand der Klägerin, die Schiedsperson habe in Verkennung des rechtlichen Rahmens angenommen, dass die HzV nur als Vollversorgungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag vereinbart werden dürfe, sie habe dadurch ihren Gestaltungsspielraum verkannt und dies allein führe zur Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs, greift nicht durch. Dass die HzV jedenfalls auch in der Form eines sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrages vereinbart werden kann, der die bisherige Regelversorgung nach § 73 SGB V umfasst und diese nicht lediglich ergänzt, unterliegt keinem Zweifel. Auf die umstrittene Frage, ob eine HzV in Form eines sog Add-on-Vertrages den gesetzlichen Vorgaben entsprechen würde (gegen die Rechtmäßigkeit von Add-on-Verträgen auf der Grundlage des § 73b SGB V: Hess in Kasseler Komm, Stand Dezember 2014, § 73b SGB V RdNr 3; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 47; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 27 f; mit dieser Tendenz auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 8 ff; ähnlich: Sproll in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Februar 2015, § 73b SGB V RdNr 8: "Beide Versorgungsformen schließen sich gegenseitig aus" sowie Orlowski, ZMGR 2009, 124, 125: HzV als "eigenständig zu regelnde einzelvertragliche Versorgung"; anders jedoch Huster, SGb 2010, 253 ff; ders in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 21; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 6; SG Marburg Urteil vom 3.8.2011 - S 12 KA 237/10 - Juris RdNr 29 ff), kommt es für die Entscheidung nicht an. Jedenfalls hat die Schiedsperson mit der Festsetzung eines Vollversorgungsvertrages ihren möglichen Entscheidungsspielraum nicht überschritten. In der Begründung des Schiedsspruchs wird die Auffassung vertreten, dass allein die Vereinbarung eines Vollversorgungsvertrages der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Die Frage, ob deshalb ein Add-on-Vertrag rechtswidrig wäre, wird aber letztlich offengelassen. Die Schiedsperson weist zur weiteren Begründung ua darauf hin, dass sie sich in Ausübung ihres billigen Ermessens für einen Vollversorgungsvertrag entschieden habe, weil dieser den Krankenkassen und den Hausarztgemeinschaften die Möglichkeit eröffne, strukturelle Verbesserungen in der Leistungserbringung für die Versicherten vorzunehmen, während Add-on-Verträge nur punktuelle Ansätze böten. Damit hat die Schiedsperson die Entscheidung für einen Vollversorgungsvertrag den Anforderungen entsprechend begründet.

86

gg) Der Vertrag ist auch nicht rechtswidrig, soweit er in § 6 sowie in den Anlagen 4 und 6 Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der HzV enthält, die in einzelnen Punkten (Verbleib des Originals der Teilnahmeerklärung bei der Krankenkasse oder in der Arztpraxis, Frist zwischen der Abgabe der Teilnahmeerklärung und dem Beginn der Teilnahme des Versicherten, Kündigungsfrist für die Teilnahme, Frist für den Wechsel des Hausarztes, ua) vom Inhalt der Satzung der Klägerin abweichen. Zwar trifft der Einwand der Klägerin zu, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 3 Satz 4 SGB V idF des GKV-WSG (heute: Satz 7) bisher(zu der im Entwurf eines GKV-VSG vorgesehenen Änderung vgl BT-Drucks 18/4095 S 16 f zu Art 1 Nr 27 Buchst a) verpflichtet sind, das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, in ihren Satzungen zu regeln. Auf der anderen Seite setzt jedoch auch das Angebot einer HzV, das durch Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V flächendeckend gewährleistet werden soll, Regelungen zur Teilnahme der Versicherten voraus, sodass diese idR auch Gegenstand des Vertrages zur HzV sein werden. Bei der Entscheidung, ob die vertraglichen Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der Satzung der Krankenkasse auszurichten sind oder ob umgekehrt die Krankenkasse ihre Satzung dem Inhalt der Verträge anzupassen hat, ist zu berücksichtigen, dass die Verträge zur HzV über die Festlegung durch eine Schiedsperson ggf auch gegen den Willen der Krankenkassen zustande kommen sollen. Dies steht einer Auslegung dahin entgegen, dass die Krankenkassen der anderen Partei des Vertrages zur HzV die Regelungen zur Teilnahme der Versicherten durch ihre Satzung einseitig vorgeben könnten. Ferner ist von Bedeutung, dass durch die Änderung des § 79 Abs 1 SGB V mWv 1.1.2005 bezogen auf die Vertretungskompetenz - die die Vertretung beim Abschluss von Selektivverträgen einschließt - ein originärer Aufgabenbereich des Vorstands der Krankenkassen geschaffen werden sollte, der nicht vollständig der Gestaltungsmacht der Vertreterversammlung unterworfen ist (BSGE 114, 274 = SozR 4-2500 § 81 Nr 7, RdNr 33, 37 ff). Auch dies spricht dagegen, dass Inhalte des Vertrages zur HzV durch die von der Vertreterversammlung verabschiedete Satzung der Krankenkasse einseitig vorgegeben werden könnten. Daher sind Regelungen des Vertrages zur HzV zur Teilnahme der Versicherten nicht bereits rechtswidrig, wenn sie vom Inhalt der Satzung der Krankenkasse abweichen. Vielmehr ist - wie das LSG bereits zutreffend ausgeführt hat - die Krankenkasse verpflichtet, ihre Satzung dem Inhalt des Vertrages anzupassen (ebenso: Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 50).

87

Die im Vertrag zur HzV getroffenen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten müssen danach zwar nicht mit dem Inhalt der Satzung der Krankenkasse übereinstimmen, aber die übrigen gesetzlichen und untergesetzlichen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten beachten. Bezogen auf den hier in erster Linie maßgebenden Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ist der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV auch insoweit nicht zu beanstanden. Allerdings werden bei der bevorstehenden Durchführung des Vertrages die in der Zwischenzeit eingetretenen gesetzlichen Änderungen zu berücksichtigen sein. Eine entsprechende Verpflichtung zur Anpassung ist in den Schlussbestimmungen des Vertrages (§ 22 Abs 2) geregelt und folgt im Übrigen aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X. Neben der Berücksichtigung der mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013 (BGBl I 277) eingeführten Bestimmungen zum Widerrufsrecht der Versicherten (§ 73b Abs 3 Satz 3 bis 6 SGB V) gehört dazu auch die Beachtung der am 26.8.2013 in Kraft getretenen Vorgaben zur Abgabe der Teilnahmeerklärung aus der Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach § 217f Abs 4a SGB V.

88

hh) Der Rechtmäßigkeit der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson steht nicht entgegen, dass zuvor keine Auftragsvergabe nach den Vorschriften des Vergaberechts durchgeführt worden ist. Zwar fanden gemäß § 69 Abs 2 Satz 1 SGB V in der hier maßgebenden seit dem 18.12.2008 geltenden Fassung des GKV-OrgWG die die Vergabe öffentlicher Aufträge betreffenden Vorschriften der §§ 97 bis 115 und 128 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auf die in § 69 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Rechtsbeziehungen der Krankenkassen ausdrücklich Anwendung, soweit die dort genannten Voraussetzungen erfüllt waren. Dies galt nach § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V jedoch nicht für Verträge von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind und bei deren Nichtzustandekommen eine Schiedsamtsregelung gilt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Festsetzung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson als "Schiedsamtsregelung" in diesem Sinne zu verstehen ist und ob Satz 2 damit der Anwendbarkeit der §§ 97 ff GWB entgegensteht. Unabhängig von dieser ohnehin nur klarstellenden (vgl BT-Drucks 16/10609 S 52) Beschränkung der Anwendbarkeit wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen, die sich im Übrigen seit der Änderung durch das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2262) nicht mehr auf die Vorschriften des Vierten Teils des GWB (§§ 97 ff GWB) bezieht (vgl jetzt § 69 Abs 2 Satz 4 SGB V), kann ein öffentlicher Auftraggeber dem Kartellvergaberecht nur unterworfen sein, wenn dieser eine Auswahl zwischen verschiedenen Vertragspartnern hat (Kaltenborn, GesR 2011, 1, 2; Engelmann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand Oktober 2013, § 69 RdNr 141; vgl zur Rechtslage vor der Änderung durch das AMNOG: Sormani-Bastian, ZESAR 2010, 13). Daran hat sich im Übrigen auch durch die neuen europäischen Vergaberichtlinien nichts geändert. Nach Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 2014/23/EU vom 26.2.2014 über die Konzessionsvergabe (ABl L 94, 1) sollen Regelungen, nach denen ohne gezielte Auswahl alle Wirtschaftsteilnehmer, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, berechtigt sind, eine bestimmte Aufgabe wahrzunehmen, nicht als Konzessionen gelten. Das betrifft auch Regelungen aufgrund einer Vereinbarung zwischen Behörde und Wirtschaftsunternehmen. Nichts anderes gilt, soweit der Vertrag zur HzV europarechtlich nicht als Dienstleistungskonzession, sondern als entgeltlicher Beschaffungsvertrag angesehen wird: Nach Art 1 Abs 2 der Richtlinie 2014/24/EU vom 26.2.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl L 94, 65) setzt die Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie voraus, dass Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen von öffentlichen Auftraggebern "ausgewählt werden".

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Der sich aus § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ergebende Kontrahierungszwang, der gemäß § 73b Abs 4 Satz 2 iVm Abs 4a SGB V von entsprechend qualifizierten Gemeinschaften durch die Beantragung des Schiedsverfahrens und die Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson durchgesetzt werden kann, hat zur Folge, dass der vertragschließenden Krankenkasse kein Auswahlermessen zukommt, sondern dass der Vertragspartner bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bereits feststeht. Eine Auswahl zwischen verschiedenen Bietern ist also bezogen auf die Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ausgeschlossen. Dies steht der Annahme eines öffentlichen Auftrages im Sinne des § 99 GWB entgegen(so auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 32a; Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137 f; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b SGB V, RdNr 62; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 34; ähnlich Orlowski, ZMGR 2009, 124, 130; BKartA Beschluss vom 2.7.2010 - VK 1 - 52/10 - Juris; bezogen auf die HzV nach § 73b SGB V allerdings nur im Ergebnis ebenso die Begründung zum GKV-OrgWG: BT-Drucks 16/10609 S 52).

90

ii) Der Vertrag zur HzV ist mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vollständig kompatibel. Maßgebend ist dabei grundsätzlich die Rechtslage zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson (vgl 4 b, RdNr 56). Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen bereits deshalb nicht zu vereinbaren, weil es an der erforderlichen Befugnisnorm für die dort geregelte Weitergabe von Abrechnungsdaten an private Stellen in Gestalt der HÄVG und der HÄVG Rechenzentrum AG gefehlt hat (nachfolgend 1). Indes ist für die Beurteilung des Feststellungsinteresses die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (vgl 4 b, RdNr 57). Die Klägerin hat weder ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 55 Abs 1 SGG an der isolierten Feststellung einer Rechtswidrigkeit des - bisher nicht durchgeführten - Vertrages zur HzV unter Zugrundelegung einer nicht mehr geltenden Rechtslage nachvollziehbar geltend gemacht noch einen Anspruch gegenüber den Beklagten auf Änderung des Vertrages entsprechend der nicht mehr geltenden Rechtslage. Ein fortbestehendes Feststellungsinteresse kann deshalb nur anerkannt werden, soweit es darauf auch noch für die bevorstehende Durchführung des Vertrages ankommt. Daher ist ergänzend die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats und damit nach Einführung des § 295a SGB V durch Art 3 Nr 9 des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze vom 28.7.2011 (BGBl I 1622, 1627) mWv 4.8.2011 zu berücksichtigen (nachfolgend 2). Die von der Klägerin erhobenen datenschutzrechtlichen Einwände greifen daher zum überwiegenden Teil nicht durch (nachfolgend 3, 5, 6). Soweit der Vertrag zur HzV jedoch auch mit den geänderten bundesrechtlichen Vorgaben nicht vollständig zu vereinbaren ist, sind die Vertragspartner verpflichtet, diesen zu ändern (nachfolgend 4 und 7).

91

(1) Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV sieht vor, dass die Abrechnung der Vergütung des Hausarztes gemäß den Vorgaben der Anlage 3 durch die HÄVG als Abrechnungsdienstleister erfolgt (§ 11 Abs 1). Die HÄVG ist berechtigt, sich zum Zwecke der Abrechnung eines Rechenzentrums im Sinne der Anlage 3 zu bedienen (§ 11 Abs 2 Satz 2). Nach Anlage 3 § 6 Satz 2 wird von der HÄVG hierzu "derzeit" die HÄVG Rechenzentrum AG eingesetzt. Damit übereinstimmend werden die Versicherten mit dem Merkblatt (Anhang zu Anlage 6 des Vertrages) unter der Überschrift "Wichtige Informationen zum Schutz Ihrer Daten - Ihre Einwilligung" darüber informiert, dass die Abrechnung der ärztlichen Vergütung ua "über die Dienstleistungsgesellschaft des Hausärzteverbandes und MEDI, die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) und ihr Rechenzentrum erfolgt". Nach § 11 Abs 4 zahlt die Krankenkasse die Vergütung mit schuldbefreiender Wirkung an die HÄVG.

92

Für die damit vorgesehene Weitergabe von Patientendaten zu Abrechnungszwecken fehlte zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts die erforderliche Rechtsgrundlage. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 10.12.2008 (B 6 KA 37/07 R - BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2)im Einzelnen dargelegt hat, setzt die Übermittlung von Patientendaten durch Leistungserbringer an private Dienstleistungsunternehmen im Geltungsbereich des SGB V eine bereichsspezifische Befugnisnorm voraus. Als solche kam allein § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009 (BGBl I 1990) in Betracht. Diese Regelung, mit der der Gesetzgeber auf das og Urteil des Senats vom 10.12.2008 reagiert hat, war bis zum 30.6.2010 - und damit auf einen Zeitpunkt vor der Festsetzung des Vertragsinhalts - befristet. Über § 320 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24.7.2010 (BGBl I 983) waren diese Sätze jedoch bis zum 1.7.2011 und damit auch noch zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts am 9.9.2010 weiter anzuwenden. Danach durfte für die ärztlichen Leistungen, die im Rahmen von Verträgen ua zur HzV nach § 73b SGB V erbracht und mit den Krankenkassen abgerechnet wurden, eine andere Stelle mit der Verarbeitung und Nutzung der für die Abrechnung dieser Leistungen erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragt werden. § 80 SGB X war anzuwenden. Auftraggeber und Auftragnehmer unterlagen der Aufsicht der nach § 38 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zuständigen Aufsichtsbehörde.

93

§ 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V aF erlaubte danach allein die Beauftragung einer anderen Stelle im Sinne einer Auftragsdatenverarbeitung(vgl OVG Schleswig-Holstein Beschluss vom 12.1.2011 - 4 MB 56/10 - CR 2011, 359). Der ausdrücklich in Bezug genommene § 80 SGB X regelt die Voraussetzungen der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten im Auftrag. Dass mit der Einfügung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V die Übermittlung von Daten an private Stellen nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung geltenden Voraussetzungen zugelassen werden sollte, wird auch durch die Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Regelung zurückgeht, bestätigt: Danach sollten die Voraussetzungen, unter denen dem Sozialgeheimnis unterliegende Stellen andere Stellen mit der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten beauftragen können, und die Rechtsfolgen einer solchen Beauftragung auch für die besonderen Versorgungsformen gelten(vgl BT-Drucks 16/13428 S 96 unter Bezugnahme auf die Begründung zur entsprechenden Regelung für Krankenhäuser nach § 120 Abs 6, S 92).

94

Bei der in dem Vertrag vorgesehenen Übermittlung von Abrechnungsdaten durch den Arzt an die HÄVG handelt es sich nicht um eine nach § 295 Abs 1b SGB V aF zulässige Auftragsdatenverarbeitung. Die Auftragsdatenverarbeitung ist datenschutzrechtlich privilegiert. Sie stellt keine Übermittlung im Sinne des § 67 Abs 6 Satz 2 Nr 3 SGB X dar(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; I. Palsherm in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand Juli 2013, § 80 RdNr 15). Eine Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X liegt vor, wenn der Auftragnehmer die Datenverarbeitung in vollständiger Abhängigkeit von Vorgaben des Auftraggebers durchführt(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; zur entsprechenden Regelung in § 11 BDSG vgl Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5). Die Auftragsdatenverarbeitung ist abzugrenzen von der Funktionsübertragung. Diese liegt dann vor, wenn dem Service-Unternehmen eine eigene rechtliche Zuständigkeit für die Aufgabe, deren Erfüllung die Datenverarbeitung oder die Nutzung dient, zugewiesen ist (Gola/Klug, BDSG, 12. Aufl 2015, § 11 RdNr 9). Wesentliches Merkmal für die Abgrenzung der Auftragsdatenverarbeitung von der Funktionsübertragung (Aufgabenübertragung) ist die Entscheidungsbefugnis über die Daten. Liegt diese bei der beauftragten Stelle und kommt dieser nicht nur eine Hilfs- und Unterstützungsfunktion zu, kann nicht mehr von einer Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X ausgegangen werden(Rombach in Hauck/Noftz, SGB X, Stand November 2014, § 80 RdNr 20; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 12, 14).

95

Das im Vertrag geregelte Verhältnis des an der HzV teilnehmenden Hausarztes zur HÄVG entspricht nicht dem Bild einer Auftragsdatenverarbeitung. Die HÄVG führt die Abrechnung keineswegs in vollständiger Abhängigkeit von dem teilnehmenden Hausarzt für diesen durch. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass der Hausarzt an dem Vertrag zur HzV, der die Einzelheiten vorgibt, nicht unmittelbar beteiligt ist und damit keinen unmittelbaren Einfluss auf dessen Ausgestaltung hat. Der einzelne Hausarzt hat auch keinen Einfluss darauf, wer für ihn die Daten verarbeiten soll. Bereits eine solche fehlende Auswahlmöglichkeit spricht gegen das Vorliegen einer Auftragsdatenverarbeitung (Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3b; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5a). Zudem wird ihm vorgegeben, welche Datenverarbeitungsprogramme (Software) er für die Abrechnung zu verwenden hat. Damit ist insgesamt davon auszugehen, dass die HÄVG die Abrechnungsdaten in eigener Verantwortung oder im Auftrag der Beklagten verarbeitet bzw durch die HÄVG Rechenzentrum AG verarbeiten lässt, aber jedenfalls nicht im Auftrag des Hausarztes tätig wird. Der Vertrag regelt bezogen auf die Weitergabe der Daten durch den Hausarzt keine nach § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V zulässige Auftragsdatenverarbeitung.

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(2) Mit der Einfügung des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ist die erforderliche gesetzliche Grundlage für die Übermittlung von Abrechnungsdaten durch die an der HzV teilnehmenden Hausärzte geschaffen worden. Anders als unter Geltung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V beschränkt sich die Befugnis nach § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V nicht auf die Beauftragung einer anderen Stelle mit der Verarbeitung, Nutzung und Abrechnung personenbezogener Daten. Vielmehr sind die an den entsprechenden Versorgungsformen teilnehmenden Leistungserbringer für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen nach § 73b, § 73c oder § 140a SGB V erbrachten Leistungen gemäß § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V befugt, die nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels des SGB V erforderlichen Angaben an den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite als verantwortliche Stelle zu übermitteln, indem diese Angaben entweder an ihn oder an eine nach § 295 Abs 2 SGB V beauftragte andere Stelle weitergegeben werden; für den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite gilt § 35 SGB I entsprechend. Voraussetzung ist, dass der Versicherte vor Abgabe der Teilnahmeerklärung an der Versorgungsform umfassend über die vorgesehene Datenübermittlung informiert worden ist und mit der Einwilligung in die Teilnahme zugleich in die damit verbundene Datenübermittlung schriftlich eingewilligt hat. Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite oder die beauftragte andere Stelle dürfen die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten und nutzen; sie übermitteln die Daten im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern an den jeweiligen Vertragspartner auf Krankenkassenseite.

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§ 295a Abs 1 Satz 1 SGB V definiert den "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (also den Hausarztverband und nicht den einzelnen Arzt) als die im datenschutzrechtlichen Sinne "verantwortliche Stelle". Insofern trifft § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V eine spezielle Regelung, die den allgemeinen Bestimmungen der §§ 67a ff SGB X vorgeht. Das bedeutet, dass die datenschutzrechtliche Verantwortung mit dem Eingang der Daten bei dem Hausarztverband ("Vertragspartner auf Leistungserbringerseite") oder bei der von ihm beauftragten Stelle auf den Hausarztverband übergeht (vgl BT-Drucks 17/6141 S 39).

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(3) Die Einwände der Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV, die ihre Grundlage in der Annahme haben, dass der Arzt auch nach dem Eingang der Daten bei den Beklagten oder der von ihnen beauftragten Stelle "verantwortliche Stelle" im Sinne des § 67 Abs 9 SGB X bleibe und dass der Arzt die Daten nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung nach § 80 SGB X geltenden Voraussetzungen weitergeben dürfe, greifen damit bezogen auf die seit Inkrafttreten des § 295a SGB V geltenden Rechtslage nicht mehr durch. § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V regelt die Befugnis des Hausarztes zur Weitergabe der für die Abrechnung erforderlichen Daten an den Hausarztverband oder die von diesem mit der Datenverarbeitung beauftragte Stelle unabhängig von den Voraussetzungen einer Auftragsdatenverarbeitung. Auftraggeber einer Datenverarbeitung durch die HÄVG oder ein Rechenzentrum können allein die "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (vgl BT-Drucks 17/6141 S 40, zu § 295a Abs 2) und damit die Beklagten sein.

99

(4) Zutreffend ist dagegen der Einwand der Klägerin, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV, die eine Beauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG vorsehen (vgl zB Anlage 3 § 6 Abs 1) mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren sind. Nach § 295a Abs 2 Satz 1 SGB V darf der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite eine andere Stelle mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten beauftragen, die für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen ua zur HzV erbrachten Leistungen erforderlich sind. Gemäß § 295a Abs 2 Satz 2 SGB V ist § 80 SGB X ua mit der weiteren Maßgabe anzuwenden, dass Unterauftragsverhältnisse ausgeschlossen sind. Demnach dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" im Sinne der genannten Regelung zwar die HÄVG oder auch unmittelbar die HÄVG Rechenzentrum AG mit der Verarbeitung der Abrechnungsdaten beauftragen. Die im Vertrag vorgesehene Erteilung eines Unterauftrags an die HÄVG Rechenzentrum AG durch die von den Beklagten beauftragte HÄVG ist dagegen nicht zulässig (zu einer entsprechenden Regelung vgl auch bereits LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

100

(5) Nach den von der Klägerin nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die im Vertrag zur HzV zur Verwendung durch den teilnehmenden Arzt vorgeschriebene Software mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen unvereinbar wäre. Soweit die Klägerin erstmals im Revisionsverfahren - nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung - geltend macht, dass die im Vertrag vorgeschriebene Software einen sog "gekapselten Kern" besitze, der die Möglichkeit biete, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar sei, so steht diese Behauptung im Übrigen im Widerspruch zu der von den Beklagten vorgelegten Technischen Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht vom 17.8.2012 (Az: LDA.3-1085.6-12/10), die sich nach den von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen Angaben der Beklagten auf die auch im vorliegenden Vertrag zur HzV vorgeschriebene Software beziehen soll. Die Stellungnahme kommt für den Senat nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die Kontrollmöglichkeiten über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ausreichend transparent seien. Die Datenverarbeitungsvorgänge in der Arztpraxis würden vom Arzt gesteuert.

101

(6) Auch die in Ziff 2.1 der Anlage 4 zum Vertrag vorgesehene Übermittlung von Einschreibedaten ist entgegen der Auffassung der Klägerin datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden. Bei den Einschreibedaten handelt es sich um die in der Teilnahmeerklärung enthaltenen Stammdaten des Versicherten (Name, Anschrift, Geburtsdatum, Versichertennummer), die Daten zu dem gewählten Hausarzt und den Teilnahmebeginn (vgl die der Teilnahmeerklärung beigefügten Informationen zu Datenschutz, Datenübermittlung und -zusammenführung). Diese Angaben sind für die Durchführung der Abrechnung im Sinne des § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V erforderlich und die Verarbeitung und Nutzung dieser Daten erfolgt in Übereinstimmung mit § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V zu Abrechnungszwecken(im Ergebnis ebenso die Bewertung eines insoweit entsprechenden Vertrages durch das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht, Schreiben vom 30.11.2012, Az: LDA.3-1085.6-12/10).

102

(7) Im Widerspruch zu den geltenden gesetzlichen Vorgaben steht dagegen § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum HzV, der die HÄVG zur Führung von Musterverfahren ermächtigt, weil es sich dabei nicht um eine gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V allein zulässige Verarbeitung oder Nutzung zu Abrechnungszwecken handelt. Zwar regelt der Vertrag nicht ausdrücklich die Verwendung personenbezogener Daten in Musterprozessen. Die vorgesehene Führung solcher Prozesse durch die HÄVG setzt die Verwendung personenbezogener Daten der an der HzV teilnehmenden Versicherten jedoch voraus (ebenso zu einer insoweit vergleichbaren Regelung: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38). Gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verwenden. Dass die Verwendung von Daten zur Führung von Musterprozessen über die Verwendung zu Abrechnungszwecken hinausginge, haben die Beklagten im Revisionsverfahren auch nicht in Zweifel gezogen, sondern geltend gemacht, dass die HÄVG tatsächlich keine "Musterverfahren" unter Nutzung personenbezogener Daten führe. Auf die Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung hat dies indes keinen Einfluss.

103

e) Im Ergebnis ist der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag allein insoweit zu beanstanden, als er eine datenschutzrechtlich unzulässige Unterbeauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG sowie das Recht der HÄVG zur Führung von "Musterverfahren" vorsieht. Dem werden die Beteiligten durch entsprechende Änderungen des Vertrages Rechnung zu tragen haben. Davon unberührt bleibt die Verpflichtung der Beteiligten, den seit der Festsetzung des Vertragsinhalts eingetretenen gesetzlichen Änderungen durch Vertragsanpassungen Rechnung zu tragen.

104

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Bei der Kostenverteilung (§ 155 Abs 1 VwGO) hat der Senat berücksichtigt, dass die Klage bezogen auf die beantragte Aufhebung des Vertrages zur HzV ohne Erfolg und bezogen auf die hilfsweise geltend gemachte Feststellung der Rechtswidrigkeit vertraglicher Bestimmungen ganz überwiegend erfolglos war.

(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene haben unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche und flächendeckende Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abzugeben; für Pflegedienste, die einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts oder einem sonstigen freigemeinnützigen Träger zuzuordnen sind, können die Rahmenempfehlungen gemeinsam mit den übrigen Partnern der Rahmenempfehlungen auch von der Kirche oder der Religionsgemeinschaft oder von dem Wohlfahrtsverband abgeschlossen werden, dem die Einrichtung angehört. Vor Abschluß der Vereinbarung ist der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in den Entscheidungsprozeß der Partner der Rahmenempfehlungen einzubeziehen. In den Rahmenempfehlungen sind insbesondere zu regeln:

1.
Eignung der Leistungserbringer einschließlich Anforderungen an die Eignung zur Versorgung nach § 37 Absatz 7,
2.
Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Fortbildung,
3.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des Leistungserbringers mit dem verordnenden Vertragsarzt und dem Krankenhaus,
4.
Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einschließlich deren Prüfung,
5.
Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen einschließlich der Transparenzvorgaben für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte sowie erstmals bis zum 30. Juni 2019 Grundsätze für die Vergütung von längeren Wegezeiten, insbesondere in ländlichen Räumen, durch Zuschläge unter Einbezug der ambulanten Pflege nach dem Elften Buch,
6.
Grundsätze zum Verfahren der Prüfung der Leistungspflicht der Krankenkassen sowie zum Abrechnungsverfahren einschließlich der für diese Zwecke jeweils zu übermittelnden Daten und
7.
Anforderungen an die Eignung der Pflegefachkräfte, die Leistungen im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbringen, sowie Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit der im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbrachten Leistungen.
Um den Besonderheiten der intensivpflegerischen Versorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege Rechnung zu tragen, sind in den Rahmenempfehlungen auch Regelungen über die behandlungspflegerische Versorgung von Versicherten, die auf Grund eines besonders hohen Bedarfs an diesen Leistungen oder einer Bedrohung ihrer Vitalfunktion einer ununterbrochenen Anwesenheit einer Pflegekraft bedürfen, vorzusehen. In den Rahmenempfehlungen nach Satz 4 Nummer 6 können auch Regelungen über die nach § 302 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 in Richtlinien geregelten Inhalte getroffen werden; in diesem Fall gilt § 302 Absatz 4. Die Inhalte der Rahmenempfehlungen sind den Verträgen nach Absatz 4 zugrunde zu legen.

(2) Kommt eine Rahmenempfehlung nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zu Stande, können die Rahmenempfehlungspartner die Schiedsstelle nach Absatz 3 anrufen. Die Schiedsstelle kann auch vom Bundesministerium für Gesundheit angerufen werden. Sie setzt innerhalb von drei Monaten den betreffenden Rahmenempfehlungsinhalt fest.

(3) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene bilden erstmals bis zum 1. Juli 2017 eine gemeinsame Schiedsstelle. Sie besteht aus Vertretern der Krankenkassen und der Pflegedienste in gleicher Zahl sowie aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre. Über den Vorsitzenden und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Rahmenempfehlungspartner einigen. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, gilt § 89 Absatz 6 Satz 3 entsprechend. Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zahl und die Bestellung der Mitglieder, die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für den Zeitaufwand der Mitglieder, das Verfahren sowie über die Verteilung der Kosten regeln. § 129 Absatz 9 und 10 Satz 1 gilt entsprechend.

(4) Über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung schließen diedieLandesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich Verträge mit den Leistungserbringern. Wird die Fortbildung nicht nachgewiesen, sind Vergütungsabschläge vorzusehen. Dem Leistungserbringer ist eine Frist zu setzen, innerhalb derer er die Fortbildung nachholen kann. Erbringt der Leistungserbringer in diesem Zeitraum die Fortbildung nicht, ist der Vertrag zu kündigen. Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Verträge dürfen nur mit zuverlässigen Leistungserbringern abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden; insoweit gilt § 71 nicht. Bei nicht tarifgebundenen oder nicht an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Leistungserbringern gilt § 82c Absatz 2 Satz 1 des Elften Buches entsprechend. Der Leistungserbringer ist verpflichtet, die entsprechende Bezahlung der Beschäftigten nach Satz 7 jederzeit einzuhalten und sie auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen. Im Fall der Nichteinigung wird der Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten festgelegt. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese vom Bundesamt für Soziale Sicherung innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen bestimmt; Widerspruch und Klage gegen die Bestimmung der Schiedsperson durch das Bundesamt für Soziale Sicherung haben keine aufschiebende Wirkung. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihrer Vielfalt, insbesondere der Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege, Rechnung zu tragen. Die Leistungserbringer sind verpflichtet, an Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen nach § 275b teilzunehmen; § 114 Absatz 2 des Elften Buches bleibt unberührt. Soweit bei einer Prüfung nach § 275b Absatz 1 Satz 1 bis 3 Qualitätsmängel festgestellt werden, entscheiden die Landesverbände der Krankenkassen oder die Krankenkassen nach Anhörung des Leistungserbringers, welche Maßnahmen zu treffen sind, erteilen dem Leistungserbringer hierüber einen Bescheid und setzen ihm darin zugleich eine angemessene Frist zur Beseitigung der festgestellten Mängel. Der Leistungserbringer hat der Krankenkasse anzuzeigen, dass er behandlungspflegerische Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 5 erbringt, wenn er diese Leistungen für mindestens zwei Versicherte in einer durch den Leistungserbringer oder einen Dritten organisierten Wohneinheit erbringt. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse zur Gewährung von häuslicher Krankenpflege geeignete Personen anstellen.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichtes vom 29. Januar 2015 und des Sozialgerichts Wiesbaden vom 17. Mai 2013 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Festsetzung der Vergütung für das Jahr 2010 durch die Schiedsperson im Schiedsspruch vom 16. April 2011 unwirksam ist.

Im Übrigen wird die Ersetzungsklage abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen zu einem Drittel, die Beklagte zu zwei Dritteln.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die durch Schiedsspruch der Schiedsperson festgesetzte Anhebung der Vergütung für Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V für das Jahr 2010.

2

Die Kläger sind Verbände der privat-gewerblichen Pflegedienste (im Folgenden: LAG). Die ihnen angeschlossenen Pflegedienste erbringen Leistungen der häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V) in Hessen. Diese erhielten mangels vertraglicher Vereinbarungen zunächst dieselben Vergütungen wie die den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege (im Folgenden: LIGA) zugehörigen Pflegeeinrichtungen in Hessen. Nachdem der zwischen der LIGA und den Krankenkassen (KKn) in 1996 geschlossene Rahmenvertrag über die häusliche Krankenpflege in Hessen (LIGA 1996) zum 31.12.2001 gekündigt worden war, kam es auch für die den Klägern angeschlossenen Pflegedienste für einige Jahre zu keiner allgemeinen Vergütungssteigerung mehr.

3

Erst zum 1.5.2006 schlossen die Kläger mit den beklagten KKn bzw Verbänden einen Rahmenvertrag (LAG 2006), der bis heute anwendbar ist. Der Vertrag bindet die beteiligten Landesverbände der KKn und der Ersatzkassen und die privaten Anbieter von Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Hessen, soweit diese dem Vertrag beigetreten sind oder noch beitreten. Die Vergütung der erbrachten Leistungen erfolgt gemäß § 42 Abs 1 LAG 2006 nach der jeweils gültigen, dem Vertrag als Anlage beigefügten Leistungsbeschreibungs- und Vergütungsvereinbarung. Der Vertrag enthält auch eine Schiedsregelung.

4

Mit Abschluss des Rahmenvertrags akzeptierten die Kläger zugleich eine von den Beklagten angebotene Vergütungsanhebung in Höhe von 3,2 % in zwei Schritten (2 % ab dem 1.5.2006 und weitere 1,2 % ab dem 1.1.2007) für alle Leistungen der häuslichen Krankenpflege mit Ausschluss der - in geltender Höhe beibehaltenen - Hausbesuchspauschale. Die sich daraus ergebenden Vergütungssätze wurden in den Rahmenvertrag aufgenommen (Anlagen 2a für 2006 bzw 2b für 2007). Für die Jahre 2008 und 2009 einigten sich die Beteiligten auf eine von den KKn angebotene Vergütungserhöhung - auf der Grundlage der gemäß § 71 Abs 3 SGB V ministeriell bestimmten Veränderungsraten für 2008 (0,64 %) und 2009 (1,41 %) - um 2,05 % für alle Leistungen ab dem 1.1.2009, einschließlich der Hausbesuchspauschale (Anlage 2c). Im Einigungsprotokoll vom 8.12.2008 verdeutlichten die Leistungserbringer ihre Ansicht, dass für gleiche Leistungen keine unterschiedlichen Vergütungen vereinbart werden dürften und dass sie sich vorbehielten, diesen bislang nicht hinreichend beachteten Aspekt in zukünftigen Vertragsverhandlungen einzubringen (Ziffer 5 des Protokolls).

5

Für das Jahr 2010 konnten sich die Beteiligten in Vergütungsverhandlungen vom 14.12.2009 und 4.2.2010 nicht über eine Vergütungserhöhung einigen. Während die Kläger eine Vergütungsanhebung auf das für die Pflegedienste der LIGA ab 1.1.2009 gültige Vergütungsniveau zuzüglich 3 % forderten, boten die Beklagten lediglich die Steigerung in Höhe der Veränderungsrate 2010 nach § 71 Abs 3 SGB V in Höhe von 1,54 % an.

6

Im Januar 2011 riefen die Kläger daher die von ihnen bestimmte Schiedsperson an (Richter am BSG D.). Im Schiedsverfahren beriefen sich die Kläger auf die ihrer Ansicht nach seit 2006 immer weiter geöffnete "Vergütungsschere" im Vergleich zu den der LIGA angeschlossenen Pflegediensten (Vergütungssteigerungen im Zeitraum 2005 bis 2010: LIGA zugehörige Pflegedienste um 12,32 %; LAG zugehörige Pflegedienste um 6,4 %; addierte Veränderungsraten nach § 71 Abs 3 SGB V: um 10,17 %; Hausbesuchspauschale: Anstieg LIGA zugehörige Pflegedienste auf 5,34 Euro; LAG zugehörige Pflegedienste auf 4,86 Euro). Die Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt. Dass die von den Beklagten angebotene Vergütung nicht mehr ausreichend sei, um die Leistungen der häuslichen Krankenpflege wirtschaftlich zu erbringen, lasse sich beispielhaft an einer hessischen Studie zur Hausbesuchspauschale (sogenannte HLT-Studie) verdeutlichen. Die Kläger beantragten im Schiedsverfahren, die Vergütung für die Leistungen häuslicher Krankenpflege für das Jahr 2010 nach einem von ihnen eingereichten neuen Vergütungskatalog festzusetzen und diesen als neue Anlage 2d in den Rahmenvertrag LAG 2006 aufzunehmen. Die Beklagten beantragten hingegen, die Vergütung für 2010 lediglich in Höhe der Veränderungsrate gemäß § 71 Abs 3 SGB V um 1,54 % zu steigern. Nach zwei durchgeführten Erörterungsterminen (am 7. und 11.4.2011), in welchen die Schiedsperson auch den Versuch einer vergleichsweisen Einigung unternahm, erklärten sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

7

Mit Schiedsspruch vom 16.4.2011 hob die Schiedsperson die bis zum 31.12.2009 gezahlten Vergütungen für alle Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Zeitraum vom 1.1. bis 31.12.2010 um 1,54 % entsprechend der nach § 71 Abs 3 Satz 1 SGB V ministeriell festgelegten Veränderungsrate für 2010 an und lehnte den weitergehenden Antrag der Kläger ab. Tatsachen, die eine Vergütungserhöhung oberhalb der Steigerung der Grundlohnsumme rechtfertigten, seien nicht schlüssig dargetan und auch nicht durch Unterlagen belegt worden. Eine existenzbedrohende Vergütung, die eine wirtschaftliche Leistungserbringung ausschließe, sei zwar vorgetragen, aber nicht belegt. Eine Vergütungsanpassung allein aufgrund der Gleichbehandlung mit den der LIGA zugehörigen Leistungserbringern scheide aus. Zu einer Sachaufklärung von Amts wegen sei die Schiedsperson nicht berufen. Bei den nächsten Verhandlungen könne die Vergütungsschere zur LIGA unter der Prämisse "gleiche Vergütung für gleiche Leistung" ggf auch in mehreren Schritten geschlossen werden.

8

Die gegen den Schiedsspruch erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 17.5.2013 abgewiesen. Das LSG hat die Berufung der Kläger mit Urteil vom 29.1.2015 zurückgewiesen. Es hat sich den Ausführungen des SG angeschlossen (§ 153 Abs 2 SGG) und ergänzend ausgeführt: Die zulässige Ersetzungsklage sei unbegründet, da die zutreffend festgesetzte Vergütungserhöhung nicht durch Urteil zu ersetzen sei. Verfahrensfehler seien im Schiedsverfahren nicht festzustellen; insbesondere habe die Schiedsperson nicht das rechtliche Gehör bzw den Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt. Die Schiedsperson hätte die Beteiligten auch nicht vorab auf das Ergebnis des Schiedsspruchs hinweisen müssen. Eine Überraschungsentscheidung liege nicht vor, weil der Grundsatz der Beitragssatzstabilität der zentrale Punkt in der Argumentation der Beklagten gewesen sei.

9

Der Schiedsspruch sei nicht zu beanstanden. Die Steigerung der Grundlohnsumme nach § 71 Abs 3 SGB V sei ein plausibler, nachvollziehbarer und vertretbarer Beurteilungsmaßstab für die Bemessung der Vergütungsanhebung für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege, auch wenn die Vergütungssteigerung im Wesentlichen auf die Erhöhung von Personalkosten zurückzuführen sei(Hinweis auf BSG Urteil vom 25.11.2010 - B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5). Auf den Nachweis tatsächlich angestiegener Gestehungskosten im Bereich von Personalkosten könne nicht vollständig verzichtet werden. Hierzu fehlte es bereits an substantiiertem Vortag im Schiedsverfahren, wofür die Kläger auch darlegungspflichtig seien. Die Heterogenität der den Kläger angeschlossenen Dienste und der Abschluss einer kollektivrechtlichen Preisfestsetzung stünden dem nicht entgegen. Die Vorschriften der §§ 19 bis 21 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), insbesondere das wettbewerbsrechtliche Diskriminierungsverbot des § 20 GWB, seien nach § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V nicht anwendbar. Der von den Klägern erhobene Vorwurf einer unlauteren, Art 3 Abs 1 GG verletzenden Ungleichbehandlung wegen der mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege getroffenen Vergütungsvereinbarungen greife nicht. Das Willkürverbot stelle die äußerste Grenze des Verhandlungsspielraums der KKn dar (Hinweis auf BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 3 KR 23/07 R - BSGE 101, 142 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, RdNr 21). Eine missbräuchliche Ausschöpfung der Verhandlungsmacht der Beklagten liege nicht vor. Schließlich bestimmten Angebot und Nachfrage den Preis, wobei die KKn günstige Preise durch die Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven verhandeln sollen. Eine Diskriminierung bei Vergütungsvereinbarungen komme daher nur bei Evidenzfällen in Betracht; ein solcher Fall liege hier nicht vor.

10

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs wegen einer Verletzung von § 71 SGB V, §§ 19 ff GWB, Art 12 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG. Die beiden Gruppen der Anbieter von Leistungen der häuslichen Krankenpflege (LIGA und LAG), mit denen die Beklagten die Vergütungen für die häuslichen Krankenpflege verhandelten, erbrächten gleiche Leistungen und versorgten grundsätzlich dieselben Versicherten. Dennoch erhielten die der LIGA angeschlossenen Pflegeeinrichtungen für dieselben Leistungen eine deutlich höhere Vergütung, sodass diese ihre Mitarbeiter wesentlich besser bezahlen könnten. Dies verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz; überdies liege auch ein Verstoß gegen Art 12 Abs 1 GG iVm Art 3 Abs 1 GG als Ausprägung des Anspruchs auf leistungsgerechte Vergütung bei staatlich gebundenen Preisen vor. Die höhere Vergütung der der LIGA angeschlossenen Pflegedienste sei daher nicht gerechtfertigt. Auch die den Klägern angeschlossenen Pflegedienste zahlten tarifentsprechende Entgelte, um im Wettbewerb der Gewinnung von (Fach-)Pflegekräften überhaupt eine Chance zu haben. Der sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergebende Anspruch auf gleiche Vergütung für gleiche Leistung werde weder durch den Grundsatz der Beitragssatzstabilität noch durch die Grundlohnsummensteigerung nach § 71 Abs 1 und Abs 3 SGB V begrenzt. Die Unbilligkeit des Schiedsspruchs beruhe auf der fehlerhaften Anwendung von § 71 Abs 2 SGB V. Diese Vorgaben seien auf Kollektivverträge nach § 132a Abs 2 SGB V nicht anwendbar. Doch selbst dann wäre eine Überschreitung der Grundlohnsumme ausnahmsweise zulässig. Dies folge aus den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften von §§ 19 ff GWB, die entgegen der Ansicht der Vorinstanzen anwendbar seien. Der Ausschlusstatbestand des § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V gelte nicht für Kollektivvereinbarungen. Unabhängig davon sei der Schiedsspruch aufzuheben, weil er verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei. Die Schiedsperson habe das rechtliche Gehör der Kläger verletzt. Wären die Kläger über die beabsichtigte Entscheidung der Schiedsperson aufgeklärt worden, hätten sie ua weitere Informationen gegeben und Belege vorgelegt, aus denen sich die Erforderlichkeit einer höheren Vergütung ergeben hätte. Der Schiedsspruch verletze daher auch den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Schließlich habe die Schiedsperson die Anforderungen an die Darlegungslast überspannt.

11

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. Januar 2015 und des Sozialgerichts Wiesbaden vom 17. Mai 2013 aufzuheben und die von der Schiedsperson im Schiedsspruch vom 16. April 2011 festgesetzte Vergütung für das Jahr 2010 nach billigem Ermessen des Gerichts durch Urteil zu ersetzen,
hilfsweise festzustellen,
dass die Festsetzung der Vergütung für das Jahr 2010 durch die Schiedsperson im Schiedsspruch vom 16. April 2011 unwirksam ist.

12

Die Beklagten beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

13

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Die auch auf Kollektivverträge nach § 132a Abs 2 SGB V anwendbare Steigerung der Grundlohnsumme stelle einen nachvollziehbaren und vertretbaren Beurteilungsmaßstab für die Bemessung der Vergütung dar. Daher müssten plausible Nachweise konkreter Kostensteigerungen wenigstens eines repräsentativen Teils der den Klägern angeschlossenen Pflegedienste vorgelegt werden. Daran fehle es hier vollständig. Auch hinsichtlich des Ausnahmetatbestandes von § 71 Abs 1 Halbsatz 2 SGB V hätten sich die Kläger nur auf allgemeine Ausführungen beschränkt. Die Regelungen der §§ 19 ff GWB seien nicht anwendbar. Eine Verletzung des Art 3 GG scheitere an der Darlegung der Vergleichbarkeit der gegenübergestellten Gruppen.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Kläger hat insoweit Erfolg, als die durch die Schiedsperson mit Schiedsspruch vom 16.4.2011 festgesetzte Vergütungsanhebung nach der Veränderungsrate des § 71 Abs 3 SGB V um 1,54 % für Leistungen der häuslichen Krankenpflege in 2010 unwirksam ist. Die Urteile der Vorinstanzen waren daher aufzuheben.

15

Die im Hauptantrag erhobene Ersetzungsklage ist zulässig aber unbegründet, weil das Gericht den Schiedsspruch, trotz seiner Unbilligkeit, nicht durch die Festsetzung einer höheren Vergütung ersetzen kann. Daher war die Ersetzungsklage abzuweisen (A.). Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist zulässig und begründet (B.). Die Kläger haben ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit des Schiedsspruchs (B.1.). Der Schiedsspruch ist unbillig, weil die tatsächlichen Grundlagen fehlen, auf deren Basis eine gerichtliche Kontrolle des Normprogramms zur Bemessung der Vergütung nach § 132a Abs 2 SGB V unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität nach § 71 Abs 1 SGB V erfolgen kann(B.2.). Hierüber hätte die Schiedsperson die Beteiligten aufklären müssen (B.3.). Die Beteiligten werden daher unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats über die Vergütungsanhebung für das Jahr 2010 neu verhandeln und sich einigen müssen, im Fall der Nichteinigung unter erneuter Beteiligung einer Schiedsperson (C.).

16

A. Die im Hauptantrag erhobene Ersetzungsklage ist zulässig, aber unbegründet.

17

1. Die zutreffende Klageart für den Fall, dass die Vertragspartner mit dem Schiedsspruch über Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V auf der Grundlage des vertraglich vereinbarten Schiedsverfahrens(hier: Rahmenvertrag LAG 2006) nicht einverstanden sind, ist die Ersetzungsklage nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 317 Abs 1, § 319 Abs 1 Satz 2 BGB. Die im Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege von den Vertragspartnern im Fall der Nichteinigung über den Vertragsinhalt zu bestimmende unabhängige Schiedsperson (§ 132a Abs 2 Satz 6 SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 BGBl I 2190 mWv 1.1.2004) wird bei der Durchführung des Schiedsverfahrens und bei Erlass des Schiedsspruchs als öffentlich-rechtlicher Schlichter und Vertragshelfer (§ 69 Abs 1 Satz 1 und 3 SGB V iVm § 317 BGB) und nicht als Behörde tätig. Der Schiedsspruch der Schiedsperson ist kein Verwaltungsakt iS von § 31 SGB X und kann deshalb nicht durch Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Neubescheidungsklage(§ 54 Abs 1, § 131 Abs 2 und 3 SGG)gerichtlich überprüft werden.

18

Prozessual handelt es sich bei der Ersetzungsklage um eine Sonderform der Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG. Bei einer solchen Klage sind die Vertragspartner die richtigen Klagegegner. Die Klage ist daher weder gegen die Schiedsperson zu richten noch ist diese notwendig beizuladen (§ 75 Abs 2 SGG). Vielmehr ist deren Tätigkeit mit dem Erlass des Schiedsspruchs beendet. Die Schiedsperson wird in ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen durch die gerichtliche Leistungsbestimmung nach § 319 Abs 1 Satz 2 BGB nicht betroffen. Diese Grundsätze hat der Senat bereits im Urteil vom 25.11.2010 (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 22, 24) auch in Abgrenzung zu anderen außergerichtlichen Konfliktlösungsmodellen wie Schiedsämter und Schiedsstellen (nach SGB V, XI, XII) entwickelt (vgl Senatsurteil, aaO, RdNr 17 bis 22 mwN).

19

Die Ersetzungsklage ist auch in der Literatur als zutreffende Rechtsschutzmöglichkeit gegen Schiedssprüche von Schiedspersonen anerkannt (vgl ua Rixen in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 132a RdNr 13; Ammann in BeckOK SozR SGB V, Stand 1.4.2016, § 132a RdNr 24; Plantholz in Klie/Krahmer/Plantholz, SGB XI, 4. Aufl 2014, § 132a SGB V RdNr 23; Schneider in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 132a SGB V RdNr 28; Armbruster in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl 2016, § 132a RdNr 64). Sie ist unter Bezugnahme auf § 132a Abs 2 SGB V für andere im SGB V normierten Modelle für Schiedsverfahren mit Schiedspersonen übernommen worden(zu Verträgen über Hospizleistungen nach § 39a Abs 1 SGB V vgl ua Kingreen in Becker/ders, SGB V, 4. Aufl 2014, § 39a RdNr 15; Nolte in KassKomm, SGB V, Stand 12/2015 § 39a RdNr 15c; zu Verträgen der Heilmittelversorgung § 125 Abs 2 SGB V vgl ua Schneider in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 125 SGB V RdNr 25).

20

2. Die Ersetzungsklage ist jedoch unbegründet. Zwar ist der Schiedsspruch für das Jahr 2010 unbillig, doch können weder das Revisions- noch das Tatsachengericht den Vertragsinhalt festsetzen. Ob und ggf wie weit die Vergütung für die den Klägern angehörigen Dienste anzuheben ist, muss auf der Grundlage der von den Klägern noch beizubringenden Informationen und Nachweise zwischen den Beteiligten zunächst verhandelt werden. Derzeit fehlt vollständig eine Tatsachengrundlage, aufgrund derer eine gerichtliche Kontrolle des Normprogramms zur Bemessung der Vergütung nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität nach § 71 Abs 1 SGB V überhaupt möglich ist(vgl dazu unten B.2.).

21

Das Gericht ist zur subsidiären Ersatzleistungsbestimmung nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 319 Abs 1 Satz 2 BGB verpflichtet, wenn die durch die Schiedsperson festgesetzte primäre Leistungsbestimmung unbillig ist. Der Ausspruch des Gerichts tritt dann an die Stelle der Leistungsbestimmung durch diese Person (vgl auch BAG Urteil vom 16.12.2014 - 9 AZR 431/13 - Juris RdNr 30 mwN; kritisch BVerwGE 116, 78, 85). Als weitere Voraussetzung der Begründetheit der Ersetzungsklage muss das Gericht jedoch die Ersatzleistungsbestimmung durch Urteil vornehmen können (vgl Rieble in Staudinger, BGB, Leistungsstörungsrecht 2, 2015, § 319 RdNr 23). Das ist hier derzeit nicht möglich. Der Vorschrift des § 319 BGB liegt die Vorstellung zugrunde, dass einzelne Elemente eines Schiedsspruchs auf der Basis einer geklärten Tatsachengrundlage durch das Gericht ersetzt werden. Das ist insbesondere bei einer Vereinbarung über Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege (§ 132a Abs 2 Satz 1 SGB V) der Fall, soweit um isolierte Einzelfragen gestritten wird, die vom Gericht in Abweichung von der Entscheidung der Schiedsperson so oder so beurteilt werden können, ohne dass damit das Vertragswerk insgesamt in Frage gestellt wäre. Wird jedoch wegen Unbilligkeit der Festlegungen der Schiedsperson die Neufestsetzung eines vollständigen Vergütungsvertrages oder einer sonstigen wesentlichen Vertragsregelung erforderlich, kann dies jedenfalls dann nicht durch das Gericht erfolgen, wenn es - wie hier - an einer ausreichenden Tatsachengrundlage als Basis zur Bestimmung der streitigen Vergütungshöhe fehlt und den oder einem Beteiligten die Möglichkeit einzuräumen ist, die fehlenden Informationen und Belege noch in das Verfahren einzubringen. Denn solange die Schiedsperson noch keinen Schiedsspruch erlassen hat, der auf einer von den Beteiligten nach den Grundsätzen eines fairen Verfahrens beizubringenden, ausreichenden Tatsachengrundlage basiert, kommt eine gerichtliche Ersetzung nicht in Betracht. Dies wäre mit dem in § 132a Abs 2 SGB V vorgesehenen Konfliktlösungsmechanismus nicht vereinbar. Dieser Vorschrift liegt die Konzeption zugrunde, dass die Beteiligten zunächst selbst eine interessen- und sachgerechte Lösung zur Gestaltung ihrer vertraglichen Beziehungen finden und im Konfliktfall eine Schiedsperson den Konsens herstellt. Die Konfliktlösung soll danach in erster Linie über eine Schiedsperson erfolgen, deren Festsetzung nur auf Unbilligkeit überprüft werden soll. Das hat zur Folge, dass immer dann, wenn der Schiedsspruch zwar unbillig, die Ersetzung durch das Gericht aber nicht möglich ist, die Vertragspartner unter Berücksichtigung der Ausführungen des Gerichts zur Unbilligkeit neu nach einem Konsens suchen müssen. Hat diese Suche keinen Erfolg, muss erneut eine Schiedsperson tätig werden; es ist nicht ausgeschlossen, die Person erneut zu berufen, die bereits tätig geworden ist.

22

Gegen dieses - unter Umständen langwierige - Vorgehen lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, es komme auf diese Weise zu einem ständigen Hin- und Herschieben der Zuständigkeit zwischen Vertragspartnern, Schiedsperson und Gericht. Zum einen haben die Senatsurteile vom heutigen Tag (s auch B 3 KR 25/15 R zur Vergütung der gemeinnützigen Anbieter der freien Wohlfahrtspflege) die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Anpassung von Vergütungsvereinbarungen (auch) unter Einschaltung einer Schiedsperson präzisiert, sodass sich der Konfliktstoff zwischen den Vertragspartnern nach § 132a Abs 2 SGB V reduziert haben dürfte. Zum anderen weicht das Prozedere hinsichtlich der Vergütung der häuslichen Krankenpflege nicht wesentlich von dem Verfahrensablauf ab, der mit der Einschaltung von Schiedsämtern im Krankenversicherungsrecht generell verbunden ist (§ 89 SGB V). Auch deren Gestaltungsspielraum müssen die Gerichte respektieren, was zur Folge hat, dass nach der gerichtlichen Aufhebung eines Schiedsspruchs das Schiedsamt in der Regel erneut tätig werden muss und auch die neue Entscheidung gerichtlich überprüft werden kann. An die Entscheidung des Gesetzgebers, in § 29 Abs 2 Nr 1 SGG die erstinstanzliche Zuständigkeit des LSG nur für Entscheidungen der Landesschiedsämter und bestimmter Schiedsstellen, nicht aber für die Überprüfung von Entscheidungen von Schiedspersonen anzuordnen, sind die Gerichte gebunden.

23

Nach dem im Bereich der häuslichen Krankenpflege von § 132a SGB V normierten Konfliktlösungsmodell wird der Schiedsperson als von den Vertragspartnern bestimmter Schlichter bzw Vertragshelfer die Befugnis eingeräumt, die Leistung (zB Vergütung oder Preise) oder eine Leistungsmodalität (zB Beginn oder Ende der Laufzeit des Vertrags) zu bestimmen und so den Vertragsinhalt rechtsgestaltend zu ergänzen. Hingegen geht es nicht darum, dass die Schiedsperson Tatsachen oder Tatbestandsmerkmale für die Vertragspartner verbindlich feststellt (vgl Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 35 mwN; zu Schiedsgutachten im engeren und weiteren Sinne vgl BGH Urteil vom 4.7.2013 - III ZR 52/12 - Juris RdNr 27 ff; vgl dazu auch Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl 2016, § 317 RdNr 3 und 6 und § 319 RdNr 3 f). Erst Recht ist dies nicht Aufgabe der Gerichte im Fall eines gescheiterten Schiedsspruchs nach § 132a Abs 2 SGB V. Damit korrespondiert eine nur eingeschränkte richterliche Kontrolle. Sie bezieht sich nur auf die Unbilligkeit des Schiedsspruchs (§ 319 Abs 1 BGB analog) als Rechts- und Inhaltskontrolle unter Wahrung des Beurteilungsspielraums der Schiedsperson (vgl dazu unten B.2.).

24

Hier liegen die Voraussetzungen, unter denen eine Ersetzungsklage Erfolg haben kann, nicht vor. Das Gericht könnte ohne umfassende Tatsachenfeststellungen keinen Vertragsinhalt festsetzen oder auch "nur" eine angemessene Vergütungserhöhung vorgeben.

25

B. Die Unbegründetheit der Ersetzungsklage hat indessen nicht zur Folge, dass ein Vertragspartner das Recht verliert, die Unbilligkeit der Festlegungen der Schiedsperson zu rügen und die (fehlende) Verbindlichkeit dieser Festlegungen gerichtlich klären zu lassen. Deshalb bedarf es einer Fortentwicklung der Rechtsprechung des Senats zu Schiedssprüchen von Schiedspersonen nach § 132a SGB V: Bei Unmöglichkeit der gerichtlichen Ersetzung des Schiedsspruchs trotz seiner Unbilligkeit, ist die Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG statthaft(1.). Die Unwirksamkeit des Schiedsspruchs ist dann durch das Gericht festzustellen (2.).

26

1. Die hier von den Klägern hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Soweit ein Schiedsspruch trotz seiner Unbilligkeit nicht durch das Gericht ersetzt werden kann, besteht ein berechtigtes Interesse, subsidiär die Unbilligkeit alsbald gerichtlich feststellen zu lassen. Die gerichtliche Feststellung der Unwirksamkeit des Schiedsspruchs ist nicht nur für das im Streit stehende Leistungsjahr von Bedeutung. Die Beteiligten müssen über die Vergütung nach Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu verhandeln, und das Ergebnis ist auch für die Vergütungsverhandlungen der Folgejahre von Gewicht. Ein weitergehendes Feststellungsbegehren ist neben einem Leistungsbegehren grundsätzlich möglich und scheitert nicht etwa an mangelndem Rechtsschutzinteresse (stRspr vgl BSGE 21, 167, 168 = SozR Nr 38 zu § 55 SGG; BSG Urteil vom 22.3.1983 - 2 RU 64/81 - Juris RdNr 19 mwN). Dies gebietet schließlich das aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) folgende Erfordernis einer tatsächlich wirksamen gerichtlichen Kontrolle (vgl nur BVerfGE 101, 106, 122; 108, 341, 347 f).

27

Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zu seiner eigener Rechtsprechung, dass im Streit über den Schiedsspruch nach § 132a SGB V die Vertragspartner weder durch Anfechtungs- noch durch Neubescheidungsklage, sondern nur durch die Ersetzungsklage(§ 319 Abs 1 Satz 2 BGB, § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V) ihr Klageziel erreichen können. Im Senatsurteil vom 25.11.2010 (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5)war die Ersetzungsklage als unbegründet abgewiesen worden, weil der Schiedsspruch nicht unbillig und daher rechtmäßig ergangen war (aaO RdNr 34). Der Erweiterung der Rechtsschutzmöglichkeit in der vorliegenden Prozesssituation bei Unmöglichkeit der gerichtlichen Ersetzung des Schiedsspruchs trotz seiner Unbilligkeit steht auch nicht die Rechtsprechung des 6. Senats des BSG zur gerichtlichen Überprüfung von Schiedssprüchen der Schiedsperson im Bereich der hausarztzentrierten Versorgung (hzV) nach § 73b SGB V entgegen. Der 6. Senat legt als zutreffende Klageart die Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG zugrunde und hält für den Bereich der hzV die Ersetzungsklage(§ 319 Abs 1 Satz 2 BGB, § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V) für nicht statthaft (vgl BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 47, 53). Der 6. Senat hat zutreffend differenziert (aaO RdNr 48), dass es im Bereich der hzV um die gerichtliche Kontrolle von Verträgen geht, deren Inhalt vollständig gegen den Willen der KKn von einer durch die zuständige Aufsichtsbehörde bestimmten Schiedsperson festgelegt werden kann (vgl § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 und 2 SGB V). Das dem Bereich der häuslichen Krankenpflege zugrundeliegende Konfliktlösungsmodell lässt hingegen die lediglich punktuelle vertragsergänzende Leistungsbestimmung - auch zur Höhe der Vergütung - durch die Schiedsperson generell zu (vgl BT-Drucks 15/1525 S 123; dazu bereits Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 25). Soweit der Senat gegenüber Schiedssprüchen nach § 132a Abs 2 SGB V für den Fall der Unbegründetheit der Ersetzungsklage wegen der fehlenden Möglichkeit der gerichtlichen Festsetzung hilfsweise die Feststellungsklage für statthaft hält, stimmt das mit der Auffassung des 6. Senats zu § 73b SGB V überein.

28

Schließlich liegt auch keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung (§ 168 Satz 1 SGG) vor. Denn als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn - wie hier ohne Änderung des Klagegrundes - der Klageantrag in der Hauptsache erweitert oder beschränkt wird (§ 99 Abs 3 Nr 2 SGG; stRspr vgl BSGE 83, 118, 123 = SozR 3-2500 § 145 Nr 1 S 7; BSGE 48, 195, 196 = SozR 2200 § 394 Nr 1 S 1). Eine solche Umstellung des Revisionsantrags ist auch noch nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung bis zum Schluss der mündlichen Revisionsverhandlung möglich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 10 mwN). Das war vorliegend der Fall.

29

2. Die Feststellungsklage ist begründet, weil der Schiedsspruch unbillig und daher unwirksam ist.

30

Die Bestimmung der streitigen Vergütungsanhebung für das Jahr 2010 durch die Schiedsperson widerspricht "billigem Ermessen" nach § 317 Abs 1, § 319 Abs 1 BGB, § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V, § 132a Abs 2 Satz 1 und Satz 6 SGB V iVm mit dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Rahmenvertrag (LAG 2006), der neben den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung(§§ 40 f) und den Grundsätzen der Vergütungsstrukturen (§§ 42 f) eine vertragliche Schiedsregelung enthält (§ 11).

31

a) Der Senat hat bereits im Urteil vom 25.11.2010 (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 36 ff)die Maßstäbe für die Kontrolle eines Schiedsspruchs nach § 132a SGB V entwickelt: Der Schiedsspruch ist nicht erst bei "offenbarer" Unbilligkeit(§ 319 Abs 1 Satz 2 BGB), sondern bereits bei schlichter Unbilligkeit aufzuheben (vgl Senatsurteil aaO RdNr 33). Die Unbilligkeit des Schiedsspruchs nach § 132a Abs 2 SGB V kann auf schwerwiegenden verfahrensrechtlichen Mängeln des Schiedsspruchs beruhen(zB Begründungsmängel, Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) wie auch materiell unrichtig sein oder gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen. Bei der Inhalts- und Richtigkeitskontrolle ist zu beachten, dass der Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V einen Interessenausgleich durch eine unabhängige Person im Sinne einer schlichtenden Tätigkeit darstellt. Daher weist sie häufig Kompromisscharakter auf und stellt nicht immer die einzig vertretbare Lösung dar. Deshalb kommt es bei der Inhaltskontrolle nur darauf an, ob ein vertretbarer, nachvollziehbarer Beurteilungsmaßstab angewandt worden ist, und das Ergebnis "billigem Ermessen" entspricht, also mit den gesetzlichen Vorgaben und dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) vereinbar ist. Auf Zweckmäßigkeitserwägungen kommt es nicht an. Die Schiedsperson muss den Verhandlungsrahmen einhalten, sie muss unstreitige Positionen als vorbestimmten Vertragsinhalt beachten, ist an die Anträge der Vertragspartner gebunden und darf daher weder die Forderung der Leistungserbringer überschreiten noch das Angebot der KKn bzw ihrer Verbände unterschreiten (vgl Senatsurteil aaO RdNr 37).

32

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe und bei Wahrung des der Schiedsperson eingeräumten Beurteilungsspielraums, der durch das "billige Ermessen" (§ 317 Abs 1 BGB) geprägt wird, darf die Rechts- und Inhaltskontrolle ausschließlich darauf bezogen werden, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt ist, ob zwingendes Gesetzesrecht beachtet und ob der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten worden ist. Dies setzt voraus, dass der Beurteilungsmaßstab und die gefundene Abwägung durch die Schiedsperson Eingang in die Begründung des Schiedsspruchs gefunden haben. Die Anforderungen hieran dürfen im Hinblick auf die Stellung und Funktion der Schiedsperson nicht überspannt werden (vgl Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 38; zum gerichtlichen Überprüfmaßstab von Schiedssprüchen durch Schiedsämter, Schiedsstellen und Schiedspersonen vgl BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 20/14 R - SozR 4-2500 § 120 Nr 4 - für BSGE vorgesehen, RdNr 26 mwN).

33

b) Diesen aufgezeigten Maßstäben hält die inhaltliche Überprüfung des Schiedsspruchs anhand des Normprogramms zur Bemessung der Vergütung nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität nach § 71 Abs 1 SGB V nicht stand.

34

Nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V schließen die KKn Verträge mit den Leistungserbringern über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung. Die KKn haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden (§ 132a Abs 2 Satz 5 SGB V). Auch wenn § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V ausdrücklich nur vom Abschluss von Einzelverträgen mit den jeweiligen Pflegediensten ausgeht, hat der Senat bereits entschieden, dass auch der Abschluss von Kollektivverträgen mit Gruppen von Leistungserbringern bzw deren Verbänden über Vergütungsregelungen nach dieser Vorschrift zulässig ist(vgl Senatsurteile vom 17.7.2008 - BSGE 101, 142, 148 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, RdNr 26; vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123, 136 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 39).

35

(aa) Für Vergütungsanhebungen betreffend die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V gilt der Grundsatz der Beitragssatzstabilität, der im Rahmen der Rechtskontrolle des Schiedsspruchs die gerichtliche Überprüfung prägt. Nach § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V haben die Vertragspartner auf Seiten der KKn und der Leistungserbringer die Vereinbarungen über die Vergütungen nach dem SGB V so zu gestalten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen sind, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität). Um diesen Vorgaben zu entsprechen (§ 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V)darf gemäß § 71 Abs 2 Satz 1 SGB V die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung die sich bei Anwendung der Veränderungsrate für das gesamte Bundesgebiet nach § 71 Abs 3 SGB V ergebende Veränderung der Vergütung nicht überschreiten. Abweichend von § 71 Abs 2 Satz 1 SGB V ist eine Überschreitung zulässig, wenn die damit verbundenen Mehrausgaben durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen Leistungsbereichen ausgeglichen werden.

36

Dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität auch auf Vergütungsverträge im Bereich der häuslichen Krankenpflege Anwendung findet, folgt aus seiner systematischen Stellung (§ 71 SGB V) im Vierten Kapitel des SGB V, das allgemein die Beziehungen der KKn zu den Leistungserbringern regelt (§§ 69 ff SGB V). Einer auf die jeweilige Vergütungsvereinbarung bezogenen speziellen Regelung, die die Anwendung von § 71 SGB V ausdrücklich anordnet, bedarf es daher nicht(vgl BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 17; SozR 4-2500 § 120 Nr 4 - für BSGE vorgesehen, RdNr 30). Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität ist eine gesetzliche Vorgabe, die bei Schiedssprüchen nach § 132a Abs 2 SGB V zu beachten ist und die eine verbindliche Grenze für Vergütungsvereinbarungen darstellt(vgl auch BSG Urteil vom 10.5.2000 - BSGE 86, 126, 135 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 296 ff; BSG Urteil vom 19.7.2006 - SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 15; BSG Urteil vom 25.3.2015 - SozR 4-2500 § 73b Nr 1 - für BSGE vorgesehen, RdNr 70; BSG Urteil vom 13.5.2015 - SozR 4-2500 § 120 Nr 4 - für BSGE vorgesehen, RdNr 30). Dem steht nicht entgegen, dass Vergütungsvereinbarungen für Leistungen der häuslichen Krankenpflege nicht den Aufsichtsbehörden zur Rechtskontrolle vorzulegen sind (§ 71 Abs 4 und Abs 5 SGB V; dazu bereits Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 44).

37

Dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 Abs 1 Satz 1 SGB V) wird entsprochen, wenn die Vertragspartner bzw die Schiedsperson die Vergütungsanhebung in Höhe der jährlichen Veränderungsrate nach § 71 Abs 3 SGB V festsetzen. Dies folgt schon aus dem Wortlaut von § 71 Abs 2 Halbsatz 1 iVm Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V. Grundsätzlich kann das Ziel der Stabilisierung der Beitragssätze nur erreicht werden, wenn sich die Steigerungen aller Vergütungen am Anstieg der Grundlohnsumme ausrichten (vgl BSG Urteil vom 13.5.2015 - SozR 4-2500 § 120 Nr 4 - für BSGE vorgesehen, RdNr 31). Der Senat stellt klar, dass dies auch dann gilt, wenn ein Leistungsbereich betroffen ist, dessen Ausgabevolumen nur einen geringen Anteil an den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung ausmacht (nicht eindeutig insoweit noch Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 43; vgl aber BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 20/14 R - SozR 4-2500 § 120 Nr 4 - für BSGE vorgesehen, RdNr 31).

38

Die durch Schiedsspruch festgesetzte Vergütungserhöhung für 2010 entspricht der ministeriell für dieses Leistungsjahr festgelegten Veränderungsrate nach § 71 Abs 3 Satz 1 SGB V um 1,54 %(lt Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 9.9.2009 , BAnz Nr 138 vom 16.9.2009). Diese Rate ist grundsätzlich auch bei Vergütungsvereinbarungen nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V maßgeblich(noch offengelassen im Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 44).

39

(bb) Vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität ist nach § 71 Abs 1 Halbsatz 2 SGB V dann eine Ausnahme zuzulassen, wenn andernfalls die notwendige medizinische - bzw häusliche krankenpflegerische - Versorgung auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Beitragssatzerhöhungen nicht zu gewährleisten ist. Vorliegend beanspruchen die klagenden Leistungserbringer eine weit über die Veränderungsrate nach § 71 Abs 3 SGB V hinausgehende Anhebung der Vergütung für das Jahr 2010.

40

Welche Maßstäbe und konkreten Anforderungen an diese Ausnahmeregelung für den Bereich der häuslichen Krankenpflege zu stellen sind, regelt das Gesetz nicht. Für die soziale Pflegeversicherung (SGB XI) hat der Senat in diesem Zusammenhang den Grundsatz der Leistungsgerechtigkeit der Entgelte bzw Pflegesätze entwickelt. Grundlage der dortigen Verhandlungen über Pflegesätze und Entgelte ist zunächst die Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der in der Einrichtung erbrachten Leistungen nach § 85 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 SGB XI anhand einer plausiblen und nachvollziehbaren Darlegung (Prognose). Daran schließt sich die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit nach § 84 Abs 2 Satz 1 und 4 SGB XI an. Maßgebend hierfür sind die Kostenansätze vergleichbarer Leistungen in anderen Einrichtungen (zweistufiges Prüfschema, vgl BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1, RdNr 23 ff; vgl BSGE 113, 258 = SozR 4-3300 § 85 Nr 4, RdNr 14; ebenso für den ambulanten Bereich BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 50 ff). Die Vergütung für ambulante Pflegeleistungen muss auf einem marktorientierten Versorgungskonzept beruhen. Dies bedeutet, dass Vergütungen leistungsgerecht sein und einem Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen müssen, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen (vgl Senatsurteil vom 17.12.2009 - BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 49). Diese Grundsätze für die Vergütung von Pflegeeinrichtungen hat der Senat auf die Vergütung der Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V in den Fällen übertragen, in denen Einzelverträge nach § 132a Abs 2 SGB V geschlossen worden sind(vgl Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 39).

41

(cc) Diese Maßstäbe können jedoch nicht unmittelbar übernommen werden, wenn es - wie hier - um die Vergütungsverhandlungen von Rahmen- bzw Kollektivverträgen auf Verbandsebene geht. Auch Kollektivverträge müssen sicherstellen, dass die den Verbänden angeschlossenen oder hinzutretenden ambulanten Pflegeeinrichtungen bei wirtschaftlicher Betriebsführung ihrem Versorgungsauftrag nachkommen können, dh die Vergütung nach § 132a Abs 2 SGB V muss die Leistungsfähigkeit der Pflegedienste bei wirtschaftlicher Betriebsführung gewährleisten. Eine die maßgebliche Veränderungsrate nach § 71 Abs 3 SGB V übersteigende Erhöhung der Vergütung ist daher nicht ausgeschlossen, wenn die Betriebs- und Kostenstruktur durchschnittlicher Pflegeeinrichtungen eine solche höhere Vergütung erfordert(vgl dazu auch BSG Urteil vom 13.5.2015 - SozR 4-2500 § 120 Nr 4 - für BSGE vorgesehen, RdNr 32). Wird festgestellt, dass nur mit einem bestimmten Vergütungsniveau die Leistungsfähigkeit der ambulanten Pflegedienste bei wirtschaftlicher Betriebsführung zu gewährleisten ist, liegt ein Fall des Ausnahmetatbestandes von § 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V vor. Die notwendige krankenpflegerische Versorgung ist dann auch unter Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven anders nicht sicherzustellen. Dies liegt nicht erst dann vor, wenn es zu einer nennenswerten Anzahl von Insolvenzen gekommen ist. Ein funktionierendes Versorgungssystem setzt voraus, dass ausreichende Anreize gesetzt werden, Leistungen überhaupt zu erbringen. Ein solcher Anreiz fehlt aber, wenn eine wirtschaftliche Leistungserbringung nicht mehr möglich ist. Dann ist auch die notwendige krankenpflegerische Versorgung nicht mehr sichergestellt. KKn müssen zur Erfüllung ihres Sicherstellungsauftrags im Bereich der häuslichen Krankenpflege Verträge mit Leistungserbringern nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V abschließen(vgl Senatsurteil vom 21.11.2002 - BSGE 90, 150, 152 f = SozR 3-2500 § 132a Nr 4 S 14 mwN; vgl auch BSG Beschluss vom 27.5.2004 - B 3 KR 29/03 B - Juris RdNr 10).

42

Hinsichtlich der Preisgestaltung bei Kollektivverträgen stellt der Senat nicht auf die Gestehungskosten eines einzelnen Pflegedienstes ab, sondern legt einen generellen, vom einzelnen Pflegedienst losgelösten Maßstab bei Vergütungen für Kollektiverträge nach § 132a SGB V zugrunde(vgl Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 39). Als Grundlage der Vergütungsbemessungen bei Kollektivverträgen ist eine repräsentative Anzahl der den klagenden Verbänden zugehörigen privat-gewerblichen Pflegeeinrichtungen in Hessen auszuwählen, die für die Ermittlung einer nachvollziehbaren und plausiblen Kostenstruktur dieser Betriebe zugrunde zu legen ist. Hierbei sind nicht nur regionale Unterschiede zu berücksichtigen, sondern es ist auch die Vielfalt der privat-gewerblichen Pflegedienste im Hinblick auf ihre unterschiedlichen Versorgungs- und Einsatzbereiche, Betriebsgrößen und Personalstrukturen zu beachten. Entscheidend ist, dass die getroffene Auswahl der den Verbänden zugehörigen Pflegedienste ein möglichst repräsentatives Bild ergibt, damit die Vergütung auf der Basis einer realitätsnahen durchschnittlichen Betriebs- und Kostenstruktur der privat-gewerblichen Pflegedienste - in anonymisierter Form - vereinbart werden kann. Eine nur repräsentative Anzahl von Einrichtungen trägt auch dem Umstand Rechnung, dass dem Kollektivvertrag noch zu einem späteren Zeitpunkt Einrichtungen beitreten, aber auch aus ihm ausscheiden können. Eine nach diesen Vorgaben ermittelte Datenbasis lässt eine realistische leistungsgerechte Vergütungsprognose zu. Der bei Einzelverträgen notwendige "externe Preisvergleich" auf der zweiten Stufe lässt sich auf Kollektivverträge nicht gleichermaßen übertragen, weil die Ermittlung und Auswahl von Betrieben mit einer durchschnittlichen Betriebs- und Kostenstruktur ein vergleichendes Element bereits enthält.

43

(dd) Auch bei Vergütungsverhandlungen für Kollektivverträge ist zu beachten, dass eine wirtschaftliche und preisgünstige Leistungserbringung, auf die die KKn nach § 132a Abs 2 Satz 5 SGB V zu achten haben, nicht die Orientierung am billigsten Anbieter bedeutet(vgl Armbruster in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl 2016, § 132a RdNr 36; Schneider in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 132a SGB V RdNr 23). Das den KKn zur Versorgung ihrer Versicherten auferlegte Gebot darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden, wäre andererseits hinfällig, bestünde ein genereller Anspruch der Anbieter der Leistungen, diese zur jeweils am Markt anzutreffenden höchsten Vergütungsvereinbarung der betroffenen KKn abrechnen zu dürfen (vgl Senatsurteile vom 17.7.2008 - BSGE 101, 142, 146 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, RdNr 19; vom 20.11.2008 - SozR 4-2500 § 133 Nr 3 RdNr 32). Beide Konstellationen würden einen marktgerechten Preiswettbewerb ausschalten.

44

(ee) Einer wirtschaftlichen Betriebsführung steht nicht die Wahrung der Tarifbindung durch Einrichtungsträger entgegen (vgl ausführlich Senatsurteile vom 29.1.2009 - BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1, RdNr 28, 36; vom 17.12.2009 - BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 56 und 63; vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 40; vom 16.5.2013 - BSGE 113, 258 = SozR 4-3300 § 85 Nr 4, RdNr 16 mwN; ebenso zum SGB XII vgl BSG Urteil vom 7.10.2015 - B 8 SO 21/14 R -, BSGE (vorgesehen) = SozR 4-3500 § 75 Nr 9, RdNr 19). Auch im neu eingefügten § 132a Abs 1 Satz 4 Nr 6 SGB V(durch Gesetz vom 21.12.2015, BGBl I 2408) wird die Zahlung von Tariflöhnen bei Vergütungsverhandlungen berücksichtigt. Allerdings kann allein das Vorliegen von Tariflohnsteigerungen im relevanten Zeitraum noch nicht das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes von § 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V rechtfertigen. Denn die durch das BMG jährlich festgelegte Veränderungsrate enthält zu einem bestimmten Grad Lohnsteigerungen. Grundlage für die Feststellung sind die durchschnittlichen Veränderungsraten der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der KKn je Mitglied. Da sich die Beiträge am jeweiligen Einkommen orientieren, fließen ua auch die Tariflohnerhöhungen mit in die Berechnung (vgl § 226 Abs 1 Nr 1 SGB V).

45

Der Grundsatz, dass die Bindung eines Leistungserbringers an einen Tarifvertrag grundsätzlich nicht als unwirtschaftlich gewertet werden darf, gilt sinngemäß auch für sog "Haustarifverträge", soweit diese - ohne Tarifverträge im Sinne des Tarifvertragsgesetzes zu sein - vergleichbare Regelungen wie die maßgeblichen Tarifverträge enthalten, oder für die Zahlung vor Entgelten, die sich an tarifliche Regelungen anlehnen (vgl Senatsurteil vom 25.11.2010, aaO, RdNr 41). Gleiches gilt selbstverständlich für die seit dem 1.1.2015 geltende Verpflichtung zur Einhaltung des Mindestlohnes (vgl § 1 Mindestlohngesetz vom 11.8.2014, BGBl I 1348).

46

Ebenso können Kostenansätze berücksichtigt werden, die auf einer in den Vorjahren erfolgten fehlerhaften Kalkulation beruhen, die ggf bewusst zu niedrig angesetzt worden sind, oder Veränderung in der Zusammensetzung des Patientenklientels (vgl BSG Urteil vom 29.1.2009 - BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1, RdNr 25; BSG Urteil vom 13.5.2015 - SozR 4-2500 § 120 Nr 4 RdNr 35 - für BSGE vorgesehen). Gleiches gilt, wenn in den Vorjahren eine Vertragsanpassung an die vorausgegangenen Veränderungsraten der Vorjahre unterblieben ist (vgl Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 44 ff)und sich dies auf die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung im streitigen Leistungsjahr spürbar auswirkt. Dies bedeutet hingegen nicht, dass wirksam abgeschlossene Vertragsanpassungen aus den Vorjahren wieder rückgängig gemacht werden; sie werden nicht gegenstandlos, sondern behalten ihre Gültigkeit für die maßgebliche Laufzeit des Vertrags.

47

c) Vorliegend fehlt es an einer ausreichenden Tatsachengrundlage als Basis zur Bestimmung der streitigen Vergütungserhöhung, die erkennen lässt, ob unter Beachtung der soeben dargestellten Vorgaben eine Vergütungserhöhung oberhalb der Rate der Veränderung der beitragspflichtigen Entgelte erforderlich ist. Die Leistungserbringer, die eine weit oberhalb der Grundlohnsummensteigerung liegende Erhöhung der Vergütung für das Jahr 2010 verlangen, kommen nicht umhin, die für eine solche Vergütungssteigerung notwendigen Informationen in den Vertragsverhandlungen gegenüber dem Vertragspartner bzw der Schiedsperson offenzulegen. Sie müssen ihre Vergütungsforderung in tatsächlicher Hinsicht plausibel und nachvollziehbar belegen, sodass eine zuverlässige Kostenprognose möglich ist. Die Darlegungs- und Substantiierungslast für die fehlende Sicherstellung der notwendigen krankenpflegerischen häuslichen Versorgung im Fall ausgeschöpfter Wirtschaftlichkeitsreserven liegt bei den Leistungserbringern, die über die erforderlichen Daten verfügen (vgl BSG Urteil vom 13.5.2015 - SozR 4-2500 § 120 Nr 4 - für BSGE vorgesehen, RdNr 35; BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1, RdNr 25). Soweit in den Vergütungsverhandlungen auf nachvollziehbar festgesetzte Vergütungen der Vorjahre als Basis für aktuelle Vergütungsverhandlungen zurückgegriffen werden kann, bezieht sich die Darlegungs- und Substantiierungslast lediglich auf die eingetretenen Veränderungen, die eine Erhöhung der zuvor vereinbarten Vergütung rechtfertigen. Damit werden an Leistungserbringer keine unzumutbaren Darlegungslasten gestellt. Der Schiedsspruch muss nachvollziehbar sein und darf insofern auch nicht lückenhaft hinsichtlich der Tatsachenfeststellung der Schiedsperson sein (vgl dazu BAG Urteil vom 20.1.2004 - BAGE 109, 193, Juris RdNr 35).

48

Dafür, dass in Vergütungsverhandlungen auch entsprechende Nachweise von den Leistungserbringern ggf vorzulegen sind, spricht der erst zum 29.12.2015 in Kraft getretene § 132a Abs 1 Satz 4 Nr 6 SGB V(idF des Gesetzes vom 21.12.2015 ). Danach sind in den Rahmenempfehlungen nach § 132a Abs 1 SGB V die Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen "einschließlich der Transparenzvorgaben für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte" zu regeln. Auf ein Mindestmaß an Transparenz an den Nachweis über die Zahlung von tariflich vereinbarten Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen wird in den Gesetzesmaterialien abgestellt. Die Vertragspartner sollen sich dabei an einheitlichen Vorgaben zu entsprechenden Nachweispflichten orientieren können. Der Nachweis über die Zahlung von Tariflöhnen und die Höhe der Arbeitsentgelte hat dabei in anonymisierter Form zu erfolgen (vgl BT-Drucks 18/6905 S 68). Da diese Gesetzesänderung auf die Rechtsprechung des BSG zurückgeht (vgl BT-Drucks aaO), bestehen keine Bedenken, solche Nachweise bereits für Vergütungsverhandlungen des Jahres 2010 zu verlangen.

49

Um den Anspruch auf eine Vergütung oberhalb der Grundlohnsummensteigerung für das Jahr 2010 zu begründen, ist es daher nicht ausreichend, wenn sich die frei-gewerblichen Anbieter lediglich auf eine Gleichbehandlung (Art 3 Abs 1 GG) mit den Pflegediensten berufen, die den Wohlfahrtsverbänden angeschlossen sind (zur LIGA, vgl dazu das Parallelverfahren BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 3 KR 25/15 R - Juris und vgl dazu unten C.). Die Kläger haben sich bisher nur allgemein auf Statistiken ohne Bezug zu konkreten Betriebs- und Kostenstrukturen der ihnen zugehörigen Einrichtungen gestützt und behauptet, eine gleiche Personalstruktur wie die der LIGA zugehörigen Pflegedienste zu haben. Der ihrem Antrag beigefügten Studie hinsichtlich der Hausbesuchspauschale aus dem Jahr 1999 können keine verwertbaren Informationen entnommen werden. Belastbare Informationen - die entsprechend den obigen Vorgaben zu ermitteln sind - werden die Kläger in den Neuverhandlungen über die Vergütungssteigerung für das Jahr 2010 einbringen müssen, wenn sie an dem Anspruch auf Vergütungsanhebung oberhalb der Grundlohnsummensteigerung festhalten. Die Darlegungs- und Substantiierungspflichten für das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes nach § 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V gehen andernfalls zu ihren Lasten, mit der Folge, dass eine über die Grundlohnsummensteigerung hinausgehende Vergütung dann nicht festgesetzt werden kann.

50

3. Eine Verpflichtung der Schiedsperson, diese Informationen selbst zu ermitteln, besteht nicht. Die Amtsermittlungspflicht nach § 20 SGB X gilt nicht, weil die Schiedsperson keine Behörde iS von § 1 Abs 2 SGB X ist. Sie übt kein öffentliches Amt aus. Als Vertragshelfer und Schlichter steht ihr kein Verwaltungsapparat zur Seite, der umfangreiche Tatsachenermittlungen erlauben würde. Die Schiedsperson ist vielmehr auf die Mitarbeit der Vertragspartner angewiesen, die ihr die erforderlichen Informationen und Unterlagen auf Anforderung beibringen müssen (vgl hierzu Engelmann in Schnapp/Düring , Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl 2016, RdNr 237 ff, 260 f). Dabei ist sie den Vertragspartnern gegenüber gleichermaßen zur ordnungsgemäßen Erstellung des Schiedsspruchs verpflichtet (vgl BGH Urteil vom 17.1.2013 - III ZR 10/12 - Juris RdNr 18; BGH Urteil vom 6.6.1994 - II ZR 100/92 - NJW-RR 1994, 1314). In Ausübung dieser vertraglichen Pflicht besteht eine im Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB analog) wurzelnde Aufklärungspflicht der Schiedsperson, die Vertragspartner über entscheidungserhebliche Umstände zu informieren (vgl Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl 2016, § 242 RdNr 37 mwN). Dies gilt dann, wenn der Schiedsperson solche wesentlichen Informationen fehlen und sie daher den Vertragspartnern aufzeigen muss, welche Konsequenzen die mangelnde Tatsachenlage für das Ergebnis des Schiedsspruchs haben kann. Die Durchführung eines fairen Schiedsverfahrens setzt voraus, dass die Schiedsperson die Vertragspartner nicht im Unklaren darüber lässt, wenn sich wesentliche Defizite im Schiedsverfahren offenbaren. Die Schiedsperson hat nicht die Funktion eines staatlichen Gerichts und hat das Schiedsverfahren daher auch nicht wie ein Gerichtsverfahren durchzuführen. Sie steht vielmehr im Lager der Vertragspartner, die an ihrer Stelle eine vertragsergänzende Leistungsbestimmung vornimmt. Damit steht im Widerspruch, wenn sie die Beteiligten - wie hier - vor dem Schiedsspruch nicht darüber aufklärt, welche konkreten Informationen für eine ordnungsgemäße Erstellung des Schiedsspruchs erforderlich sind. Ist die Schiedsperson ihrer Aufklärungspflicht nachgekommen, besteht für sie hingegen keine weitere Verpflichtung, entsprechende Unterlagen anzufordern, wenn diese von den Vertragspartnern nicht vorgelegt werden. Diese Maßstäbe sind auch dann anzuwenden, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde die Schiedsperson durch Verwaltungsakt bestimmt hat (vgl dazu Senatsurteil vom 27.11.2014 - BSGE 117, 288 = SozR 4-2500 § 132a Nr 7).

51

C. Aus den Ausführungen (s oben B.2.) folgt bereits, dass ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit den der LIGA zugehörigen Pflegeeinrichtungen jedenfalls ohne substantiierte Nachweise vor allem über die Personalkosten der frei-gewerblichen Anbieter nicht besteht. Ein solcher Gleichbehandlungsanspruch kann in diesem Rechtstreit aber auch nicht aus §§ 19 ff GWB oder aus Art 12 Abs 1 bzw Art 3 Abs 1 GG hergeleitet werden. Da sich in den Neuverhandlungen über die Vergütungsanhebung für 2010 - ggf bei Nichteinigung unter erneuter Beteiligung einer Schiedsperson - die Problematik des gleichen Vergütungsniveaus unter dem Gesichtspunkt des "Schließens der Vergütungsschere" zu den Pflegeeinrichtungen der LIGA voraussichtlich erneut stellen wird, weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

52

1. Die Kläger können eine auf die Vorschriften des Wettbewerbsrechts (insbesondere §§ 19 ff GWB) gestützte Gleichbehandlung mit den Pflegeeinrichtungen, die den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege (LIGA) zugehörig sind, nicht verlangen. Die Vertragspartner müssen einerseits preisgünstige Versorgungsmöglichkeiten unter Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven in Anspruch nehmen und die Beklagten sind hierbei insbesondere durch das Gebot der Beitragssatzstabilität verpflichtet, sich an diese speziellen gesetzlichen Vorgaben des SGB V zu halten. Ein solches Verhalten kann von vornherein nicht missbräuchlich oder diskriminierend im Sinne des Wettbewerbsrechts nach §§ 19 ff GWB sein.

53

Im Übrigen gilt, dass die Anwendung von §§ 19 ff GWB für Rahmenverträge nach § 132a SGB V ausgeschlossen ist. Nach § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V(idF des AMNOG vom 22.10.2010, BGBl I 2262) gilt dieser Anwendungsausschluss für Verträge und sonstige Vereinbarungen von KKn oder deren Verbänden mit Leistungserbringern oder deren Verbänden, zu deren Abschluss die KKn und deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind. Dies entspricht der gesetzgeberischen Intention, die Ausschlussregelung dann greifen zu lassen, wenn KKn insbesondere keine Auswahlentscheidung zwischen den einzelnen Leistungserbringern treffen dürfen und insofern kein Wettbewerb stattfindet (vgl BT-Drucks 17/2413 S 26). Dazu sollen alle Versorgungsverträge zählen, die entweder die KKn oder die jeweiligen Verbände mit den Leistungserbringern oder deren Verbänden zur Sicherstellung der Versorgung der Versicherten abzuschließen haben (vgl BT-Drucks 17/3698 zu Nr 9 - § 69 SGB V - S 51). Während die Gesetzesmaterialien (aaO) als solche zwingenden Vertragsverpflichtungen die Versorgungsverträge in der Heil- und Hilfsmittelversorgung (§ 125 Abs 2, § 127 Abs 2 SGB V) ausdrücklich beispielhaft nennen, wurde im Bereich der Versorgung mit Haushaltshilfe (§ 132 Abs 1 Satz 2 SGB V) und im Bereich häuslicher Krankenpflege (§ 132a Abs 2 SGB V) auch schon zuvor angenommen, dass Leistungserbringer gegenüber der KK "faktisch einen Anspruch auf Abschluss eines Vertrages" haben (vgl BT-Drucks 16/10609 S 52 zum GKV-OrgWG vom 15.12.2008, BGBl I 2426). Diese Formulierung geht auf die Senatsrechtsprechung zurück, dass jeder Leistungserbringer, der die qualitativ-fachlichen, personellen und räumlichen Voraussetzungen erfüllt, einen Rechtsanspruch auf den Abschluss eines Versorgungsvertrags im Bereich der häuslichen Krankenpflege hat (vgl Senatsurteil vom 21.11.2002 - BSGE 90, 150, 153 = SozR 3-2500 § 132a Nr 4 S 14; vgl auch Armbruster in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl 2016, § 132a RdNr 41 f; Schneider in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 132a RdNr 17; Becker/Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 69 RdNr 55). Vor dem Hintergrund, dass § 132a Abs 2 SGB V die Möglichkeit zum Abschluss von Kollektivverträgen erlaubt(vgl Senatsurteil vom 25.11.2010 - BSGE 107, 123, 136 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 39), sind von der Ausschlussregelung des § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V sowohl Selektiv- als auch Kollektivverträge erfasst. Denn eine mögliche Auswahl zwischen verschiedenen Anbietern ist für Selektiv- wie für Kollektivverträge nach § 132a Abs 2 SGB V ausgeschlossen(vgl auch BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 89 zu § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V; zu § 69 Satz 2 SGB V idF GKV-WSG vom 26.3.2007 mWv 1.4.2007, BGBl I 378 vgl Senatsurteil vom 17.7.2008 - BSGE 101, 142, 152 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, RdNr 38). Nichts anderes gilt hier, wenn die von den Vorinstanzen noch bis 31.12.2010 gültige Regelung von § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V aF zugrundegelegt würde.

54

2. Soweit sich die Kläger in ihrer grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) verletzt sehen, gilt nach der Rechtsprechung des BSG, dass die Leistungen im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung nicht derart niedrig vergütet werden dürfen, dass als deren Folge davon auch die berufliche Existenz der an dem jeweiligen Versorgungssystem beteiligten Leistungserbringer gefährdet wäre. Dies liegt dann vor, wenn in einem "fachlichen und/oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich bzw versorgungsvertraglich tätig zu werden, und dadurch in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der Versorgung gefährdet" wäre (vgl Senatsurteil vom 17.7.2008 - BSGE 101, 142 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, RdNr 63 zur Vergütung von Leistungen der Haushaltshilfe nach § 132 SGB V; vgl zur vertragsärztlichen Versorgung BSG Beschluss vom 11.3.2009 - B 6 KA 31/08 B - Juris RdNr 11; BSGE 94, 50, 93 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2 S 46, RdNr 117; vgl auch BVerfG Beschluss vom 15.12.1999 - BVerfGE 101, 331, 350 f zur Vergütung von Berufsbetreuern). Auch die Frage, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, lässt sich nur anhand der von den Klägern vorzulegenden repräsentativen Unterlagen zu den Betriebs- und Kostenstrukturen der ihnen angeschlossenen Einrichtungen beurteilen.

55

3. Soweit die Kläger einen Gleichbehandlungsanspruch aus Art 3 Abs 1 GG hinsichtlich des Vergütungsniveaus mit den Pflegeeinrichtungen geltend machen, die der LIGA zugehörig sind (vgl dazu das Parallelverfahren, Senatsurteil vom 23.6.2016 - B 3 KR 25/15 R - Juris), bildet das Willkürverbot von Art 3 Abs 1 GG die äußerste Grenze des den KKn eingeräumten Verhandlungsspielraums. Es verbietet der KK als grundrechtsverpflichteter Trägerin öffentlicher Gewalt auch ohne die Stellung als marktbeherrschender oder marktstarker Nachfrager nach Dienstleistungen eine willkürlich ungleiche Vergütung vergleichbarer Leistungen. Diese Schranke kann bei krassen Unterschieden überschritten sein. Daneben kann sie auch bei einer unterschiedlichen äußeren Handhabung von Vergütungsinteressen verletzt sein. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn eine KK einen Teil von Leistungserbringern die Anpassung der Vergütung an gestiegene Kosten gewährt und anderen Leistungserbringern solche Anpassungen verwehrt (vgl Senatsurteil vom 17.7.2008 - BSGE 101, 142 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, RdNr 65).

56

Selbst wenn die Neuverhandlungen über die Vergütungsanhebung für 2010 ergeben sollten, dass die Kläger eine vergleichbare Betriebs- und Kostenstruktur aufweisen wie die der LIGA zugehörigen Pflegeeinrichtungen, bedeutet dies noch nicht, dass die Vergütungsanhebung in identischer Höhe ausfallen muss. Auch andere Besonderheiten bzw Umstände können dazu führen, dass die Vergütungsanpassung im Bereich der häuslichen Krankenpflege unterschiedlich ausfällt. Der Gesetzgeber hat die Vergütungsfestsetzung den Beteiligten überlassen und hierbei den KKn gleichzeitig den Auftrag erteilt, Wirtschaftlichkeitsreserven zu nutzen und nach Möglichkeit günstige Konditionen auszuhandeln. Hinzu kommt, dass die Schiedspersonenregelung die Möglichkeit unterschiedlicher Verhandlungsergebnisse auch im Hinblick auf die Vergütungshöhe in einem gewissen Rahmen erlaubt. Preisverhandlungen folgen keinem starren Schema, sondern sollen das Ausschöpfen von marktgerechten Verhandlungsspielräumen in den aufgezeigten Grenzen ermöglichen. Die von den Klägern vorgetragene, nicht mehr hinnehmbare Abkopplung vom Vergütungsniveau der der LIGA zugehörigen Pflegeeinrichtungen könnte auf diese Weise ggf geschlossen werden. Das Ergebnis von Neuverhandlungen könnte aber auch sein, dass angesichts einer unterschiedlichen durchschnittlichen Betriebs- und Kostenstruktur und differierender tatsächlicher Personalkosten ein sachgerechter Grund für ein unterschiedliches, jeweils angemessenes Vergütungsniveau besteht.

57

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von §§ 154 ff VwGO. Die Revision der Kläger war überwiegend begründet bzw teilweise unbegründet, sodass die Kostenverteilung wie im tenorierten Umfang vorzunehmen war (§ 155 Abs 1 VwGO).

58

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 GKG und entspricht der Festsetzung durch die Vorinstanzen.

(1) Die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen bilden je ein gemeinsames Schiedsamt für die vertragsärztliche Versorgung und ein gemeinsames Schiedsamt für die vertragszahnärztliche Versorgung (Landesschiedsämter).

(2) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden ein gemeinsames Schiedsamt für die vertragsärztliche Versorgung und ein gemeinsames Schiedsamt für die vertragszahnärztliche Versorgung (Bundesschiedsämter).

(3) Kommt ein Vertrag über die vertragsärztliche oder die vertragszahnärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande, setzt das zuständige Schiedsamt mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten den Vertragsinhalt fest. Wird ein für die Einleitung des Verfahrens erforderlicher Antrag nicht gestellt, können auch die für das jeweilige Schiedsamt oder die für die Vertragsparteien zuständigen Aufsichtsbehörden, nachdem sie den Organisationen, die das Schiedsamt bilden, eine Frist zur Antragstellung gesetzt haben und die Frist abgelaufen ist oder nach Ablauf einer für das Zustandekommen des Vertrages gesetzlich vorgeschriebenen Frist, das Schiedsamt mit Wirkung für die Vertragsparteien anrufen. Das Schiedsamtsverfahren beginnt mit dem bei dem Schiedsamt gestellten Antrag.

(4) Kündigt eine Vertragspartei einen Vertrag, hat sie die Kündigung dem zuständigen Schiedsamt schriftlich oder elektronisch mitzuteilen. Kommt bis zum Ablauf des Vertrages kein neuer Vertrag zustande, setzt das zuständige Schiedsamt mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten den Inhalt des neuen Vertrages fest. In diesem Fall gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages bis zur Festsetzung des Inhalts des neuen Vertrages durch das Schiedsamt weiter. Das Schiedsamtsverfahren beginnt mit dem auf den Ablauf der Kündigungsfrist folgenden Tag.

(5) Die Landesschiedsämter und die Bundesschiedsämter bestehen aus je vier Vertretern der Ärzte oder Zahnärzte und vier Vertretern der Krankenkassen sowie einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Bei der Festsetzung des Inhalts eines Vertrages, der nicht alle Kassenarten betrifft, wirken als Vertreter der Krankenkassen nur Vertreter der betroffenen Kassenarten im Schiedsamt mit. Die in Absatz 1 genannten Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen können von Satz 2 abweichende Regelungen vereinbaren. Für jedes Mitglied gibt es zwei Stellvertreter. Die Amtsdauer der Mitglieder beträgt vier Jahre. Die Vertreter und Stellvertreter werden jeweils durch die Organisationen, die das jeweilige Schiedsamt bilden, bestellt. Kommt eine Bestellung durch die Organisationen nicht zustande, bestellt die für das jeweilige Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde die Vertreter und Stellvertreter, nachdem sie den Organisationen eine Frist zur Bestellung gesetzt hat und diese Frist abgelaufen ist.

(6) Über den unparteiischen Vorsitzenden und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Vertragsparteien einigen. § 213 Absatz 2 in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung gilt für die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen entsprechend. Kommt eine Einigung nicht zustande, erfolgt eine Bestellung des unparteiischen Vorsitzenden, der weiteren unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter durch die für das jeweilige Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde, nachdem sie den Vertragsparteien eine Frist zur Einigung gesetzt hat und diese Frist abgelaufen ist. Die unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter gelten als bestellt, sobald sie sich den beteiligten Vertragsparteien gegenüber zur Amtsübernahme bereit erklärt haben.

(7) Die Mitglieder des Schiedsamtes führen ihr Amt als Ehrenamt. Sie sind an Weisungen nicht gebunden. Die unparteiischen Mitglieder und ihre Stellvertreter können aus wichtigem Grund von der für das jeweilige Schiedsamt zuständigen Aufsichtsbehörde abberufen werden. Die Vertreter der Ärzte oder Zahnärzte und die Vertreter der Krankenkassen sowie ihre Stellvertreter können von den Organisationen, die sie bestellt haben, abberufen werden. Eine Amtsniederlegung ist gegenüber den Organisationen zu erklären, die das jeweilige Schiedsamt gebildet haben. Die Mitglieder sind verpflichtet, an den Sitzungen des Schiedsamtes teilzunehmen oder bei Verhinderung ihre Stellvertreter zu benachrichtigen. Eine Stimmenthaltung ist unzulässig. Jedes Mitglied hat eine Stimme.

(8) Das Schiedsamt ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder oder deren Stellvertreter anwesend sind. Ist das Schiedsamt in einer Sitzung nicht beschlussfähig, ist innerhalb von 14 Kalendertagen nach dieser Sitzung eine erneute Sitzung einzuberufen. In dieser erneuten Sitzung ist die Beschlussfähigkeit gegeben, wenn die unparteiischen Mitglieder oder deren Stellvertreter und mehr als die Hälfte der weiteren Mitglieder des Schiedsamtes oder deren Stellvertreter anwesend sind. Ist auch in der erneuten Sitzung keine Beschlussfähigkeit nach Satz 3 gegeben, setzen die unparteiischen Mitglieder des Schiedsamtes den Vertragsinhalt fest. Auf diese Folgen ist in der Einladung zur erneuten Sitzung ausdrücklich hinzuweisen.

(9) Setzt das Schiedsamt innerhalb der Frist nach Absatz 3 Satz 1 oder Absatz 4 Satz 2 keinen Vertragsinhalt fest, setzt die für das jeweilige Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde eine Frist zur Festsetzung des Vertragsinhalts. Nach Ablauf dieser Frist setzen die unparteiischen Mitglieder des Schiedsamtes den Vertragsinhalt fest. Die unparteiischen Mitglieder können auf Kosten der Vertragsparteien Datenerhebungen, Auswertungen oder Sachverständigengutachten in Auftrag geben. Klagen gegen Entscheidungen des Schiedsamtes sowie Klagen gegen Entscheidungen der Aufsichtsbehörden nach diesem Paragraphen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet in den Fällen des Satzes 4 nicht statt.

(10) Die Aufsicht über die Landesschiedsämter führen die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung eine andere Behörde als Aufsichtsbehörde bestimmen; die Landesregierungen können diese Ermächtigung auf die obersten Landesbehörden weiterübertragen. Die Aufsicht über die Bundesschiedsämter führt das Bundesministerium für Gesundheit. Die Aufsicht erstreckt sich auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht. Die Aufsicht umfasst auch das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen der Schiedsämter; das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen der Schiedsämter gilt auch für das Bundesversicherungsamt, sofern ihm die Entscheidungen der Schiedsämter gemäß Satz 6 vorzulegen sind. Die Entscheidungen der Schiedsämter über die Vergütung der Leistungen nach § 57 Absatz 1 und 2, den §§ 83, 85 und 87a sind der jeweiligen zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen. Die Aufsichtsbehörden können die Entscheidungen bei einem Rechtsverstoß innerhalb von zwei Monaten nach Vorlage beanstanden. Für Klagen der Vertragspartner gegen die Beanstandung gilt Absatz 9 Satz 4 und 5 entsprechend.

(11) Das Bundesministerium für Gesundheit bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Bestellung, die Amtsdauer, die Amtsführung, die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für Zeitaufwand der Mitglieder der Schiedsämter, die Geschäftsführung, das Verfahren, die Erhebung und die Höhe der Gebühren sowie über die Verteilung der Kosten.

(12) Der Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden ein weiteres Schiedsamt auf Bundesebene. Das Schiedsamt besteht aus Vertretern des Verbandes Deutscher Zahntechniker-Innungen und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in gleicher Zahl sowie einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Im Übrigen gelten die Absätze 3, 4, 5 Satz 4 bis 7, die Absätze 6, 7, 8, 9 und 10 Satz 3, 4 und 5 sowie die aufgrund des Absatzes 11 erlassene Schiedsamtsverordnung entsprechend.

(13) Die Innungsverbände der Zahntechniker, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen bilden ein weiteres Schiedsamt auf Landesebene. Das Schiedsamt besteht aus Vertretern der Innungsverbände der Zahntechniker und der Krankenkassen in gleicher Zahl sowie einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Im Übrigen gelten die Absätze 3, 4, 5 Satz 4 bis 7, die Absätze 6, 7, 8, 9 und 10 Satz 1, 2, 4 und 5 sowie die aufgrund des Absatzes 11 erlassene Verordnung entsprechend.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. Januar 2016 und der Schiedsspruch des Beklagten vom 18. Dezember 2012 zu Nr 1 aufgehoben. Insoweit wird der Beklagte verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zur Hälfte und der Beklagte und die Beigeladene zu 1. zu je ¼ mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 9.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruches.

2

Nachdem die Vergütungsverhandlungen zwischen der klagenden KÄV und den zu 1. bis 6. beigeladenen Krankenkassenverbänden zu keiner Einigung geführt hatten, traf das beklagte Landesschiedsamt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2012 und 18.12.2012 (unter anderem) folgende Festsetzung zur Honorarvereinbarung 2013:

        

"1.     

Der regionale Punktwert wird auf der Grundlage des für das Jahr 2013 festgelegten Orientierungswertes gemäß § 87 Abs. 2e SGB V auf 3,5363 Cent festgesetzt. Den Anträgen der KVB (Kassenärztliche Vereinigung Bayerns) auf einen Zuschlag auf den Orientierungswert gemäß § 87a Abs. 2 Satz 2 wird nicht entsprochen.

        

...     

        
        

4.    

Für die Anpassung des Behandlungsbedarfs gemäß § 87a Abs. 4 Satz 1 Ziff. 2 bis 5 wird für das Jahr 2013 eine Veränderungsrate von 0,43 % festgesetzt."

3

Im Hinblick auf weitere Regelungen (Förderung der hausärztlichen Versorgung, Ausdeckelung Psychotherapie, Strahlentherapie und künstliche Befruchtung) ergab sich eine Steigerung der Vergütung gegenüber dem Vorjahr um 3,2 %; die Veränderungsrate nach § 71 Abs 3 SGB V war vom Bundesministerium für Gesundheit mit 2,03 % angegeben worden. Darauf bezog sich der Beklagte bei seiner Begründung, weshalb den Anträgen der Klägerin auf einen Zuschlag zum Orientierungswert (§ 87a Abs 2 Satz 2 SGB V) und auf eine weitergehende Anpassung des Behandlungsbedarfs nicht entsprochen werden könne.

4

Die gegen den Schiedsspruch erhobene Klage, mit der die Klägerin vorrangig geltend gemacht hat, der Beklagte habe den regionalen Punktwert rechtswidrig festgesetzt, da er keinen Zuschlag zur Berücksichtigung regionaler Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur vorgesehen habe, ist erfolglos geblieben.

5

Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Beklagte habe den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht überschritten, sodass die Klägerin weder durch die Festsetzung des Punktwerts noch durch die Festsetzung der Veränderungsrate zur Berechnung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) in ihren Rechten verletzt werde. Dem Schiedsamt komme bei der Festsetzung des Inhalts eines Gesamtvertrages über die vertrags(zahn)ärztliche Vergütung ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Schiedssprüche nach § 89 SGB V unterlägen insoweit nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle und seien inhaltlich nur daraufhin zu überprüfen, ob der vom Schiedsamt zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffe, ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh insbesondere die zwingenden rechtlichen Vorgaben beachtet habe und ob der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lasse. Diesen Anforderungen werde die Entscheidung des Beklagten gerecht. Bezüglich des Orientierungspunktwerts und der diagnosebezogenen Veränderungsrate sei der Beklagte an die Beschlüsse des Bewertungsausschusses für die vertragsärztliche Versorgung (BewA) und des erweiterten Bewertungsausschusses für die vertragsärztliche Versorgung (EBewA) gebunden gewesen. Ihm habe kein Verwerfungsrecht zugestanden, sodass insoweit auch keine (weiteren) Tatsachenermittlungen erforderlich gewesen seien.

6

Der EBewA habe den bundeseinheitlichen Orientierungswert nach § 87 Abs 2e SGB V richtig angepasst. Soweit die Klägerin - wie auch die zu 8. beigeladene KÄBV - geltend mache, dass die Kostenentwicklung seit 2008, auch der Kalenderjahre 2011 und 2012, zu berücksichtigen sei, verkenne sie den Regelungsgehalt des § 87d Abs 1 SGB V und den Grundsatz der Vorjahresanknüpfung. Mit § 87d Abs 1 SGB V sei die jährliche Anpassung des Orientierungswerts ausgesetzt, nicht aufgeschoben worden. Hätte der Gesetzgeber lediglich einen Aufschub, nicht aber eine basiswirksame Aussetzung beabsichtigt, hätte er dies dadurch zum Ausdruck bringen müssen, dass er die Anpassung auf einen späteren Zeitpunkt verschiebe.

7

Bei der Festsetzung des Punktwerts nach § 87a Abs 2 Satz 1 und 2 SGB V habe der Beklagte seinen weiten Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Insoweit verkenne die Klägerin bereits, dass normativ die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur im Ermessen der Gesamtvertragsparteien und damit auch des Beklagten stehe. Eine Pflicht zur Berücksichtigung regionaler Besonderheiten habe der Gesetzgeber gerade nicht vorgegeben.

8

Auch die Festsetzung der Veränderungsrate für 2013 in Ziff 4 des Beschlusses sei rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte habe seine Entscheidung zutreffend auf die vom BewA in seiner Sitzung vom 22.10.2012 beschlossenen Empfehlungen der diagnosebezogenen und demografischen Veränderungsraten für den Bezirk der Klägerin gestützt, die für ihn bindend gewesen seien. Die Berücksichtigung der Selektivvertragsteilnehmer im Wege einer Hochrechnung sei nicht zu beanstanden. Eine geeignetere Datengrundlage und eine andere Methode zur Berechnung der Morbidität und insbesondere der morbiditätsbezogenen Veränderungsrate für den Personenkreis der Selektivvertragsteilnehmer hätten nicht zur Verfügung gestanden. Dies bestätigten insbesondere auch die Ausführungen der Klägerin in ihrer Antragsschrift, nach denen "erheblich falsche Diagnosedaten" vorgelegen hätten, und die deshalb beantragt habe, die Bundesrate West zugrunde zu legen.

9

Dass der Beklagte die diagnosebezogene und die demografische Veränderungsrate nicht gewichtet, sondern die höhere demografische mit gerundet 0,43 % zugrunde gelegt habe, halte sich ebenfalls noch im Rahmen des weiten Gestaltungsspielraums. Nach der Rechtsprechung des BSG seien Abweichungen von der Mittelung (Gewichtung) beider Veränderungsraten zulässig, wenn sie nachvollziehbar und unter Angabe der berücksichtigten Tatsachen begründet würden. Diese Voraussetzungen lägen vor, weil der Beklagte damit die Bedenken der Klägerin gegen die Richtigkeit der diagnosebezogenen Veränderungsrate aufgegriffen und dem Umstand Rechnung getragen habe, dass der BewA zur Methodik der Berücksichtigung der Selektivvertragsteilnehmer einen Prüfungsauftrag erteilt habe (Urteil vom 27.1.2016).

10

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Die Ablehnung eines Zuschlags sei rechtswidrig sowie abwägungs- und begründungsdefizitär erfolgt, bereits der Orientierungswert sei rechtswidrig angepasst und die Veränderungsrate falsch sowie abwägungs- und begründungsdefizitär ohne sachgerechte Berücksichtigung der Selektivvertragsteilnehmer festgelegt worden.

11

Der Beklagte habe zunächst mit seiner Entscheidung, regionale Besonderheiten nicht zu berücksichtigen, gegen § 87a Abs 2 Satz 1 und 2 SGB V und § 89 Abs 6 SGB V iVm § 19 der Schiedsamtsverordnung (SchiedsamtsVO) iVm § 35 SGB X verstoßen. Selbst wenn man mit dem LSG davon ausgehe, dass das Ermessen des Beklagten in Bezug auf die Gewährung eines Zuschlags nicht bereits auf Null reduziert gewesen sei, habe er die dann vorzunehmenden Abwägungen und die damit verknüpfte Begründung nicht vorgenommen. Eine Begründung, die entsprechend der Rechtsprechung des BSG wenigstens andeutungsweise die Gründe für die "Versagung" des Zuschlags auf den Orientierungswert wiedergebe, fehle. Das Schiedsamt sei in gleicher Weise wie die Vertragspartner an rechtliche Vorgaben gebunden. Das Schiedsamt habe das bei der Festsetzung eines Zuschlags bestehende Ermessen genauso pflichtgemäß auszuüben wie die Vertragspartner selbst. Somit hätte die Entscheidung, Zuschläge nicht zu gewähren, einer für Ermessensentscheidungen vom Gesetz vorgeschriebenen Abwägung und Begründung bedurft, die jedoch nicht zu erkennen sei.

12

Den zu beachtenden Vorgaben genüge die Begründung nicht. Als inhaltliche Begründung für die zu § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V getroffene Entscheidung könnten überhaupt nur zwei Sätze in der Beschlussbegründung angesehen werden. Die Auffassung des LSG, dass der Hinweis des Beklagten auf den nicht erbrachten Nachweis eine beweisrechtliche Würdigung der von der Klägerin vorgelegten Daten darstelle, sei eine durch keine weiteren Anhaltspunkte gestützte Behauptung; weshalb ihre - der Klägerin - Darlegungen zur tatsächlichen Kostensteigerung in Bayern nicht überzeugt hätten, bleibe offen. Somit sei dies nichts weiter als eine "Floskel".

13

Unter der Annahme, dass die Steigerung des Orientierungswertes von 0,9 % ausschließlich die bundesweite Veränderung der Preis- und Kostenstruktur abbilde, sei jedenfalls die durch den Verbraucherpreisindex in Bayern abgebildete Steigerung bei der Bemessung der regionalen Kostenstruktur in Bayern zu berücksichtigen. Die Kostenstruktur spiegele sich im Verbraucherpreisindex wider, der in Bayern deutlich über dem Bundesdurchschnitt liege. Dieser sei im Zeitraum von 2011 bis Oktober 2012 um 3,0 % gestiegen. Die von der bundesdurchschnittlichen Kostenstruktur abweichende Kostenstruktur in Bayern lasse sich belegen. Damit sei eine Abweichung der bayerischen Situation nachgewiesen; somit sei zumindest ein Zuschlag zu dem von ihr beantragten Punktwert in Höhe von 2,1 %, dh 0,0817 Cent notwendig. Der Punktwert hätte somit auf 3,9720 Cent festgesetzt werden müssen.

14

Im Übrigen sei schon der bundeseinheitliche Orientierungswert rechtswidrig festgesetzt worden, weil der EBewA die gesetzlichen Anpassungskriterien des § 87 Abs 2g SGB V in rechtswidriger Weise angewendet habe. Denn er habe die Inflationsrate seit dem Jahr 2008 unberücksichtigt gelassen. Daraus, dass durch § 87d Abs 1 SGB V die Anwendung des § 87 Abs 2g SGB V ausgesetzt worden sei, folge nichts anderes. Das Gesetz habe die Aussetzung ausdrücklich auf die Jahre 2011 und 2012 beschränkt und Auswirkungen auf nachgelagerte Zeiträume ausgeschlossen.

15

Auch die diagnose- und demografiebezogene Veränderungsrate sei unter Verstoß gegen § 87a Abs 4 Satz 3 SGB V und § 87a Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB V abwägungs- und begründungsdefizitär festgesetzt worden. Wie der Beklagte selbst feststelle, sei die vom BewA mitgeteilte Veränderungsrate auf der Grundlage der Behandlungsdiagnosen in Bayern nicht verwertbar. Darin bestehe Einigkeit. Damit hätten gemäß § 87a Abs 4 Satz 4 SGB V bundesweite Daten herangezogen werden müssen, was aber nicht geschehen sei. Der Beklagte hätte alles daran setzen müssen, der tatsächlichen Morbidität in Bayern im Jahr 2013 so weit wie möglich "auf die Spur zu kommen" und auf bundesweite Daten Bezug nehmen müssen, die der tatsächlichen Morbidität der Versicherten in Bayern im Jahr 2013 am nächsten gekommen wären. Die Festsetzung der Veränderungsrate in Höhe von 0,43 % sei jedenfalls nicht gesetzeskonform, weil bereits die vom Institut des BewA für Bayern errechnete diagnosebezogene Morbiditätsrate fehlerhaft und daher rechtswidrig sei und dementsprechend für den Bezirk der KÄV Bayern nicht - auch nicht als Ausgangsgröße - hätte berücksichtigt werden dürfen.

16

Entgegen der Auffassung des LSG sei der Beklagte gerade nicht an die Empfehlung des BewA gebunden. Es handele sich um "Empfehlungen", die "zu berücksichtigen", aber nicht "zu beachten" seien. "Berücksichtigen" bedeute nach der Rechtsprechung des BSG lediglich, dass die Gesichtspunkte in Betracht gezogen werden müssten und eine sachliche Auseinandersetzung mit ihnen zu erfolgen habe, aber nach pflichtgemäßer Abwägung davon abgewichen werden könne. Der Beklagte könne die Veränderungsraten des BewA nicht ändern, aber seine Überlegungen und Abwägungen zur Festlegung der Veränderungsrate treffen. Dass er von der Empfehlung des BewA abweichen könne, habe der Beklagte durch Unterschreitung seines Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums nicht reflektiert. Hätte er seinen Spielraum erkannt, hätte er seiner Entscheidung ein Spektrum zugrunde legen müssen, das bei 0,4233 % beginne, sodass ohne Weiteres 0,9962 % als Veränderungsrate hätten beschlossen werden können.

17

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 27.1.2016 sowie die unter Nr 1 und Nr 4 des Beschlusses des Beklagten vom 18.12.2012 getroffenen Entscheidungen aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut zu entscheiden.

18

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

19

Ein Begründungsdefizit liege schon deshalb nicht vor, weil die knappe Aussage, eine vom Bundesgebiet abweichende Kostenstruktur in Bayern könne "auch auf der Grundlage der von der KBV vorgetragenen Daten nicht festgestellt werden", im Zusammenhang mit den "Anlagen" zum Beschluss zu lesen sei. Zu diesen Anlagen gehörten nicht nur die von der Klägerin vorgelegten Kostenstruktur-Daten, sondern auch die vom Schiedsamt veranlasste 14-seitige Stellungnahme der Krankenkassen. Jedenfalls daraus lasse sich ohne Weiteres der resümierende Schluss des Schiedsamtes nachvollziehen, "eine solche Entwicklung" (besonderer Kosten- und Versorgungsstrukturen) habe nicht festgestellt werden können. An hinreichender Begründung fehle es auch deshalb nicht, weil nach der abschließenden Gesamtwürdigung des Ergebnisses "weitergehende Anträge der KBV, auch wenn sie einzeln betrachtet in Teilen nachvollziehbar waren", wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots und des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität sich nicht hätten berücksichtigen lassen. Diese Überlegung gelte insbesondere für einen nur fakultativen Zuschlag auf den regionalen Punktwert.

20

Die zu 1. beigeladene AOK beantragt ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.

21

Das LSG habe zu Recht entschieden, dass der Beklagte seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten habe und dass die Klägerin weder durch die Festsetzung des Punktwerts noch durch die Festsetzung der Änderungsrate zur Berechnung der MGV in ihren Rechten verletzt sei. Der Hinweis des Schiedsamtes auf den Grundsatz der Beitragssatzstabilität sei nicht floskelhaft. Dieser Grundsatz gelte unabhängig von § 87a Abs 3 Satz 2 SGB V weiterhin. In § 87a Abs 3 Satz 2 SGB V sei nicht vom Punktwert als "Preis", sondern von einem Punktzahlvolumen die Rede, dessen Umfang sich aus der Größe des Behandlungsbedarfs ergebe. Das Schiedsamt habe eine Veränderungsrate von 3,2 % festgesetzt und damit der Klägerin eine Vielzahl von Forderungen zugestanden, wie etwa Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen, die Förderung der Bereitschaftspraxen und des Bereitschaftsdienstes ua. Damit sei unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten das der Solidargemeinschaft zumutbare Maß erreicht.

22

Entgegen den Ausführungen der Klägerin gehe der Morbiditätsunterschied zwischen Teilnehmern an Selektivverträgen und Nicht-Teilnehmern kontinuierlich zurück. Weiterhin seien keine empirisch belegbaren Anhaltspunkte erkennbar, dass der BewA für den KÄV-Bezirk Bayern nur deswegen eine niedrigere diagnosebezogene Veränderungsrate beschlossen habe, weil bei den zugrunde liegenden Berechnungen Selektivvertragsteilnehmer ausgeschlossen worden seien. Bei Berücksichtigung der erwähnten Morbiditätsentwicklung im fachärztlichen Versorgungsbereich wäre die diagnosebezogene Veränderungsrate noch niedriger ausgefallen. Im Übrigen seien Selektivvertragsteilnehmer über demografische Hochrechnungsfaktoren berücksichtigt worden. Außerdem begründe die Tatsache, dass Bayern nach wie vor ein Zuzugsland sei, ebenfalls eine niedrigere bayerische Veränderungsrate bei der Morbidität als in anderen Bundesländern.

23

Einer Bindungswirkung der Regelungen in § 87a Abs 4 Satz 1 und Satz 3 SGB V stehe nicht entgegen, dass der Gesetzgeber anstelle der Wörter "zu beachten" die Wörter "zu berücksichtigen" gewählt habe, weil durch die Formulierung "sind" (…) "zu berücksichtigen" eindeutig erkennbar sei, dass es sich um eine sog "Muss"-Bestimmung handele. Selbst wenn keine Bindungswirkung bestünde, bleibe es einem Schiedsamt unbenommen, rechtsgestaltend eine Kompromisslösung zu finden.

24

Der zu 7. beigeladene GKV-Spitzenverband führt - ohne einen Antrag zu stellen - aus, die gegen die Entscheidung des LSG erhobenen Einwände überzeugten nicht. Das LSG sei zutreffend davon ausgegangen, dass nach dem Grundsatz der Vorjahresanknüpfung bei der Anpassung des bundeseinheitlichen Orientierungswertes für das Jahr 2013 keine Kostenentwicklungen aus weiter zurückliegenden Zeiträumen berücksichtigt werden durften. Folge der gesetzlich vorgegebenen Anpassung sei, dass hierbei ausschließlich die Veränderungen von einem Jahr zum nächsten zugrunde zu legen seien. Das BSG habe die Geltung des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung auch für die Rechtslage nach der Honorarreform durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) ausdrücklich bestätigt. Dies habe zur Folge, dass der Orientierungswert für das Jahr 2012 als Basis der Anpassung für das Jahr 2013 als angemessen anzusehen sei, auch wenn er mögliche Kostensteigerungen bis zu diesem Zeitpunkt nicht berücksichtige.

25

Das LSG habe zutreffend entschieden, dass die vom BewA mitgeteilten Veränderungsraten für das Jahr 2013 in Bayern rechtmäßig seien. Ersichtlich falsch sei schon die Behauptung der Klägerin, es bestehe Einigkeit darüber, dass die vom BewA mitgeteilte diagnosebezogene Veränderungsrate nicht verwertbar und rechtswidrig sei. Tatsächlich sei die Rate rechtmäßig und damit auch "verwertbar". Nicht stichhaltig sei die Argumentation, dass nur in Bayern die Morbiditätsentwicklung auf der Basis der Behandlungsdiagnosen unter der Demografieentwicklung liege. Vielmehr habe es im Zeitverlauf in allen KÄV-Bezirken deutliche Schwankungen gegeben. Zudem komme es durchaus vor, dass die diagnosebezogene Veränderungsrate unter der demografischen Veränderungsrate liege; dies sei zB im Jahr 2015 in Bremen, Hessen, Berlin und dem Saarland der Fall gewesen. § 87a Abs 4 Satz 3 SGB V fordere ausdrücklich eine gewichtete Zusammenfassung der vom BewA mitgeteilten Raten. Deshalb seien die vom BewA im Rahmen seiner Empfehlungen mitgeteilten Veränderungsraten verbindlich.

26

Die zu 8. beigeladene KÄBV teilt - ohne einen Antrag zu stellen - im Hinblick auf die Festsetzung des Orientierungspunktwertes für das Jahr 2013 in Höhe von 3,5363 Cent die Bedenken der Klägerin. Ihres Erachtens wäre der EBewA verpflichtet gewesen, die Kostenentwicklung in den Jahren 2011 und 2012 bei der Anpassung des Orientierungswertes zu berücksichtigen.

27

Ebenso sei die Bestimmung der Veränderung der Morbiditätsstruktur gemäß § 87a Abs 4 Satz 3 iVm Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB V durch das Schiedsamt rechtsfehlerhaft erfolgt. Dieses habe aufgrund von Zweifeln an der berechneten diagnosebezogenen Veränderungsrate nur die demografische Rate zugrunde gelegt; dies sei - wie das BSG bereits entschieden habe - rechtswidrig. Vielmehr hätte das Schiedsamt die diagnosebezogene Rate selbst neu bestimmen und danach beide Raten gewichtet zusammenfassen müssen.

28

Der Beklagte sei auch berechtigt, die diagnosebezogene Rate neu zu bestimmen. Gegen eine Bindungswirkung der vom BewA beschlossenen Empfehlungen der diagnosebezogenen und demografischen Veränderungsraten spreche bereits die Wendung "Empfehlungen". Das Wort "Empfehlung" bedeute, dass von den Raten abgewichen werden könne und diese - soweit erforderlich - sachgerecht neu bestimmt werden könnten. Im Übrigen könnten die Berechnungen des Instituts des BewA nur schwer als Rechtsnorm oder Allgemeinverfügung qualifiziert werden. Der BewA habe kein Mitspracherecht, sondern die Berechnungen des Instituts lediglich mitzuteilen. Das Institut des BewA verfüge über keine Legitimation zur Normsetzung. Zudem komme die Berechnung in einem formfreien Verfahren zustande, während die Rechtsordnung den Erlass von Normen ausnahmslos an die Einhaltung von Verfahrens- und Formvorschriften binde. Eine Qualifikation der Berechnungen als Allgemeinverfügung hätte zur Folge, dass diese ggf von den KÄVen mit Widerspruch und Klage angegriffen werden müssten. Auch stelle die Berechnung keine hoheitliche Maßnahme dar, sondern diene der Vorbereitung der Vertragsverhandlungen. Ein solches Verständnis der Berechnungen entspreche auch den sonstigen Aufgaben des Instituts; dieses werde grundsätzlich als Verwaltungshelfer tätig.

Entscheidungsgründe

29

Die Revision der Klägerin ist teilweise begründet. Das LSG hat die Entscheidung des beklagten Schiedsamtes zu Unrecht als rechtmäßig angesehen, soweit es die Festsetzung eines Zuschlags auf den Orientierungswert abgelehnt hat. Die Festsetzung der Veränderungsrate für die Anpassung des Behandlungsbedarfes beschwert die Klägerin jedenfalls nicht, sodass die Revision insoweit keinen Erfolg hat.

30

1. Das LSG war gemäß § 29 Abs 2 Nr 1 SGG erstinstanzlich zuständig, weil sich die Klage gegen eine Entscheidung des Landesschiedsamtes richtet.

31

Eine gegen die Entscheidung eines Schiedsamts gerichtete Klage ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs 1 iVm § 131 Abs 2 Satz 2 und Abs 3 SGG statthaft(vgl zB BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 10 mwN; BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 20; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 20). Die damit geltend gemachte Verpflichtung zum Erlass eines neuen Verwaltungsaktes berücksichtigt, dass die Festsetzung des Vertragsinhalts durch ein Schiedsamt gegenüber den Vertragspartnern ein Verwaltungsakt ist (stRspr, vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 10; BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 20; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 20).

32

2. Ein Vorverfahren war nicht durchzuführen. Aus der Eigenart der Tätigkeit des Schiedsamts, das bei der Vertragsfestsetzung an die Stelle der Vertragsparteien tritt, folgt, dass eine Überprüfung des Schiedsspruchs nur im gerichtlichen Verfahren erfolgen kann (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 21; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 21; zuletzt BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 24).

33

3. Die Klägerin wendet sich im Rahmen ihrer Angriffe gegen den Schiedsspruch inzident auch gegen die Entscheidungen des EBewA zur Festlegung des Orientierungswertes (§ 87 Abs 2e SGB V) und zur Mitteilung der Veränderungsraten für die Anpassung des Behandlungsbedarfs (§ 87a Abs 4 Satz 3 SGB V). Diesen Bedenken ist das LSG nachgegangen, hat sie aber nach umfassender Prüfung nicht für durchgreifend gehalten. Das beruht iS des § 170 Abs 1 Satz 2 SGG auf einer Verletzung von Bundesrecht; die Entscheidung erweist sich aber im Ergebnis als richtig. Entgegen der Auffassung der Klägerin und der zu 8. beigeladenen KÄBV sind weder eine KÄV noch die (Landes)Verbände der Krankenkassen berechtigt, die Rechtmäßigkeit des vom BewA bestimmten Orientierungswertes (§ 87 Abs 2e SGB V) oder die "Richtigkeit" der vom BewA bekannt gegebenen Veränderungsraten (§ 87a Abs 4 Satz 3 SGB V) im Streit über die Höhe der von den Krankenkassen zu entrichtenden Vergütung gerichtlich überprüfen zu lassen.

34

a. Nach der Rechtsprechung des Senats können einzelne Krankenkassen die von ihrem (oder sogar von einem "fremden") Landesverband ausgehandelten Gesamtvergütungsvereinbarungen grundsätzlich nicht angreifen; die Krankenkasse ist an die von "ihrem" (bzw dem nach dem "Wohnortprinzip" zuständigen) Landesverband geschlossenen Vereinbarungen gebunden, sofern diese nicht ausnahmsweise nichtig sind (vgl BSGE 95, 141 RdNr 10 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 4 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 72 RdNr 18; zuletzt BSG Beschluss vom 17.2.2016 - B 6 KA 38/15 B - Juris). Die Bindungswirkung der gesamtvertraglichen Vereinbarung schließt es aus, dass die einzelne Krankenkasse im Rechtsstreit mit der KÄV eine gerichtliche Überprüfung der Wirksamkeit dieser Vereinbarung erreichen kann. Dieser Grundsatz gilt sinngemäß auch für die Bindung an den vom BewA mit normativer Wirkung für alle Partner der Vereinbarungen nach § 87a Abs 2 SGB V festgesetzten Orientierungswert sowie an die von ihm "mitgeteilten" Veränderungsraten für die Anpassung des Behandlungsbedarfs.

35

b. Indem der Gesetzgeber dem BewA durch § 87 Abs 2e SGB V die Aufgabe übertragen hat, den Orientierungswert nach den Maßstäben des § 87 Abs 2g SGB V festzusetzen, hat er einen der beiden wesentlichen Parameter der Vergütungsvereinbarungen - nämlich die "Preiskomponente" - den regionalen Vertragspartnern (weitgehend, dh abgesehen von der Möglichkeit, Zu- und Abschläge zu vereinbaren) entzogen. Zwar haben die regionalen Vertragspartner weiterhin den Punktwert festzusetzen, doch hat dies gemäß § 87a Abs 2 Satz 1 SGB V auf der Grundlage des Orientierungswerts zu erfolgen. Liegen keine regionalen Besonderheiten vor, wird der bundeseinheitliche Orientierungswert als regionaler Punktwert übernommen. Wenn eine Gesamtvergütungsvereinbarung als solche für die davon betroffenen Körperschaften (KÄV und alle Krankenkassen) verbindlich ist, muss auch ein wesentlicher Baustein derselben einer gerichtlichen Prüfung in Streitverfahren zwischen KÄVen und Krankenkassen, die nicht an der Festsetzung des Orientierungswertes beteiligt sind, entzogen sein.

36

aa. Die Vereinbarkeit des vom EBewA festgesetzten Orientierungswertes mit höherrangigem Recht kann von den Partnern dieses Ausschusses zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden (BSGE 90, 61 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35, RdNr 19) und unterliegt der Kontrolle des Bundesministeriums für Gesundheit als zuständiger Aufsichtsbehörde (§ 87 Abs 6 SGB V). Wird die Festsetzung weder aufsichtsrechtlich beanstandet noch durch das zuständige Gericht aufgehoben, ist sie (auch) für die regionalen Vertragspartner verbindlich und kann im Rahmen von Vereinbarungen nach § 87a Abs 2 SGB V weder in Frage gestellt noch inzident gerichtlich überprüft werden. Auch im Zuge der stärkeren Regionalisierung der Vereinbarungen zur Gesamtvergütung hat der Gesetzgeber des VStG an einigen zentralen Vorgaben des BewA für die regionalen Vertragspartner festgehalten. Diese Vorgaben, von denen dem Orientierungswert nach § 87 Abs 2e die größte Bedeutung zukommt, können ihre Funktion einer Steuerung und Anleitung der regionalen Vergütungsvereinbarungen nur erfüllen, wenn sie nicht ihrerseits Gegenstand der (rechtlichen) Auseinandersetzung der regionalen Vertragspartner sind. Wegen der Doppelnatur der Entscheidungen des EBewA, die wie Schiedsamtsentscheidungen gegenüber den Partnern des Ausschusses als Verwaltungsakt ergehen und im Übrigen normative Wirkung haben (BSGE 90, 61, 62 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 202), steht nach Ablauf von Klage- und Beanstandungsfristen die Unanfechtbarkeit von Beschlüssen auf Bundesebene fest. Die damit verbundene Rechtssicherheit, die Voraussetzung für die Vergütungsvereinbarungen auf regionaler Ebene ist, könnte nicht eintreten, wenn die Rechtmäßigkeit der Festlegungen des EBewA ohne zeitliche Begrenzung in den Auseinandersetzungen auf regionaler Ebene in Frage gestellt werden könnte.

37

bb. Ein einzelnes Verfahren vor einem LSG wegen einer Schiedsamtsentscheidung, in dem ein Beteiligter die Rechtswidrigkeit einer maßgeblichen Vorgabe des BewA geltend macht, wäre geeignet, die Vereinbarungen über die Gesamtvergütungen bundesweit zu stoppen, weil und soweit eine Seite (KÄV oder Krankenkassen) sich die Möglichkeit offenhalten will bzw muss, von dem rechtskräftigen Ausgang dieses Verfahrens zu profitieren. Das widerspräche zentral der Vorstellung des Gesetzgebers, wonach unmittelbar nach Bekanntgabe der maßgeblichen Parameter durch den BewA die regionalen Vergütungsvereinbarungen für das jeweils folgende Jahr abgeschlossen werden, damit diese rechtzeitig wirksam werden können. Auch der Spielraum für Kompromisse im BewA wäre massiv eingeschränkt, wenn eine Seite, die in einer Frage nachgibt, und dafür zu einem anderen Gegenstand wichtige Zugeständnisse erreicht, damit rechnen muss, dass ihr "Nachgeben" im Zuge gerichtlicher Auseinandersetzungen von regionalen Vertragspartnern in Frage gestellt werden könnte, ohne dass auch die "Kompensation" entfällt. Dass diese Überlegung nicht nur theoretischer Natur ist, hat der Beklagte angedeutet, wenn er auf die in der Sitzung des BewA vom 22.10.2012 beschlossene basiswirksame Anhebung der MGV für eine gezielte Förderung im haus- und fachärztlichen Versorgungsbereich sowie auf die Ausgliederung der psychotherapeutischen Leistungen aus der MGV verweist, die nach seiner Einschätzung bei der Rücknahme der Klage der KÄBV gegen den hier maßgeblichen Beschluss des BewA eine Rolle gespielt haben können. Wenn diese Aspekte, was der Senat nicht zu beurteilen vermag, auch bei der Festlegung des Orientierungswertes berücksichtigt worden sein sollten, wäre es der Kompromissfindung im BewA nicht dienlich, wenn ungeachtet dieses Kompromisses ein Krankenkassenverband oder eine KÄV den ("begrabenen") Streitpunkt erneut streitig stellen könnte.

38

c. Die Verbindlichkeit der Vorgaben des BewA erfasst nicht nur den Orientierungswert, sondern auch die für die Anpassung des Behandlungsbedarfs nach § 87a Abs 4 Satz 1 SGB V maßgeblichen Veränderungsraten. Schon deshalb kann die Klägerin mit ihrem Begehren nicht durchdringen, der Beklagte müsse die Veränderungsrate höher als mit 0,43 % festsetzen. Eine solche Festsetzung wäre rechtswidrig.

39

aa. Als Teil der gemäß § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V jährlich zu treffenden Gesamtvergütungsvereinbarung haben die Vertragspartner - bzw das Schiedsamt - den mit der Zahl und der Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundenen Behandlungsbedarf als Punktzahlvolumen auf der Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für die ärztlichen Leistungen (EBM-Ä) zu vereinbaren(§ 87a Abs 3 Satz 2 Teilsatz 1 SGB V). Grundlage für die Vereinbarung über die jährliche Anpassung des Behandlungsbedarfs - jeweils aufsetzend auf dem insgesamt für alle Versicherten mit Wohnort im Bezirk einer KÄV für das Vorjahr nach § 87a Abs 3 SGB V vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf - sind gemäß § 87a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V insbesondere Veränderungen der dort aufgeführten Kriterien (Zahl und Morbiditätsstruktur der Versicherten, Veränderungen von Art und Umfang der ärztlichen Leistungen als Folge von Beschlüssen des GBA, Veränderungen des Leistungsumfangs aufgrund von Verlagerungen zwischen den Leistungssektoren bzw aufgrund der Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven). Dabei sind die Empfehlungen und Vorgaben des BewA gemäß § 87a Abs 5 SGB V zu berücksichtigen(§ 87a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V).

40

Die jeweils jahresbezogene Veränderung der Morbiditätsstruktur im Bezirk einer KÄV ist auf der Grundlage der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen gemäß § 295 Abs 1 Satz 2 SGB V einerseits sowie auf der Grundlage demografischer Kriterien (Alter und Geschlecht) andererseits durch eine gewichtete Zusammenfassung der vom BewA als Empfehlungen nach § 87a Abs 5 Satz 2 bis 4 SGB V mitgeteilten Raten zu vereinbaren(§ 87a Abs 4 Satz 3 SGB V; s hierzu BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 58 ff). Nach § 87a Abs 5 Satz 1 SGB V hat der BewA ua Empfehlungen zur Vereinbarung von Veränderungen der Morbiditätsstruktur nach § 87a Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB V zu beschließen(§ 87a Abs 5 Satz 1 SGB V). Gemäß § 87a Abs 5 Satz 3 SGB V hat das Institut des BewA für jeden Bezirk einer KÄV zwei einheitliche Veränderungsraten zu errechnen, wobei eine Rate insbesondere auf den Behandlungsdiagnosen gemäß § 295 Abs 1 Satz 2 SGB V und die andere Rate auf demografischen Kriterien (Alter, Geschlecht) basiert; das Ergebnis dieser Ermittlungen hat der BewA den Vertragspartnern mitzuteilen (§ 87a Abs 5 Satz 2 SGB V). Die Veränderungsraten werden auf der Grundlage des Beschlusses des EBewA vom 2.9.2009 Teil B Nr 2.3 bestimmt mit der Maßgabe, die Datengrundlage zu aktualisieren (§ 87a Abs 5 Satz 4 SGB V). Die Raten sind als Empfehlung zur Morbiditätsrate an die regionalen Vertragspartner anzusehen; bundesweite Daten sind lediglich für den Fall heranzuziehen, dass KÄV-spezifische Diagnosedaten nicht vorliegen (Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG), BT-Drucks 17/6906 S 64 zu § 87a Abs 5 SGB V).

41

bb. Der BewA hat mit Beschluss aus seiner 288. Sitzung am 22.10.2012 (DÄ 2012, A 2322) für das Jahr 2013 als Veränderungsrate auf der Grundlage der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen nach § 87a Abs 5 Satz 3 SGB V für den KÄV-Bezirk Bayerns einen Wert in Höhe von 0,1061 %(Nr 1 aaO) und als Veränderungsrate auf der Grundlage demografischer Kriterien nach § 87a Abs 5 Satz 3 SGB V für den KÄV-Bezirk Bayerns einen Wert in Höhe von 0,4233 %(Nr 2 aaO) empfohlen. In den entscheidungserheblichen Gründen hierzu heißt es, die Veränderungsraten seien vom Institut des BewA auf der Basis des Beschlusses des EBewA in seiner 29. Sitzung vom 19./25.6.2012 und der Änderung durch die 288. Sitzung des BewA iVm dem Beschluss des EBewA in seiner 30. Sitzung vom 15.8.2012 und dem Beschluss des BewA in seiner 283. Sitzung vom 30.8.2012 zur Korrektur von festgestellten Lücken in der Datengrundlage bei der Ermittlung der diagnosebezogenen bzw demografischen Veränderungsrate für das Jahr 2013 je Bezirk einer KÄV ermittelt worden.

42

cc. Diese Vorgaben hat der Beklagte jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin umgesetzt. Seine Entscheidung, wegen der Zweifel an der Validität der vom BewA mit 0,1061 % für Bayern mitgeteilten Veränderungsrate für die Diagnosen diese Rate ganz außer Betracht zu lassen und nur die mit 0,43 % höhere Rate wegen der demografischen Änderungen anzusetzen, steht mit Bundesrecht nicht in Einklang. Wie die früheren Vorgaben des BewA für die regionalen Vertragspartner nach dem bis Ende 2012 geltenden Recht verbindlich waren (vgl hierzu BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 35 ff), dürfen diese auch die "Empfehlungen" des BewA nach § 87a Abs 5 Satz 3 SGB V nicht überspielen, sondern sind daran gebunden. Das folgt nicht ohne Weiteres aus der Wendung "Empfehlungen", wohl aber aus der Formulierung des § 87a Abs 4 Satz 3 SGB V; danach sind die jahresbezogenen Veränderungen "… durch eine gewichtete Zusammenfassung der vom BewA als Empfehlungen … mitgeteilten Raten zu vereinbaren". Damit ist der Spielraum der Vertragspartner auf die "Gewichtung" beschränkt, die bereits Gegenstand des Senatsurteils vom 13.8.2014 (BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 58 ff) war; er umfasst nicht das Recht, die "mitgeilten Raten" oder deren Richtigkeit in Frage zu stellen.

43

dd. Der Gesetzgeber hat mit dem GKV-VStG die Kompetenzen des BewA zugunsten der regionalen Abweichungsspielräume (weitgehend) auf Empfehlungen beschränkt (Gesetzesbegründung zum GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S 64 zu § 87a Abs 5 SGB V). Daraus ist der Schluss gezogen worden, dass diese Empfehlungen für die Vereinbarungen auf regionaler Ebene nicht mehr verbindlich sind (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand August 2016, § 87a RdNr 105 unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung zu § 87a Abs 3 SGB V, BT-Drucks 17/6906 S 63). Nach Motz (in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl 2016, § 87a RdNr 32)sind die Empfehlungen nicht verbindlich, aber zu berücksichtigen. Von einer "Berücksichtigung" gehen Scholz (in Becker/Kingreen, SGB V, 5. Aufl 2017, § 87a RdNr 8)sowie Freundenberg (in JurisPraxiskommentar-SGB V, 3. Aufl 2016 § 87a RdNr 122)aus. Sproll (in Krauskopf, SGB V, § 87a RdNr 43, Stand Dezember 2015)sieht in der "Unverbindlichkeit" hingegen lediglich eine "untechnische Beschreibung des neuen Konzepts"; dies könne nicht in dem Sinne verstanden werden, dass die Beachtung der Empfehlungen im Belieben der Vertragspartner stehe. Eine generelle Entscheidung zur Verbindlichkeit der "Empfehlungen" iS des § 87a Abs 5 SGB V ist angesichts der Vielzahl der Sachverhalte und Kriterien, die unter diesem Sammelbegriff vom BewA festgelegt werden können, kaum möglich und hier nicht geboten. Aus systematischen Gründen sind jedenfalls zumindest die den regionalen Vertragspartnern mitgeteilten Veränderungsraten iS des § 87a Abs 5 Satz 3 und 4 SGB V für diese verbindlich und einer gerichtlichen Inzidentprüfung im Streit dieser Vertragspartner nicht zugänglich.

44

ee. Nach Satz 3 aaO "errechnet das Institut des Bewertungsausschusses … für jeden Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung zwei einheitliche Veränderungsraten …". Nach Satz 4 werden diese Raten "bestimmt" auf der Grundlage des Beschlusses des EBewA vom 2.9.2009 mit der Maßgabe, die Datengrundlagen zu aktualisieren. Zudem gibt das Gesetz vor, dass zur Ermittlung der diagnosebezogenen Rate das geltende Modell des Klassifikationsverfahrens anzuwenden ist (§ 87a Abs 5 Satz 5 SGB V); der BewA kann dieses Modell in bestimmten Zeitabständen auf seine weitere Eignung überprüfen und fortentwickeln (§ 87a Abs 5 Satz 6 SGB V). Das im Gesetz erwähnte "Klassifikationsverfahren" meint die im Beschluss des BewA unter Teil B Nr 2.3.1 Ziff 2 vorgesehene und von dessen Institut angepasste Variante H (Gesetzesbegründung zum GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S 64 zu § 87a Abs 5 SGB V).

45

Schon die Wendung "bestimmt" in Satz 4 sowie die verbindliche Vorgabe eines Ermittlungsmodells und dessen Aktualisierung lassen erkennen, dass der BewA und sein Institut hier nicht lediglich als technische Helfer der regionalen Vertragspartner tätig werden, sondern ihnen zur Sicherung eines bundesweit einheitlichen Ermittlungsverfahrens eine verbindliche Feststellung zugewiesen wird. Wenn der BewA auf der Grundlage von Berechnungen seines Instituts sodann die Ergebnisse in Gestalt von zwei Raten den regionalen Vertragspartnern nach § 87a Abs 4 Satz 3 "mitteilt", stellt das einen Akt der Normsetzung dar, an den die Vertragspartner gebunden sind. Die "Mitteilung" von in einem bestimmten, gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren berechneten Raten für jeden KÄV-Bezirk erfolgt durch den BewA, nicht durch das Institut selbst. Die Wendung in Abs 4 Satz 3, die Raten würden "als Empfehlungen nach Abs. 5 Satz 2 bis 4" mitgeteilt, verweist lediglich auf die Eingangswendung des Abs 5, in der pauschal von "Empfehlungen" die Rede ist, ohne dass ihr ein weitergehender Regelungsgehalt entnommen werden könnte. Wenn der Gesetzgeber die Ermittlung der für den Behandlungsbedarf maßgeblichen Veränderungsraten allein dem BewA zuweist und keine Vorgaben für den Fall normiert, dass die regionalen Vertragspartner - oder im Streitfall das Schiedsamt - von diesen Raten abweichen wollen, legt das den Schluss nahe, dass solche Abweichungen nicht vorgesehen sind.

46

Die Veränderungsraten können Verwerfungen im KÄV-System in der Form bewirken, dass je nach Rechenmodell oder Datenqualität regional höhere oder niedrigere Werte ermittelt oder festgestellt werden. Wegen der Auswirkungen der Raten auf den Behandlungsbedarf und damit unmittelbar auch auf die Höhe der Gesamtvergütung können Anreize für einen "Wettbewerb" der KÄVen untereinander um die höchsten (vereinbarten oder vom Schiedsamt festgesetzten) Veränderungsraten ausgehen, der unerwünscht ist. Deshalb ist es systematisch konsequent, dass die eigentlichen Verhandlungen über die Höhe der Gesamtvergütung vom Streit um die "richtigen" Veränderungsraten im jeweiligen KÄV-Bezirk entlastet werden, eben weil deren Festsetzung für alle KÄV-Bezirke in gleicher Weise verbindlich durch den BewA erfolgt. Soweit in § 87a Abs 5 Satz 4 SGB V bestimmt ist, dass die Raten nach einem bestimmten, vom BewA 2009 beschlossenen Modell berechnet werden, ist es sachgerecht, dass die Umsetzung dieses Rechenmodells auf die einzelnen KÄVen auch einheitlich auf Bundesebene erfolgt. Damit wird von vornherein ausgeschlossen, dass sich ein - potenzieller - Streit um die Auslegung oder Anwendung dieses Beschlusses des BewA regional auswirken kann. Dies hat auch deshalb Bedeutung, weil etwa die niedrige diagnosebezogene Veränderungsrate, die hier umstritten ist, nach Auffassung der Klägerin nicht auf zufällige Fehler in der Berechnungsweise zurückzuführen sein soll, sondern die in Zweifel gezogenen Werte auf das vom BewA zugrunde gelegte Berechnungsverfahren zurückzuführen seien.

47

ff. Der BewA als Normgeber des in Satz 4 aaO genannten Beschlusses zieht für jedes Jahr auf der Basis der Berechnungen seines Instituts die Konsequenzen daraus in Gestalt der veröffentlichten Veränderungsraten. Diese werden wie jeder andere Beschluss des BewA nach Ablauf von Klage- und aufsichtsrechtlichen Beanstandungsfristen verbindlich und als solche den KÄVen mitgeteilt. Für eine Abweichung von diesen Raten ist innerhalb dieses geschlossenen Systems kein Raum, schon weil nicht ansatzweise gesetzlich geregelt ist, nach welchem objektiven und transparenten Verfahren die maßgeblichen Veränderungsraten auf regionaler Ebene ermittelt werden sollten, wenn die Vertragspartner oder das Schiedsamt der Auffassung sind, die für ihren Zuständigkeitsbereich auf Bundesebene mitgeteilten Raten seien "falsch". Soweit insbesondere die zu 8. beigeladene KÄBV davon ausgeht, die nach § 87a Abs 5 Satz 3 SGB V vom Institut des BewA "errechneten" Zahlen seien nicht Teil der Normsetzung des BewA, folgt der Senat dem nicht. Die Verantwortung für die von ihm nach § 87a Abs 4 Satz 3 SGB V "als Empfehlungen mitgeteilten Raten" hat "der" BewA, nicht sein Institut. Das Gesetz gibt in § 87a Abs 5 Satz 3 SGB V lediglich vor, wie und durch wen aus welchen Daten die maßgeblichen Raten ermittelt werden, schafft aber keinen von gerichtlichen Kontrollen freien Bereich. Die gerichtliche Kontrolle sog zahlenförmiger Normen im Bereich der Sozialversicherung erfolgt nach den vom Senat in den Urteilen vom 28.5.2008 entwickelten Maßstäben (BSGE 100, 254 = SozR 4-2500 § 85 Nr 42, RdNr 18 f). Die Rechenergebnisse des Instituts bewegen sich nicht im rechtsfreien Raum. Im Fall einer Klage einer der Partner des BewA gegen den Empfehlungsbeschluss des EBewA nach § 87a Abs 5 SGB V können auch die Berechnungsgrundlagen und die Berechnungsergebnisse des Instituts überprüft werden. Im hier maßgeblichen Kontext ist allein von Bedeutung, dass eine solche Prüfung nicht auf regionaler Ebene als Inzidentkontrolle, sondern nur auf Bundesebene zentral erfolgen kann.

48

Wenn der Gesetzgeber die Entwicklung der Morbidität nicht der freien Einschätzung der Vertragspartner überlässt, sondern zu deren Ermittlung detaillierte Vorgaben macht und den BewA insoweit für zuständig erklärt, bedürfte es klarer Hinweise im Gesetz, dass mögliche Konflikte um die "richtige" Ermittlung der Raten nicht (abschließend) auf Bundesebene geklärt werden sollen, sondern zusätzlich die Veränderungsraten in allen regionalen Verhandlungen in Frage gestellt werden können. Für einen solchen Bruch mit der Verteilung der Kompetenzen zwischen der Bundes- und der KÄV-Ebene reicht der allgemeine Hinweis auf das Wort "Empfehlungen" nicht aus. "Empfehlungen" generell können die Vertragspartner beachten, berücksichtigen oder deutlich modifizieren; bei errechneten Veränderungsraten als Basis für Vereinbarungen zum Behandlungsbedarf ist dafür kein Raum. Die Veränderung der Morbiditätsstruktur ist nach § 87a Abs 4 Satz 3 SGB V "durch eine gewichtete Zusammenfassung der vom Bewertungsausschuss … mitgeteilten Raten" zu vereinbaren. Diese Raten sind also nicht zu berücksichtigen oder zu beachten, sondern sie sind die Basis der Vereinbarungen. Wenn diese Basis in Frage gestellt werden könnte, entfiele der Rahmen für jede Form von Gewichtung, die der Gesetzgeber vorschreibt. Die "mitgeteilten Veränderungsraten" können ihrer Natur nach nicht ausgelegt oder als mehr oder weniger wichtiger Anhaltspunkt für weitergehende Gestaltungen herangezogen werden: sie sind entweder verbindlich oder ihre Richtigkeit muss im Streitfall geklärt werden. § 87a Abs 4 SGB V liegt die Konzeption zugrunde, dass die Richtigkeit des Rechenergebnisses auf Bundesebene - gegebenenfalls auch gerichtlich - überprüft werden kann, wenn eine solche Klärung aber erfolgt oder nicht eingeleitet worden ist, stehen die Raten fest und sind nicht mehr Gegenstand der Auseinandersetzungen der Partner der Gesamtverträge.

49

gg. Deshalb war hier das beklagte Schiedsamt an die vom BewA mitgeteilten Veränderungsraten für beide Komponenten (Diagnosen und Demografie) gebunden; es hätte deshalb die von ihm für unplausibel gehaltene Raten von 0,1061 % für die Diagnosen nicht außer Betracht lassen dürfen. Ob eine Gewichtung mit einem Wert in der Nähe von Null, wie sie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung angesprochen hat, den Vorgaben des insoweit nach wie vor maßgeblichen Senatsurteils vom 13.8.2014 (BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 57 ff) noch entsprochen hätte, liegt nicht nahe, bedarf aber keiner Entscheidung. Oberhalb der mitgeteilten Veränderungsrate wegen der demografischen Entwicklung von 0,43 % darf der Anstieg des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs jedenfalls nicht festgesetzt werden, und allein darauf ist die Revision der Klägerin gerichtet.

50

4. Die vom LSG gebilligte Entscheidung des beklagten Schiedsamtes, keine Zuschläge zum Orientierungswert nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V festzusetzen, hält dagegen der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Das beruht allerdings entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darauf, dass feststehe, dass in ihrem Bezirk die Voraussetzungen für die Anwendung der Zuschlagsregelung so offensichtlich erfüllt seien, dass die Weigerung zur Festsetzung von Zuschlägen ermessensfehlerhaft wäre. Mit Bundesrecht unvereinbar ist allein die Auffassung des Beklagten, für die Prüfung, ob von § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V Gebrauch gemacht werden könne, sei der Grundsatz der Vorjahresanknüpfung maßgeblich, sodass nur auf Kostensteigerung zwischen 2010 und 2011 bzw 2011 und 2012 abgestellt werden könne. Das trifft nicht zu, und deshalb hat der Beklagte die ihm (auch) bei Anwendung des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V zukommende Gestaltungsfreiheit nicht wahrgenommen und - für sich genommen konsequent - seine Entscheidung zu den Zuschlägen auch nicht in einer den Vorgaben des § 35 SGB X entsprechenden Weise begründet.

51

a. Dem Schiedsamt kommt nach der Rechtsprechung des BSG bei der Festsetzung des Inhalts eines Gesamtvertrages über die vertrags(zahn)ärztliche Vergütung gemäß § 89 Abs 1 SGB V ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Seine Vertragsgestaltungsfreiheit, die der gerichtlichen Nachprüfung Grenzen setzt, ist nicht geringer als diejenige der Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlungen erzielten Vereinbarung (stRspr des BSG, vgl BSGE 20, 74, 76 f = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 20 S 131; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 25; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13 mwN; BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 27; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 36; BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 26).

52

Die Schiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien auf Interessenausgleich angelegt und haben Kompromisscharakter (stRspr, vgl aus jüngerer Zeit BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 36; BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 58; BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 26). Schiedssprüche nach § 89 SGB V unterliegen insoweit - auf Anfechtung der Gesamtvertragsparteien hin - nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle(stRspr des BSG, vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11 mwN; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 36; BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 58; BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 26). Sie sind nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Sicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben (stRspr des BSG, vgl zB BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11; zuletzt BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 26). Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsamt zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft, ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh insbesondere die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet hat, die auch für die Vertragsparteien gelten (stRspr des BSG, vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13; BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 58; BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 26; s auch BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 36).

53

Die gerichtliche Kontrolle ist darüber hinaus eingeschränkt, soweit die rechtlichen Vorgaben ihrerseits den Gesamtvertragsparteien - und bei einer vertragssubstituierenden Entscheidung dem Schiedsamt - einen Beurteilungsspielraum einräumen (Wenner in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl 2016, § 89 RdNr 24). Das gilt nicht allein für Beurteilungsspielräume, sondern sinngemäß auch dann, wenn den Vertragsparteien ein Handlungsermessen eingeräumt wird. Die Maßstäbe, die an die Überprüfung einer obligatorischen Entscheidung angelegt werden, können nicht dieselben sein wie diejenigen, die bei der Überprüfung einer lediglich fakultativ zu treffenden Entscheidung zum Tragen kommen. Wenn der Gesetzgeber - wie vorliegend - den Vertragspartnern die Vereinbarung von Punktwertzuschlägen nicht verbindlich vorschreibt, sondern es in deren Ermessen stellt, ob sie das Vorliegen von Unterschieden in der Kosten- und Versorgungsstruktur zum Anlass nehmen, einen Zuschlag zu vereinbaren, dann muss sich dieser Umstand auch bei der Überprüfung der durch das Schiedsamt erfolgten Festsetzung in einer verringerten Kontrolldichte niederschlagen. Da auch fakultative Vereinbarungen Gegenstand eines Schiedsspruchs sein können (vgl Düring/Schnapp in Schnapp/Düring, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl 2016, Kap A RdNr 71 ff mwN), würde andernfalls aus einer "Kann"-Regelung eine im Gesetz nicht vorgesehene "Muss"-Regelung: Dies wäre der Fall, wenn Prüfungsmaßstab allein das objektive Vorliegen von Unterschieden in der Kosten- und Versorgungsstruktur wäre.

54

b. Nach diesen Vorgaben ist der Schiedsspruch nur insoweit zu beanstanden, als es der Beklagte abgelehnt hat, einen Zuschlag auf den Orientierungswert festzusetzen und diese Entscheidung nicht hinreichend begründet hat.

55

aa. Rechtsgrundlage der Gewährung eines Zuschlages ist § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V(in der ab 1.1.2012 geltenden Fassung des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Nach § 87a Abs 2 Satz 1 SGB V haben die KÄV und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich auf der Grundlage des Orientierungswertes gemäß § 87 Abs 2e SGB V einen Punktwert zu vereinbaren, der zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen im Folgejahr anzuwenden ist. § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V ermächtigt die genannten Vertragspartner, "dabei" - also im Rahmen der Vereinbarung des Punktwerts - einen Zuschlag auf den oder einen Abschlag von dem Orientierungswert gemäß § 87 Abs 2e SGB V zu vereinbaren, um insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist "diese regionale Differenzierung … erforderlich, da sich zwischen den Ländern Unterschiede der für Arztpraxen relevanten Kostenstrukturen (wie zB Lohn- und Gehaltsniveau der Praxisangestellten, Mietniveau etc) ebenso wie Unterschiede bei der Versorgungsstruktur (zB Behandlungsfälle, haus- versus fachärztliche Angebotsstrukturen) feststellen lassen" (FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 119 zu § 85a Abs 2 SGB V).

56

(1) Die Vereinbarung von Zuschlägen nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V ist nicht obligatorischer, sondern fakultativer Teil der Vereinbarung nach § 87a Abs 2 SGB V. Die Regelung enthält keine Verpflichtung, sondern eine Ermächtigung an die Vertragspartner, Zuschläge zu vereinbaren: Sie ist damit primär als Befugniszuweisungsnorm zu werten, welche die Vertragspartner zu einer Abweichung von dem Orientierungswert berechtigt, der wiederum entsprechend der gesetzlichen Vorgabe (§ 87a Abs 2 Satz 1 SGB V) "die Grundlage" der regionalen Punktwert-Vereinbarung bildet. § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V ist - wie schon der Wortlaut "können" nahelegt - zugleich auch als Ermessensnorm zu verstehen, die den Vertragspartnern ein Handlungsermessen einräumt: Auch bei Vorliegen regionaler Besonderheiten besteht keine Verpflichtung zur Vereinbarung von Zuschlägen, sondern lediglich eine Verpflichtung, im Rahmen der an eine Ermessensausübung zu stellenden Anforderungen pflichtgemäß zu entscheiden. Ungeachtet des fakultativen Charakters der Regelung hat nach der Rechtsprechung des Senats (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 27 - zur Vergütung von Leistungen außerhalb der Gesamtvergütungen; BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 41 - zur Vereinbarung von Zuschlägen) jede der Vertragsparteien die Möglichkeit, eine entsprechende Vereinbarung über das Schiedsamt nach § 89 Abs 1 SGB V zu erreichen(aA noch LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 15.12.2010 - L 7 KA 62/09 KL - Juris RdNr 58 = KRS 10.089). Dieses hat die Befugnis, auch fakultative Vertragsbestandteile festzusetzen (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 27; BSG Beschluss vom 28.10.2015 - B 6 KA 35/15 B - Juris RdNr 17).

57

(2) Ausdrückliche Vorgaben für die Vereinbarung von Zu- und Abschlägen enthält das Gesetz nicht:

58

(a) Nach dem bis Ende 2011 geltenden Recht (§ 87a Abs 2 Satz 3 SGB V aF) waren bei der Vereinbarung von Zu- und Abschlägen zwingend die Vorgaben des BewA gemäß § 87 Abs 2f SGB V aF anzuwenden(s hierzu BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 34, 70 f), um eine bundeseinheitliche Anwendung dieser Regelung sicherzustellen (FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 129 zu § 87 Abs 2f SGB V). Durch § 87 Abs 2f Satz 1 SGB V aF war dem BewA die Aufgabe übertragen worden, jährlich bis zum 31.8. Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V festzulegen, auf deren Grundlage in den regionalen Punktwertvereinbarungen von den Orientierungswerten abgewichen werden konnte. Der BewA konnte die zur Festlegung der Indikatoren erforderlichen Datenerhebungen und -auswertungen gemäß § 87 Abs 3f Satz 3 SGB V durchführen und hatte dabei - soweit möglich - amtliche Indikatoren zugrunde zu legen(§ 87 Abs 2f Satz 2 SGB V aF). Als Indikatoren für das Vorliegen von regionalen Besonderheiten bei der Versorgungsstruktur dienten insbesondere Indikatoren, die Abweichungen der regionalen Fallzahlentwicklung von der bundesdurchschnittlichen Fallzahlentwicklung messen (Satz 3 aaO). Als Indikatoren für das Vorliegen von regionalen Besonderheiten bei der Kostenstruktur dienten insbesondere Indikatoren, die Abweichungen der für die Arztpraxen maßgeblichen regionalen Investitions- und Betriebskosten von den entsprechenden bundesdurchschnittlichen Kosten messen (Satz 4 aaO).

59

Das Fehlen entsprechender Vorgaben stand allerdings der Vereinbarung von Zu- und Abschlägen nicht entgegen (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 34; BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 78): Der BewA sah sich zu entsprechenden Vorgaben erklärtermaßen nicht in der Lage. So hat der EBewA in Teil C Nr 1 und 2 seines Beschlusses vom 27./28.8.2008 (DÄ 2008 S A 1990) festgestellt, dass er keine Indikatoren zu regionalen Besonderheiten in den Kosten- und Versorgungsstrukturen zwischen den Bezirken der KÄVen definieren könne, die eine regionale Anpassung der Orientierungswerte aufgrund von Unterschieden in der Versorgungsstruktur rechtfertigen würden (s hierzu BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 5 RdNr 25). Die bundesgesetzlichen Vorgaben sind mit Wirkung zum 1.1.2012 "zur Stärkung der regionalen Kompetenzen der Vereinbarungen zwischen der KÄV und den Landesverbänden der Krankenkassen" aufgehoben worden (RegE GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S 61 zu § 87 Abs 2f SGB V aF).

60

(b) Nach dem hier maßgeblichen, ab 1.1.2012 geltenden Recht beschränken sich die gesetzlichen Vorgaben für die Gewährung eines Zuschlags darauf, als sachlichen Grund für die Vereinbarung von Zuschlägen (sowie Abschlägen) - insbesondere - die Berücksichtigung "regionaler Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur" anzuführen.

61

(aa) Mit den Begriffen "Kosten- und Versorgungsstruktur" macht der Gesetzgeber deutlich, dass es nicht allein auf ein von anderen KÄV-Bezirken abweichendes Kostenniveau ankommt, sondern auch Besonderheiten in der "Versorgungsstruktur" eine Rolle spielen. Was unter den Begriffen zu verstehen ist, lässt sich der Gesetzesbegründung entnehmen. Danach meint der Begriff der für Arztpraxen relevanten "Kostenstrukturen" zB das Lohn- und Gehaltsniveau der Praxisangestellten, das Mietniveau etc, der Begriff der "Versorgungsstruktur" hingegen zB "Behandlungsfälle, haus- versus fachärztliche Angebotsstrukturen" (FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 119 zu § 85a Abs 2 SGB V).

62

Der Begriff "Kostenstruktur" wird damit ohne Weiteres nachvollziehbar. Zu seiner Auslegung können im Übrigen die nach früherem Recht vorgegebenen Indikatoren herangezogen werden. Gemäß § 87 Abs 2f Satz 4 SGB V aF dienten als Indikatoren für das Vorliegen von regionalen Besonderheiten bei der Kostenstruktur insbesondere Indikatoren, die Abweichungen der für die Arztpraxen maßgeblichen regionalen Investitions- und Betriebskosten von den entsprechenden bundesdurchschnittlichen Kosten messen.

63

Für den Begriff "Versorgungsstruktur" gilt dies nicht im gleichen Maße. Gemäß § 87 Abs 2f Satz 3 SGB V aF dienten als Indikatoren für das Vorliegen von regionalen Besonderheiten bei der Versorgungsstruktur insbesondere solche, die Abweichungen der regionalen Fallzahlentwicklung von der bundesdurchschnittlichen Fallzahlentwicklung messen. Nach Auffassung der Gesetzesbegründung waren die Unterschiede bei der Fallzahlentwicklung in den Regionen deshalb relevant, weil die Entwicklung der Fallzahlen im Zeitablauf gemäß § 87 Abs 2g Nr 3 SGB V eines der Kriterien ist, das bei der jährlichen Anpassung der Orientierungswerte durch den BewA zu berücksichtigen ist(FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 129). Zur Messung einer signifikant abweichenden regionalen Fallzahlentwicklung biete sich zB an, dass der BewA einen Schwellenwert festlege, ab dessen Überschreitung auf der regionalen Ebene mit einer Punktwertabweichung vom bundesweiten Orientierungsniveau reagiert wurde (FraktE GKV-WSG aaO).

64

Der Hinweis auf § 87 Abs 2g Nr 3 SGB V verdeutlicht, dass regionale Abweichungen in der Kosten- und Versorgungsstruktur durchaus gegenläufig sein können und insbesondere der "Versorgungstruktur" eine in der Tendenz eher "abschmelzende" Wirkung zukommen soll: Nach § 87 Abs 2g Nr 3 SGB V ist nämlich gerade die allgemeine Kostendegression bei Fallzahlsteigerungen (mindernd) zu berücksichtigen. Welche weiteren Aspekte unter dem Begriff der "Versorgungsstruktur" von Bedeutung sein können, ob also etwa in Flächenstaaten mit Versorgungslücken "Sonderzahlungen" an niederlassungswillige (Land-)Ärzte einen Zuschlag rechtfertigen könnten, kann hier ebenso offenbleiben wie die tendenziell gegenläufige Vorstellung, ein Überangebot an Leistungserbringern (also eine "Überversorgung") sei als eine Besonderheit der Versorgungsstruktur zu werten, die eher eine Absenkung des Vergütungsniveaus nahelegt (zu den Maßstäben bei Anwendung des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V näher Senatsurteil B 6 KA 5/16 R vom heutigen Tag<10.5.2017>). Der Beklagte hat sich nämlich mit den von der Klägerin dargestellten Abweichungen zwischen Bayern und dem übrigen Bundesgebiet hinsichtlich der Kostenstruktur deshalb nur unzureichend auseinandergesetzt, weil er davon ausging, nur solche Kostensteigerung berücksichtigen zu dürfen, die von 2010 auf 2011 bzw von 2011 auf 2012 eingetreten sind. Das trifft indessen nicht zu.

65

bb. Der Grundsatz der sog Vorjahresanknüpfung gilt für die Vereinbarung von Zu- und Abschlägen nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V nicht.

66

Der Senat hat in seinem Urteil vom 13.8.2014 (BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 43) dargelegt, dass für die Vereinbarung der Gesamtvergütungen ab dem Jahr 2013 generell und speziell auch für die jahresbezogene Veränderung der Morbiditätsstruktur das Prinzip der Vorjahresanknüpfung gilt, dass also grundsätzlich an die vorjährige Vereinbarung anzuknüpfen ist. Für die auf § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V beruhende Vereinbarung von Zu- und Abschlägen auf den Orientierungswert sieht das Gesetz dagegen ausdrücklich keine Anpassung auf der Basis eines Vorjahreswertes vor; das gilt sowohl für die Fassung der Vorschrift in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung, zu der das Senatsurteil vom 21.3.2012 (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1) ergangen ist, wie für die ab dem 1.1.2012 geltende Fassung, die für das Urteil vom 13.8.2014 und auch für die jetzige Entscheidung maßgeblich ist. Daran ist festzuhalten. Die Regelung über die Zu- und Abschläge auf den Orientierungswert passt systematisch nicht zum Grundsatz der Vorjahresanknüpfung, weil sie gerade Entwicklungen im Bereich der Kosten der Praxisführung Rechnung tragen will und soll, die sich über die letzten Jahre entwickelt haben. In der Gesetzesbegründung ist dazu ausgeführt, "zwischen den Ländern (ließen sich) Unterschiede der für die Arztpraxen relevanten Kostenstrukturen … feststellen" (BT-Drucks 16/3100 S 119). Wenn beabsichtigt gewesen wäre, dem nur insoweit Rechnung zu tragen, als diese Entwicklung sich künftig verstärkt, hätte diese im Gesetz oder zumindest in der Begründung des Gesetzentwurfs angedeutet werden müssen. Schon der pauschale Hinweis auf die "feststellbaren Unterschiede" in der Gesetzesbegründung wäre dann irreführend gewesen, weil er - ohne Belege, weil offenbar auf Evidenz basierend - auf die offensichtlichen Unterschiede im Mietniveau zB zwischen Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern Bezug nimmt. Im Sinne der Auffassung insbesondere der Beigeladenen zu 1. hätte aber allein auf die aktuellen Steigerungswerte Bezug genommen werden müssen: Ob die Mieten für Arztpraxen in Hamburg im Jahr 2012 doppelt so hoch waren wie in Mecklenburg-Vorpommern, wäre gleichgültig gewesen, weil allein maßgeblich hätte sein müssen, ob die Steigerung von 2011 auf 2012 in Hamburg höher als dort gewesen wäre. Damit käme die Regelung über Zuschläge im Hinblick auf besondere Kostenstrukturen nur für Bezirke zur Anwendung, in denen in den allerletzten Jahren beim Mietniveau besondere Anstiege zu verzeichnen sind. Es liegt sehr fern, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der aus der Perspektive der gewollten Regionalisierung der Vergütungsvereinbarungen durch das VStG sehr wichtigen Zu- und Abschlagsregelung so stark verengen wollte.

67

Deshalb dürfen die Vertragspartner bei Anwendung des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V auch über die Jahre gewachsene Differenzen etwa hinsichtlich der für vertragsärztliche Praxen wichtigen Kostenfaktoren (zB Gehälter, Mieten, IT-Dienstleistungen) zwischen ihrem Bezirk und dem gesamten Bundesgebiet berücksichtigen. Entsprechend gilt für das Schiedsamt, dass es sich dieser Option bewusst sein und für erforderlich gehaltenen Vortrag der Beteiligten oder eigene Maßnahmen der Sachaufklärung daran ausrichten muss. Das hat der Beklagte ausdrücklich nicht getan, und insoweit liegt nach den Erläuterungen seines Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung auch kein bloßes Defizit des schriftlichen Begründungstextes vor. Deshalb kann seine Entscheidung insoweit nicht bei Bestand bleiben; der Beklagte muss neu über die Anwendung des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V für das Jahr 2013 entscheiden.

68

Nicht zu beanstanden, sondern gesetzlich geboten ist, wenn der Beklagte - wie bei seiner jetzt teilweise aufgehobenen Entscheidung - den gesamten KÄV-Bezirk in den Blick nimmt und sich nicht allein von den offensichtlichen Abweichungen etwa zwischen den Mietkosten in München und im Bundesdurchschnitt leiten lässt. Im Übrigen ist der Gestaltungsspielraum des Schiedsamtes bei Anwendung des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V nicht dahin verengt, dass jeder noch so geringfügigen Abweichung auf der Kostenseite zwischen einem KÄV-Bezirk und dem Bundesdurchschnitt Rechnung getragen werden müsste. Dagegen spricht schon, dass auch die Versorgungsstrukturen als wichtiges Kriterium für Zu- oder Abschläge in den Blick zu nehmen sind. So hat etwa das im Verfahren B 6 KA 5/16 R (Urteil des Senats vom heutigen Tag) beklagte Schiedsamt für Hamburg zutreffend auf die Attraktivität dieses KÄV-Bezirks hingewiesen, die auch in einer flächendeckenden Überversorgung mit Vertragsärzten aller Fachrichtungen zum Ausdruck komme. Zudem zielt § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V nicht auf eine vollständige und exakte Angleichung der Ertragschancen vertragsärztlicher Praxen in allen Bundesländern, wie auch - strukturell in mancher Hinsicht vergleichbar - das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht verlangt, dass die durchschnittlichen Überschüsse aus der vertragsärztlichen Tätigkeit in allen Fachgebieten gleich hoch sein müssten(vgl nur etwa BSGE 93, 258 = SozR 3-2500 § 85 Nr 12, RdNr 21 ff zu strahlentherapeutischen Leistungen sowie SozR 4-2500 § 85 Nr 61 RdNr 21, 26). Wenn eine KÄV allein wegen der Kostenstruktur Zuschläge auf den Orientierungswert für alle Vertragsärzte beantragt, dürfte deren Ablehnung nur dann den Gestaltungsspielraum des Schiedsamtes überschreiten, wenn alle relevanten Parameter auf der Kostenseite deutliche Abweichungen vom Bundesdurchschnitt belegen.

69

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben der Beklagte sowie die auf seiner Seite streitende Beigeladene zu 1. und die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu gleichen Teilen zu tragen, da sie jeweils teilweise unterlegen sind (§ 154 Abs 1 VwGO); die auf den Beklagten und die Beigeladene zu 1. entfallende Hälfte der Kosten ist zwischen diesen wiederum hälftig zu teilen (§ 100 Abs 1 ZPO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 9. ist nicht veranlasst.

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 16. Dezember 2015 werden zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs über die Honorarvereinbarung für das Jahr 2013, beschränkt auf die Rechtmäßigkeit des vom Schiedsamt festgesetzten Zuschlags auf den Orientierungswert.

2

Nachdem die Vergütungsverhandlungen zwischen den klagenden Verbänden von Krankenkassen und der beigeladenen KÄV zu keiner Einigung geführt hatten, traf das beklagte Landesschiedsamt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.8.2013 (ua) folgende Festsetzung zur Honorarvereinbarung 2013:

        

"2. Der Punktwert zur Berechnung der regionalen EUR-Gebührenordnung (Anlage 1 zu dieser Vereinbarung) beträgt für die Zeit vom 01.01.2013 bis zum 30.09.2013 3,6099 Cent. Er ergibt sich als regionaler Punktwert aus dem um einen Zuschlag von 0,0736 Cent erhöhten bundeseinheitlichen Orientierungspunktwert. Für die Zeit ab 01.10.2013 bis zum 31.12.2013 beträgt der Punktwert zur Berechnung der regionalen EUR-Gebührenordnung (Anlage 2 zu dieser Vereinbarung) 10,2083 Cent. Er ergibt sich als regionaler Punktwert aus dem um einen Zuschlag von 0,2083 Cent erhöhten bundeseinheitlichen Orientierungspunktwert von 10 Cent (BA-Beschluss 304. Sitzung am 19.04.2013, Ziffer I)."

3

Zur Begründung wies der Beklagte darauf hin, mit dem Zuschlag regionale Besonderheiten bei der Kostenstruktur zu berücksichtigen. Die Befugnis dazu ergebe sich aus § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V. Mit dieser Vorschrift verfolge der Gesetzgeber das Ziel, landesbezogenen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur Rechnung zu tragen. Die Vertragspartner seien auch nicht länger verpflichtet, bei ihren Punktwertverhandlungen vom Bewertungsausschuss (BewA) festgelegte Indikatoren zur Messung regionaler Besonderheiten der Kostenstruktur zu beachten. Das gesetzgeberische Konzept zur Berücksichtigung individueller Besonderheiten der Kostenstruktur habe sich nach dem zwischenzeitlichen Wegfall des gesetzlichen Verbotes von Zuschlägen erst seit 2013 realisieren lassen. Die bei diesem "Umstieg" zu berücksichtigenden Unterschiede in der Höhe arztpraxisrelevanter Kosten in H. richteten sich nicht nach den unterschiedlichen Veränderungsraten im Vergleich mit dem Vorjahr, sondern nach den zur Zeit bestehenden Differenzen im Sockel. Nur so könne verhindert werden, dass die Unterschiede auf Dauer fortgeschrieben werden würden. Die Kosten einer städtischen H. Arztpraxis seien signifikant höher als im bundesdurchschnittlichen Stadt-Land-Mix. Das Niveau arztpraxisrelevanter Kosten lasse sich schätzen. Es könne auf amtliche Indikatoren wie Arbeitnehmerentgelte, Bruttoinlandsprodukt, Bruttolöhne und -gehälter sowie das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen zurückgegriffen werden. Danach dürften die arztpraxisrelevanten Kosten in H. die bundesdurchschnittlichen um etwa 15 % übersteigen. Das gelte jedenfalls für Personalkosten und Mieten, die ca 30 % der Praxiskosten ausmachten. Der Beklagte halte wegen der höheren Praxiskosten in H. einen Zuschlag auf den Orientierungswert 2013 für notwendig, begrenze ihn aber auf 3 %. Maßgeblich dafür sei zum einen der Umstand, dass H. offensichtlich für Ärzte und Psychotherapeuten ein betriebswirtschaftlich attraktiver Standort sei. Zum anderen sei der Grundsatz der Beitragssatzstabilität zu berücksichtigen. Zwar sei die Grundlohnsumme nur um 2,03 % gestiegen, doch verstoße die leichte Überschreitung des festgesetzten regionalen Punktwerts nicht gegen die in § 71 Abs 2 SGB V gezogene Grenze, da auch der Gesetzgeber selbst den Grundsatz der Beitragssatzstabilität im Rahmen des § 87a SGB V relativiert habe.

4

Die gegen den Schiedsspruch erhobene Klage, die sich allein gegen die Festsetzung eines Zuschlags auf den Orientierungswert richtet, ist erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, das beklagte Schiedsamt habe sich bei den angefochtenen Festsetzungen gemäß § 89 Abs 1 SGB V im Rahmen seines Gestaltungsspielraums bewegt. Der Schiedsspruch sei - soweit die gerichtliche Überprüfung reiche - formell und materiell rechtmäßig, insbesondere verstoße die Festsetzung der Zuschläge auf den Orientierungswert nicht gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 Abs 1 Satz 1 SGB V).

5

Dem Gesetzeswortlaut sei eine Erstreckung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität auch auf die fakultativ zu vereinbarenden Zuschläge nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V nicht zu entnehmen. Im Übrigen enthalte § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V eine hier relevante Ausnahmeregelung. Danach gelte der vereinbarte Behandlungsbedarf als notwendige medizinische Versorgung im Sinne des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität. Die beigeladene KÄV weise zutreffend darauf hin, dass neben der "Mengenkomponente" ("Behandlungsbedarf") auch die "Preiskomponente" (Bewertung mit dem vereinbarten Punktwert) zu dem vereinbarten Behandlungsbedarf gehöre.

6

Die festgesetzten regionalen Punktwerte verstießen auch nicht gegen den Grundsatz der Vorjahresanknüpfung (§ 87a Abs 2, § 87d SGB V). Anders als § 87a Abs 4 Satz 1 SGB V für den Behandlungsbedarf sehe § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V für die Zu- und Abschläge auf den bzw von dem Orientierungswert keine Anpassung auf der Basis eines Vorjahreswerts vor, sodass daraus nicht die Maßgeblichkeit des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung hergeleitet werden könne. Dem Wortlaut des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V könne deshalb gerade nicht entnommen werden, dass die Vorjahresregelung die Basis der aktuellen Vereinbarung bilde. Die ausdrückliche Erwähnung der Vorjahresanknüpfung in § 87a Abs 4 SGB V ("aufsetzend auf dem … für das Vorjahr … vereinbarten … Behandlungsbedarf") spreche vielmehr gegen eine Übertragung dieses Grundsatzes auch auf die nach § 87a Abs 2 SGB V zu treffenden Vereinbarungen.

7

Die vereinbarten Zuschläge verstießen auch nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 72 Abs 2 SGB V). Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich der Beklagte von der Erwägung habe leiten lassen, dass angesichts der höheren Praxiskosten in H. ein Zuschlag auf den Orientierungswert 2013 prinzipiell notwendig und gerechtfertigt sei, dieser aber wegen der Attraktivität des Standorts H. und der sich hier ergebenden Kostenvorteile durch einen hohen Anteil medizinischer Versorgungszentren und anderer beruflicher Kooperationsformen auf 3 % zu begrenzen sei (Urteil vom 16.12.2015).

8

Mit ihren Revisionen rügen die Klägerinnen die Verletzung von Bundesrecht. Entgegen der Auffassung des LSG finde der Grundsatz der Beitragssatzstabilität zwingend Anwendung auf die Vereinbarung bzw Festsetzung des regionalen Punktwerts. Auch die Festsetzung eines Zuschlags auf den Orientierungswert sei mangels Eingreifens eines der normierten Ausnahmetatbestände der Höhe nach dadurch begrenzt, dass der regionale Punktwert den Vorjahreswert um maximal die maßgebliche Veränderungsrate übersteigen dürfe. Die entgegenstehende Auslegung des LSG sei bereits mit dem Wortlaut und der Systematik der gesetzlichen Regelung offenkundig unvereinbar. Aus dem Sinn und Zweck der Regelungen unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte ergebe sich nichts Abweichendes.

9

§ 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V enthalte keine eigenständige Ausnahmeregelung vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität. Das LSG setze entgegen dem Wortlaut der Norm den vereinbarten Behandlungsbedarf und die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) gleich. Bei der Ermittlung der MGV werde zunächst der Behandlungsbedarf vereinbart und anschließend werde dieser vereinbarte Behandlungsbedarf mit dem Punktwert bewertet. Der vereinbarte Behandlungsbedarf iS des Halbsatzes 2 meine damit eindeutig den gemäß Halbsatz 1 (und Abs 4) vereinbarten Behandlungsbedarf, dh die Mengenkomponente; denn der vereinbarte Behandlungsbedarf sei explizit als Punktzahlvolumen definiert. Die Auslegung des "vereinbarten Behandlungsbedarfs" als Mengen- und Preiskomponente widerspreche dem Wortlaut der Vorschrift, weil dieser dann denselben Inhalt hätte wie die "MGV" gemäß § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V. § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V unterscheide jedoch begrifflich zwischen MGV, vereinbartem Behandlungsbedarf und regionalem Punktwert. Diese begriffliche Differenzierung spiegele sich auch in den Regelungen des § 87a Abs 2 und Abs 4 SGB V wider.

10

§ 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V bestätige gerade die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die Festsetzung des regionalen Punktwerts. Die Regelung fingiere gesetzlich das Eingreifen der Ausnahmeregelung der Sicherstellung der notwendigen medizinischen Versorgung für die morbiditätsbedingt vereinbarte Mengenkomponente der Gesamtvergütung; diese Regelungstechnik sei allein für den Behandlungsbedarf sinnvoll. Wenn der Grundsatz für die MGV insgesamt nicht hätte anwendbar sein sollen, hätte der Gesetzgeber dies regeln können und müssen. Dies bestätige etwa die Ausnahmeregelung in § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V aF. Diese Regelung sowie § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V belegten, dass dem Gesetzgeber die Unterschiede zwischen der Anordnung der Nichtgeltung, der bloßen Berücksichtigung des Grundsatzes neben anderen Kriterien und der Fiktion einer Komponente der Gesamtvergütungsvereinbarung als Ausnahmetatbestand vertraut gewesen seien. Verbliebe es in Bezug auf die MGV nicht bei der Anwendbarkeit des § 71 SGB V im Übrigen, wäre zudem die in § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V geregelte gesetzliche Fiktion sinnlos.

11

Die Festsetzung von Zuschlägen verletzte auch den Grundsatz der Vorjahresanknüpfung. Dessen Geltung ergebe sich zum einen aus der Anwendbarkeit des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität; er beanspruche aber auch unabhängig hiervon Beachtung. Dem stehe das Urteil des Senats vom 13.8.2014 (B 6 KA 6/14 R - BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2) nicht entgegen. Soweit das BSG dort in Abgrenzung zum Urteil vom 21.3.2012 (B 6 KA 21/11 R) darauf hingewiesen habe, dass § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V aF keine Anpassung auf der Basis eines Vorjahreswerts vorsehe, sei es allein darum gegangen, klarzustellen, dass sich aus der Entscheidung zu § 87a Abs 2 SGB V aF nichts für die Auslegung des § 87a Abs 3 und 4 SGB V ergebe.

12

Der festgesetzte regionale Zuschlag sei auch mit den vom Gesetzgeber selbst getroffenen Vorgaben hinsichtlich der Zuschläge auf den Orientierungswert für die Jahre 2011 und 2012 durch § 87d SGB V nicht vereinbar. Mit dieser Norm habe der Gesetzgeber die Orientierungswerte für 2011 und 2012 selbst bestimmt. Die damit verbundenen Zielsetzungen - die Begrenzung der Ausgabenzuwächse sowie die Angleichung der Honorarunterschiede - seien mit dem vom Beklagten festgesetzten Zuschlag auf den Orientierungswert für das Jahr 2013 zum "Basisausgleich" von Differenzen im Sockel nicht kompatibel. Denn damit werde nicht nur die ausgabenbegrenzende Wirkung für die Jahre 2011 und 2012 rückgängig gemacht, sondern auch der vom Gesetzgeber geregelten Minderung der Honorarunterschiede entgegengewirkt.

13

Auch der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBewA) gehe davon aus, dass Kostensteigerungen, die ohne die Geltung des § 87d SGB V für die Jahre 2011 und 2012 zu berücksichtigen gewesen wären, nicht nachzuholen seien. Die KÄBV habe ihre gegen den Orientierungswert 2013 erhobene Klage zurückgenommen; damit werde nicht nur die Angemessenheit der Höhe der Anpassung des Orientierungswerts für das Jahr 2013 anerkannt, sondern auch die Basiswirksamkeit der Regelungen in § 87d SGB V und die auf diese Basis aufsetzenden Festlegungen des EBewA. Das BSG habe für Regelungen zur Deckelung bzw Absenkung der Gesamtvergütung entschieden, dass solche gesetzlichen Regelungen entsprechend dem Prinzip der Vorjahresanknüpfung auch für die Folgejahre Wirkung behielten, soweit der Gesetzgeber nicht ausdrücklich etwas Abweichendes anordne. Diese Vorgaben gälten auch für die Anpassung der Punktwerte.

14

Die Entscheidung des Beklagten sei selbst dann, wenn weder der Grundsatz der Beitragssatzstabilität noch der Grundsatz der Vorjahresanknüpfung zwingend anzuwenden wären, jedenfalls beurteilungsfehlerhaft. Der Beklagte habe nicht außer Betracht lassen dürfen, dass die vertragsärztliche Versorgung im Jahr 2012 ohne Weiteres mit der für dieses Jahr vereinbarten Vergütung habe sichergestellt werden können, sodass bei der Prüfung der Notwendigkeit eines Punktwertzuschlags hätte ermittelt und abgewogen werden müssen, welche Veränderungen sich gegenüber dem Jahr 2012 ergeben hätten. Eine alleinige Punktwertfestsetzung aufgrund mittelbarer Indizien für überdurchschnittliche Kosten werde dem gesetzlichen Rahmen für die Punktwertfestsetzung nicht gerecht.

15

Schließlich sei der Punktwertzuschlag auch mit dem allgemeinen rechtlichen Maßstab der § 87a Abs 2 Satz 2 iVm § 72 Abs 2 SGB V unvereinbar. Dass der Beklagte den Punktwertzuschlag unter Berufung auf das überdurchschnittliche Kostenniveau in H. festgesetzt habe, obwohl er zutreffend erkannt habe, dass H. auch betriebswirtschaftlich ein attraktiver Standort sei, widerspreche dem Wirtschaftlichkeitsgebot in der gesetzlichen Krankenversicherung.

16

Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des LSG Hamburg vom 16.12.2015 zu ändern und den Schiedsspruch des Beklagten vom 15.08.2013 insoweit aufzuheben, als in Ziff. 2 der Honorarvereinbarung 2013 Zuschläge auf den Orientierungswert für das Jahr 2013 zur Festsetzung des regionalen Punktwertes für die Zeit vom 01.01.2013 bis 30.09.2013 und vom 01.10.2013 bis zum 31.12.2013 festgesetzt worden sind,

hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, über die Festsetzung von Zu- und Abschlägen von dem Orientierungswert für das Jahr 2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

17

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

18

Er regt zunächst die Beiladung seiner Aufsichtsbehörde an. In der Sache verweist er auf die Begründung des Schiedsspruchs und die Gründe des angegriffenen Urteils. Zu dem auf bundesdurchschnittliche Verhältnisse gründenden Orientierungswert habe sich wegen der im Bezirk der KÄV H. höheren arztpraxisrelevanten Kosten ein Zuschlag vereinbaren bzw festsetzen lassen. Dem habe jedenfalls bei der erstmals 2013 möglichen Vereinbarung/Festsetzung das Prinzip der Vorjahresanknüpfung nicht entgegengestanden, ebenso wenig die Angemessenheitsvermutung. Anderenfalls liefe das gesetzgeberische Konzept von auf KÄV-unterschiedlichen Kosten basierenden Zu- und Abschlägen ins Leere. Der bundeseinheitliche Orientierungswert ließe sich nicht spreizen, wenn - entgegen der gesetzgeberischen Erkenntnis von KÄV-unterschiedlichen Kostenniveaus - für jeden KÄV-Bezirk anzunehmen wäre, die ohne Rücksicht auf diesen Faktor für das Vorjahr jeweils vereinbarte Gesamtvergütung sei angemessen gewesen. Im Konzept regionaler Punktwerte aufgrund KÄV-individueller Zu- oder Abschläge auf den bzw von dem Orientierungswert würden - so die, bisher allerdings noch nicht eingetroffene, Erwartung des Gesetzgebers - die Auswirkungen auf die Beitragssatzstabilität weitgehend neutralisiert. Regionale Punktwertzuschläge wirkten zwar einer Angleichung der Honorarunterschiede zwischen den KÄVen entgegen; den Plan asymmetrischer Anpassungen verfolge der Gesetzgeber aber seit 2012 nicht mehr.

19

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.

20

Der Beklagte habe nicht gegen zwingende rechtliche Vorgaben verstoßen. Die Festsetzung der Zuschläge verstoße nicht gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität, weil gemäß der Ausnahmeregelung des § 87a Abs 3 SGB V der "vereinbarte Behandlungsbedarf" diesen Grundsatz aufgrund der gesetzlichen Formulierung erfülle. Dies sei auch sachlich gerechtfertigt, da die Krankenkassen(-Verbände) den "vereinbarten Behandlungsbedarf" als Vertragspartner mit festlegten und daher die Möglichkeit hätten, Menge und Preis der notwendigen Leistungen zu bestimmen. Die MGV sei gemäß § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V das Ergebnis einer Vereinbarung der Vertragspartner, deren Komponenten in den nachfolgenden Sätzen des § 87a Abs 3 SGB V aufgeführt würden. Der sich nach Feststellung der Zahl und der Morbiditätsstruktur der Versicherten als Punktzahlvolumen ergebende Behandlungsbedarf werde in § 87a Abs 3 Satz 2 SGB V als der "verbundene Behandlungsbedarf" bezeichnet. Dieser werde mit dem regionalen Punktwert bewertet und sodann erstmals in § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V als "vereinbarter Behandlungsbedarf" bezeichnet. Insoweit habe das LSG zu Recht entschieden, dass der "vereinbarte Behandlungsbedarf" neben der Mengenkomponente ("verbundener Behandlungsbedarf") auch eine Preiskomponente ("… und bewerten diese mit dem nach Abs. 2 Satz 1 vereinbarten Punktwert in Euro") umfasse. Der Begriff des "vereinbarten Behandlungsbedarfs" werde an keiner anderen Stelle des § 87a Abs 3 SGB V verwendet, sodass sich daraus die vom Gesetzgeber gewollte Differenzierung zwischen dem "verbundenen" Behandlungsbedarf und dem "vereinbarten" Behandlungsbedarf ergebe. Da der Zuschlag auf den Orientierungswert erst den (regionalen) Punktwert bilde, könne die Vereinbarung eines Zuschlags keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität bewirken.

Entscheidungsgründe

21

Die Revisionen der Klägerinnen sind nicht begründet. Das LSG hat den Schiedsspruch des Beklagten zu Recht als rechtmäßig angesehen.

22

1.a) Das LSG ist gemäß § 29 Abs 2 Nr 1 SGG erstinstanzlich zuständig, weil sich die Klage gegen eine Entscheidung des Landesschiedsamts richtet.

23

Eine gegen die Entscheidung eines Schiedsamts gerichtete Klage ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs 1 iVm § 131 Abs 2 Satz 2 und Abs 3 SGG statthaft(vgl zB BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 10 mwN; BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 20; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 20). Die damit geltend gemachte Verpflichtung zum Erlass eines neuen Verwaltungsaktes berücksichtigt, dass die Festsetzung des Vertragsinhalts durch ein Schiedsamt gegenüber den Vertragspartnern ein Verwaltungsakt ist (stRspr, vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 10; BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 20; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 20).

24

Ein Vorverfahren war nicht durchzuführen. Aus der Eigenart der Tätigkeit des Schiedsamts, das bei der Vertragsfestsetzung an die Stelle der Vertragsparteien tritt, folgt, dass eine Überprüfung des Schiedsspruchs nur im gerichtlichen Verfahren erfolgen kann (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 21; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 21; zuletzt BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 24).

25

b) Das Verfahren leidet nicht an dem - vom Beklagten mit einer Gegenrüge geltend gemachten - Fehler einer unterlassenen Beiladung der Aufsichtsbehörde. Verfahrensfehlerhaft in diesem Sinne ist nur die Unterlassung einer notwendigen Beiladung iS des § 75 Abs 2 1. Alt SGG, also in dem Fall, dass die Entscheidung auch den potenziell Beizuladenden gegenüber nur einheitlich ergehen kann (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 75 RdNr 13a). Die Beiladung der Aufsichtsbehörde in Streitverfahren gegen Entscheidungen des Schiedsamts (§ 89 SGB V) ist zwar sachgerecht, weshalb eine einfache Beiladung auf der Grundlage des § 75 Abs 1 SGG erfolgen sollte, aber nicht "notwendig" iS des § 75 Abs 2 1. Alt SGG. Soweit die Beiladung der Aufsichtsbehörde in Fällen, in denen diese den Schiedsspruch nicht beanstandet hat, er aber von einem Vertragspartner angefochten ist, befürwortet wird (in diesem Sinne etwa B. Wiegand, in juris-PK SGB V, 3. Aufl 2016, § 89 RdNr 50; Schuler in Hänlein/Schuler, SGB V, 5. Aufl 2016, § 89 RdNr 29; Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 5. Aufl 2017, § 89 RdNr 20), trägt das dem Ziel Rechnung, die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung auch auf die Aufsichtsbehörde zu erstrecken (§ 141 SGG). Die "Notwendigkeit" der Beiladung kann darauf jedoch nicht gestützt werden; diese könnte sich allein daraus ergeben, dass über die Klage einer Vertragspartei gegen das Schiedsamt nicht nur gegenüber den anderen Vertragspartnern - deren Beiladung "notwendig" ist (Düring/Schnapp in Schnapp/Düring, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl 2016, RdNr 214) - sondern auch im Verhältnis zur Aufsichtsbehörde nur einheitlich entschieden werden darf. Das ist jedoch nicht der Fall.

26

aa) Die Aufsichtsbehörde ist, wenn sie den Schiedsspruch nicht beanstandet hat, nicht unmittelbar an den nachfolgenden gerichtlichen Auseinandersetzungen beteiligt; das Schicksal des Schiedsspruchs liegt allein in den Händen der beteiligten Vertragspartner (zur fehlenden Klagebefugnis des Schiedsamts gegen aufsichtsrechtliche Beanstandungen seiner Entscheidung BSGE 86, 126 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37). Dass die Entscheidung im Verfahren eines Vertragspartners gegen das Schiedsamt auch gegenüber der Aufsichtsbehörde nur einheitlich ergehen kann, wäre allein mit dem Beanstandungsrecht der Aufsichtsbehörde gegenüber den Entscheidungen des Schiedsamts gemäß § 89 Abs 5 Satz 5 SGB V zu begründen(bei Beier, juris-PK SGB V, 2. Aufl 2012, § 89 RdNr 54 wird auf den Zusammenhang ausdrücklich hingewiesen). Dabei wird die Konstellation in den Blick genommen, dass ein Schiedsspruch auf Klage eines Vertragspartners aufgehoben wird und die Aufsichtsbehörde die dann in der Regel erforderliche neue Entscheidung des Schiedsamts nicht mit Erwägungen soll beanstanden dürfen, die das Gericht nicht aufgenommen hat. Dieser Zusammenhang macht die Beteiligung der Aufsichtsbehörde am gerichtlichen Verfahren sinnvoll, reicht für die Annahme der zwingenden "Einheitlichkeit" der Entscheidung jedoch nicht aus. Die praktischen Schwierigkeiten, die sich ergeben, wenn ein Gericht rechtskräftig eine Entscheidung eines unter staatlicher Aufsicht stehenden Gremiums der sog gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen beanstandet und zu einer erneuten Entscheidung verpflichtet, betreffen im Übrigen nicht nur die Schiedsämter, sondern etwa auch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) und vor allem den BewA nach § 87 Abs 3 SGB V, der in Gestalt des EBewA(§ 87 Abs 4 SGB V) schiedsamtsähnliche Funktionen wahrnimmt (BSGE 90, 61 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35), und dessen Entscheidungen immer wieder - auch in diesem Verfahren - Gegenstand gerichtlicher Prüfung sind. Immer dann, wenn eine Entscheidung dieses Gremiums Gegenstand gerichtlicher Prüfung ist, auch die für dieses Gremium und ggf die für die Beteiligten (Krankenkassen, KÄVen) jeweils zuständigen Aufsichtsbehörden notwendig beiladen zu müssen, würde die Verfahren überladen; auch die Aufsichtsbehörden wären dem damit verbundenen Aufwand kaum gewachsen. Im Übrigen haben sich in der Vergangenheit keine Schwierigkeiten im Umgang der Aufsichtsbehörden mit rechtskräftigen Neubescheidungsurteilen gegenüber den Entscheidungen der Schiedsämter gezeigt, die es rechtfertigen würden, die mit der Annahme der "Notwendigkeit" einer Beiladung verbundenen rechtlichen und praktischen Probleme in Kauf zu nehmen.

27

bb) Soweit im Kontext der Notwendigkeit der Beiladung auf das Senatsurteil vom 20.9.1988 (BSGE 64, 78 = SozR 1500 § 51 Nr 50) Bezug genommen wird, ist diese Rechtsprechung überholt und im Übrigen nicht auf das Beanstandungsrecht nach § 89 Abs 5 Satz 5 SGB V zu übertragen. Der Senat hat in dem genannten Urteil entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland zu einem Verfahren notwendig beizuladen ist, in dem ein Arzneimittelhersteller den (früheren) Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen auf Änderung der Arzneimittelrichtlinien in Anspruch nimmt. Dieses Urteil ist zeitlich weit vor der Qualifizierung der Richtlinien des Bundesausschusses als außenwirksame Rechtsnormen durch das Senatsurteil vom 20.3.1996 (BSGE 78, 70 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6) und vor der institutionellen Verselbständigung des (heutigen) GBA ergangen. Zumindest seit der Entscheidung vom 14.12.2011 (BSGE 110, 20 = SozR 4-2500 § 92 Nr 13) hat der Senat an dieser Rechtsprechung nicht mehr festgehalten und eine Beiladung der Bundesrepublik Deutschland im Verfahren gegen den GBA nicht mehr gefordert, ohne dies allerdings ausdrücklich anzusprechen. Auch in Verfahren unmittelbar gegen den BewA muss die Bundesrepublik Deutschland nicht notwendig beigeladen werden (BSGE 90, 61 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35). Im Übrigen ist die Notwendigkeit der Beiladung der Bundesrepublik Deutschland nicht allein mit der Funktion des (früher zuständigen) Bundesministeriums für Arbeit als Aufsichtsbehörde, sondern vor allem mit dessen "übergeordneter Regelungsbefugnis" nach § 368p Abs 2 RVO begründet worden. Damit war das Recht des Ministeriums zum eigenständigen Erlass von Richtlinien gemeint (vgl heute § 94 SGB V). Ein solches "Selbsteintrittsrecht" haben die Aufsichtsbehörden nach § 89 Abs 5 Satz 5 SGB V im Rahmen einer Beanstandung von Entscheidungen der Schiedsämter nicht, sondern nach § 89 Abs 1 Satz 5 SGB V nur in dem Fall, dass eine Entscheidung des Schiedsamts nicht oder nicht fristgerecht ergeht.

28

2.a) Gemäß § 89 Abs 1 Satz 1 SGB V setzt das (Landes-)Schiedsamt dann, wenn ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande kommt, innerhalb von drei Monaten den Vertragsinhalt fest. Zu den angesprochenen Verträgen über die vertragsärztliche Versorgung gehören auch Gesamtverträge, insbesondere Vereinbarungen über Gesamtvergütungen (vgl hierzu BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 23). Dass die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch das Schiedsamt vorgelegen haben, steht zu Recht nicht im Streit, ebenso wenig die formelle Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Beklagten.

29

b) Dem Schiedsamt kommt nach der Rechtsprechung des BSG bei der Festsetzung des Inhalts eines Gesamtvertrages über die vertrags(zahn)ärztliche Vergütung gemäß § 89 Abs 1 SGB V ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Seine Vertragsgestaltungsfreiheit, die der gerichtlichen Nachprüfung Grenzen setzt, ist nicht geringer als diejenige der Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlungen erzielten Vereinbarung (stRspr des BSG, vgl BSGE 20, 73, 76 f = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 20 S 131; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 25; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13 mwN; BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 27; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 36; BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 26).

30

Die Schiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien auf Interessenausgleich angelegt und haben Kompromisscharakter (stRspr, vgl aus jüngerer Zeit BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 36; BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 58; BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 26). Schiedssprüche nach § 89 SGB V unterliegen insoweit - auf Anfechtung der Gesamtvertragsparteien hin - nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle(stRspr des BSG, vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11 mwN; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 36; BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 58; BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 26). Sie sind nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Sicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben (stRspr des BSG, vgl zB BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11; zuletzt BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 26). Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsamt zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh insbesondere die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet hat, die auch für die Vertragsparteien gelten (stRspr des BSG, vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13; BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 58; BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 26; s auch BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 36).

31

Zudem muss der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lassen (BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 36). Hohe Anforderungen an die Begründung der Abwägungsentscheidung können grundsätzlich nicht gestellt werden (BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 60). Die Gründe für das Entscheidungsergebnis müssen aber wenigstens andeutungsweise erkennbar sein (BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 60). Dies setzt voraus, dass tragfähige Tatsachenfeststellungen getroffen werden, auf deren Grundlage die Abwägung vorgenommen wurde, da anderenfalls eine Art 19 Abs 4 GG entsprechende gerichtliche Überprüfung, ob das Schiedsamt seinen Gestaltungsspielraum eingehalten hat, nicht möglich wäre (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 21; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 60).

32

Die gerichtliche Kontrolle ist darüber hinaus eingeschränkt, soweit die rechtlichen Vorgaben ihrerseits den Gesamtvertragsparteien - und bei einer vertragssubstituierenden Entscheidung dem Schiedsamt - einen Beurteilungsspielraum einräumen (Wenner in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl 2016, § 89 RdNr 24). Das gilt nicht allein für Beurteilungsspielräume, sondern sinngemäß auch dann, wenn den Vertragsparteien ein Handlungsermessen eingeräumt wird. Die Maßstäbe, die insoweit an die Überprüfung einer obligatorischen Entscheidung angelegt werden, können nicht dieselben sein wie diejenigen, die bei der Überprüfung einer lediglich fakultativ zu treffenden Entscheidung zum Tragen kommen. Wenn der Gesetzgeber - wie vorliegend - den Vertragspartnern die Vereinbarung von Punktwertzuschlägen nicht verbindlich vorschreibt, sondern es in deren Ermessen stellt, ob sie das Vorliegen von Unterschieden in der Kosten- und Versorgungsstruktur zum Anlass nehmen, einen Zuschlag zu vereinbaren, dann muss sich dieser Umstand auch bei der Überprüfung der durch das Schiedsamt erfolgten Festsetzung in einer verringerten Kontrolldichte niederschlagen. Da auch fakultative Vereinbarungen Gegenstand eines Schiedsspruchs sein können (vgl Düring/Schnapp in Schnapp/Düring, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl 2016, RdNr 79 mwN), würde anderenfalls aus einer "Kann"-Regelung eine im Gesetz nicht vorgesehene "Muss"-Regelung: Dies wäre der Fall, wenn Prüfungsmaßstab allein das objektive Vorliegen von Unterschieden in der Kosten- und Versorgungsstruktur wäre.

33

aa) Rechtsgrundlage der Gewährung eines Zuschlages ist § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V(in der ab 1.1.2012 geltenden Fassung des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Nach § 87a Abs 2 Satz 1 SGB V haben die KÄV und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich auf der Grundlage des Orientierungswerts gemäß § 87 Abs 2e SGB V einen Punktwert zu vereinbaren, der zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen im Folgejahr anzuwenden ist. § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V ermächtigt die genannten Vertragspartner, "dabei" - also im Rahmen der Vereinbarung des Punktwerts - einen Zuschlag auf den oder einen Abschlag von dem Orientierungswert gemäß § 87 Abs 2e SGB V zu vereinbaren, um insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist "diese regionale Differenzierung erforderlich, da sich zwischen den Ländern Unterschiede der für Arztpraxen relevanten Kostenstrukturen (wie z.B. Lohn- und Gehaltsniveau der Praxisangestellten, Mietniveau etc.) ebenso wie Unterschiede bei der Versorgungsstruktur (z.B. Behandlungsfälle, haus- versus fachärztliche Angebotsstrukturen) feststellen lassen" (FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 119 zu § 85a Abs 2 SGB V).

34

(1) Die Vereinbarung von Zuschlägen nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V ist nicht obligatorischer, sondern fakultativer Teil der Vereinbarung nach § 87a Abs 2 SGB V. Die Regelung enthält keine Verpflichtung, sondern eine Ermächtigung an die Vertragspartner, Zuschläge zu vereinbaren: Sie ist damit primär als Befugniszuweisungsnorm zu werten, welche die Vertragspartner zu einer Abweichung von dem Orientierungswert berechtigt, der wiederum entsprechend der gesetzlichen Vorgabe (§ 87a Abs 2 Satz 1 SGB V) "die Grundlage" der regionalen Punktwert-Vereinbarung bildet. § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V ist - wie schon der Wortlaut "können" nahelegt - zugleich auch als Ermessensnorm zu verstehen, die den Vertragspartnern ein Handlungsermessen einräumt: Auch bei Vorliegen regionaler Besonderheiten besteht keine Verpflichtung zur Vereinbarung von Zuschlägen, sondern lediglich eine Verpflichtung, im Rahmen der an eine Ermessensausübung zu stellenden Anforderungen pflichtgemäß zu entscheiden. Ungeachtet des fakultativen Charakters der Regelung hat nach der Rechtsprechung des Senats (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 27 - zur Vergütung von Leistungen außerhalb der Gesamtvergütungen; BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 41 - zur Vereinbarung von Zuschlägen) jede der Vertragsparteien die Möglichkeit, eine entsprechende Vereinbarung über das Schiedsamt nach § 89 Abs 1 SGB V zu erreichen(aA noch LSG Berlin Urteil vom 15.12.2010 - L 7 KA 62/09 KL - Juris RdNr 58 = KRS 10.089). Dieses hat die Befugnis, auch fakultative Vertragsbestandteile festzusetzen (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 27; BSG Beschluss vom 28.10.2015 - B 6 KA 35/15 B - RdNr 17 - Juris).

35

(2) Ausdrückliche Vorgaben für die Vereinbarung von Zu- und Abschlägen enthält das Gesetz nicht:

36

(a) Nach dem bis Ende 2011 geltenden Recht (§ 87a Abs 2 Satz 3 SGB V aF) waren bei der Vereinbarung von Zu- und Abschlägen zwingend die Vorgaben des BewA gemäß § 87 Abs 2f SGB V aF anzuwenden(s hierzu BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 34, 70 f), um eine bundeseinheitliche Anwendung dieser Regelung sicherzustellen (FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 129 zu § 87 Abs 2f SGB V). Durch § 87 Abs 2f Satz 1 SGB V aF war dem BewA die Aufgabe übertragen worden, jährlich bis zum 31.8. Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V festzulegen, auf deren Grundlage in den regionalen Punktwertvereinbarungen von den Orientierungswerten abgewichen werden konnte. Der BewA konnte die zur Festlegung der Indikatoren erforderlichen Datenerhebungen und -auswertungen gemäß Abs 3f Satz 3 durchführen und hatte dabei - soweit möglich - amtliche Indikatoren zugrunde zu legen (§ 87 Abs 2f Satz 2 SGB V aF). Als Indikatoren für das Vorliegen von regionalen Besonderheiten bei der Versorgungsstruktur dienten insbesondere Indikatoren, die Abweichungen der regionalen Fallzahlentwicklung von der bundesdurchschnittlichen Fallzahlentwicklung messen (Satz 3 aaO). Als Indikatoren für das Vorliegen von regionalen Besonderheiten bei der Kostenstruktur dienten insbesondere Indikatoren, die Abweichungen der für die Arztpraxen maßgeblichen regionalen Investitions- und Betriebskosten von den entsprechenden bundesdurchschnittlichen Kosten messen (Satz 4 aaO).

37

Das Fehlen entsprechender Vorgaben stand allerdings der Vereinbarung von Zu- und Abschlägen nicht entgegen (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 34; BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 78): Der BewA sah sich zu entsprechenden Vorgaben erklärtermaßen nicht in der Lage. So hat der EBewA in Teil C Nr 1 und 2 seines Beschlusses vom 27./28.8.2008 (DÄ 2008 A 1990) festgestellt, dass er keine Indikatoren zu regionalen Besonderheiten in den Kosten- und Versorgungsstrukturen zwischen den Bezirken der KÄVen definieren könne, die eine regionale Anpassung der Orientierungswerte aufgrund von Unterschieden in der Versorgungsstruktur rechtfertigen würden (s hierzu BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 5 RdNr 25). Die bundesgesetzlichen Vorgaben sind mit Wirkung zum 1.1.2012 "zur Stärkung der regionalen Kompetenzen der Vereinbarungen zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Landesverbänden der Krankenkassen" aufgehoben worden (RegE GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S 61 zu § 87 Abs 2f SGB V aF).

38

(b) Nach dem hier maßgeblichen, ab 1.1.2012 geltenden Recht beschränken sich die gesetzlichen Vorgaben für die Gewährung eines Zuschlags darauf, als sachlichen Grund für die Vereinbarung von Zuschlägen (sowie Abschlägen) - insbesondere - die Berücksichtigung "regionaler Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur" anzuführen.

39

(aa) Mit den Begriffen "Kosten- und Versorgungsstruktur" macht der Gesetzgeber deutlich, dass es nicht allein auf ein von anderen KÄV-Bezirken abweichendes Kostenniveau ankommt, sondern auch Besonderheiten in der "Versorgungsstruktur" eine Rolle spielen. Was unter den Begriffen zu verstehen ist, lässt sich der Gesetzesbegründung entnehmen. Danach meint der Begriff der für Arztpraxen relevanten "Kostenstrukturen" zB das Lohn- und Gehaltsniveau der Praxisangestellten, das Mietniveau etc, der Begriff der "Versorgungsstruktur" hingegen zB "Behandlungsfälle, haus- versus fachärztliche Angebotsstrukturen" (FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 119 zu § 85a Abs 2 SGB V).

40

Der Begriff "Kostenstruktur" wird damit ohne Weiteres nachvollziehbar. Zu seiner Auslegung können im Übrigen die nach früherem Recht vorgegebenen Indikatoren herangezogen werden. Gemäß § 87 Abs 2f Satz 4 SGB V aF dienten als Indikatoren für das Vorliegen von regionalen Besonderheiten bei der Kostenstruktur insbesondere solche, die Abweichungen der für die Arztpraxen maßgeblichen regionalen Investitions- und Betriebskosten von den entsprechenden bundesdurchschnittlichen Kosten messen.

41

Für den Begriff "Versorgungsstruktur" gilt dies nicht im gleichen Maße. Gemäß § 87 Abs 2f Satz 3 SGB V aF dienten als Indikatoren für das Vorliegen von regionalen Besonderheiten bei der Versorgungsstruktur insbesondere solche, die Abweichungen der regionalen Fallzahlentwicklung von der bundesdurchschnittlichen Fallzahlentwicklung messen. Nach der Gesetzesbegründung waren die Unterschiede bei der Fallzahlentwicklung in den Regionen deshalb relevant, weil die Entwicklung der Fallzahlen im Zeitablauf gemäß § 87 Abs 2g Nr 3 SGB V eines der Kriterien ist, das bei der jährlichen Anpassung der Orientierungswerte durch den BewA zu berücksichtigen ist(FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 129 zu § 87 Abs 2f SGB V aF). Zur Messung einer signifikant abweichenden regionalen Fallzahlentwicklung biete sich zB an, dass der BewA einen Schwellenwert festlege, ab dessen Überschreitung auf der regionalen Ebene mit einer Punktwertabweichung vom bundesweiten Orientierungsniveau reagiert werde (FraktE GKV-WSG aaO).

42

3. Die Entscheidung des Beklagten, einen Zuschlag auf den Orientierungswert festzusetzen, steht - wie das LSG im Ergebnis richtig gesehen hat - mit Bundesrecht im Einklang. Das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Zuschlag nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V durfte der Beklagte annehmen(a). Den Grundsatz der Vorjahresanknüpfung musste er nicht beachten (b), und auch die Vorschriften über die Beitragssatzstabilität (c) und das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot (d) sind nicht verletzt.

43

a) Die Entscheidung des Beklagten, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vereinbarung bzw Festsetzung von Zuschlägen dem Grunde nach zu bejahen, ist nicht zu beanstanden. Zumindest liegt es auf der Hand, dass sich die Kostenstruktur in einem städtisch geprägten KÄV-Bezirk deutlich von derjenigen in vorwiegend ländlich geprägten KÄV-Bezirken unterscheiden dürfte. Zweifellos ist das Miet- wie auch das Lohnniveau deutlich höher, wie sich aus den vom Beklagten herangezogenen statistischen Daten ergibt. Zutreffend hat der Beklagte im Übrigen gesehen, dass es unter dem ebenfalls in § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V genannten Merkmal der Versorgungsstruktur sachgerecht ist, ebenso die Attraktivität des Standorts H. in den Blick zu nehmen, die sich auch in der Dichte der Versorgung mit Vertragsärzten ausdrückt: Für alle Fachgebiete sind Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung (§ 101 SGB V) angeordnet, was zur zwingenden Folge hat, dass unter Sicherstellungsaspekten auf der Grundlage des § 87a Abs 2 Satz 3 SGB V keine pauschalen Zuschläge in Betracht kommen. Die Klägerinnen, die wegen der Attraktivität des Standorts H. auch für Vertragsärzte generell die Anwendbarkeit der Zuschlagsregelung für falsch halten, berücksichtigen jedoch nicht hinreichend, dass im Gesetz zwischen den hier maßgeblichen Zuschlägen wegen "regionaler Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur" (Satz 2) und den "darüber hinaus" zulässigen Zuschlägen bei Unterversorgung und für besonders förderungswürdige Leistungen und Leistungserbringer (Satz 3) zu unterscheiden ist. Ein Versorgungsdefizit ist gerade nicht Voraussetzung für die Anwendung des Satzes 2; insoweit reicht im Ansatz ein im Vergleich zum Bundesdurchschnitt deutlich höheres Niveau der für die Führung einer vertragsärztlichen Praxis relevanten Kosten aus. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob zahlreiche H. Vertragsärzte insbesondere im Hinblick auf eine (mutmaßlich) überdurchschnittlich hohe Zahl von Privatpatienten besonders hohe Erträge aus ihrer ärztlichen Tätigkeit erzielen können.

44

Der Senat bezieht in ständiger Rechtsprechung in Streitverfahren, in denen Vertragsärzte die ihnen nach Maßgabe der Regelungen über die Honorarverteilung zustehende Vergütung als unangemessen niedrig, weil nicht mehr existenzsichernd beanstanden, auch die Einnahmen aus anderen ärztlichen Tätigkeiten (Unfallheilbehandlung, privatärztliche Behandlungen) in die Gesamtbetrachtung mit ein (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 61 RdNr 25, 28). Daraus ist indessen nicht abzuleiten, dass es den Partnern der Gesamtverträge verwehrt wäre, das besonders hohe Kostenniveau in H., das zu reduzierten Erträgen aus vertragsärztlicher Tätigkeit im Vergleich zu anderen Standorten in Deutschland führen kann, auch dann im Rahmen der Vergütungsgestaltung zu berücksichtigen, wenn von der Existenzgefährdung hinsichtlich der vertragsärztlichen Tätigkeit tatsächlich - das hat der Beklagte unübersehbar deutlich gemacht - keine Rede sein kann. Der Senat hat nicht zu beurteilen, ob es zielgenauere Instrumente zur Förderung vertragsärztlicher Leistungen als die Zuschläge nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V gibt; zu denken wäre etwa an Zuschläge zB für Kinderärzte, die ihre Praxen dort führen, wo viele Kinder, aber wenige Privatpatienten leben. Solange der Gesetzgeber indessen den Vertragspartnern die Vereinbarung auch von pauschalen Zuschlägen auf den Orientierungswert zur (beschränkten) Kompensation eines im gesamten KÄV-Bezirk überdurchschnittlichen Kostenniveaus ermöglicht, sind die Voraussetzungen dafür in H. gegeben.

45

b) Der Grundsatz der sog Vorjahresanknüpfung gilt für die Vereinbarung von Zu- und Abschlägen nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V nicht. Der Senat hat in seinem Urteil vom 13.8.2014 (BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 43) dargelegt, dass für die Vereinbarung der Gesamtvergütungen ab dem Jahr 2013 generell und speziell auch für die jahresbezogene Veränderung der Morbiditätsstruktur das Prinzip der Vorjahresanknüpfung gilt, dass also grundsätzlich an die vorjährige Vereinbarung anzuknüpfen ist. Für die auf § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V beruhende Vereinbarung von Zu- und Abschlägen auf den bzw von dem Orientierungswert sieht das Gesetz dagegen ausdrücklich keine Anpassung auf der Basis eines Vorjahreswerts vor; das gilt sowohl für die Fassung der Vorschrift in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung, zu der das Senatsurteil vom 21.3.2012 (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1) ergangen ist, wie für die ab dem 1.1.2012 geltende Fassung, die für das Urteil vom 13.8.2014 und auch für die jetzige Entscheidung maßgeblich ist. Daran ist festzuhalten.

46

aa) Die Regelung über die Zu- und Abschläge auf den bzw von dem Orientierungswert passt systematisch nicht zu dem Grundsatz der Vorjahresanknüpfung, weil sie gerade Entwicklungen im Bereich der Kosten der Praxisführung Rechnung tragen will und soll, die sich über die letzten Jahre entwickelt haben. In der Gesetzesbegründung ist dazu ausgeführt, "zwischen den Ländern (ließen) sich Unterschiede der für die Arztpraxen relevanten Kostenstrukturen … feststellen" (FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 119 zu § 85a Abs 2 SGB V). Wenn beabsichtigt gewesen wäre, dem nur insoweit Rechnung zu tragen, als dies Entwicklung sich künftig verstärkt, hätte dies im Gesetz oder zumindest in der Begründung des Gesetzentwurfs angedeutet werden müssen. Schon der pauschale Hinweis auf die "feststellbaren Unterschiede" in der Gesetzesbegründung wäre dann irreführend gewesen, weil er - ohne Belege, weil offenbar auf Evidenz basierend - auf die offensichtlichen Unterschiede im Mietniveau zB zwischen H. und M. Bezug nimmt. Im Sinne der Auffassung der Klägerinnen hätte aber allein auf die aktuellen Steigerungswerte Bezug genommen werden müssen: Ob die Mieten für Arztpraxen in H. im Jahr 2012 doppelt so hoch waren wie in M., wäre gleichgültig gewesen, weil allein maßgeblich hätte sein müssen, ob die Steigerung von 2011 auf 2012 in H. höher als dort gewesen wäre. Damit käme die Regelung über Zuschläge im Hinblick auf besondere Kostenstrukturen nur für Bezirke zur Anwendung, in denen in den allerletzten Jahren beim Mietniveau besondere Anstiege zu verzeichnen sind. Es liegt sehr fern, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der aus der Perspektive der gewollten Regionalisierung der Vergütungsvereinbarungen durch das GKV-VStG sehr wichtigen Zu- und Abschlagsregelung so stark verengen wollte. Deshalb dürfen die Vertragspartner bei Anwendung des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V auch über die Jahre gewachsene Differenzen etwa hinsichtlich der für vertragsärztliche Praxen wichtigen Kostenfaktoren (zB Gehälter, Mieten, IT-Dienstleistungen) zwischen ihrem Bezirk und dem gesamten Bundesgebiet berücksichtigen. Entsprechend gilt für das Schiedsamt, dass es sich dieser Option bewusst sein und für erforderlich gehaltenen Vortrag der Beteiligten oder eigene Maßnahmen der Sachaufklärung daran ausrichten muss. Daran hat sich der Beklagte hier gehalten.

47

bb) Nicht zu folgen vermag der Senat schließlich der Auffassung der Klägerinnen, dass selbst dann, wenn generell die Zuschläge nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V von dem Grundsatz der Vorjahresanknüpfung freigestellt sein sollten, eine Berücksichtigung der Kostenentwicklung aus der Zeit vor dem Jahr 2012 infolge der Regelung des § 87d SGB V ausgeschlossen sei. § 87d SGB V regelt allein die Anpassung der Vergütungen im letzten Jahr vor der durch das GKV-VStG vom 22.12.2011 mit Wirkung zum 1.1.2013 umgesetzten Neuausrichtung der Anpassung der vertragsärztlichen Vergütungen. Anstelle aller für die Zeit ab dem Jahr 2013 vorgesehenen Vereinbarungen zur Anpassung des Orientierungswerts auf Bundesebene sowie zu eventuellen Zuschlägen und zum Behandlungsbedarf auf der Ebene der Gesamtvertragspartner hat der Gesetzgeber selbst eine Erhöhung des Behandlungsbedarfs bezogen auf das für 2011 ermittelte Ergebnis um 1,25 % vorgegeben. An diesen Behandlungsbedarf, der als "vereinbart" fingiert wird, hatten die Gesamtvertragspartner bei den Vereinbarungen für 2013 anzuknüpfen (BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2). Für die Frage, auf welchen Zeitpunkt bei der Anwendung der Zuschlagsregelung des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V abzustellen ist, ist § 87d SGB V nichts zu entnehmen. Die Regelung gibt lediglich vor, dass Zuschläge für das Jahr 2012 - im Sinne eines Moratoriums - nicht vereinbart werden durften. Im Übrigen beachten die Klägerinnen nicht hinreichend, dass § 87a wie § 87d SGB V Bestandteil des GKV-VStG sind und § 87d SGB V lediglich übergangsrechtlichen Charakter hat. Aus dem nach Wortlaut und Systematik nur auf das Übergangsjahr 2012 bezogenen Ausschluss von Zu- oder Abschlagsvereinbarungen auf eine gravierende Einschränkung der Partner der Gesamtverträge bei Nutzung dieses Instruments zur Regionalisierung der Vergütungsvereinbarungen in dem Sinne zu schließen, dass mit dem Ende des Jahres 2011 die Differenzen ua in den Kostenstrukturen in den Ländern gleichsam auf Null gestellt werden und nur noch ab 2012 eintretenden Veränderungen Rechnung getragen werden dürfe, ist nicht gerechtfertigt.

48

cc) Die Nichtanwendbarkeit des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung für die Zuschläge nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V hat allerdings zur Folge, dass solche für ein Jahr vereinbarten Zuschläge in Folgezeiträumen nicht automatisch zu berücksichtigen sind. Wegen der sehr offenen Kriterien "Kosten- und Versorgungsstrukturen" ist es nicht gerechtfertigt, die für einen bestimmten Zeitraum vereinbarten Zuschläge mit der Folge sockelwirksam werden zu lassen, dass sie auch dann noch das Vergütungsniveau (mit)prägen, wenn ihre Grundlagen - zB Abweichungen bei den Mietkosten - entfallen sind. Die vom Grundsatz der Vorjahresanknüpfung und - wie noch zu zeigen ist (c) - begrenzt auch von der verpflichtenden Berücksichtigung der Beitragssatzstabilität abgelöste Zuschlagsoption ermöglicht den Vertragspartnern eine zielgenaue Ausrichtung der Vergütung auf ihren Bezirk. Die insoweit maßgeblichen Umstände können sich zeitnah ändern, deshalb muss stets neu verhandelt werden, ob die Fortschreibung der Zuschläge generell oder jedenfalls in der für ein bestimmtes Jahr vereinbarten Höhe gerechtfertigt ist. Dem widerspräche es, wenn aus einer Momentaufnahme zu den nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V maßgeblichen Kriterien ein dauerhaft fortzuschreibender "Besitzstand" würde. Das ergibt sich mittelbar auch aus der Regelung des § 87a Abs 4a SGB V, der durch das GKV-VSG 2015 eingefügt worden ist. In Reaktion (auch) auf das Senatsurteil vom 13.8.2014 (BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2) wird eine "einmalige basiswirksame Erhöhung" des Aufsatzwertes zugelassen, um historisch gewachsenen Unterschieden der Höhe der Gesamtvergütung je Versichertem Rechnung zu tragen und damit tendenziell dauerhaft zu reduzieren. Genau gegensätzlich wirkt das Zuschlagssystem des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V: Es kann nicht nur einmalig, sondern jährlich neu genutzt werden, aber es wirkt nicht basiswirksam, weil damit nicht dauerhaft Unterschiede zwischen den KÄV-Bezirken zementiert werden sollen, sondern stets uU auch einem kurzfristig wandelbaren Umstand Rechnung getragen werden soll.

49

c) Die Entscheidung des Beklagten verletzt schließlich den Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht.Nach § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V haben die Vertragspartner die Vereinbarungen über die Vergütungen nach diesem Buch so zu gestalten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität).

50

Um den Vorgaben nach § 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V zu entsprechen, darf gemäß § 71 Abs 2 Satz 1 SGB V die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung die sich bei Anwendung der Veränderungsrate für das gesamte Bundesgebiet nach § 71 Abs 3 SGB V ergebende Veränderung der Vergütung nicht überschreiten. Abweichend von § 71 Abs 2 Satz 1 SGB V ist eine Überschreitung zulässig, wenn die damit verbundenen Mehrausgaben durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen Leistungsbereichen ausgeglichen werden. Dieser Grundsatz gilt auch in der vertragsärztlichen Versorgung generell (aa) und speziell auch für die Festlegung des Orientierungswerts (bb). Eine Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität enthält § 87a Abs 3 Satz 2 SGB V, die hier aber nicht einschlägig ist(cc), ebenso wenig wie Sonderregelungen für die vertragsärztliche Vergütung (dd). Eine hier anwendbare Ausnahme ergibt sich allerdings aus dem gesetzlich implementierten System von Zu- und Abschlägen in § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V(ee).

51

aa) Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität ist auch in der vertragsärztlichen Versorgung zu beachten.

52

Bei dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität handelt es sich um eine verbindliche gesetzliche Vorgabe, die auch bei Schiedssprüchen zu beachten ist und die eine Grenze für Vergütungsvereinbarungen darstellt (stRspr des BSG, vgl BSGE 86, 126, 135 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 296 f; BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 15 mwN; BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 70; BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 30; ebenso BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 3 KR 26/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE 121, 243 = SozR 4-2500 § 132a Nr 10, RdNr 36 vorgesehen). Der Gesetzgeber hat ungeachtet der gesetzlichen Festsetzung des Beitragssatzes in § 241 SGB V an dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität festgehalten(BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 30). Auch die in jüngerer Zeit erfolgten Gesetzesänderungen - insbesondere die durch das GKV-VStG vorgenommenen Änderungen in den für die vertragsärztliche Vergütung maßgeblichen Vorschriften - haben lediglich in Teilbereichen zu einer Modifizierung des Grundsatzes geführt, ohne dessen grundsätzliche Geltung in Frage zu stellen.

53

Der Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität steht nicht entgegen, dass § 87a SGB V - anders als § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V - die Berücksichtigung oder Beachtung des Grundsatzes nicht explizit vorschreibt. Vielmehr gilt - umgekehrt - der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach ständiger Rechtsprechung des Senats, sofern er nicht explizit durch das Gesetz ausgeschlossen oder relativiert worden ist. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität allgemein für die im Vierten Kapitel des SGB V geregelten Vergütungsvereinbarungen gilt, ohne dass es einer auf die jeweilige Vergütungsvereinbarung bezogenen speziellen Regelung bedarf; dies hat der Senat insbesondere aus dem Standort des § 71 SGB V im Abschnitt "Allgemeine Grundsätze" des Vierten Kapitels abgeleitet(BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 70; BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 30 - jeweils unter Bezugnahme auf BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 17; ebenso BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 3 KR 26/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE 121, 243 = SozR 4-2500 § 132a Nr 10, RdNr 36 vorgesehen ). Auch nach dem Wortlaut des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V gilt der Grundsatz der Beitragssatzstabilität für (alle) "Vereinbarungen über die Vergütungen nach diesem Buch". Es steht außer Frage, dass die Vereinbarung der Gesamtvergütung nach § 87a Abs 3 SGB V unter den Oberbegriff "Vergütungen" fällt.

54

bb) Auch für die dem BewA obliegende Festsetzung des Orientierungswerts nach § 87 Abs 2e SGB V gilt dieser Grundsatz. § 87 Abs 2g SGB V bestimmt, welche Faktoren bei der Anpassung des Orientierungswerts zu berücksichtigen sind. Dies sind insbesondere die Entwicklung der für die Arztpraxen relevanten Investitions- und Betriebskosten (Nr 1), die Möglichkeiten zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven (Nr 2) sowie die allgemeine Kostendegression bei Fallzahlsteigerungen (Nr 3). Somit bestimmt sich die Höhe des Orientierungs(punkt)werts - also die Preiskomponente - maßgeblich nach dem für die Erbringung der vertragsärztlichen Leistungen erforderlichen Aufwand, wie ja auch die Zuschläge nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V wesentlich die regionale Kostenstruktur im Fokus haben. Zwar könnte auf den ersten Blick gegen eine Geltung des Grundsatzes der Wortlaut des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V sprechen, der sich zum einen auf "Vereinbarungen" über die Vergütungen nach diesem Buch bezieht, und zum anderen als Adressaten des Gebots die "Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer" benennt. Dass eine zu enge Orientierung am Wortlaut der Norm nicht der Rechtswirklichkeit entspricht, verdeutlicht jedoch bereits der Umstand, dass auch das Schiedsamt nach § 89 SGB V weder zu den in § 71 Abs 1 SGB V genannten Adressaten gehört noch Vergütungen "vereinbart", sondern diese "festsetzt".

55

Eine ähnliche Situation besteht in Bezug auf den Orientierungswert. Hier ist zum einen zu berücksichtigen, dass der BewA bei der Bestimmung des Orientierungswerts (im Ergebnis nicht anders als im Falle des § 89 SGB V das Schiedsamt) an die Stelle der regionalen Vertragspartner getreten ist, denen vor der mit Wirkung ab 2009 erfolgten Gesetzesänderung auch die Bestimmung der Preiskomponente oblag, wie das im vertragszahnärztlichen Bereich auch weiterhin der Fall ist. Die einzige (inhaltliche) Abweichung besteht darin, dass bei der "traditionellen" Gesamtvergütungsvereinbarung der Punktwert nicht zwingend explizit vereinbart wird, sondern sich erst als Rechenergebnis aus der Teilung der Gesamtvergütung durch die Leistungsmenge ergeben kann.

56

Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass es sich beim BewA nach ständiger Rechtsprechung des Senats ohnehin um ein "Vertragsorgan" der Partner der Bundesmantelverträge handelt (vgl zB BSGE 73, 131, 133 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 20; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 65; BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 21), sodass letztlich auch die Bestimmung des Orientierungswerts durch den BewA als eine Vergütungsvereinbarung zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern anzusehen ist. Wird der Orientierungswert durch den EBewA festgesetzt, ändert sich hieran nichts, weil dem EBewA die Funktion einer Schiedsstelle zukommt, die an Stelle der Vertragspartner handelt (nach stRspr des BSG handelt es sich beim Verfahren vor dem EBewA um "ein in den Normsetzungsvorgang inkorporiertes Schiedsverfahren", s BSGE 90, 61, 62 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 202; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 66; s dazu auch Altmiks in Schnapp/Düring, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl 2016, Kapitel D RdNr 390). Zutreffend ist der (E)BewA in seinem Beschluss zur Festlegung des Orientierungswerts 2013 (sowie in den entscheidungserheblichen Gründen hierzu) davon ausgegangen, dass die aufgrund der Regelungen in § 87d Abs 1 SGB V in den Jahren 2011 und 2012 unterbliebenen Vergütungsanpassungen nicht nachzuholen waren, also die Veränderungsrate aus den Anpassungsfaktoren für den Zeitraum von 2012 nach 2013 bestimmt werden muss. Damit hat er sich - ohne dies explizit auszuführen - auf den Grundsatz der Vorjahresanknüpfung bezogen.

57

cc) Die Bindung der Vertragspartner an die Beitragssatzstabilität gilt allerdings nur, soweit keine Ausnahme eingreift (BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 71). Eine derartige Ausnahme stellt § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V dar; die Regelung greift hier aber nicht ein.

58

Nach § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V "gilt" der vereinbarte Behandlungsbedarf als notwendige medizinische Versorgung gemäß § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V. Dort wiederum wird bestimmt, dass - als Ausnahme vom dort normierten Grundsatz des Ausschlusses von Beitragssatzerhöhungen als Folge von Vergütungsvereinbarungen - die daraus resultierende strikte Bindung an die Grundlohnsummensteigerung dann nicht zu beachten ist, sofern anderenfalls die notwendige medizinische Versorgung (auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven) nicht gewährleistet ist. Indem der vereinbarte Behandlungsbedarf als eben diese "notwendige Versorgung" "gilt", ergibt sich auf diesem Umweg das (gewollte) Ergebnis, dass Beitragssatzerhöhungen, die durch einen erhöhten Behandlungsbedarf verursacht werden, nicht durch § 71 SGB V ausgeschlossen bzw "gedeckelt" werden. Unzutreffend ist jedoch die Annahme des LSG und der Beigeladenen, dass die in § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V gesetzlich bestimmte Ausnahme nicht nur die "Mengenkomponente", sondern auch die "Preiskomponente" erfassen soll. Die Ausnahme betrifft schon nach ihrem Wortlaut allein den "vereinbarten Behandlungsbedarf". Der "vereinbarte Behandlungsbedarf" ist jedoch nur einer der Parameter, welche die Höhe der zu zahlenden Gesamtvergütung (bzw deren Änderung) bestimmen: Gemäß § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V vereinbaren die Vertragspartner "hierzu" - also zu der im vorangehenden Satz angesprochenen Vereinbarung der Gesamtvergütung - den mit der Zahl und der Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundenen Behandlungsbedarf als Punktzahlvolumen auf der Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) und bewerten diesen mit dem nach Abs 2 Satz 1 aaO vereinbarten Punktwert in Euro.

59

Nach dem klaren Wortlaut der Norm wie auch nach der systematischen Struktur der Vorschrift stellen die Vereinbarung des Behandlungsbedarfs und die Vereinbarung des Punktwerts getrennte Vorgänge dar. Die Ausnahmeregelung betrifft danach allein die Vereinbarung des Behandlungsbedarfs, nicht aber die in Abs 2 aaO geregelte Vereinbarung des Punktwerts. Dies wird schon daraus deutlich, dass auch § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V deutlich zwischen dem Akt der Vereinbarung des Behandlungsbedarfs als Punktzahlvolumen (Schritt 1) und dem nachfolgenden Akt der Bewertung dieses Punktzahlvolumens mit dem nach Abs 2 aaO vereinbarten Punktwert (Schritt 2) unterscheidet ("und bewerten diesen …").

60

Nicht tragfähig ist schließlich die Annahme, dass die Wendung "vereinbarter Behandlungsbedarf" iS des § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V in dem Sinne zu verstehen sei, dass damit das Produkt aus dem Punktzahlvolumen und dem Punktwert gemeint sei. Der "vereinbarte Behandlungsbedarf" im Sinne der Ausnahmevorschrift meint schon seiner systematischen Stellung nach den nach dem vorangegangenen Halbsatz vereinbarten Behandlungsbedarf. Die von der Beigeladenen nahegelegte Differenzierung zwischen einem "verbundenen" Behandlungsbedarf nach § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V und einem "vereinbarten" Behandlungsbedarf nach § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V geht fehl. Die Wendung "verbunden" bezieht sich allein auf die Zahl und die Morbiditätsstruktur, beschreibt den Behandlungsbedarf also inhaltlich, schafft aber kein aliud in Bezug auf den rechtlichen Inhalt des Begriffes "Behandlungsbedarf".

61

Der Begriff "Behandlungsbedarf", der nicht allein in den beiden genannten Halbsätzen, sondern auch im nachfolgenden Satz 3 Verwendung findet sowie in weiteren Vorschriften, wie etwa in § 87a Abs 4 Satz 1 und 2 SGB V ua, meint in allen Konstellationen dasselbe; es gibt nur "den" Behandlungsbedarf, nicht "verbundene", "vereinbarte" und noch weitere, nicht näher spezifizierte Varianten des Behandlungsbedarfs: Wenn es in § 87a Abs 3 Satz 3 SGB V heißt, dass die "im Rahmen des Behandlungsbedarfs erbrachten Leistungen" mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu vergüten sind, stellte sich anderenfalls die Frage, ob dies den "verbundenen", den "vereinbarten" oder noch einen anderen Behandlungsbedarf meint. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des Senats im Urteil vom 25.3.2015 (B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 71). Dort hatte der Senat bei der Darstellung von Ausnahmen und Einschränkungen des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ausgeführt: "So gilt nach § 87a Abs 3 Satz 2 letzter Halbsatz SGB V in der Fassung des GKV-WSG der vereinbarte Behandlungsbedarf als 'notwendige medizinische Versorgung' im Sinne des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V mit der Folge, dass die Beschränkungen aus dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität für Gesamtvergütungen in der vertragsärztlichen Versorgung seit 2009 insoweit nicht eingreifen(vgl BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 41)." Wie schon das Wort "insoweit" verdeutlicht, ist die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität nur in dem Umfang suspendiert, in dem die Ausnahmeregelung Geltung beansprucht. Dies belegt auch das in dem zitierten Abschnitt in Bezug genommene Urteil des Senats vom 13.8.2014 (BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 41): Dort wird im Rahmen der Ausführungen zur Geltung des Prinzips der Vorjahresanknüpfung dargelegt, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität "seit den Änderungen im vertragsärztlichen Vergütungssystem durch das GKV-WSG für die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen nur noch sehr eingeschränkt (gilt), weil der vereinbarte Behandlungsbedarf gemäß § 87a Abs 3 Satz 2 SGB V als notwendige medizinische Versorgung im Sinne dieser Vorschrift gilt. Damit kann einer der Veränderung der Morbiditätsstruktur der Versicherten entsprechenden Anpassung des Behandlungsbedarfs nicht entgegengehalten werden, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität verletzt würde."

62

dd) Ein (jedenfalls mittelbarer) Geltungsausschluss ergibt sich - entgegen der Auffassung des LSG - auch nicht aus Regelungen im vertragszahnärztlichen Bereich. Soweit das LSG aus einem Vergleich mit § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V eine vom Gesetzgeber gewollte generelle "Lockerung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität" entnehmen will, ist zwar im Ansatz zutreffend, dass der Gesetzgeber eine solche "Lockerung" beabsichtigt und diese Absicht mit der Regelung in § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V auch umgesetzt hat. Nicht zutreffend ist allerdings, dass diese Absicht auch die vom LSG gezogenen Folgerungen für die Auslegung der Ausnahmeregelung haben muss. Die - seit 2009 ausschließlich für den vertragszahnärztlichen Bereich geltende - Regelung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V gibt den Vertragspartnern nicht mehr die "Beachtung", sondern nur noch die "Berücksichtigung" des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität vor. Dies hat zur Folge, dass dem Grundsatz bei der Vereinbarung von Änderungen der Gesamtvergütung nicht mehr der Vorrang gebührt, sondern der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nur noch eines der bei der Vereinbarung zu berücksichtigenden Kriterien darstellt (s hierzu Axer, GesR 2013, 135). Dadurch, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nunmehr gleichberechtigt neben den anderen Kriterien steht, wird die strikte gesetzliche Ausgabenbegrenzung beseitigt.Der Gesetzgeber wollte hierdurch den Vertragspartnern größere Verhandlungsspielräume eröffnen und Veränderungen der Gesamtvergütungen ermöglichen, die den morbiditätsbedingten Leistungsbedarf der Versicherten einer Krankenkasse widerspiegeln (Gesetzesbegründung zum GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S 59 zu § 85 SGB V).Auch hier steht also der "Leistungsbedarf" im Fokus.

63

Folgerungen für den Umfang der Geltung des Grundsatzes im vertragsärztlichen Bereich können hieraus jedoch nicht gezogen werden. Fehl geht die Annahme des LSG, dass dem Umstand, dass das Gebot einer Beachtung bzw Berücksichtigung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in § 87a SGB V gar nicht mehr "auftauche", Relevanz zukommt. Wie bereits dargestellt, gilt der Grundsatz der Beitragssatzstabilität grundsätzlich für alle im Vierten Kapitel des SGB V geregelten Vergütungen, auch wenn er in der jeweiligen Vorschrift keine ausdrückliche Erwähnung findet. Dass er in § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V weiterhin ausdrücklich genannt wird, beruht darauf, dass so stärker verdeutlicht wird, dass er im Gegensatz zum vorhergehenden Recht nur noch - neben den in § 85 Abs 3 Satz 1 SGB V aufgeführten Kriterien - einer der Faktoren ist, welche die Höhe der Veränderung der Gesamtvergütung mitbestimmen.

64

ee) Eine begrenzte Verdrängung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die Zuschläge auf den Orientierungswert nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V - nicht für die Festsetzung dieses Werts selbst(s oben bb) - ergibt sich jedoch aus dem in dieser Vorschrift vorgegebenen System von Zu- und Abschlägen selbst. Die Festlegung des Punktwerts erfolgt nach dem 1.1.2013 in zwei Schritten. Zunächst sind auf Bundesebene nach § 87 Abs 2g SGB V für alle KÄV-Bezirke einheitlich ua Veränderungen der Investitions- und Betriebskosten der Praxen zu berücksichtigen. Der BewA ist dabei an den Grundsatz der Beitragssatzstabilität gebunden. Die Veränderungsrate, die der BewA jährlich festzusetzen hat, wird wegen der zentralen Bedeutung der Lohnkosten auch bei den Betriebskosten typischerweise nicht sehr weit hinter der Veränderungsrate des § 71 Abs 3 SGB V zurückbleiben können. Bei dieser Rate ist die Entwicklung der beitragspflichtigen Entgelte der Versicherten maßgeblich, also Veränderungen bei der Anzahl der Beschäftigten und deren Verdiensten. Wegen der notwendig relativ groben bundeseinheitlichen Veränderungsrate des Orientierungswerts hat sich der Gesetzgeber für eine Feinsteuerung durch Zu- und Abschläge auf regionaler Ebene entschieden. Wenn Maßstab für dieses System aus Zu- und Abschlägen die bundesdurchschnittlichen Werte sind, bewirken allein Zuschläge in einem KÄV-Bezirk nicht, dass bundesweit die Punktwerte über den Orientierungswert ansteigen, weil es in anderen KÄV-Bezirken auch Anlass für Abschläge geben muss. Obwohl dem Senat die Schwierigkeiten der Umsetzung von Abschlägen in einzelnen KÄV-Bezirken bewusst sind, können die Zweifel an der vollständigen und lückenlosen Umsetzbarkeit der gesetzlichen Konzeption nicht dazu führen, dass auch Zuschläge, die allen Parametern des § 87a Abs 2 Satz 2 iVm § 87 Abs 2g SGB V entsprechen, allein deshalb ausgeschlossen sind, soweit sie - zusammen mit anderen Veränderungen, die der Beklagte hier vorgenommen hat - zu einer Erhöhung der Vergütung über den Anstieg nach § 71 Abs 3 SGB V hinausgehen.

65

Der Gesetzgeber hat mit dem GKV-VStG 2012 eine stärkere Regionalisierung der vertragsärztlichen Vergütungen angestrebt. Im zahnärztlichen Bereich hat er im Sinne dieser Intention die "Beachtung" der Beitragssatzstabilität zugunsten einer bloßen "Berücksichtigung" relativiert (s oben dd), im ärztlichen Bereich das Morbiditätsrisiko auf die Krankenkassen verlagert und hinsichtlich der Preiskomponente die regionalen Vertragspartner in die Verantwortung genommen. Diese Rolle können sie nur effektiv wahrnehmen, wenn mit schlüssiger und gesetzeskonformer Begründung für Zuschläge auch die Grenze des § 71 Abs 3 SGB V behutsam überschritten werden darf. Es ist Sache des Gesetzgebers zu bewerten, ob an diesem System festgehalten werden soll, wenn sich ergibt, dass die Kompensation der Zuschläge in einigen KÄV-Bezirken durch Abschläge in anderen Bezirken nicht realisiert werden kann.

66

d) Der Schiedsspruch ist auch mit § 87a Abs 2 Satz 2 iVm § 72 Abs 2 SGB V vereinbar. Es bedarf hier keiner näheren Ausführungen zu der von den Klägerinnen aufgeworfenen Frage, ob ein Schiedsspruch wegen Unvereinbarkeit mit dem für die gesamte vertragsärztliche Versorgung geltenden Wirtschaftlichkeitsgebot kollidieren kann. Ersichtlich sind die Klägerinnen der Ansicht, dass die - aus ihrer Sicht ohnehin rechtswidrige - Entscheidung des Beklagten auch mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot unvereinbar ist, weil der Beklagte nicht hinreichend gewürdigt habe, dass H. trotz hoher Kosten auch für Vertragsärzte attraktiv sei. Das trifft schon nicht zu, weil der Beklagte diesen Aspekt in seiner Entscheidung ausdrücklich angesprochen und ihm sogar entscheidungserhebliche Bedeutung zugemessen hat: Gerade wegen der Attraktivität von H. hat der Beklagte die Kostendifferenz zwischen diesem Land und dem Bundesgebiet nur zu einem kleinen Teil ausgeglichen. Im Übrigen hat der Senat erhebliche Zweifel, ob ein Schiedsspruch, der mit allen konkret zu beachtenden speziellen gesetzlichen Vorgaben einschließlich des § 71 SGB V vereinbar ist, gleichwohl allein wegen eines Verstoßes gegen das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot aufzuheben sein kann. Der Senat hat im Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung entschieden, dass es nur in besonderen Konstellationen möglich ist, unmittelbar aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot konkrete, einen Regress auslösende Vorgaben für die ärztliche Behandlung abzuleiten (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 44, § 106 Nr 54 RdNr 45). Das gilt sinngemäß auch für Vorgaben für Vergütungsverträge, für die zahlreiche spezielle gesetzliche Maßgaben gelten, die - wie etwa die Grundsätze der Beitragssatzstabilität und der Vorjahresanknüpfung - immer auch dem Ziel der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung dienen. Wann bei der gerichtlichen Überprüfung von Vergütungsverträgen dem Wirtschaftlichkeitsgebot eigenständige Bedeutung zukommen kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil sich der Beklagte im Rahmen seiner Befugnisse nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V bewegt und sich bemüht hat, alle maßgeblichen Gesichtspunkte für und gegen die Zuschläge zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen.

67

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben die Klägerinnen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen, da sie unterlegen sind (§ 154 Abs 1 VwGO). Der Senat spricht in entsprechender Anwendung des § 100 Abs 4 Satz 1 ZPO eine gesamtschuldnerische Verpflichtung der Klägerinnen aus; die auf die einzelne Krankenkasse entfallenden Anteile sind nicht bekannt, und der Umstand, dass alle Klägerinnen durch dieselben Bevollmächtigten vertreten sind, spricht dafür, dass auf der Klägerseite ohnehin eine interne Kostenregelung getroffen wird.

(1) Die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen bilden je ein gemeinsames Schiedsamt für die vertragsärztliche Versorgung und ein gemeinsames Schiedsamt für die vertragszahnärztliche Versorgung (Landesschiedsämter).

(2) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden ein gemeinsames Schiedsamt für die vertragsärztliche Versorgung und ein gemeinsames Schiedsamt für die vertragszahnärztliche Versorgung (Bundesschiedsämter).

(3) Kommt ein Vertrag über die vertragsärztliche oder die vertragszahnärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande, setzt das zuständige Schiedsamt mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten den Vertragsinhalt fest. Wird ein für die Einleitung des Verfahrens erforderlicher Antrag nicht gestellt, können auch die für das jeweilige Schiedsamt oder die für die Vertragsparteien zuständigen Aufsichtsbehörden, nachdem sie den Organisationen, die das Schiedsamt bilden, eine Frist zur Antragstellung gesetzt haben und die Frist abgelaufen ist oder nach Ablauf einer für das Zustandekommen des Vertrages gesetzlich vorgeschriebenen Frist, das Schiedsamt mit Wirkung für die Vertragsparteien anrufen. Das Schiedsamtsverfahren beginnt mit dem bei dem Schiedsamt gestellten Antrag.

(4) Kündigt eine Vertragspartei einen Vertrag, hat sie die Kündigung dem zuständigen Schiedsamt schriftlich oder elektronisch mitzuteilen. Kommt bis zum Ablauf des Vertrages kein neuer Vertrag zustande, setzt das zuständige Schiedsamt mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten den Inhalt des neuen Vertrages fest. In diesem Fall gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages bis zur Festsetzung des Inhalts des neuen Vertrages durch das Schiedsamt weiter. Das Schiedsamtsverfahren beginnt mit dem auf den Ablauf der Kündigungsfrist folgenden Tag.

(5) Die Landesschiedsämter und die Bundesschiedsämter bestehen aus je vier Vertretern der Ärzte oder Zahnärzte und vier Vertretern der Krankenkassen sowie einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Bei der Festsetzung des Inhalts eines Vertrages, der nicht alle Kassenarten betrifft, wirken als Vertreter der Krankenkassen nur Vertreter der betroffenen Kassenarten im Schiedsamt mit. Die in Absatz 1 genannten Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen können von Satz 2 abweichende Regelungen vereinbaren. Für jedes Mitglied gibt es zwei Stellvertreter. Die Amtsdauer der Mitglieder beträgt vier Jahre. Die Vertreter und Stellvertreter werden jeweils durch die Organisationen, die das jeweilige Schiedsamt bilden, bestellt. Kommt eine Bestellung durch die Organisationen nicht zustande, bestellt die für das jeweilige Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde die Vertreter und Stellvertreter, nachdem sie den Organisationen eine Frist zur Bestellung gesetzt hat und diese Frist abgelaufen ist.

(6) Über den unparteiischen Vorsitzenden und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Vertragsparteien einigen. § 213 Absatz 2 in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung gilt für die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen entsprechend. Kommt eine Einigung nicht zustande, erfolgt eine Bestellung des unparteiischen Vorsitzenden, der weiteren unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter durch die für das jeweilige Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde, nachdem sie den Vertragsparteien eine Frist zur Einigung gesetzt hat und diese Frist abgelaufen ist. Die unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter gelten als bestellt, sobald sie sich den beteiligten Vertragsparteien gegenüber zur Amtsübernahme bereit erklärt haben.

(7) Die Mitglieder des Schiedsamtes führen ihr Amt als Ehrenamt. Sie sind an Weisungen nicht gebunden. Die unparteiischen Mitglieder und ihre Stellvertreter können aus wichtigem Grund von der für das jeweilige Schiedsamt zuständigen Aufsichtsbehörde abberufen werden. Die Vertreter der Ärzte oder Zahnärzte und die Vertreter der Krankenkassen sowie ihre Stellvertreter können von den Organisationen, die sie bestellt haben, abberufen werden. Eine Amtsniederlegung ist gegenüber den Organisationen zu erklären, die das jeweilige Schiedsamt gebildet haben. Die Mitglieder sind verpflichtet, an den Sitzungen des Schiedsamtes teilzunehmen oder bei Verhinderung ihre Stellvertreter zu benachrichtigen. Eine Stimmenthaltung ist unzulässig. Jedes Mitglied hat eine Stimme.

(8) Das Schiedsamt ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder oder deren Stellvertreter anwesend sind. Ist das Schiedsamt in einer Sitzung nicht beschlussfähig, ist innerhalb von 14 Kalendertagen nach dieser Sitzung eine erneute Sitzung einzuberufen. In dieser erneuten Sitzung ist die Beschlussfähigkeit gegeben, wenn die unparteiischen Mitglieder oder deren Stellvertreter und mehr als die Hälfte der weiteren Mitglieder des Schiedsamtes oder deren Stellvertreter anwesend sind. Ist auch in der erneuten Sitzung keine Beschlussfähigkeit nach Satz 3 gegeben, setzen die unparteiischen Mitglieder des Schiedsamtes den Vertragsinhalt fest. Auf diese Folgen ist in der Einladung zur erneuten Sitzung ausdrücklich hinzuweisen.

(9) Setzt das Schiedsamt innerhalb der Frist nach Absatz 3 Satz 1 oder Absatz 4 Satz 2 keinen Vertragsinhalt fest, setzt die für das jeweilige Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde eine Frist zur Festsetzung des Vertragsinhalts. Nach Ablauf dieser Frist setzen die unparteiischen Mitglieder des Schiedsamtes den Vertragsinhalt fest. Die unparteiischen Mitglieder können auf Kosten der Vertragsparteien Datenerhebungen, Auswertungen oder Sachverständigengutachten in Auftrag geben. Klagen gegen Entscheidungen des Schiedsamtes sowie Klagen gegen Entscheidungen der Aufsichtsbehörden nach diesem Paragraphen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet in den Fällen des Satzes 4 nicht statt.

(10) Die Aufsicht über die Landesschiedsämter führen die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung eine andere Behörde als Aufsichtsbehörde bestimmen; die Landesregierungen können diese Ermächtigung auf die obersten Landesbehörden weiterübertragen. Die Aufsicht über die Bundesschiedsämter führt das Bundesministerium für Gesundheit. Die Aufsicht erstreckt sich auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht. Die Aufsicht umfasst auch das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen der Schiedsämter; das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen der Schiedsämter gilt auch für das Bundesversicherungsamt, sofern ihm die Entscheidungen der Schiedsämter gemäß Satz 6 vorzulegen sind. Die Entscheidungen der Schiedsämter über die Vergütung der Leistungen nach § 57 Absatz 1 und 2, den §§ 83, 85 und 87a sind der jeweiligen zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen. Die Aufsichtsbehörden können die Entscheidungen bei einem Rechtsverstoß innerhalb von zwei Monaten nach Vorlage beanstanden. Für Klagen der Vertragspartner gegen die Beanstandung gilt Absatz 9 Satz 4 und 5 entsprechend.

(11) Das Bundesministerium für Gesundheit bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Bestellung, die Amtsdauer, die Amtsführung, die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für Zeitaufwand der Mitglieder der Schiedsämter, die Geschäftsführung, das Verfahren, die Erhebung und die Höhe der Gebühren sowie über die Verteilung der Kosten.

(12) Der Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden ein weiteres Schiedsamt auf Bundesebene. Das Schiedsamt besteht aus Vertretern des Verbandes Deutscher Zahntechniker-Innungen und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in gleicher Zahl sowie einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Im Übrigen gelten die Absätze 3, 4, 5 Satz 4 bis 7, die Absätze 6, 7, 8, 9 und 10 Satz 3, 4 und 5 sowie die aufgrund des Absatzes 11 erlassene Schiedsamtsverordnung entsprechend.

(13) Die Innungsverbände der Zahntechniker, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen bilden ein weiteres Schiedsamt auf Landesebene. Das Schiedsamt besteht aus Vertretern der Innungsverbände der Zahntechniker und der Krankenkassen in gleicher Zahl sowie einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Im Übrigen gelten die Absätze 3, 4, 5 Satz 4 bis 7, die Absätze 6, 7, 8, 9 und 10 Satz 1, 2, 4 und 5 sowie die aufgrund des Absatzes 11 erlassene Verordnung entsprechend.

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 16. Dezember 2015 werden zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs über die Honorarvereinbarung für das Jahr 2013, beschränkt auf die Rechtmäßigkeit des vom Schiedsamt festgesetzten Zuschlags auf den Orientierungswert.

2

Nachdem die Vergütungsverhandlungen zwischen den klagenden Verbänden von Krankenkassen und der beigeladenen KÄV zu keiner Einigung geführt hatten, traf das beklagte Landesschiedsamt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.8.2013 (ua) folgende Festsetzung zur Honorarvereinbarung 2013:

        

"2. Der Punktwert zur Berechnung der regionalen EUR-Gebührenordnung (Anlage 1 zu dieser Vereinbarung) beträgt für die Zeit vom 01.01.2013 bis zum 30.09.2013 3,6099 Cent. Er ergibt sich als regionaler Punktwert aus dem um einen Zuschlag von 0,0736 Cent erhöhten bundeseinheitlichen Orientierungspunktwert. Für die Zeit ab 01.10.2013 bis zum 31.12.2013 beträgt der Punktwert zur Berechnung der regionalen EUR-Gebührenordnung (Anlage 2 zu dieser Vereinbarung) 10,2083 Cent. Er ergibt sich als regionaler Punktwert aus dem um einen Zuschlag von 0,2083 Cent erhöhten bundeseinheitlichen Orientierungspunktwert von 10 Cent (BA-Beschluss 304. Sitzung am 19.04.2013, Ziffer I)."

3

Zur Begründung wies der Beklagte darauf hin, mit dem Zuschlag regionale Besonderheiten bei der Kostenstruktur zu berücksichtigen. Die Befugnis dazu ergebe sich aus § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V. Mit dieser Vorschrift verfolge der Gesetzgeber das Ziel, landesbezogenen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur Rechnung zu tragen. Die Vertragspartner seien auch nicht länger verpflichtet, bei ihren Punktwertverhandlungen vom Bewertungsausschuss (BewA) festgelegte Indikatoren zur Messung regionaler Besonderheiten der Kostenstruktur zu beachten. Das gesetzgeberische Konzept zur Berücksichtigung individueller Besonderheiten der Kostenstruktur habe sich nach dem zwischenzeitlichen Wegfall des gesetzlichen Verbotes von Zuschlägen erst seit 2013 realisieren lassen. Die bei diesem "Umstieg" zu berücksichtigenden Unterschiede in der Höhe arztpraxisrelevanter Kosten in H. richteten sich nicht nach den unterschiedlichen Veränderungsraten im Vergleich mit dem Vorjahr, sondern nach den zur Zeit bestehenden Differenzen im Sockel. Nur so könne verhindert werden, dass die Unterschiede auf Dauer fortgeschrieben werden würden. Die Kosten einer städtischen H. Arztpraxis seien signifikant höher als im bundesdurchschnittlichen Stadt-Land-Mix. Das Niveau arztpraxisrelevanter Kosten lasse sich schätzen. Es könne auf amtliche Indikatoren wie Arbeitnehmerentgelte, Bruttoinlandsprodukt, Bruttolöhne und -gehälter sowie das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen zurückgegriffen werden. Danach dürften die arztpraxisrelevanten Kosten in H. die bundesdurchschnittlichen um etwa 15 % übersteigen. Das gelte jedenfalls für Personalkosten und Mieten, die ca 30 % der Praxiskosten ausmachten. Der Beklagte halte wegen der höheren Praxiskosten in H. einen Zuschlag auf den Orientierungswert 2013 für notwendig, begrenze ihn aber auf 3 %. Maßgeblich dafür sei zum einen der Umstand, dass H. offensichtlich für Ärzte und Psychotherapeuten ein betriebswirtschaftlich attraktiver Standort sei. Zum anderen sei der Grundsatz der Beitragssatzstabilität zu berücksichtigen. Zwar sei die Grundlohnsumme nur um 2,03 % gestiegen, doch verstoße die leichte Überschreitung des festgesetzten regionalen Punktwerts nicht gegen die in § 71 Abs 2 SGB V gezogene Grenze, da auch der Gesetzgeber selbst den Grundsatz der Beitragssatzstabilität im Rahmen des § 87a SGB V relativiert habe.

4

Die gegen den Schiedsspruch erhobene Klage, die sich allein gegen die Festsetzung eines Zuschlags auf den Orientierungswert richtet, ist erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, das beklagte Schiedsamt habe sich bei den angefochtenen Festsetzungen gemäß § 89 Abs 1 SGB V im Rahmen seines Gestaltungsspielraums bewegt. Der Schiedsspruch sei - soweit die gerichtliche Überprüfung reiche - formell und materiell rechtmäßig, insbesondere verstoße die Festsetzung der Zuschläge auf den Orientierungswert nicht gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 Abs 1 Satz 1 SGB V).

5

Dem Gesetzeswortlaut sei eine Erstreckung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität auch auf die fakultativ zu vereinbarenden Zuschläge nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V nicht zu entnehmen. Im Übrigen enthalte § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V eine hier relevante Ausnahmeregelung. Danach gelte der vereinbarte Behandlungsbedarf als notwendige medizinische Versorgung im Sinne des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität. Die beigeladene KÄV weise zutreffend darauf hin, dass neben der "Mengenkomponente" ("Behandlungsbedarf") auch die "Preiskomponente" (Bewertung mit dem vereinbarten Punktwert) zu dem vereinbarten Behandlungsbedarf gehöre.

6

Die festgesetzten regionalen Punktwerte verstießen auch nicht gegen den Grundsatz der Vorjahresanknüpfung (§ 87a Abs 2, § 87d SGB V). Anders als § 87a Abs 4 Satz 1 SGB V für den Behandlungsbedarf sehe § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V für die Zu- und Abschläge auf den bzw von dem Orientierungswert keine Anpassung auf der Basis eines Vorjahreswerts vor, sodass daraus nicht die Maßgeblichkeit des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung hergeleitet werden könne. Dem Wortlaut des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V könne deshalb gerade nicht entnommen werden, dass die Vorjahresregelung die Basis der aktuellen Vereinbarung bilde. Die ausdrückliche Erwähnung der Vorjahresanknüpfung in § 87a Abs 4 SGB V ("aufsetzend auf dem … für das Vorjahr … vereinbarten … Behandlungsbedarf") spreche vielmehr gegen eine Übertragung dieses Grundsatzes auch auf die nach § 87a Abs 2 SGB V zu treffenden Vereinbarungen.

7

Die vereinbarten Zuschläge verstießen auch nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 72 Abs 2 SGB V). Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich der Beklagte von der Erwägung habe leiten lassen, dass angesichts der höheren Praxiskosten in H. ein Zuschlag auf den Orientierungswert 2013 prinzipiell notwendig und gerechtfertigt sei, dieser aber wegen der Attraktivität des Standorts H. und der sich hier ergebenden Kostenvorteile durch einen hohen Anteil medizinischer Versorgungszentren und anderer beruflicher Kooperationsformen auf 3 % zu begrenzen sei (Urteil vom 16.12.2015).

8

Mit ihren Revisionen rügen die Klägerinnen die Verletzung von Bundesrecht. Entgegen der Auffassung des LSG finde der Grundsatz der Beitragssatzstabilität zwingend Anwendung auf die Vereinbarung bzw Festsetzung des regionalen Punktwerts. Auch die Festsetzung eines Zuschlags auf den Orientierungswert sei mangels Eingreifens eines der normierten Ausnahmetatbestände der Höhe nach dadurch begrenzt, dass der regionale Punktwert den Vorjahreswert um maximal die maßgebliche Veränderungsrate übersteigen dürfe. Die entgegenstehende Auslegung des LSG sei bereits mit dem Wortlaut und der Systematik der gesetzlichen Regelung offenkundig unvereinbar. Aus dem Sinn und Zweck der Regelungen unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte ergebe sich nichts Abweichendes.

9

§ 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V enthalte keine eigenständige Ausnahmeregelung vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität. Das LSG setze entgegen dem Wortlaut der Norm den vereinbarten Behandlungsbedarf und die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) gleich. Bei der Ermittlung der MGV werde zunächst der Behandlungsbedarf vereinbart und anschließend werde dieser vereinbarte Behandlungsbedarf mit dem Punktwert bewertet. Der vereinbarte Behandlungsbedarf iS des Halbsatzes 2 meine damit eindeutig den gemäß Halbsatz 1 (und Abs 4) vereinbarten Behandlungsbedarf, dh die Mengenkomponente; denn der vereinbarte Behandlungsbedarf sei explizit als Punktzahlvolumen definiert. Die Auslegung des "vereinbarten Behandlungsbedarfs" als Mengen- und Preiskomponente widerspreche dem Wortlaut der Vorschrift, weil dieser dann denselben Inhalt hätte wie die "MGV" gemäß § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V. § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V unterscheide jedoch begrifflich zwischen MGV, vereinbartem Behandlungsbedarf und regionalem Punktwert. Diese begriffliche Differenzierung spiegele sich auch in den Regelungen des § 87a Abs 2 und Abs 4 SGB V wider.

10

§ 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V bestätige gerade die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die Festsetzung des regionalen Punktwerts. Die Regelung fingiere gesetzlich das Eingreifen der Ausnahmeregelung der Sicherstellung der notwendigen medizinischen Versorgung für die morbiditätsbedingt vereinbarte Mengenkomponente der Gesamtvergütung; diese Regelungstechnik sei allein für den Behandlungsbedarf sinnvoll. Wenn der Grundsatz für die MGV insgesamt nicht hätte anwendbar sein sollen, hätte der Gesetzgeber dies regeln können und müssen. Dies bestätige etwa die Ausnahmeregelung in § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V aF. Diese Regelung sowie § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V belegten, dass dem Gesetzgeber die Unterschiede zwischen der Anordnung der Nichtgeltung, der bloßen Berücksichtigung des Grundsatzes neben anderen Kriterien und der Fiktion einer Komponente der Gesamtvergütungsvereinbarung als Ausnahmetatbestand vertraut gewesen seien. Verbliebe es in Bezug auf die MGV nicht bei der Anwendbarkeit des § 71 SGB V im Übrigen, wäre zudem die in § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V geregelte gesetzliche Fiktion sinnlos.

11

Die Festsetzung von Zuschlägen verletzte auch den Grundsatz der Vorjahresanknüpfung. Dessen Geltung ergebe sich zum einen aus der Anwendbarkeit des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität; er beanspruche aber auch unabhängig hiervon Beachtung. Dem stehe das Urteil des Senats vom 13.8.2014 (B 6 KA 6/14 R - BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2) nicht entgegen. Soweit das BSG dort in Abgrenzung zum Urteil vom 21.3.2012 (B 6 KA 21/11 R) darauf hingewiesen habe, dass § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V aF keine Anpassung auf der Basis eines Vorjahreswerts vorsehe, sei es allein darum gegangen, klarzustellen, dass sich aus der Entscheidung zu § 87a Abs 2 SGB V aF nichts für die Auslegung des § 87a Abs 3 und 4 SGB V ergebe.

12

Der festgesetzte regionale Zuschlag sei auch mit den vom Gesetzgeber selbst getroffenen Vorgaben hinsichtlich der Zuschläge auf den Orientierungswert für die Jahre 2011 und 2012 durch § 87d SGB V nicht vereinbar. Mit dieser Norm habe der Gesetzgeber die Orientierungswerte für 2011 und 2012 selbst bestimmt. Die damit verbundenen Zielsetzungen - die Begrenzung der Ausgabenzuwächse sowie die Angleichung der Honorarunterschiede - seien mit dem vom Beklagten festgesetzten Zuschlag auf den Orientierungswert für das Jahr 2013 zum "Basisausgleich" von Differenzen im Sockel nicht kompatibel. Denn damit werde nicht nur die ausgabenbegrenzende Wirkung für die Jahre 2011 und 2012 rückgängig gemacht, sondern auch der vom Gesetzgeber geregelten Minderung der Honorarunterschiede entgegengewirkt.

13

Auch der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBewA) gehe davon aus, dass Kostensteigerungen, die ohne die Geltung des § 87d SGB V für die Jahre 2011 und 2012 zu berücksichtigen gewesen wären, nicht nachzuholen seien. Die KÄBV habe ihre gegen den Orientierungswert 2013 erhobene Klage zurückgenommen; damit werde nicht nur die Angemessenheit der Höhe der Anpassung des Orientierungswerts für das Jahr 2013 anerkannt, sondern auch die Basiswirksamkeit der Regelungen in § 87d SGB V und die auf diese Basis aufsetzenden Festlegungen des EBewA. Das BSG habe für Regelungen zur Deckelung bzw Absenkung der Gesamtvergütung entschieden, dass solche gesetzlichen Regelungen entsprechend dem Prinzip der Vorjahresanknüpfung auch für die Folgejahre Wirkung behielten, soweit der Gesetzgeber nicht ausdrücklich etwas Abweichendes anordne. Diese Vorgaben gälten auch für die Anpassung der Punktwerte.

14

Die Entscheidung des Beklagten sei selbst dann, wenn weder der Grundsatz der Beitragssatzstabilität noch der Grundsatz der Vorjahresanknüpfung zwingend anzuwenden wären, jedenfalls beurteilungsfehlerhaft. Der Beklagte habe nicht außer Betracht lassen dürfen, dass die vertragsärztliche Versorgung im Jahr 2012 ohne Weiteres mit der für dieses Jahr vereinbarten Vergütung habe sichergestellt werden können, sodass bei der Prüfung der Notwendigkeit eines Punktwertzuschlags hätte ermittelt und abgewogen werden müssen, welche Veränderungen sich gegenüber dem Jahr 2012 ergeben hätten. Eine alleinige Punktwertfestsetzung aufgrund mittelbarer Indizien für überdurchschnittliche Kosten werde dem gesetzlichen Rahmen für die Punktwertfestsetzung nicht gerecht.

15

Schließlich sei der Punktwertzuschlag auch mit dem allgemeinen rechtlichen Maßstab der § 87a Abs 2 Satz 2 iVm § 72 Abs 2 SGB V unvereinbar. Dass der Beklagte den Punktwertzuschlag unter Berufung auf das überdurchschnittliche Kostenniveau in H. festgesetzt habe, obwohl er zutreffend erkannt habe, dass H. auch betriebswirtschaftlich ein attraktiver Standort sei, widerspreche dem Wirtschaftlichkeitsgebot in der gesetzlichen Krankenversicherung.

16

Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des LSG Hamburg vom 16.12.2015 zu ändern und den Schiedsspruch des Beklagten vom 15.08.2013 insoweit aufzuheben, als in Ziff. 2 der Honorarvereinbarung 2013 Zuschläge auf den Orientierungswert für das Jahr 2013 zur Festsetzung des regionalen Punktwertes für die Zeit vom 01.01.2013 bis 30.09.2013 und vom 01.10.2013 bis zum 31.12.2013 festgesetzt worden sind,

hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, über die Festsetzung von Zu- und Abschlägen von dem Orientierungswert für das Jahr 2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

17

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

18

Er regt zunächst die Beiladung seiner Aufsichtsbehörde an. In der Sache verweist er auf die Begründung des Schiedsspruchs und die Gründe des angegriffenen Urteils. Zu dem auf bundesdurchschnittliche Verhältnisse gründenden Orientierungswert habe sich wegen der im Bezirk der KÄV H. höheren arztpraxisrelevanten Kosten ein Zuschlag vereinbaren bzw festsetzen lassen. Dem habe jedenfalls bei der erstmals 2013 möglichen Vereinbarung/Festsetzung das Prinzip der Vorjahresanknüpfung nicht entgegengestanden, ebenso wenig die Angemessenheitsvermutung. Anderenfalls liefe das gesetzgeberische Konzept von auf KÄV-unterschiedlichen Kosten basierenden Zu- und Abschlägen ins Leere. Der bundeseinheitliche Orientierungswert ließe sich nicht spreizen, wenn - entgegen der gesetzgeberischen Erkenntnis von KÄV-unterschiedlichen Kostenniveaus - für jeden KÄV-Bezirk anzunehmen wäre, die ohne Rücksicht auf diesen Faktor für das Vorjahr jeweils vereinbarte Gesamtvergütung sei angemessen gewesen. Im Konzept regionaler Punktwerte aufgrund KÄV-individueller Zu- oder Abschläge auf den bzw von dem Orientierungswert würden - so die, bisher allerdings noch nicht eingetroffene, Erwartung des Gesetzgebers - die Auswirkungen auf die Beitragssatzstabilität weitgehend neutralisiert. Regionale Punktwertzuschläge wirkten zwar einer Angleichung der Honorarunterschiede zwischen den KÄVen entgegen; den Plan asymmetrischer Anpassungen verfolge der Gesetzgeber aber seit 2012 nicht mehr.

19

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.

20

Der Beklagte habe nicht gegen zwingende rechtliche Vorgaben verstoßen. Die Festsetzung der Zuschläge verstoße nicht gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität, weil gemäß der Ausnahmeregelung des § 87a Abs 3 SGB V der "vereinbarte Behandlungsbedarf" diesen Grundsatz aufgrund der gesetzlichen Formulierung erfülle. Dies sei auch sachlich gerechtfertigt, da die Krankenkassen(-Verbände) den "vereinbarten Behandlungsbedarf" als Vertragspartner mit festlegten und daher die Möglichkeit hätten, Menge und Preis der notwendigen Leistungen zu bestimmen. Die MGV sei gemäß § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V das Ergebnis einer Vereinbarung der Vertragspartner, deren Komponenten in den nachfolgenden Sätzen des § 87a Abs 3 SGB V aufgeführt würden. Der sich nach Feststellung der Zahl und der Morbiditätsstruktur der Versicherten als Punktzahlvolumen ergebende Behandlungsbedarf werde in § 87a Abs 3 Satz 2 SGB V als der "verbundene Behandlungsbedarf" bezeichnet. Dieser werde mit dem regionalen Punktwert bewertet und sodann erstmals in § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V als "vereinbarter Behandlungsbedarf" bezeichnet. Insoweit habe das LSG zu Recht entschieden, dass der "vereinbarte Behandlungsbedarf" neben der Mengenkomponente ("verbundener Behandlungsbedarf") auch eine Preiskomponente ("… und bewerten diese mit dem nach Abs. 2 Satz 1 vereinbarten Punktwert in Euro") umfasse. Der Begriff des "vereinbarten Behandlungsbedarfs" werde an keiner anderen Stelle des § 87a Abs 3 SGB V verwendet, sodass sich daraus die vom Gesetzgeber gewollte Differenzierung zwischen dem "verbundenen" Behandlungsbedarf und dem "vereinbarten" Behandlungsbedarf ergebe. Da der Zuschlag auf den Orientierungswert erst den (regionalen) Punktwert bilde, könne die Vereinbarung eines Zuschlags keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität bewirken.

Entscheidungsgründe

21

Die Revisionen der Klägerinnen sind nicht begründet. Das LSG hat den Schiedsspruch des Beklagten zu Recht als rechtmäßig angesehen.

22

1.a) Das LSG ist gemäß § 29 Abs 2 Nr 1 SGG erstinstanzlich zuständig, weil sich die Klage gegen eine Entscheidung des Landesschiedsamts richtet.

23

Eine gegen die Entscheidung eines Schiedsamts gerichtete Klage ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs 1 iVm § 131 Abs 2 Satz 2 und Abs 3 SGG statthaft(vgl zB BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 10 mwN; BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 20; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 20). Die damit geltend gemachte Verpflichtung zum Erlass eines neuen Verwaltungsaktes berücksichtigt, dass die Festsetzung des Vertragsinhalts durch ein Schiedsamt gegenüber den Vertragspartnern ein Verwaltungsakt ist (stRspr, vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 10; BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 20; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 20).

24

Ein Vorverfahren war nicht durchzuführen. Aus der Eigenart der Tätigkeit des Schiedsamts, das bei der Vertragsfestsetzung an die Stelle der Vertragsparteien tritt, folgt, dass eine Überprüfung des Schiedsspruchs nur im gerichtlichen Verfahren erfolgen kann (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 21; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 21; zuletzt BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 24).

25

b) Das Verfahren leidet nicht an dem - vom Beklagten mit einer Gegenrüge geltend gemachten - Fehler einer unterlassenen Beiladung der Aufsichtsbehörde. Verfahrensfehlerhaft in diesem Sinne ist nur die Unterlassung einer notwendigen Beiladung iS des § 75 Abs 2 1. Alt SGG, also in dem Fall, dass die Entscheidung auch den potenziell Beizuladenden gegenüber nur einheitlich ergehen kann (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 75 RdNr 13a). Die Beiladung der Aufsichtsbehörde in Streitverfahren gegen Entscheidungen des Schiedsamts (§ 89 SGB V) ist zwar sachgerecht, weshalb eine einfache Beiladung auf der Grundlage des § 75 Abs 1 SGG erfolgen sollte, aber nicht "notwendig" iS des § 75 Abs 2 1. Alt SGG. Soweit die Beiladung der Aufsichtsbehörde in Fällen, in denen diese den Schiedsspruch nicht beanstandet hat, er aber von einem Vertragspartner angefochten ist, befürwortet wird (in diesem Sinne etwa B. Wiegand, in juris-PK SGB V, 3. Aufl 2016, § 89 RdNr 50; Schuler in Hänlein/Schuler, SGB V, 5. Aufl 2016, § 89 RdNr 29; Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 5. Aufl 2017, § 89 RdNr 20), trägt das dem Ziel Rechnung, die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung auch auf die Aufsichtsbehörde zu erstrecken (§ 141 SGG). Die "Notwendigkeit" der Beiladung kann darauf jedoch nicht gestützt werden; diese könnte sich allein daraus ergeben, dass über die Klage einer Vertragspartei gegen das Schiedsamt nicht nur gegenüber den anderen Vertragspartnern - deren Beiladung "notwendig" ist (Düring/Schnapp in Schnapp/Düring, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl 2016, RdNr 214) - sondern auch im Verhältnis zur Aufsichtsbehörde nur einheitlich entschieden werden darf. Das ist jedoch nicht der Fall.

26

aa) Die Aufsichtsbehörde ist, wenn sie den Schiedsspruch nicht beanstandet hat, nicht unmittelbar an den nachfolgenden gerichtlichen Auseinandersetzungen beteiligt; das Schicksal des Schiedsspruchs liegt allein in den Händen der beteiligten Vertragspartner (zur fehlenden Klagebefugnis des Schiedsamts gegen aufsichtsrechtliche Beanstandungen seiner Entscheidung BSGE 86, 126 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37). Dass die Entscheidung im Verfahren eines Vertragspartners gegen das Schiedsamt auch gegenüber der Aufsichtsbehörde nur einheitlich ergehen kann, wäre allein mit dem Beanstandungsrecht der Aufsichtsbehörde gegenüber den Entscheidungen des Schiedsamts gemäß § 89 Abs 5 Satz 5 SGB V zu begründen(bei Beier, juris-PK SGB V, 2. Aufl 2012, § 89 RdNr 54 wird auf den Zusammenhang ausdrücklich hingewiesen). Dabei wird die Konstellation in den Blick genommen, dass ein Schiedsspruch auf Klage eines Vertragspartners aufgehoben wird und die Aufsichtsbehörde die dann in der Regel erforderliche neue Entscheidung des Schiedsamts nicht mit Erwägungen soll beanstanden dürfen, die das Gericht nicht aufgenommen hat. Dieser Zusammenhang macht die Beteiligung der Aufsichtsbehörde am gerichtlichen Verfahren sinnvoll, reicht für die Annahme der zwingenden "Einheitlichkeit" der Entscheidung jedoch nicht aus. Die praktischen Schwierigkeiten, die sich ergeben, wenn ein Gericht rechtskräftig eine Entscheidung eines unter staatlicher Aufsicht stehenden Gremiums der sog gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen beanstandet und zu einer erneuten Entscheidung verpflichtet, betreffen im Übrigen nicht nur die Schiedsämter, sondern etwa auch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) und vor allem den BewA nach § 87 Abs 3 SGB V, der in Gestalt des EBewA(§ 87 Abs 4 SGB V) schiedsamtsähnliche Funktionen wahrnimmt (BSGE 90, 61 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35), und dessen Entscheidungen immer wieder - auch in diesem Verfahren - Gegenstand gerichtlicher Prüfung sind. Immer dann, wenn eine Entscheidung dieses Gremiums Gegenstand gerichtlicher Prüfung ist, auch die für dieses Gremium und ggf die für die Beteiligten (Krankenkassen, KÄVen) jeweils zuständigen Aufsichtsbehörden notwendig beiladen zu müssen, würde die Verfahren überladen; auch die Aufsichtsbehörden wären dem damit verbundenen Aufwand kaum gewachsen. Im Übrigen haben sich in der Vergangenheit keine Schwierigkeiten im Umgang der Aufsichtsbehörden mit rechtskräftigen Neubescheidungsurteilen gegenüber den Entscheidungen der Schiedsämter gezeigt, die es rechtfertigen würden, die mit der Annahme der "Notwendigkeit" einer Beiladung verbundenen rechtlichen und praktischen Probleme in Kauf zu nehmen.

27

bb) Soweit im Kontext der Notwendigkeit der Beiladung auf das Senatsurteil vom 20.9.1988 (BSGE 64, 78 = SozR 1500 § 51 Nr 50) Bezug genommen wird, ist diese Rechtsprechung überholt und im Übrigen nicht auf das Beanstandungsrecht nach § 89 Abs 5 Satz 5 SGB V zu übertragen. Der Senat hat in dem genannten Urteil entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland zu einem Verfahren notwendig beizuladen ist, in dem ein Arzneimittelhersteller den (früheren) Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen auf Änderung der Arzneimittelrichtlinien in Anspruch nimmt. Dieses Urteil ist zeitlich weit vor der Qualifizierung der Richtlinien des Bundesausschusses als außenwirksame Rechtsnormen durch das Senatsurteil vom 20.3.1996 (BSGE 78, 70 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6) und vor der institutionellen Verselbständigung des (heutigen) GBA ergangen. Zumindest seit der Entscheidung vom 14.12.2011 (BSGE 110, 20 = SozR 4-2500 § 92 Nr 13) hat der Senat an dieser Rechtsprechung nicht mehr festgehalten und eine Beiladung der Bundesrepublik Deutschland im Verfahren gegen den GBA nicht mehr gefordert, ohne dies allerdings ausdrücklich anzusprechen. Auch in Verfahren unmittelbar gegen den BewA muss die Bundesrepublik Deutschland nicht notwendig beigeladen werden (BSGE 90, 61 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35). Im Übrigen ist die Notwendigkeit der Beiladung der Bundesrepublik Deutschland nicht allein mit der Funktion des (früher zuständigen) Bundesministeriums für Arbeit als Aufsichtsbehörde, sondern vor allem mit dessen "übergeordneter Regelungsbefugnis" nach § 368p Abs 2 RVO begründet worden. Damit war das Recht des Ministeriums zum eigenständigen Erlass von Richtlinien gemeint (vgl heute § 94 SGB V). Ein solches "Selbsteintrittsrecht" haben die Aufsichtsbehörden nach § 89 Abs 5 Satz 5 SGB V im Rahmen einer Beanstandung von Entscheidungen der Schiedsämter nicht, sondern nach § 89 Abs 1 Satz 5 SGB V nur in dem Fall, dass eine Entscheidung des Schiedsamts nicht oder nicht fristgerecht ergeht.

28

2.a) Gemäß § 89 Abs 1 Satz 1 SGB V setzt das (Landes-)Schiedsamt dann, wenn ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande kommt, innerhalb von drei Monaten den Vertragsinhalt fest. Zu den angesprochenen Verträgen über die vertragsärztliche Versorgung gehören auch Gesamtverträge, insbesondere Vereinbarungen über Gesamtvergütungen (vgl hierzu BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 23). Dass die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch das Schiedsamt vorgelegen haben, steht zu Recht nicht im Streit, ebenso wenig die formelle Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Beklagten.

29

b) Dem Schiedsamt kommt nach der Rechtsprechung des BSG bei der Festsetzung des Inhalts eines Gesamtvertrages über die vertrags(zahn)ärztliche Vergütung gemäß § 89 Abs 1 SGB V ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Seine Vertragsgestaltungsfreiheit, die der gerichtlichen Nachprüfung Grenzen setzt, ist nicht geringer als diejenige der Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlungen erzielten Vereinbarung (stRspr des BSG, vgl BSGE 20, 73, 76 f = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 20 S 131; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 25; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13 mwN; BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 27; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 36; BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 26).

30

Die Schiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien auf Interessenausgleich angelegt und haben Kompromisscharakter (stRspr, vgl aus jüngerer Zeit BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 36; BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 58; BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 26). Schiedssprüche nach § 89 SGB V unterliegen insoweit - auf Anfechtung der Gesamtvertragsparteien hin - nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle(stRspr des BSG, vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11 mwN; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 36; BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 58; BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 26). Sie sind nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Sicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben (stRspr des BSG, vgl zB BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11; zuletzt BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 26). Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsamt zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh insbesondere die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet hat, die auch für die Vertragsparteien gelten (stRspr des BSG, vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13; BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 58; BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 26; s auch BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 36).

31

Zudem muss der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lassen (BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 36). Hohe Anforderungen an die Begründung der Abwägungsentscheidung können grundsätzlich nicht gestellt werden (BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 60). Die Gründe für das Entscheidungsergebnis müssen aber wenigstens andeutungsweise erkennbar sein (BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 60). Dies setzt voraus, dass tragfähige Tatsachenfeststellungen getroffen werden, auf deren Grundlage die Abwägung vorgenommen wurde, da anderenfalls eine Art 19 Abs 4 GG entsprechende gerichtliche Überprüfung, ob das Schiedsamt seinen Gestaltungsspielraum eingehalten hat, nicht möglich wäre (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 21; BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 60).

32

Die gerichtliche Kontrolle ist darüber hinaus eingeschränkt, soweit die rechtlichen Vorgaben ihrerseits den Gesamtvertragsparteien - und bei einer vertragssubstituierenden Entscheidung dem Schiedsamt - einen Beurteilungsspielraum einräumen (Wenner in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl 2016, § 89 RdNr 24). Das gilt nicht allein für Beurteilungsspielräume, sondern sinngemäß auch dann, wenn den Vertragsparteien ein Handlungsermessen eingeräumt wird. Die Maßstäbe, die insoweit an die Überprüfung einer obligatorischen Entscheidung angelegt werden, können nicht dieselben sein wie diejenigen, die bei der Überprüfung einer lediglich fakultativ zu treffenden Entscheidung zum Tragen kommen. Wenn der Gesetzgeber - wie vorliegend - den Vertragspartnern die Vereinbarung von Punktwertzuschlägen nicht verbindlich vorschreibt, sondern es in deren Ermessen stellt, ob sie das Vorliegen von Unterschieden in der Kosten- und Versorgungsstruktur zum Anlass nehmen, einen Zuschlag zu vereinbaren, dann muss sich dieser Umstand auch bei der Überprüfung der durch das Schiedsamt erfolgten Festsetzung in einer verringerten Kontrolldichte niederschlagen. Da auch fakultative Vereinbarungen Gegenstand eines Schiedsspruchs sein können (vgl Düring/Schnapp in Schnapp/Düring, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl 2016, RdNr 79 mwN), würde anderenfalls aus einer "Kann"-Regelung eine im Gesetz nicht vorgesehene "Muss"-Regelung: Dies wäre der Fall, wenn Prüfungsmaßstab allein das objektive Vorliegen von Unterschieden in der Kosten- und Versorgungsstruktur wäre.

33

aa) Rechtsgrundlage der Gewährung eines Zuschlages ist § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V(in der ab 1.1.2012 geltenden Fassung des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Nach § 87a Abs 2 Satz 1 SGB V haben die KÄV und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich auf der Grundlage des Orientierungswerts gemäß § 87 Abs 2e SGB V einen Punktwert zu vereinbaren, der zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen im Folgejahr anzuwenden ist. § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V ermächtigt die genannten Vertragspartner, "dabei" - also im Rahmen der Vereinbarung des Punktwerts - einen Zuschlag auf den oder einen Abschlag von dem Orientierungswert gemäß § 87 Abs 2e SGB V zu vereinbaren, um insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist "diese regionale Differenzierung erforderlich, da sich zwischen den Ländern Unterschiede der für Arztpraxen relevanten Kostenstrukturen (wie z.B. Lohn- und Gehaltsniveau der Praxisangestellten, Mietniveau etc.) ebenso wie Unterschiede bei der Versorgungsstruktur (z.B. Behandlungsfälle, haus- versus fachärztliche Angebotsstrukturen) feststellen lassen" (FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 119 zu § 85a Abs 2 SGB V).

34

(1) Die Vereinbarung von Zuschlägen nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V ist nicht obligatorischer, sondern fakultativer Teil der Vereinbarung nach § 87a Abs 2 SGB V. Die Regelung enthält keine Verpflichtung, sondern eine Ermächtigung an die Vertragspartner, Zuschläge zu vereinbaren: Sie ist damit primär als Befugniszuweisungsnorm zu werten, welche die Vertragspartner zu einer Abweichung von dem Orientierungswert berechtigt, der wiederum entsprechend der gesetzlichen Vorgabe (§ 87a Abs 2 Satz 1 SGB V) "die Grundlage" der regionalen Punktwert-Vereinbarung bildet. § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V ist - wie schon der Wortlaut "können" nahelegt - zugleich auch als Ermessensnorm zu verstehen, die den Vertragspartnern ein Handlungsermessen einräumt: Auch bei Vorliegen regionaler Besonderheiten besteht keine Verpflichtung zur Vereinbarung von Zuschlägen, sondern lediglich eine Verpflichtung, im Rahmen der an eine Ermessensausübung zu stellenden Anforderungen pflichtgemäß zu entscheiden. Ungeachtet des fakultativen Charakters der Regelung hat nach der Rechtsprechung des Senats (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 27 - zur Vergütung von Leistungen außerhalb der Gesamtvergütungen; BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 41 - zur Vereinbarung von Zuschlägen) jede der Vertragsparteien die Möglichkeit, eine entsprechende Vereinbarung über das Schiedsamt nach § 89 Abs 1 SGB V zu erreichen(aA noch LSG Berlin Urteil vom 15.12.2010 - L 7 KA 62/09 KL - Juris RdNr 58 = KRS 10.089). Dieses hat die Befugnis, auch fakultative Vertragsbestandteile festzusetzen (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 27; BSG Beschluss vom 28.10.2015 - B 6 KA 35/15 B - RdNr 17 - Juris).

35

(2) Ausdrückliche Vorgaben für die Vereinbarung von Zu- und Abschlägen enthält das Gesetz nicht:

36

(a) Nach dem bis Ende 2011 geltenden Recht (§ 87a Abs 2 Satz 3 SGB V aF) waren bei der Vereinbarung von Zu- und Abschlägen zwingend die Vorgaben des BewA gemäß § 87 Abs 2f SGB V aF anzuwenden(s hierzu BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 34, 70 f), um eine bundeseinheitliche Anwendung dieser Regelung sicherzustellen (FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 129 zu § 87 Abs 2f SGB V). Durch § 87 Abs 2f Satz 1 SGB V aF war dem BewA die Aufgabe übertragen worden, jährlich bis zum 31.8. Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V festzulegen, auf deren Grundlage in den regionalen Punktwertvereinbarungen von den Orientierungswerten abgewichen werden konnte. Der BewA konnte die zur Festlegung der Indikatoren erforderlichen Datenerhebungen und -auswertungen gemäß Abs 3f Satz 3 durchführen und hatte dabei - soweit möglich - amtliche Indikatoren zugrunde zu legen (§ 87 Abs 2f Satz 2 SGB V aF). Als Indikatoren für das Vorliegen von regionalen Besonderheiten bei der Versorgungsstruktur dienten insbesondere Indikatoren, die Abweichungen der regionalen Fallzahlentwicklung von der bundesdurchschnittlichen Fallzahlentwicklung messen (Satz 3 aaO). Als Indikatoren für das Vorliegen von regionalen Besonderheiten bei der Kostenstruktur dienten insbesondere Indikatoren, die Abweichungen der für die Arztpraxen maßgeblichen regionalen Investitions- und Betriebskosten von den entsprechenden bundesdurchschnittlichen Kosten messen (Satz 4 aaO).

37

Das Fehlen entsprechender Vorgaben stand allerdings der Vereinbarung von Zu- und Abschlägen nicht entgegen (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 34; BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 78): Der BewA sah sich zu entsprechenden Vorgaben erklärtermaßen nicht in der Lage. So hat der EBewA in Teil C Nr 1 und 2 seines Beschlusses vom 27./28.8.2008 (DÄ 2008 A 1990) festgestellt, dass er keine Indikatoren zu regionalen Besonderheiten in den Kosten- und Versorgungsstrukturen zwischen den Bezirken der KÄVen definieren könne, die eine regionale Anpassung der Orientierungswerte aufgrund von Unterschieden in der Versorgungsstruktur rechtfertigen würden (s hierzu BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 5 RdNr 25). Die bundesgesetzlichen Vorgaben sind mit Wirkung zum 1.1.2012 "zur Stärkung der regionalen Kompetenzen der Vereinbarungen zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Landesverbänden der Krankenkassen" aufgehoben worden (RegE GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S 61 zu § 87 Abs 2f SGB V aF).

38

(b) Nach dem hier maßgeblichen, ab 1.1.2012 geltenden Recht beschränken sich die gesetzlichen Vorgaben für die Gewährung eines Zuschlags darauf, als sachlichen Grund für die Vereinbarung von Zuschlägen (sowie Abschlägen) - insbesondere - die Berücksichtigung "regionaler Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur" anzuführen.

39

(aa) Mit den Begriffen "Kosten- und Versorgungsstruktur" macht der Gesetzgeber deutlich, dass es nicht allein auf ein von anderen KÄV-Bezirken abweichendes Kostenniveau ankommt, sondern auch Besonderheiten in der "Versorgungsstruktur" eine Rolle spielen. Was unter den Begriffen zu verstehen ist, lässt sich der Gesetzesbegründung entnehmen. Danach meint der Begriff der für Arztpraxen relevanten "Kostenstrukturen" zB das Lohn- und Gehaltsniveau der Praxisangestellten, das Mietniveau etc, der Begriff der "Versorgungsstruktur" hingegen zB "Behandlungsfälle, haus- versus fachärztliche Angebotsstrukturen" (FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 119 zu § 85a Abs 2 SGB V).

40

Der Begriff "Kostenstruktur" wird damit ohne Weiteres nachvollziehbar. Zu seiner Auslegung können im Übrigen die nach früherem Recht vorgegebenen Indikatoren herangezogen werden. Gemäß § 87 Abs 2f Satz 4 SGB V aF dienten als Indikatoren für das Vorliegen von regionalen Besonderheiten bei der Kostenstruktur insbesondere solche, die Abweichungen der für die Arztpraxen maßgeblichen regionalen Investitions- und Betriebskosten von den entsprechenden bundesdurchschnittlichen Kosten messen.

41

Für den Begriff "Versorgungsstruktur" gilt dies nicht im gleichen Maße. Gemäß § 87 Abs 2f Satz 3 SGB V aF dienten als Indikatoren für das Vorliegen von regionalen Besonderheiten bei der Versorgungsstruktur insbesondere solche, die Abweichungen der regionalen Fallzahlentwicklung von der bundesdurchschnittlichen Fallzahlentwicklung messen. Nach der Gesetzesbegründung waren die Unterschiede bei der Fallzahlentwicklung in den Regionen deshalb relevant, weil die Entwicklung der Fallzahlen im Zeitablauf gemäß § 87 Abs 2g Nr 3 SGB V eines der Kriterien ist, das bei der jährlichen Anpassung der Orientierungswerte durch den BewA zu berücksichtigen ist(FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 129 zu § 87 Abs 2f SGB V aF). Zur Messung einer signifikant abweichenden regionalen Fallzahlentwicklung biete sich zB an, dass der BewA einen Schwellenwert festlege, ab dessen Überschreitung auf der regionalen Ebene mit einer Punktwertabweichung vom bundesweiten Orientierungsniveau reagiert werde (FraktE GKV-WSG aaO).

42

3. Die Entscheidung des Beklagten, einen Zuschlag auf den Orientierungswert festzusetzen, steht - wie das LSG im Ergebnis richtig gesehen hat - mit Bundesrecht im Einklang. Das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Zuschlag nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V durfte der Beklagte annehmen(a). Den Grundsatz der Vorjahresanknüpfung musste er nicht beachten (b), und auch die Vorschriften über die Beitragssatzstabilität (c) und das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot (d) sind nicht verletzt.

43

a) Die Entscheidung des Beklagten, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vereinbarung bzw Festsetzung von Zuschlägen dem Grunde nach zu bejahen, ist nicht zu beanstanden. Zumindest liegt es auf der Hand, dass sich die Kostenstruktur in einem städtisch geprägten KÄV-Bezirk deutlich von derjenigen in vorwiegend ländlich geprägten KÄV-Bezirken unterscheiden dürfte. Zweifellos ist das Miet- wie auch das Lohnniveau deutlich höher, wie sich aus den vom Beklagten herangezogenen statistischen Daten ergibt. Zutreffend hat der Beklagte im Übrigen gesehen, dass es unter dem ebenfalls in § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V genannten Merkmal der Versorgungsstruktur sachgerecht ist, ebenso die Attraktivität des Standorts H. in den Blick zu nehmen, die sich auch in der Dichte der Versorgung mit Vertragsärzten ausdrückt: Für alle Fachgebiete sind Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung (§ 101 SGB V) angeordnet, was zur zwingenden Folge hat, dass unter Sicherstellungsaspekten auf der Grundlage des § 87a Abs 2 Satz 3 SGB V keine pauschalen Zuschläge in Betracht kommen. Die Klägerinnen, die wegen der Attraktivität des Standorts H. auch für Vertragsärzte generell die Anwendbarkeit der Zuschlagsregelung für falsch halten, berücksichtigen jedoch nicht hinreichend, dass im Gesetz zwischen den hier maßgeblichen Zuschlägen wegen "regionaler Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur" (Satz 2) und den "darüber hinaus" zulässigen Zuschlägen bei Unterversorgung und für besonders förderungswürdige Leistungen und Leistungserbringer (Satz 3) zu unterscheiden ist. Ein Versorgungsdefizit ist gerade nicht Voraussetzung für die Anwendung des Satzes 2; insoweit reicht im Ansatz ein im Vergleich zum Bundesdurchschnitt deutlich höheres Niveau der für die Führung einer vertragsärztlichen Praxis relevanten Kosten aus. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob zahlreiche H. Vertragsärzte insbesondere im Hinblick auf eine (mutmaßlich) überdurchschnittlich hohe Zahl von Privatpatienten besonders hohe Erträge aus ihrer ärztlichen Tätigkeit erzielen können.

44

Der Senat bezieht in ständiger Rechtsprechung in Streitverfahren, in denen Vertragsärzte die ihnen nach Maßgabe der Regelungen über die Honorarverteilung zustehende Vergütung als unangemessen niedrig, weil nicht mehr existenzsichernd beanstanden, auch die Einnahmen aus anderen ärztlichen Tätigkeiten (Unfallheilbehandlung, privatärztliche Behandlungen) in die Gesamtbetrachtung mit ein (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 61 RdNr 25, 28). Daraus ist indessen nicht abzuleiten, dass es den Partnern der Gesamtverträge verwehrt wäre, das besonders hohe Kostenniveau in H., das zu reduzierten Erträgen aus vertragsärztlicher Tätigkeit im Vergleich zu anderen Standorten in Deutschland führen kann, auch dann im Rahmen der Vergütungsgestaltung zu berücksichtigen, wenn von der Existenzgefährdung hinsichtlich der vertragsärztlichen Tätigkeit tatsächlich - das hat der Beklagte unübersehbar deutlich gemacht - keine Rede sein kann. Der Senat hat nicht zu beurteilen, ob es zielgenauere Instrumente zur Förderung vertragsärztlicher Leistungen als die Zuschläge nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V gibt; zu denken wäre etwa an Zuschläge zB für Kinderärzte, die ihre Praxen dort führen, wo viele Kinder, aber wenige Privatpatienten leben. Solange der Gesetzgeber indessen den Vertragspartnern die Vereinbarung auch von pauschalen Zuschlägen auf den Orientierungswert zur (beschränkten) Kompensation eines im gesamten KÄV-Bezirk überdurchschnittlichen Kostenniveaus ermöglicht, sind die Voraussetzungen dafür in H. gegeben.

45

b) Der Grundsatz der sog Vorjahresanknüpfung gilt für die Vereinbarung von Zu- und Abschlägen nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V nicht. Der Senat hat in seinem Urteil vom 13.8.2014 (BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 43) dargelegt, dass für die Vereinbarung der Gesamtvergütungen ab dem Jahr 2013 generell und speziell auch für die jahresbezogene Veränderung der Morbiditätsstruktur das Prinzip der Vorjahresanknüpfung gilt, dass also grundsätzlich an die vorjährige Vereinbarung anzuknüpfen ist. Für die auf § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V beruhende Vereinbarung von Zu- und Abschlägen auf den bzw von dem Orientierungswert sieht das Gesetz dagegen ausdrücklich keine Anpassung auf der Basis eines Vorjahreswerts vor; das gilt sowohl für die Fassung der Vorschrift in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung, zu der das Senatsurteil vom 21.3.2012 (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1) ergangen ist, wie für die ab dem 1.1.2012 geltende Fassung, die für das Urteil vom 13.8.2014 und auch für die jetzige Entscheidung maßgeblich ist. Daran ist festzuhalten.

46

aa) Die Regelung über die Zu- und Abschläge auf den bzw von dem Orientierungswert passt systematisch nicht zu dem Grundsatz der Vorjahresanknüpfung, weil sie gerade Entwicklungen im Bereich der Kosten der Praxisführung Rechnung tragen will und soll, die sich über die letzten Jahre entwickelt haben. In der Gesetzesbegründung ist dazu ausgeführt, "zwischen den Ländern (ließen) sich Unterschiede der für die Arztpraxen relevanten Kostenstrukturen … feststellen" (FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 119 zu § 85a Abs 2 SGB V). Wenn beabsichtigt gewesen wäre, dem nur insoweit Rechnung zu tragen, als dies Entwicklung sich künftig verstärkt, hätte dies im Gesetz oder zumindest in der Begründung des Gesetzentwurfs angedeutet werden müssen. Schon der pauschale Hinweis auf die "feststellbaren Unterschiede" in der Gesetzesbegründung wäre dann irreführend gewesen, weil er - ohne Belege, weil offenbar auf Evidenz basierend - auf die offensichtlichen Unterschiede im Mietniveau zB zwischen H. und M. Bezug nimmt. Im Sinne der Auffassung der Klägerinnen hätte aber allein auf die aktuellen Steigerungswerte Bezug genommen werden müssen: Ob die Mieten für Arztpraxen in H. im Jahr 2012 doppelt so hoch waren wie in M., wäre gleichgültig gewesen, weil allein maßgeblich hätte sein müssen, ob die Steigerung von 2011 auf 2012 in H. höher als dort gewesen wäre. Damit käme die Regelung über Zuschläge im Hinblick auf besondere Kostenstrukturen nur für Bezirke zur Anwendung, in denen in den allerletzten Jahren beim Mietniveau besondere Anstiege zu verzeichnen sind. Es liegt sehr fern, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der aus der Perspektive der gewollten Regionalisierung der Vergütungsvereinbarungen durch das GKV-VStG sehr wichtigen Zu- und Abschlagsregelung so stark verengen wollte. Deshalb dürfen die Vertragspartner bei Anwendung des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V auch über die Jahre gewachsene Differenzen etwa hinsichtlich der für vertragsärztliche Praxen wichtigen Kostenfaktoren (zB Gehälter, Mieten, IT-Dienstleistungen) zwischen ihrem Bezirk und dem gesamten Bundesgebiet berücksichtigen. Entsprechend gilt für das Schiedsamt, dass es sich dieser Option bewusst sein und für erforderlich gehaltenen Vortrag der Beteiligten oder eigene Maßnahmen der Sachaufklärung daran ausrichten muss. Daran hat sich der Beklagte hier gehalten.

47

bb) Nicht zu folgen vermag der Senat schließlich der Auffassung der Klägerinnen, dass selbst dann, wenn generell die Zuschläge nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V von dem Grundsatz der Vorjahresanknüpfung freigestellt sein sollten, eine Berücksichtigung der Kostenentwicklung aus der Zeit vor dem Jahr 2012 infolge der Regelung des § 87d SGB V ausgeschlossen sei. § 87d SGB V regelt allein die Anpassung der Vergütungen im letzten Jahr vor der durch das GKV-VStG vom 22.12.2011 mit Wirkung zum 1.1.2013 umgesetzten Neuausrichtung der Anpassung der vertragsärztlichen Vergütungen. Anstelle aller für die Zeit ab dem Jahr 2013 vorgesehenen Vereinbarungen zur Anpassung des Orientierungswerts auf Bundesebene sowie zu eventuellen Zuschlägen und zum Behandlungsbedarf auf der Ebene der Gesamtvertragspartner hat der Gesetzgeber selbst eine Erhöhung des Behandlungsbedarfs bezogen auf das für 2011 ermittelte Ergebnis um 1,25 % vorgegeben. An diesen Behandlungsbedarf, der als "vereinbart" fingiert wird, hatten die Gesamtvertragspartner bei den Vereinbarungen für 2013 anzuknüpfen (BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2). Für die Frage, auf welchen Zeitpunkt bei der Anwendung der Zuschlagsregelung des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V abzustellen ist, ist § 87d SGB V nichts zu entnehmen. Die Regelung gibt lediglich vor, dass Zuschläge für das Jahr 2012 - im Sinne eines Moratoriums - nicht vereinbart werden durften. Im Übrigen beachten die Klägerinnen nicht hinreichend, dass § 87a wie § 87d SGB V Bestandteil des GKV-VStG sind und § 87d SGB V lediglich übergangsrechtlichen Charakter hat. Aus dem nach Wortlaut und Systematik nur auf das Übergangsjahr 2012 bezogenen Ausschluss von Zu- oder Abschlagsvereinbarungen auf eine gravierende Einschränkung der Partner der Gesamtverträge bei Nutzung dieses Instruments zur Regionalisierung der Vergütungsvereinbarungen in dem Sinne zu schließen, dass mit dem Ende des Jahres 2011 die Differenzen ua in den Kostenstrukturen in den Ländern gleichsam auf Null gestellt werden und nur noch ab 2012 eintretenden Veränderungen Rechnung getragen werden dürfe, ist nicht gerechtfertigt.

48

cc) Die Nichtanwendbarkeit des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung für die Zuschläge nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V hat allerdings zur Folge, dass solche für ein Jahr vereinbarten Zuschläge in Folgezeiträumen nicht automatisch zu berücksichtigen sind. Wegen der sehr offenen Kriterien "Kosten- und Versorgungsstrukturen" ist es nicht gerechtfertigt, die für einen bestimmten Zeitraum vereinbarten Zuschläge mit der Folge sockelwirksam werden zu lassen, dass sie auch dann noch das Vergütungsniveau (mit)prägen, wenn ihre Grundlagen - zB Abweichungen bei den Mietkosten - entfallen sind. Die vom Grundsatz der Vorjahresanknüpfung und - wie noch zu zeigen ist (c) - begrenzt auch von der verpflichtenden Berücksichtigung der Beitragssatzstabilität abgelöste Zuschlagsoption ermöglicht den Vertragspartnern eine zielgenaue Ausrichtung der Vergütung auf ihren Bezirk. Die insoweit maßgeblichen Umstände können sich zeitnah ändern, deshalb muss stets neu verhandelt werden, ob die Fortschreibung der Zuschläge generell oder jedenfalls in der für ein bestimmtes Jahr vereinbarten Höhe gerechtfertigt ist. Dem widerspräche es, wenn aus einer Momentaufnahme zu den nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V maßgeblichen Kriterien ein dauerhaft fortzuschreibender "Besitzstand" würde. Das ergibt sich mittelbar auch aus der Regelung des § 87a Abs 4a SGB V, der durch das GKV-VSG 2015 eingefügt worden ist. In Reaktion (auch) auf das Senatsurteil vom 13.8.2014 (BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2) wird eine "einmalige basiswirksame Erhöhung" des Aufsatzwertes zugelassen, um historisch gewachsenen Unterschieden der Höhe der Gesamtvergütung je Versichertem Rechnung zu tragen und damit tendenziell dauerhaft zu reduzieren. Genau gegensätzlich wirkt das Zuschlagssystem des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V: Es kann nicht nur einmalig, sondern jährlich neu genutzt werden, aber es wirkt nicht basiswirksam, weil damit nicht dauerhaft Unterschiede zwischen den KÄV-Bezirken zementiert werden sollen, sondern stets uU auch einem kurzfristig wandelbaren Umstand Rechnung getragen werden soll.

49

c) Die Entscheidung des Beklagten verletzt schließlich den Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht.Nach § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V haben die Vertragspartner die Vereinbarungen über die Vergütungen nach diesem Buch so zu gestalten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität).

50

Um den Vorgaben nach § 71 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V zu entsprechen, darf gemäß § 71 Abs 2 Satz 1 SGB V die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung die sich bei Anwendung der Veränderungsrate für das gesamte Bundesgebiet nach § 71 Abs 3 SGB V ergebende Veränderung der Vergütung nicht überschreiten. Abweichend von § 71 Abs 2 Satz 1 SGB V ist eine Überschreitung zulässig, wenn die damit verbundenen Mehrausgaben durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen Leistungsbereichen ausgeglichen werden. Dieser Grundsatz gilt auch in der vertragsärztlichen Versorgung generell (aa) und speziell auch für die Festlegung des Orientierungswerts (bb). Eine Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität enthält § 87a Abs 3 Satz 2 SGB V, die hier aber nicht einschlägig ist(cc), ebenso wenig wie Sonderregelungen für die vertragsärztliche Vergütung (dd). Eine hier anwendbare Ausnahme ergibt sich allerdings aus dem gesetzlich implementierten System von Zu- und Abschlägen in § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V(ee).

51

aa) Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität ist auch in der vertragsärztlichen Versorgung zu beachten.

52

Bei dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität handelt es sich um eine verbindliche gesetzliche Vorgabe, die auch bei Schiedssprüchen zu beachten ist und die eine Grenze für Vergütungsvereinbarungen darstellt (stRspr des BSG, vgl BSGE 86, 126, 135 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 296 f; BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 15 mwN; BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 70; BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 30; ebenso BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 3 KR 26/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE 121, 243 = SozR 4-2500 § 132a Nr 10, RdNr 36 vorgesehen). Der Gesetzgeber hat ungeachtet der gesetzlichen Festsetzung des Beitragssatzes in § 241 SGB V an dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität festgehalten(BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 30). Auch die in jüngerer Zeit erfolgten Gesetzesänderungen - insbesondere die durch das GKV-VStG vorgenommenen Änderungen in den für die vertragsärztliche Vergütung maßgeblichen Vorschriften - haben lediglich in Teilbereichen zu einer Modifizierung des Grundsatzes geführt, ohne dessen grundsätzliche Geltung in Frage zu stellen.

53

Der Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität steht nicht entgegen, dass § 87a SGB V - anders als § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V - die Berücksichtigung oder Beachtung des Grundsatzes nicht explizit vorschreibt. Vielmehr gilt - umgekehrt - der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach ständiger Rechtsprechung des Senats, sofern er nicht explizit durch das Gesetz ausgeschlossen oder relativiert worden ist. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität allgemein für die im Vierten Kapitel des SGB V geregelten Vergütungsvereinbarungen gilt, ohne dass es einer auf die jeweilige Vergütungsvereinbarung bezogenen speziellen Regelung bedarf; dies hat der Senat insbesondere aus dem Standort des § 71 SGB V im Abschnitt "Allgemeine Grundsätze" des Vierten Kapitels abgeleitet(BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 70; BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 30 - jeweils unter Bezugnahme auf BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 17; ebenso BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 3 KR 26/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE 121, 243 = SozR 4-2500 § 132a Nr 10, RdNr 36 vorgesehen ). Auch nach dem Wortlaut des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V gilt der Grundsatz der Beitragssatzstabilität für (alle) "Vereinbarungen über die Vergütungen nach diesem Buch". Es steht außer Frage, dass die Vereinbarung der Gesamtvergütung nach § 87a Abs 3 SGB V unter den Oberbegriff "Vergütungen" fällt.

54

bb) Auch für die dem BewA obliegende Festsetzung des Orientierungswerts nach § 87 Abs 2e SGB V gilt dieser Grundsatz. § 87 Abs 2g SGB V bestimmt, welche Faktoren bei der Anpassung des Orientierungswerts zu berücksichtigen sind. Dies sind insbesondere die Entwicklung der für die Arztpraxen relevanten Investitions- und Betriebskosten (Nr 1), die Möglichkeiten zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven (Nr 2) sowie die allgemeine Kostendegression bei Fallzahlsteigerungen (Nr 3). Somit bestimmt sich die Höhe des Orientierungs(punkt)werts - also die Preiskomponente - maßgeblich nach dem für die Erbringung der vertragsärztlichen Leistungen erforderlichen Aufwand, wie ja auch die Zuschläge nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V wesentlich die regionale Kostenstruktur im Fokus haben. Zwar könnte auf den ersten Blick gegen eine Geltung des Grundsatzes der Wortlaut des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V sprechen, der sich zum einen auf "Vereinbarungen" über die Vergütungen nach diesem Buch bezieht, und zum anderen als Adressaten des Gebots die "Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer" benennt. Dass eine zu enge Orientierung am Wortlaut der Norm nicht der Rechtswirklichkeit entspricht, verdeutlicht jedoch bereits der Umstand, dass auch das Schiedsamt nach § 89 SGB V weder zu den in § 71 Abs 1 SGB V genannten Adressaten gehört noch Vergütungen "vereinbart", sondern diese "festsetzt".

55

Eine ähnliche Situation besteht in Bezug auf den Orientierungswert. Hier ist zum einen zu berücksichtigen, dass der BewA bei der Bestimmung des Orientierungswerts (im Ergebnis nicht anders als im Falle des § 89 SGB V das Schiedsamt) an die Stelle der regionalen Vertragspartner getreten ist, denen vor der mit Wirkung ab 2009 erfolgten Gesetzesänderung auch die Bestimmung der Preiskomponente oblag, wie das im vertragszahnärztlichen Bereich auch weiterhin der Fall ist. Die einzige (inhaltliche) Abweichung besteht darin, dass bei der "traditionellen" Gesamtvergütungsvereinbarung der Punktwert nicht zwingend explizit vereinbart wird, sondern sich erst als Rechenergebnis aus der Teilung der Gesamtvergütung durch die Leistungsmenge ergeben kann.

56

Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass es sich beim BewA nach ständiger Rechtsprechung des Senats ohnehin um ein "Vertragsorgan" der Partner der Bundesmantelverträge handelt (vgl zB BSGE 73, 131, 133 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 20; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 65; BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 21), sodass letztlich auch die Bestimmung des Orientierungswerts durch den BewA als eine Vergütungsvereinbarung zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern anzusehen ist. Wird der Orientierungswert durch den EBewA festgesetzt, ändert sich hieran nichts, weil dem EBewA die Funktion einer Schiedsstelle zukommt, die an Stelle der Vertragspartner handelt (nach stRspr des BSG handelt es sich beim Verfahren vor dem EBewA um "ein in den Normsetzungsvorgang inkorporiertes Schiedsverfahren", s BSGE 90, 61, 62 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 202; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 66; s dazu auch Altmiks in Schnapp/Düring, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl 2016, Kapitel D RdNr 390). Zutreffend ist der (E)BewA in seinem Beschluss zur Festlegung des Orientierungswerts 2013 (sowie in den entscheidungserheblichen Gründen hierzu) davon ausgegangen, dass die aufgrund der Regelungen in § 87d Abs 1 SGB V in den Jahren 2011 und 2012 unterbliebenen Vergütungsanpassungen nicht nachzuholen waren, also die Veränderungsrate aus den Anpassungsfaktoren für den Zeitraum von 2012 nach 2013 bestimmt werden muss. Damit hat er sich - ohne dies explizit auszuführen - auf den Grundsatz der Vorjahresanknüpfung bezogen.

57

cc) Die Bindung der Vertragspartner an die Beitragssatzstabilität gilt allerdings nur, soweit keine Ausnahme eingreift (BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 71). Eine derartige Ausnahme stellt § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V dar; die Regelung greift hier aber nicht ein.

58

Nach § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V "gilt" der vereinbarte Behandlungsbedarf als notwendige medizinische Versorgung gemäß § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V. Dort wiederum wird bestimmt, dass - als Ausnahme vom dort normierten Grundsatz des Ausschlusses von Beitragssatzerhöhungen als Folge von Vergütungsvereinbarungen - die daraus resultierende strikte Bindung an die Grundlohnsummensteigerung dann nicht zu beachten ist, sofern anderenfalls die notwendige medizinische Versorgung (auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven) nicht gewährleistet ist. Indem der vereinbarte Behandlungsbedarf als eben diese "notwendige Versorgung" "gilt", ergibt sich auf diesem Umweg das (gewollte) Ergebnis, dass Beitragssatzerhöhungen, die durch einen erhöhten Behandlungsbedarf verursacht werden, nicht durch § 71 SGB V ausgeschlossen bzw "gedeckelt" werden. Unzutreffend ist jedoch die Annahme des LSG und der Beigeladenen, dass die in § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V gesetzlich bestimmte Ausnahme nicht nur die "Mengenkomponente", sondern auch die "Preiskomponente" erfassen soll. Die Ausnahme betrifft schon nach ihrem Wortlaut allein den "vereinbarten Behandlungsbedarf". Der "vereinbarte Behandlungsbedarf" ist jedoch nur einer der Parameter, welche die Höhe der zu zahlenden Gesamtvergütung (bzw deren Änderung) bestimmen: Gemäß § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V vereinbaren die Vertragspartner "hierzu" - also zu der im vorangehenden Satz angesprochenen Vereinbarung der Gesamtvergütung - den mit der Zahl und der Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundenen Behandlungsbedarf als Punktzahlvolumen auf der Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) und bewerten diesen mit dem nach Abs 2 Satz 1 aaO vereinbarten Punktwert in Euro.

59

Nach dem klaren Wortlaut der Norm wie auch nach der systematischen Struktur der Vorschrift stellen die Vereinbarung des Behandlungsbedarfs und die Vereinbarung des Punktwerts getrennte Vorgänge dar. Die Ausnahmeregelung betrifft danach allein die Vereinbarung des Behandlungsbedarfs, nicht aber die in Abs 2 aaO geregelte Vereinbarung des Punktwerts. Dies wird schon daraus deutlich, dass auch § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V deutlich zwischen dem Akt der Vereinbarung des Behandlungsbedarfs als Punktzahlvolumen (Schritt 1) und dem nachfolgenden Akt der Bewertung dieses Punktzahlvolumens mit dem nach Abs 2 aaO vereinbarten Punktwert (Schritt 2) unterscheidet ("und bewerten diesen …").

60

Nicht tragfähig ist schließlich die Annahme, dass die Wendung "vereinbarter Behandlungsbedarf" iS des § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V in dem Sinne zu verstehen sei, dass damit das Produkt aus dem Punktzahlvolumen und dem Punktwert gemeint sei. Der "vereinbarte Behandlungsbedarf" im Sinne der Ausnahmevorschrift meint schon seiner systematischen Stellung nach den nach dem vorangegangenen Halbsatz vereinbarten Behandlungsbedarf. Die von der Beigeladenen nahegelegte Differenzierung zwischen einem "verbundenen" Behandlungsbedarf nach § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V und einem "vereinbarten" Behandlungsbedarf nach § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V geht fehl. Die Wendung "verbunden" bezieht sich allein auf die Zahl und die Morbiditätsstruktur, beschreibt den Behandlungsbedarf also inhaltlich, schafft aber kein aliud in Bezug auf den rechtlichen Inhalt des Begriffes "Behandlungsbedarf".

61

Der Begriff "Behandlungsbedarf", der nicht allein in den beiden genannten Halbsätzen, sondern auch im nachfolgenden Satz 3 Verwendung findet sowie in weiteren Vorschriften, wie etwa in § 87a Abs 4 Satz 1 und 2 SGB V ua, meint in allen Konstellationen dasselbe; es gibt nur "den" Behandlungsbedarf, nicht "verbundene", "vereinbarte" und noch weitere, nicht näher spezifizierte Varianten des Behandlungsbedarfs: Wenn es in § 87a Abs 3 Satz 3 SGB V heißt, dass die "im Rahmen des Behandlungsbedarfs erbrachten Leistungen" mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu vergüten sind, stellte sich anderenfalls die Frage, ob dies den "verbundenen", den "vereinbarten" oder noch einen anderen Behandlungsbedarf meint. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des Senats im Urteil vom 25.3.2015 (B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1, RdNr 71). Dort hatte der Senat bei der Darstellung von Ausnahmen und Einschränkungen des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ausgeführt: "So gilt nach § 87a Abs 3 Satz 2 letzter Halbsatz SGB V in der Fassung des GKV-WSG der vereinbarte Behandlungsbedarf als 'notwendige medizinische Versorgung' im Sinne des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V mit der Folge, dass die Beschränkungen aus dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität für Gesamtvergütungen in der vertragsärztlichen Versorgung seit 2009 insoweit nicht eingreifen(vgl BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 41)." Wie schon das Wort "insoweit" verdeutlicht, ist die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität nur in dem Umfang suspendiert, in dem die Ausnahmeregelung Geltung beansprucht. Dies belegt auch das in dem zitierten Abschnitt in Bezug genommene Urteil des Senats vom 13.8.2014 (BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 41): Dort wird im Rahmen der Ausführungen zur Geltung des Prinzips der Vorjahresanknüpfung dargelegt, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität "seit den Änderungen im vertragsärztlichen Vergütungssystem durch das GKV-WSG für die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen nur noch sehr eingeschränkt (gilt), weil der vereinbarte Behandlungsbedarf gemäß § 87a Abs 3 Satz 2 SGB V als notwendige medizinische Versorgung im Sinne dieser Vorschrift gilt. Damit kann einer der Veränderung der Morbiditätsstruktur der Versicherten entsprechenden Anpassung des Behandlungsbedarfs nicht entgegengehalten werden, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität verletzt würde."

62

dd) Ein (jedenfalls mittelbarer) Geltungsausschluss ergibt sich - entgegen der Auffassung des LSG - auch nicht aus Regelungen im vertragszahnärztlichen Bereich. Soweit das LSG aus einem Vergleich mit § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V eine vom Gesetzgeber gewollte generelle "Lockerung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität" entnehmen will, ist zwar im Ansatz zutreffend, dass der Gesetzgeber eine solche "Lockerung" beabsichtigt und diese Absicht mit der Regelung in § 87a Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V auch umgesetzt hat. Nicht zutreffend ist allerdings, dass diese Absicht auch die vom LSG gezogenen Folgerungen für die Auslegung der Ausnahmeregelung haben muss. Die - seit 2009 ausschließlich für den vertragszahnärztlichen Bereich geltende - Regelung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V gibt den Vertragspartnern nicht mehr die "Beachtung", sondern nur noch die "Berücksichtigung" des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität vor. Dies hat zur Folge, dass dem Grundsatz bei der Vereinbarung von Änderungen der Gesamtvergütung nicht mehr der Vorrang gebührt, sondern der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nur noch eines der bei der Vereinbarung zu berücksichtigenden Kriterien darstellt (s hierzu Axer, GesR 2013, 135). Dadurch, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nunmehr gleichberechtigt neben den anderen Kriterien steht, wird die strikte gesetzliche Ausgabenbegrenzung beseitigt.Der Gesetzgeber wollte hierdurch den Vertragspartnern größere Verhandlungsspielräume eröffnen und Veränderungen der Gesamtvergütungen ermöglichen, die den morbiditätsbedingten Leistungsbedarf der Versicherten einer Krankenkasse widerspiegeln (Gesetzesbegründung zum GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S 59 zu § 85 SGB V).Auch hier steht also der "Leistungsbedarf" im Fokus.

63

Folgerungen für den Umfang der Geltung des Grundsatzes im vertragsärztlichen Bereich können hieraus jedoch nicht gezogen werden. Fehl geht die Annahme des LSG, dass dem Umstand, dass das Gebot einer Beachtung bzw Berücksichtigung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in § 87a SGB V gar nicht mehr "auftauche", Relevanz zukommt. Wie bereits dargestellt, gilt der Grundsatz der Beitragssatzstabilität grundsätzlich für alle im Vierten Kapitel des SGB V geregelten Vergütungen, auch wenn er in der jeweiligen Vorschrift keine ausdrückliche Erwähnung findet. Dass er in § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V weiterhin ausdrücklich genannt wird, beruht darauf, dass so stärker verdeutlicht wird, dass er im Gegensatz zum vorhergehenden Recht nur noch - neben den in § 85 Abs 3 Satz 1 SGB V aufgeführten Kriterien - einer der Faktoren ist, welche die Höhe der Veränderung der Gesamtvergütung mitbestimmen.

64

ee) Eine begrenzte Verdrängung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die Zuschläge auf den Orientierungswert nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V - nicht für die Festsetzung dieses Werts selbst(s oben bb) - ergibt sich jedoch aus dem in dieser Vorschrift vorgegebenen System von Zu- und Abschlägen selbst. Die Festlegung des Punktwerts erfolgt nach dem 1.1.2013 in zwei Schritten. Zunächst sind auf Bundesebene nach § 87 Abs 2g SGB V für alle KÄV-Bezirke einheitlich ua Veränderungen der Investitions- und Betriebskosten der Praxen zu berücksichtigen. Der BewA ist dabei an den Grundsatz der Beitragssatzstabilität gebunden. Die Veränderungsrate, die der BewA jährlich festzusetzen hat, wird wegen der zentralen Bedeutung der Lohnkosten auch bei den Betriebskosten typischerweise nicht sehr weit hinter der Veränderungsrate des § 71 Abs 3 SGB V zurückbleiben können. Bei dieser Rate ist die Entwicklung der beitragspflichtigen Entgelte der Versicherten maßgeblich, also Veränderungen bei der Anzahl der Beschäftigten und deren Verdiensten. Wegen der notwendig relativ groben bundeseinheitlichen Veränderungsrate des Orientierungswerts hat sich der Gesetzgeber für eine Feinsteuerung durch Zu- und Abschläge auf regionaler Ebene entschieden. Wenn Maßstab für dieses System aus Zu- und Abschlägen die bundesdurchschnittlichen Werte sind, bewirken allein Zuschläge in einem KÄV-Bezirk nicht, dass bundesweit die Punktwerte über den Orientierungswert ansteigen, weil es in anderen KÄV-Bezirken auch Anlass für Abschläge geben muss. Obwohl dem Senat die Schwierigkeiten der Umsetzung von Abschlägen in einzelnen KÄV-Bezirken bewusst sind, können die Zweifel an der vollständigen und lückenlosen Umsetzbarkeit der gesetzlichen Konzeption nicht dazu führen, dass auch Zuschläge, die allen Parametern des § 87a Abs 2 Satz 2 iVm § 87 Abs 2g SGB V entsprechen, allein deshalb ausgeschlossen sind, soweit sie - zusammen mit anderen Veränderungen, die der Beklagte hier vorgenommen hat - zu einer Erhöhung der Vergütung über den Anstieg nach § 71 Abs 3 SGB V hinausgehen.

65

Der Gesetzgeber hat mit dem GKV-VStG 2012 eine stärkere Regionalisierung der vertragsärztlichen Vergütungen angestrebt. Im zahnärztlichen Bereich hat er im Sinne dieser Intention die "Beachtung" der Beitragssatzstabilität zugunsten einer bloßen "Berücksichtigung" relativiert (s oben dd), im ärztlichen Bereich das Morbiditätsrisiko auf die Krankenkassen verlagert und hinsichtlich der Preiskomponente die regionalen Vertragspartner in die Verantwortung genommen. Diese Rolle können sie nur effektiv wahrnehmen, wenn mit schlüssiger und gesetzeskonformer Begründung für Zuschläge auch die Grenze des § 71 Abs 3 SGB V behutsam überschritten werden darf. Es ist Sache des Gesetzgebers zu bewerten, ob an diesem System festgehalten werden soll, wenn sich ergibt, dass die Kompensation der Zuschläge in einigen KÄV-Bezirken durch Abschläge in anderen Bezirken nicht realisiert werden kann.

66

d) Der Schiedsspruch ist auch mit § 87a Abs 2 Satz 2 iVm § 72 Abs 2 SGB V vereinbar. Es bedarf hier keiner näheren Ausführungen zu der von den Klägerinnen aufgeworfenen Frage, ob ein Schiedsspruch wegen Unvereinbarkeit mit dem für die gesamte vertragsärztliche Versorgung geltenden Wirtschaftlichkeitsgebot kollidieren kann. Ersichtlich sind die Klägerinnen der Ansicht, dass die - aus ihrer Sicht ohnehin rechtswidrige - Entscheidung des Beklagten auch mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot unvereinbar ist, weil der Beklagte nicht hinreichend gewürdigt habe, dass H. trotz hoher Kosten auch für Vertragsärzte attraktiv sei. Das trifft schon nicht zu, weil der Beklagte diesen Aspekt in seiner Entscheidung ausdrücklich angesprochen und ihm sogar entscheidungserhebliche Bedeutung zugemessen hat: Gerade wegen der Attraktivität von H. hat der Beklagte die Kostendifferenz zwischen diesem Land und dem Bundesgebiet nur zu einem kleinen Teil ausgeglichen. Im Übrigen hat der Senat erhebliche Zweifel, ob ein Schiedsspruch, der mit allen konkret zu beachtenden speziellen gesetzlichen Vorgaben einschließlich des § 71 SGB V vereinbar ist, gleichwohl allein wegen eines Verstoßes gegen das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot aufzuheben sein kann. Der Senat hat im Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung entschieden, dass es nur in besonderen Konstellationen möglich ist, unmittelbar aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot konkrete, einen Regress auslösende Vorgaben für die ärztliche Behandlung abzuleiten (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 44, § 106 Nr 54 RdNr 45). Das gilt sinngemäß auch für Vorgaben für Vergütungsverträge, für die zahlreiche spezielle gesetzliche Maßgaben gelten, die - wie etwa die Grundsätze der Beitragssatzstabilität und der Vorjahresanknüpfung - immer auch dem Ziel der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung dienen. Wann bei der gerichtlichen Überprüfung von Vergütungsverträgen dem Wirtschaftlichkeitsgebot eigenständige Bedeutung zukommen kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil sich der Beklagte im Rahmen seiner Befugnisse nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V bewegt und sich bemüht hat, alle maßgeblichen Gesichtspunkte für und gegen die Zuschläge zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen.

67

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben die Klägerinnen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen, da sie unterlegen sind (§ 154 Abs 1 VwGO). Der Senat spricht in entsprechender Anwendung des § 100 Abs 4 Satz 1 ZPO eine gesamtschuldnerische Verpflichtung der Klägerinnen aus; die auf die einzelne Krankenkasse entfallenden Anteile sind nicht bekannt, und der Umstand, dass alle Klägerinnen durch dieselben Bevollmächtigten vertreten sind, spricht dafür, dass auf der Klägerseite ohnehin eine interne Kostenregelung getroffen wird.

Tenor

Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 13. November 2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte bei seiner erneuten Entscheidung über die Anpassung des Behandlungsbedarfs für das Jahr 2013 die Rechtsauffassung des Senats zu beachten hat.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit von Schiedssprüchen des beklagten Landesschiedsamtes betreffend die Festsetzung der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen in Sachsen-Anhalt für das Jahr 2013 streitig.

2

Mit Schreiben vom 26.9.2012 erklärte die beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) gegenüber dem beklagten Landesschiedsamt, dass die Verhandlungen zur Vereinbarung der Gesamtvergütung für die Jahre 2012 und 2013 gescheitert seien und bat um Festsetzung durch den Beklagten. Dem widersprachen die klagenden Krankenkassen und machten geltend, dass für 2013 noch keine Verhandlungen geführt worden seien. Ferner habe der Bewertungsausschuss (BewA) die erforderlichen Vorgaben und Empfehlungen für 2013 noch nicht beschlossen.

3

Mit Beschluss vom 22.10.2012 (DÄ 2012, A 2322) empfahl der BewA für den Bezirk der beigeladenen KÄV eine Veränderungsrate auf der Grundlage vertragsärztlicher Behandlungsdiagnosen in Höhe von 2,6931 % und eine Veränderungsrate auf der Grundlage demographischer Daten in Höhe von 0,7247 %. Auch auf wiederholte Einladung der beigeladenen KÄV kam es in der Folge nicht zu Verhandlungen mit den Klägerinnen, die an der Auffassung festhielten, dass Verhandlungen zur Gesamtvergütung für das Jahr 2013 bisher nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit geführt worden seien.

4

Mit Schiedsspruch vom 6.12.2012 entschied das beklagte Landesschiedsamt über die zwischen den Beteiligten noch streitigen Punkte zur Höhe der Gesamtvergütung für das Jahr 2012.

5

Ebenfalls mit Schiedsspruch vom 6.12.2012 (Bescheid vom 19.2.2013) stellte das beklagte Landesschiedsamt fest, dass

        

"es zur Festsetzung der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen für das Jahr 2013 wirksam angerufen worden ist".

6

Mit weiterem Schiedsspruch vom 6.12.2012 (weiterer Bescheid vom 19.2.2013) stellte das beklagte Landesschiedsamt zudem fest, dass zusätzlich zu den Anpassungen (auf Basis der Veränderungsraten) gemäß § 87a Abs 4 SGB V eine sockelwirksame Anpassung des Behandlungsbedarfs auf der Grundlage von § 87a Abs 4 Satz 4 SGB V vorzunehmen sei.

7

Ferner wurde den Vertragsparteien aufgegeben, die Höhe der Steigerung auf der Grundlage von § 87a Abs 4 Satz 4 SGB V ab 2013 bis zum 15.12.2012 zu vereinbaren. Wenn keine Einigung erfolge, werde das Schiedsverfahren am 19.12.2012 insoweit fortgesetzt. Zudem wurde ua die Veränderungsrate für 2013 gemäß § 87a Abs 4 Satz 1 Ziffer 2 SGB V auf 2,6931 % festgeschrieben.

8

Am 19.12.2012 erging ein weiterer Schiedsspruch (ebenfalls Gegenstand des og "weiteren" Bescheides vom 19.2.2013) des beklagten Landesschiedsamtes, wonach § 3 Abs 1 der Vergütungsvereinbarung wie folgt gefasst wurde:
"(1) Die Berechnung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung für das Jahr 2013 richtet sich nach § 87a Abs. 3 SGB V, nach § 87a Abs. 4 SGB V und nach den für das Jahr 2013 geltenden Beschlüssen des Bewertungsausschusses vom 22. Oktober 2012. …

        

Der so ermittelte Behandlungsbedarf wird sockelwirksam um

        

1. insgesamt 12 %, davon 4 % in 2013, 4 % in 2014 und 4 % in 2015 erhöht
2. 2,6931 % gem. § 87a Abs. 4 S. 1 Ziffer 2 SGB V... erhöht."

9

Zur Begründung verwies das beklagte Landesschiedsamt auf Studienergebnisse und Berechnungen der Beigeladenen. Danach entspreche die für den Bereich der Beigeladenen gezahlte morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) nicht der Morbidität der Bevölkerung im Land Sachsen-Anhalt. Aus diesem Grund sowie einer im Vergleich zum Bundesdurchschnitt niedrigeren Vergütung je Versichertem werde unter Berücksichtigung der Empfehlung des BewA vom 22.10.2012 die Veränderungsrate gemäß § 87a Abs 4 Satz 1 Ziffer 2 SGB V für das Jahr 2013 auf der Grundlage der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen in Höhe von 2,6931 % festgeschrieben. Grundlage der Erhöhung des Behandlungsbedarfs um insgesamt 12 % für die Jahre 2013, 2014 und 2015 sei die gesetzliche Öffnungsklausel in § 87a Abs 4 Satz 4 SGB V. Hierdurch werde der Intention des Gesetzgebers Rechnung getragen, mit der Einführung des § 87a SGB V das Morbiditätsrisiko den Krankenkassen zu übertragen. Zwar sei von den Vertragspartnern nur die Festsetzung der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen für das Jahr 2013 beantragt worden. Die Verteilung der Steigerungsrate auf einen Dreijahreszeitraum erfolge indes unter Abwägung der Interessenlage der Krankenkassen. Im Übrigen sei bei dieser Entscheidung berücksichtigt worden, dass die Krankenkassen aufgrund der Morbiditätsstruktur in Sachsen-Anhalt höhere Zuweisungen aus dem Risikostrukturausgleich (RSA) erhielten, die zur Versorgung der Versicherten eingesetzt werden müssten.

10

Das LSG hat die die Gesamtvergütung für das Jahr 2013 betreffenden Schiedssprüche des Beklagten vom 6.12.2012 und vom 19.12.2012 sowohl bezogen auf die - auf drei Jahre verteilte - Erhöhung des Behandlungsbedarfs um 12 % als auch bezogen auf die weitere Veränderungsrate für das Jahr 2013 von 2,6931 % aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über die Anpassung des Behandlungsbedarfs für das Jahr 2013 erneut zu entscheiden. Im Übrigen hat das LSG die Klage abgewiesen. Soweit die Klage auf die gesonderte Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs vom 6.12.2012 gerichtet sei, mit dem festgestellt wurde, dass der Beklagte zur Festsetzung der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen für das Jahr 2013 wirksam angerufen worden sei, sei der Antrag unzulässig. Es handele sich insoweit um eine unselbstständige Zwischenentscheidung. Im Übrigen sei die Klage zulässig und auch teilweise begründet. Gemäß § 87a Abs 4 SGB V sei der Behandlungsbedarf in der zu treffenden Vereinbarung nicht für jedes Jahr völlig neu festzusetzen, sondern aufsetzend auf dem für das Vorjahr vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf. Der Gesetzgeber habe genaue Regelungen für die erstmalige Vereinbarung der MGV für das Jahr 2009 getroffen und in den Folgejahren an der Systematik der Vorjahresanknüpfung festgehalten. Zudem sei der Schiedsspruch auch bezogen auf die weitere Erhöhung des Behandlungsbedarfs für 2013 in Höhe der diagnosebasierten Veränderungsrate von 2,6931 % rechtswidrig. § 87a Abs 4 Satz 3 SGB V sehe eine gewichtete Zusammenfassung der vom BewA als Empfehlungen mitgeteilten Raten vor, wobei sich dem Gesetz keine Kriterien für eine solche gewichtete Zusammenfassung entnehmen ließen. Die entsprechende Begründung im Gesetzesentwurf lasse erkennen, dass den Vertragsparteien bei der konkreten Festlegung ein großer Verhandlungsspielraum zukomme. Ob es vor diesem Hintergrund als zwingend rechtswidrig anzusehen sei, wenn die Vertragsparteien im Rahmen einer zusammenfassenden Gewichtung im Ergebnis zu einer vollständigen Ausschöpfung der höheren der beiden Raten gelangten, könne hier offenbleiben, da es bereits an einer ausreichenden Begründung fehle. Die Begründung des Schiedsspruches lasse erkennen, dass die gebotene Gewichtung nicht stattgefunden habe. Der Beklagte habe daher von vornherein nicht versucht, der jeweils jahresbezogenen Veränderung der Morbiditätsstruktur Rechnung zu tragen, sondern die Regelung des § 87a Abs 4 SGB V stattdessen zur Korrektur aus seiner Sicht schon länger bestehender Ungleichgewichte genutzt. Eine solche allgemeine Korrekturmöglichkeit bezüglich einer als zu niedrig oder zu hoch empfundenen Vergütung eröffne die Norm nicht. Im Ergebnis habe der Beklagte daher seinen Entscheidungsspielraum überschritten.

11

Mit der hiergegen eingelegten Revision macht die Beigeladene im Wesentlichen geltend, die Morbidität der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt sei in den letzten Jahren erheblich auf ein den Bundesdurchschnitt weit überschreitendes Maß gestiegen. § 87a Abs 4 SGB V verbiete es den Vertragsparteien auf Landesebene und dem Landesschiedsamt unter diesen Umständen nicht, eine der absoluten Höhe der Morbidität entsprechende Basiskorrektur vorzunehmen. Dies entspreche auch dem gesetzgeberischen Ziel, das - regional unterschiedliche - Morbiditätsrisiko auf die Krankenkassen zu verlagern. Da § 87a Abs 4 Satz 1 SGB V an den nach § 87a Abs 3 Satz 2 SGB V "vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf" des Vorjahres anknüpfe, könne die Regelung nicht auf den durch § 87d Abs 2 SGB V gesetzlich festgelegten Behandlungsbedarf des Jahres 2012 bezogen werden. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass § 87d Abs 2 SGB V der Kostenbegrenzung für die Krankenkassen und der Gleichmäßigkeit der Honorarverteilung unter den KÄVen und damit Parametern gedient habe, die keinen sachlichen Bezug zur Morbiditätsstruktur aufwiesen. Aufgrund der seit der Einführung der MGV im Jahr 2009 geltenden Übergangsregelungen gehe es im Jahr 2013 darum, erstmals eine Grundlage für eine morbiditätsorientierte Bereitstellung der Mittel für die ambulante vertragsärztliche Versorgung zu schaffen. Auf diese könne dann in den Folgejahren aufgesetzt werden. Auch der vom LSG in Bezug genommenen Entscheidung des BSG vom 27.4.2005 (B 6 KA 42/04 R) sei bezüglich des Prinzips der Vorjahresanknüpfung nur zu entnehmen, dass der vorjährige Behandlungsbedarf den Ausgangspunkt für den nachfolgend zu vereinbarenden Behandlungsbedarf bilde und nicht rückwirkend angepasst werden könne, nicht jedoch, dass prospektiv ausschließlich Veränderungen im Vergleich zum Vorjahr berücksichtigt werden dürften. Die Beschränkung der Anpassung auf jahresbezogene Veränderungen habe sich in der Vergangenheit erst aufgrund der Verknüpfung des Prinzips der Vorjahresanknüpfung mit dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität in § 85 Abs 3 SGB V aF ergeben. Die Anpassung des Behandlungsbedarfs im Hinblick auf die Morbiditätsstruktur sei aber bereits durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität entkoppelt worden und beschränke daher die Anpassung des Behandlungsbedarfs nicht auf jahresbezogene Veränderungen. Bestätigt werde dies durch die Gesetzesbegründung zu dem Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG), der kein Anhaltspunkt für eine Beschränkung auf jahresbezogene Veränderungen zu entnehmen sei. Zentrales Kennzeichen des neuen Vergütungssystems sei vielmehr die Verlagerung des Morbiditätsrisikos auf die Krankenkassen. Zudem komme durch die Formulierung "insbesondere Veränderungen" in § 87a Abs 4 Satz 1 SGB V zum Ausdruck, dass nicht nur Veränderungen gegenüber dem Vorjahr zu berücksichtigen seien, sondern dass auch eine Weiterentwicklung der Basis für den Behandlungsbedarf möglich sei; anderenfalls hätte der Gesetzgeber "Veränderungen insbesondere" formuliert. Bestätigt werde das Ergebnis durch den mWv 1.1.2012 neu eingefügten § 87a Abs 4 Satz 4 SGB V, der die Heranziehung weiterer Morbiditätskriterien erlaube. Die Verwendung des Wortes "weitere" verdeutliche, dass auch bislang nicht verwendete Kriterien zur Bestimmung der Morbidität Berücksichtigung finden könnten. Eine entsprechende Zuständigkeit habe auch der BewA bis zum 31.12.2011 nach § 87a Abs 5 Satz 3 SGB V gehabt. Aus der Gesetzesbegründung zum GKV-WSG ergebe sich, dass er weitere Kriterien habe heranziehen dürfen, die dazu beitrügen, den Behandlungsbedarf an die regionale Morbidität anzupassen. Diese Kompetenzen seien durch § 87a Abs 4 Satz 4 SGB V auf die regionalen Verhandlungspartner übertragen und - aufgrund des Wegfalls der Anknüpfung an die Kriterien des RSA - erweitert worden. Bestätigt werde die vorgenannte Wortlautinterpretation des § 87a Abs 4 SGB V durch die Entstehungsgeschichte. Der Gesetzgeber habe zwar seit dem Jahr 2004 das Ziel verfolgt, das Morbiditätsrisiko auf die Krankenkassen zu verlagern, der BewA habe aber eine Umsetzung der Neuregelung verhindert. Bis zum Jahr 2012 habe der Gesetzgeber sodann Übergangsregelungen geschaffen, sodass der Behandlungsbedarf noch nicht morbiditätsbedingt ermittelt oder vereinbart worden sei. Daher könne die tradierte gesetzliche Fiktion der Angemessenheit der Gesamtvergütung des Vorjahres hier nicht herangezogen werden. Damit existiere keine Grundlage für eine Vorjahresanknüpfung bezogen auf die erstmals ohne eine Übergangsregelung zu vereinbarende MGV des Jahres 2013. Die Neuregelung des ärztlichen Vergütungsrechts stehe schließlich auch in einem systematischen Zusammenhang mit der Morbiditätsorientierung des RSA seit dem Jahre 2009. Die im RSA berücksichtigten erhöhten Morbiditätslasten einer Krankenkasse entstünden nur dann, wenn die Ausgaben, insbesondere die Kosten für die vertragsärztliche Versorgung, überhaupt morbiditätsorientiert justiert würden. Würden die Einnahmen an der Morbidität orientiert, die Ausgaben hingegen nicht, werde dieser regelungssystematische Zusammenhang auseinandergerissen.

12

Entgegen der Ansicht des LSG sei die darüber hinaus getroffene Regelung, wonach die Veränderung der Morbiditätsstruktur für 2013 mit einer Erhöhung des Behandlungsbedarfs von 2,6931 % berücksichtigt werde, ebenfalls rechtmäßig. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Veränderung der Morbiditätsstruktur allein auf der Grundlage der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen und nicht auch aufgrund demographischer Kriterien durchgeführt worden sei. Das Verhältnis der beiden Veränderungsraten zueinander sei nicht vorgegeben, sodass die gesetzliche Formulierung "gewichtete Zusammenfassung" auch die Berücksichtigung einer Rate zu 100 % zulasse. Die Orientierung allein an der diagnosebezogenen Veränderungsrate sei zudem durch fachliche Gründe gerechtfertigt. Für Sachsen-Anhalt seien von den Krankenkassen keine Up- und Right-Coding-Prozesse vorgetragen worden, vielmehr könnten Morbiditätssteigerungen durch externe Datenquellen belegt und begründet werden. Die Qualität der Kodierung sei gerade in Sachsen-Anhalt besonders hoch. Der Begründung des beklagten Landesschiedsamtes sei auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass eine zusammenfassende Gewichtung der seitens des BewA in dem Beschluss vom 22.10.2012 mitgeteilten Raten stattgefunden habe. Der Beklagte habe zunächst die Ausgangslage korrekt dargestellt und sodann auf die erhöhte Morbidität der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt und die im Vergleich zum Bundesdurchschnitt niedrigere Vergütung der Versicherten hingewiesen. Es sei damit erkennbar, dass von beiden Veränderungsraten ausgegangen worden und sodann aufgrund der besonderen Situation auf Landesebene der Wert in Höhe von 2,6931 % festgeschrieben worden sei. Die vom Gesetz geforderte Festlegung sei damit im Sinne einer gewichteten Zusammenfassung getroffen worden.

13

Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 13.11.2013 zu ändern und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

14

Die Klägerinnen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

15

Die Schiedssprüche vom 6.12.2012 und vom 19.12.2012 seien schon deshalb rechtswidrig, weil es an der Voraussetzung der Nichteinigung über die vertragsärztliche Vergütung für das Jahr 2013 gefehlt habe. Aufgrund der Festsetzung der Vorjahresvereinbarung für das Jahr 2012 erst am 6.12.2012 seien Verhandlungen für das Jahr 2013 bis dahin objektiv unmöglich gewesen. Die Verhandlungen seien auch nicht als gescheitert anzusehen gewesen, da mangels Existenz der Vorjahresvereinbarung als zwingend vorgegebenem Anknüpfungspunkt keine Verhandlungen hätten geführt werden können. Der Beklagte sei daher nicht zuständig gewesen. Die Festsetzung einer Erhöhung des Behandlungsbedarfs um 12 % zusätzlich zu der vom BewA empfohlenen diagnosebezogenen Veränderungsrate von 2,6931 % für das Jahr 2013 sei nicht mit § 87a Abs 4 SGB V vereinbar. § 87a Abs 4 Satz 4 SGB V gebe das in § 87a Abs 4 Satz 1 SGB V geregelte Prinzip der Vorjahresanknüpfung nicht auf, sondern erlaube allein die Berücksichtigung weiterer relevanter Morbiditätskriterien für die Bestimmung der Veränderungsrate im Vergleich zum Vorjahr. Eine "Basiskorrektur" des als angemessen vermuteten Behandlungsbedarfs des Vorjahres sei hingegen nicht möglich. Der Grundsatz der Vorjahresanknüpfung werde durch § 87a Abs 4 Satz 1 SGB V zwingend vorgeschrieben, da hiernach die Anpassung "aufsetzend" auf dem für das Vorjahr vereinbarten Behandlungsbedarf erfolgen müsse. Eine entsprechende Vorjahresvereinbarung habe im Jahr 2012 in Form eines bestandskräftigen Schiedsspruchs des beklagten Landesschiedsamtes auch vorgelegen. Zudem fehlten gesetzliche Vorgaben für die Bestimmung des objektiv "richtigen" Behandlungsbedarfs unabhängig von den Veränderungen des Vorjahres, was den Umkehrschluss zulasse, dass eine solche nicht zulässig sei. Eine derartige Neubestimmung erfordere zahlreiche wesentliche Entscheidungen, die der Gesetzgeber selbst treffen müsse. Dem Wortlaut des § 87a SGB V lasse sich auch keine Anknüpfung des Behandlungsbedarfs an den RSA entnehmen. Für die direkte Übernahme zur Bestimmung des Behandlungsbedarfs in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung seien die Daten aus dem RSA nicht geeignet. Insbesondere bestimme der RSA seiner Funktion nach lediglich die Verteilung beschränkter Mittel unter den Krankenkassen. Eine gestiegene Morbidität führe demnach nicht dazu, dass die Krankenkassen zusätzlich Mittel erhielten. Es verbleibe daher bei der Rechtsprechung des BSG, wonach es sich bei den Bestimmungen über die Veränderungen der Gesamtvergütung und denen über den RSA um unterschiedliche Regelungskomplexe handele. Gestützt werde diese Auslegung auch durch den sich aus der Entstehungsgeschichte ergebenden Sinn und Zweck der Regelungen. Der Gesetzgeber habe den gesetzlichen Krankenkassen mit der Neuregelung des vertragsärztlichen Vergütungssystems durch das GKV-WSG das sogenannte Morbiditätsrisiko übertragen, jedoch zu keinem Zeitpunkt festgelegt, dass die Morbidität von den Vertragspartnern frei festgesetzt werden könne. Die Befugnis zur Anpassung des Behandlungsbedarfs ergebe sich auch nicht aus § 87a Abs 4 Satz 4 SGB V. Sowohl die Voraussetzung der "Erforderlichkeit" als auch die Befugnis zur Heranziehung "weiterer relevanter Morbiditätskriterien" bezöge sich jeweils darauf, dass der Behandlungsbedarf nur aufsetzend auf dem für das Vorjahr vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf iS des § 87a Abs 4 Satz 1 SGB V vereinbart werden dürfe. Dies folge aus dem Wortlaut von § 87a Abs 4 Satz 4 SGB V, der den Begriff der (Morbiditäts-)kriterien aus § 87a Abs 4 Satz 3 SGB V übernehme. Zudem werde auch systematisch unmittelbar an diese Regelung angeknüpft. Belegt werde dieses Ergebnis auch durch die Entstehungsgeschichte der Norm. Der Gesetzesbegründung lasse sich entnehmen, dass die regionalen Vertragspartner nunmehr weitere Kriterien bei der Vereinbarung der Veränderung des ambulanten Behandlungsbedarfs heranziehen könnten. Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Abweichung von der Orientierung an der jährlichen Veränderung der Morbidität ermöglicht werden sollte, lägen indes nicht vor. Der Beklagte sei nicht berechtigt, die mit den gesetzlichen Übergangsregelungen der §§ 87c, 87d SGB V geschaffene Basis zu korrigieren. Zudem sei der Schiedsspruch vom 19.12.2012 rechtswidrig, weil die Steigerung des Behandlungsbedarfs um 12 % auf drei Jahre verteilt worden sei, sodass eine Steigerung von je 4 % auch für die Jahre 2014 und 2015 verbindlich festgesetzt worden sei. Eine derartige Mehrjahresvereinbarung sei mit § 89 SGB V unvereinbar. Für die Jahre 2014 und 2015 hätten noch keinerlei Verhandlungen stattgefunden, sodass diese auch nicht gescheitert seien. Zudem verstoße die Mehrjahresfestsetzung gegen § 87a SGB V. Ohne Kenntnis der Vorjahresvereinbarung oder -festsetzung ließen sich auch die nach § 87a SGB V vorzunehmenden Anpassungen nicht durchführen.

16

Die Anhebung der MGV um weitere 2,6931 % sei ebenfalls rechtswidrig, weil die Festsetzung allein anhand diagnosebezogener Kriterien erfolgt sei, während nach § 87a Abs 4 Satz 3 SGB V eine gewichtete Zusammenfassung diagnosebezogener und demographischer Kriterien vorzunehmen sei. In der Festsetzung einer zu 100 % diagnosebezogenen Veränderungsrate könne zwar ggf eine Gewichtung, jedoch keine "Zusammenfassung" gesehen werden. Zudem leide die Festsetzung an einem Begründungsmangel. Das beklagte Landesschiedsamt habe nur auf die vermeintlich unzureichende bisherige Berücksichtigung der Morbidität der Versicherten in Sachsen-Anhalt abgestellt.

17

Das beklagte Landesschiedsamt verweist auf den Inhalt der Verwaltungsakten und insbesondere den Schiedsspruch vom 19.12.2012.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision der Beigeladenen hat keinen Erfolg.

19

1. Die der Revision zugrunde liegende Klage ist zulässig. Das LSG war gemäß § 29 Abs 2 Nr 1 SGG erstinstanzlich zuständig, weil sich die Klage gegen eine Entscheidung des Landesschiedsamtes richtet.

20

Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs 1 iVm § 131 Abs 2 Satz 2 und Abs 3 SGG. Die Anfechtung des Schiedsspruchs in Verbindung mit der beantragten Verpflichtung zur Neubescheidung berücksichtigt, dass die Festsetzung des Vertragsinhalts durch ein Schiedsamt gegenüber den Vertragspartnern ein Verwaltungsakt ist (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 20; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 10 mwN).

21

Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht. Aus der Eigenart der Tätigkeit des Schiedsamtes, das bei der Vertragsfestsetzung an die Stelle der Vertragsparteien tritt, folgt, dass eine Überprüfung des Schiedsspruchs nur im gerichtlichen Verfahren erfolgen kann (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 21; vgl BSGE 20, 73, 75 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO S Aa 2, unter Verweis auf die noch ausdrückliche Anordnung in § 368i Abs 5 RVO).

22

2. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass das beklagte Landesschiedsamt neu über die Höhe der Gesamtvergütung für das Jahr 2013 zu entscheiden hat. Bezogen auf die Festsetzung für das Jahr 2013 leidet der Schiedsspruch nicht an formellen Mängeln (a). Dagegen durfte das beklagte Landesschiedsamt seine Festsetzung nicht auf die Jahre 2014 und 2015 erstrecken (b). Im Übrigen ist der Schiedsspruch aus materiellen Gründen rechtswidrig (c), weil er eine Anpassung nicht aufsetzend auf dem vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf des Jahres 2012 vorgenommen hat, sondern sich hiervon gelöst und einen um 12 % (jeweils 4 % verteilt auf die Jahre 2013 bis 2015) erhöhten Wert zugrunde gelegt hat (aa). Zudem ist die Festsetzung der jahresbezogenen Veränderung der Morbiditätsstruktur auf 2,6931 % für das Jahr 2013 rechtswidrig, weil es sich dabei nicht um das Ergebnis einer gewichteten Zusammenfassung der vom BewA mitgeteilten Veränderungsraten handelt (bb).

23

Gemäß § 89 Abs 1 Satz 1 SGB V setzt das Schiedsamt mit der Mehrheit seiner Mitglieder den Vertragsinhalt fest, wenn ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande kommt. Bei der Vereinbarung über die von den Krankenkassen in Sachsen-Anhalt für das Jahr 2013 mit befreiender Wirkung an die beigeladene KÄV zu zahlende MGV für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Versicherten mit Wohnort im Bezirk der KÄV, dessen Inhalt der Beklagte festgesetzt hat, handelt es sich um einen Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung im Sinne dieser Vorschrift.

24

a) Entgegen der Auffassung der Kläger sind die Schiedssprüche, die Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens sind, bezogen auf die Festsetzung für das Jahr 2013 nicht aufgrund von Verfahrensfehlern rechtswidrig. Insbesondere lagen die Voraussetzungen für eine Entscheidung des beklagten Landesschiedsamtes vor.

25

aa) Dies folgt allerdings nicht bereits aus dem Beschluss des Beklagten vom 6.12.2012, mit dem "entschieden" wurde, dass "das Landesschiedsamt zur Festsetzung der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen wirksam angerufen worden ist". Die gegen diesen Beschluss gerichtete Klage hat das LSG mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, dass es sich dabei um eine unselbstständige Zwischenentscheidung gehandelt habe, die nur gemeinsam mit der Entscheidung in der Hauptsache überprüfbar sei. Die Entscheidung des LSG ist insoweit nicht zutreffend, als der Beklagte die Entscheidung über seine Zuständigkeit in der äußeren Form eines Schiedsspruchs, mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und damit in der äußeren Form eines Verwaltungsakts erlassen hat. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Anfechtungsklage auch gegeben, wenn sich die Verwaltung in unzulässiger Weise der äußeren Form eines Verwaltungsakts bedient (BSGE 91, 68 = SozR 4-1300 § 31 Nr 1, RdNr 12; BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 9; vgl Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 22b mwN; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl 2014, § 35 RdNr 16 mwN). Indes hat der Senat darüber nicht zu befinden. Die Entscheidung des LSG ist insoweit rechtskräftig, weil die durch die teilweise Abweisung der Klage allein beschwerten Kläger dagegen keine Rechtsmittel eingelegt haben.

26

Der Umstand, dass das LSG die Entscheidung des beklagten Landesschiedsamts aus dem og Beschluss vom 6.12.2012 nicht aufgehoben, sondern die Klage insoweit als unzulässig abgewiesen hat, hat gleichwohl nicht zur Folge, dass die Frage der wirksamen Anrufung des beklagten Landesschiedsamtes durch die Beigeladene einer Prüfung durch den Senat entzogen wäre. Die Entscheidung des Beklagten, nach der er "wirksam angerufen" worden ist, ist kein Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X, der in Bestandskraft erwachsen könnte. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte die Entscheidung in der äußeren Form eines Verwaltungsakts erlassen hat, weil die Form nicht über den Charakter als Verwaltungsakt im materiellen Sinne entscheidet. Eine in der äußeren Form eines Verwaltungsakts erlassene Verwaltungsmaßnahme (formeller Verwaltungsakt oder Schein-Verwaltungsakt) wird nur - wegen des von der Behörde gesetzten Rechtsscheins - hinsichtlich ihrer Anfechtbarkeit als Verwaltungsakt behandelt. Für die Frage, ob Bestandskraft eintreten kann, kommt es hingegen darauf an, ob tatsächlich ein Verwaltungsakt im materiellen Sinne vorliegt (zur entsprechenden Regelung des § 35 VwVfG vgl Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl 2013, § 35 RdNr 3, 3a; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl 2014, § 35 RdNr 16 f; Erfmeyer, DÖV 1996, 629). Dies ist hier nicht der Fall. Der Schiedsspruch, für dessen Erlass das beklagte Landesschiedsamt gemäß § 89 Abs 1 SGB V zuständig ist, stiftet und gestaltet die zwischen den Vertragspartnern bestehenden Vertragsbeziehungen. Nur eine solche Entscheidung des Schiedsamtes ergeht gegenüber den Verfahrensbeteiligten als Verwaltungsakt (s o 1.). Davon abweichend hat der og Schiedsspruch vom 6.12.2012 nicht den Inhalt des Gesamtvertrags zum Gegenstand. Vielmehr betrifft die Entscheidung des Beklagten, seine Anrufung als wirksam anzusehen, eine verfahrensrechtliche Frage, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des noch zu erlassenden Schiedsspruchs von Bedeutung sein kann. Für den Erlass eines Verwaltungsakts durch das Landesschiedsamt, der die formellen Voraussetzungen für das Ergehen eines Schiedsspruchs zum Gegenstand hat, gibt es keine rechtliche Grundlage. Fragen der Rechtmäßigkeit des eigenen Handelns in verfahrensrechtlicher Hinsicht sind einer hoheitlichen Regelung durch das Landesschiedsamt von vornherein nicht zugänglich, sodass diese nicht zum Gegenstand eines Verwaltungsakts gemacht werden können.

27

Dass die Rechtmäßigkeit einzelner Verfahrensschritte auf dem Weg zur Sachentscheidung nicht isoliert Gegenstand von Widerspruchs- und Klageverfahren sein soll, findet im Übrigen Ausdruck in § 56a SGG(in der seit dem 25.10.2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze vom 19.10.2013, BGBl I 3836). Danach können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen grundsätzlich nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dieser zunächst nur für das verwaltungsgerichtliche Verfahren in § 44a VwGO ausdrücklich geregelte Grundsatz, galt bereits vor Inkrafttreten des § 56a SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren(BSGE 56, 215, 219; BSG SozR 1500 § 144 Nr 39 S 69 f; Düring in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 9 RdNr 68). Auch dies spricht dafür, dass der Beklagte die Frage der Zulässigkeit von Verfahrenshandlungen nicht zum Gegenstand eines gesondert anfechtbaren Verwaltungsakts machen kann.

28

Auch wenn die Regelungen zum Zwischenurteil gemäß § 130 Abs 2 SGG im Hinblick auf die justizförmige Ausgestaltung des Schiedsverfahrens(vgl Schnapp in ders, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2004, RdNr 12, 92; Becker in Becker/Dalichau, Perspektiven des Gesundheitswesens, Festschrift für Bernd Wiegand, S 271, 285) hier entsprechend herangezogen werden, folgt daraus für die Frage der Bestandskraft der Entscheidung des Landesschiedsamts nichts anderes, weil auch solche Zwischenurteile nur zusammen mit dem Endurteil angefochten werden können (BSG SozR 4-1500 § 130 Nr 2; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 130 RdNr 11 mwN).

29

bb) Danach ist maßgebend, ob die Voraussetzungen für eine Entscheidung des Beklagten tatsächlich vorgelegen haben. Dies ist bezogen auf die Anpassung des Behandlungsbedarfs für das Jahr 2013 der Fall. Die Vereinbarung ist insoweit iS des § 89 Abs 1 Satz 1 SGB V "ganz oder teilweise nicht zustande" gekommen.

30

Das Schiedsverfahren wird gemäß § 13 Abs 1 Satz 1, § 14 Satz 1 Verordnung über die Schiedsämter für die vertragsärztliche (vertragszahnärztliche) Versorgung (SchiedsamtsVO) grundsätzlich mit dem schriftlich bei dem Vorsitzenden des Schiedsamts von einer der Vertragsparteien gestellten Antrag eingeleitet, eine Einigung über den Inhalt eines Vertrages herbeizuführen. Gemäß § 14 Satz 2 SchiedsamtsVO hat der Antrag den Sachverhalt zu erläutern, ein zusammenfassendes Ergebnis der vorangegangenen Verhandlungen darzulegen sowie die Teile des Vertrages aufzuführen, über die eine Einigung nicht zustande gekommen ist. Ob eine Verletzung der in § 14 Satz 2 SchiedsamtsVO geregelten Formerfordernisse überhaupt die Rechtmäßigkeit eines darauf ergangenen Schiedsspruchs berührt oder ob es sich - ähnlich der Frist von drei Monaten, innerhalb der das Schiedsamt den Vertragsinhalt gemäß § 89 Abs 1 Satz 1 SGB V festzusetzen hat(vgl BSGE 20, 73, 79 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSG SozR Nr 1 zu Art 4 § 12 GKAR Bl Aa2; BSGE 88, 193, 202 = SozR 3-2500 § 79a Nr 1 S 11)- um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt (vgl Schmiedl, Das Recht des vertrags(zahn)ärztlichen Schiedswesens, 2002, 161 f; ablehnend dagegen: Düring in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 9 RdNr 26) kann dahingestellt bleiben, weil der von der Beigeladenen an das Landesschiedsamt gerichtete Antrag vom 26.9.2012 mit den nachfolgenden Ergänzungen (Schreiben der KÄV an das Landesschiedsamt vom 12.10.2012 und vom 12.11.2012) die genannten Voraussetzungen ohne Weiteres erfüllt. Dies wird auch von den Klägern nicht mehr in Frage gestellt. Im Übrigen sind unter Berücksichtigung des Ziels der Vorschrift - der Ermöglichung einer zeitnahen Regelung und damit der Vermeidung eines vertragslosen Zustands - keine hohen Anforderungen an die Form des Antrags zu stellen (ebenso: Molière/Zalewski in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, § 89 SGB V RdNr 15).

31

Die Kläger können nicht mit Erfolg geltend machen, dass vor der Anrufung des Landesschiedsamtes keine ernsthaften Vertragsverhandlungen stattgefunden hätten. Eine Entscheidung des Schiedsamtes ist nicht davon abhängig, dass die Beteiligten zuvor "mit der gebotenen Ernsthaftigkeit" verhandelt haben (aA Schnapp in ders, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2004, RdNr 78; Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 3. Aufl 2012, § 89 RdNr 11). Bereits dem Wortlaut des § 89 Abs 1 Satz 1 SGB V ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass es auf die Gründe des Scheiterns der Verhandlungen ankommen würde oder dass als Verfahrensvoraussetzung Anforderungen an die Intensität der dem Schiedsspruch vorausgehenden Verhandlungen zu stellen wären. Ausschlaggebend ist nach dem Wortlaut des Gesetzes allein, dass der Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung "ganz oder teilweise nicht zustande" gekommen ist (ebenso: Molière/Zalewski in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, § 89 SGB V RdNr 15; Beier in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 89 RdNr 30). Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn - wie hier - schon keine Einigung über den Zeitpunkt der Verhandlungen erzielt werden kann oder eine Seite auf die Einladung der anderen Seite zur Aufnahme von Verhandlungen nicht reagiert. Bereits mit Schreiben vom 26.9.2012 hat die Beigeladene sich an das beklagte Landesschiedsamt gewandt und erklärt, dass die zuletzt am 18.9.2012 für die Jahre 2012 und 2013 geführten Verhandlungen zur Gesamtvergütung gescheitert seien. In der Folge ist es auf die Einladungen der Beigeladenen vom 25.10.2012 und vom 5.11.2012 nicht zu weiteren Verhandlungen mit den Klägern gekommen und auch die schließlich vom beklagten Landesschiedsamt gesetzte Frist bis zum 15.12.2012 ist erfolglos verstrichen. In einer solchen Konstellation muss das Schiedsamt die Möglichkeit haben, die fehlende Einigung im Wege der Festsetzung des Vertragsinhalts zu ersetzen. Anderenfalls würde der Seite, die kein Interesse am zeitnahen Zustandekommen einer Vereinbarung zur Gesamtvergütung hat, die Möglichkeit in die Hand gegeben, die Durchführung des Schiedsverfahrens zu verzögern. Dies muss gerade für die Vereinbarung der MGV, die gemäß § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V jährlich bis zum 31.10. für das Folgejahr zustande kommen soll, vermieden werden. Im Übrigen werden die Parteien des Vertrages in ihrem Handlungsspielraum und der Möglichkeit selbst eine Einigung herbeizuführen, durch die Anrufung des Schiedsamtes nicht eingeschränkt. Sie können die Verhandlungen nicht nur während des laufenden Schiedsverfahrens an sich ziehen, sondern auch noch nach ergangenem Schiedsspruch einvernehmlich eine davon abweichende Regelung treffen (BSGE 86, 126, 131 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 292; BSGE 51, 58, 61 = SozR 2200 § 368h Nr 3 S 5).

32

Den Klägern kann auch nicht darin gefolgt werden, dass Verhandlungen über die Gesamtvergütung für das Jahr 2013 nicht geführt werden konnten, solange die Gesamtvergütung für das Jahr 2012 nicht vereinbart worden ist und dass die Voraussetzungen für die Festsetzung des Vertragsinhalts durch das beklagte Landesschiedsamt deshalb nicht vorgelegen hätten: Verhandlungen über die Höhe der Gesamtvergütung für das Jahr 2013 konnten bereits geführt werden, bevor die Vergütung für das Jahr 2012 verbindlich fixiert war. Dem stand nicht der Grundsatz der Vorjahresanknüpfung entgegen. Schließlich war zwischen den Beteiligten gerade streitig, ob dieser Grundsatz für die Höhe der Gesamtvergütung im Jahr 2013 gilt. Wenn zu dieser Frage keine Einigung erzielt werden kann, dann steht bereits fest, dass eine Vereinbarung jedenfalls insoweit nicht zustande kommen kann. Zudem sollte die Gesamtvergütung für das Jahr 2013 nicht vor der für das Jahr 2012 vereinbart werden, sondern die Beigeladene wollte die noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen für das bereits ablaufende Jahr zusammen mit den Verhandlungen für das folgende Jahr führen. Dagegen ist unter rechtlichen Gesichtspunkten nichts einzuwenden. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob eine abschließende Entscheidung des Schiedsamts für das Jahr 2013 vor einer Vereinbarung oder Entscheidung für das Jahr 2012 ergehen kann. Darauf kommt es hier indes nicht an, weil das beklagte Landesschiedsamt über die zwischen den Vertragspartnern des Gesamtvertrags noch streitigen Fragen zur Gesamtvergütung für das Jahr 2012 bereits mit Beschluss vom 6.12.2012 und über die Festsetzungen für das Jahr 2013 abschließend erst mit Beschluss vom 19.12.2012 entschieden hat. Auch der Umstand, dass der Beklagte die Veränderungsrate für die Morbiditätsstruktur der Versicherten nach § 87a Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB V für das Jahr 2013 bereits mit Beschluss vom 6.12.2012 auf 2,6931 % festgesetzt hat, begegnet keinen Bedenken, weil auch eine gemeinsame Festsetzung nicht zu beanstanden ist, wenn - wie hier - zu dem Zeitpunkt, zu dem nach den gesetzlichen Vorgaben (vgl § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V)bereits die Vereinbarung für das Folgejahr (2013) zu schließen ist, noch nicht einmal die Vereinbarung für das davor liegende Jahr (2012) zustande gekommen war. Zudem hängt die Veränderungsrate nicht von der Höhe der Gesamtvergütung des Vorjahres ab. Grundlage für die jahresbezogene Änderung der Morbiditätsstruktur sind gemäß § 87a Abs 4 Satz 3 SGB V grundsätzlich die ärztlichen Behandlungsdiagnosen einerseits und demographische Kriterien andererseits. Die entsprechenden Veränderungsraten für das Jahr 2013 sind durch den BewA am 22.10.2012 (DÄ 2012, A 2322 f) beschlossen und den Vertragsparteien mitgeteilt worden, sodass sie bei der Beschlussfassung des Beklagten am 6.12.2012 allen Beteiligten bekannt waren. Unter diesen Umständen ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

33

b) Soweit durch die auf drei Jahre verteilte Anhebung des Behandlungsbedarfs um 12 % Regelungen auch für die Jahre 2014 und 2015 getroffen wurden, ist der Schiedsspruch vom 19.12.2012 bereits deshalb rechtswidrig, weil für diese beiden Jahre noch keine Vertragsverhandlungen geführt worden waren, die hätten scheitern können. Solche Vertragsverhandlungen konnten bei Ergehen der streitgegenständlichen Schiedssprüche Ende des Jahres 2012 auch noch nicht sinnvoll geführt werden. Gemäß § 87a Abs 3 Satz 1 und 2 SGB V ist der Behandlungsbedarf jährlich bis zum 31.10. jeweils für das Folgejahr zu vereinbaren. Die Vereinbarung ist also grundsätzlich jeweils für ein Jahr zu schließen (vgl Rompf in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, § 87a SGB V RdNr 22; zu Ausnahmen für den Fall, dass zu dem genannten Zeitpunkt die Vereinbarung für das vorangegangene Jahr noch nicht zustande gekommen ist, vgl oben 2. a) bb). Damit unterscheidet sich die Regelung zur Vereinbarung des Behandlungsbedarfs zB von Vereinbarungen gemäß § 11 Krankenhausentgeltgesetz die nach Abs 2 Satz 2 der Vorschrift auch für einen in der Zukunft liegenden Zeitraum von mehreren Jahren geschlossen werden können. Weil Grundlage der Vereinbarung des Behandlungsbedarfs die Veränderungen sind, die gegenüber dem Vorjahr bezogen auf die in § 87a Abs 4 Satz 1 Nr 1 bis 5 SGB V genannten Kriterien (Zahl der Versicherten, Morbiditätsstruktur der Versicherten, Art und Umfang der ärztlichen Leistungen, ua) eingetreten sind(vgl dazu im Einzelnen unten c) aa) und weil diese Veränderungen erst im Laufe des Jahres für das Folgejahr ermittelt werden können, sind Vereinbarungen für weitere zukünftige Jahre ausgeschlossen. Zudem sind bei der Vereinbarung Empfehlungen und Vorgaben des BewA zu berücksichtigen, die gemäß § 87a Abs 5 Satz 8 SGB V jeweils bis zum 31.8. eines Jahres vorliegen und dann Grundlage der bis zum 31.10. für das Folgejahr zu schließenden Vereinbarung sind. Somit konnten die Vertragsparteien im Zeitpunkt der Entscheidung des beklagten Landesschiedsamtes im Dezember 2012 noch keine Vereinbarungen treffen, die sich auf den Behandlungsbedarf für die Jahre 2014 und 2015 beziehen. Tatsächlich hatten dazu noch keine Verhandlungen stattgefunden, und auch der an den Beklagten gerichtete Antrag der beigeladenen KÄV bezog sich auf die Festsetzung des Behandlungsbedarfs für das Jahr 2013 und nicht auf weitere Folgejahre. Damit lag die Voraussetzung des § 89 Abs 1 Satz 1 SGB V, nach der das Schiedsamt den Vertragsinhalt festsetzt, wenn ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande kommt, bezogen auf die für die Jahre 2014 und 2015 zu schließenden Verträge zum Zeitpunkt der Entscheidung des Schiedsamtes nicht vor.

34

Dieser Mangel konnte auch nicht in entsprechender Anwendung des § 295 Abs 1 ZPO geheilt werden, weil gemäß § 295 Abs 2 ZPO nur Verfahrensfehler behoben werden können, auf deren Einhaltung die Beteiligten verzichten können (vgl dazu BSGE 51, 58, 60 ff = SozR 2200 § 368h Nr 3 S 4 ff; BSGE 52, 253 = SozR 2200 § 368g Nr 9 S 12). Auf die Einhaltung der og zwingenden gesetzlichen Vorgabe, nach der die Anpassung des Behandlungsbedarfs jeweils für das Folgejahr und damit nicht für weitere künftige Zeiträume vereinbart wird, können die Vertragsparteien gegenüber dem Schiedsamt nicht wirksam verzichten. Die genannten Regelungen betreffen nicht allein das Verfahren vor dem Schiedsamt. Zudem dienen sie - anders als zB Vorschriften zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (vgl BSGE 51, 58, 60 = SozR 2200 § 368h Nr 3 S 3 f)- nicht nur dem Interesse der Vertragsparteien sondern auch dem öffentlichen Interesse.

35

c) Darüber hinaus sind die angefochtenen Schiedssprüche sowohl bezogen auf die Anhebung des Behandlungsbedarfs um 12 % als auch bezogen auf die Anpassung um weitere 2,6931 % für das Jahr 2013 in materieller Hinsicht rechtswidrig.

36

Schiedssprüche nach § 89 SGB V unterliegen - auf Anfechtung der Gesamtvertragsparteien hin - nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle(stRspr; grundlegend: BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11 mwN; vgl ferner: BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, jeweils RdNr 13 mwN; BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5). Die Vertragsgestaltungsfreiheit des Schiedsamtes ist nicht geringer als diejenige der Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlungen erzielten Vereinbarung (zuletzt: BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 73 RdNr 15; vgl auch BSGE 86, 126, 134 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295 mwN). Seine Schiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien auf Interessenausgleich angelegt und haben Kompromisscharakter. Dementsprechend sind sie inhaltlich nur daraufhin zu überprüfen, ob der vom Schiedsamt zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft, ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh insbesondere die zwingenden rechtlichen Vorgaben beachtet hat und ob der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt.

37

aa) Die Überprüfung der Schiedssprüche anhand der aufgezeigten Maßstäbe ergibt, dass das beklagte Landesschiedsamt nicht befugt war, eine Erhöhung des Behandlungsbedarfs für 2013 und die beiden Folgejahre um insgesamt 12 % ohne Bezug zu Veränderungen vorzunehmen, die gegenüber dem Vorjahr eingetreten sind.

38

(1) Gemäß § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V idF des GKV-VStG vom 22.12.2011 (BGBl I 2983), vereinbaren die Partner der Gesamtverträge bis zum 31.10. gemeinsam und einheitlich für das Folgejahr mit Wirkung für die Krankenkassen die von den Krankenkassen mit befreiender Wirkung an die jeweilige KÄV zu zahlende MGV für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Versicherten mit Wohnort im Bezirk der KÄV. Maßgebend für die Höhe der Gesamtvergütung ist gemäß § 87a Abs 3 Satz 2 SGB V - neben dem Punktwert, der gemäß § 87a Abs 2 Satz 1 SGB V auf der Grundlage des Orientierungswertes ermittelt wird - der mit der Zahl und Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundene Behandlungsbedarf, der zwischen den Partnern der Gesamtverträge zu vereinbaren ist.

39

§ 87a Abs 4 SGB V regelt Vorgaben für die Vereinbarung des Behandlungsbedarfs, die für die Vertragspartner - und damit auch das beklagte Landesschiedsamt - verbindlich sind. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind "insbesondere Veränderungen" der in Nr 1 bis 5 bezeichneten Kriterien (Zahl der Versicherten, Morbiditätsstruktur der Versicherten, ua) Grundlage der Vereinbarung über die Anpassung des Behandlungsbedarfs "jeweils aufsetzend auf dem insgesamt für alle Versicherten mit Wohnort im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung für das Vorjahr nach Abs 3 Satz 2 vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf". Dass die "jeweils jahresbezogene Veränderung der Morbiditätsstruktur im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung" maßgebend ist, wird noch einmal in § 87a Abs 4 Satz 3 SGB V betont. Die Regelung geht also nach ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut nicht davon aus, dass der Behandlungsbedarf zwischen den Vertragspartnern jährlich neu zu vereinbaren wäre. Vielmehr ist lediglich eine "Anpassung des Behandlungsbedarfs" zu vereinbaren. Basis dieser Anpassung ("aufsetzend") ist gemäß § 87a Abs 4 Satz 1 SGB V der im Bezirk der KÄV "für das Vorjahr nach Abs 3 Satz 2 vereinbarte" Behandlungsbedarf. Der vereinbarte Behandlungsbedarf gilt nach § 87a Abs 3 Satz 2 letzter Halbsatz SGB V als notwendige medizinische Versorgung iS des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V.

40

(2) Wie sich aus der Rechtsprechung des Senats zur Rechtslage vor der Neufassung des § 87a SGB V durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) ergibt, hat die Anpassung zwingend an die vorjährige Vereinbarung anzuknüpfen. Die Vereinbarung der Gesamtvergütung war bis dahin Gegenstand des § 85 Abs 3 SGB V. Nach der dazu ergangenen ständigen Rechtsprechung des Senats war nach Art einer Vermutung davon auszugehen, dass die Höhe der im Vorjahr vereinbarten oder gesetzlich festgelegten Gesamtvergütung angemessen ist (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 10; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 21; BSGE 20, 73, 84, 86 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO S Aa5 Rücks), dass diese Gesamtvergütung deshalb im darauf folgenden Jahr als maßgeblicher Ausgangspunkt zugrunde zu legen ist und dass bei der neuen Vereinbarung allein die eingetretenen Veränderungen bezogen auf die gesetzlich vorgegebenen Kriterien zu berücksichtigen sind (Prinzip der Vorjahresanknüpfung; grundlegend: BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 21; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 25; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 8 ff). Ausnahmen von diesen Grundsätzen müssen im Gesetz deutlich zum Ausdruck kommen (BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 3 RdNr 26). An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch bezogen auf die hier maßgebende Rechtslage des Jahres 2013 mit der Maßgabe fest, dass die Kriterien, deren Veränderung in der Vereinbarung über die Anpassung des Behandlungsbedarfs zu berücksichtigen sind, seit der Neufassung des § 87a SGB V durch das GKV-WSG nicht mehr abschließend geregelt sind(zu der ehemals geltenden Beschränkung auf die gesetzlich ausdrücklich geregelten Kriterien vgl BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 14; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 9). Dies kommt in der Verwendung des Wortes "insbesondere" in Abs 4 Satz 1 der Vorschrift zum Ausdruck. Im Übrigen hat sich der Gesetzgeber aber jedenfalls bei der Neufassung des § 87a Abs 4 SGB V mit dem GKV-VStG zum 1.1.2012 erkennbar an der zu § 85 Abs 3 SGB V aF ergangenen Rechtsprechung zur Vorjahresanknüpfung orientiert und diesen Grundsatz sogar noch deutlicher als bisher mit der Formulierung zum Ausdruck gebracht, dass die Anpassung des Behandlungsbedarfs "aufsetzend" auf dem "für das Vorjahr nach Abs 3 Satz 2 vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf" zu vereinbaren ist.

41

Durch die mit dem GKV-WSG für die Zeit ab 1.1.2009 eingeführte Orientierung an der Veränderung der Morbiditätsstruktur der Versicherten anstelle der Anknüpfung an die Entwicklung der Grundlohnsumme wird der in der Rechtsprechung zu § 85 Abs 3 SGB V aF entwickelte Grundsatz der Vorjahresanknüpfung nicht in Frage gestellt. Zwar gilt der in § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V verankerte Grundsatz der Beitragssatzstabilität, den der Senat in einen Zusammenhang mit dem Grundsatz der Vorjahresanknüpfung gestellt hat(vgl BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 14; SozR 4-2500 § 85 Nr 72 RdNr 31), seit den Änderungen im vertragsärztlichen Vergütungssystem durch das GKV-WSG für die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen nur noch sehr eingeschränkt, weil der vereinbarte Behandlungsbedarf gemäß § 87a Abs 3 Satz 2 SGB V als notwendige medizinische Versorgung im Sinne dieser Vorschrift gilt. Damit kann einer der Veränderung der Morbiditätsstruktur der Versicherten entsprechenden Anpassung des Behandlungsbedarfs nicht entgegengehalten werden, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität verletzt würde (vgl BT-Drucks 16/3100, S 120, zu Abs 3 Satz 2). Das Prinzip der Vorjahresanknüpfung kann entgegen der Auffassung der Beigeladenen jedoch auch unabhängig von dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität Geltung beanspruchen. Dies hat der Senat bereits in seiner Rechtsprechung zu § 85 Abs 3 SGB V mit der Formulierung zum Ausdruck gebracht, dass das Prinzip der Vorjahresanknüpfung im Grundsatz der Beitragssatzstabilität eine "weitere eigenständige Verankerung" gefunden hat(BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 13; BSG Urteil vom 27.4.2005 - B 6 KA 22/04 R - Juris RdNr 23). Dass die Orientierung am Beitragsaufkommen durch eine Orientierung an der Änderung der Morbidität der Versicherten als dem für die Anpassung der Vergütung wichtigsten Parameter verdrängt worden ist, ändert demnach nichts an der Geltung des Prinzips der Vorjahresanknüpfung. Geändert haben sich lediglich die Kriterien, die bei der Anpassung der Gesamtvergütung - auf der Basis des Vorjahreswertes - zu berücksichtigen sind.

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(3) Entgegen der Auffassung der Beigeladenen können die Worte "insbesondere Veränderungen" in § 87a Abs 4 Satz 1 SGB V nicht in der Weise verstanden werden, dass die Vertragspartner den Behandlungsbedarf zwar insbesondere, jedoch nicht allein nach den eingetretenen Veränderungen neu festzusetzen hätten. Die von der Beigeladenen vertretene Auffassung vernachlässigt den Zusammenhang, in dem die angeführte Wendung steht. Da eine "Anpassung" des Behandlungsbedarfs "aufsetzend" auf dem für das Vorjahr vereinbarten Behandlungsbedarf zu vereinbaren ist, kann das anschließend verwendete Wort "insbesondere" nur auf die nachfolgende Aufzählung (§ 87a Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 5 SGB V)und nicht auf das Wort "Veränderungen" bezogen werden. Es handelt sich also um keine abschließende Aufzählung, sodass die Vertragsparteien neben den ausdrücklich genannten (Zahl der Versicherten, Morbiditätsstruktur der Versicherten, ua) auch andere Faktoren berücksichtigen dürfen, die eine Veränderung des Behandlungsbedarfs bedingen (ebenso Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: 11/2013, K § 87a RdNr 89; Sproll in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand: 84. Ergänzungslieferung 2014, § 87a RdNr 16; Freudenberg in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 87a RdNr 106). Für die Zulässigkeit einer Neubestimmung des Aufsatzwertes unabhängig vom Vorjahr lässt sich demnach aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" nichts herleiten.

43

Etwas Anderes folgt entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch nicht aus einer Entscheidung des Senats vom 21.3.2012 (B 6 KA 21/11 R - BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 34), die nicht die Vereinbarung des Behandlungsbedarfs nach § 87a Abs 4 SGB V zum Gegenstand hatte, sondern ua die Vereinbarung von Zu- oder Abschlägen von den Orientierungswerten gemäß § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V aF. Anders als § 87a Abs 4 Satz 1 SGB V für den Behandlungsbedarf sieht § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V aF für diese Zu- und Abschläge keine Anpassung auf der Basis eines Vorjahreswertes vor, sodass aus der genannten Entscheidung nichts für die hier interessierende Fragestellung hergeleitet werden kann.

44

(4) Der Maßgeblichkeit des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung kann die Beigeladene ferner nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass nach § 87a Abs 4 SGB V an den "vereinbarten und bereinigten" Behandlungsbedarf des Vorjahres anzuknüpfen ist, dass der Behandlungsbedarf des Jahres 2012 jedoch nicht vereinbart und bereinigt, sondern gesetzlich festgelegt worden sei. Zwar trifft es zu, dass der Behandlungsbedarf nach der für die Jahre 2011 und 2012 geltenden Sonderregelung des § 87d Abs 2 Satz 2 SGB V idF des Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz - GKV-FinG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2309) zu ermitteln war, indem der für das Vorjahr vereinbarte, bereinigte Behandlungsbedarf je Versichertem pauschal um 1,25 % erhöht wurde. Gleichwohl war der Behandlungsbedarf gemäß § 87a Abs 3 Satz 2 SGB V idF des GKV-FinG auch für das Jahr 2012 in der äußeren Form einer Vereinbarung festzulegen. Selbst wenn abweichend davon angenommen würde, dass es aufgrund der gesetzlichen Vorgaben im Jahr 2012 keinen vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf gegeben hätte, würde im Übrigen nichts anderes gelten, weil die Vermutung der Angemessenheit der Gesamtvergütung sowie der darauf aufbauende Grundsatz der Vorjahresanknüpfung nach der Rechtsprechung des Senats ebenso gilt, wenn die Höhe der Vergütung im Vorjahr - ganz oder teilweise - gesetzlich festgelegt war (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 10; BSG Urteil vom 14.12.2005 - B 6 KA 25/04 R - Juris RdNr 15). Dies folgt aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit die Angemessenheit der Gesamtvergütung näher bestimmen kann. Seinen Vorgaben kommt sogar ein höherer Rang zu, als der Vereinbarung der Beteiligten. Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass auch eine gesetzlich festgelegte Gesamtvergütung eine geeignete Basis für die Anpassung der Vergütung im Folgejahr bildet.

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(5) Ferner kann § 87a Abs 4 Satz 4 SGB V keine Ausnahme von dem Grundsatz der Vorjahresanknüpfung entnommen werden. Nach dieser Bestimmung können - falls erforderlich - weitere für die ambulante Versorgung relevante Morbiditätskriterien herangezogen werden. Vor der Änderung durch das GKV-VStG enthielt § 87a Abs 5 Satz 3 SGB V eine dem im Wesentlichen entsprechende Regelung, die sich jedoch an den BewA richtete, der bis dahin für die Bestimmung der Veränderung der Morbiditätsstruktur zuständig war. Im Zuge der Regionalisierung der vertragsärztlichen Vergütung durch das GKV-VStG ist auch die Möglichkeit zur Berücksichtigung weiterer Morbiditätskriterien auf die Landesebene übertragen worden (vgl BT-Drucks 17/6906, S 64). Dadurch hat sich jedoch nichts daran geändert, dass es allein um Kriterien für die Bemessung der Veränderung des Behandlungsbedarfs im Vergleich zum Vorjahr geht.

46

Mit ihrer davon abweichenden Auffassung übersieht die Beigeladene den unmittelbaren Zusammenhang des Satzes 4 mit dem vorangehenden Satz 3. § 87a Abs 4 Satz 3 SGB V stellt anknüpfend an Satz 1 Nr 2 klar, dass "die jeweils jahresbezogene Veränderung" der Morbiditätsstruktur der Versicherten zu vereinbaren und damit gerade keine Neubestimmung vorzunehmen ist. Grundlage der jahresbezogen zu vereinbarenden Veränderung der Morbiditätsstruktur sind nach dieser Vorschrift zwei vom BewA mitzuteilende Veränderungsraten, von denen die eine vertragsärztliche Behandlungsdiagnosen berücksichtigt und die andere demographische Kriterien. In Anwendung dieser Regelung würde sich der Spielraum der Vertragspartner bezogen auf die Vereinbarung der Veränderung der Morbiditätsstruktur der Versicherten auf die zusammenfassende Gewichtung der beiden mitgeteilten Veränderungsraten beschränken (zu den an die zusammenfassende Gewichtung zu stellenden Anforderungen vgl nachfolgend bb). § 87a Abs 4 Satz 4 SGB V erweitert vor diesem Hintergrund den Verhandlungsspielraum der Vertragspartner und damit auch des Schiedsamtes, indem er "falls erforderlich" die Heranziehung weiterer "relevanter" Morbiditätskriterien zulässt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass auch diese weiteren Kriterien lediglich in die nach § 87a Abs 4 Satz 1 Nr 2, Satz 3 SGB V zu vereinbarende Änderung des Behandlungsbedarfs einfließen und nicht zur Grundlage einer Neubestimmung gemacht werden können. Damit übereinstimmend wird in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/6906, S 64) ausgeführt, dass Satz 4 den Vertragspartnern die Möglichkeit gebe, weitere "für die Vereinbarung der Veränderung des ambulanten Behandlungsbedarfs" relevante Morbiditätskriterien zu berücksichtigen.

47

Danach darf der Beklagte bei seiner erneuten Entscheidung als weitere "relevante" Morbiditätskriterien nur solche Kriterien berücksichtigen, die Auskunft über die Veränderung der Morbidität der Versicherten im Bezirk der KÄV Sachsen-Anhalt gegenüber dem Vorjahr geben und auf deren Grundlage sich ein Bezug zum Behandlungsbedarf - bezogen auf die ambulante vertragsärztliche Versorgung - herstellen lässt. Die Anpassung an höhere Gesamtvergütungen in anderen Bundesländern oder im Bundesdurchschnitt oder an die Höhe der Zuweisungen aus dem RSA scheiden deshalb als zulässige Kriterien für eine Anpassung des Behandlungsbedarfs aus. Aus der Formulierung in Satz 4, nach der "weitere" Kriterien herangezogen werden können, folgt ferner, dass diese nur neben den Kriterien, deren Berücksichtigung Satz 3 verbindlich vorschreibt, in die vorzunehmende gewichtete Zusammenfassung einbezogen werden können. Wegen der an die zusammenfassende Gewichtung zu stellenden Anforderungen wird auf die nachfolgenden Darlegungen unter bb) verwiesen. Eine Addition der nach Satz 4 auf der Grundlage weiterer relevanter Morbiditätskriterien ermittelter Veränderungsraten ist demnach ebenso wenig zulässig wie die Addition der beiden nach Satz 3 vom BewA mitgeteilten Raten (zu den beiden nach Satz 3 durch den BewA mitgeteilten Raten vgl BT-Drucks 17/6906, S 63).

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(6) Entgegen der Auffassung der Beigeladenen lässt sich ein Zusammenhang zwischen dem nach § 87a Abs 4 SGB V zu vereinbarenden Behandlungsbedarf und den Regelungen zum RSA nicht in der Weise herstellen, dass der Behandlungsbedarf unabhängig von einer Anknüpfung an das Vorjahr neu zu definieren wäre. Wie der Senat bereits in einer Entscheidung vom 16.7.2003 (B 6 KA 29/02 R - BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 17) dargelegt hat, handelt es sich bei den Bestimmungen zur Veränderung der Gesamtvergütung und denen zum RSA nach §§ 266 ff SGB V um unterschiedliche Regelungskomplexe, die selbstständig nebeneinander stehen. Daran hat sich im Grundsatz weder durch die Änderungen der Vorschriften zur ärztlichen Vergütung noch durch die stärker morbiditätsorientierte Umgestaltung des RSA mit dem Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10.12.2001 (BGBl I 3465) und dem GKV-WSG etwas geändert.

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Zwar stellt § 87a Abs 5 Satz 3 SGB V idF des GKV-WSG insofern eine Verbindung zum RSA her, als nur solche "weiteren" Morbiditätskriterien für die Bestimmung einer Veränderung des Behandlungsbedarfs herangezogen werden durften, die mit den im jeweils geltenden RSA verwendeten Morbiditätskriterien vereinbar waren. Die im Jahr 2013 geltende Nachfolgeregelung des § 87a Abs 4 Satz 4 SGB V idF des GKV-VStG enthält diese Beschränkung jedoch nicht mehr, weil der Gesetzgeber darin eine Überregulierung gesehen hat(vgl BT-Drucks 17/6906, S 64). Damit wird die Heranziehung der im RSA verwendeten Morbiditätskriterien, nicht unzulässig (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: 11/2013, K § 87a RdNr 102). Ausschlaggebend ist im vorliegenden Zusammenhang allerdings, dass § 87a Abs 4 SGB V keine Neubestimmung des Behandlungsbedarfs in Anwendung von Regelungen zum RSA vorsieht und dass - wie oben dargelegt - auch bei der Heranziehung "weiterer" Morbiditätskriterien nach § 87a Abs 4 Satz 4 SGB V allein Anpassungen auf der Grundlage der für das Vorjahr getroffenen Vereinbarungen zulässig sind. Im Gegensatz dazu werden beim RSA die den Zuweisungen (§ 266 SGB V) aus dem Gesundheitsfonds (§ 271 SGB V) zugrunde liegenden Werte für jedes Jahr neu ermittelt (für die standardisierten Leistungsausgaben und die auf dieser Grundlage ermittelten Zuweisungen an die Krankenkassen vgl ua § 266 Abs 2 Satz 2, Abs 5 Satz 2, Abs 6 SGB V, § 268 Abs 1 und 2 SGB V, §§ 35 ff Verordnung über das Verfahren zum Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung - RSAV). Der RSA verfolgt zudem eine grundsätzlich andere Zielrichtung als die Anpassung der Gesamtvergütung. Zutreffend weisen die Kläger darauf hin, dass mit dem RSA allein über die Verteilung von Mitteln und nicht über deren absolute Höhe entschieden wird, während die Erhöhung des Behandlungsbedarfs Auswirkungen auf die Höhe der Gesamtvergütung im jeweiligen KÄV-Bezirk hat. Eine Umverteilung in der Weise, dass gleichzeitig die Gesamtvergütung in KÄV-Bezirken mit niedrigerer Morbidität gesenkt würde, findet nicht statt. Für eine Einschränkung des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung bei der Vereinbarung des Behandlungsbedarfs nach § 87a Abs 3 Satz 2, Abs 4 SGB V mit Blick auf die davon abweichenden Regelungen zum RSA gibt es danach keine Grundlage. Damit kann die im angefochtenen Schiedsspruch festgelegte Erhöhung des Behandlungsbedarfs um 12 %, die in keinem Zusammenhang mit Änderungen des Behandlungsbedarfs gegenüber dem Vorjahr steht, auch nicht unter Hinweis auf Regelungen zum RSA gerechtfertigt werden.

50

(7) Gegen die Zulässigkeit einer Erhöhung der Basis, auf deren Grundlage die Anpassung des Behandlungsbedarfs vorzunehmen ist, sprechen im Übrigen systematische Gesichtspunkte: Die Anpassung des Behandlungsbedarfs und die dabei zu beachtenden Kriterien werden in § 87a Abs 4 SGB V detailliert geregelt. Außerdem sind gemäß § 87a Abs 4 Satz 1 letzter Teilsatz SGB V die Empfehlungen und Vorgaben des BewA nach § 87a Abs 5 SGB V zu berücksichtigen. Dagegen existiert für das Jahr 2013 keine Regelung, die eine Neubestimmung des Behandlungsbedarfs auf der Grundlage von Daten zur Morbidität zum Inhalt hat. Auch eine Angleichung unterschiedlich hoher Gesamtvergütungen in unterschiedlichen KÄV-Bezirken ist nicht Gegenstand einer das Jahr 2013 betreffenden gesetzlichen Bestimmung. Der von der Beigeladenen erhobene Einwand, dass die Basis keineswegs vollständig frei vereinbart worden sei, sondern dass lediglich der tatsächlich bestehenden, bisher nicht berücksichtigten Morbidität Rechnung getragen werde, überzeugt nicht. Ausschlaggebend ist, dass keine gesetzliche Regelung zur Ermittlung einer solchen "morbiditätsgerechten" Basis existiert. Die Vertragspartner würden also keinen gesetzlichen Beschränkungen bei Vereinbarung des Behandlungsbedarfs unterliegen, wenn sie tatsächlich berechtigt wären, diesen neu zu definieren. Die detaillierten Regelungen zur Anpassung des Behandlungsbedarfs in § 87a Abs 4, Abs 5 SGB V würden damit ihren Sinn verlieren.

51

(8) Die an Wortlaut und Systematik orientierte Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt: Bereits das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) sah vor, dass sich die Gesamtvergütung ab dem Jahr 2007 an der Morbidität der Versicherten orientieren sollte. Ziel war es bereits damals, das finanzielle Risiko einer morbiditätsbedingten Mengenausweitung der abgerechneten ärztlichen Leistungen von den Ärzten auf die Krankenkassen zu verlagern (BT-Drucks 15/1525, S 102, zu §§ 85a bis 85d). Dazu sollte der BewA bis zum 30.6.2005 nicht nur gemäß § 85a Abs 5 Satz 1 Nr 3 SGB V aF ein Verfahren "zur Bestimmung von Veränderungen der Morbiditätsstruktur", sondern gemäß § 85a Abs 5 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB V auch ein Verfahren "zur Bestimmung der Morbiditätsstruktur und des damit verbundenen Behandlungsbedarfs" sowie zur Aufteilung dieses Behandlungsbedarfs auf die Versichertengruppen beschließen. Auf dieser Grundlage sollten die Gesamtvertragspartner nach § 85a Abs 2 Satz 2 Nr 1 und Nr 2 SGB V die entsprechenden Vereinbarungen treffen. Diese Regelungen wurden jedoch nicht umgesetzt, weil die erforderlichen Beschlüsse des BewA nicht zustande kamen. Der Gesetzgeber reagierte darauf mit einer Neufassung des § 87a SGB V durch das GKV-WSG(vgl BT-Drucks 16/3100, S 118 f), die keinen Auftrag an den BewA "zur Bestimmung der Morbiditätsstruktur und des damit verbundenen Behandlungsbedarfs" mehr vorsah. Statt dessen bestimmte § 87c Abs 4 SGB V im Grundsatz die im Jahr 2008 tatsächlich erbrachten Leistungen zur Grundlage der erstmaligen Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung für das Jahr 2009. Nach § 87a Abs 5 Satz 1 Nr 2 SGB V hatte der BewA nur noch das Verfahren zur Bestimmung von Veränderungen der Morbiditätsstruktur zu beschließen. Daran hat sich durch die Neufassung mit dem GKV-VStG nur insofern etwas geändert, als die Veränderung des Behandlungsbedarfs seitdem nicht mehr unmittelbar durch den BewA zu bestimmen, sondern nach § 87a Abs 4 Satz 1 letzter Teilsatz SGB V durch die Gesamtvertragspartner unter Beachtung von Empfehlungen und Vorgaben des BewA nach Abs 5 zu vereinbaren ist.

52

Diese Entwicklung zeigt, dass die Orientierung an der Veränderung des Beitragsaufkommens nicht ersatzlos aufgegeben, sondern nur zugunsten einer Orientierung an der Veränderung der Morbidität eingeschränkt werden sollte (vgl Knieps/Leber, VSSR 2008, 177, 181, 185). Die Geltung des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung wurde dabei vorausgesetzt. Dies folgt auch aus dem Umstand, dass die - nicht umgesetzten - Ansätze zur Neubestimmung des Behandlungsbedarfs aus dem GMG nicht weiterverfolgt und statt dessen die zum 1.1.2009 eingeführte MGV auf der Basis des Jahres 2008 festgesetzt wurden. An der Fortgeltung des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung hat sich auch bis in das Jahr 2013 nichts geändert. Dass die Regionalisierung des Vergütungsgeschehens mit dem GKV-VStG zum 1.1.2012 keine Einschränkung des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung bewirken sollte, wird ua daran deutlich, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers aufgrund dieser Änderung nicht mit Mehrausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung zu rechnen war (BT-Drucks 17/6906, S 5). Die Kosten, die durch eine Anhebung niedrigerer Gesamtvergütungen auf den Bundesdurchschnittswert entstehen würden, wurden dagegen von der Bundesregierung auf mindestens 500 Mio Euro geschätzt (vgl die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 17/7735, S 4).

53

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen kann weder aus den Übergangsregelungen, die mit dem GKV-WSG in § 87c Abs 4 SGB V für die Jahre 2009 und 2010 getroffen worden sind, noch aus der pauschalen Anhebung um 1,25 % nach § 87d Abs 2 Satz 2 SGB V idF des GKV-FinG für die Jahre 2011 und 2012 auf eine Einschränkung des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung für das Jahr 2013 geschlossen werden. Der Gesetzgeber hat mit dem GKV-FinG lediglich Vorgaben zur Höhe der Anpassung des Behandlungsbedarfs gemacht, ohne damit die Anknüpfung an das Vorjahr in Frage zu stellen. Genauso wie der Gesetzgeber grundsätzlich entscheiden kann, ob sich die Änderung der Gesamtvergütung, die wiederum Grundlage der Anpassung im Folgejahr wird, an der Entwicklung der Beitragseinnahmen oder an der Entwicklung der Morbidität der Versicherten orientieren soll, so kann er Vorgaben für die morbiditätsbedingte Anpassung der Vergütung regeln, die die Partner der Gesamtverträge zu beachten haben. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, werden die verfassungsrechtlichen Grenzen dieser Gestaltungsfreiheit grundsätzlich erst überschritten, wenn in einem - fachlichen oder örtlichen - Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden (vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 140 mwN; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 22). Anhaltspunkte dafür sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

54

Ferner kommt es nicht darauf an, ob die gesetzlichen Vorgaben für die Anpassung des Behandlungsbedarfs in den Jahren von 2009 bis 2012 - wie die Beigeladene zum Ausdruck bringt - eine hinter der tatsächlichen Morbiditätsentwicklung zurückbleibende Erhöhung der Gesamtvergütung zur Folge hatten oder ob - entsprechend der Auffassung der Kläger - eine die Morbiditätsentwicklung überschreitende Anpassung stattgefunden hat. Die Vergütung des Vorjahres ist als Basis für die Anpassung ganz unabhängig von deren Bewertung durch die Partner des Gesamtvertrages zugrunde zu legen. Maßgebend für die Anpassung des Behandlungsbedarfs können nach den gesetzlichen Vorgaben - wie oben dargelegt - nur die seitdem eingetretenen Veränderungen sein.

55

Die Entstehungsgeschichte des § 87a SGB V idF des GKV-VStG bestätigt ferner, dass die Angleichung der Gesamtvergütung an die anderer KÄV-Bezirke oder an einen bundesweiten Durchschnitt kein zulässiges Kriterium für eine Anpassung des Behandlungsbedarfs nach § 87a Abs 4 SGB V ist. Das Ziel der Angleichung der Gesamtvergütungen vor dem Hintergrund unterschiedlichen Strukturen und Ausgangsbedingungen in den alten und den neuen Bundesländern war bereits Gegenstand des Einigungsvertrages und nachfolgend verschiedener Gesetzesänderungen (vgl dazu bereits BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 26). Auch bei der erstmaligen Bestimmung einer MGV für das Jahr 2009 hat der Erweiterte Bewertungsausschuss für die vertragsärztliche Versorgung (EBewA) Spielräume im Interesse einer Angleichung der Gesamtvergütungen in den verschiedenen KÄV-Bezirken - nicht nur bezogen auf Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern - in rechtmäßiger Weise genutzt (vgl im Einzelnen BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 38 ff; BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 5 RdNr 21 ff). Schließlich hat der Gesetzgeber mit § 87d Abs 2 Satz 4 SGB V idF des GKV-FinG Vorgaben für eine asymetrische Anpassung der Gesamtvergütung mit dem Ziel einer gerechteren Verteilung zwischen den KÄV-Bezirken für das Jahr 2011 geregelt, die gemäß § 87d Abs 2 Satz 7 SGB V vom BewA umzusetzen waren(vgl dazu die Beschlüsse des EBewA vom 5./11.10.2010, DÄ 2010, A 2193 f, vom 24.11.2010, DÄ 2010, A 2576 und DÄ 2010, A 2587 ff) und dem BewA zudem in einem neuen § 87 Abs 9 SGB V aufgegeben, vor dem Hintergrund einer geplanten Überprüfung und Korrektur der gesamten Honorarreform(vgl BT-Drucks 17/3040, S 24, zu § 87 Nr 7) bis zum 30.4.2011 ein Konzept für eine schrittweise Konvergenz der Vergütungen vorzulegen. Mit dem GKV-VStG sind die genannten Regelungen zur asymetrischen Anpassung der Gesamtvergütung jedoch nicht fortgeführt worden. Vielmehr hat der Gesetzgeber den Umstand, dass § 87 Abs 9 SGB V idF des GKV-FinG nicht fristgerecht umgesetzt wurde, weil im BewA keine Einigung über ein Konzept zur schrittweisen Konvergenz erzielt werden konnte, zum Anlass genommen, diese Vorschrift ersatzlos zu streichen. Unter diesen Umständen kann das Fehlen von Regelungen zur Konvergenz im GKV-VStG nur als Ausdruck einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine weitere systematische Angleichung der Gesamtvergütungen für die Zeit ab 2012 angesehen werden. Dass dem Entwurf eines GKV-VStG nicht das Konzept einer Anpassung der Gesamtvergütungen auf der Basis bundesdurchschnittlicher Normwerte zugrunde liegt und dass aufgrund der Regionalisierung der Vergütungsregelungen regionale Unterschiede nicht ausgeschlossen werden können, wird auch in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hervorgehoben (BT-Drucks 17/7735, S 2). Danach kann es zwar unter Geltung des § 87a Abs 4 SGB V idF des GKV-VStG in den verschiedenen KÄV-Bezirken in Abhängigkeit von den Verhandlungsergebnissen zu einer Annäherung der Höhe der Gesamtvergütung je Versichertem kommen. Es gibt jedoch keine gesetzlichen Regelungen mehr, die auf eine solche Angleichung zielen würden, und eine Angleichung der Gesamtvergütungen in unterschiedlichen KÄV-Bezirken ist - wie oben dargelegt - nach dem Wortlaut der Regelung auch kein zulässiges Kriterium für eine Anhebung des vereinbarten Behandlungsbedarfs in einem KÄV-Bezirk oder für eine Absenkung des Behandlungsbedarfs in einem anderen.

56

(9) Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit diesem Konzept bezogen auf den hier maßgebenden Zeitraum (Jahr 2013) seinen Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte, sind nicht ersichtlich und auch von den Beteiligten nicht geltend gemacht worden (zu den Maßstäben vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 27). Ob eine weitere Angleichung unterschiedlich hoher Gesamtvergütungen im Bundesgebiet sinnvoll ist (vgl das im Verfahren vor dem LSG eingeführte, im Auftrag der Beigeladenen erstattete Gutachten der Prof D, ua, Möglichkeiten und Notwendigkeit der Morbiditätsmessung im Rahmen der vertragsärztlichen Vergütung unter besonderer Berücksichtigung des Klassifikationsmodells des Bewertungsausschusses, September 2013) oder ob die "Ist-Leistungsmenge" des Jahres 2012 als Anknüpfungspunkt für die Fortschreibung in das Jahr 2013 besser geeignet ist, sind gesundheitspolitische Fragen, deren Beantwortung dem Gesetzgeber im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums obliegt. Dass dazu unterschiedliche Positionen vertreten werden können, wird ua daran deutlich, dass einerseits die Gesamtvergütung des Jahres 2011 je Versichertem nach den Angaben der Beigeladenen mit 323 Euro in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu 342 Euro im Bundesgebiet unterdurchschnittlich war, dass jedoch andererseits nach den Darlegungen der Kläger die Vergütung je Arzt in Sachsen-Anhalt im hausärztlichen Versorgungsbereich über dem Bundesdurchschnitt lag (vgl dazu auch Ärztezeitung vom 23.7.2014, S 5 unter Hinweis auf das im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes durch das IGES Institut erstattete Gutachten "Zur Frage der Sachgerechtigkeit einer Basisanpassung der regionalen Gesamtvergütungen " vom 23.6.2014). Die Vergleichbarkeit der Gesamtvergütung je Versichertem würde zudem voraussetzen, dass vergleichbare Strukturen ua bezogen auf den Anteil stationärer und ambulanter Behandlungen in den unterschiedlichen KÄV-Bezirken bestehen. Daran haben die Kläger mit Blick auf fortbestehende Unterschiede ua zwischen den alten und den neuen Bundesländern Zweifel geäußert, die unter Berücksichtigung der ganz unterschiedlichen Ausgangsbedingungen nach der Wiedervereinigung jedenfalls nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen sind. Zudem hat der Anteil der Leistungen, die auf der Grundlage von Selektivverträgen erbracht werden, Einfluss auf die Höhe der Gesamtvergütung. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Vereinbarung eines höheren Behandlungsbedarfs und die dadurch bedingte Erhöhung der Gesamtvergütung in einem KÄV-Bezirk zwar zu einer Erhöhung der ärztlichen Vergütung, aber nicht unmittelbar zu einem verbesserten Versorgungsangebot führt, das diesem höheren Behandlungsbedarf Rechnung trägt. Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber zunächst die Auswirkungen der Neugestaltungen der Vergütungsregelungen mit dem GKV-VStG insbesondere in Gestalt der Regionalisierung beobachtet. Nach dem Inhalt des am 16.12.2013 unterzeichneten Koalitionsvertrags der Regierungsparteien soll in der 18. Legislaturperiode geprüft werden, "ob sich die Unterschiede in der ärztlichen Vergütung durch Besonderheiten in der Versorgungs- und Kostenstruktur begründen lassen und wie unbegründete Unterschiede aufgehoben werden können".

57

bb) Im Ergebnis folgt der Senat der Auffassung des LSG auch dahingehend, dass die weitere Erhöhung des Behandlungsbedarfs für das Jahr 2013 in Höhe der Veränderungsrate von 2,6931 % nicht rechtmäßig war.

58

Gemäß § 87a Abs 4 Satz 3 SGB V ist die jeweils jahresbezogene Veränderung der Morbiditätsstruktur im Bezirk einer KÄV auf der Grundlage der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen gemäß § 295 Abs 1 Satz 2 SGB V einerseits sowie auf der Grundlage demographischer Kriterien (Alter und Geschlecht) andererseits durch eine gewichtete Zusammenfassung der vom BewA als Empfehlungen nach § 87a Abs 5 Satz 2 bis 4 SGB V mitgeteilten Raten zu vereinbaren. Der BewA hat mit Beschluss vom 22.10.2012 (DÄ 2012, A 2322) die Veränderungsrate auf der Grundlage der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen für den Bezirk der Beigeladenen auf 2,6931 % und die Veränderungsrate auf der Grundlage demographischer Kriterien auf 0,7247 % festgelegt.

59

Der Beklagte hat diese Vorgaben in der Weise umgesetzt, dass er der Anpassung allein den höheren der beiden Werte zugrunde gelegt hat. Dabei handelt es sich nicht um das Ergebnis der gesetzlich geforderten "gewichteten Zusammenfassung". Eine Zusammenfassung setzt nach dem Wortsinn voraus, dass beide Werte in die Veränderungsrate einfließen. Die vollständige Übernahme einer der beiden zu berücksichtigenden Komponenten stellt demnach keine "Zusammenfassung" mehr dar. Bereits aus diesem Grunde ist die Festsetzung der Veränderungsrate in Höhe des auf der Grundlage der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen ermittelten Wertes nicht mit § 87a Abs 4 Satz 3 SGB V vereinbar und damit rechtswidrig.

60

Bei der Antwort auf die Frage, welche Anforderungen an die vorzunehmende Zusammenfassung zu stellen sind, ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Absicht hatte, den Partnern des Gesamtvertrages eine höhere Flexibilität und Kompetenz als unter Geltung der Vorgängerregelung des § 87a Abs 5 Satz 1 Nr 2, Satz 2 SGB V idF des GKV-WSG einzuräumen, nach der der BewA das Verfahren zur Bestimmung von Veränderungen der Morbiditätsstruktur zu beschließen hatte(vgl BT-Drucks 17/6906, S 63, zu § 87a Abs 4 Satz 3). Dies spricht dafür, den Vertragspartnern oder dem an ihrer Stelle entscheidenden Schiedsamt einen erheblichen Gestaltungsspielraum bei der Bewertung der beiden nach § 87a Abs 4 Satz 3 SGB V vorgegebenen Kriterien - und ggf nach § 87a Abs 4 Satz 4 SGB V herangezogener weiterer relevanter Morbiditätskriterien(aa 5) - einzuräumen. Hohe Anforderungen an die Begründung der Abwägungsentscheidung können grundsätzlich nicht gestellt werden. Die Gründe für das Entscheidungsergebnis müssen aber wenigstens andeutungsweise erkennbar sein (BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 3 RdNr 18; s auch Wenner in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 89 RdNr 24). Dies setzt voraus, dass tragfähige Tatsachenfeststellungen getroffen werden, auf deren Grundlage die Abwägung vorgenommen wurde. Anderenfalls wäre eine Art 19 Abs 4 GG entsprechende gerichtliche Überprüfung, ob das Schiedsamt seinen Beurteilungsspielraum eingehalten hat, nicht möglich (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 21).

61

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe erweist sich der angefochtene Schiedsspruch auch deshalb als rechtswidrig, weil keine tragfähigen Gründe für die vorgenommene Bewertung angegeben werden. Nach § 87a Abs 4 Satz 3 SGB V dient die gewichtete Zusammenfassung der beiden vom BewA mitgeteilten Werte der Festlegung der jahresbezogenen Veränderung der Morbiditätsstruktur im Bezirk der KÄV. Danach geht es allein um Veränderungen, die gegenüber dem Vorjahr eingetreten sind (vgl oben 2. c) aa). Aus diesem Grund kommen als sachgerechte Kriterien für die vorzunehmende Abwägung insbesondere Gesichtspunkte in Betracht, die sich auf die Aussagekraft der beiden Werte gerade für die gegenüber dem Vorjahr eingetretene Veränderung beziehen. Abweichend davon hat der Beklagte die Zugrundelegung des höheren der beiden Werte mit einer hohen Morbidität der Versicherten in Sachsen-Anhalt und einer vergleichsweise niedrigen Gesamtvergütung begründet. Für beide Faktoren wird ein Bezug zu Veränderungen gegenüber dem Vorjahr nicht hergestellt. Daher sind die mitgeteilten Gründe auch nicht geeignet, die vorzunehmende Abwägung zwischen den zu berücksichtigenden Veränderungsraten sachgerecht zu begründen. Soweit die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung eine aus ihrer Sicht besonders hohe Aussagekraft der Behandlungsdiagnosen zur Bemessung der gegenüber dem Vorjahr eingetretenen Veränderungen gerade im Bundesland Sachsen-Anhalt geltend macht, wäre dieser Gesichtspunkt zwar grundsätzlich geeignet, eine höhere Bewertung der Behandlungsdiagnosen im Vergleich zu demographischen Kriterien zu begründen. Allerdings finden sich dazu keine Ausführungen in den angefochtenen Schiedssprüchen, sodass nicht erkennbar ist, dass diese Frage tatsächlich in die Beurteilung durch den Beklagten eingeflossen ist. Im Übrigen wäre Voraussetzung, dass sich der Beklagte mit der Annahme, nach der die ärztlichen Behandlungsdiagnosen die Veränderung der Morbidität besser abbilden als die demographischen Kriterien, auf eine tragfähige Grundlage beziehen kann.

62

Der Senat geht davon aus, dass die Umsetzung dieser Anforderungen in der Praxis besonders deshalb auf Schwierigkeiten stößt, weil sachgerechte Kriterien für die vorzunehmende Gewichtung nur schwer zu finden sind. Mit Beschluss des EBewA vom 2.9.2009 (DÄ 2009, A 1907, A 1910, zu Teil B 2.3.3), waren der bundeseinheitlichen Veränderungsrate für das Jahr 2010 zu 61 % die Veränderungen des Behandlungsbedarfs und zu 39 % die Veränderung demographischer Daten (Alter, Geschlecht) zugrunde gelegt worden. Bei der Anpassung des Behandlungsbedarfs für die Jahre 2010 und 2011 nach § 87d Abs 4 SGB V idF des GKV-FinG hat der Gesetzgeber die Diagnosen und die Demographie dagegen jeweils hälftig gewichtet und davon noch einen Abschlag vorgenommen(Ursprünglich war eine Halbierung des auf der Grundlage von Diagnosen und Demographie ermittelten Durchschnittswerts auf 0,75 % vorgesehen, vgl BT-Drucks 17/3040, S 24; im Gesetzgebungsverfahren wurde der Satz auf 1,25 % erhöht, vgl BT-Drucks 17/3696, S 46). Zur Begründung der Mittelung mit Abschlägen wird in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/3040, S 24) darauf hingewiesen, dass die Qualität der Diagnosedokumentation in den vertragsärztlichen Abrechnungen "noch verbesserungsfähig" sei. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass einheitliche verbindliche Vorgaben für die Diagnosedokumentation in Form der Kodierrichtlinien nicht, wie gesetzlich vorgesehen (vgl § 295 Abs 3 Satz 2 SGB V idF des GKV-WSG), bis zum 30.6.2009 vereinbart worden seien, sondern erst zum 1.1.2011 eingeführt würden. Tatsächlich wurden jedoch für die ambulante vertragsärztliche Versorgung auch weiterhin keine Kodierrichtlinien als verbindliche Vorgabe vereinbart. Vielmehr wurde die entsprechende gesetzliche Grundlage in § 295 Abs 3 Satz 2 SGB V mit dem GKV-VStG gestrichen. Gleichzeitig wurden die demographischen Kriterien (Alter und Geschlecht) gleichberechtigt neben den vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen als Faktoren, die bei der Vereinbarung des Behandlungsbedarfs zu berücksichtigen sind, in § 87a Abs 4 SGB V aufgenommen. Die Qualität einer Kodierung, die ohne die detaillierten und verbindlichen Vorgaben einer Kodierrichtlinie durchgeführt wird, ist umstritten (zur Position der Krankenkassen vgl Staffeldt, G+S 2011, 34, 37, sowie die im Auftrag des GKV-Spitzenverbands in Kooperation mit der BARMER GEK von der IGES Institut GmbH herausgegebene Studie "Bewertung der Kodierqualität von vertragsärztlichen Diagnosen" vom 3.12.2012), sodass die Veränderung des Behandlungsbedarfs auf dieser Grundlage zumindest konfliktträchtig ist. Andererseits hat der Gesetzgeber mit dem GKV-VStG trotz fehlender Kodierrichtlinien daran festgehalten, dass die ärztlichen Behandlungsdiagnosen neben demographischen Faktoren in die Vereinbarung nach § 87a Abs 4 Satz 3 SGB V einfließen. Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass entsprechend der gesetzgeberischen Wertung, die der Anpassung mit dem GKV-FinG für die Jahre 2011 und 2012 zugrunde lag, für den Regelfall weiterhin von einer hälftigen Gewichtung beider Faktoren ausgegangen werden kann. Für einen Abschlag von dem so ermittelten Wert gibt es allerdings nach Auslaufen der Übergangsregelung des § 87d Abs 2 SGB V idF des GKV-FinG keine Grundlage mehr. Eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende "zusammenfassende Gewichtung" erfolgt danach, wenn die Veränderungsrate so festgesetzt wird, dass sie von der niedrigeren Rate (hier: Demographie) gleich weit entfernt ist wie von der höheren Rate (hier: Diagnosen). Soweit die Veränderungsrate durch das Schiedsamt in dieser Weise festgesetzt wird, erübrigen sich nähere Ausführungen zu den Tatsachengrundlagen und der auf dieser Basis vorgenommenen Bewertung. Von dieser Mittelung der beiden Raten abweichende Festsetzungen sind zulässig, müssen dann aber nachvollziehbar und unter Angabe der berücksichtigten Tatsachen begründet werden.

63

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Kostenpflicht der Beigeladenen als erfolglose Rechtsmittelführerin beruht auf § 154 Abs 2 VwGO. Diese Regelung ist im Falle eines erfolglosen Rechtsmittels die allein maßgebliche Kostenvorschrift. Dementsprechend ist in einem solchen Fall kein Raum für eine Kostenpflicht auch des Beklagten, der selbst kein Rechtsmittel eingelegt hat, unabhängig davon, ob sein Bescheid aufgehoben wird. In einer solchen Konstellation ist der unterlegene Hauptbeteiligte (Beklagte), der keinen Antrag gestellt hat, vielmehr sogar grundsätzlich kostenerstattungsberechtigt (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 24 RdNr 25, mwN).

(1) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muß ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden.

(2) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. April 2012 geändert. Es wird festgestellt, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vereinbar ist. Insoweit sind die Beteiligten verpflichtet, den Vertrag zu ändern.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 9/10 und die Beklagten tragen 1/10 der Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen einen Schiedsspruch, mit dem der Inhalt eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV) nach § 73b SGB V zwischen ihr und den beiden beklagten Hausarztverbänden festgelegt worden ist.

2

Nachdem sich Klägerin und Beklagte nicht über den Abschluss eines Vertrages zur HzV einigen konnten, beantragten die Beklagten die Einleitung des Schiedsverfahrens. Die Schiedsperson wurde durch das Bundesversicherungsamt (BVA) bestimmt, nachdem auch dazu keine Einigung erzielt werden konnte. Gegen den Bescheid des BVA zur Bestimmung der Schiedsperson wandte sich die Klägerin mit der Klage und beantragte zugleich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Diesen Antrag wies das SG zurück. Die dagegen eingelegten Beschwerden nahm die Klägerin zurück, nachdem der Schiedsspruch ergangen war.

3

Mit einem weiteren Eilverfahren wandte sich die Klägerin erfolglos gegen die Festsetzung eines Verhandlungstermins durch die Schiedsperson. An der anberaumten mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin nicht teil. Zu dem von den Beklagten vorgelegten Vertragsangebot nahm die Klägerin mit insgesamt 68 Einzelanträgen Stellung.

4

Mit Schiedsspruch vom 9.9.2010 setzte die Schiedsperson den Inhalt des Vertrages zur HzV mit Wirkung zum 15.9.2010 fest und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Beklagten erfüllten die Voraussetzung, nach der sie mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Baden-Württemberg vertreten müssten. Die gesetzliche Regelung könne nicht in dem Sinne verstanden werden, dass eine rechtsgeschäftliche Vertretung im Sinne des § 164 Abs 1 BGB erforderlich sei. Vielmehr sei mit der Formulierung des "Vertretens" gemeint, dass die Gemeinschaften eine gewisse soziale Mächtigkeit haben müssten, damit eine flächendeckende Versorgung mit Hausarztverträgen wahrscheinlich sichergestellt werden könne. Da mehr als die Hälfte der Allgemeinärzte Mitglied der beiden beklagten Verbände seien, seien die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Selbst wenn nicht auf dieses Verständnis des "Vertretens" abgestellt würde, seien die Voraussetzungen erfüllt, weil mehr als die Hälfte der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte die Beklagten zu 1. und 2. mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hätten. Die Schiedsperson sei keine Behörde und sie erlasse auch keinen Verwaltungsakt, sondern werde als Vertragshelfer tätig. Als solche habe sie in Wahrnehmung ihres Bestimmungsrechts den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festzusetzen. In Ausübung ihres billigen Ermessens habe sie entschieden, den Vertrag zur HzV als sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag festzusetzen. Allein die Vereinbarung von Vollversorgungsverträgen entspreche der Intention des Gesetzes, mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen durch Erweiterung ihrer Handlungsspielräume zum Abschluss von Verträgen mit Leistungserbringern oder Gruppen von ihnen zu ermöglichen.

5

Der festgelegte Vertragsinhalt entspreche den gesetzlichen Anforderungen an eine HzV und führe zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung für die Versicherten. Er entspreche hinsichtlich des Leistungsinhalts in vollem Umfang den Forderungen, die die Krankenkassen in früher geführten Schiedsverfahren für den Bezirk der KÄV Bayern aufgestellt hätten und gehe auch hinsichtlich der qualitativen Anforderungen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Hinsichtlich der Vergütung der in der HzV zu erbringenden Leistungen orientiere sich der Vertrag in Ausübung billigen Ermessens an dem Vertrag, den die BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für den Bezirk der KÄV Baden-Württemberg abgeschlossen habe. Vergleichbare Vergütungsregelungen fänden sich auch in zahlreichen weiteren Verträgen zur HzV, die Krankenkassen mit Gemeinschaften von Hausärzten geschlossen hätten. Bei der Festsetzung der Höhe der Vergütung seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Beitragssatzstabilität zu beachten. Dem werde die Vergütungsstruktur sowie die daran anknüpfende Vergütungshöhe gerecht. Die wirtschaftlichen Risiken der Krankenkassen würden durch verschiedene - in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen bezeichnete - Maßnahmen beschränkt. Den durch die Vergütung der HzV-Leistungen bedingten Mehrausgaben stünden Einsparungen gegenüber, die jedoch schwer genauer zu prognostizieren seien. Allerdings zeigten Erfahrungswerte aus bereits laufenden HzV-Verträgen, dass (in der Begründung des Schiedsspruchs näher bezeichnete) Einsparungen erzielt würden, mit denen sich die Mehrausgaben finanzieren ließen. Einer Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson stehe auch nicht entgegen, dass die Auftragsvergabe nicht nach den Vorschriften des Vergaberechts ausgeschrieben worden sei und dass die Anwendung des Sozialdatenschutzes auf die HzV-Verträge umstritten sei. Die Anwendung der Regelungen über den Datenschutz sei zwar streitig. Im Gegensatz zum unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein hätten die Landesdatenschutzbeauftragten für Bayern und Baden-Württemberg aber bisher keinen Anlass zu einer datenschutzrechtlichen Beanstandung bezogen auf die bestehenden HzV-Verträge gesehen. Im Hinblick auf diese Rechtslage werde von der Festsetzung einer datenschutzrechtlichen Regelung abgesehen. Die Schaffung einer datenschutzkonformen Regelung über die Weitergabe von Patientendaten an private Abrechnungsstellen bleibe auf der Rechtsgrundlage des § 295 Abs 1b SGB V bilateralen Behandlungen der Beteiligten überlassen. Eine Festsetzung der HzV-Vergütung auf dem Niveau der Regelversorgung scheide aus, weil im Rahmen der HzV ein bestimmtes Ausstattungsniveau der teilnehmenden hausärztlichen Praxen vorgegeben werde. Der an der HzV teilnehmende Hausarzt sei außerdem zur Erlangung bestimmter Weiterbildungsmaßnahmen und Abrechnungsqualifikationen verpflichtet, die in der Regelversorgung nicht gefordert seien. Hinzu trete die verpflichtende Teilnahme des teilnehmenden Hausarztes an den Disease-Management-Programmen sowie die Wahrnehmung der Betreuung von pflegebedürftigen Patienten. Zudem bestehe die Verpflichtung zur Teilnahme an Fortbildungen, zu hausarztspezifischen Themen, was über die generelle Fortbildungspflicht gemäß § 95d SGB V hinausgehe. Schließlich sei das Dienstleistungsangebot der hausärztlichen Praxen in der HzV erweitert. Diese erweiterten Qualifikationen, apparativen Ausstattungen und verbesserten Dienstleistungsangebote führten zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung, die ein höheres Vergütungsniveau im Vergleich zur hausärztlichen Regelversorgung rechtfertige. Durch das gegen die Bestimmung der Schiedsperson anhängige Klageverfahren werde das Wirksamwerden des Vertrages zur HzV nicht gehindert, weil die Klage gemäß § 73b Abs 4a SGB V keine aufschiebende Wirkung habe.

6

Gegen den Schiedsspruch vom 9.9.2010 hat sich die Klägerin mit der am 9.9.2011 erhobenen Klage gewandt und beantragt festzustellen, dass der Schiedsspruch unwirksam sei. Hilfsweise hat sie beantragt, die Regelung zum Inkrafttreten um den Zusatz zu ergänzen, dass der Vertrag nicht in Kraft trete, bevor nicht sämtliche Anlagen zum Vertrag durch die Parteien vereinbart oder durch weiteren Schiedsspruch festgesetzt worden seien. Mit der gegen die Abweisung der Klage (Urteil des SG vom 25.4.2012) erhobenen Berufung hat die Klägerin ua geltend gemacht, dass es sich bei der Entscheidung der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele. Sie gehe aber davon aus, dass eine isolierte Anfechtungsklage zulässig sein müsse. Sofern der Schiedsspruch ein Verwaltungsakt sein sollte, komme eine Leistungsklage in Form der Ersetzungsklage kaum in Betracht, da der Klägerin kein Recht zustehe, den Verwaltungsakt nach ihren Vorstellungen vollständig durch das Gericht ersetzen zu lassen. Demgegenüber haben die Beklagten die Auffassung vertreten, dass der Schiedsspruch als Verwaltungsakt anzusehen und als solcher rechtmäßig sei.

7

Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem Schiedsspruch vom 9.9.2010 um einen Verwaltungsakt handele. Für Beschlüsse einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V gelte nichts anderes als für Entscheidungen der Schiedsämter gemäß § 89 SGB V und der Schiedsstellen nach § 114 SGB V. § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V regele ein förmliches Schiedsverfahren. Zudem habe das BSG für den hier einschlägigen Bereich des Vertragsarztrechts seit jeher die Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs bejaht. Auch die Änderung des § 73b Abs 4a SGB V zum 1.1.2012 durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl I 2983) spreche nicht gegen die Annahme der Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs. Bei der Schiedsperson handele es sich um eine Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X. Dem stehe auch nicht der Umstand entgegen, dass keine Regelung zur staatlichen Aufsicht über die Schiedsperson existiere. Wenn verfassungsrechtlich zu fordernde Regelungen zur Aufsicht fehlten, könne dies allenfalls die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung zur Folge haben. Schiedspersonen nähmen Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahr, wenn sie die Vertragsverhältnisse zwischen einer Krankenkasse und den Verbänden der Hausärzte festlegten. Bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson handele es sich um eine für Ärzte, Patienten und Krankenkassen außerordentlich weitreichende Entscheidung. Für die gerichtliche Prüfung derart komplexer Regelungen mit weitreichenden Auswirkungen eigneten sich die über § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V entsprechend geltenden Vorschriften der §§ 317 ff BGB über den Vertragshelfer nicht. § 317 BGB regele den Fall, dass die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen bleibe. § 317 BGB überlasse der Schiedsperson nicht die Bestimmung des Vertragsinhalts, sondern die Bestimmung der Leistung. Vorliegend würden von der Schiedsperson aber sämtliche gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien festgelegt. Die Festlegung eines Vertrages über die HzV durch die Schiedsperson gehe somit weit über das hinaus, was Vertragshelfer nach § 317 BGB üblicherweise festlegen könnten. Zudem erweise sich der in § 319 BGB genannte Maßstab des "billigen Ermessens" als wenig geeignet für die Prüfung des von der Schiedsperson festgelegten Vertragsinhalts. Schließlich verhindere die Rechtskonstruktion des Vertragshelfers nicht eine Verzögerung der Umsetzung des geschiedsten Vertrages durch in destruktiver Absicht eingelegte Rechtsmittel. Dies zeige der vorliegende Fall. Für die Erhebung der Gestaltungsklagen gelte keine Ausschlussfrist. Damit bleibe für die Vertragsparteien lange unklar, ob der festgelegte Vertrag rechtsverbindlich werde. Auch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung helfe nicht weiter, weil der Vertrag in der Praxis regelmäßig erst dann als umsetzbar angesehen werde, wenn dessen rechtliche Verbindlichkeit auch feststehe. Auch dies zeige der vorliegende Fall.

8

Die isolierte Anfechtungsklage sei zulässig, jedoch nicht begründet. Der Schiedsperson stehe bei der Festlegung des Vertragsinhalts ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Schiedsspruch sei nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle zugänglich. Verstöße gegen wesentliche verfahrensrechtliche Grundsätze lägen nicht vor. Die Schiedsperson habe die Festlegung des Vertragsinhalts ausführlich begründet. Soweit die Klägerin das Fehlen einer Ausgabenobergrenze rüge, übersehe sie § 10 Abs 9 des Vertrages, der eine Begrenzung der HzV-Vergütung auf einen durchschnittlichen maximalen Fallwert von 76 Euro vorsehe. Unbegründet sei auch der Einwand der Klägerin, dass der Vertrag an mehreren Stellen gegen ihre Satzungsregelungen verstoße. Der Vertrag begründe keine Rechte und Pflichten der Versicherten. Den von den Vertragsparteien oder nach Maßgabe des § 73b Abs 4a SGB V von der Schiedsperson an deren Stelle getroffenen Festlegungen komme Vorrang vor dem Satzungsrecht der einzelnen Krankenkasse zu. Die Krankenkasse müsse den sie bindenden Vertrag bei jeglicher Verwaltungstätigkeit einhalten. Wenn die Satzung der Krankenkasse mit den Festlegungen des Vertrages nicht in Einklang stehe, müsse sie daher die Satzung entsprechend ändern und an den Vertrag anpassen. Für den gestellten Hilfsantrag mit dem Ziel, das Inkrafttreten des Vertrages auf den Zeitpunkt zu verschieben, zu dem sämtliche Anlagen vereinbart oder durch Schiedsspruch festgesetzt worden seien, fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Nach § 16 Abs 4 des Vertrages sei dieser zum Halbjahres- oder Jahresende, erstmals zum 31.12.2013 mit einer Frist von sechs Monaten kündbar. Damit werde der Klägerin eine einfachere rechtliche Möglichkeit eröffnet, die Rechtswirkungen des Vertrages zu beseitigen. Zudem müsse sich die Klägerin widersprüchliches Verhalten entgegenhalten lassen. Mit dem Hinausschieben des Inkrafttretens würde der gesetzlich begründete Kontrahierungszwang vereitelt. Aus dem gesamten Verhalten der Klägerin sei zu erkennen, dass sie sich weigere, ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Eröffnung des Angebots einer HzV nachzukommen. Ernsthafte Bemühungen, die fehlenden Vertragsanlagen auszuhandeln, seien nicht ersichtlich. Darüber hinaus sei der Hilfsantrag auch in der Sache nicht begründet. Ausreichend sei, dass der Schiedsspruch in sich schlüssig sei und dass die geregelten Vertragsteile von den Vertragsparteien umgesetzt werden könnten. Daran bestehe kein Zweifel, weil Verträge mit vergleichbaren Inhalten von anderen Krankenkassen durchgeführt würden.

9

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die erhobene Anfechtungsklage sei statthaft, da es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X handele. Sämtliche LSG hätten § 73b Abs 4, Abs 4a SGB V in der Weise ausgelegt. Ihre zuvor vertretene gegenteilige Rechtsauffassung halte sie nicht mehr aufrecht. Änderungen des § 73b SGB V, die zum 1.1.2012 in Kraft getreten seien, seien für das vorliegende Verfahren von vornherein nicht relevant, da für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 maßgeblich sei. Mit der Festsetzung des Vertrages über die besondere hausärztliche Versorgung nach § 73b SGB V treffe die Schiedsperson eine hoheitliche Entscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die unmittelbare Rechtswirkung im Außenverhältnis habe, indem sie verbindlich den Vertrag zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens festsetze. Der Schiedsspruch zur HzV unterscheide sich insofern nicht von dem Schiedsspruch nach § 77 SGB XII, für den sowohl das BVerwG als auch das BSG die Verwaltungsaktqualität ausdrücklich bejaht hätten.

10

Entgegen der Auffassung des LSG sei das Rechtsschutzinteresse nicht im Hinblick auf die zum 31.12.2013 erstmals bestehende Kündigungsmöglichkeit entfallen. Die ordentliche Kündigung des Vertrages zur HzV führe nicht automatisch zu dessen Beendigung, sondern der Vertrag gelte - wenn ein neuer Vertrag zur HzV nicht zustande komme - solange fort, bis in einem Schiedsverfahren ein neuer Vertrag zur HzV festgesetzt worden sei. Die Umsetzung des streitgegenständlichen Vertrages werde zu Recht verweigert. Die Klage habe selbst dann aufschiebende Wirkung, wenn es sich bei dem Schiedsspruch nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Vertragsfestlegung durch einen Dritten entsprechend §§ 315, 317 BGB handeln würde. Bereits die Erhebung der Einrede der offenbaren Unbilligkeit der Vertragsfestsetzung führe ggf entsprechend § 319 Abs 1 BGB zur Unverbindlichkeit der durch den Schiedsspruch getroffenen Vertragsbestimmungen.

11

Der Schiedsspruch sei mit zwingend zu beachtenden bundesrechtlichen Vorgaben zum Datenschutz unvereinbar. Für die nach dem Vertrag zur HzV vorgesehene Einbindung der Beklagten und der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) sowie von Unterauftragsunternehmern in die Verarbeitung sensibler Patientendaten fehle die nach der Rechtsprechung des BSG zwingend erforderliche gesetzliche Grundlage. Auch das Inkrafttreten des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ändere nichts an der datenschutzrechtlichen Unzulässigkeit des Vertrages zur HzV. Maßgebend sei die zum Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 geltende Rechtslage. Selbst wenn die zum 4.8.2011 eingetretenen Änderungen berücksichtigt würden, bliebe es bei der Unvereinbarkeit mit datenschutzrechtlichen Vorgaben. Die in dem Vertrag vorgesehene zwangsweise Verknüpfung der Teilnahme an der HzV mit einer Pflicht zur Weitergabe von Patientendaten an einen bestimmten Dienstleister sei mit den datenschutzrechtlich an die "verantwortliche Stelle" zu stellenden Anforderungen unvereinbar. Weiterhin unzulässig sei der vorgesehene Einsatz einer Vertragssoftware mit einem sog "gekapselten Kern", zu dessen Einsatz die teilnehmenden Hausärzte verpflichtet würden. Damit werde die Möglichkeit geschaffen, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar bzw kontrollierbar sei. Außerdem erlaube der neue § 295a Abs 2 SGB V lediglicheinen Dienstleister in die Verarbeitung von Patientendaten einzubinden. Die Begründung von Unterauftragsverhältnissen werde ausdrücklich ausgeschlossen. Im Widerspruch dazu sehe § 6 Abs 1 der Anlage 3 des streitgegenständlichen Vertrages zur HzV die Einbindung der HÄVG Rechenzentrum AG als Subunternehmer der HÄVG vor. Rechtswidrig sei ferner die in § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum Vertrag geregelte Befugnis der HÄVG, nach eigenem Gutdünken Patientendaten für "Musterverfahren" zur Klärung grundsätzlicher Fragen der Auslegung des Vertrages zur HzV zu verwenden. Unzulässig sei auch die vorgesehene Einbindung der HÄVG in die Einschreibung von Versicherten. Nach § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürften die auf Leistungserbringerseite von den teilnehmenden Hausärzten übermittelten Patientendaten ausschließlich für Abrechnungszwecke verwendet werden.

12

Zudem werde durch Mehrkosten, die der Vertrag unstreitig auslöse und deren Finanzierung durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen nicht gesichert sei, das in § 53 Abs 9 SGB V normierte Gebot der Selbsttragung des Wahltarifs verletzt. Der Wahltarif sei zwingend mit der HzV nach § 73b SGB V verbunden. Nach § 53 Abs 3 SGB V dürften für einen Wahltarif für die besonderen Versorgungsformen keine Zusatzbeiträge erhoben werden. Gleichzeitig verbiete § 53 Abs 9 SGB V eine Quersubventionierung der Wahltarife aus dem allgemeinen Beitragsaufkommen. Dass durch den Vertrag zur HzV Mehrkosten gegenüber der hausärztlichen Regelversorgung entstünden, sei unstreitig. Dem stünden keine gesicherten Refinanzierungsmaßnahmen gegenüber. Darüber hinaus werde der Grundsatz der Beitragssatzstabilität des § 71 Abs 1 SGB V verletzt, der alle Vergütungsvereinbarungen nach dem SGB V erfasse, weil nicht refinanzierte Mehrausgaben nicht verlässlich ausgeschlossen seien. Die Erhebung von Zwangsbeiträgen der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung für die Subventionierung der HzV verletze Art 2 Abs 1 GG. Zudem würde durch die damit verbundene Aufgabe des Solidaritätsprinzips die Unternehmenseigenschaft der Krankenkassen im Sinne des Art 101 ff des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union begründet.

13

Der Schiedsspruch verletze Bundesrecht auch deshalb, weil die Vertragsfestsetzung unvollständig sei. Obwohl der Hilfsmittelbereich als Bereich möglicher Einsparungen in der Begründung des Schiedsspruchs ausdrücklich angesprochen werde und die Anlage 2a zum Hilfsmittelmanagement in § 23 des Vertrages zur HzV genannt werde, habe die Schiedsperson diese Anlage nicht festgelegt. Aus § 23 des Vertrages zur HzV ergebe sich vielmehr, dass diese "in gemeinsamer Absprache noch zu erstellen" sei. Dies sei mit § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V unvereinbar. Gleiches gelte für die fehlenden Anhänge 2 bis 4 der festgesetzten Anlage 3 des Vertrages. Diese sollten ausweislich § 9 der Anlage 3 des Vertrages die Diagnosen zur Abrechnung des Zuschlags für chronisch Kranke, des Zuschlags zur Förderung einer wirtschaftlichen Arzneimittelverordnung ("Rationaler Pharmakotherapie-Zuschlag") sowie eines Zuschlags (sog VERAH-Zuschlag) für Leistungen von besonders qualifizierten medizinischen Fachangestellten ("Versorgungsassistenten") enthalten.

14

Ferner habe die Schiedsperson ihren Gestaltungsspielraum überschritten, indem sie Regelungen zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten zum Gegenstand des Vertrages zur HzV gemacht habe. Die Einschreibebestimmungen des Vertrages zur HzV seien nicht von der Vertragsregelungsbefugnis der Schiedsperson umfasst. Vielmehr habe die Regelung der Teilnahme von Versicherten an der HzV in der Satzung der Krankenkasse zu erfolgen. Die Teilnahme der Versicherten werde in dem Vertrag zur HzV in Widerspruch zu Satzungsbestimmungen der Klägerin geregelt. Dies sei rechtswidrig. Darüber hinaus verletze der Schiedsspruch Bundesrecht, weil dem Beklagten zu 2. (MEDI Baden-Württemberg e.V.) die erforderliche Antragsbefugnis zur Einleitung eines Schiedsverfahrens fehle. Schiedsverfahren könnten nur von Gemeinschaften beantragt werden, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Diese Voraussetzung erfülle der Beklagte zu 2. nicht.

15

Die Schiedsperson habe ihren Beurteilungsspielraum überschritten, indem sie sich bei der Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend an anderen HzV-Verträgen orientiert habe. Die anderen HzV-Verträgen zugrunde liegenden Verhältnisse seien nicht auf die Klägerin übertragbar. Die Schiedsperson hätte sich mit der konkreten Situation der Klägerin und deren Versicherten auseinandersetzen müssen. Das sei nicht geschehen. Ferner sei die Schiedsperson zu Unrecht davon ausgegangen, dass allein ein Vollversorgungsvertrag, nicht dagegen ein sog Add-on-Vertrag der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Damit habe die Schiedsperson den rechtlichen Rahmen verkannt, der ihrem Gestaltungsspielraum zugrunde liegt. Somit leide der Schiedsspruch an einem nicht heilbaren Fehler.

16

Selbst wenn der Schiedsspruch nicht als Verwaltungsakt anzusehen wäre, sei der auf Aufhebung dieses Schiedsspruchs gerichtete Antrag zulässig. Die Festsetzung des Vertragsinhalts durch das Gericht in entsprechender Anwendung des § 319 BGB sei unter Beachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung ausgeschlossen. Denn der Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages über die HzV nach § 73b SGB V sei Aufgabe der Krankenkassen als Selbstverwaltungskörperschaften und Teil der mittelbaren Staatsverwaltung. In die Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume könne die Rechtsprechung als Kontrollinstanz der Verwaltung nicht in der Form eingreifen, dass sie ihre eigenen Erwägungen an die Stelle derjenigen der Verwaltung setze.

17

Die Klägerin beantragt,

        

1.    

die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 zu ändern und den Schiedsspruch vom 9.9.2010 aufzuheben,

        

2.    

hilfsweise, das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 aufzuheben und den Rechtsstreit an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2, 1. Halbsatz BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts zurückzuverweisen,

        

3.    

weiter hilfsweise unter Änderung der Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 festzustellen, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte HzV-Vertrag mit Bundesrecht nicht vereinbar ist.

18

Die Beklagten beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

19

Sie führen zur Begründung aus: Das angefochtene Urteil des LSG sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Allerdings sei der Schiedsspruch kein Verwaltungsakt. Mit dem GKV-VStG habe der Gesetzgeber eindeutig geregelt, dass es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele, sondern dass die Schiedsperson als Vertragshelfer analog § 317 BGB tätig werde. Die in der Rechtsprechung angestellten Erwägungen zur fehlenden Behördeneigenschaft von Schiedspersonen nach § 132a Abs 2 SGB V seien auf die Schiedspersonen gemäß § 73b Abs 4a SGB V übertragbar. Auch der Umstand, dass die Schiedsperson die in einem Schiedsverfahren festgelegten Verträge der für die Krankenkassen zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen habe, stehe dem nicht entgegen, da die Vorlage auch bei frei verhandelten Verträgen durch die Krankenkasse zu erfolgen habe. Der Schiedsspruch sei rechtlich nicht zu beanstanden. Mit den Anträgen der Klägerin habe sich die Schiedsperson erkennbar auseinandergesetzt und diese gewürdigt. Die Schiedsperson habe den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festgesetzt und zugleich berücksichtigt, dass zahlreiche weitere Krankenkassen im Bundesgebiet ähnliche Verträge mit vergleichbarem Inhalt und vergleichbarer Vergütungsstruktur mit den jeweiligen Hausarztgemeinschaften vereinbart hätten. Es seien keine wesentlichen Vertragsbestandteile ungeregelt geblieben. Soweit den Vertragspartnern überlassen worden sei, im späteren Verlauf Umsetzungsaufgaben und Steuerungsmodule, zB für den Bereich der Arzneimittelverordnung selbst zu verhandeln, sei dies sachgerecht, weil die Vertragspartner damit auf die sich ständig ändernden Arzneimittelrabattverträge reagieren könnten. Auch würden Vorschriften zum Datenschutz nicht verletzt. Maßgebend für die Beurteilung sei die aktuelle Rechtslage und nicht die Rechtslage, die bei Erlass des Schiedsspruchs gegolten habe. Die im Schiedsspruch vorgesehene Verwendung eines "gekapselten Kerns" sei auch nach Auffassung des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht nicht zu beanstanden. Soweit sich die Klägerin gegen die im Vertrag enthaltene Befugnis zur Führung von Musterverfahren unter Verwendung personenbezogener Daten wende, sei darauf hinzuweisen, dass die HÄVG keine Musterverfahren führe. Die Klägerin sei im Übrigen nicht legitimiert, im vorliegenden Verfahren Datenschutzrechte der Patienten geltend zu machen. Bezogen auf die geltend gemachten Widersprüche zwischen dem Vertrag zur HzV und den Satzungsregelungen der Klägerin habe das LSG zutreffend die Auffassung vertreten, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV der Satzung vorgingen. Mit dem vorliegenden Klageverfahren unterlaufe die Klägerin den gesetzlichen Kontrahierungszwang. Die Klägerin sei verpflichtet, ihren Versicherten eine HzV anzubieten und mit qualifizierten Gemeinschaften einen Vertrag zur HzV zu schließen. Gleichwohl habe die Klägerin bis heute die Umsetzung des weiterhin geltenden Vertrages verweigert und auch keinen Antrag auf Verpflichtung zur Neufestsetzung des Vertrages zur HzV mit den von ihr begehrten Modifizierungen gestellt.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin hat nur insoweit Erfolg, als die Unvereinbarkeit von Regelungen des Vertrages zur HzV mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen festzustellen war. Im Übrigen hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

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1. Das SG war zur Entscheidung im ersten Rechtszug nach § 8 SGG sachlich zuständig, da einer der in § 29 Abs 2 SGG geregelten Sonderfälle der sachlichen Zuständigkeit der Landessozialgerichte für eine Entscheidung im ersten Rechtszug nicht vorliegt. Insbesondere liegt keine Klage gegen Entscheidungen der Landesschiedsämter oder gegen Beanstandungen von Entscheidungen der Landesschiedsämter nach dem SGB V, gegen Entscheidungen der Schiedsstellen nach § 120 Abs 4 SGB V, der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI oder der Schiedsstellen nach § 80 SGB XII vor. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Entscheidung einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Aufzählung in § 29 Abs 2 SGG ist abschließend, sodass die Vorschrift nicht entsprechend anwendbar ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 29 RdNr 4; Schreiber in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 29 RdNr 8; Ulrich, NZS 2011, 448, 451 ff; zur Bestimmung einer Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 13 f, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

22

2. Die mit dem Antrag zu 1. erhobene Anfechtungsklage ist nicht statthaft und damit unzulässig.

23

a) Nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGG muss sich die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt richten. Die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson nach § 73b SGB V ist jedoch nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergangen und die Schiedsperson hat auch nicht für sich in Anspruch genommen, durch Verwaltungsakt entscheiden zu können(zur Zulässigkeit von Klagen auch gegen einen sog "formellen Verwaltungsakt" vgl BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 16). Für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage genügt nicht, dass die Klägerin das Vorliegen eines Verwaltungsakts geltend macht (stRspr vgl BSGE 39, 86, 87 = SozR 2200 § 628 Nr 1 S 2, mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 8a).

24

b) Für die Beurteilung der Frage, ob die Entscheidung der Schiedsperson, gegen die sich die Klägerin wendet, in der Form eines Verwaltungsakts ergangen ist, ist in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Entscheidung der Schiedsperson am 9.9.2010 maßgebend. Nur wenn die Schiedsperson zu diesem Zeitpunkt Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X gewesen ist, konnte sie einen Verwaltungsakt erlassen. Später eingetretene Änderungen hätten keinen Einfluss mehr auf die rechtliche Qualifizierung des zuvor ergangenen Schiedsspruchs. Es kommt demnach darauf an, ob die Schiedsperson nach der zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts geltenden Rechtslage Behörde war und ob ihre Entscheidung unter Zugrundelegung dieser Rechtslage als Verwaltungsakt anzusehen war. Dies ist indes nicht der Fall und daran hat sich im Übrigen in der Folge auch nichts geändert.

25

c) Schiedspersonen, die Verträge zur HzV festsetzen, wenn eine Einigung zwischen einer Krankenkasse und der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaft von Allgemeinärzten nicht zustande kommt, werden - ebenso wie Schiedspersonen im Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V - als Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB und nicht als Behörde tätig. Der Schiedsspruch ergeht deshalb auch nicht in der Form eines Verwaltungsakts, sondern ersetzt die Einigung der Parteien. Dies folgt neben dem Wortlaut in erster Linie aus der Entstehungsgeschichte der Regelung und dem darin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers.

26

aa) Verwaltungsakte können nach § 31 Satz 1 SGB X nur von einer Behörde erlassen werden. Nach § 1 Abs 2 SGB X ist Behörde im Sinne des Sozialgesetzbuches jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Danach gilt ein weiter, sog funktionaler Behördenbegriff, der neben den Verwaltungsbehörden im organisatorischen Sinne auch alle sonstigen Einrichtungen, Organe und Stellen einschließt, die aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts mit der Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten, zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge im eigenen Namen oder zu sonstigen, nach öffentlichem Recht zu beurteilenden Handeln ausgestattet sind (vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 14; BSGE 60, 239 = SozR 1300 § 45 Nr 26; BSGE 63, 224 = SozR 1300 § 48 Nr 47; BSGE 77, 295 = SozR 3-1300 § 45 Nr 27).

27

Dass die Schiedsämter und Schiedsstellen im Bereich des SGB V unter diesen weiten funktionalen Behördenbegriff fallen, ist in der Rechtsprechung seit langem geklärt (vgl BSGE 20, 73, 75 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSGE 87, 199, 200 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3300 § 89 Nr 1 RdNr 11; BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 20, 41). Eine solche grundsätzliche Klärung fehlt bisher für die Schiedsperson, die der Gesetzgeber mit der Änderung des § 132a SGB V (Versorgung mit häuslicher Krankenpflege) durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) erstmals im SGB V anstelle von Schiedsämtern und Schiedsstellen für die außergerichtliche Schlichtung vorgesehen hat. In den folgenden Jahren ist die außergerichtliche Streitschlichtung durch Schiedspersonen auf weitere Bereiche ausgedehnt worden: Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) wurde die Schlichtung im Bereich der stationären und ambulanten Hospizleistungen nach § 39a Abs 1 Satz 7 bis 9 SGB V einer Schiedsperson übertragen. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) wurde die Schlichtung durch eine Schiedsperson bei Streitigkeiten um die Finanzierung der Landesverbände der Krankenkassen (§ 211 Abs 4 Satz 4 SGB V) und mWv 1.1.2009 auch für die hausarztzentrierte Versorgung (§ 73b Abs 4a SGB V) sowie die Hilfsmittelversorgung (§ 127 Abs 1a Satz 2 bis 4 SGB V)vorgesehen. Inzwischen ist die Schlichtung durch Schiedspersonen Gegenstand auch der Heilmittelversorgung (§ 125 Abs 2 Satz 4 bis 6 SGB V), des klinischen Krebsregisters (§ 65c Abs 6 Satz 8 bis 12 SGB V) und der Versorgung mit Schutzimpfungen (§ 132e Abs 1 Satz 3 bis 5 SGB V).

28

Ob auch die Entscheidungen von Schiedspersonen als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X anzusehen sind, war von Anfang an umstritten(vgl zB Schnapp, NZS 2010, 241, 245 mwN; Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 17 ff). In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wurde die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V in der Regel als Vertragshelfer qualifiziert, deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, während Entscheidungen der Schiedsperson in der HzV wohl überwiegend als Verwaltungsakt angesehen wurden(LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 84 ff; LSG Hamburg Beschluss vom 18.8.2011 - L 1 KA 24/11 B ER; in dieser Richtung, aber letztlich offenlassend: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 37 f = Juris RdNr 25, 45 f; ausdrücklich offengelassen: LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 32 und Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 58/10 B ER - Juris RdNr 61; anders dagegen : Bayerisches LSG Beschluss vom 17.1.2011 - L 12 KA 123/10 B ER - Breith 2011, 281, 285). Für die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V wurde diese Frage durch Urteil des 3. Senats vom 25.11.2010 (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) geklärt. Danach ist jedenfalls diese Schiedsperson keine Behörde. Dementsprechend ergeht deren Entscheidung auch nicht als Verwaltungsakt. Vielmehr wird die Schiedsperson als öffentlich-rechtlicher Schlichter und Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB tätig.

29

Ausschlaggebend für die Einordnung der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde war nach der genannten Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010, dass diese zwar den Inhalt öffentlich-rechtlicher Verträge festlege, wobei es sich um eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit handele. Die Schiedsperson erhalte ihre Entscheidungsmacht jedoch unmittelbar von den Vertragsparteien des § 132a SGB V selbst, die auch den das Schiedsverfahren regelnden Vertrag zur Konfliktlösung abschließen. Daraus hat der 3. Senat den Schluss gezogen, dass es sich - ungeachtet des Umstands, dass die Vertragsparteien zur Verabredung des Schiedsverfahrens gesetzlich verpflichtet sind - um ein vertraglich vereinbartes Schiedsverfahren handele. Die Schiedsperson sei auch kein Beliehener, weil es an einem öffentlich-rechtlichen Akt der Beleihung fehle. Ferner existiere keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger und anders als Schiedsstellen und Schiedsämter unterliege die Schiedsperson auch keiner Rechtsaufsicht. Das Verfahren der Schlichtung durch die Schiedsperson sei nicht gesetzlich geregelt. Die Funktion als Schiedsperson sei an die Person des Berufenen gebunden, sodass keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution einer Schiedsstelle existiere.

30

bb) Die Regelungen zur Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V entsprachen bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend derjenigen zu der - nicht als Behörde zu qualifizierenden - Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V. Grundsätzlich obliegt es auch hier den Vertragsparteien, sich auf die Schiedsperson zu einigen. Nur für den Fall, dass die Vertragsparteien sich auch darüber nicht einigen können, sieht § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V die Bestimmung der Schiedsperson durch die für die Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde vor. Ebenso wie nach § 132a Abs 2 SGB V gibt es nach § 73b SGB V weder eine Rechtsaufsicht über die Schiedsperson noch eine Regelung zum Schiedsverfahren. Ferner existiert keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution und keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger.

31

Zwar können hoheitliche Aufgaben durch Beleihung auch einer natürlichen Person übertragen werden. Dies erfordert jedoch eine Übertragung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Rechtsverordnung, Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl BVerwG NVwZ 2006, 829; BVerfG NJW 1987, 2501, 2502; BVerwGE 98, 280, 298; Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 1 RdNr 11; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl 2014, § 1 RdNr 60; Wiegand, Die Beleihung mit Normsetzungskompetenz, 2008, 155 f). § 73b Abs 4a SGB V regelt eine Beleihung der Schiedsperson jedenfalls nicht ausdrücklich. Gegen die Annahme, dass in der dort geregelten Bestimmung der Schiedsperson gleichwohl eine Beleihung liegt, spricht, dass das Gesetz keinerlei Festlegungen oder Vorgaben zu deren Auswahl trifft, sondern diese vorrangig den Vertragsparteien überlässt (vgl Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 250). Angesichts des Umstands, dass der Wortlaut die Frage nach einer Beleihung jedenfalls nicht eindeutig beantwortet, kann die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur dann als Beliehene angesehen werden, wenn systematische Gründe, die Entstehungsgeschichte oder Sinn und Zweck der Reglung dafür sprechen würden, dass der Gesetzgeber der Schiedsperson die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben übertragen wollte. Dies ist aus den nachfolgend genannten Gründen jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG gerade klargestellt, dass der Schiedsperson nach § 73b SGB V - in Übereinstimmung mit der Schiedsperson nach § 132a SGB V - keine hoheitlichen Aufgaben übertragen werden sollen.

32

cc) Im Gegensatz zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V hat der 3. Senats des BSG die Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26) nicht eindeutig dem Modell "Vertragshelfer" zugeordnet, sondern diese Frage ausdrücklich offengelassen. Dabei hat der 3. Senat dem Umstand Bedeutung beigemessen, dass § 73b SGB V keine § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V entsprechende Regelung enthält, nach der die Vertragsparteien in Verträgen zu regeln haben, dass im Falle von Nichteinigung eine von den Parteien zu bestimmende unabhängige Schiedsperson den Vertragsinhalt festlegt. Daraus hat der 3. Senat gefolgert, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V im Rahmen eines gesetzlich normierten und nicht eines - wie bei § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V - vertraglich vereinbarten Schiedsverfahrens tätig werde. In der praktischen Umsetzung wirkt sich dieser Unterschied allerdings kaum aus, weil die Vertragspartner nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V nicht frei darüber entscheiden können, ob sie die Festlegung des Vertragsinhalts einer Schiedsperson übertragen, sondern verpflichtet sind, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Falls zwischen den Vertragspartnern eine Einigung auf eine Schiedsperson nicht erzielt werden kann, wird sowohl die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als auch die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V von der für die vertragsschließende Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Dabei kann die Bestimmung einer Schiedsperson durch die zuständige Aufsichtsbehörde auch nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V nicht davon abhängig sein, dass zuvor eine Vereinbarung nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V zustande gekommen ist, nach der der Vertragsinhalt von einer Schiedsperson festgelegt wird(vgl dazu Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 8). Damit bestehen insoweit keine rechtlich bedeutsamen Unterschiede zwischen dem Schiedsverfahren in der HzV und dem Schiedsverfahren in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege (so auch Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15e).

33

dd) Ein Indiz, das gegen die Qualifizierung der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer und für eine Einordnung des Schiedsspruchs als Verwaltungsakt sprechen könnte, hat der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 40, auch zur Veröffentlichung für BSGE vorgesehen) ferner in dem Umstand gesehen, dass § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ausschloss. Diese Regelung konnte den Eindruck erwecken, dass der Gesetzgeber die Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Verwaltungsakte angesehen haben könnte, weil sie gesetzessystematisch nur einen Sinn ergibt, wenn es sich bei der angegriffenen Entscheidung der Schiedsperson um einen Verwaltungsakt handelt. Schließlich bezieht sich die aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs 1 SGG auf den Widerspruch und auf die Anfechtungsklage, die sich grundsätzlich gegen einen Verwaltungsakt richten müssen.

34

Dagegen konnte auch nicht - wie in der Begründung des Schiedsspruchs - mit Erfolg eingewandt werden, die Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts durch einen Vertragshelfer bewirke in entsprechender Anwendung zivilrechtlicher Bestimmungen, dass der Vertrag während der Dauer des Rechtsstreits nicht umsetzbar sei und die Formulierung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF, nach der die Klage keine aufschiebende Wirkung habe, könne aus diesem Grund nicht als Indiz für die rechtliche Einordnung der Entscheidung der Schiedsperson als Verwaltungsakt herangezogen werden.

35

(1) Die Auffassung, nach der die von der Schiedsperson getroffene Bestimmung zum Vertragsinhalt während eines Klageverfahrens um deren Rechtmäßigkeit nicht beachtet werden müsse, trifft nicht zu. Für zivilrechtliche Verträge wird die Frage, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen die offenbare Unbilligkeit der Bestimmung einer Leistung durch einen Dritten nach § 319 Abs 1 Satz 1 BGB die Unbeachtlichkeit der Entscheidung des Dritten zur Folge hat, nicht einheitlich beantwortet. Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass die offenbar unbillige Leistungsbestimmung bereits unabhängig von der Erhebung einer Einrede oder einer Klagerhebung unwirksam sei (Rieble in Staudinger, BGB, Leistungsstörungsrecht 2, Neubearbeitung 2009, § 319 RdNr 17 f; zu § 315 Abs 3 BGB vgl LG Mainz Urteil vom 5.3.2007 - 5 O 94/06 - Juris). Dagegen wird eingewandt, dass die offenbare Unbilligkeit nicht die Nichtigkeit bedeute (vgl OLG Frankfurt am Main Urteil vom 3.12.1998 - 3 U 257/97 - NJW-RR 1999, 379 = Juris RdNr 25) und dass auch die unbillige Bestimmung des Dritten binde, bis sie durch Gerichtsurteil ersetzt werde (Würdinger in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl 2012, § 319 RdNr 23). Dies soll aber nach wohl hM nicht für den Fall gelten, dass die offenbare Unbilligkeit von einem Vertragspartner binnen angemessener Frist geltend gemacht wird (vgl OLG Frankfurt am Main, aaO, mwN; Wolf in Soergel, BGB, Bd 2, 12. Aufl 1990, § 319 RdNr 16; zur ähnlichen Regelung in § 315 Abs 3 BGB vgl Grüneberg in Palandt, BGB, 74. Aufl 2015, § 315 RdNr 16; zur Fälligkeit einer Forderung bei einer Schiedsgutachtenvereinbarung im Falle des Übergangs der Leistungsbestimmung nach § 319 Abs 1 Satz 2 BGB auf das Gericht erst mit Rechtskraft des Urteils vgl BGH Urteil vom 4.7.2013 - III ZR 52/12 - NJW-RR 2014, 492 RdNr 32 ff, mwN). Dagegen geht das BAG im Zusammenhang mit der Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber in entsprechender Anwendung des § 315 Abs 3 BGB davon aus, dass der Arbeitnehmer an die Konkretisierung des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden sei, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe(BAG Urteil vom 22. 2.2012 - 5 AZR 249/11 - BAGE 141, 34 = AP Nr 127 zu § 615 BGB = NJW 2012, 2605, RdNr 24, mwN).

36

Auf die Festsetzung des Vertrages zur HzV durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V sind die genannten, zu zivilrechtlichen Verträgen entwickelten, ohnehin nicht einheitlichen Positionen - entgegen der in der Begründung der Entscheidung der Schiedsperson vertretenen Auffassung(vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 Fn 61) - nicht ohne Weiteres übertragbar. Für Verträge, die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern zum Gegenstand haben, gelten die Vorschriften des BGB und damit auch die Regelungen zur Bestimmung der Leistungen durch einen Dritten (§§ 317 ff BGB) gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nur entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Daher kann bei der entsprechenden Anwendung der §§ 317 ff BGB nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 1 SGB V verpflichtet sind, ihren Versicherten eine besondere hausarztzentrierte Versorgung anzubieten. Die entsprechende Geltung der Vorschriften des BGB ändert zudem nichts daran, dass es sich bei dem Vertrag nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V zwischen Krankenkassen und den die Hausärzte vertretenden Gemeinschaften um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 Abs 1 SGB X handelt, weil durch ihn ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet, geändert oder aufgehoben wird. Insofern gilt für Verträge in der HzV nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V nichts anderes als für Verträge zur Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V(vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 6 RdNr 18 f; BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 23)oder auch für die Bundesmantelverträge und Gesamtverträge, die (auch) als öffentlich-rechtliche Verträge zu qualifizieren sind (vgl BSGE 70, 240, 243 = SozR 3-5533 Allg Nr 1 S 4; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14). Für das gerichtliche Verfahren bleiben die Vorschriften des SGG maßgebend. Nach § 86a Abs 1 SGG kommt zwar Klagen gegen belastende Verwaltungsakte aufschiebende Wirkung zu. Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise für Klagen, mit denen die Rechtswidrigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages geltend gemacht wird. Öffentlich-rechtliche Verträge sind wirksam, auch soweit sie rechtswidrig aber nicht nichtig sind (vgl Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 58 RdNr 2). Zur Nichtigkeit führt nur ein besonders schwerwiegender Mangel (zu gesamtvertraglichen Vereinbarungen vgl zB BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14 f). Der Umstand, dass die Partner des Vertrages zur HzV die Möglichkeit haben, gerichtlich mit der Feststellungsklage die Rechtswidrigkeit von Regelungen des Vertrages geltend zu machen, der durch Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommen ist (vgl dazu nachfolgend 4.), ändert daran nichts. Im Ergebnis hat dies zur Folge, dass der durch die Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommene Vertrag, der nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, vorbehaltlich seiner Nichtigkeit umzusetzen ist, solange dessen Rechtswidrigkeit nicht rechtskräftig festgestellt worden ist (vgl bereits Nr 11 der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines GKV-VStG, BT-Drucks 17/7274 S 29; zu einer vom Bundesrat gewünschten Klarstellung mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Abhängigkeit vom Ausgang des vorliegenden Verfahrens vgl die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks 18/4095, Anlage 4 Nr 22; aA: Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 f). Bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens um die Rechtmäßigkeit des von der Schiedsperson festgesetzten Vertrages kann die Pflicht zur Umsetzung des Vertrages nur durch eine einstweilige Anordnung des Gerichts nach § 86b Abs 2 SGG beseitigt werden.

37

(2) Auch wenn angenommen würde, dass die in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF getroffene Regelung zur fehlenden aufschiebenden Wirkung der Klage allein im Sinne einer Klarstellung sicherstellen sollte, dass Schiedssprüche während eines Klageverfahrens zunächst umgesetzt werden, erklärt dies nicht ohne Weiteres die gewählte Formulierung, weil die Verwendung des Begriffs der aufschiebenden Wirkung den Bezug zu § 86a Abs 1 SGG und zu der dort geregelten aufschiebenden Wirkung von Klagen gegen Verwaltungsakte herstellt.

38

Danach stimmte die gesetzliche Regelung zur Schiedsperson in der Versorgung mit Haushaltshilfe nach § 132a Abs 2 SGB V zwar weitgehend mit der Regelung zur Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V überein. Mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts enthielt § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF jedoch eine Regelung, die in § 132a SGB V keine Entsprechung findet und die als Indiz für die Charakterisierung des Schiedsspruchs in der HzV als Verwaltungsakt herangezogen werden konnte.

39

ee) Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber auf die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V reagiert und mit dem GKV-VStG die aufschiebende Wirkung auf Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson beschränkt. Eine Regelung, nach der Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts keine aufschiebende Wirkung haben, gibt es seitdem nicht mehr. Ferner wurde mit dem GKV-VStG § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V angefügt. Danach richten sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

40

Die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) bestätigt, dass auf diesem Weg bestehende Unklarheiten bezogen auf die rechtliche Einordnung des Schiedsverfahrens in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V ausgeräumt werden sollten und dass - ebenso wie für den Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V - eine eindeutige Einordnung der Schiedsperson als Vertragshelfer erfolgen sollte. Die Einschränkung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V wird damit begründet, dass durch die bisherige Formulierung der Eindruck habe entstehen können, es handele sich bei dem Schiedsspruch um einen Verwaltungsakt. Mit der Streichung werde "klargestellt, dass dies nicht der Fall ist, sondern dass die Schiedsperson analog § 317 BGB als Vertragshelfer tätig wird". Inhaltlich knüpft die Gesetzesbegründung damit an die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege an. Dies wird in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) verdeutlicht, in der unter ausdrücklichem Hinweis auf die genannte Entscheidung des 3. Senats des BSG ausgeführt wird, dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V eine Klarstellung in Richtung auf die Einordnung auch der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer herbeigeführt werden soll. Davon ist im Übrigen auch der 3. Senat in einer Entscheidung vom 8.10.2014 (B 3 KR 7/14 R - SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) ausgegangen.

41

Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 73b Abs 4a SGB V mit dem GKV-VStG auch auf die "insoweit vergleichbare(n) Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII"(BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) Bezug nehme. Zutreffend ist allerdings, dass Entscheidungen der Schiedsstellen zur Vergütung von Einrichtungen und Diensten im Bereich der Sozialhilfe nach ständiger Rechtsprechung in der Form eines Verwaltungsakts ergehen. Dies hat das BVerwG bereits zu der § 80 SGB XII im Wesentlichen entsprechenden Vorgängerregelung des § 94 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entschieden(vgl BVerwGE 108, 47). Daran hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78 = Juris RdNr 14; anders zunächst der 3. Senat des BSG: BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4)auch nach der Einführung des § 93b Abs 1 Satz 4 BSHG festgehalten, der bestimmte, dass die Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist. Der Qualifizierung dieses Schiedsspruchs als Verwaltungsakt hat sich der für Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständige 8. Senat des BSG bezogen auf die seit dem 1.1.2005 geltende entsprechende Rechtslage mit einer entsprechenden Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII angeschlossen(BSG SozR 4-3500 § 77 Nr 1, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage in diesem Verfahren "sui generis" vgl auch BSG SozR 4-3500 § 76 Nr 1 RdNr 12, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

42

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus all dem jedoch nicht geschlossen werden, dass mit dem Hinweis auf § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII die im ersten Teil der Gesetzesbegründung eindeutig zum Ausdruck kommende Orientierung am "Vertragshelfermodell" wieder in Frage gestellt würde. Die Formulierung in der Gesetzesbegründung, nach der sich die Regelung "am Wortlaut der insoweit vergleichbaren Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII" orientiert, bezieht sich erkennbar allein auf die Anfügung des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ("Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson."). Dies wird zum einen durch die Verwendung des Wortes "insoweit" und zum anderen daran deutlich, dass nicht der gesamte § 77 Abs 1 SGB XII in Bezug genommen wird, sondern allein dessen Satz 5, der mit dem eingefügten § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V fast wörtlich übereinstimmt. Die Streichung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson wird also nicht mit Hinweis auf § 77 Abs 1 SGB XII begründet, sondern mit dem Ziel klarzustellen, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde tätig wird. Allein bezogen auf die Ergänzung des § 73b Abs 4a SGB V um einen neuen Satz 5 verweist die Gesetzesbegründung auf die fast wortgleiche Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII.

43

Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des BVerwG war die Regelung, nach der sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen die Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson richten, im Übrigen auch nicht Anknüpfungspunkt für die Einordnung des Schiedsspruchs im Sozialhilferecht als Verwaltungsakt. Das BVerwG (vgl BVerwGE 116, 78, 82 f) hat die Entscheidung der Schiedsstelle keineswegs wegen der Regelung, nach der die Klage gegen die andere Vertragspartei zu richten ist, als Verwaltungsakt qualifiziert, sondern vielmehr trotz der Einführung dieser Regelung und entgegen einer in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung (Münder in LPK-BSHG, 5. Aufl 1998, § 94 RdNr 2; Gottlieb, NDV 2001, 257, 261; Wabnitz, ZfJ 2001, 33, 37; vgl auch BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4) an seiner bereits zuvor bestehenden Rechtsprechung zur Einordnung des Schiedsspruchs nach § 77 Abs 1 SGB XII als Verwaltungsakt festgehalten.

44

Im Übrigen - also mit Ausnahme des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V - unterscheidet sich die Regelung zum Schiedsverfahren nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII grundlegend von der zur Festlegung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Qualifizierung der Schiedsstelle nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII als Behörde und deren Schiedsspruch als Verwaltungsakt stehen deshalb nicht im Widerspruch zur Einordnung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer. Abgesehen davon, dass nach § 77 Abs 1 Satz 3 SGB XII nicht eine natürliche Person, sondern eine Schiedsstelle entscheidet, die gemäß § 80 Abs 2 Satz 1 SGB XII mit Vertretern der Vertragsparteien und einem unparteiischen Vorsitzenden besetzt ist, spricht für den Charakter dieser Schiedsstelle als Behörde auch die Formulierung in § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII, nach der es einer Nachprüfung der Entscheidung in einem Vorverfahren nicht bedarf. Genau diese Formulierung (die sich vor dem 1.1.2005 in § 93b Abs 1 Satz 5 BSHG und vor der Einführung des § 93b BSHG zum 1.1.1999 in § 93 Abs 3 Satz 4 Halbsatz 1 BSHG fand) hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78, 81 f) zur Begründung seiner Auffassung herangezogen, dass der Gesetzgeber diese Schiedsstellenentscheidung - trotz der Regelung, nach der eine Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist - als Verwaltungsakt ausgestalten wollte. Eine § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII entsprechende Formulierung findet sich in § 73b Abs 4a SGB V aber nicht.

45

ff) Danach ist mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG geklärt, dass es sich bei der Schiedsperson, die im Konfliktfall den Inhalt des Vertrages zur HzV feststellt, nicht um eine Behörde handelt und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht(ebenso: Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15d, 15f; Huster in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 17; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 251; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 22; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 23; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 64; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b RdNr 69; SG München Urteil vom 16.7.2014 - S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 27; aA Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1; LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 3.6.2014 - L 7 KA 12/14 B ER - Juris).

46

gg) Die Zuordnung der Schiedsperson für die HzV zum Modell "Vertragshelfer" anstelle des Modells "Schiedsamt" bezieht sich nicht allein auf die Zeit seit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1.1.2012. Wie oben dargelegt, entsprach § 73b Abs 4a SGB V bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend der für die häusliche Krankenpflege geltenden Regelung zur Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V, für die jedenfalls seit der Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) die Einordnung als Vertragshelfer geklärt ist. Die rechtliche Einordnung des Schiedsspruchs der Schiedsperson in der HzV war gleichwohl bis zum Inkrafttreten des GKV-VStG zum 1.1.2012 nicht geklärt, sondern in der og Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 ausdrücklich offengelassen worden. Unter diesen Umständen war der Gesetzgeber nicht gehindert, eine Klarstellung herbeizuführen. Dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V sowie der Anfügung eines neuen Satzes 5 die in der og Entscheidung des 3. Senats des BSG vom 25.11.2010 offengelassene Frage geklärt werden sollte und dass die Regelung somit nur der Klarstellung des bereits zuvor Gewollten dienen sollte, kommt sowohl in der Begründung des Regierungsentwurfs eines GKV-VStG (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Nr 13) als auch in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) eindeutig zum Ausdruck.

47

3. Die Klägerin kann auch nicht - entsprechend dem Antrag zu 2. - die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V erreichen.

48

Soweit der 3. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V von der Statthaftigkeit einer sog Ersetzungsklage ausgegangen ist, mit der dem Gericht aufgegeben werden soll, den Inhalt des Vertrages bei Unbilligkeit der Festlegungen der Schiedsperson zu bestimmen, folgt der Senat dem für die HzV nach § 73b SGB V nicht. §§ 317 ff BGB treffen Regelungen für Konstellationen, in denen sich die Parteien zuvor aus freiem Willen auf eine Schiedsperson geeinigt haben, der die Aufgabe übertragen wird, den Vertrag rechtsgestaltend zu ergänzen. Die Schiedsperson hat also lediglich vertragsausfüllende und vertragsergänzende Funktion (vgl Schnapp, NZS 2010, 241, 245, mwN). Auf die Verträge zur HzV, deren Inhalt vollständig gegen den Willen der Krankenkasse von einer durch die zuständige Aufsichtsbehörde bestimmten Schiedsperson festgelegt werden kann (vgl § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 und 2 SGB V), sind diese Bestimmungen im Rahmen der nur entsprechenden Anwendung nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nicht uneingeschränkt übertragbar. Davon ist im Grundsatz auch schon der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 33) bezogen auf das Schiedsverfahren nach § 132a Abs 2 SGB V ausgegangen, indem er abweichend von § 319 Abs 1 Satz 1 BGB nicht darauf abgestellt hat, ob die durch die Schiedsperson getroffene Bestimmung "offenbar unbillig" ist, sondern die einfache "Unbilligkeit" als Voraussetzung für die Ersetzung des Schiedsspruchs durch die Entscheidung des Gerichts genügen lässt.

49

Der Überlegung, das Gericht könne im Falle der Unbilligkeit den Inhalt der Entscheidung der Schiedsperson ersetzen, liegt die Vorstellung zugrunde, vom Gericht werde ein punktuelles Eingreifen oder die Entscheidung bezogen auf einzelne zwischen den Vertragsparteien umstrittene Punkte verlangt. So liegen die Dinge etwa im Bereich des § 65c Abs 6 Satz 8 SGB V bei der Höhe der Meldevergütungen zum klinischen Krebsregister. Dabei geht es um die Vergütungshöhe für bestimmte Leistungen, die in angemessener Höhe festzusetzen sind. Bei der Festlegung des Inhalts der Verträge zwischen Krankenkassen und den Erbringern von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V stehen zumindest nach den bisherigen gerichtlichen Erfahrungen die "Preise" für die Leistungen im Mittelpunkt des Konflikts der Vertragspartner, obwohl der Schlichtungsauftrag der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 1 und 6 SGB V weitergehen kann. Ob für solche eher punktuellen Festlegungen die Ersetzungsklage mit der Konsequenz der abschließenden Entscheidung durch ein Gericht sachgerecht ist, lässt der Senat offen; er muss deshalb auch nicht beim 3. Senat anfragen, ob dieser an seiner Rechtsprechung dazu festhält. Jedenfalls ist diese Konzeption auf die Verträge nach § 73b SGB V nicht übertragbar.

50

Gerichte können nicht umfassende Vertragswerke festsetzen, Regelungen über den Datenaustausch formulieren und die Beziehungen der Partner der Verträge untereinander vollständig regeln (zu § 132a Abs 2 SGB V vgl die Bedenken von Plantholz, RsDE 64<2007>, 1, 20 f, 23). Die dazu erforderliche Kenntnis nicht zuletzt der technischen Abläufe und deren Gestaltbarkeit ist bei den Gerichten ohne die Kooperation der Vertragspartner, auf die die Schiedsperson setzen kann, nicht vorhanden; insoweit müssten regelmäßig Sachverständige hinzugezogen und möglicherweise sogar mit der Formulierung beauftragt werden. Die Gerichte könnten nur punktuell - etwa bei der Höhe der Vergütung der teilnehmenden Ärzte - nach dem Maßstab der Angemessenheit entscheiden. Soweit ersichtlich, gibt es bisher auch keine sozialgerichtliche Entscheidung, in der ein durch eine Schiedsperson festgesetzter komplexer Vertrag wegen Unbilligkeit aufgehoben und durch einen gerichtlich festgesetzten Vertragsinhalt ersetzt worden wäre.

51

Aus den genannten Gründen muss sich die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V an dem Muster der Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V orientieren: Das Gericht prüft, ob die von einem der Beteiligten gerügten Festsetzungen mit höherrangigem Recht unvereinbar sind, bezeichnet ggf solche Rechtsverstöße und stellt weiter die Verpflichtung der Vertragspartner fest, diese Verstöße zu beseitigen. Wenn das im Wege freier Verhandlungen nicht gelingt, muss erneut eine Schiedsperson tätig werden, die - wie die Partner auch - an die Rechtsauffassung gebunden ist, die dem Feststellungsurteil zugrunde liegt.

52

Der naheliegende Einwand gegen diese Rechtsschutzkonzeption, dass eine abschließende Festlegung des Vertragsinhalts nicht zeitnah gewährleistet wird, greift im Ergebnis nicht durch. Es erscheint bereits fraglich, ob die Festsetzung des komplexen Inhalts eines Vertrages zur HzV durch ein für derartige Aufgaben nicht ausgestattetes Gericht oder eine Festlegung des Vertragsinhalts unter Einbeziehung von Sachverständigen, die das Gericht zu bestellen hätte, zu einer Beschleunigung des Verfahrens beitragen könnten. Auch kann dahingestellt bleiben, ob dem Einwand der Klägerin zu folgen ist, dass die Gestaltung des vollständigen Vertragsinhalts durch das Gericht - die im Verwaltungsprozessrecht sonst keine Entsprechung finden dürfte - in Widerspruch zum Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art 20 Abs 2 Satz 2 GG geriete, weil die Gerichte allein dazu berufen sind, Verwaltungshandeln zu kontrollieren (vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 7 f unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 13 sowie BSGE 90, 42, 44 = SozR 3-8570 § 4 Nr 4). Ausschlaggebend ist, dass der Gesetzgeber den Weg der gerichtlichen Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen - und nicht deren Ersetzung durch die Gerichte - auch sonst im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung - und zwar gemäß § 89 Abs 1a SGB V auch für gesetzlich vorgeschriebene Verträge - gewählt hat. Selbst wenn ein gesetzlich vorgeschriebener Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung nicht zustande kommt und keine der Parteien bei dem Schiedsamt einen Antrag auf Herbeiführung der Einigung stellt, sieht § 89 Abs 1a Satz 1 SGB V keine Ersetzung durch die Aufsichtsbehörde, sondern lediglich ein Recht der Aufsichtsbehörde zur Anrufung des Schiedsamts vor. Solange das Schiedsamt überhaupt fristgerecht tätig wird, beschränkt sich auch die Kontrolle der Entscheidung durch die Aufsichtsbehörden gemäß § 89 Abs 5 Satz 5 SGB V auf Rechtsverstöße. Eine Festsetzung des Vertragsinhalts durch die für das Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde sieht der mit dem GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, 2210) eingeführte § 89 Abs 1 Satz 5 SGB V nur ausnahmsweise für den Fall vor, dass das Schiedsamt auch nach Fristsetzung durch die Aufsichtsbehörde untätig bleibt. Die daraus erkennbar werdende Konzeption des Gesetzgebers, zumindest im Bereich des SGB V Schiedssprüche im Regelfall nicht durch Entscheidungen der Aufsichtsbehörden und erst Recht nicht durch gerichtliche Entscheidungen zu ersetzen, sondern die Kontrolle auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit zu beschränken, ist auf die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V zu übertragen.

53

4. Richtige Klageart ist danach die Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 SGG), die die Klägerin hilfsweise erhoben hat. Diese ist auch zulässig, in der Sache aber nur zum geringen Teil begründet.

54

a) Der Zulässigkeit des in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Feststellungsantrags steht nicht entgegen, dass die Klägerin einen solchen im Revisionsverfahren bis zum Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung nicht formuliert hatte. Zwar darf das BSG über den Antrag grundsätzlich nicht hinausgehen und eine Klagänderung ist gemäß § 168 Satz 1 SGG im Revisionsverfahren unzulässig. Zulässig ist jedoch eine Erweiterung des Klagantrags im Sinne des § 99 Abs 3 SGG, soweit damit keine neuen Revisionsgründe geltend gemacht werden(vgl BSGE 31, 112, 113 = SozR Nr 55 zu § 164 SGG) und auch der Übergang von der Anfechtungsklage zur Feststellungsklage (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 99 RdNr 4 mwN). Ausschlaggebend ist, dass der historische Lebenssachverhalt, aus dem der Anspruch abgeleitet wird, unverändert geblieben ist (vgl BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 5). Das ist hier der Fall. Eine solche Erweiterung des Revisionsantrags ist auch noch nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung bis zum Schluss der mündlichen Revisionsverhandlung möglich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 10 mwN).

55

Die Klägerin hat die Klage zutreffend gegen die Beklagten als Parteien des Vertrages zur HzV gerichtet. Seit der Änderung durch das GKV-VStG regelt § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ausdrücklich, dass Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson zu richten sind. Dies galt aufgrund des Umstands, dass die Schiedsperson keine Behörde ist und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht (vgl oben 2.), auch bereits für die Zeit vor Inkrafttreten der gesetzlichen Klarstellung mWv 1.1.2012 und damit auch bereits zum Zeitpunkt der Klagerhebung am 9.9.2011 (zur Ersetzungsklage gegen die Entscheidung Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 30). Die Tätigkeit der Schiedsperson ist mit dem Erlass des Schiedsspruchs beendet (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen). Aus diesem Grund ist die Schiedsperson zu dem Verfahren um die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Vertragsinhalts auch nicht notwendig beizuladen (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 31).

56

b) Für die Begründetheit der Feststellungklage wird in der Regel auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21 mwN). Vorliegend ist jedoch - in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin - vom Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson am 9.9.2010 auszugehen. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs für den Zeitpunkt seines Ergehens geltend macht. Grundsätzlich hat sie an einer Klärung der Frage, ob der Vertrag zum Zeitpunkt seiner Festsetzung rechtmäßig war, auch ein berechtigtes Interesse. Später eintretenden Änderungen haben die Vertragsparteien gemäß § 22 Abs 2 Satz 2 des Vertrages nach den Grundsätzen von Treu und Glauben Rechnung zu tragen. Soweit diese vertragliche Regelung nicht eingreift, folgt die Möglichkeit zur Anpassung des Vertrages aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X, wobei die vertragliche Regelung Vorrang hat(vgl BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 1 RdNr 25). Nach § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X kann eine Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an geänderte Verhältnisse verlangen, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert haben, dass der Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Wenn eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, kann diese den Vertrag kündigen. Auch diese Vorschrift setzt voraus, dass Änderungen seit Abschluss des Vertrages eingetreten sind. Insofern ist für die Klägerin weiterhin von Interesse, ob der Schiedsspruch zum Zeitpunkt der Vertragsfestsetzung rechtmäßig war. Dagegen ist weder eine Anpassung noch die Kündigung des durch Schiedsspruch festgesetzten Vertrages Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, sodass es auf später eingetretene Änderungen grundsätzlich nicht ankommen kann. Die etwa infolge der Abschaffung der Praxisgebühr (Streichung des § 28 Abs 4 SGB V mit Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom 20.12.2012, BGBl I 2789) erforderlichen Anpassungen des Vertrages (vgl dazu ua § 2 Abs 4, § 13 des Vertrages) sind ersichtlich nicht aufgrund unterschiedlicher Auffassungen der Vertragspartner, sondern wegen der im Vordergrund stehenden grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten und der deshalb bisher nicht erfolgten Umsetzung des Vertrages unterblieben. Eine auf den Anpassungsbedarf bezogene gerichtliche Feststellung hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

57

Allerdings sind im vorliegenden Verfahren Änderungen der Rechtslage zu berücksichtigen, die Einfluss auf das Fortbestehen des Feststellungsinteresses der Klägerin haben. Für die Beurteilung des Feststellungsinteresses ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (zur Fortsetzungsfeststellungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 131 RdNr 10, 10i; vgl auch BSG SozR 4-2700 § 215 Nr 2 RdNr 11). Da der streitgegenständliche Vertrag zur HzV bisher nicht umgesetzt wurde, kann ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin nur bestehen, soweit es darauf für die noch bevorstehende Umsetzung des Vertrages ankommt. Bedeutung gewinnt diese Frage hier bezogen auf Vereinbarkeit des Vertrages mit Bestimmungen zum Datenschutz (vgl dazu im Einzelnen nachfolgend d ii, RdNr 90).

58

c) Die gerichtliche Kontrolle der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson richtet sich aus den og Gründen nach den in der Rechtsprechung zur Überprüfung von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V entwickelten Maßstäben. Danach unterliegt auch die Entscheidung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur in eingeschränktem Umfang der gerichtlichen Kontrolle(vgl die stRspr zu § 89 SGB V: BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 3 RdNr 18; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11 mwN). Die Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle berücksichtigt, dass Schiedspersonen - ebenso wie Schiedsämter - deren Sprüche Vereinbarungen der zum Vertragsabschluss berufenen Vertragspartner ersetzen, eine weite Gestaltungsfreiheit haben. Dies trägt dem Wesen der Schiedssprüche Rechnung, die auf Interessenausgleich angelegt sind und Kompromisscharakter haben (vgl BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5). Der Schiedsspruch ist daher nur daraufhin zu überprüfen, ob die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen beachtet und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten wurden. Mithin ist in formeller Hinsicht zu klären, ob das Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs festgestellt hat und der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennen lässt (stRspr zu § 89 SGB V vgl etwa: BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13). Die inhaltliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsperson den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (zum Schiedsamt vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 20 S 131; BSGE 86, 126, 135 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11). Die Prüfung beschränkt sich dabei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf die Beachtung von Vorschriften, die unmittelbar Rechte der Vertragsparteien zu schützen bestimmt sind (aA zur Frage der Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen auch: LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 188). Deren Betroffenheit in eigenen Rechten folgt bereits aus dem Umstand, dass sie Partner des durch die Schiedsperson festgesetzten Vertrages sind. Die Bindung an einen solchen Vertrag müssen sie nur hinnehmen, soweit die darin getroffenen Bestimmungen materiell rechtmäßig sind. Insofern hat der Umstand, dass der Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, keinen Einfluss auf den gerichtlichen Prüfungsumfang.

59

d) Die Überprüfung der Entscheidung der Schiedsperson anhand der genannten Maßstäbe ergibt, dass die Festsetzung des Vertragsinhalts allein bezogen auf die Vereinbarkeit mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz zu beanstanden ist. Im Übrigen entspricht der Schiedsspruch den rechtlichen Anforderungen.

60

aa) Einwände bezogen auf die Einhaltung verfahrensrechtlicher Anforderungen werden von den Beteiligten nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere durfte die Schiedsperson den Vertragsinhalt am 9.9.2010 festsetzen, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch ein Klageverfahren zur Frage der Rechtmäßigkeit der Bestimmung der Schiedsperson anhängig war. Da Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson gemäß § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V keine aufschiebende Wirkung haben, war die Schiedsperson trotz des anhängigen Klageverfahrens berechtigt (und verpflichtet), tätig zu werden(zur Bestellung einer Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 27, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

61

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht zu beanstanden, dass die Schiedsperson nicht allein den Beklagten zu 1. (Hausärzteverband, Landesverband Baden-Württemberg), sondern auch den Beklagten zu 2. (Medi Baden-Württemberg eV) als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag aufgenommen hat.

62

(1) Gemäß § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30.6.2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Nur die so definierten Gemeinschaften von Allgemeinärzten sind gemäß § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 SGB V berechtigt, die Einleitung eines Schiedsverfahrens zu verlangen. Diese Anforderungen müssen jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson erfüllt sein (so auch bereits Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 27; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 17.1.2011 - L 7 KA 66/10 B ER - Juris RdNr 5). Die genannten Voraussetzungen werden von den beiden Beklagten erfüllt.

63

(2) Mit dem Begriff der Allgemeinärzte sind nicht alle nach § 73 Abs 1a SGB V an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte angesprochen. Vielmehr wird der Begriff übereinstimmend mit § 73 Abs 1a Nr 1 SGB V verwendet, sodass darunter nur die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte fallen, die nach Landesrecht zur Führung der Bezeichnung "Arzt für Allgemeinmedizin" berechtigt sind. Vorbehaltlich landesrechtlicher Übergangsregelungen wird also eine fünfjährige Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin vorausgesetzt (Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 14; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 29a; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 11.10.2010 - L 11 KA 61/10 B ER - GesR 2011, 32 = Juris RdNr 35 ff; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 31 ff; vgl auch BT-Drucks 16/10609 S 54). Diesen Begriff der "Allgemeinärzte" hat die Schiedsperson ihrer Prüfung, ob die og 50 %-Quote erreicht wird, zutreffend zugrunde gelegt. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.

64

(3) Gemeinschaften, die die Einleitung eines Schiedsverfahrens beantragen können, müssen nach § 73b Abs 4 Satz 1 und 2, Abs 4a Satz 2 SGB V mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV "vertreten". Dass die Beklagten zu 1. und zu 2. gemeinsam diese Quote erfüllen, wird zu Recht auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V verwendete Begriff "vertreten" wird jedenfalls nicht als eine Vertretung im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Handlung im fremden Namen(§ 164 BGB) verstanden werden können. Vielmehr schließen die in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaften die Verträge mit den Krankenkassen im eigenen Namen ab. Ausschlaggebend ist daher die Zahl der Mitglieder der Gemeinschaft (so auch die ganz hM vgl zB Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; Huster, NZS 2010, 69, 70; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 128; ders in Orlowski/Rau/Schermer/ Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 31b; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 35; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Wie in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen dargelegt wird, waren 3492 der insgesamt 5089 in Baden-Württemberg an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte für Allgemeinmedizin und damit deutlich mehr als die Hälfte Mitglied einer der beiden Beklagten. Allein bei dem Beklagten zu 1. (Hausärzteverband Baden-Württemberg) waren 2742 der in Baden-Württemberg zugelassenen Fachärzte für Allgemeinmedizin Mitglied. Weil mindestens 2566 Allgemeinärzte - und damit ebenfalls mehr als die Hälfte - die beiden Verbände auch mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hatten, wäre die og Voraussetzung hier im Übrigen auch erfüllt, wenn eine Mandatierung erforderlich wäre.

65

Die Klägerin ist allerdings der Auffassung, dass jedenfalls der Beklagte zu 2. die gesetzlich geregelte Quote nicht erfüllen würde und dass dieser deshalb nicht als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag zur HzV hätte aufgenommen werden dürfen. Die Erfüllung der Quote sei bezogen auf jeden einzelnen Verband zu prüfen, sodass die gemeinsame Erfüllung durch mehrere Verbände nicht genüge. Dies trifft indes nicht zu. Zwar waren nur 1267 Allgemeinärzte und damit weniger als die Hälfte der in Baden-Württemberg zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Allgemeinärzte Mitglied des Beklagten zu 2. Darauf kommt es indes nicht an. Vielmehr genügt, dass beide Beklagten als Vertragspartner der Klägerin gemeinsam mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte vertreten und zum gemeinsamen Vertragsschluss zu identischen Konditionen bereit waren und sind.

66

Der Begriff der "Gemeinschaften" wird gesetzlich nicht definiert. Der entsprechende Begriff in § 741 BGB wird nach dem Sinn der Regelung offensichtlich nicht in Bezug genommen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass keine Beschränkung auf eine bestimmte Rechtsform beabsichtigt war und dass weder eine innere noch eine äußere Organisationsstruktur vorgegeben wird (ebenso Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Huster, NZS 2010, 69, 70; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 73b RdNr 13; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 16; vgl auch Bayerisches LSG Beschluss vom 27.6.2009 - L 12 KA 33/09 B ER - GesR 2009, 477, 480). Ausschlaggebend ist allein die soziale Mächtigkeit der Gemeinschaft und die daraus folgende Möglichkeit, eine flächendeckende Versorgung zu organisieren (Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127 f; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Huster, NZS 2010, 69, 70; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Diese Auffassung wird insbesondere durch die in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/10609 S 53 f) zum Ausdruck kommende Zielsetzung der Regelung gestützt. Danach sollte mit der zum 1.1.2009 eingeführten Neuregelung durch das GKV-OrgWG vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) das mit dem GKV-WSG eingeführte eigenständige Verhandlungsmandat der Gemeinschaft von Hausärzten gestärkt werden. Gemeinschaften, die die 50 %-Quote erfüllen, gewährleisteten, dass eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung durch den Vertragsschluss erreicht werden könne. Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung ist davon auszugehen, dass sich Kooperationen nicht nur - wie ausdrücklich gesetzlich geregelt (§ 73b Abs 4 Satz 1 SGB V)- auf Seiten der Krankenkassen, sondern auch auf Seiten der Hausärzte an dem Vertrag zur HzV beteiligen können. Dem gesetzgeberischen Ziel, eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur HzV zu erreichen, wird schon Rechnung getragen, wenn nicht jeder einzelne Verband, sondern nur die Kooperation von Hausarztverbänden die genannte Quote erfüllt (so auch das dem Schriftsatz der Klägerin vom 12.2.2015 als Anlage RK 29 übersandte "Ergebnisse der Besprechung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 22.1.2009 zu Fragestellungen/Problemen im Zusammenhang mit § 73b SGB V in der Fassung vom 1.1.2009", S 3 unter III. 2.; ausdrücklich bezogen auf die beiden Beklagten des vorliegenden Verfahrens: Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 32).

67

cc) Der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV verletzt nicht den Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V. Entgegen der Auffassung der Klägerin findet dieser Grundsatz auf den vorliegenden, vor dem 22.9.2010 zustande gekommenen Vertrag keine Anwendung.

68

(1) In der hier maßgebenden Fassung des § 73b SGB V vor der Änderung durch das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2309) war die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die HzV nicht geregelt. Die Einfügung des § 73 Abs 5a SGB V mit dem GKV-FinG, in dessen Satz 1 bestimmt wird, dass bei der zwischen den Krankenkassen und den die Allgemeinärzte vertretenden Gemeinschaften der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71 SGB V zu beachten ist, gilt ausdrücklich nur für nach dem 22.9.2010 zustande gekommene Verträge. Der hier zu beurteilende Vertrag ist bereits mit der Festsetzung durch die Schiedsperson vom 9.9.2010 und damit bis zum 22.9.2010 zustande gekommen.

69

Die Beschränkung der Geltungsdauer der Bestandsschutzregelung nach § 73b Abs 5a Satz 5 SGB V idF des GKV-FinG auf die Zeit bis zum 30.6.2014 greift nicht ein, weil diese Frist nur für Anschlussvereinbarungen und nicht für den hier zu beurteilenden, bis zum 22.9.2010 geschlossenen Vertrag selbst gilt. Im Übrigen ist § 73b Abs 5a SGB V mit dem dort geregelten Grundsatz der Beitragssatzstabilität durch das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch(14. SGB V-Änderungsgesetz - 14. SGB V-ÄndG) vom 27.3.2014 (BGBl I 261) mWv 1.4.2014 aufgehoben worden, sodass diese Regelung auch im Falle einer Kündigung des Vertrages zur HzV keine Wirkung mehr entfalten könnte.

70

§ 73b SGB V in der hier maßgebenden Fassung unterscheidet sich damit zB von der die Gesamtvergütung betreffenden Bestimmung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V idF vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2013, der die Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) für die Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen anordnete. Allein der Umstand, dass es in § 73b SGB V an einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung für die HzV fehlt, schließt die Geltung dieses Grundsatzes allerdings noch nicht aus. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität allgemein für die im Vierten Kapitel des SGB V geregelten Vergütungsvereinbarungen gilt, ohne dass es einer auf die jeweilige Vergütungsvereinbarung bezogenen speziellen Regelung bedarf. Dies hat der Senat insbesondere aus dem Standort des § 71 SGB V im Abschnitt "Allgemeine Grundsätze" des Vierten Kapitels abgeleitet(BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 17). Bei dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität handelt es sich um eine verbindliche gesetzliche Vorgabe, die auch bei Schiedssprüchen zu beachten ist und die eine verbindliche Grenze für Vergütungsvereinbarungen darstellt (vgl BSGE 86, 126, 135 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 296 f; BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 15 f mwN).

71

Dies gilt jedoch nur, soweit keine Ausnahme eingreift. Solche Ausnahmen und Einschränkungen sind für unterschiedliche Vergütungsvereinbarungen im Vierten Kapitel des SGB V enthalten. So gilt nach § 87a Abs 3 Satz 2 letzter Halbsatz SGB V in der Fassung des GKV-WSG der vereinbarte Behandlungsbedarf als "notwendige medizinische Versorgung" im Sinne des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V mit der Folge, dass die Beschränkungen aus dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität für Gesamtvergütungen in der vertragsärztlichen Versorgung seit 2009 insoweit nicht eingreifen(vgl BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 41). Für die integrierte Versorgung bestimmt § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht für Verträge gilt, die bis zum 31.12.2008 geschlossen worden sind. Für die zahnärztliche Versorgung ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität mit der Änderung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V zwar nicht aufgehoben, aber eingeschränkt worden, indem nicht mehr die Beachtung, sondern nur noch dessen Berücksichtigung vorgeschrieben wird(vgl dazu Axer, GesR 2013, 135, 138 f). Eine ähnliche Einschränkung enthält § 134a Abs 1 Satz 2 SGB V für die Versorgung mit Hebammenhilfe.

72

Für die HzV folgt eine Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V. Danach können Einzelverträge Abweichungen von den Vorschriften "dieses Kapitels" - also des Vierten Kapitels des SGB V - sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. Das Vierte Kapitel umfasst die §§ 69 bis 140h SGB V und damit auch § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; ähnlich Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 257 f; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

73

Eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität kann entgegen der Auffassung von Ebsen aus dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (Rechtliche Anforderungen an das Handeln der Schiedsperson für die Festlegung des Inhalts des Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b Abs 4a SGB V, Rechtsgutachten im Auftrag des AOK-Bundesverbandes aus Juli 2009, unveröffentlicht, RdNr 55) auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V die Nichtgeltung für die Verträge zu integrierten Versorgungsformen ausdrücklich anordnet, während § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V für die HzV nur allgemein Ausnahmen von den Vorschriften des Vierten Kapitels zulässt. Zwar trifft es zu, dass sich der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V mit dem GKV-WSG ua an § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V anlehnen wollte(BT-Drucks 16/3100, S 112), der Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels betrifft. § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, der die Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die integrierte Versorgung ausdrücklich regelt, bleibt in der Gesetzesbegründung zu § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V hingegen unerwähnt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels nur mit Ausnahme des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität zulassen würde. Im Wortlaut der Regelung findet eine solche einschränkende Auslegung keine Grundlage. Der im Gutachten von Ebsen gezogene Vergleich zwischen den für die HzV und den für die integrierte Versorgung geltenden Regelungen berücksichtigt zudem nicht hinreichend, dass § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels des SGB V nicht umfassend, sondern nur insoweit zulässt, als "die abweichende Regelung dem Sinn und der Eigenart der integrierten Versorgung entspricht, die Qualität, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der integrierten Versorgung verbessert oder aus sonstigen Gründen zu ihrer Durchführung erforderlich ist". Da § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels umfassend zulässt, bedurfte es keiner § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V entsprechenden speziellen Regelung zur Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität. Im Übrigen vertritt auch Ebsen nicht die Auffassung, dass die Krankenkassen bei Verträgen zur HzV den Grundsatz der Beitragssatzstabilität umfassend zu beachten hätten. Vielmehr will er den "unternehmerisch" im Wettbewerb stehenden Krankenkassen für freiwillige Vereinbarungen einen größeren Spielraum zubilligen und lediglich den Gestaltungsspielraum der Schiedsperson beschränken (vgl RdNr 31 ff, 61 des Gutachtens). Indes ist die Gestaltungsfreiheit der Schiedsperson nicht geringer als diejenige der Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung. Insofern gilt für Schiedssprüche von Schiedspersonen nichts anderes als für solche der Schiedsämter (vgl zum Gestaltungsspielraum von Schiedsämtern BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 73 RdNr 15; BSGE 86, 126, 134 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295 mwN).

74

Etwas anderes folgt auch nicht aus § 73b Abs 8 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des GKV-WSG, die im Übrigen mit der seit dem 1.4.2014 (wieder) geltenden Fassung des 14. SGB V-ÄndG übereinstimmt. Nach dieser Vorschrift können die Parteien des Vertrages zur HzV vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach § 73b Abs 7 SGB V fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanziert werden, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach § 73b Abs 4 SGB V erzielt werden. Aus der Formulierung "können vereinbaren" folgt, dass es sich nicht um eine für die Vertragspartner verbindliche Vorgabe handelt. Damit übereinstimmend hat der Gesundheitsausschuss, auf dessen Empfehlung die Regelung mit dem GKV-WSG eingeführt worden ist, zur Begründung angegeben, dass es sich um eine Klarstellung handele. In den Verträgen zu HzV könne vereinbart werden, zusätzliche Vergütungen durch Einsparungen zB bei den veranlassten und verordneten Leistungen zu generieren (BT-Drucks 16/4247 S 36).

75

Dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität für die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV keine Geltung beansprucht, findet seine Bestätigung in der Änderung des § 73b SGB V mit dem GKV-FinG. Der mit diesem Gesetz neu eigeführte § 73b Abs 5a SGB V sah in Satz 1 eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ausdrücklich nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge vor. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/3040 S 23) entsprach es auch dem Willen des Gesetzgebers, die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV von der Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität auszunehmen. Danach sollte es für diese Verträge bei der "im bisherigen Recht angelegten Vertragsfreiheit der Vertragsparteien auch im Hinblick auf die Vergütungshöhe" bleiben.

76

Auch die Motive, die den Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zum 14. SGB V-ÄndG (BT-Drucks 18/606 S 11) zur Aufhebung des § 73b Abs 5a SGB V und zur "Rückführung" des Abs 8 auf die vor dem GKV-FinG geltende Fassung mWv 1.4.2014 veranlasst haben, sprechen dafür, dass es sich bei den Änderungen durch das GKV-FinG - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht nur um eine Klarstellung bezogen auf den ohnehin geltenden Grundsatz der Beitragssatzstabilität gehandelt hat, sondern dass dieser Grundsatz im Bereich der HzV allein aufgrund des - mit dem 14. SGB V-ÄndG wieder aufgehobenen - § 73b Abs 5a SGB V und damit auch nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV galt. Nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Änderung zurückgeht, sollten die mit dem GKV-FinG eingeführten Vergütungsbeschränkungen wieder aufgehoben werden, "da sie sich als Hemmnis für den Abschluss von Verträgen über eine hausarztzentrierte Versorgung erwiesen haben". Die Vertragspartner sollten - auch für Vereinbarungen über solche Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen - die Möglichkeit erhalten, Vergütungsvereinbarungen zu treffen, ohne hierbei starren Begrenzungen zu unterliegen. Entscheidend sei, dass der Vertrag "insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot" entspreche. Die Gestaltungsspielräume der Vertragspartner sollten bezogen auf die Vergütung erweitert und die Möglichkeiten zur Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte verbessert werden.

77

(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die Vergütung in der HzV auch nicht aus den für die für Wahltarife geltenden Bestimmungen des § 53 Abs 3, Abs 9 SGB V hergeleitet werden. Allerdings weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass die Krankenkassen nach § 53 Abs 3 SGB V verpflichtet sind, in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen - ua nach § 73b SGB V - teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Daran anknüpfend schreibt § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V vor, dass die Aufwendungen für jeden Wahltarif jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden müssen. Danach sei - so die Klägerin - der Abschluss eines Hausarztvertrages ausgeschlossen, der Mehrkosten vorsehe, ohne dass deren Gegenfinanzierung gesichert sei. Der vorliegende Vertrag zur HzV enthalte Regelungen zu Mehrausgaben, deren Gegenfinanzierung spekulativ bleibe.

78

Indes betrifft die Regelung zu den Wahltarifen das Verhältnis der Krankenkassen zu den Versicherten und nicht das Leistungserbringungsrecht. Ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 53 Abs 9 SGB V könnte deshalb nur die Rechtsmäßigkeit der Satzung der Krankenkasse berühren und nicht die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; vgl Mehdorn, ZMGR 2012, 3, 12; ebenso bezogen auf einen Vertrag nach § 73c SGB V: SG Berlin Urteil vom 13.10.2010 - S 83 KA 443/08 - MedR 2011, 124, 128). Dies räumt auch Ebsen in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (aaO, RdNr 74) im Grundsatz ein, macht jedoch geltend, dass es den Kassen auch bei Verträgen mit Leistungserbringern selbstverständlich verboten sei, Vereinbarungen zu treffen, die zu einem Verstoß gegen ihre Pflichten im Versicherungsverhältnis führten. Dem kann zwar im Grundsatz zugestimmt werden. Der Senat hat Bedenken gegen die Auffassung des SG München aus der Entscheidung vom 16.7.2014 (S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 47 f), nach der ein Vertrag zur HzV bereits deshalb nicht gegen § 53 Abs 9 SGB V verstoßen könne, weil die möglicherweise durch diesen Vertrag verursachten Mehrkosten keine "Aufwendungen für den Wahltarif" im Sinne des § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V seien und dass diese deshalb auch nicht durch Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen gegenfinanziert werden müssten. Der Begriff der "Aufwendungen für den Wahltarif" dürfte im Grundsatz umfassender zu verstehen sein als das SG München annimmt (zu Mindereinnahmen als "Aufwendungen für den Wahltarif" vgl BSGE 109, 230 = SozR 4-2500 § 53 Nr 2, RdNr 21). Für das vorliegende Verfahren kommt es darauf indes nicht an. Jedenfalls kann die eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der HzV nicht über das Verbot der Quersubventionierung von Wahltarifen aus § 53 Abs 9 SGB V unterlaufen werden(in dieser Richtung auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35 = Juris RdNr 48). Maßgebend ist die - für das Leistungserbringungsverhältnis vorrangige - Regelung des § 73b SGB V. Daher ist § 53 Abs 9 SGB V insoweit einschränkend auszulegen. Soweit die Vertragspartner des HzV von der Gestaltungsfreiheit Gebrauch machen, die der Gesetzgeber ihnen mit der bereichsspezifischen Ausnahme vom Gebot der Beitragssatzstabilität einräumen wollte, kann allein darin kein Verstoß gegen das Verbot der Quersubventionierung aus § 53 Abs 9 SGB V liegen.

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(3) Die für die HzV geltende Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität und die daraus folgende Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 53 Abs 9 SGB V begegnet entgegen der Auffassung der Klägerin auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass sich die Sozialversicherungsbeiträge durch eine strenge grundrechtlich und kompetenzrechtlich begründete Zweckbindung auszeichnen und dass die unter Eingriff in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art 2 Abs 1 GG zustande gekommene Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung die Auferlegung nur solcher Geldleistungen zu rechtfertigen vermag, die ihren Grund und ihre Grenze in den zwingenden Aufgaben der Sozialversicherung finden (vgl BVerfGE 113, 167, 203 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 55). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ist in einem Sozialstaat überragend wichtiges Gemeinschaftsgut (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139). Daraus folgt jedoch nicht, dass der in § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V definierte Grundsatz der Beitragssatzstabilität von der Verfassung vorgegeben wäre(zur Einschränkung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der vertragszahnärztlichen Versorgung vgl Axer, GesR 2013, 135, 140). Vielmehr hat der Gesetzgeber im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139; BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 103, 172, 185 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27; BVerfGE 44, 70, 89 = SozR 5420 § 94 Nr 2 S 2). Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind von der Rechtsprechung zu akzeptieren, solange seine Entscheidungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 89, 365, 376 = SozR 3-2200 § 385 Nr 4 S 4).

80

Das Ziel der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung hat der Gesetzgeber mit der Einführung der HzV nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil ist die Verpflichtung der Krankenkassen, ihren Versicherten eine flächendeckende hausarztzentrierte Versorgung zur Verfügung zu stellen, mit dem Ziel eingeführt worden, die Versorgungsqualität zu verbessern und Wirtschaftlichkeitsreserven ua durch Verbesserungen im Bereich Pharmakotherapie, durch den Einsatz von wissenschaftlich begründeten und praxiserprobten hausärztliche Leitlinien und durch eine zielgerichtetere Fortbildung zu erschließen (vgl BT-Drucks 16/3100 S 111 f). Auf die Geltung von Vorschriften des Vierten Kapitels einschließlich des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität hat der Gesetzgeber dabei im Interesse eines weiten Gestaltungsspielraums der Vertragspartner und in der Erwartung verzichtet, dass dieser unter der Beteiligung der Krankenkassen als Vertragspartner im Sinne der og Zielsetzung ausgefüllt wird. Anhaltspunkte dafür, dass diese Erwägungen offensichtlich unzutreffend oder aus anderen Gründen mit der Wertordnung der Verfassung unvereinbar wären, sind weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich. Bei der Einführung neuer Strukturen im Bereich der Leistungserbringung wie dem flächendeckenden Angebot einer HzV können die finanziellen Auswirkungen regelmäßig nicht mit Sicherheit prognostiziert werden. Allein daraus folgt jedoch noch keine Überschreitung des Handlungsspielraums des Gesetzgebers.

81

Auch eine Ungleichbehandlung der Versicherten und damit ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG ist mit der Einführung der HzV entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verbunden, soweit alle Krankenkassen ihrer gesetzlichen Pflicht aus § 73b Abs 1 SGB V nachkommen, ihren Versicherten eine HzV anzubieten, weil dann alle Versicherten die Möglichkeit haben, diese Leistung in Anspruch zu nehmen. Mit der vorliegenden Entscheidung stellt der Senat klar, dass die Klägerin dieser bereits seit Inkrafttreten der Änderungen durch das GKV-WSG zum 1.4.2007 gesetzlich geregelten Verpflichtung nachzukommen hat.

82

dd) Zu beachten bleibt das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot, das seine Grundlage nicht allein in § 70 Abs 1 SGB V und damit einer Vorschrift aus dem nach § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V nicht zwingend anwendbaren Vierten Kapitel, sondern auch in § 2 Abs 4, § 12 SGB V hat. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Für die Geltung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots spricht im Übrigen die Begründung der der Streichung des § 73b Abs 5a SGB V mit dem 14. SGB V-ÄndG zugrunde liegenden Empfehlung des Gesundheitsausschusses (BT-Drucks 18/606 S 11). Danach bleibt entscheidend, "dass der Vertrag insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht". Dagegen gilt die mit der Änderung des § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V durch das 14. SGB V-ÄndG eingeführte Verpflichtung, Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren, nicht für den vorliegenden, am 9.9.2010 festgesetzten Vertrag zur HzV, sondern nur für Verträge, die nach dem 31.3.2014 zustande gekommen sind.

83

Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag entspricht dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade in der Phase der Einführung der flächendeckenden HzV keine hohen Anforderungen an die Prognose der wirtschaftlichen Auswirkungen gestellt werden können. Für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung durch die Schiedsperson ist ausschlaggebend, dass die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Gesichtspunkte erkannt, gegeneinander abgewogen worden sind und Eingang in die Begründung gefunden haben. Die Anforderungen an die Begründung dürfen auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Schiedsperson keinen eigenen Verwaltungsapparat unterhält, nicht überspannt werden (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 38). Den so definierten Anforderungen wird die ausführliche Begründung der Entscheidung der Schiedsperson ohne Weiteres gerecht. Dabei wird - wie die Klägerin zutreffend geltend macht - in der Begründung des Schiedsspruchs nicht in Zweifel gezogen, dass zB mit der vorgesehenen kontaktunabhängigen Pauschale (65 Euro pro Versichertenteilnahmejahr) oder der Chronikerpauschale (30 Euro maximal einmal pro Quartal und maximal 4-mal pro Versichertenteilnahmejahr) Vergütungstatbestände in die HzV aufgenommen worden sind, die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen keine Entsprechung finden und dass insgesamt mit einer Erhöhung des Fallwertes zu rechnen ist. Prognostiziert wird eine Erhöhung um 12,38 Euro im Vergleich zur Regelversorgung. Ferner wird ausgeführt, dass die dadurch verursachten Kosten und auch die erzielten Einsparungen nicht genau zu prognostizieren seien. Allerdings gebe es mit der Vergütungsobergrenze nach § 10 Abs 9 des Vertrages (76 Euro) Regelungen, die geeignet seien, das Risiko der Krankenkassen zu begrenzen. Einsparungen könnten ua aufgrund der Verpflichtung der Versicherten erwartet werden, Fachärzte nur auf Überweisung in Anspruch zu nehmen. Dies führe zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen. Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass jeder Facharztbesuch auch Folgekosten bei den veranlassten Leistungen nach sich ziehe, sodass eine - medizinisch vertretbare - verminderte Inanspruchnahme von Überweisungen zu Fachärzten auch geringere Folgekosten bedinge. Ein gewisses Einsparpotenzial ergebe sich des Weiteren durch die Verpflichtung der Hausärzte, bei der Arzneimittelversorgung die von den Vertragspartnern der HzV zur Verfügung gestellte Software zu verwenden, die gerade bei Original-Präparaten ermöglichen solle, dass der Hausarzt wirtschaftliche Verordnungen vornehmen könne. Insgesamt werden finanzielle Risiken und Einsparpotenziale in der Begründung des Schiedsspruchs ausführlich dargestellt und gegeneinander abgewogen. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung erster Erfahrungen mit ähnlichen Verträgen (Vertrag der BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für Baden-Württemberg, AOK Bayern-Vertrag) kommt die Schiedsperson nachvollziehbar zu der Einschätzung, dass in Umsetzung des Vertrages eine wirtschaftliche Leistungserbringung durch die teilnehmenden Hausärzte erwartet werden kann.

84

ee) Dagegen kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Schiedsperson lediglich einen unvollständigen "Vertragstorso" festgesetzt habe. Zwar trifft es zu, dass die Schiedsperson die vorgesehenen Anlagen zum Vertrag nicht vollständig festgesetzt, sondern teilweise der weiteren Vereinbarung durch die Vertragsparteien überlassen hat (etwa zum Hilfsmittelmanagement und zu verschiedenen Vergütungszuschlägen, die ua eine wirtschaftliche Verordnungsweise fördern sollen). Gerade in der Anfangsphase nach Einführung der flächendeckenden HzV ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Vertragsparteien in der Phase der Umsetzung des Vertrages weitere Konkretisierungen und Ergänzungen vornehmen. Ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV ist allein, ob dieser in der vorliegenden Form umgesetzt werden kann. Daran hat der Senat keine Zweifel.

85

ff) Auch der Einwand der Klägerin, die Schiedsperson habe in Verkennung des rechtlichen Rahmens angenommen, dass die HzV nur als Vollversorgungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag vereinbart werden dürfe, sie habe dadurch ihren Gestaltungsspielraum verkannt und dies allein führe zur Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs, greift nicht durch. Dass die HzV jedenfalls auch in der Form eines sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrages vereinbart werden kann, der die bisherige Regelversorgung nach § 73 SGB V umfasst und diese nicht lediglich ergänzt, unterliegt keinem Zweifel. Auf die umstrittene Frage, ob eine HzV in Form eines sog Add-on-Vertrages den gesetzlichen Vorgaben entsprechen würde (gegen die Rechtmäßigkeit von Add-on-Verträgen auf der Grundlage des § 73b SGB V: Hess in Kasseler Komm, Stand Dezember 2014, § 73b SGB V RdNr 3; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 47; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 27 f; mit dieser Tendenz auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 8 ff; ähnlich: Sproll in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Februar 2015, § 73b SGB V RdNr 8: "Beide Versorgungsformen schließen sich gegenseitig aus" sowie Orlowski, ZMGR 2009, 124, 125: HzV als "eigenständig zu regelnde einzelvertragliche Versorgung"; anders jedoch Huster, SGb 2010, 253 ff; ders in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 21; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 6; SG Marburg Urteil vom 3.8.2011 - S 12 KA 237/10 - Juris RdNr 29 ff), kommt es für die Entscheidung nicht an. Jedenfalls hat die Schiedsperson mit der Festsetzung eines Vollversorgungsvertrages ihren möglichen Entscheidungsspielraum nicht überschritten. In der Begründung des Schiedsspruchs wird die Auffassung vertreten, dass allein die Vereinbarung eines Vollversorgungsvertrages der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Die Frage, ob deshalb ein Add-on-Vertrag rechtswidrig wäre, wird aber letztlich offengelassen. Die Schiedsperson weist zur weiteren Begründung ua darauf hin, dass sie sich in Ausübung ihres billigen Ermessens für einen Vollversorgungsvertrag entschieden habe, weil dieser den Krankenkassen und den Hausarztgemeinschaften die Möglichkeit eröffne, strukturelle Verbesserungen in der Leistungserbringung für die Versicherten vorzunehmen, während Add-on-Verträge nur punktuelle Ansätze böten. Damit hat die Schiedsperson die Entscheidung für einen Vollversorgungsvertrag den Anforderungen entsprechend begründet.

86

gg) Der Vertrag ist auch nicht rechtswidrig, soweit er in § 6 sowie in den Anlagen 4 und 6 Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der HzV enthält, die in einzelnen Punkten (Verbleib des Originals der Teilnahmeerklärung bei der Krankenkasse oder in der Arztpraxis, Frist zwischen der Abgabe der Teilnahmeerklärung und dem Beginn der Teilnahme des Versicherten, Kündigungsfrist für die Teilnahme, Frist für den Wechsel des Hausarztes, ua) vom Inhalt der Satzung der Klägerin abweichen. Zwar trifft der Einwand der Klägerin zu, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 3 Satz 4 SGB V idF des GKV-WSG (heute: Satz 7) bisher(zu der im Entwurf eines GKV-VSG vorgesehenen Änderung vgl BT-Drucks 18/4095 S 16 f zu Art 1 Nr 27 Buchst a) verpflichtet sind, das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, in ihren Satzungen zu regeln. Auf der anderen Seite setzt jedoch auch das Angebot einer HzV, das durch Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V flächendeckend gewährleistet werden soll, Regelungen zur Teilnahme der Versicherten voraus, sodass diese idR auch Gegenstand des Vertrages zur HzV sein werden. Bei der Entscheidung, ob die vertraglichen Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der Satzung der Krankenkasse auszurichten sind oder ob umgekehrt die Krankenkasse ihre Satzung dem Inhalt der Verträge anzupassen hat, ist zu berücksichtigen, dass die Verträge zur HzV über die Festlegung durch eine Schiedsperson ggf auch gegen den Willen der Krankenkassen zustande kommen sollen. Dies steht einer Auslegung dahin entgegen, dass die Krankenkassen der anderen Partei des Vertrages zur HzV die Regelungen zur Teilnahme der Versicherten durch ihre Satzung einseitig vorgeben könnten. Ferner ist von Bedeutung, dass durch die Änderung des § 79 Abs 1 SGB V mWv 1.1.2005 bezogen auf die Vertretungskompetenz - die die Vertretung beim Abschluss von Selektivverträgen einschließt - ein originärer Aufgabenbereich des Vorstands der Krankenkassen geschaffen werden sollte, der nicht vollständig der Gestaltungsmacht der Vertreterversammlung unterworfen ist (BSGE 114, 274 = SozR 4-2500 § 81 Nr 7, RdNr 33, 37 ff). Auch dies spricht dagegen, dass Inhalte des Vertrages zur HzV durch die von der Vertreterversammlung verabschiedete Satzung der Krankenkasse einseitig vorgegeben werden könnten. Daher sind Regelungen des Vertrages zur HzV zur Teilnahme der Versicherten nicht bereits rechtswidrig, wenn sie vom Inhalt der Satzung der Krankenkasse abweichen. Vielmehr ist - wie das LSG bereits zutreffend ausgeführt hat - die Krankenkasse verpflichtet, ihre Satzung dem Inhalt des Vertrages anzupassen (ebenso: Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 50).

87

Die im Vertrag zur HzV getroffenen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten müssen danach zwar nicht mit dem Inhalt der Satzung der Krankenkasse übereinstimmen, aber die übrigen gesetzlichen und untergesetzlichen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten beachten. Bezogen auf den hier in erster Linie maßgebenden Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ist der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV auch insoweit nicht zu beanstanden. Allerdings werden bei der bevorstehenden Durchführung des Vertrages die in der Zwischenzeit eingetretenen gesetzlichen Änderungen zu berücksichtigen sein. Eine entsprechende Verpflichtung zur Anpassung ist in den Schlussbestimmungen des Vertrages (§ 22 Abs 2) geregelt und folgt im Übrigen aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X. Neben der Berücksichtigung der mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013 (BGBl I 277) eingeführten Bestimmungen zum Widerrufsrecht der Versicherten (§ 73b Abs 3 Satz 3 bis 6 SGB V) gehört dazu auch die Beachtung der am 26.8.2013 in Kraft getretenen Vorgaben zur Abgabe der Teilnahmeerklärung aus der Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach § 217f Abs 4a SGB V.

88

hh) Der Rechtmäßigkeit der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson steht nicht entgegen, dass zuvor keine Auftragsvergabe nach den Vorschriften des Vergaberechts durchgeführt worden ist. Zwar fanden gemäß § 69 Abs 2 Satz 1 SGB V in der hier maßgebenden seit dem 18.12.2008 geltenden Fassung des GKV-OrgWG die die Vergabe öffentlicher Aufträge betreffenden Vorschriften der §§ 97 bis 115 und 128 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auf die in § 69 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Rechtsbeziehungen der Krankenkassen ausdrücklich Anwendung, soweit die dort genannten Voraussetzungen erfüllt waren. Dies galt nach § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V jedoch nicht für Verträge von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind und bei deren Nichtzustandekommen eine Schiedsamtsregelung gilt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Festsetzung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson als "Schiedsamtsregelung" in diesem Sinne zu verstehen ist und ob Satz 2 damit der Anwendbarkeit der §§ 97 ff GWB entgegensteht. Unabhängig von dieser ohnehin nur klarstellenden (vgl BT-Drucks 16/10609 S 52) Beschränkung der Anwendbarkeit wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen, die sich im Übrigen seit der Änderung durch das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2262) nicht mehr auf die Vorschriften des Vierten Teils des GWB (§§ 97 ff GWB) bezieht (vgl jetzt § 69 Abs 2 Satz 4 SGB V), kann ein öffentlicher Auftraggeber dem Kartellvergaberecht nur unterworfen sein, wenn dieser eine Auswahl zwischen verschiedenen Vertragspartnern hat (Kaltenborn, GesR 2011, 1, 2; Engelmann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand Oktober 2013, § 69 RdNr 141; vgl zur Rechtslage vor der Änderung durch das AMNOG: Sormani-Bastian, ZESAR 2010, 13). Daran hat sich im Übrigen auch durch die neuen europäischen Vergaberichtlinien nichts geändert. Nach Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 2014/23/EU vom 26.2.2014 über die Konzessionsvergabe (ABl L 94, 1) sollen Regelungen, nach denen ohne gezielte Auswahl alle Wirtschaftsteilnehmer, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, berechtigt sind, eine bestimmte Aufgabe wahrzunehmen, nicht als Konzessionen gelten. Das betrifft auch Regelungen aufgrund einer Vereinbarung zwischen Behörde und Wirtschaftsunternehmen. Nichts anderes gilt, soweit der Vertrag zur HzV europarechtlich nicht als Dienstleistungskonzession, sondern als entgeltlicher Beschaffungsvertrag angesehen wird: Nach Art 1 Abs 2 der Richtlinie 2014/24/EU vom 26.2.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl L 94, 65) setzt die Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie voraus, dass Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen von öffentlichen Auftraggebern "ausgewählt werden".

89

Der sich aus § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ergebende Kontrahierungszwang, der gemäß § 73b Abs 4 Satz 2 iVm Abs 4a SGB V von entsprechend qualifizierten Gemeinschaften durch die Beantragung des Schiedsverfahrens und die Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson durchgesetzt werden kann, hat zur Folge, dass der vertragschließenden Krankenkasse kein Auswahlermessen zukommt, sondern dass der Vertragspartner bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bereits feststeht. Eine Auswahl zwischen verschiedenen Bietern ist also bezogen auf die Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ausgeschlossen. Dies steht der Annahme eines öffentlichen Auftrages im Sinne des § 99 GWB entgegen(so auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 32a; Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137 f; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b SGB V, RdNr 62; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 34; ähnlich Orlowski, ZMGR 2009, 124, 130; BKartA Beschluss vom 2.7.2010 - VK 1 - 52/10 - Juris; bezogen auf die HzV nach § 73b SGB V allerdings nur im Ergebnis ebenso die Begründung zum GKV-OrgWG: BT-Drucks 16/10609 S 52).

90

ii) Der Vertrag zur HzV ist mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vollständig kompatibel. Maßgebend ist dabei grundsätzlich die Rechtslage zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson (vgl 4 b, RdNr 56). Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen bereits deshalb nicht zu vereinbaren, weil es an der erforderlichen Befugnisnorm für die dort geregelte Weitergabe von Abrechnungsdaten an private Stellen in Gestalt der HÄVG und der HÄVG Rechenzentrum AG gefehlt hat (nachfolgend 1). Indes ist für die Beurteilung des Feststellungsinteresses die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (vgl 4 b, RdNr 57). Die Klägerin hat weder ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 55 Abs 1 SGG an der isolierten Feststellung einer Rechtswidrigkeit des - bisher nicht durchgeführten - Vertrages zur HzV unter Zugrundelegung einer nicht mehr geltenden Rechtslage nachvollziehbar geltend gemacht noch einen Anspruch gegenüber den Beklagten auf Änderung des Vertrages entsprechend der nicht mehr geltenden Rechtslage. Ein fortbestehendes Feststellungsinteresse kann deshalb nur anerkannt werden, soweit es darauf auch noch für die bevorstehende Durchführung des Vertrages ankommt. Daher ist ergänzend die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats und damit nach Einführung des § 295a SGB V durch Art 3 Nr 9 des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze vom 28.7.2011 (BGBl I 1622, 1627) mWv 4.8.2011 zu berücksichtigen (nachfolgend 2). Die von der Klägerin erhobenen datenschutzrechtlichen Einwände greifen daher zum überwiegenden Teil nicht durch (nachfolgend 3, 5, 6). Soweit der Vertrag zur HzV jedoch auch mit den geänderten bundesrechtlichen Vorgaben nicht vollständig zu vereinbaren ist, sind die Vertragspartner verpflichtet, diesen zu ändern (nachfolgend 4 und 7).

91

(1) Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV sieht vor, dass die Abrechnung der Vergütung des Hausarztes gemäß den Vorgaben der Anlage 3 durch die HÄVG als Abrechnungsdienstleister erfolgt (§ 11 Abs 1). Die HÄVG ist berechtigt, sich zum Zwecke der Abrechnung eines Rechenzentrums im Sinne der Anlage 3 zu bedienen (§ 11 Abs 2 Satz 2). Nach Anlage 3 § 6 Satz 2 wird von der HÄVG hierzu "derzeit" die HÄVG Rechenzentrum AG eingesetzt. Damit übereinstimmend werden die Versicherten mit dem Merkblatt (Anhang zu Anlage 6 des Vertrages) unter der Überschrift "Wichtige Informationen zum Schutz Ihrer Daten - Ihre Einwilligung" darüber informiert, dass die Abrechnung der ärztlichen Vergütung ua "über die Dienstleistungsgesellschaft des Hausärzteverbandes und MEDI, die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) und ihr Rechenzentrum erfolgt". Nach § 11 Abs 4 zahlt die Krankenkasse die Vergütung mit schuldbefreiender Wirkung an die HÄVG.

92

Für die damit vorgesehene Weitergabe von Patientendaten zu Abrechnungszwecken fehlte zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts die erforderliche Rechtsgrundlage. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 10.12.2008 (B 6 KA 37/07 R - BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2)im Einzelnen dargelegt hat, setzt die Übermittlung von Patientendaten durch Leistungserbringer an private Dienstleistungsunternehmen im Geltungsbereich des SGB V eine bereichsspezifische Befugnisnorm voraus. Als solche kam allein § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009 (BGBl I 1990) in Betracht. Diese Regelung, mit der der Gesetzgeber auf das og Urteil des Senats vom 10.12.2008 reagiert hat, war bis zum 30.6.2010 - und damit auf einen Zeitpunkt vor der Festsetzung des Vertragsinhalts - befristet. Über § 320 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24.7.2010 (BGBl I 983) waren diese Sätze jedoch bis zum 1.7.2011 und damit auch noch zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts am 9.9.2010 weiter anzuwenden. Danach durfte für die ärztlichen Leistungen, die im Rahmen von Verträgen ua zur HzV nach § 73b SGB V erbracht und mit den Krankenkassen abgerechnet wurden, eine andere Stelle mit der Verarbeitung und Nutzung der für die Abrechnung dieser Leistungen erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragt werden. § 80 SGB X war anzuwenden. Auftraggeber und Auftragnehmer unterlagen der Aufsicht der nach § 38 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zuständigen Aufsichtsbehörde.

93

§ 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V aF erlaubte danach allein die Beauftragung einer anderen Stelle im Sinne einer Auftragsdatenverarbeitung(vgl OVG Schleswig-Holstein Beschluss vom 12.1.2011 - 4 MB 56/10 - CR 2011, 359). Der ausdrücklich in Bezug genommene § 80 SGB X regelt die Voraussetzungen der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten im Auftrag. Dass mit der Einfügung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V die Übermittlung von Daten an private Stellen nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung geltenden Voraussetzungen zugelassen werden sollte, wird auch durch die Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Regelung zurückgeht, bestätigt: Danach sollten die Voraussetzungen, unter denen dem Sozialgeheimnis unterliegende Stellen andere Stellen mit der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten beauftragen können, und die Rechtsfolgen einer solchen Beauftragung auch für die besonderen Versorgungsformen gelten(vgl BT-Drucks 16/13428 S 96 unter Bezugnahme auf die Begründung zur entsprechenden Regelung für Krankenhäuser nach § 120 Abs 6, S 92).

94

Bei der in dem Vertrag vorgesehenen Übermittlung von Abrechnungsdaten durch den Arzt an die HÄVG handelt es sich nicht um eine nach § 295 Abs 1b SGB V aF zulässige Auftragsdatenverarbeitung. Die Auftragsdatenverarbeitung ist datenschutzrechtlich privilegiert. Sie stellt keine Übermittlung im Sinne des § 67 Abs 6 Satz 2 Nr 3 SGB X dar(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; I. Palsherm in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand Juli 2013, § 80 RdNr 15). Eine Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X liegt vor, wenn der Auftragnehmer die Datenverarbeitung in vollständiger Abhängigkeit von Vorgaben des Auftraggebers durchführt(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; zur entsprechenden Regelung in § 11 BDSG vgl Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5). Die Auftragsdatenverarbeitung ist abzugrenzen von der Funktionsübertragung. Diese liegt dann vor, wenn dem Service-Unternehmen eine eigene rechtliche Zuständigkeit für die Aufgabe, deren Erfüllung die Datenverarbeitung oder die Nutzung dient, zugewiesen ist (Gola/Klug, BDSG, 12. Aufl 2015, § 11 RdNr 9). Wesentliches Merkmal für die Abgrenzung der Auftragsdatenverarbeitung von der Funktionsübertragung (Aufgabenübertragung) ist die Entscheidungsbefugnis über die Daten. Liegt diese bei der beauftragten Stelle und kommt dieser nicht nur eine Hilfs- und Unterstützungsfunktion zu, kann nicht mehr von einer Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X ausgegangen werden(Rombach in Hauck/Noftz, SGB X, Stand November 2014, § 80 RdNr 20; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 12, 14).

95

Das im Vertrag geregelte Verhältnis des an der HzV teilnehmenden Hausarztes zur HÄVG entspricht nicht dem Bild einer Auftragsdatenverarbeitung. Die HÄVG führt die Abrechnung keineswegs in vollständiger Abhängigkeit von dem teilnehmenden Hausarzt für diesen durch. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass der Hausarzt an dem Vertrag zur HzV, der die Einzelheiten vorgibt, nicht unmittelbar beteiligt ist und damit keinen unmittelbaren Einfluss auf dessen Ausgestaltung hat. Der einzelne Hausarzt hat auch keinen Einfluss darauf, wer für ihn die Daten verarbeiten soll. Bereits eine solche fehlende Auswahlmöglichkeit spricht gegen das Vorliegen einer Auftragsdatenverarbeitung (Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3b; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5a). Zudem wird ihm vorgegeben, welche Datenverarbeitungsprogramme (Software) er für die Abrechnung zu verwenden hat. Damit ist insgesamt davon auszugehen, dass die HÄVG die Abrechnungsdaten in eigener Verantwortung oder im Auftrag der Beklagten verarbeitet bzw durch die HÄVG Rechenzentrum AG verarbeiten lässt, aber jedenfalls nicht im Auftrag des Hausarztes tätig wird. Der Vertrag regelt bezogen auf die Weitergabe der Daten durch den Hausarzt keine nach § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V zulässige Auftragsdatenverarbeitung.

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(2) Mit der Einfügung des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ist die erforderliche gesetzliche Grundlage für die Übermittlung von Abrechnungsdaten durch die an der HzV teilnehmenden Hausärzte geschaffen worden. Anders als unter Geltung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V beschränkt sich die Befugnis nach § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V nicht auf die Beauftragung einer anderen Stelle mit der Verarbeitung, Nutzung und Abrechnung personenbezogener Daten. Vielmehr sind die an den entsprechenden Versorgungsformen teilnehmenden Leistungserbringer für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen nach § 73b, § 73c oder § 140a SGB V erbrachten Leistungen gemäß § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V befugt, die nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels des SGB V erforderlichen Angaben an den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite als verantwortliche Stelle zu übermitteln, indem diese Angaben entweder an ihn oder an eine nach § 295 Abs 2 SGB V beauftragte andere Stelle weitergegeben werden; für den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite gilt § 35 SGB I entsprechend. Voraussetzung ist, dass der Versicherte vor Abgabe der Teilnahmeerklärung an der Versorgungsform umfassend über die vorgesehene Datenübermittlung informiert worden ist und mit der Einwilligung in die Teilnahme zugleich in die damit verbundene Datenübermittlung schriftlich eingewilligt hat. Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite oder die beauftragte andere Stelle dürfen die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten und nutzen; sie übermitteln die Daten im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern an den jeweiligen Vertragspartner auf Krankenkassenseite.

97

§ 295a Abs 1 Satz 1 SGB V definiert den "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (also den Hausarztverband und nicht den einzelnen Arzt) als die im datenschutzrechtlichen Sinne "verantwortliche Stelle". Insofern trifft § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V eine spezielle Regelung, die den allgemeinen Bestimmungen der §§ 67a ff SGB X vorgeht. Das bedeutet, dass die datenschutzrechtliche Verantwortung mit dem Eingang der Daten bei dem Hausarztverband ("Vertragspartner auf Leistungserbringerseite") oder bei der von ihm beauftragten Stelle auf den Hausarztverband übergeht (vgl BT-Drucks 17/6141 S 39).

98

(3) Die Einwände der Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV, die ihre Grundlage in der Annahme haben, dass der Arzt auch nach dem Eingang der Daten bei den Beklagten oder der von ihnen beauftragten Stelle "verantwortliche Stelle" im Sinne des § 67 Abs 9 SGB X bleibe und dass der Arzt die Daten nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung nach § 80 SGB X geltenden Voraussetzungen weitergeben dürfe, greifen damit bezogen auf die seit Inkrafttreten des § 295a SGB V geltenden Rechtslage nicht mehr durch. § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V regelt die Befugnis des Hausarztes zur Weitergabe der für die Abrechnung erforderlichen Daten an den Hausarztverband oder die von diesem mit der Datenverarbeitung beauftragte Stelle unabhängig von den Voraussetzungen einer Auftragsdatenverarbeitung. Auftraggeber einer Datenverarbeitung durch die HÄVG oder ein Rechenzentrum können allein die "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (vgl BT-Drucks 17/6141 S 40, zu § 295a Abs 2) und damit die Beklagten sein.

99

(4) Zutreffend ist dagegen der Einwand der Klägerin, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV, die eine Beauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG vorsehen (vgl zB Anlage 3 § 6 Abs 1) mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren sind. Nach § 295a Abs 2 Satz 1 SGB V darf der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite eine andere Stelle mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten beauftragen, die für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen ua zur HzV erbrachten Leistungen erforderlich sind. Gemäß § 295a Abs 2 Satz 2 SGB V ist § 80 SGB X ua mit der weiteren Maßgabe anzuwenden, dass Unterauftragsverhältnisse ausgeschlossen sind. Demnach dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" im Sinne der genannten Regelung zwar die HÄVG oder auch unmittelbar die HÄVG Rechenzentrum AG mit der Verarbeitung der Abrechnungsdaten beauftragen. Die im Vertrag vorgesehene Erteilung eines Unterauftrags an die HÄVG Rechenzentrum AG durch die von den Beklagten beauftragte HÄVG ist dagegen nicht zulässig (zu einer entsprechenden Regelung vgl auch bereits LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

100

(5) Nach den von der Klägerin nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die im Vertrag zur HzV zur Verwendung durch den teilnehmenden Arzt vorgeschriebene Software mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen unvereinbar wäre. Soweit die Klägerin erstmals im Revisionsverfahren - nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung - geltend macht, dass die im Vertrag vorgeschriebene Software einen sog "gekapselten Kern" besitze, der die Möglichkeit biete, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar sei, so steht diese Behauptung im Übrigen im Widerspruch zu der von den Beklagten vorgelegten Technischen Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht vom 17.8.2012 (Az: LDA.3-1085.6-12/10), die sich nach den von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen Angaben der Beklagten auf die auch im vorliegenden Vertrag zur HzV vorgeschriebene Software beziehen soll. Die Stellungnahme kommt für den Senat nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die Kontrollmöglichkeiten über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ausreichend transparent seien. Die Datenverarbeitungsvorgänge in der Arztpraxis würden vom Arzt gesteuert.

101

(6) Auch die in Ziff 2.1 der Anlage 4 zum Vertrag vorgesehene Übermittlung von Einschreibedaten ist entgegen der Auffassung der Klägerin datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden. Bei den Einschreibedaten handelt es sich um die in der Teilnahmeerklärung enthaltenen Stammdaten des Versicherten (Name, Anschrift, Geburtsdatum, Versichertennummer), die Daten zu dem gewählten Hausarzt und den Teilnahmebeginn (vgl die der Teilnahmeerklärung beigefügten Informationen zu Datenschutz, Datenübermittlung und -zusammenführung). Diese Angaben sind für die Durchführung der Abrechnung im Sinne des § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V erforderlich und die Verarbeitung und Nutzung dieser Daten erfolgt in Übereinstimmung mit § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V zu Abrechnungszwecken(im Ergebnis ebenso die Bewertung eines insoweit entsprechenden Vertrages durch das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht, Schreiben vom 30.11.2012, Az: LDA.3-1085.6-12/10).

102

(7) Im Widerspruch zu den geltenden gesetzlichen Vorgaben steht dagegen § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum HzV, der die HÄVG zur Führung von Musterverfahren ermächtigt, weil es sich dabei nicht um eine gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V allein zulässige Verarbeitung oder Nutzung zu Abrechnungszwecken handelt. Zwar regelt der Vertrag nicht ausdrücklich die Verwendung personenbezogener Daten in Musterprozessen. Die vorgesehene Führung solcher Prozesse durch die HÄVG setzt die Verwendung personenbezogener Daten der an der HzV teilnehmenden Versicherten jedoch voraus (ebenso zu einer insoweit vergleichbaren Regelung: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38). Gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verwenden. Dass die Verwendung von Daten zur Führung von Musterprozessen über die Verwendung zu Abrechnungszwecken hinausginge, haben die Beklagten im Revisionsverfahren auch nicht in Zweifel gezogen, sondern geltend gemacht, dass die HÄVG tatsächlich keine "Musterverfahren" unter Nutzung personenbezogener Daten führe. Auf die Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung hat dies indes keinen Einfluss.

103

e) Im Ergebnis ist der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag allein insoweit zu beanstanden, als er eine datenschutzrechtlich unzulässige Unterbeauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG sowie das Recht der HÄVG zur Führung von "Musterverfahren" vorsieht. Dem werden die Beteiligten durch entsprechende Änderungen des Vertrages Rechnung zu tragen haben. Davon unberührt bleibt die Verpflichtung der Beteiligten, den seit der Festsetzung des Vertragsinhalts eingetretenen gesetzlichen Änderungen durch Vertragsanpassungen Rechnung zu tragen.

104

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Bei der Kostenverteilung (§ 155 Abs 1 VwGO) hat der Senat berücksichtigt, dass die Klage bezogen auf die beantragte Aufhebung des Vertrages zur HzV ohne Erfolg und bezogen auf die hilfsweise geltend gemachte Feststellung der Rechtswidrigkeit vertraglicher Bestimmungen ganz überwiegend erfolglos war.

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. November 2009 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Kläger.

Der Streitwert wird für alle Rechtszüge auf 10 000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Im Revisionsverfahren allein noch streitig ist die Anhebung der Vergütungen für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V) für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 31.12.2008. Nicht mehr streitig ist die Vergütung für die Versendung von Dokumentationsnachweisen, die - nunmehr rechtskräftig - durch die Vorinstanzen auf 6 Euro festgesetzt worden ist. Kläger sind die in Hessen tätigen Krankenkassen bzw Krankenkassenverbände. Beklagter zu 1. ist eine vom Hessischen Sozialministerium nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V bestellte Schiedsperson. Beigeladen und seit dem erstinstanzlichen Verfahren ebenfalls beklagt sind zehn in Hessen tätige Verbände der Freien Wohlfahrtspflege (Beklagte zu 2. bis 11.). Die Klage gegen deren Dachverband (Beklagter zu 12.) haben die Kläger im Revisionsverfahren zurückgenommen.

2

           

Der zwischen den Klägern und den Beklagten zu 2. bis 11. im Jahre 1996 geschlossene Rahmenvertrag über die häusliche Krankenpflege in Hessen (Rahmenvertrag 1996) wurde zum 31.12.2001 gekündigt, aber bis zum 31.12.2004 weiter angewendet. Zum 1.1.2005 wurde dieser Vertrag durch den "Rahmenvertrag über die häusliche Krankenpflege nach § 132a SGB V in Hessen" vom 8.12.2004 (Rahmenvertrag 2005) ersetzt. Er gilt für die den Landesverbänden angeschlossenen Krankenkassen und für die den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege angeschlossenen ambulanten Pflegedienste, soweit diese dem Vertrag beigetreten sind. Der Rahmenvertrag 2005 enthält ua allgemeine Grundsätze sowie Regelungen zum Inhalt und zur Abgrenzung der häuslichen Krankenpflege, zur Eignung der Leistungserbringer, zu Maßnahmen der Qualitätssicherung, zum Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit der Leistungserbringer mit den an der Versorgung der Versicherten Beteiligten und zu den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einschließlich deren Prüfung. Die Vergütung der erbrachten Leistungen erfolgt gemäß § 38 Abs 1 Rahmenvertrag 2005 nach der jeweils gültigen Vergütungsvereinbarung (Anlage 1), wobei folgende Grundsätze zu beachten sind(§ 38 Abs 3 Rahmenvertrag 2005):

"a)     

Das Vergütungssystem muss für die Vertragspartner und die Versicherten transparent und handhabbar sein.

 b)     

Die Vergütung muss leistungsgerecht sein und die Leistungserbringer in die Lage versetzen, eine ausreichende, zweckmäßige, wirtschaftliche und den Qualitätsanforderungen entsprechende Leistung zu erbringen.

 c)     

Die Vergütung wird prospektiv für einen zukünftigen Zeitraum vereinbart

 d)     

Die Vergütungsregelung ist so zu gestalten, dass Doppelabrechnungen beispielsweise durch Leistungsüberschneidungen vermieden werden."

Nach § 40 Rahmenvertrag 2005 gibt es Komplexleistungsvergütungen, pauschale Vergütungen, Einzelleistungsvergütungen und Kombinationen dieser Vergütungsformen sowie eine Hausbesuchspauschale. In § 41 Rahmenvertrag 2005 iVm der Anlage 2 ("Beitrittsvereinbarung") wird das Beitrittsverfahren geregelt. Dort heißt es in § 1 ua: "Der Pflegedienst erkennt durch die Beitrittserklärung die Inhalte des Rahmenvertrages nach § 132a SGB V vom 01.01.2005 sowie der von den Rahmenvertragsparteien ausgehandelten Schiedspersonen-Regelung als verbindlich an." Die Schiedsperson-Regelung findet sich in der Anlage 1 der Beitrittsvereinbarung.

3

Die Kläger und die Beklagten zu 2. bis 11. konnten sich bei den Vertragsverhandlungen über die Beschreibung der Leistungen der häuslichen Krankenpflege und deren Vergütung nicht einigen. Der Rahmenvertrag 2005 enthielt somit nicht die in § 38 Abs 1 vorgesehene Anlage 1. Zur Herbeiführung einer Einigung wurde deshalb im November 2006 ein Schiedsverfahren eingeleitet. Es endete mit dem Schiedsspruch des Beklagten zu 1. vom 2.5.2007. Darin wurden die Vergütung der Leistungen der häuslichen Krankenpflege und die Hausbesuchspauschale für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 31.12.2008 jeweils pauschal um 5,98 % erhöht (Punkt 3.1 und 3.2 des Schiedsspruchs). Der Beklagte zu 1. führte zur Begründung aus, von den Klägern sei eine Anhebung um 3,2 % angeboten und von den Beklagten zu 2. bis 11. eine Erhöhung um 15,77 % gefordert worden, nachdem die Vergütung zuletzt für das Jahr 1999 erhöht worden sei. Er habe seiner Entscheidung eine Aufsummierung der Veränderungen der Grundlohnsummen der Jahre 2001 bis 2007 zugrunde gelegt. Die Kläger hatten insoweit eine Erhöhung abgelehnt, während die Beklagten zu 2. bis 11. eine Anhebung um ebenfalls 15,77 % gefordert hatten. Der Anteil der Hausbesuchspauschale am Gesamtvolumen aller Leistungen liegt zwischen 40 und 50 %.

4

Die Kläger begehrten zunächst die Aufhebung des Schiedsspruchs vom 2.5.2007 sowie die Verurteilung des Beklagten zu 1., insoweit über den Schiedsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Nachdem das SG Bedenken gegen die Charakterisierung des Schiedsspruchs als Verwaltungsakt geäußert hatte, haben die Kläger auch Klage gegen die (vom SG zuvor beigeladenen) Beklagten zu 2. bis 11. erhoben mit dem Begehren, die angegriffenen Regelungen des Schiedsspruchs aufzuheben und die Vergütungen durch das Gericht analog § 319 Abs 1 Satz 2 BGB nach billigem Ermessen bestimmen zu lassen.

5

Die Kläger sind der Auffassung, der Schiedsspruch einer Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V sei ein Verwaltungsakt. Der Beklagte zu 1. sei deshalb der richtige Beklagte. Die Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs beruhe auf der Verletzung des Grundsatzes der Beitragsstabilität nach § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V und des Gebots der Wirtschaftlichkeit und preisgünstigen Vertragsgestaltung nach § 132a Abs 2 Satz 5 SGB V. Der Schiedsspruch überschreite die in § 71 SGB V festgelegte Veränderungsrate von höchstens 0,47 % für das Jahr 2007. Die Erhöhung der Hausbesuchspauschale um 5,98 % auf 5,04 Euro widerspreche zudem dem üblichen Marktpreis von 4,76 Euro, weil mit anderen Leistungserbringern keine Erhöhung vereinbart worden sei. Sollte die Entscheidung des Beklagten keinen Verwaltungsakt darstellen, seien die Festlegungen in den Punkten 3.1 und 3.2, die gemäß § 69 SGB V iVm § 317 Abs 1 und § 319 Abs 1 Satz 1 BGB wegen offenbarer Unbilligkeit unwirksam seien, durch gerichtliche Entscheidung zu ersetzen. Der Beklagte zu 1. habe die Vergütung nicht auf der Basis der Steigerung der Grundlohnsummen ab dem Jahre 2001 festlegen dürfen, weil der Rahmenvertrag 1996 noch bis Ende 2004 angewandt worden sei. Zudem fehle es am externen Vergleich mit den anderen Anbietern von häuslicher Krankenpflege. Daher sei der Schiedsspruch auch unzureichend begründet.

6

Das SG hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 18.9.2007). Das LSG hat die Berufungen der Kläger zurückgewiesen (Urteil vom 26.11.2009): Die gegen den Beklagten zu 1. gerichtete Klage sei unzulässig, weil die Schiedsperson keine "Behörde" sei und der Schiedsspruch deshalb nicht als Verwaltungsakt eingestuft werden könne. Der "Hilfsantrag" sei mangels Verantwortlichkeit der Beklagten zu 2. bis 11. für den Schiedsspruch unzulässig und bezüglich des Beklagten zu 1. unbegründet, weil die festgelegte Steigerung der Vergütung um 5,98 % nicht offensichtlich unbillig (§ 319 Abs 1 BGB) sei. Die Beitragssatzstabilität sei nicht gefährdet worden. Die Heranziehung der Steigerung der Grundlohnsummen aus den Jahren 2001 bis 2007 sei angesichts einer letztmaligen Vergütungsanhebung für das Jahr 1999 und des erst für die Zukunft (1.7.2007) vorgesehenen Inkrafttretens des Schiedsspruchs nicht zu beanstanden. Die Richtwerte nach § 71 Abs 3 und 3a SGB V seien auf die Vergütungsvereinbarungen nach § 132a SGB V nicht anwendbar. Die niedrigere Hausbesuchspauschale der privaten Pflegedienste stellten keinen "Marktpreis" dar, weil diese nur 45,1 % der anspruchsberechtigten Versicherten versorgten.

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts (§§ 71, 132a SGB V, §§ 31, 35 SGB X, § 54 SGG). Sie machen geltend, das LSG habe verkannt, dass sich die Ersetzungsklage nur gegen die Beklagten zu 2. bis 11. gerichtet habe und auch nur gegen diese zu richten sei, weil sie insoweit passiv legitimiert seien. Im Übrigen wiederholen und vertiefen sie ihr bisheriges Vorbringen, halten eine Anhebung der Vergütung um maximal 0,47 % für angemessen und lehnen die Anhebung der Hausbesuchspauschale weiterhin ab.

8

           

Die Kläger beantragen,

        

1.    

die Urteile des Hessischen LSG vom 26.11.2009 und des SG Wiesbaden vom 18.9.2007 zu ändern, den Schiedsspruch des Beklagten zu 1. vom 2.5.2007 hinsichtlich der Punkte 3.1 und 3.2 aufzuheben und ihn zu verpflichten, insoweit über den Schiedsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut zu entscheiden;

        

2.    

im Verhältnis zu den Beigeladenen und Beklagten zu 2. bis 11. die Bestimmungen des Schiedsspruchs hinsichtlich der Punkte 3.1 und 3.2 durch Urteil des erkennenden Senats nach billigem Ermessen zu ersetzen.

9

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revisionen der Kläger sind unbegründet. Das LSG hat das gegen den Beklagten zu 1. gerichtete Klagebegehren auf erneute Bescheidung des Schiedsantrages zu Recht als unzulässig erachtet. Die Abweisung des Klagebegehrens auf Ersetzung des Schiedsspruchs durch gerichtliche Entscheidung trifft zwar im Ergebnis ebenfalls zu, beruht aber auf unrichtigen Annahmen des LSG bezüglich des richtigen Beklagten und basiert deshalb auf einer anderen Begründung.

11

A) Zu Unrecht geht das LSG bei der Bestimmung des Streitgegenstands von einer einheitlichen Klage der Kläger mit einem nach Haupt- und Hilfsantrag differenzierten Klagebegehren aus. Dem liegt die Vorstellung einer objektiven Klagenhäufung zugrunde, die aber nur unter den Voraussetzungen des § 56 SGG zulässig wäre. Nach dieser Vorschrift können vom Kläger mehrere Klagebegehren in einer Klage verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist. Hier fehlt es am Tatbestandsmerkmal "desselben Beklagten", weil das Neubescheidungsbegehren ("Hauptantrag") allein gegen den Beklagten zu 1. gerichtet ist, während sich das Ersetzungsbegehren ("Hilfsantrag") allein gegen die Beklagten zu 2. bis 11. richtet. Daher mangelt es an der erforderlichen Parteienidentität auf Beklagtenseite. Dies gilt selbst dann, wenn sich der "Hilfsantrag" zusätzlich auch gegen den Beklagten zu 1. gerichtet hätte, wovon das LSG - allerdings zu Unrecht - ausgegangen ist. Auch in diesem Falle gäbe es keine uneingeschränkte Parteienidentität auf Beklagtenseite, weil die Beklagten zu 2. bis 12. unverändert nur vom "Hilfsantrag", nicht aber vom "Hauptantrag" betroffen wären.

12

Bei die prozessualen Vorgaben des SGG berücksichtigender und zugleich interessengerechter Auslegung des als "Klageerweiterung" betitelten Schriftsatzes der Kläger vom 10.9.2007 hätte dieses zusätzliche Klagebegehren bei dessen Eingang als gesonderte Klage behandelt werden müssen, die durchaus zusammen mit der ursprünglichen Klage vom 8.6.2007 in einem einheitlichen prozessualen Verfahren verhandelt und entschieden werden durfte, weil bei separater Eintragung und Führung in zunächst getrennten Verfahren eine prozessuale Verbindung nach § 113 Abs 1 SGG zulässig und auch geboten gewesen wäre. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht durch Beschluss mehrere bei ihm anhängige Rechtsstreitigkeiten desselben Beteiligten oder - so hier - "verschiedener Beteiligter" zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Rechtsstreitigkeiten bilden, im Zusammenhang stehen (1. Variante) oder von vornherein in einer Klage hätten geltend gemacht werden können (2. Variante). Die Voraussetzungen der 1. Variante sind hier erfüllt, weil die Kläger die Aufhebung des Schiedsspruchs vom 2.5.2007 wünschen, und zwar entweder im Wege einer gegen den Beklagten zu 1. gerichteten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs 1 SGG, um eine Neubescheidung ihres Schiedsantrages durch Wiederholung des Schiedsverfahrens und erneuten Schiedsspruchs des Beklagten zu 1. hinsichtlich der noch streitigen Punkte 3.1 und 3.2 zu erreichen (Neubescheidungsklage), oder im Wege einer gegen die Beklagten zu 2. bis 11. gerichteten Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG in Form der Ersetzung der Leistungsbestimmung der Schiedsperson durch gerichtliches Urteil nach dem Vorbild des § 319 Abs 1 Satz 2 BGB (Ersetzungsklage), sodass die bisher fehlende Einigung der Vertragspartner über die Einzelheiten der Vergütung überwunden wäre. Dass beide Klagebegehren in einem Alternativverhältnis zueinander stehen und nur eines von beiden Begehren begründet sein kann, steht der Zulässigkeit der Verfahrensbindung nach § 113 Abs 1 SGG nicht entgegen.

13

B) Das LSG hat zutreffend entschieden, dass es hinsichtlich der gegen den Beklagten zu 1. gerichteten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) an einer Sachurteilsvoraussetzung fehlt, und die Klage deshalb als unzulässig abgewiesen. Eine derartige Klage setzt voraus, dass eine Verwaltungsbehörde oder eine sonstige als Behörde zu qualifizierende Einrichtung als Prozessgegner in Anspruch genommen wird, weil sie den Antrag auf Gewährung einer Leistung durch Verwaltungsakt abgelehnt hat (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 38). Der Beklagte zu 1. hat in seiner Funktion als Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 6 und 7 SGB V bei der Durchführung des Schiedsverfahrens und dem Erlass des Schiedsspruchs indes nicht als "Behörde" iS des § 1 Abs 2 SGB X gehandelt. Sein Schiedsspruch stellt deshalb keinen Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X dar.

14

1. Nach § 1 Abs 2 SGB X ist Behörde iS des SGB jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt(ebenso § 1 Abs 4 Verwaltungsverfahrensgesetz). Dabei ist ein weiter funktionaler Behördenbegriff zugrunde zu legen. Behörden sind danach ohne Rücksicht auf ihre konkrete Bezeichnung als Behörde, Dienststelle, Amt oder Ähnliches alle vom Wechsel der in ihnen tätigen Personen unabhängige (OVG Münster NVwZ 1986, 608, 609) und mit hinreichender organisatorischer Selbstständigkeit ausgestattete Einrichtungen, denen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung und entsprechende Zuständigkeiten zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen sind, also aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts mit der Befugnis zu öffentlich-rechtlichem Handeln mit Außenwirkung ausgestattet sind. Behörden iS des § 1 Abs 2 SGB X sind somit außer den Verwaltungsbehörden im organisatorischen Sinn auch alle sonstigen Einrichtungen, Organe und Stellen, die aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts mit der Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten, zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge im eigenen Namen, dh nicht nur als Vertreter und mit Wirkung für und gegen eine andere Stelle, oder auch zu sonstigen, nach öffentlichem Recht zu beurteilenden Handeln ausgestattet sind(BSGE 60, 239 = SozR 1300 § 45 Nr 26; BSGE 63, 224 = SozR 1300 § 48 Nr 47; BSGE 77, 295 = SozR 3-1300 § 45 Nr 27; BVerwGE 17, 41 und 30, 20).

15

Auch natürliche oder juristische Personen des Privatrechts können Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen und damit Behörde iS des § 1 Abs 2 SGB X sein. Sie werden dann als beliehene Unternehmer bezeichnet. Voraussetzung ist, dass dem Beliehenen die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch einen Beleihungsakt (Verwaltungsakt, öffentlich-rechtlicher Vertrag oder Rechtsnorm) übertragen worden sind. Nicht ausgeschlossen wird die Behördeneigenschaft dadurch, dass eine Einrichtung oder Stelle nur für bestimmte, eng begrenzte Zwecke errichtet wird oder ihre Aufgaben nur für eine beschränkte Zeit übertragen werden (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl 2010, § 1 RdNr 51 ff, 55 mwN; Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 1 RdNr 9 bis 11; OVG Münster NVwZ 1987, 608, 609). Diese Voraussetzungen des weiten funktionellen Behördenbegriffs sind hier nicht erfüllt.

16

2. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung hat der Gesetzgeber die außergerichtliche Entscheidung zahlreicher Arten von Streitigkeiten, insbesondere bei Konflikten zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen, diversen Schiedsämtern, Schiedsstellen und Schiedspersonen übertragen. Auch im Bereich der sozialen Pflegeversicherung sind vom Gesetz in mehreren Vorschriften Schiedsstellen zur außergerichtlichen Konfliktlösung vorgesehen. Das BSG hat die Behördeneigenschaft iS des § 1 Abs 2 SGB X bei Schiedsämtern nach dem SGB V und Schiedsstellen nach dem SGB V und SGB XI stets bejaht(BSGE 20, 73, 75; BSGE 87, 199, 200 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3300 § 89 Nr 1 RdNr 11; BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 20 und 41). Bei Schiedsstellen ist aber auch vorstellbar, dass die Behördeneigenschaft zu verneinen sein kann; dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn im Gesetz oder in den Gesetzesmaterialien niedergelegt ist, dass die Schiedsstelle im Einzelfall lediglich als Vertragshelfer analog § 317 BGB fungieren soll. Für Schiedspersonen nach dem SGB V und dem SGB XI ist die Behördeneigenschaft iS des § 1 Abs 2 SGB X hingegen grundsätzlich zu verneinen; eine Ausnahme kann allerdings dann anzunehmen sein, wenn im Gesetz die Behördeneigenschaft einer Schiedsperson ausdrücklich oder durch die spezielle Ausgestaltung seiner Rechte und Pflichten (zB die Anordnung, die Schiedssprüche als Verwaltungsakt zu erlassen) normiert ist. Schiedspersonen nach § 132a Abs 2 SGB V sind hiernach aber nicht als Behörde einzustufen.

17

           

3. Schiedsämter nach § 89 SGB V sind für Streitigkeiten über die vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Versorgung sowie für die Verträge zwischen Zahntechnikern und Krankenkassen vorgesehen. Auf die Regelungen des § 89 SGB V wird in zahlreichen anderen Vorschriften des SGB V Bezug genommen, zB in § 57 Abs 1 Satz 8 SGB V (Höhe der Vergütung für die zahnärztlichen Leistungen bei der Regelversorgung), § 57 Abs 2 Satz 9 SGB V (Schiedsamt für Zahntechniker bei den in § 57 Abs 2 SGB V genannten zahntechnischen Leistungen), § 64 Abs 3 Satz 2 SGB V (Vergütungsfragen nach Modellvorhaben gemäß § 63 SGB V), §§ 73b Abs 7 und 73c Abs 6 SGB V (Höhe der Bereinigung der Gesamtvergütung), § 140d Abs 2 Satz 3 SGB V (Minderung von Vergütungsanteilen bei integrierter Versorgung), § 291a Abs 7b SGB V (Vereinbarungen über die Finanzierung der Telematikinfrastruktur) und § 291a Abs 7d SGB V (Ausgleich der Kosten der Einführung der Telematikinfrastruktur). Ein "erweitertes Bundesschiedsamt" sieht § 118 Abs 2 SGB V für Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Betrieb von Psychiatrischen Institutsambulanzen vor. Diese Schiedsämter sind Behörden iS des § 1 Abs 2 SGB X, weil

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ihre Zuständigkeitsbereiche dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung und damit dem öffentlichen Recht angehören (§ 69 SGB V);

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ihre personelle Zusammensetzung vom Gesetzgeber im Einzelnen vorgeschrieben wird (§§ 89, 118 Abs 2 SGB V);

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sie als Institutionen auf dauerhaften Bestand angelegt sind und unabhängig davon bestehen, welche konkreten Einzelpersonen zu Mitgliedern berufen und ob jederzeit alle Sitze auch tatsächlich besetzt sind;

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die Einzelheiten des Schiedsamts, seiner Arbeitsweise und der Kostenerstattung durch eine auf der Ermächtigungsgrundlage des § 89 Abs 6 SGB V beruhende öffentlich-rechtliche Verfahrensordnung geregelt sind, nämlich durch die "Verordnung über die Schiedsämter für die vertragsärztliche (vertragszahnärztliche) Versorgung", die in ihrer Ursprungsfassung vom 28.5.1957 (BGBl I 570) noch auf Basis der - durch § 89 SGB V abgelösten - früheren Regelungen der §§ 368h und 368i RVO erlassen worden ist;

-       

sie der Rechtsaufsicht der in § 89 Abs 5 SGB V näher bestimmten Behörden unterliegen.

18

Als Behörden erlassen die Schiedsämter ihre Schiedssprüche stets in Form von Verwaltungsakten iS des § 31 SGB X(BSGE 20, 73 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 20; Beier in Schlegel/Voelzke, juris PK, SGB V, Stand 2010, § 89 RdNr 41).

19

           

4. Der Gesetzgeber hat zur außergerichtlichen Konfliktlösung in verschiedenen anderen Rechtsgebieten des SGB V Schiedsstellen vorgesehen. So werden zB die Landesschiedsstellen nach § 114 SGB V im Falle der Nichteinigung zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen bei der Festsetzung der zweiseitigen Verträge zur Krankenhausbehandlung der Versicherten nach § 112 SGB V sowie im Rahmen der dreiseitigen Verträge zwischen Krankenhäusern, Vertragsärzten und Krankenkassen zur nahtlosen Verzahnung der ambulanten und stationären Versorgung der Versicherten nach § 115 SGB V eingeschaltet; Entsprechendes gilt bei der Bestellung eines Prüfers im Falle einer Krankenhausprüfung nach § 113 Abs 1 Satz 2 SGB V. Die Landeskrankenhausgesellschaften und die Landesverbände der Krankenkassen bilden ferner auf Landesebene Schiedsstellen nach § 18a Abs 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) zur Klärung von Streitigkeiten über die Finanzierung von Krankenhäusern, die zahlreiche Aufgaben nach dem KHG zu erfüllen haben und im Bereich des SGB V nach § 115a Abs 3 Satz 5 SGB V (vor- und nachstationäre Krankenhausbehandlung) und § 120 Abs 4 SGB V (ambulante Behandlung im Krankenhaus) tätig werden. Auch auf Bundesebene wird vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft eine Schiedsstelle eingerichtet, die in den ihr nach dem KHG oder der Bundespflegesatzverordnung zugewiesenen Aufgaben entscheidet (§ 18a Abs 6 KHG). Zudem gibt es eine weitere Bundesschiedsstelle nach § 129 Abs 8 SGB V für Streitigkeiten zwischen Apothekern und Krankenkassen. Im Bereich der sozialen Pflegeversicherung hat der Gesetzgeber Schiedsstellen zu Vergütungsfragen (§ 76 SGB XI) sowie zu Fragen der Qualitätssicherung (§ 113b SGB XI) vorgesehen. Allen genannten Schiedsstellen ist gemeinsam, dass

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sie in Angelegenheiten tätig werden, die dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind;

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die personelle Zusammensetzung vom Gesetzgeber in Grundzügen vorgegeben ist (§ 114 Abs 2, § 115 Abs 3, § 129 Abs 8 SGB V; § 18a Abs 2 KHG; § 76 Abs 2, § 113b Abs 2 SGB XI);

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sie als Institution auf dauerhaften Bestand angelegt und vom Wechsel der als Mitglieder berufenen Personen unabhängig sind;

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sie der Rechtsaufsicht bestimmter übergeordneter Behörden unterliegen (§ 114 Abs 4, § 129 Abs 10 SGB V: nur Rechtsaufsicht bei der Geschäftsführung; § 18a Abs 5 KHG: allgemeine Rechtsaufsicht; § 76 Abs 4, § 113b Abs 4 SGB XI: allgemeine Rechtsaufsicht);

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die Einzelheiten zur Zusammensetzung der Schiedsstellen zum Verfahren und zu den Kosten durch öffentlich-rechtliche Regelungen vorgegeben werden (§ 114 Abs 5 und § 115 Abs 3 Satz 4 SGB V: Rechtsverordnungen der Landesregierungen; § 129 Abs 9 und 10 SGB V: Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit, aber von der Schiedsstelle selbst zu erlassende Geschäftsordnung; § 18a Abs 4 KHG: Rechtsverordnungen der Landesregierungen; § 76 Abs 5 SGB XI: Rechtsverordnungen der Landesregierungen; § 113b Abs 3 SGB XI: Geschäftsordnung der Vertragsparteien nach § 113 SGB XI, bei Nichteinigung Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit).

20

Alle diese Schiedsstellen sind in den genannten Funktionen somit ebenfalls als Behörden iS des § 1 Abs 2 SGB X einzustufen; ihre Schiedssprüche sind Verwaltungsakte nach § 31 SGB X.

21

Eine Sonderstellung nehmen die sozialhilferechtlichen Schiedsstellen nach § 80 SGB XII(bzw § 94 BSHG aF, dazu BVerwGE 108, 47) ein. Bei ihnen handelt es sich zwar ebenfalls um Behörden iS des § 1 Abs 2 SGB X(Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl 2006, § 80 RdNr 7) und ihre Beschlüsse (Schiedssprüche) werden überwiegend als Verwaltungsakte iS des § 31 SGB X angesehen(BVerwGE 108, 47; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, aaO; aA Boetticher/Tammen, RsDE 54, 28, die von einer rechtsgestaltenden Vertragshilfe ausgehen). Auch gegen die Entscheidung dieser Schiedsstellen kann der Rechtsweg beschritten werden, die Besonderheit besteht aber darin, dass ihre Beschlüsse nicht mittels einer gegen die Schiedsstelle selbst zu richtenden Klage angefochten werden können. Diese ist vielmehr gegen eine der beiden Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten, vgl im einzelnen § 77 Abs 1 Satz 4 bis 6 SGB XII(ebenso zuvor § 93b Abs 1 Satz 3 bis 5 BSHG aF). Eine entsprechende Vorschrift findet sich zum Kinder- und Jugendhilferecht in § 78g Abs 2 SGB VIII. Ein plausibler Grund für diese Sonderregelungen lässt sich den einschlägigen Gesetzesmaterialien nicht entnehmen (vgl Jaritz/Eicher in Eicher/Coseriu, Stand 2011, juris-PK-SGB XII, § 77 RdNr 62 mwN).

22

5. Schiedspersonen als außergerichtliche Konfliktlöser hat der Gesetzgeber im SGB V (§ 39a Abs 1 Satz 7 SGB V zum Leistungserbringerrecht der Hospize, § 73b Abs 4a SGB V zur hausarztzentrierten Versorgung, § 132a Abs 2 SGB V zur Versorgung mit häuslicher Krankenpflege)und im SGB XI vorgesehen (§ 76 Abs 6 SGB XI zum Leistungserbringerrecht der sozialen Pflegeversicherung). Die im vorliegenden Fall allein interessierenden Schiedspersonen nach § 132a Abs 2 SGB V sind nicht als Behörde iS des § 1 Abs 2 SGB X anzusehen und erlassen deshalb mit ihren Schiedssprüchen auch keine Verwaltungsakte iS des § 31 SGB X.

23

a) Die Festlegung des Inhalts von öffentlich-rechtlichen Verträgen, zu denen die Vergütungsverträge für die häusliche Krankenpflege nach § 69 Abs 1 Satz 1 iVm § 132a SGB V seit dem 1.1.2000 gehören, ist zwar eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit. Die Schiedsperson erhält ihre Entscheidungsmacht jedoch unmittelbar von den Vertragsparteien des § 132a SGB V selbst, die auch den das Schiedsverfahren regelnden Vertrag zur Konfliktlösung abschließen. Es geht um ein vertragliches Schiedsverfahren, denn es ist "in den Verträgen" zu regeln (§ 132a Abs 2 Satz 6 SGB V). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Vertragsparteien zur Verabredung eines Schiedsverfahrens gesetzlich verpflichtet sind (§ 132a Abs 2 Satz 6 SGB V). Die Schiedsperson ist kein Beliehener, weil es an einem öffentlich-rechtlichen Akt der Verleihung der Befugnis zur Konfliktentscheidung nach § 132a SGB V fehlt; es existiert keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger und es gibt auch keine Rechtsaufsicht, der die herkömmlichen Schiedsämter und Schiedsstellen unterliegen. Für das Schiedsverfahren selbst gibt das Gesetz keine Leitlinien vor; auch hierüber disponieren die Vertragsparteien selbst, und bei fehlender Einigung werden die Grundsätze des Schiedsverfahrens nicht durch die Aufsichtsbehörde, sondern durch die Schiedsperson selbst bestimmt. Die für die vertragsschließende Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde hat lediglich die Aufgabe, im Falle der Nichteinigung der Vertragsparteien eine Schiedsperson zu benennen, um ein vertragliches - nicht ein gesetzliches - Schiedsverfahren überhaupt durchführen zu können. Die Funktion als Schiedsperson ist an die Person des Berufenen gebunden, es existiert also keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution einer Schiedsstelle. Die Berufung erfolgt grundsätzlich nur anlassbezogen, also von Fall zu Fall.

24

b) Die Schiedsperson nach § 132a SGB V wird bei der Durchführung eines Schiedsverfahrens und bei dem Erlass eines Schiedsspruchs nur als öffentlich-rechtlicher Schlichter und Vertragshelfer(§ 69 Abs 1 Satz 1 und 3 SGB V iVm § 317 BGB)und nicht als Behörde tätig.

25

Für diese rechtliche Einordnung spricht vor allem die Entstehungsgeschichte des § 132a SGB V. Die für den Rahmenvertrag 2005 maßgeblichen Vorschriften zur Schiedsperson in § 132a Abs 2 Satz 6 bis 8 sind erst durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) mit Wirkung ab 1.1.2004 eingefügt worden. In der Begründung des Gesetzesentwurfs (BT-Drucks 15/1525, S 123) heißt es dazu: "Die Änderungen (…) verpflichten die Parteien zur Durchführung einer Konfliktlösung, wenn sich die Parteien über den konkreten Inhalt der Verträge, insbesondere über die Höhe der Vergütung nicht einigen können. Dieses Verfahren entspricht einer im Zivilrecht üblichen Schlichtung, wonach sich die Vertragsparteien auf die Leistungsbestimmung durch einen Dritten einigen (§ 317 BGB). Können sich die Parteien nicht auf eine Schlichtungsperson verständigen, legt die Aufsichtsbehörde die Person fest." Der Hinweis in der Gesetzesbegründung auf § 317 BGB, der nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V sinngemäß auch für öffentlich-rechtliche Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern heranzuziehen ist, lässt den Schluss zu, dass die Schiedsperson nicht hoheitlich im Sinne einer Behörde handeln soll, sondern nur als nichtbehördlicher Dritter. Auch sonst findet sich in § 132a SGB V kein Hinweis darauf, dass die Vertragsbeziehungen zwischen den Leistungserbringern und den Krankenkassen durch eine hoheitliche Regelung ersetzt werden sollen. Zusätzlich kann auf die durch das Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung vom 28.5.2008 (BGB I 874) zum 1.7.2008 in Kraft getretene Regelung des § 76 Abs 6 SGB XI verwiesen werden, die auch für das Pflegesatzverfahren bei stationärer Pflege die vertragliche Bestellung einer Schiedsperson ermöglicht hat. Danach kann abweichend von § 85 Abs 5 SGB XI, also der Entscheidung durch eine Schiedsstelle, eine unabhängige Schiedsperson durch die Vertragsparteien der Pflegesatzvereinbarung(§ 85 Abs 2 SGB XI) bestellt werden, um eine Konfliktlösung herbeizuführen. In der Gesetzesbegründung wird deutlich, dass der Gesetzgeber zwischen einer Entscheidung durch eine Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V bzw § 76 Abs 6 SGB XI und einer Schiedsstelle differenziert. Dort heißt es: "Wie im Krankenversicherungsrecht in § 132a Abs. 2 Satz 6 bis 8 SGB V bereits geschehen, wird nunmehr auch in der PV speziell für Vergütungsvereinbarungen (…) die Möglichkeit geschaffen, in unbürokratischer Art und Weise zu einer schnellen Vergütungsregelung zu kommen"(BT-Drucks 16/7439 S 69). Der im ursprünglichen Gesetzentwurf noch vorgesehene Ausschluss des Rechtsweges gegen eine Entscheidung der Schiedsperson wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wieder gestrichen. Möglich ist nunmehr eine eingeschränkte gerichtliche Prüfung der Entscheidung der Schiedsperson nach § 76 Abs 6 Satz 3 SGB XI. Danach kann ein Antrag auf gerichtliche Aufhebung der Festsetzungsentscheidung gestellt werden, der aber nur dann Erfolg haben kann, wenn die Festsetzung der öffentlichen Ordnung widerspricht. Eine solche Einschränkung des gerichtlichen Rechtsschutzes wäre bei einem Verwaltungsakt unzulässig.

26

c) Der erkennende Senat lässt die Frage offen, ob auch die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V lediglich als Vertragshelfer fungiert oder ob es sich bei dieser Schiedsperson um eine Behörde und bei ihren Schiedssprüchen deshalb um Verwaltungsakte handelt. Die Bestimmungen des § 73b Abs 4 Satz 2 und Abs 4a SGB V sind durch das Gesetz vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) in Kenntnis der Regelungen in § 132a Abs 2 SGB V und § 76 Abs 6 SGB XI geschaffen worden, mit Wirkung zum 1.1.2009 in Kraft getreten und regeln das Schiedsverfahren in der hausarztzentrierten Versorgung abweichend. Die dort vorgesehene Schiedsperson wird im Rahmen eines gesetzlich normierten und nicht, wie bei § 132a Abs 2 SGB V, lediglich vertraglich vereinbarten Schiedsverfahrens tätig. Zudem heißt es in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V: "Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson und die Festlegung des Vertragsinhalts haben keine aufschiebende Wirkung." Dies könnte darauf hindeuten, dass der Gesetzgeber von der Vorstellung ausging, der Schiedsspruch einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V stelle einen Verwaltungsakt dar.

27

Da die Neubescheidungsklage nach alledem unzulässig ist, konnten die Revisionen der Kläger insoweit schon vom rechtlichen Ansatz her keinen Erfolg haben.

28

C) Die Ersetzungsklage ist zwar zulässig, aber in der Sache unbegründet. Der Schiedsspruch vom 2.5.2007 ist auch in den noch streitbefangenen Punkten 3.1 und 3.2 nicht "unbillig" und daher rechtmäßig.

29

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen insoweit allerdings vor.

30

a) Da der Schiedsspruch einer Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V keinen Verwaltungsakt darstellt und eine Neubescheidungsklage nach § 54 Abs 1 SGG daher ausscheidet, konnte das Klageziel nur durch eine Ersetzungsklage nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V und § 317 Abs 1, § 319 Abs 1 Satz 2 BGB erreicht werden. Prozessual handelt es sich dabei um eine Sonderform der Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG. Bei einer solchen Klage sind die Vertragspartner die richtigen Klagegegner. Die Klage ist - entgegen der Ansicht des LSG - nicht gegen die Schiedsperson zu richten (so auch Plantholz in Klie/Krahmer, SGB XI, 3. Aufl 2009, Anhang SGB V, § 132a RdNr 22).

31

b) Bei einer Ersetzungsklage zur Herbeiführung einer vertraglichen Einigung nach § 132a Abs 2 SGB V ist die Schiedsperson auch nicht notwendig beizuladen(§ 75 SGG). Deren Tätigkeit ist mit dem Erlass des Schiedsspruchs beendet. Ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen sind durch die gerichtliche Leistungsbestimmung nach § 319 Abs 1 Satz 2 BGB nicht berührt.

32

Insofern unterscheidet sich die Rechtslage von der Klage gegen den Schiedsspruch einer Schiedsperson zu Pflegesätzen bei stationärer Pflege nach § 76 Abs 6 SGB XI. Dort ist nicht die Ersetzung eines rechtswidrigen Schiedsspruchs durch Urteil vorgesehen. Vielmehr kann bei einem Schiedsspruch nach § 76 Abs 6 SGB XI - wie bereits erwähnt - nur ein "Antrag auf gerichtliche Aufhebung" gestellt werden, und zwar allein mit der Begründung, die Festsetzung des Pflegesatzes widerspreche der öffentlichen Ordnung(§ 76 Abs 6 Satz 3 SGB XI). Das Gericht ist also lediglich befugt, die Aufhebung eines in dieser Weise rechtswidrigen Schiedsspruchs anzuordnen, darf dann aber - anders als bei Schiedssprüchen nach § 317 BGB - die streitige Leistungsbestimmung nicht selbst vornehmen. Vielmehr muss die Schiedsperson unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe einen neuen Schiedsspruch erlassen, soweit sich die Vertragsparteien nicht kurzerhand selbst einigen sollten. Um die Bindungswirkung des Urteils gegenüber der Schiedsperson bezüglich des erneut durchzuführenden Schiedsverfahrens zu gewährleisten, ist die Schiedsperson nach § 75 SGG zu einem solchen Rechtsstreit notwendig beizuladen(Richter, aaO, § 76 SGB XI RdNr 18).

33

2. Rechtsgrundlage des Anspruchs der Kläger auf Bestimmung der streitig gebliebenen Punkte 3.1 und 3.2 der Vergütungsvereinbarung durch das Gericht nach billigem Ermessen ist § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V und § 317 Abs 1, § 319 Abs 1 Satz 2 BGB. Dabei ist die Regelung des § 319 Abs 1 Satz 2 BGB, die auf den voranstehenden Satz 1 Bezug nimmt, allerdings nicht wörtlich, sondern nur in einer den Erfordernissen des öffentlichen Rechts entsprechenden Weise anzuwenden. Aus Gründen der Gleichbehandlung aller Pflegedienste und Krankenkassen bei der Bemessung der Vergütungen für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege und dem erforderlichen Gleichklang mit der Festlegung der Vergütungen im Bereich der sozialen Pflegeversicherung kann es nicht darauf ankommen, ob ein Schiedsspruch "offenbar unbillig" ist, sondern nur darauf, ob er "unbillig" ist. Das Urteil ersetzt also den Schiedsspruch nicht erst dann, wenn er wegen "offenbarer Unbilligkeit" aufzuheben ist, sondern schon bei schlichter Unbilligkeit. Die Schiedsperson hat die von den Vertragsparteien als streitig bezeichneten Vergütungen im Schiedsverfahren nach billigem Ermessen zu bestimmen; Rechtsgrundlage hierfür ist § 132a Abs 2 Satz 1 und 6 SGB V, § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 317 Abs 1 BGB und die Schiedsperson-Regelung gemäß Anlage 1 der Beitrittsvereinbarung zum Rahmenvertrag 2005. Der Anspruch der den Beklagten zu 2. bis 11. angeschlossenen und dem Rahmenvertrag 2005 beigetretenen Pflegedienste auf eine leistungsgerechte Vergütung ihrer Krankenpflegeleistungen (§ 37 SGB V) beruht auf § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V iVm § 38 Abs 3b Rahmenvertrag 2005: "Die Vergütung muss leistungsgerecht sein und die Leistungserbringer in die Lage versetzen, eine ausreichende, zweckmäßige, wirtschaftliche und den Qualitätsanforderungen entsprechende Leistung zu erbringen." Dabei ist die Vergütung "prospektiv für einen zukünftigen Zeitraum" zu vereinbaren (§ 38 Abs 3c Rahmenvertrag 2005).

34

3. Der Schiedsspruch des Beklagten zu 1. ist nicht unbillig und daher rechtmäßig iS der §§ 317 und 319 BGB, sodass die Ersetzungsklage im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden ist.

35

a) Die Schiedsperson-Regelung gemäß Anlage 1 der Beitrittsvereinbarung zum Rahmenvertrag 2005 erfüllt die Vorgaben des § 132a Abs 2 SGB V. Die Vertragsparteien haben vereinbart, dass die nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V zu berufende unabhängige Schiedsperson für Entscheidungen zu den vertraglichen Regelungen gemäß § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V (über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, die Preise und deren Abrechnung sowie die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung) zuständig ist(§ 1) und dass ein Schiedsverfahren auf Antrag einer Vertragspartei beginnt, wenn ein Vertrag nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V ganz oder teilweise nicht zustande kommt(§ 5 Abs 1). Außerdem haben sie bestimmt, dass die Schiedsperson unparteiisch und unabhängig (§ 2 Satz 1) und an Weisungen nicht gebunden ist (§ 7 Satz 1), die von ihr schriftlich zu begründende Entscheidung für die Vertragsparteien bindend (§ 7 Satz 2) und der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist (§ 7 Satz 3). Die Rechtsweg-Klausel bezieht sich nach Sinn und Zweck auf die vom Gesetzgeber vorgegebene Leistungsbestimmung durch die Schiedsperson nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 317 BGB in Form eines "nach billigem Ermessen" zu erlassenden Schiedsspruches, der von den Vertragsparteien inhaltlich nur mit der Rüge der "Unbilligkeit"(entsprechend § 319 Abs 1 BGB)angefochten werden kann. Der Schiedsspruch nach § 132a Abs 2 SGB V stellt rechtstechnisch ein "Schiedsgutachten im weiteren Sinne" dar(Palandt/Heinrichs, BGB, 69. Aufl 2010, § 317 RdNr 3 und § 319 RdNr 3 und 4),weil der Schiedsperson die Befugnis eingeräumt wird, die Leistung (zB Vergütung) oder eine Leistungsmodalität (zB Laufzeitbeginn und -dauer) zu bestimmen und dadurch den Vertragsinhalt rechtsgestaltend zu ergänzen. Es geht hingegen nicht um ein "Schiedsgutachten im engeren Sinne", bei dem der Dritte die Aufgabe hat, Tatsachen oder Tatbestandsmerkmale für die Parteien verbindlich festzustellen (Palandt/Heinrichs, aaO, § 317 RdNr 3 und 6). Auf solche Schiedsgutachten im engeren Sinne sind die §§ 315 ff BGB nur entsprechend anzuwenden. Da sie keine rechtsgestaltende Bestimmung, sondern eine kognitive Feststellung enthalten, kann bei ihnen nicht die Billigkeit, sondern nur die Richtigkeit Prüfungsgegenstand sein (Palandt/Heinrichs, aaO, § 319 RdNr 4).

36

b) Die bei Schiedssprüchen nach § 132a Abs 2 SGB V maßgebliche "Unbilligkeit" kann sowohl darin bestehen, dass der Schiedsspruch auf schwerwiegenden verfahrensrechtlichen Mängeln(zB Begründungsmängel, Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, vgl BGH NJW 1979, 1885; BGH NJW 1991, 2698; OLG Schleswig SchlHA 1999, 236) beruht, als auch darin, dass das gefundene Ergebnis materiell unrichtig ist oder gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt (zB durch einseitige Berücksichtigung der Interessen einer Partei oder wenn sich die Leistungsbestimmung völlig über die Entwicklung am betreffenden Markt hinwegsetzt). Die Prüfung der Frage der Billigkeit oder Unbilligkeit eines Schiedsspruchs gliedert sich also in eine Rechtskontrolle und eine Inhaltskontrolle (vgl auch Palandt/Heinrichs, aaO, § 319 RdNr 5, 5a). Die bei zivilrechtlichen Leistungsbestimmungen nach § 317 BGB zusätzlich erforderliche Evidenzkontrolle entfällt jedoch, weil es hier nur auf die "Unbilligkeit" des Schiedsspruchs ankommt, nicht aber darauf, ob die Unbilligkeit "offenbar" ist.

37

c) Der Schiedsspruch einer Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V stellt seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch eine sachnahe, von den Vertragsparteien unabhängige Person dar. Durch die Unabhängigkeit und die fachliche Weisungsfreiheit wollen der Gesetzgeber und die Vertragsparteien die Fähigkeit der Schiedsperson zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen und zu einer Entscheidungsfindung nutzen, die nicht immer die einzige sachlich vertretbare ist und häufig Kompromisscharakter aufweist. Bei der Inhaltskontrolle kommt es demgemäß nur darauf an, ob ein vertretbarer, nachvollziehbarer Beurteilungsmaßstab angewandt worden ist und das Ergebnis "billigem Ermessen" entspricht, also mit den gesetzlichen Vorgaben sowie mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) vereinbar ist. Ob das Gericht einen anderen Beurteilungsmaßstab bevorzugt hätte, ist unerheblich, weil es auf Zweckmäßigkeitserwägungen nicht ankommt (Plantholz RsDE 64, 1, 12). Maßstab zur Beurteilung der "Unbilligkeit" kann auch nur das wirtschaftliche Gesamtergebnis des Schiedsspruchs sein. Daher muss regelmäßig nicht jede einzelne Bestimmung zur Vergütung der diversen Leistungen der häuslichen Krankenpflege isoliert betrachtet werden, sondern es bedarf der Gesamtschau aller Leistungsbestimmungen unter Einschluss des festgelegten Beginns der Vergütungsanhebung sowie der festgelegten Laufzeit. Außerdem ist zu beachten, dass die Schiedsperson an die im Schiedsverfahren gestellten Anträge gebunden ist, also unstreitige Punkte als vorbestimmten Vertragsinhalt zu akzeptieren hat sowie die Forderung der Leistungserbringer nicht überschreiten, aber das Angebot der Krankenkassen auch nicht unterschreiten darf.

38

d) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und des Beurteilungsspielraums der Schiedsperson, der durch das "billige Ermessen" geprägt ist (§ 317 Abs 1 BGB), darf im Zuge der Rechts- und Inhaltskontrolle ausschließlich geprüft werden, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt ist, ob zwingendes Gesetzesrecht beachtet und ob der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten worden ist. Dies setzt voraus, dass der Beurteilungsmaßstab und die gefundene Abwägung durch die Schiedsperson Eingang in die Begründung des Schiedsspruches gefunden haben. Die Anforderungen hieran dürfen im Hinblick auf Stellung und Funktion der Schiedsperson jedoch nicht überspannt werden. Die Schiedsperson unterhält in aller Regel keinen eigenen Verwaltungsapparat und ist in besonderer Weise auf die Mitwirkung der Beteiligten angewiesen. Es ist deshalb in der Regel nicht zu beanstanden, wenn sich die Begründung des Schiedsspruchs auf die im Verfahren vorgebrachten Angaben der Beteiligten und die wesentlichen Erwägungen der Schiedsperson beschränkt.

39

e) Festzuhalten bleibt ferner, dass bei der Prüfung der Billigkeit eines Schiedsspruchs zu einer Vergütungsregelung nach § 132a SGB V danach zu differenzieren ist, ob der Vertrag mit einem einzelnen Pflegedienst geschlossen wird oder ob auf der Leistungserbringerseite eine Mehrheit von Pflegediensten steht, wie es hier der Fall ist. Nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V schließen die Krankenkassen über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung grundsätzlich Verträge "mit den Leistungserbringern". Der Gesetzgeber geht damit ersichtlich vom Leitbild der Einzelverträge mit den einzelnen Pflegediensten aus. Aus Gründen der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung hat der erkennende Senat aber auch Kollektivverträge mit Gruppen von Leistungserbringern bzw deren Verbänden zu Vergütungsregelungen nach § 132a SGB V zugelassen(BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 4). Für die - in der Praxis dominierenden - Kollektivverträge können naturgemäß nicht jene Grundsätze herangezogen werden, die der Senat in seinem Urteil vom 17.12.2009 (B 3 P 3/08 R, BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2) für die Vergütung der Leistungen ambulanter Pflegeeinrichtungen (§ 89 SGB XI) niedergelegt hat (Plausibilitätsprüfung der Gestehungskosten des jeweiligen Pflegedienstes; externer Vergleich mit anderen Pflegediensten). Diese Grundsätze können nur dann herangezogen werden, wenn es um Einzelverträge nach § 132a SGB V geht. Bei den Kollektivverträgen kann nicht auf die Gestehungskosten eines einzelnen Pflegedienstes abgestellt werden, sondern es bedarf eines generellen, vom einzelnen Pflegedienst losgelösten Maßstabs.

40

           

f) Inhaltlich hat sich das der Schiedsperson eingeräumte "billige Ermessen" (§ 317 Abs 1 BGB) an den sich aus § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V iVm § 38 Abs 3 Rahmenvertrag 2005 ergebenden rechtlichen Vorgaben für die Vergütung der Pflegedienste zu orientieren: "Die Vergütung muss leistungsgerecht sein und die Leistungserbringer in die Lage versetzen, eine ausreichende, zweckmäßige, wirtschaftliche und den Qualitätsanforderungen entsprechende Leistung zu erbringen". Dabei hat der erkennende Senat im Zusammenhang mit der Vergütung für Leistungen der ambulanten Pflege nach § 36 SGB XI, die von den Pflegediensten in vielen Fällen gleichzeitig mit der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V angeboten werden, und darüber hinaus auch für die stationäre Pflege nach § 43 SGB XI wiederholt ausgeführt, die Wahrung der Tarifbindung durch den Einrichtungsträger stehe der Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung nicht entgegen(BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1 - zu § 85 SGB XI, BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2 - zu § 89 SGB XI). Diesen Grundsatz haben die Vertragspartner auch bei der Festlegung der Vergütung für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 38 Abs 3 Rahmenvertrag 2005 zu beachten; ebenso hat die Schiedsperson diesen Grundsatz bei der Ausübung ihres "billigen Ermessens" bei der Leistungsbestimmung analog § 317 Abs 1 BGB zu berücksichtigen. Der Sinn besteht vor allem darin,

-       

den in der Pflege (§ 37 SGB V, §§ 36, 43 SGB XI) tätigen Arbeitnehmern eine ihren Leistungen und ihrem Einsatz für kranke und behinderte Mitmenschen angemessenes Arbeitsentgelt zu gewährleisten;

-       

zu verhindern, dass der "Preiskampf" zwischen den verschiedenen Trägern von Pflegediensten und Pflegeheimen letztlich zu einer nicht vertretbaren Absenkung der Entgelte der Pflegekräfte und der Qualität der Leistungen führt, und sich das Entgeltniveau auf Dauer dem geltenden Mindestlohn-Niveau nähert;

-       

den Anreiz zu verringern, kollektive Tarifverträge zu verlassen (Tarifflucht) und auf Leiharbeit, die Auslagerung von Aufgaben (Outsourcing) oder ähnliche Kosten senkende - aber die Stammbelegschaft benachteiligende - Maßnahmen auszuweichen.

41

Der Grundsatz, dass die Wahrung der Tarifbindung der Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung nicht entgegen steht, gilt nicht nur für kollektive Tarifverträge, sondern prinzipiell auch für Haustarifverträge. Eine Grenze ist allerdings dort zu ziehen, wo im Einzelfall die Höhe der tarifvertraglich vereinbarten Lohn- und Gehaltssteigerungen die von anderen Einrichtungsträgern gezahlten Arbeitsentgelte deutlich übersteigt und es hierfür am Markt keine sachlichen Gründe gibt. Ein solcher sachlicher Grund könnte zB darin bestehen, einen bisher vorhandenen Rückstand der Arbeitsentgelte bei gleicher beruflicher Qualifikation der Pflegekräfte und vergleichbarer Leistungsqualität allmählich auszugleichen und so der Gefahr der Abwerbung guter Kräfte durch Konkurrenzunternehmen vorzubeugen. Ist ein solcher rechtfertigender Grund für überdurchschnittliche Steigerungen der Entgelte aber nicht ersichtlich, sind die Versicherungsträger und die Schiedspersonen nicht gehalten, die Tarifverträge in voller Höhe bei der Festsetzung der Vergütungen für die Pflegeleistungen zu berücksichtigen. Es gibt also keinen "Freibrief" der Tarifpartner, auf Kosten der Versicherungsträger und der Versicherten jedwede Tariferhöhung zu vereinbaren.

42

4. Nach diesen Grundsätzen kann von der Unbilligkeit und damit auch von der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Schiedsspruchs in den noch streitigen Punkten 3.1 und 3.2 nicht die Rede sein.

43

a) Der Grundsatz der Wahrung der Beitragsstabilität, der nach § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V auch für die Vergütung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege(§ 37 SGB V) gilt, obwohl er in § 132a SGB V nicht wiederholt worden ist, wird durch den Schiedsspruch nicht verletzt. Das LSG weist zu Recht darauf hin, dass die im Schiedsspruch unter Punkt 3.1 und 3.2 festgelegte Erhöhung der Vergütung nicht zu Beitragserhöhungen der angeschlossenen Krankenkassen geführt oder auch nur die Gefahr von Beitragserhöhungen hervorgerufen haben. Der Anteil der Ausgaben der Krankenkassen für Leistungen der häuslichen Krankenpflege am Gesamtvolumen aller Ausgaben lässt nicht erkennen, dass bei einer pauschalen Vergütungserhöhung um 5,98 % überhaupt eine Beitragserhöhung im Raum gestanden haben könnte. Denn der Anteil der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für häusliche Krankenpflege ihrer Versicherten betrug im Zeitraum von 1998 bis 2007 lediglich 1,5 % und im Jahre 2008 1,6 % der Gesamtausgaben.

44

b) Offenbleiben kann die Frage, ob der nach § 71 Abs 3 und 3a SGB V ministeriell festgelegte Richtwert für die Vergütungsanhebung des Jahres 2007 von 0,47 % auch für die Verträge nach § 132a SGB V gilt oder - so das LSG - nur auf solche Verträge anwendbar ist, die der Aufsichtsbehörde zur Genehmigung vorzulegen sind(§ 71 Abs 4 und 5 SGB V), wozu die Verträge nach § 132a SGB V gerade nicht gehören. Ausweislich der Entscheidungsgründe des Schiedsspruchs hat der Beklagte zu 1. für das Jahr 2007 genau die ministeriell verfügte Veränderungsrate von 0,47 % zugrunde gelegt. Die Anhebung aller Vergütungen um jeweils 5,98 % resultiert aus der Summe der Veränderungsraten für 2001 (1,63 %), 2002 (1,84 %), 2003 (0,81 %), 2004 (0,02 %), 2005 (0,38 %), 2006 (0,83 %) und 2007 (0,47 %). Der Einwand der Kläger, der Beklagte zu 1. habe insgesamt nur eine Anhebung der Vergütungen um 0,47 % ab 2007 verfügen dürfen, übersieht, dass diese Steigerungsrate nur dann den Höchstsatz dargestellt hätte, wenn für das Jahr 2006 eine einvernehmliche Vergütungsvereinbarung der Parteien erzielt worden wäre. Daran fehlt es jedoch. Nach der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat verbindlichen (§ 163 SGG) Feststellung des LSG gab es ab 2001 zwischen den Beteiligten keine endgültige Einigung über die Höhe der Vergütungen. Die im Jahr 1998 für das Folgejahr (1999) vereinbarten Vergütungen sind ab 2001 mangels abschließender Einigung nur als vorläufige Regelungen weiter angewandt worden.

45

c) Im Übrigen ist der Einwand der Kläger, der Beklagte zu 1. habe die Vergütungen für die Leistungen nur um höchstens 0,47 % anheben dürfen, treuwidrig (§ 242 BGB) und daher unbeachtlich, weil die Kläger im Schiedsverfahren bereits eine pauschale Anhebung um 3,2 % angeboten hatten. Dieses Angebot durfte der Beklagte zu 1. bei der Leistungsbestimmung nicht unterschreiten und es bleibt insoweit auch für das Gerichtsverfahren maßgeblich.

46

d) Nicht erfolgreich sein können die Kläger auch mit dem Argument, für einige Leistungen seien noch in zwei späteren Nachträgen zum Rahmenvertrag 1996 Vergütungen vereinbart worden, sodass insoweit eine Anhebung auf der Basis der Steigerungsraten der Jahre 2001 bis 2007 nicht hätte erfolgen dürfen. Der Beklagte zu 1. hat die Nachträge der Jahre 2001 und 2004 im Schlichtungsverfahren berücksichtigt, sie aber nicht als abschließende Einigung auf die Vergütungen ab 2001 bzw 2004 angesehen. Die Nachträge waren durch Änderung der Richtlinien zur häuslichen Krankenpflege (§ 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V) notwendig, orientierten sich an den Vergütungsvereinbarungen mit den privaten Pflegediensten und haben durch Zusammenlegung einzelner Leistungen in der Gesamtschau sogar zu einer teilweisen Absenkung des Vergütungsniveaus geführt. Demgemäß hat der Beklagte zu 1. in den Entscheidungsgründen des Schiedsspruchs ausgeführt, die Verfahrensbeteiligten hätten dargelegt, die derzeit (Ende 2006) gezahlten Leistungsvergütungen seien letztmalig im Jahr 1998 für das Jahr 1999 angepasst worden. In der Folgezeit sei es den Beteiligten nicht gelungen, die streitigen Fragen zur Vergütung zu lösen. Daher kann dem Schiedsspruch nicht eine unrichtige Berechnungsbasis entgegengehalten werden. Außerdem ist daran zu erinnern, dass die Kläger selbst eine einheitliche Anhebung aller Leistungen der häuslichen Krankenpflege (ohne Hausbesuchspauschale) um 3,2 % angeboten hatten, also auch von ihnen keine Sonderregelung für die in den Nachträgen aufgeführten Leistungen vorgesehen war.

47

e) Die Steigerung der Grundlohnsummen der Jahre 2001 bis 2007 ist ein plausibler, nachvollziehbarer Beurteilungsmaßstab für die Bestimmung der Vergütungen für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege und der Hausbesuchspauschale ab 1.7.2007, weil es in jenem Zeitraum keine verbindlichen Vergütungsvereinbarungen mehr gab und die Leistungserbringer im Wesentlichen Personalkostensteigerungen ausgesetzt waren. Als vertretbarer Beurteilungsmaßstab ist dies von den Vertragsparteien und den Gerichten hinzunehmen. Eine Zweckmäßigkeitskontrolle findet nicht statt.

48

f) Die Erhöhung der Hausbesuchspauschale von 4,76 Euro um 5,98 % auf 5,04 Euro ist ebenfalls nicht unbillig. Dies gilt auch dann, wenn mit allen anderen Leistungserbringern weiterhin ein Preis von 4,76 Euro für 2007 vereinbart worden und dieser Satz deshalb der Marktpreis in Hessen gewesen sein sollte. Angesichts der Tatsache, dass es auch für die von der Hausbesuchspauschale abgedeckten Leistungen seit 2001 objektive Steigerungen der Personal- und Sachkosten gegeben hat und dieser Posten einen erheblichen Umsatzfaktor darstellt, wäre ein "Einfrieren" der Vergütung auf dem Stand von 1999 nur gerechtfertigt gewesen, wenn seinerzeit ein deutlich zu hoher Satz von umgerechnet 4,76 Euro vereinbart worden wäre, was aber nicht einmal behauptet worden ist. So dürfte die Beibehaltung des gleichen Preises über acht Jahre hinweg wohl nur mit der Marktmacht der Kläger zu erklären sein.

49

g) Da der Schiedsspruch vom 2.5.2007 alle notwendigen Begründungselemente enthält und es auf einen gesonderten externen Vergleich mit den Vergütungen anderer Pflegedienste nur bei Einzelverträgen nach § 132a Abs 2 SGB V maßgeblich ankommt, erweist sich auch der Vorwurf der unzureichenden Begründung als haltlos.

50

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

51

6. Die Streitwertfestsetzung orientiert sich am Regelstreitwert von 5000 Euro, beträgt aber 10 000 Euro, weil es sich prozessual um zwei Klagen handelt (§ 197a Abs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 und 2 GKG).

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Vormerkung in Polen zurückgelegter Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung.

2

Die 1955 in Polen geborene Klägerin reiste am 7.6.1990 mit ihrem 1979 geborenen Sohn - wie bereits ein halbes Jahr zuvor ihr Ehemann - in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Familie bewohnte fortan eine gemeinsame Wohnung in D./Nordrhein-Westfalen. Die Klägerin ist weder als Spätaussiedlerin noch als Vertriebene anerkannt.

3

Eine nach dem erfolglosen Vertriebenenverfahren von der Ausländerbehörde erlassene Ordnungsverfügung vom 28.7.1995 mit einer an die Klägerin gerichteten Aufforderung zur Ausreise wurde vom Verwaltungsgericht A. mit Beschluss vom 6.10.1995 (8 L 1241/95) bestätigt. Die hiergegen beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen erhobene Beschwerde nahm die Klägerin wegen der ihr im April 1997 als "Härtefallentscheidung" nach dem Runderlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 10.6.1996 erteilten Aufenthaltsbefugnis zurück.

4

Zuvor hatte die Ausländerbehörde der Klägerin für den Zeitraum ab 12.6.1990 jeweils befristete Duldungen ausgestellt. Vom 4.4.1997 bis 15.4.2005 war sie im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis. Ab 4.4.2005 erhielt sie nach dem Beitritt Polens zur EU eine (unbefristete) Freizügigkeitsbescheinigung. Seit 30.4.2009 ist die Klägerin deutsche Staatsangehörige.

5

Auf ihren Antrag auf Klärung des Versicherungskontos vom 22.3.2010 stellte die Beklagte die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Jahre zurücklagen (Zeiten bis 31.12.2004) verbindlich fest, ohne (ua) die in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten vom 4.10.1974 bis 28.2.1976, vom 10.4.1976 bis 27.11.1978 und vom 7.3.1979 bis 31.5.1990 als Beitrags- oder Beschäftigungszeit in der deutschen Rentenversicherung vorzumerken (Bescheid vom 28.3.2011, Widerspruchsbescheid vom 16.6.2011). Die Klägerin erfülle die persönlichen Voraussetzungen des § 1 Buchst a FRG (Anerkennung als Vertriebene oder Spätaussiedlerin) nicht. Nichts anderes ergebe sich aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung (Abk Polen RV/UV) vom 9.10.1975. Denn die Klägerin habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland nicht vor dem 31.12.1990 begründet. Ihre in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten würden nach den Regelungen der EGV 883/2004 und EGV 987/2009 berücksichtigt.

6

Die hiergegen gerichtete Klage hat das SG mit Urteil vom 7.3.2012 abgewiesen, die Berufung ist ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 22.3.2013). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Ein Anspruch auf Vormerkung der in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung gemäß Art 4 Abs 2 Abk Polen RV/UV iVm Art 2 Abs 1 des Zustimmungsgesetzes zu dem Abk Polen RV/UV vom 12.3.1976 bestehe nur dann, wenn die Voraussetzungen des Art 27 Abs 2 bis 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit vom 8.12.1990 (Abk Polen SozSich) vorlägen. Nach Art 27 Abs 3 S 1 Abk Polen SozSich müsse die Klägerin hierfür ua spätestens vom 30.6.1991 an in Deutschland wohnen. Wohnort sei der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts (§ 30 Abs 3 S 2 SGB I), wobei es sich um einen unbefristeten rechtmäßigen Aufenthalt handeln müsse (Art 1 Nr 10 Abk Polen SozSich). Jemand habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweile. Bei Ausländern müsse dazu die Aufenthaltsposition so offen sein, dass sie wie bei einem Inländer einen Aufenthalt auf unbestimmte Dauer ermögliche, statt auf Beendigung des Aufenthalts im Inland angelegt zu sein. Dabei komme es auf den Inhalt der von der Ausländerbehörde ausgestellten Bescheinigungen an, wie er sich nach der behördlichen Praxis und der gegebenen Rechtslage darstelle (Hinweis auf BSG vom 25.3.1998 - B 5 RJ 22/96 R - Juris RdNr 22). Bei der Klägerin sei der gewöhnliche Aufenthalt erst seit 4.4.1997 mit der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gegeben. Zum 30.6.1991 habe sie sich erst ca ein Jahr in Deutschland aufgehalten. Eine verfestigte Rechtsposition bzw "Kettenduldungen" von mehreren Jahren hätten noch nicht vorgelegen. Eine besondere Praxis der Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen, Aufenthalte für Staatsangehörige aus den ehemaligen Ostblockstaaten auf unbestimmte Zeit zuzulassen, habe es nicht gegeben. Vielmehr sei die sogenannte "Ostblockregelung" bereits aufgehoben gewesen.

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das LSG habe § 149 Abs 5 und §§ 54, 55 SGB VI iVm Art 2 des Gesetzes zu dem Abk Polen RV/UV vom 12.3.1976 in der Fassung des Gesetzes zu dem Abk Polen SozSich vom 18.6.1991 sowie Art 27 Abs 3 Abk Polen SozSich rechtsfehlerhaft ausgelegt und angewandt. Sie habe seit ihrer Einreise gemeinsam mit ihrem Ehemann und Kind eine Wohnung unter Umständen innegehabt, die darauf schließen ließen, dass sie die Wohnung beibehalten werde. Damit erfülle sie die Voraussetzungen des Art 27 Abs 3 Abk Polen SozSich. Auf einen bestimmten ausländerrechtlichen Titel komme es allein nicht an, sondern auch auf die sonstigen Umstände und die materielle Rechtslage. Der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts stünden grundsätzlich keine Hindernisse entgegen, soweit keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu erwarten seien. Zudem sei sie der Auffassung gewesen, die deutsche Volkszugehörigkeit werde ihren Aufenthalt auf Dauer sichern. Die unter Art 6 Abs 1 GG stehende Familienzusammenführung habe ihren aufenthaltsrechtlichen Status am Stichtag 30.6.1991 bereits so verfestigt, dass es der sogenannten "Ostblockregelung" nicht mehr bedurft habe, um ihren rechtlich erlaubten Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland dauerhaft zu begründen. Dies folge auch aus der ihr 1997 aufgrund der sogenannten "Härtefallregelung" erteilten Aufenthaltsbefugnis.

8

Die Klägerin beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2013 und des Sozialgerichts Aachen vom 7. März 2012 aufzuheben und die Beklage unter Änderung des Bescheids vom 28. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juni 2011 zu verurteilen, die von ihr in Polen zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach Maßgabe des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 vorzumerken.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, ausländerrechtliche Duldungen beseitigten weder die Ausreisepflicht noch deren Vollziehbarkeit, weshalb ein rechtmäßiger Aufenthalt nicht erreicht werde. Wegen des nur vorübergehenden Stopps der Abschiebung und der zeitlichen Beschränkung bei vorübergehenden Abschiebungshindernissen lasse sich die Prognose eines Daueraufenthalts in Deutschland nicht treffen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

12

Zu Recht haben die Vorinstanzen die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, § 56 SGG) abgewiesen und entschieden, dass die Beklagte die von der Klägerin erstrebten rechtlichen Feststellungen nicht treffen muss. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vormerkung (§ 149 Abs 5 S 1 SGB VI) der von ihr Polen zurückgelegten Versicherungszeiten vom 4.10.1974 bis 28.2.1976, vom 10.4.1976 bis 27.11.1978 und vom 7.3.1979 bis 31.5.1990 in der deutschen Rentenversicherung nach Maßgabe des Abk Polen RV/UV vom 9.10.1975 (BGBl II 1976, 396).

13

1. Das noch vom Eingliederungs- bzw Integrationsprinzip (vgl hierzu BSG vom 25.3.1998 - B 5 RJ 22/96 R - Juris RdNr 18; BSG vom 29.9.1998 - B 4 RA 91/97 R - Juris RdNr 14) getragene Abk Polen RV/UV ist durch (Zustimmungs-)Gesetz vom 12.3.1976 (BGBl II 393) in das innerstaatliche Recht transformiert und am 1.5.1976 in Kraft getreten (BGBl II 463).

14

Nach Art 2 Abs 1 des Gesetzes zu dem Abk Polen RV/UV sind Zeiten, die nach dem polnischen Recht der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, gemäß Art 4 Abs 2 Abk Polen RV/UV in demselben zeitlichen Umfang in der deutschen Rentenversicherung in entsprechender Anwendung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) zu berücksichtigen, solange der Berechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes "wohnt". Gemäß § 15 Abs 1 S 1 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich(vgl § 55 Abs 1 S 2 SGB VI).

15

a) Das Abk Polen RV/UV wurde durch das spätere Abk Polen SozSich vom 8.12.1990 (BGBl II 1991, 743), das durch das (Zustimmungs-)Gesetz vom 18.6.1991 (BGBl II 741, geändert durch Art 2 Nr 10 des Gesetzes zur Umsetzung von Abkommen über Soziale Sicherheit und zur Änderung verschiedener Zustimmungsgesetze vom 27.4.2002, BGBl I 1464) in innerstaatliches Recht transformiert worden und am 1.10.1991 in Kraft getreten ist (BGBl II 1072), nicht ausnahmslos verdrängt bzw ersetzt. Denn nach den Übergangs- und Schlussbestimmungen des Abk Polen SozSich ist das Abk Polen RV/UV unter den Voraussetzungen des Art 27 Abs 2 bis 4 Abk Polen SozSich weiterhin anwendbar.

16

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der mit Wirkung vom 1.5.2010 in Kraft getretenen EGV 883/2004 vom 29.4.2004 (ABl Nr L 166 vom 30.4.2004, zuletzt geändert durch EUV 517/2013 vom 13.5.2013, ABl Nr L 158 vom 10.6.2013).

17

Nach Art 8 Abs 1 S 1 EGV 883/2004 ist diese Verordnung im Rahmen ihres Geltungsbereichs zwar an die Stelle aller zwischen den Mitgliedstaaten geltenden Abkommen über die soziale Sicherheit getreten. Dies betrifft auch die entsprechenden Vereinbarungen zwischen Deutschland und Polen - also auch das Abk Polen SozSich und das Abk Polen RV/UV. Einzelne Bestimmungen von Abkommen über soziale Sicherheit, die wie das Abk Polen RV/UV von den Mitgliedstaaten vor dem Beginn der Anwendung der EGV 883/2004 geschlossen wurden, gelten nach Art 8 Abs 1 S 2 EGV 883/2004 jedoch fort, sofern sie für die Berechtigten günstiger sind oder sich aus besonderen historischen Umständen ergeben und ihre Geltung zeitlich begrenzt ist. Um weiterhin Anwendung zu finden, müssen diese Bestimmungen ferner in Anhang II aufgeführt sein (Art 8 Abs 1 S 3 EGV 883/2004).

18

Die formelle Voraussetzung der Fortgeltung des Abk Polen RV/UV sind erfüllt. In Anhang II der EGV 883/2004 ist unter der Überschrift "Bestimmungen von Abkommen, die weiter in Kraft bleiben und gegebenenfalls auf die Personen beschränkt sind, für die diese Bestimmungen gelten (Artikel 8 Absatz 1)" im Abschnitt "Deutschland - Polen" unter Buchst a das "Abkommen vom 9. Oktober 1975 über Renten- und Unfallversicherung, unter den in Artikel 27 Absätze 2 bis 4 des Abkommens über soziale Sicherheit vom 8. Dezember 1990 festgelegten Bedingungen (Beibehaltung des Rechtsstatus auf der Grundlage des Abkommens von 1975 der Personen, die vor dem 1. Januar 1991 ihren Wohnsitz auf dem Hoheitsgebiet Deutschlands oder Polens genommen hatten und weiterhin dort ansässig sind)" aufgeführt.

19

Auch die materiellen Voraussetzungen für die Fortgeltung des Abk Polen RV/UV sind gegeben. Es sind lediglich "einzelne Bestimmungen von Abkommen über soziale Sicherheit" betroffen, auch wenn Anhang II die Fortgeltung des gesamten Abk Polen RV/UV anordnet. Denn dieses Vertragswerk stellt kein umfassendes Abkommen über soziale Sicherheit iS des Art 8 EGV 883/2004 dar, sondern beschränkt sich auf Regelungen zur RV und UV (Senatsurteil vom 10.7.2012 - BSGE 111, 184 = SozR 4-5075 § 1 Nr 9, RdNr 34).

20

Ob die weitere Anwendung der Bestimmungen des Abk Polen RV/UV für den in Anhang II (Abschnitt Deutschland - Polen) der EGV 883/2004 benannten Personenkreis bzw für die Klägerin insgesamt günstiger wäre als der Bezug zeitanteiliger Leistungen aus der deutschen und polnischen RV nach den Regeln der Art 50 ff EGV 883/2004, hat das LSG zwar nicht festgestellt. Dies dürfte aber bei nach langjähriger Berufstätigkeit in Polen nach Deutschland übergesiedelten Personen regelmäßig der Fall sein. Weitere Sachaufklärung hierzu ist jedoch entbehrlich, da jedenfalls die zweite Alternative des Art 8 Abs 1 S 2 EGV 883/2004 erfüllt ist. Denn die Fortgeltung des Abk Polen RV/UV für diejenigen vor dem 1.1.1991 Eingereisten, die (spätestens) bis zum 30.6.1991 ihren "Wohnort" in Deutschland oder Polen hatten und auch weiterhin dort ansässig sind, beruht auf den besonderen historischen Umständen, die Deutschland und Polen veranlasst haben, zur Bewältigung der als Folge des Zweiten Weltkriegs entstandenen Lage im Jahr 1975 hinsichtlich der rentenrechtlichen Ansprüche der in Deutschland oder Polen lebenden Bürger das Eingliederungsprinzip zugrunde zu legen und auch nach den Umwälzungen im Jahr 1990 für die genannte Personengruppe beizubehalten (Senatsurteil vom 10.7.2012 - BSGE 111, 184 = SozR 4-5075 § 1 Nr 9, RdNr 35).

21

Die Fortgeltung des Abk Polen RV/UV ist schließlich "zeitlich begrenzt", da dessen Bestimmungen an Stelle der europarechtlichen Koordinierungsregelungen nur so lange Anwendung finden, wie die davon betroffenen Personen ihren bisherigen Wohnort in Deutschland oder Polen beibehalten. Sobald diese von der Freizügigkeit Gebrauch machen und ihren Wohnort in ein anderes Land verlegen, werden die allgemeinen Regelungen des Leistungsexports auch für sie wirksam (Senatsurteil vom 10.7.2012 - BSGE 111, 184 = SozR 4-5075 § 1 Nr 9, RdNr 36; Schuler, Anm zum Urteil des EuGH vom 18.12.2007 , ZESAR 2009, 40, 44).

22

Die im Sekundärrecht (Art 8 Abs 1 iVm Anhang II EGV 883/2004) für eine bestimmte Personengruppe verankerte Weitergeltung des Abk Polen RV/UV ist auch mit den im europäischen Vertragsrecht allen Unionsbürgern garantierten Grundfreiheiten (vgl Art 20 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV), insbesondere der Freizügigkeit (Art 20 Abs 2 S 2 Buchst a iVm Art 21 AEUV, s auch Art 45 iVm Art 52 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU ), vereinbar (hierzu ausführlich Senatsurteil vom 10.7.2012 - BSGE 111, 184 = SozR 4-5075 § 1 Nr 9, RdNr 37 ff; zu diesem Prüfungsschritt im Allgemeinen EuGH vom 18.12.2007 - C 396/05 ua - - SozR 4-6035 Art 42 Nr 2, RdNr 74 ff; EuGH vom 16.5.2013 - C 589/10 - - ZESAR 2013, 456, 460 zu Art 45 AEUV).

23

2. Nach Art 27 Abs 2 S 1 Abk Polen SozSich werden die vor dem 1.1.1990 aufgrund des Abk Polen RV/UV von Personen in einem Vertragsstaat erworbenen Ansprüche durch das Abk Polen SozSich nicht berührt, solange diese Personen auch nach dem 31.12.1990 ihren Wohnort im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaats beibehalten. Gemäß Art 27 Abs 3 Abk Polen SozSich erwerben Ansprüche und Anwartschaften nach dem Abk Polen RV/UV auch Personen, die vor dem 1.1.1991 in den anderen Vertragsstaat eingereist sind, bis zu diesem Zeitpunkt die Verlegung des Wohnortes in den anderen Vertragsstaat beantragt haben und sich dort seitdem ununterbrochen aufhalten (in diesem Sinne ist auch der Klammerzusatz "Beibehaltung des Rechtsstatus auf der Grundlage des Abkommens von 1975 der Personen, die vor dem 1. Januar 1991 ihren Wohnsitz auf dem Hoheitsgebiet Deutschlands oder Polens genommen hatten und weiterhin dort ansässig sind" im Anhang II der EGV 883/2004, Abschnitt "Deutschland - Polen" unter Buchst a zu verstehen). Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass sie im Zeitpunkt des Versicherungsfalls, spätestens vom 30.6.1991 an, in diesem Vertragsstaat auch "wohnen" (zur Abgrenzung von Abs 2 und Abs 3 des Art 27 Abk Polen SozSich s Senatsurteil vom 4.11.1998 - B 13 RJ 9/98 R - Juris RdNr 31).

24

Damit kommt es für die weitere Anwendbarkeit des Abk Polen RV/UV entscheidend darauf an, ob die Klägerin spätestens seit 30.6.1991 ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland "wohnt". Dies ist nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 163 SGG) nicht der Fall.

25

a) Für die Begriffe "Wohnort" und "wohnen" in Art 27 Abs 2 und 3 Abk Polen SozSich ist die Definition des Abk Polen RV/UV maßgeblich (BSG vom 9.5.1995 - 8 RKn 2/94 - Juris RdNr 13; Senatsurteile vom 9.8.1995 - SozR 3-1200 § 30 Nr 15 S 31 f und vom 4.11.1998 - B 13 RJ 9/98 R - Juris RdNr 32 f; stRspr). Nach Art 1 Nr 2 Spiegelstrich 1 Abk Polen RV/UV versteht man hierunter - für die Bundesrepublik Deutschland - "den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts oder sich gewöhnlich aufhalten". Art 1a des Zustimmungsgesetzes zu dem Abk Polen RV/UV vom 12.3.1976, der durch das Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) vom 18.12.1989 (BGBl I 2261) zum 1.7.1990 eingefügt worden ist (Art 20 Nr 1, 85 Abs 6 RRG 1992), konkretisiert dies mit der Bestimmung, dass einen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Sinne nur hat, wer sich dort unbefristet rechtmäßig aufhält (vgl auch Art 1 Nr 10 Abk Polen SozSich).

26

Da das Abk Polen RV/UV selbst die Begriffe "Wohnort" und "wohnen" - über die soeben beschriebenen allgemeinen Definitionen hinaus - nicht näher bestimmt, ist wegen des ausdrücklichen Bezugs auf die Bundesrepublik Deutschland davon auszugehen, dass auf den betreffenden innerstaatlichen (deutschen) Rechtsbegriff des gewöhnlichen Aufenthalts verwiesen werden sollte, wie er für die gesetzliche Rentenversicherung als Teil des SGB in § 30 Abs 3 S 2 SGB I bestimmt ist(Senatsurteile vom 9.8.1995 - SozR 3-1200 § 30 Nr 15 S 26 und vom 4.11.1998 - B 13 RJ 9/98 R - Juris RdNr 35; stRspr). Danach hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

27

Die Frage des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthalts nach § 30 Abs 3 S 2 SGB I ist anhand einer dreistufigen Prüfung zu klären. Ausgangspunkt ist ein "Aufenthalt"; es sind dann die mit dem Aufenthalt verbundenen "Umstände" festzustellen; sie sind schließlich daraufhin zu würdigen, ob sie "erkennen lassen", dass der Betreffende am Aufenthaltsort oder im Aufenthaltsgebiet "nicht nur vorübergehend verweilt" (vgl BSG vom 25.6.1987 - BSGE 62, 67, 68 f = SozR 7833 § 1 Nr 1 S 2; Senatsurteil vom 31.10.2012 - BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 24).

28

Ob jemand sich gewöhnlich an einem Ort oder in einem Gebiet aufhält oder nur vorübergehend dort verweilt, lässt sich nur im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise (Prognose) entscheiden (BSG vom 22.3.1988 - BSGE 63, 93, 97 = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 183; BSG vom 17.5.1989 - BSGE 65, 84, 86 = SozR 1200 § 30 Nr 17 S 17; Senatsurteil vom 31.10.2012 - BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 25). Dabei sind alle bei Prognosestellung für die Beurteilung der künftigen Entwicklung erkennbaren Umstände zu berücksichtigen. Ist nach der Prognose davon auszugehen, dass die betreffende Person zukunftsoffen "bis auf weiteres" an dem Ort oder in dem Gebiet verweilen wird, so hat sie dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt, wobei kein dauerhafter (unbegrenzter) Aufenthalt erforderlich ist (vgl BVerwG vom 18.3.1999 - FEVS 49, 434, 436; BSG vom 9.5.1995 - 8 RKn 2/94 - Juris RdNr 17; Senatsurteil vom 31.10.2012 - BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 30). Dem vorübergehenden Aufenthalt wohnt dagegen als zeitliches Element eine Beendigung von vornherein inne (vgl BSG vom 23.2.1988 - BSGE 63, 47, 49 = SozR 5870 § 1 Nr 14 S 32; Senatsurteil vom 31.10.2012 - BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 30).

29

Die zu treffende Prognose bleibt auch dann maßgebend, wenn der "gewöhnliche Aufenthalt" rückblickend (zB - wie hier - zu einem bestimmten Stichtag) zu ermitteln ist. Spätere Entwicklungen, die bis zu dem Zeitpunkt nicht erkennbar waren, zu dem die Frage des Aufenthalts vorausschauend beurteilt werden musste, können eine Prognose weder bestimmen noch widerlegen. Denn es gehört zum Wesen der Prognose, dass aufgrund feststehender Tatsachen Schlussfolgerungen für eine künftige, ungewisse Entwicklung gezogen werden. Dem würde es widersprechen, wollte man bei der späteren Überprüfung der Prognoseentscheidung auch zwischenzeitlich bekannt gewordene Fakten zugrunde legen (BSG vom 17.5.1989 - BSGE 65, 84, 89 = SozR 1200 § 30 Nr 17 S 20; BSG vom 11.5.2000 - SozR 3-4100 § 36 Nr 5 S 14). Es ist daher nicht rechtserheblich, dass bei späterer rückschauender Betrachtung eine andere prognostische Beurteilung gerechtfertigt sein könnte. Wenn Änderungen eintreten, kann der gewöhnliche Aufenthalt an dem Ort oder in dem Gebiet nur vom Zeitpunkt der Änderung an begründet werden oder entfallen (vgl BSG vom 23.2.1988 - BSGE 63, 47, 49 = SozR 5870 § 1 Nr 14 S 33; BSG vom 22.3.1988 - BSGE 63, 93, 97 f = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 183 f; BSG vom 17.5.1989 - BSGE 65, 84, 86, 89 = SozR 1200 § 30 Nr 17 S 17, 20; Senatsurteil vom 31.10.2012 - BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 26).

30

Die Prognose hat alle mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände zu berücksichtigen (BSG vom 25.6.1987 - BSGE 62, 67, 69 = SozR 7833 § 1 Nr 1 S 2; Senatsurteil vom 31.10.2012 - BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 32); dies können subjektive wie objektive, tatsächliche wie rechtliche sein. Es kann demnach nicht allein auf den Willen des Betroffenen ankommen, einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen (sog Domizilwille; BSG vom 9.5.1995 - 8 RKn 2/94 - Juris RdNr 17); dies gilt insbesondere dann, wenn er nicht mit den tatsächlichen objektiven Umständen übereinstimmt (vgl BSG vom 22.3.1988 - BSGE 63, 93, 97 = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 183).

31

Bei Ausländern ist im Rahmen der Gesamtwürdigung als ein rechtlicher Gesichtspunkt deren Aufenthaltsposition heranzuziehen (exemplarisch Senatsurteil vom 9.8.1995 - SozR 3-1200 § 30 Nr 15 S 30; stRspr), ohne dass diese aber allein Grundlage einer Prognose über die Dauer des Aufenthalts sein kann (vgl BVerfG vom 6.7.2004 - BVerfGE 111, 176, 185; BVerfG vom 10.7.2012 - BVerfGE 132, 72, RdNr 28). Zu den Tatsachen, die bei der Prognose im Rahmen des § 30 Abs 3 S 2 SGB I zu berücksichtigen sind, gehören auch Rechtshindernisse, die einer Abschiebung eines Ausländers entgegenstehen(vgl BSG vom 17.5.1989 - BSGE 65, 84, 87 = SozR 1200 § 30 Nr 17 S 18).

32

Dabei wird die Aufenthaltsposition wesentlich durch den Inhalt der von der Ausländerbehörde erteilten Bescheinigungen bestimmt, wie er sich nach der behördlichen Praxis und der gegebenen Rechtslage darstellt (BSG vom 18.2.1998 - BSGE 82, 23, 26 = SozR 3-2600 § 56 Nr 11 S 52; Senatsurteil vom 4.11.1998 - B 13 RJ 9/98 R - Juris RdNr 39). Der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts eines Ausländers stehen grundsätzlich keine Hindernisse entgegen, soweit keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen getroffen oder zu erwarten sind. Davon ist ua auszugehen, wenn der Betreffende aufgrund besonderer ausländer- bzw aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen oder behördlicher Praxis auch bei endgültiger Ablehnung eines Antrags auf ein dauerhaftes Bleiberecht (zB Asyl) nicht mit einer Abschiebung zu rechnen braucht (vgl BSG vom 23.2.1988 - BSGE 63, 47, 50 = SozR 5870 § 1 Nr 14 S 34; Senatsurteil vom 4.11.1998 aaO). Hierbei kann auch die familiäre Situation, etwa der Aufenthaltsstatus eines Ehegatten, eine Rolle spielen (vgl BSG vom 17.5.1989 - BSGE 65, 84, 88 = SozR 1200 § 30 Nr 17 S 19).

33

Das Stellen einer Prognose ist die Feststellung einer hypothetischen Tatsache (BSG vom 7.4.1987 - SozR 4100 § 44 Nr 47 S 115; BSG vom 22.3.1988 - BSGE 63, 93, 98 = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 184; BSG vom 17.5.1989 - BSGE 65, 84, 86 = SozR 1200 § 30 Nr 17 S 18; Senatsurteil vom 31.10.2012 - BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 27; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 128 RdNr 9f). Es ist allein Aufgabe der Tatsachengerichte, die notwendigen Ermittlungen durchzuführen und daraus die Prognose abzuleiten. Wie bei einer sonstigen Tatsachenfeststellung entscheidet das Gericht bei einer Prognose nach freier Überzeugung.

34

Die Prognose und die für ihre Feststellung notwendigen Tatsachen gehören nicht zur Rechtsanwendung; deshalb können sie vor dem Revisionsgericht nur mit Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl BSG vom 22.3.1988 - BSGE 63, 93, 98 = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 184; BSG vom 17.5.1989 - BSGE 65, 84, 86 = SozR 1200 § 30 Nr 17 S 18; BSG vom 27.7.2011 - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 23; Senatsurteil vom 31.10.2012 - BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 27). Verfahrensrügen, die die Feststellung der für die vorausschauende Betrachtung - nach damaligem Erkenntnisstand bis zu dem hier maßgeblichen Stichtag - erforderlichen Tatsachen, insbesondere der die Prognosegrundlage bildenden Tatsachen, betreffen, hat die Klägerin vorliegend jedoch nicht erhoben, sodass die Feststellungen des LSG insoweit für den Senat bindend sind (§ 163 SGG).

35

Das Revisionsgericht hat jedoch auch ohne Verfahrensrüge zu prüfen, ob das LSG für seine Prognose sachgerechte Kriterien gewählt hat oder ob die Prognose auf rechtlich falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht (in diesem Sinne Senatsurteil vom 31.10.2012 - BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 28 mwN).

36

b) Nach diesen Maßstäben ist die Sachentscheidung des LSG, dass die Klägerin bis zum hier maßgeblichen Stichtag 30.6.1991 keinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland begründet hatte, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das LSG hat aus den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen rechtsfehlerfrei gefolgert, dass die Klägerin sich am 30.6.1991 noch nicht bis auf weiteres im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibens im Bundesgebiet aufgehalten hat. Unerheblich ist, dass das Berufungsgericht seine Erwägungen nicht ausdrücklich als Prognose bezeichnet, solange es - wie hier - in der Sache eine solche ohne Rechtsfehler trifft.

37

Nach den Feststellungen des LSG verfügte die Klägerin bis zum 30.6.1991 über keine Aufenthaltsgenehmigung - welcher Art auch immer - (vgl § 5 Ausländergesetz in der hier maßgeblichen Fassung des AuslG vom 9.7.1990, BGBl I 1354 ), sondern lediglich über eine befristete Duldung.

38

Die Duldung ist eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung eines Ausländers (§ 55 Abs 1 AuslG 1990; seit 1.1.2005 § 60a Abs 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG). Sie beseitigt weder die Ausreisepflicht (§ 56 Abs 1 AuslG 1990; seit 1.1.2005 § 60a Abs 3 AufenthG) noch deren Vollziehbarkeit. Der Aufenthalt eines Ausländers wird mit der Duldung zwar nicht rechtmäßig, jedoch entfällt mit ihr eine Strafbarkeit wegen illegalen Aufenthalts (vgl § 92 Abs 1 Nr 1 AuslG 1990; seit 1.1.2005 vgl § 95 Abs 1 Nr 2 AufenthG). Mithin erschöpft sich die Duldung in dem zeitlich befristeten Verzicht der Behörde auf die an sich gebotene Durchsetzung der Ausreisepflicht mittels Abschiebung. Nach Ablauf der Duldung ist die unverzügliche Abschiebung daher zwingend vorgeschrieben (vgl § 56 Abs 6 AuslG 1990; seit 1.1.2005 § 60a Abs 5 AufenthG). Im Hinblick auf den Zweck der Duldung, einen nur vorübergehenden Abschiebungsstopp zu regeln, ist die Geltungsdauer der Duldung zeitlich zu beschränken (vgl § 56 Abs 2 AuslG 1990; vgl seit 1.1.2005 § 60a Abs 1 AufenthG). Der Sache nach kommt eine Duldung grundsätzlich nur als Reaktion auf das Auftreten vorübergehender (tatsächlicher oder rechtlicher) Abschiebungshindernisse in Betracht (vgl § 55 Abs 2 bis 4 AuslG; seit 1.1.2005 vgl § 60a Abs 1 und 2 AufenthG); sie wird gewährt, solange die Abschiebung unmöglich ist (vgl zum Ganzen: BSG vom 1.9.1999 - BSGE 84, 253, 256 = SozR 3-3870 § 1 Nr 1 S 4 zur Duldung nach § 55 AuslG 1990; BSG vom 3.12.2009 - BSGE 105, 70 = SozR 4-7833 § 1 Nr 10, RdNr 46 bis 48; BSG vom 29.4.2010 - BSGE 106, 101 = SozR 4-3250 § 2 Nr 2, RdNr 39 zur Duldung nach § 60a AufenthG, jeweils mwN).

39

Ausgehend von dieser gesetzlichen Ausgestaltung der Duldung lässt sich für einen in Deutschland lediglich geduldeten Ausländer eine Prognose jedenfalls dahingehend, dass er sich voraussichtlich auf Dauer in Deutschland aufhalten werde, nicht treffen. Der geduldete Ausländer befindet sich vielmehr in einer Situation, in welcher er nach Ablauf der Duldung jederzeit mit einer Abschiebung rechnen muss (BSG vom 3.12.2009 - BSGE 105, 70 = SozR 4-7833 § 1 Nr 10, RdNr 49).

40

Die formale Art des Aufenthaltstitels allein reicht jedoch nicht als Grundlage einer Prognose über die Dauer des Aufenthalts in Deutschland aus (vgl BVerfG vom 6.7.2004 - BVerfGE 111, 176, 185; BVerfG vom 10.7.2012 - BVerfGE 132, 72, RdNr 28). Dies hat das LSG auch nicht verkannt. Es hat dementsprechend in seine Entscheidungsfindung auch - für die Klägerin jedoch ohne Vorteil - die bis zum hier relevanten Stichtag bestehende tatsächliche Praxis der Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen mit einbezogen (vgl BSG vom 18.2.1998 - BSGE 82, 23, 26 = SozR 3-2600 § 56 Nr 11 S 52; Senatsurteil vom 4.11.1998 - B 13 RJ 9/98 R - Juris RdNr 39).

41

Das Berufungsgericht hat berücksichtigt, dass die sogenannte "Ostblockregelung" im hier maßgeblichen Zeitraum bereits aufgehoben war. Mit der "Ostblockregelung" hatte die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (Innenministerkonferenz) mit Beschluss vom 26.8.1966 idF des Beschlusses vom 26.4.1985 (veröffentlicht ua im Ministerialblatt des Landes Nordrhein-Westfalen 1985, 773 f) angeordnet, dass Staatsangehörige der Ostblockstaaten grundsätzlich nicht wegen illegaler Einreise, illegalen Aufenthalts oder Bezugs von Sozialhilfe auszuweisen und ggf abzuschieben waren. Diese Regelung hatten sie aber durch Beschluss vom 2./3.4.1987, bekanntgegeben (ua) durch Erlass des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20.9.1987 (Ministerialblatt des Landes Nordrhein-Westfalen 1987, 1536 ff), aufgehoben. Danach galt die "Ostblockregelung" für polnische und ungarische Staatsangehörige nur noch bei einem Zuzug vor dem 1.5.1987 (vgl Vorbemerkung zu Abschnitt I und Abschnitt III Abs 2 und 6 des Erlasses des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20.9.1987 aaO). Hieraus hat das LSG geschlossen, dass jedenfalls zum 30.6.1991 keine besondere Praxis der Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen für (geduldete) Staatsangehörige aus den ehemaligen Ostblockstaaten mehr bestand, Aufenthalte auf unbestimmte Zeit zuzulassen.

42

Die aus diesen Gesamtumständen gezogene Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass die Aufenthaltsposition der Klägerin in Deutschland jedenfalls bis zum 30.6.1991 noch nicht so offen war, dass diese ihr wie einem Inländer einen Aufenthalt auf unbestimmte Dauer ermöglichte (vgl BSG vom 18.2.1998 - BSGE 82, 23, 25 f = SozR 3-2600 § 56 Nr 11 S 52; BSG vom 25.3.1998 - B 5 RJ 22/96 R - Juris RdNr 22), sondern vielmehr weiterhin auf Beendigung ihres Aufenthalts im Bundesgebiet angelegt war und sie damit noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt iS des § 30 Abs 3 S 2 SGB I in D. begründet hatte, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das LSG konnte mit Blick auf die befristete Duldung und die von ihm festgestellte ausländerbehördliche Praxis davon ausgehen, dass die Klägerin noch keine "verfestigte" Rechtsposition dahingehend innehatte, dass sie auf unbestimmte Zeit und nicht nur vorübergehend im Bundesgebiet bleiben würde.

43

Ob sich an dieser Beurteilung etwas ändern könnte, wenn über mehrere Jahre hinweg die Duldung immer wieder verlängert worden ist, sich der Ausländer also faktisch seit Jahren in Deutschland aufgehalten hat und zum Stichtag eine positive Bleibeprognose dergestalt gestellt werden kann, dass der Ausländer zukunftsoffen "bis aus weiteres" an dem Ort oder in dem Gebiet verweilen wird (vgl BSG vom 23.2.1988 - BSGE 63, 47, 50 = SozR 5870 § 1 Nr 14 S 34 zu § 1 Abs 1 Nr 1 BKGG; BSG vom 1.9.1999 - BSGE 84, 253, 254 = SozR 3-3870 § 1 Nr 1 S 2 zu § 1 SchwbG; BSG vom 29.4.2010 - BSGE 106, 101 = SozR 4-3250 § 2 Nr 2, RdNr 36 ff zu § 2 Abs 2 SGB IX), kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Daher kann der Senat auch offenlassen, ob einer solchen Beurteilung der Begriffe "Wohnort" bzw "gewöhnlicher Aufenthalt" iS des Abk Polen RV/UV bzw Abk Polen SozSich bezogen auf einen lediglich "geduldeten" (sich aber dennoch rechtswidrig im Bundesgebiet aufhaltenden) Ausländer die Bestimmung in Art 1a des Gesetzes zu dem Abk Polen RV/UV (vgl auch Art 1 Nr 10 Abk Polen SozSich) entgegenstehen könnte, wonach einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Abk Polen RV/UV nur hat, "wer sich dort unbefristet rechtmäßig aufhält" (s hierzu im Einzelnen Senatsbeschluss vom 9.8.1995 - SozR 3-1200 § 30 Nr 15 S 31 ff). Denn sogenannte "Kettenduldungen" über einen Zeitraum von mehreren Jahren lagen jedenfalls bis zum 30.6.1991 bei der Klägerin nicht vor. Vielmehr hielt sich die am 7.6.1990 eingereiste Klägerin zum Stichtag "geduldet" erst ca ein Jahr in Deutschland auf. Ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG 1990 hat nach den vom LSG getroffenen Feststellungen nicht bestanden.

44

Weitere wesentliche Umstände, die das Berufungsgericht bei seiner Prognose, ob sich die Klägerin bereits gewöhnlich oder nur vorübergehend im Bundesgebiet aufhielt, nicht beachtet hat, die aber bezogen auf den Stichtag zu berücksichtigen wären, sind nicht ersichtlich.

45

Dies gilt zunächst für den Hinweis der Klägerin auf eine Aufenthaltsbewilligung nach § 29 Abs 1 AuslG 1990. Danach kann dem Ehegatten eines Ausländers, der eine Aufenthaltsbewilligung besitzt, zum Zwecke des nach Art 6 GG gebotenen Schutzes von Ehe und Familie eine Aufenthaltsbewilligung für die Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit dem Ausländer im Bundesgebiet erteilt werden, wenn der Lebensunterhalt des Ausländers und des Ehegatten ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfe gesichert ist und ausreichender Wohnraum zur Verfügung steht. Ähnliche Vorschriften galten für die Aufenthaltserlaubnis (§ 17, § 18, § 23 AuslG 1990), die Aufenthaltsberechtigung (§ 27 Abs 4 AuslG 1990) und die Aufenthaltsbefugnis (§ 31 AuslG 1990). Hier übersieht die Klägerin jedoch bereits, dass ihr Ehemann, der ca sechs Monate vor ihr von Polen nach Deutschland eingereist war, zum hier maßgeblichen Zeitpunkt 30.6.1991 über keinen derartigen Aufenthaltstitel verfügte. Denn aus dem vom LSG ausdrücklich in Bezug genommenen Beschluss des Verwaltungsgerichts A. (8 L 1241/95) vom 6.10.1995 ergibt sich, dass weder sie noch ihr Ehemann im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung (gleich welcher Art, vgl § 5 AuslG 1990)waren (aaO, S 3).

46

Nicht anderes folgt schließlich aus der der Klägerin im April 1997 als "Härtefall" erteilten Aufenthaltsbefugnis. Diese hatte ihre Grundlage in dem Runderlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 10.6.1996 "Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach den §§ 30 und 31 Abs. 1 AuslG - Anordnung nach § 32 AuslG - Härtefallentscheidungen (Altfälle)"(Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1996, 1411 f), der wiederum auf einen Beschluss der Innenministerkonferenz vom 29.3.1996 (veröffentlicht ua aaO, 1412 f) zurückgeht. Diese bundeseinheitliche Regelung stellte auf einen langjährigen Aufenthalt ab; im Beschlussjahr 1996 erfasste sie ua nur solche Familien von abgelehnten Vertriebenenbewerbern, die bereits vor dem 1.7.1990 eingereist waren (vgl III 1 des Beschlusses der Innenministerkonferenz vom 29.3.1996 aaO, 1412). Für die rechtliche Beurteilung eines gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin bis zum 30.6.1991 ist sie von vornherein unergiebig. Denn jedenfalls bis zu diesem, hier allein maßgeblichen Zeitpunkt lag bei ihr gerade noch kein "Altfall" im Sinne eines mehrjährigen Verweilens im Bundesgebiet vor. Nachträgliche Entwicklungen können eine zu einem bestimmten Stichtag getroffene Prognose, ob der Aufenthalt nur vorübergehend oder bereits gewöhnlich ist, nicht widerlegen.

47

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten ist. Die Partner der Bundesmantelverträge legen für die ambulante Versorgung beispielhaft fest, bei welchen Tätigkeiten Personen nach Satz 2 ärztliche Leistungen erbringen können und welche Anforderungen an die Erbringung zu stellen sind. Der Bundesärztekammer ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(2) Die zahnärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Wählen Versicherte bei Zahnfüllungen eine darüber hinausgehende Versorgung, haben sie die Mehrkosten selbst zu tragen. In diesen Fällen ist von den Kassen die vergleichbare preisgünstigste plastische Füllung als Sachleistung abzurechnen. In Fällen des Satzes 2 ist vor Beginn der Behandlung eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Zahnarzt und dem Versicherten zu treffen. Die Mehrkostenregelung gilt nicht für Fälle, in denen intakte plastische Füllungen ausgetauscht werden. Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehört die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben. Dies gilt nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert. Ebenso gehören funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen nicht zur zahnärztlichen Behandlung; sie dürfen von den Krankenkassen auch nicht bezuschußt werden. Das Gleiche gilt für implantologische Leistungen, es sei denn, es liegen seltene vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor, in denen die Krankenkasse diese Leistung einschließlich der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit wird durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nach den §§ 26 und 27 des Psychotherapeutengesetzes und durch Psychotherapeuten nach § 1 Absatz 1 Satz 1 des Psychotherapeutengesetzes (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 durchgeführt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Spätestens nach den probatorischen Sitzungen gemäß § 92 Abs. 6a hat der Psychotherapeut vor Beginn der Behandlung den Konsiliarbericht eines Vertragsarztes zur Abklärung einer somatischen Erkrankung sowie, falls der somatisch abklärende Vertragsarzt dies für erforderlich hält, eines psychiatrisch tätigen Vertragsarztes einzuholen.

(4) (weggefallen)

(1) Die Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer haben die Vereinbarungen über die Vergütungen nach diesem Buch so zu gestalten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität). Ausgabensteigerungen auf Grund von gesetzlich vorgeschriebenen Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen oder für zusätzliche Leistungen, die im Rahmen zugelassener strukturierter Behandlungsprogramme (§ 137g) auf Grund der Anforderungen der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f oder der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 erbracht werden, verletzen nicht den Grundsatz der Beitragssatzstabilität.

(2) Um den Vorgaben nach Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 zu entsprechen, darf die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung die sich bei Anwendung der Veränderungsrate für das gesamte Bundesgebiet nach Absatz 3 ergebende Veränderung der Vergütung nicht überschreiten. Abweichend von Satz 1 ist eine Überschreitung zulässig, wenn die damit verbundenen Mehrausgaben durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen Leistungsbereichen ausgeglichen werden.

(3) Das Bundesministerium für Gesundheit stellt bis zum 15. September eines jeden Jahres für die Vereinbarungen der Vergütungen des jeweils folgenden Kalenderjahres die nach den Absätzen 1 und 2 anzuwendende durchschnittliche Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der Krankenkassen je Mitglied für den gesamten Zeitraum der zweiten Hälfte des Vorjahres und der ersten Hälfte des laufenden Jahres gegenüber dem entsprechenden Zeitraum der jeweiligen Vorjahre fest. Grundlage sind die monatlichen Erhebungen der Krankenkassen und die vierteljährlichen Rechnungsergebnisse des Gesundheitsfonds, die die beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der Krankenkassen ausweisen. Die Feststellung wird durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger bekannt gemacht. Bei der Ermittlung der durchschnittlichen Veränderungsrate nach Satz 1 werden für die Jahre 2017 und 2018 die Mitglieder nicht berücksichtigt, die nach § 5 Absatz 1 Nummer 2a in der am 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vorrangig familienversichert gewesen wären.

(3a) (weggefallen)

(4) Die Vereinbarungen über die Vergütung der Leistungen nach § 57 Abs. 1 und 2, §§ 83 und 85 sind den für die Vertragsparteien zuständigen Aufsichtsbehörden vorzulegen. Die Aufsichtsbehörden können die Vereinbarungen bei einem Rechtsverstoß innerhalb von zwei Monaten nach Vorlage beanstanden. Klagen der Vertragspartner gegen die Beanstandung haben keine aufschiebende Wirkung.

(5) Die Vereinbarungen nach Absatz 4 Satz 1 und die Verträge nach den §§ 73b und 140a sind unabhängig von Absatz 4 auch den für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder, in denen sie wirksam werden, zu übermitteln, soweit diese nicht die Aufsicht über die vertragsschließende Krankenkasse führen.

(6) Wird durch einen der in den §§ 73b, 127 und 140a genannten Verträge das Recht erheblich verletzt, kann die Aufsichtsbehörde abweichend von § 89 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Vierten Buches alle Anordnungen treffen, die für eine sofortige Behebung der Rechtsverletzung geeignet und erforderlich sind. Sie kann gegenüber der Krankenkasse oder der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen insbesondere anordnen, den Vertrag dafür zu ändern oder aufzuheben. Die Krankenkasse oder Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen kann bei einer solchen Anordnung den Vertrag auch außerordentlich kündigen. Besteht die Gefahr eines schweren, nicht wieder gutzumachenden Schadens insbesondere für die Belange der Versicherten, kann die Aufsichtsbehörde einstweilige Maßnahmen anordnen. Ein Zwangsgeld kann bis zu einer Höhe von 10 Millionen Euro zugunsten des Gesundheitsfonds nach § 271 festgesetzt werden. Die Aufsichtsbehörde kann eine erhebliche Rechtsverletzung auch feststellen, nachdem diese beendet ist, sofern ein berechtigtes Interesse an der Feststellung besteht. Rechtsbehelfe gegen Anordnungen nach den Sätzen 1 bis 4 haben keine aufschiebende Wirkung. Die Sätze 1 bis 7 gelten auch für Verträge nach § 140a Absatz 1 Satz 3. Die Sätze 1 und 4 bis 7 gelten entsprechend bei Verstößen gegen die Pflicht nach § 127 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 2, Vertragsverhandlungen zu ermöglichen. Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern dürfen keine Vorschläge in elektronischer oder maschinell verwertbarer Form für die Vergabe und Dokumentation von Diagnosen für den Vertragspartner beinhalten. Die Krankenkassen haben auf Verlangen der zuständigen Aufsichtsbehörde bezüglich der Einhaltung Nachweise zu erbringen.

(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vereinbaren mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen durch Bewertungsausschüsse als Bestandteil der Bundesmantelverträge einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen und einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die zahnärztlichen Leistungen, im ärztlichen Bereich einschließlich der Sachkosten. In den Bundesmantelverträgen sind auch die Regelungen, die zur Organisation der vertragsärztlichen Versorgung notwendig sind, insbesondere Vordrucke und Nachweise, zu vereinbaren. Bei der Gestaltung der Arzneiverordnungsblätter ist § 73 Abs. 5 zu beachten. Die Arzneiverordnungsblätter sind so zu gestalten, daß bis zu drei Verordnungen je Verordnungsblatt möglich sind. Dabei ist für jede Verordnung ein Feld für die Auftragung des Kennzeichens nach § 300 Abs. 1 Nr. 1 sowie ein weiteres Feld vorzusehen, in dem der Arzt seine Entscheidung nach § 73 Abs. 5 durch Ankreuzen kenntlich machen kann. Die für eine Verordnung nach § 37 Absatz 8 zu verwendenden Vordrucke und Nachweise sind so zu gestalten, dass sie von den übrigen Verordnungen nach § 37 zu unterscheiden sind. Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen prüfen, inwieweit bislang papiergebundene Verfahren zur Organisation der vertragsärztlichen Versorgung durch elektronische Kommunikationsverfahren ersetzt werden können. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regeln in dem Bundesmantelvertrag für Zahnärzte bis zum 31. Dezember 2019 das Nähere zu einem elektronischen Beantragungs- und Genehmigungsverfahren für bewilligungspflichtige zahnärztliche Leistungen. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen können die an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer durch Regelungen im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte dazu verpflichten, die für die Beantragung von bewilligungspflichtigen Leistungen notwendigen Angaben an die jeweilige Kassenzahnärztliche Vereinigung und an die jeweilige Krankenkasse im Wege elektronischer Datenübertragung zu übermitteln. Zur Durchführung der elektronischen Antrags- und Genehmigungsverfahren sind die an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer befugt, die hierfür erforderlichen versichertenbezogene Angaben an die jeweilige Kassenzahnärztliche Vereinigung und an die jeweilige Krankenkasse zu übermitteln. Die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung ist befugt, die für die Durchführung der elektronischen Antrags- und Genehmigungsverfahren erforderlichen versicherungsbezogenen übermittelten Angaben zu verarbeiten. Für die Übermittlung digitaler Vordrucke und Nachweise sind die Dienste der Telematikinfrastruktur zu nutzen, sobald diese zur Verfügung stehen. Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen ist mit Wirkung zum 1. Januar 2021 vorzusehen, dass Leistungen nach § 346 Absatz 1 Satz 1 und 3 zur Unterstützung der Versicherten bei der Verarbeitung medizinischer Daten in der elektronischen Patientenakte im aktuellen Behandlungskontext vergütet werden. Mit Wirkung zum 1. Januar 2022 ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen vorzusehen, dass Leistungen nach § 346 Absatz 3 zur Unterstützung der Versicherten bei der erstmaligen Befüllung der elektronischen Patientenakte im aktuellen Behandlungskontext vergütet werden. Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen ist vorzusehen, dass Leistungen im aktuellen Behandlungskontext zur Aktualisierung von Datensätzen nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 sowie Leistungen zur Aktualisierung von Datensätzen nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 und 7 zusätzlich vergütet werden.

(1a) In dem Bundesmantelvertrag haben die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen festzulegen, dass die Kosten für Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, soweit die gewählte Versorgung der Regelversorgung nach § 56 Abs. 2 entspricht, gegenüber den Versicherten nach Absatz 2 abzurechnen sind. Darüber hinaus sind im Bundesmantelvertrag folgende Regelungen zu treffen: Der Vertragszahnarzt hat vor Beginn der Behandlung einen kostenfreien Heil- und Kostenplan zu erstellen, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächlich geplante Versorgung auch in den Fällen des § 55 Abs. 4 und 5 nach Art, Umfang und Kosten beinhaltet. Im Heil- und Kostenplan sind Angaben zum Herstellungsort des Zahnersatzes zu machen. Der Heil- und Kostenplan ist von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung insgesamt zu prüfen. Die Krankenkasse kann den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung begutachten lassen. Bei bestehender Versorgungsnotwendigkeit bewilligt die Krankenkasse die Festzuschüsse gemäß § 55 Abs. 1 oder 2 entsprechend dem im Heil- und Kostenplan ausgewiesenen Befund. Nach Abschluss der Behandlung rechnet der Vertragszahnarzt die von der Krankenkasse bewilligten Festzuschüsse mit Ausnahme der Fälle des § 55 Abs. 5 mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung ab. Der Vertragszahnarzt hat bei Rechnungslegung eine Durchschrift der Rechnung des gewerblichen oder des praxiseigenen Labors über zahntechnische Leistungen und die Erklärung nach Anhang XIII Abschnitt 1 der Verordnung (EU) 2017/745 in der jeweils geltenden Fassung beizufügen. Der Bundesmantelvertrag regelt auch das Nähere zur Ausgestaltung des Heil- und Kostenplans, insbesondere muss aus dem Heil- und Kostenplan erkennbar sein, ob die zahntechnischen Leistungen von Zahnärzten erbracht werden oder nicht.

(1b) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren im Bundesmantelvertrag erstmals bis spätestens zum 30. Juni 2016 die Voraussetzungen für eine besonders qualifizierte und koordinierte palliativ-medizinische Versorgung. Im Bundesmantelvertrag sind insbesondere zu vereinbaren:

1.
Inhalte und Ziele der qualifizierten und koordinierten palliativ-medizinischen Versorgung und deren Abgrenzung zu anderen Leistungen,
2.
Anforderungen an die Qualifikation der ärztlichen Leistungserbringer,
3.
Anforderungen an die Koordination und interprofessionelle Strukturierung der Versorgungsabläufe sowie die aktive Kooperation mit den weiteren an der Palliativversorgung beteiligten Leistungserbringern, Einrichtungen und betreuenden Angehörigen,
4.
Maßnahmen zur Sicherung der Versorgungsqualität.
Der Bundesärztekammer und der Bundespsychotherapeutenkammer sowie den in § 92 Absatz 7b genannten Organisationen ist vor Abschluss der Vereinbarung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Auf der Grundlage der Vereinbarung hat der Bewertungsausschuss den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen nach Absatz 2 Satz 2 zu überprüfen und innerhalb von sechs Monaten nach dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt anzupassen. Der Bewertungsausschuss hat dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre beginnend zum 31. Dezember 2023 über die Entwicklung der abgerechneten palliativ-medizinischen Leistungen auch in Kombination mit anderen vertragsärztlichen Leistungen, über die Zahl und Qualifikation der ärztlichen Leistungserbringer, über die Versorgungsqualität sowie über die Auswirkungen auf die Verordnung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung zu berichten. Das Bundesministerium für Gesundheit kann das Nähere zum Inhalt des Berichts und zu den dafür erforderlichen Auswertungen bestimmen.

(1c) Die Krankenkassen können in den in § 275 Absatz 1, 2 und 3 geregelten Fällen insbesondere

1.
bei kieferorthopädischen Maßnahmen,
2.
bei der Behandlung von Parodontopathien,
3.
bei der Versorgung von Zahnersatz und Zahnkronen, einschließlich der Prüfung der Gewährleistung nach § 136a Absatz 4 Satz 3,
4.
für implantologische Maßnahmen bei Ausnahmeindikationen gemäß § 28 Absatz 2 Satz 9
abweichend von § 275 Absatz 1, 2 und 3 statt einer gutachterlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes eine gutachterliche Stellungnahme im Wege des nach Satz 2 im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehene Gutachterverfahrens einholen. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren im Bundesmantelvertrag das Nähere zu einem Gutachterverfahren für Zahnärzte insbesondere zur Bestellung der Gutachter, zur Einleitung des Gutachterverfahrens und zur Begutachtung sowie die Maßnahmen und Behandlungen die Gegenstand des Gutachtenverfahrens sein können. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen sowie für ihren regionalen Zuständigkeitsbereich die Partner der Gesamtverträge können vereinbaren, dass die Krankenkassen einheitlich für die im Bundesmantelvertrag näher bestimmten Maßnahmen und Behandlungen ausschließlich das nach Satz 2 vorgesehene Gutachterverfahren anwenden oder ausschließlich die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst vornehmen lassen. Der behandelnde Vertragszahnarzt ist verpflichtet, dem von der Krankenkasse benannten vertragszahnärztlichen Gutachter die für die gutachterliche Stellungnahme erforderlichen Daten zu übermitteln. Der vertragszahnärztliche Gutachter darf die vom Vertragszahnarzt übermittelten Daten nur zur Erstellung der in Satz 1 genannten gutachterlichen Stellungnahme verarbeiten. Im Übrigen gelten § 275 Absatz 5, § 276 Absatz 1, 2 Satz 2 und Absatz 3 und § 277 Absatz 1 Satz 1 bis 3 für das im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehene Gutachterwesen entsprechend.

(2) Der einheitliche Bewertungsmaßstab bestimmt den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander; soweit möglich, sind die Leistungen mit Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes zu versehen; dies gilt nicht für vertragszahnärztliche Leistungen. Die Bewertungsmaßstäbe sind in bestimmten Zeitabständen auch daraufhin zu überprüfen, ob die Leistungsbeschreibungen und ihre Bewertungen noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Erfordernis der Rationalisierung im Rahmen wirtschaftlicher Leistungserbringung entsprechen, wobei in die Überprüfung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen auch die Regelung nach § 33 Absatz 9 erstmalig bis spätestens zum 31. Oktober 2012 einzubeziehen ist; bei der Bewertung der Leistungen ist insbesondere der Aspekt der wirtschaftlichen Nutzung der bei der Erbringung von Leistungen eingesetzten medizinisch-technischen Geräte zu berücksichtigen. Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen sind die Bewertung der Leistungen nach Satz 1 und die Überprüfung der wirtschaftlichen Aspekte nach Satz 2, insbesondere bei medizinisch-technischen Geräten, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der betroffenen Arztgruppen auf in bestimmten Zeitabständen zu aktualisierender betriebswirtschaftlicher Basis durchzuführen. Grundlage der Aktualisierung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen bilden grundsätzlich die vom Statistischen Bundesamt nach dem Gesetz über die Kostenstrukturstatistik bei Arzt- und Zahnarztpraxen sowie bei Praxen von psychologischen Psychotherapeuten erhobenen Daten der Kostenstruktur; ergänzend können sachgerechte Stichproben bei vertragsärztlichen Leistungserbringern verwendet werden. Der Bewertungsausschuss hat die nächste Überprüfung gemäß Satz 3 und die anschließende Aktualisierung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen spätestens bis zum 29. Februar 2020 mit der Maßgabe durchzuführen, insbesondere die Angemessenheit der Bewertung von Leistungen zu aktualisieren, die einen hohen technischen Leistungsanteil aufweisen. Hierzu legt der Bewertungsausschuss dem Bundesministerium für Gesundheit spätestens bis zum 31. August 2019 ein Konzept vor, wie er die verschiedenen Leistungsbereiche im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen einschließlich der Sachkosten anpassen wird. Dabei soll die Bewertung der Leistungen mit einem hohen technischen Leistungsanteil, die in einem bestimmten Zeitraum erbracht werden, insgesamt so festgelegt werden, dass die Punkte, die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für diese Leistungen vergeben werden, ab einem bestimmten Schwellenwert mit zunehmender Menge sinken. Die Bewertung der Sachkosten kann abweichend von Satz 1 in Eurobeträgen bestimmt werden.

(2a) Die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen sind entsprechend der in § 73 Abs. 1 festgelegten Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in Leistungen der hausärztlichen und Leistungen der fachärztlichen Versorgung zu gliedern mit der Maßgabe, dass unbeschadet gemeinsam abrechenbarer Leistungen Leistungen der hausärztlichen Versorgung nur von den an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten und Leistungen der fachärztlichen Versorgung nur von den an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten abgerechnet werden dürfen; die Leistungen der fachärztlichen Versorgung sind in der Weise zu gliedern, dass den einzelnen Facharztgruppen die von ihnen ausschließlich abrechenbaren Leistungen zugeordnet werden. Bei der Bestimmung der Arztgruppen nach Satz 1 ist der Versorgungsauftrag der jeweiligen Arztgruppe im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zugrunde zu legen. Der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen hat eine Regelung zu enthalten, nach der ärztliche Leistungen zur Diagnostik und ambulanten Eradikationstherapie einschließlich elektronischer Dokumentation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) vergütet werden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung berichtet dem Bundesministerium für Gesundheit quartalsbezogen über Auswertungsergebnisse der Regelung nach Satz 3. Das Bundesministerium für Gesundheit kann das Nähere zum Inhalt des Berichts nach Satz 4 sowie zur Auswertung der anonymisierten Dokumentationen zum Zwecke der Versorgungsforschung und zur Förderung der Qualität bestimmen; es kann auch den Bewertungsausschuss mit der Vorlage des Berichts beauftragen. Im Übrigen gilt die Veröffentlichungspflicht gemäß § 135b Absatz 1 Satz 2. Bei der Überprüfung nach Absatz 2 Satz 2 prüfen der Bewertungsausschuss nach Absatz 3 und der Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a jeweils, in welchem Umfang ambulante telemedizinische Leistungen erbracht werden können; auf dieser Grundlage beschließen der Bewertungsausschuss nach Absatz 3 und der Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a jeweils, inwieweit der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen anzupassen ist. In die Überprüfung nach Absatz 2 Satz 2 ist auch einzubeziehen, in welchem Umfang die Durchführung von insbesondere telemedizinischen Fallbesprechungen im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen zum Kinder- und Jugendschutz nach § 73c angemessen vergütet werden kann; auf dieser Grundlage ist eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen zu beschließen. In die Überprüfung nach Absatz 2 Satz 2 ist auch einzubeziehen, in welchem Umfang delegationsfähige Leistungen durch Personen nach § 28 Absatz 1 Satz 2 qualifiziert erbracht und angemessen vergütet werden können; auf dieser Grundlage ist eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Versorgungsstrukturen bis zum 23. Januar 2016 zu beschließen. Nach Inkrafttreten der Bestimmungen nach § 27b Absatz 2 Satz 2 ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen durch den Bewertungsausschuss gemäß Absatz 5a eine Regelung zu treffen, nach der Leistungen und Kosten im Rahmen der Einholung der Zweitmeinungen nach § 27b abgerechnet werden können. Sofern drei Monate nach Inkrafttreten der Bestimmungen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 27b Absatz 2 keine Regelung im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen getroffen wurde, können Versicherte die Leistungen nach § 27b bei den dafür berechtigten Leistungserbringern im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Absatz 1 in Anspruch nehmen. Die Kosten sind von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Absatz 1 endet, sobald die Regelung nach Satz 9 in Kraft getreten ist. Mit Wirkung zum 30. September 2020 ist durch den Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen zu regeln, dass Konsilien in einem weiten Umfang in der vertragsärztlichen und in der sektorenübergreifenden Versorgung als telemedizinische Leistung abgerechnet werden können, wenn bei ihnen sichere elektronische Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt werden. Die Regelungen erfolgen auf der Grundlage der Vereinbarung nach § 367 Absatz 1. Der Bewertungsausschuss nach Absatz 3 und der Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a legen dem Bundesministerium für Gesundheit im Abstand von zwei Jahren, erstmals zum 31. Oktober 2022, einen gemeinsamen Bericht über den Stand der Beratungen und Beschlussfassungen nach Satz 7 sowie zur Erbringung von ambulanten telemedizinischen Leistungen und zu der Teilnahme der Leistungserbringer an der Erbringung von Leistungen im Rahmen der Videosprechstunde vor. Das Bundesministerium für Gesundheit leitet den Bericht an den Deutschen Bundestag weiter. In dem Beschluss nach Satz 7 sind durch den Bewertungsausschuss Regelungen im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen zu treffen, nach denen telemedizinische Leistungen, insbesondere Videosprechstunden, in einem weiten Umfang ermöglicht werden. Die im Hinblick auf Videosprechstunden bisher enthaltene Vorgabe von Krankheitsbildern im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen entfällt. Bei den Regelungen nach Satz 18 sind die Besonderheiten in der Versorgung von Pflegebedürftigen durch Zuschläge und die Besonderheiten in der psychotherapeutischen Versorgung einschließlich der Versorgung mit gruppentherapeutischen Leistungen und Leistungen der psychotherapeutischen Akutbehandlung zu berücksichtigen. Die Regelungen nach Satz 18 erfolgen auf der Grundlage der Vereinbarung nach § 365 Absatz 1 Satz 1. Bis zum 30. Juni 2016 ist mit Wirkung zum 1. Oktober 2016 eine Regelung zu treffen, nach der ärztliche Leistungen nach § 31a vergütet werden. Der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen hat eine Regelung über die Vergütung von ärztlichen Leistungen zur Erstellung und Aktualisierung von Datensätzen nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 und 7 zu enthalten; die Vergütung für die Erstellung von Datensätzen nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 ist in dem Zeitraum vom 20. Oktober 2020 bis zum 20. Oktober 2021 auf das Zweifache der sich nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab ergebenden Vergütung zu erhöhen; die Vergütungsregelung für die Erstellung von Datensätzen nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 ist bis zum 1. Januar 2024 zu vereinbaren. Der Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a beschließt im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen die nach dem Schweregrad zu differenzierenden Regelungen für die Versorgung im Notfall und im Notdienst sowie bis zum 31. März 2022 Regelungen für die Versorgung im Notdienst mit telemedizinischen Leistungen. Zwei Jahre nach Inkrafttreten dieser Regelungen hat der Bewertungsausschuss nach Absatz 5a die Entwicklung der Leistungen zu evaluieren und hierüber dem Bundesministerium für Gesundheit zu berichten; Absatz 3a gilt entsprechend. Der Bewertungsausschuss überprüft, in welchem Umfang Diagnostika zur schnellen und zur qualitätsgesicherten Antibiotikatherapie eingesetzt werden können, und beschließt auf dieser Grundlage erstmals bis spätestens zum 1. Dezember 2017 entsprechende Anpassungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen. Der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 6b vom Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a anzupassen. Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist mit Wirkung zum 1. Januar 2021 vorzusehen, dass Leistungen nach § 346 Absatz 1 Satz 1 und 3 zur Unterstützung der Versicherten bei der Verarbeitung medizinischer Daten in der elektronischen Patientenakte im aktuellen Behandlungskontext vergütet werden. Mit Wirkung zum 1. Januar 2022 ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen vorzusehen, dass ärztliche Leistungen nach § 346 Absatz 3 zur Unterstützung der Versicherten bei der erstmaligen Befüllung der elektronischen Patientenakte im aktuellen Behandlungskontext vergütet werden. Der Bewertungsausschuss hat im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen die Leistungen, die durch Videosprechstunde erbracht werden, auf 30 Prozent der jeweiligen Leistungen im Quartal des an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers zu begrenzen. Zudem hat der Bewertungsausschuss im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen die Anzahl der Behandlungsfälle im Quartal, in denen ausschließlich Leistungen im Rahmen einer Videosprechstunde erbracht werden, auf 30 Prozent aller Behandlungsfälle des an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers zu begrenzen. Von der Begrenzung auf 30 Prozent nach den Sätzen 30 und 31 kann der Bewertungsausschuss in besonderen Ausnahmesituationen, wie etwa nach Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, für einen befristeten Zeitraum abweichen. Der Bewertungsausschuss legt bis zum 30. September 2021 fest, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang unter Berücksichtigung der Sätze 30 und 31 die psychotherapeutische Akutbehandlung im Rahmen der Videosprechstunde erbracht werden kann.

(2b) Die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen der hausärztlichen Versorgung sollen als Versichertenpauschalen abgebildet werden; für Leistungen, die besonders gefördert werden sollen oder nach Absatz 2a Satz 7 und 8 telemedizinisch oder im Wege der Delegation erbracht werden können, sind Einzelleistungen oder Leistungskomplexe vorzusehen. Mit den Pauschalen nach Satz 1 sollen die gesamten im Abrechnungszeitraum regelmäßig oder sehr selten und zugleich mit geringem Aufwand im Rahmen der hausärztlichen Versorgung eines Versicherten erbrachten Leistungen einschließlich der anfallenden Betreuungs-, Koordinations- und Dokumentationsleistungen vergütet werden. Mit Wirkung zum 1. Januar 2023 sind in den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen folgende Zuschläge auf die jeweilige Versichertenpauschale aufzunehmen:

1.
ein Zuschlag in Höhe von bis zu 200 Prozent der jeweiligen Versichertenpauschale für Behandlungen im Akutfall nach § 75 Absatz 1a Satz 3 Nummer 4, wenn die Behandlung spätestens am Folgetag der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle beginnt,
2.
ein Zuschlag in Höhe von 100 Prozent der jeweiligen Versichertenpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am vierten Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt,
3.
ein Zuschlag in Höhe von 80 Prozent der jeweiligen Versichertenpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am 14. Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt,
4.
ein Zuschlag in Höhe von 40 Prozent der jeweiligen Versichertenpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am 35. Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt, sowie
5.
ein Zuschlag in Höhe von mindestens 15 Euro für die erfolgreiche Vermittlung eines Behandlungstermins nach § 73 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2.
Zudem können Qualitätszuschläge vorgesehen werden, mit denen die in besonderen Behandlungsfällen erforderliche Qualität vergütet wird. Der Bewertungsausschuss beschließt spätestens bis zum 31. Dezember 2021 mit Wirkung zum 1. März 2022 eine Anpassung der im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen der hausärztlichen Versorgung zur Vergütung der regelmäßigen zeitgebundenen ärztlichen Beratung nach § 2 Absatz 1a des Transplantationsgesetzes in der ab dem 1. März 2022 geltenden Fassung über die Organ- und Gewebespende sowie über die Möglichkeit, eine Erklärung zur Organ- und Gewebespende im Register nach § 2a des Transplantationsgesetzes in der ab dem 1. März 2022 geltenden Fassung abgeben, ändern und widerrufen zu können. Der Vergütungsanspruch besteht je Patient alle zwei Jahre.

(2c) Die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen der fachärztlichen Versorgung sollen arztgruppenspezifisch und unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen als Grund- und Zusatzpauschalen abgebildet werden; Einzelleistungen sollen vorgesehen werden, soweit dies medizinisch oder auf Grund von Besonderheiten bei Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung, einschließlich der Möglichkeit telemedizinischer Erbringung gemäß Absatz 2a Satz 7 oder der Erbringung im Wege der Delegation nach Absatz 2a Satz 8, erforderlich ist. Mit den Grundpauschalen nach Satz 1 sollen die regelmäßig oder sehr selten und zugleich mit geringem Aufwand von der Arztgruppe in jedem Behandlungsfall erbrachten Leistungen vergütet werden. Mit Wirkung zum 1. Januar 2023 sind in den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen folgende Zuschläge auf die jeweilige Grundpauschale aufzunehmen:

1.
ein Zuschlag in Höhe von bis zu 200 Prozent der jeweiligen Grundpauschale für Behandlungen im Akutfall nach § 75 Absatz 1a Satz 3 Nummer 4, wenn die Behandlung spätestens am Folgetag der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle beginnt,
2.
ein Zuschlag in Höhe von 100 Prozent der jeweiligen Grundpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am vierten Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt,
3.
ein Zuschlag in Höhe von 80 Prozent der jeweiligen Grundpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am 14. Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt, sowie
4.
ein Zuschlag in Höhe von 40 Prozent der jeweiligen Grundpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am 35. Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt.
Die in Satz 3 Nummer 2 bis 4 genannten Zuschläge gelten bei der Behandlung aufgrund einer erfolgten Vermittlung nach § 73 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Mit den Zusatzpauschalen nach Satz 1 wird der besondere Leistungsaufwand vergütet, der sich aus den Leistungs-, Struktur- und Qualitätsmerkmalen des Leistungserbringers und, soweit dazu Veranlassung besteht, in bestimmten Behandlungsfällen ergibt. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 kann die Behandlung von Versichertengruppen, die mit einem erheblichen therapeutischen Leistungsaufwand und überproportionalen Kosten verbunden ist, mit arztgruppenspezifischen diagnosebezogenen Fallpauschalen vergütet werden. Für die Versorgung im Rahmen von kooperativen Versorgungsformen sind spezifische Fallpauschalen festzulegen, die dem fallbezogenen Zusammenwirken von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen in diesen Versorgungsformen Rechnung tragen. Die Bewertungen für psychotherapeutische Leistungen haben eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit zu gewährleisten. Bis zum 29. Februar 2020 ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ein Zuschlag in Höhe von 15 Prozent auf diejenigen psychotherapeutischen Leistungen vorzusehen, die im Rahmen des ersten Therapieblocks einer neuen Kurzzeittherapie erbracht werden. Der Zuschlag ist auf die ersten zehn Stunden dieser Leistungen zu begrenzen und für Psychotherapeuten vorzusehen, die für die in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden für gesetzlich Versicherte tatsächlich zur Verfügung stehen.

(2d) Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen sind Regelungen einschließlich Prüfkriterien vorzusehen, die sicherstellen, dass der Leistungsinhalt der in den Absätzen 2a bis 2c genannten Leistungen und Pauschalen jeweils vollständig erbracht wird, die jeweiligen notwendigen Qualitätsstandards eingehalten, die abgerechneten Leistungen auf den medizinisch notwendigen Umfang begrenzt sowie bei Abrechnung der Fallpauschalen nach Absatz 2c die Mindestanforderungen zu der institutionellen Ausgestaltung der Kooperation der beteiligten Ärzte eingehalten werden; dazu kann die Abrechenbarkeit der Leistungen an die Einhaltung der vom Gemeinsamen Bundesausschuss und in den Bundesmantelverträgen beschlossenen Qualifikations- und Qualitätssicherungsanforderungen sowie an die Einhaltung der gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung zu erbringenden Dokumentationsverpflichtungen geknüpft werden. Zudem können Regelungen vorgesehen werden, die darauf abzielen, dass die Abrechnung der Versichertenpauschalen nach Absatz 2b Satz 1 sowie der Grundpauschalen nach Absatz 2c Satz 1 für einen Versicherten nur durch einen Arzt im Abrechnungszeitraum erfolgt, oder es können Regelungen zur Kürzung der Pauschalen für den Fall eines Arztwechsels des Versicherten innerhalb des Abrechnungszeitraums vorgesehen werden.

(2e) Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist jährlich bis zum 31. August ein bundeseinheitlicher Punktwert als Orientierungswert in Euro zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen festzulegen.

(2f) (weggefallen)

(2g) Bei der Anpassung des Orientierungswertes nach Absatz 2e sind insbesondere

1.
die Entwicklung der für Arztpraxen relevanten Investitions- und Betriebskosten, soweit diese nicht bereits durch die Weiterentwicklung der Bewertungsrelationen nach Absatz 2 Satz 2 erfasst worden sind,
2.
Möglichkeiten zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven, soweit diese nicht bereits durch die Weiterentwicklung der Bewertungsrelationen nach Absatz 2 Satz 2 erfasst worden sind, sowie
3.
die allgemeine Kostendegression bei Fallzahlsteigerungen, soweit diese nicht durch eine Abstaffelungsregelung nach Absatz 2 Satz 3 berücksichtigt worden ist,
4.
(weggefallen)
zu berücksichtigen.

(2h) Die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen können zu Leistungskomplexen zusammengefasst werden. Die Leistungen sind entsprechend einer ursachengerechten, zahnsubstanzschonenden und präventionsorientierten Versorgung insbesondere nach dem Kriterium der erforderlichen Arbeitszeit gleichgewichtig in und zwischen den Leistungsbereichen für Zahnerhaltung, Prävention, Zahnersatz und Kieferorthopädie zu bewerten. Bei der Festlegung der Bewertungsrelationen ist wissenschaftlicher Sachverstand einzubeziehen.

(2i) Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen ist eine zusätzliche Leistung vorzusehen für das erforderliche Aufsuchen von Versicherten, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind, in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind und die die Zahnarztpraxis aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit, Behinderung oder Einschränkung nicht oder nur mit hohem Aufwand aufsuchen können. § 71 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(2j) Für Leistungen, die im Rahmen eines Vertrages nach § 119b Absatz 1 erbracht werden, ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen eine zusätzliche, in der Bewertung über Absatz 2i Satz 1 hinausgehende Leistung vorzusehen. Voraussetzung für die Abrechnung dieser zusätzlichen Leistung ist die Einhaltung der in der Vereinbarung nach § 119b Absatz 2 festgelegten Anforderungen. Die Leistung nach Absatz 2i Satz 1 ist in diesen Fällen nicht berechnungsfähig. § 71 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(2k) Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen sind Videosprechstundenleistungen vorzusehen für die Untersuchung und Behandlung von den in Absatz 2i genannten Versicherten und von Versicherten, an denen zahnärztliche Leistungen im Rahmen eines Vertrages nach § 119b Absatz 1 erbracht werden. Die Videosprechstundenleistungen nach Satz 1 können auch Fallkonferenzen mit dem Pflegepersonal zum Gegenstand haben. § 71 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Die Anpassung erfolgt auf Grundlage der Vereinbarung nach § 366 Absatz 1 Satz 1.

(2l) Mit Wirkung zum 30. September 2020 ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen zu regeln, dass Konsilien in einem weiten Umfang in der vertragszahnärztlichen und in der sektorenübergreifenden Versorgung als telemedizinische Leistungen abgerechnet werden können, wenn bei ihnen sichere elektronische Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt werden. Die Regelungen erfolgen auf der Grundlage der Vereinbarung nach § 367 Absatz 1. Der Bewertungsausschuss legt dem Bundesministerium für Gesundheit im Abstand von zwei Jahren jeweils einen Bericht über die als telemedizinische Leistungen abrechenbaren Konsilien vor.

(2m) Der Bewertungsausschuss hat den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen einschließlich der Sachkosten daraufhin zu überprüfen, wie der Aufwand, der den verantwortlichen Gesundheitseinrichtungen im Sinne von § 2 Nummer 5 Buchstabe b und d des Implantateregistergesetzes in der vertragsärztlichen Versorgung auf Grund ihrer Verpflichtungen nach den §§ 16, 17 Absatz 1 sowie den §§ 18, 20, 24, 25 und 33 Absatz 1 Nummer 1 des Implantateregistergesetzes entsteht, angemessen abgebildet werden kann. Auf der Grundlage des Ergebnisses der Prüfung hat der Bewertungsausschuss eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen bis zum 30. September 2020 mit Wirkung zum 1. Januar 2021 zu beschließen.

(3) Der Bewertungsausschuß besteht aus drei von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bestellten Vertretern sowie drei vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestellten Vertreter. Den Vorsitz führt abwechselnd ein Vertreter der Ärzte und ein Vertreter der Krankenkassen. Die Beratungen des Bewertungsausschusses einschließlich der Beratungsunterlagen und Niederschriften sind vertraulich. Die Vertraulichkeit gilt auch für die zur Vorbereitung und Durchführung der Beratungen im Bewertungsausschuss dienenden Unterlagen der Trägerorganisationen und des Instituts des Bewertungsausschusses.

(3a) Der Bewertungsausschuss analysiert die Auswirkungen seiner Beschlüsse insbesondere auf die Versorgung der Versicherten mit vertragsärztlichen Leistungen, auf die vertragsärztlichen Honorare sowie auf die Ausgaben der Krankenkassen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann das Nähere zum Inhalt der Analysen bestimmen. Absatz 6 gilt entsprechend.

(3b) Der Bewertungsausschuss wird bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben von einem Institut unterstützt, das gemäß der vom Bewertungsausschuss nach Absatz 3e zu vereinbarenden Geschäftsordnung die Beschlüsse nach den §§ 87, 87a und 116b Absatz 6 sowie die Analysen nach Absatz 3a vorbereitet. Träger des Instituts sind die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Erfüllt das Institut seine Aufgaben nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den geltenden Vorgaben oder wird es aufgelöst, kann das Bundesministerium für Gesundheit eine oder mehrere der in Satz 2 genannten Organisationen oder einen Dritten mit den Aufgaben nach Satz 1 beauftragen. Absatz 6 gilt entsprechend.

(3c) Die Finanzierung des Instituts oder des beauftragten Dritten nach Absatz 3b erfolgt durch die Erhebung eines Zuschlags auf jeden ambulant-kurativen Behandlungsfall in der vertragsärztlichen Versorgung. Der Zuschlag ist von den Krankenkassen außerhalb der Gesamtvergütung nach § 85 oder der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung nach § 87a zu finanzieren. Das Nähere bestimmt der Bewertungsausschuss in seinem Beschluss nach Absatz 3e Satz 1 Nr. 3.

(3d) Über die Ausstattung des Instituts nach Absatz 3b mit den für die Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Sach- und Personalmittel und über die Nutzung der Daten gemäß Absatz 3f durch das Institut entscheidet der Bewertungsausschuss. Die innere Organisation des Instituts ist jeweils so zu gestalten, dass sie den besonderen Anforderungen des Datenschutzes nach den Artikeln 24, 25 und 32 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung gerecht wird. Absatz 6 gilt entsprechend. Über die Ausstattung des beauftragten Dritten nach Absatz 3b Satz 3 mit den für die Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Sach- und Personalmitteln sowie über die Nutzung der Daten gemäß Absatz 3f entscheidet das Bundesministerium für Gesundheit.

(3e) Der Bewertungsausschuss beschließt

1.
bis spätestens zum 31. August 2017 eine Verfahrensordnung, in der er insbesondere die Antragsberechtigten, methodische Anforderungen und Fristen in Bezug auf die Vorbereitung und Durchführung der Beratungen sowie die Beschlussfassung über die Aufnahme in den einheitlichen Bewertungsmaßstab insbesondere solcher neuer Laborleistungen und neuer humangenetischer Leistungen regelt, bei denen es sich jeweils nicht um eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode nach § 135 Absatz 1 Satz 1 handelt,
2.
eine Geschäftsordnung, in der er Regelungen zur Arbeitsweise des Bewertungsausschusses und des Instituts gemäß Absatz 3b trifft, insbesondere zur Geschäftsführung und zur Art und Weise der Vorbereitung der in Absatz 3b Satz 1 genannten Beschlüsse, Analysen und Berichte, sowie
3.
eine Finanzierungsregelung, in der er Näheres zur Erhebung des Zuschlags nach Absatz 3c bestimmt.
Die Verfahrensordnung, die Geschäftsordnung und die Finanzierungsregelung bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Verfahrensordnung und die Geschäftsordnung sind im Internet zu veröffentlichen. Der Bewertungsausschuss ist verpflichtet, im Einvernehmen mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss hinsichtlich einer neuen Leistung auf Verlangen Auskunft zu erteilen, ob die Aufnahme der neuen Leistung in den einheitlichen Bewertungsmaßstab in eigener Zuständigkeit des Bewertungsausschusses beraten werden kann oder ob es sich dabei um eine neue Methode handelt, die nach § 135 Absatz 1 Satz 1 zunächst einer Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bedarf. Eine Auskunft können pharmazeutische Unternehmer, Hersteller von Medizinprodukten, Hersteller von Diagnostikleistungen und deren jeweilige Verbände, einschlägige Berufsverbände, medizinische Fachgesellschaften und die für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen nach § 140f verlangen. Das Nähere regeln der Bewertungsausschuss und der Gemeinsame Bundesausschuss im gegenseitigen Einvernehmen in ihrer jeweiligen Verfahrensordnung.

(3f) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen erfassen jeweils nach Maßgabe der vom Bewertungsausschuss zu bestimmenden inhaltlichen und verfahrensmäßigen Vorgaben die für die Aufgaben des Bewertungsausschusses nach diesem Gesetz erforderlichen Daten, einschließlich der Daten nach § 73b Absatz 7 Satz 5 und § 140a Absatz 6, arzt- und versichertenbezogen in einheitlicher pseudonymisierter Form. Die Daten nach Satz 1 werden jeweils unentgeltlich von den Kassenärztlichen Vereinigungen an die Kassenärztliche Bundesvereinigung und von den Krankenkassen an den Spitzenverband Bund der Krankenkassen übermittelt, die diese Daten jeweils zusammenführen und sie unentgeltlich dem Institut oder dem beauftragten Dritten gemäß Absatz 3b übermitteln. Soweit erforderlich hat der Bewertungsausschuss darüber hinaus Erhebungen und Auswertungen nicht personenbezogener Daten durchzuführen oder in Auftrag zu geben oder Sachverständigengutachten einzuholen. Für die Verarbeitung der Daten nach den Sätzen 2 und 3 kann der Bewertungsausschuss eine Datenstelle errichten oder eine externe Datenstelle beauftragen; für die Finanzierung der Datenstelle gelten die Absätze 3c und 3e entsprechend. Das Verfahren der Pseudonymisierung nach Satz 1 ist vom Bewertungsausschuss im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zu bestimmen.

(3g) Die Regelungen der Absätze 3a bis 3f gelten nicht für den für zahnärztliche Leistungen zuständigen Bewertungsausschuss.

(4) Kommt im Bewertungsausschuß durch übereinstimmenden Beschluß aller Mitglieder eine Vereinbarung ganz oder teilweise nicht zustande, wird der Bewertungsausschuß auf Verlangen von mindestens zwei Mitgliedern um einen unparteiischen Vorsitzenden und zwei weitere unparteiische Mitglieder erweitert. Für die Benennung des unparteiischen Vorsitzenden gilt § 89 Absatz 6 entsprechend. Von den weiteren unparteiischen Mitgliedern wird ein Mitglied von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sowie ein Mitglied vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen benannt.

(5) Der erweiterte Bewertungsausschuß setzt mit der Mehrheit seiner Mitglieder die Vereinbarung fest. Die Festsetzung hat die Rechtswirkung einer vertraglichen Vereinbarung im Sinne des § 82 Abs. 1. Zur Vorbereitung von Maßnahmen nach Satz 1 für den Bereich der ärztlichen Leistungen hat das Institut oder der beauftragte Dritte nach Absatz 3b dem zuständigen erweiterten Bewertungsausschuss unmittelbar und unverzüglich nach dessen Weisungen zuzuarbeiten. Absatz 3 Satz 3 und 4 gilt entsprechend; auch für die Unterlagen der unparteiischen Mitglieder gilt Vertraulichkeit.

(5a) Bei Beschlüssen zur Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes zur Vergütung der Leistungen der spezialfachärztlichen Versorgung nach § 116b ist der Bewertungsausschuss für ärztliche Leistungen nach Absatz 3 um drei Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft zu ergänzen. Kommt durch übereinstimmenden Beschluss aller Mitglieder eine Vereinbarung des ergänzten Bewertungsausschusses nach Satz 1 ganz oder teilweise nicht zustande, wird der ergänzte Bewertungsausschuss auf Verlangen von mindestens zwei Mitgliedern um einen unparteiischen Vorsitzenden und ein weiteres unparteiisches Mitglied erweitert. Die Benennung der beiden unparteiischen Mitglieder durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung, den Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft soll bis spätestens zum 30. Juni 2019 erfolgen; § 89a Absatz 6 gilt entsprechend. Im ergänzten erweiterten Bewertungsausschuss sind nur jeweils zwei Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie die beiden unparteiischen Mitglieder stimmberechtigt. Der ergänzte erweiterte Bewertungsausschuss setzt den Beschluss mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner stimmberechtigten Mitglieder innerhalb von drei Monaten fest. Wird eine Mehrheit von zwei Dritteln nicht erreicht, setzen die beiden unparteiischen Mitglieder den Beschluss fest. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(5b) Der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 in Verbindung mit § 135 Absatz 1 anzupassen. Satz 1 gilt entsprechend für weitere Richtlinienbeschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses, die eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen erforderlich machen. In diesem Zusammenhang notwendige Vereinbarungen nach § 135 Absatz 2 sind zeitgleich zu treffen. Für Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses, die vor dem 23. Juli 2015 in Kraft getreten sind, gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Frist nach Satz 1 mit dem 23. Juli 2015 beginnt. Der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist zeitgleich mit dem Beschluss nach § 35a Absatz 3 Satz 1 anzupassen, sofern die Fachinformation des Arzneimittels zu seiner Anwendung eine zwingend erforderliche Leistung vorsieht, die eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen erforderlich macht. Das Nähere zu ihrer Zusammenarbeit regeln der Bewertungsausschuss und der Gemeinsame Bundesausschuss im gegenseitigen Einvernehmen in ihrer jeweiligen Verfahrensordnung. Für Beschlüsse nach § 35a Absatz 3 Satz 1, die vor dem 13. Mai 2017 getroffen worden sind, gilt Satz 5 entsprechend mit der Maßgabe, dass der Bewertungsausschuss spätestens bis 13. November 2017 den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen anzupassen hat.

(5c) Sind digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e Absatz 3 dauerhaft in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e aufgenommen worden, so sind entweder der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen oder der einheitliche Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen innerhalb von drei Monaten nach der Aufnahme anzupassen, soweit ärztliche Leistungen für die Versorgung mit der jeweiligen digitalen Gesundheitsanwendung erforderlich sind. Sind digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e Absatz 4 vorläufig in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e aufgenommen worden, so vereinbaren die Partner der Bundesmantelverträge innerhalb von drei Monaten nach der vorläufigen Aufnahme eine Vergütung für ärztliche Leistungen, die während der Erprobungszeit nach Festlegung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 139e Absatz 4 Satz 3 zur Versorgung mit und zur Erprobung der digitalen Gesundheitsanwendung erforderlich sind; die Vereinbarung berücksichtigt die Nachweispflichten für positive Versorgungseffekte, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 139e Absatz 4 Satz 3 festgelegt worden sind. Solange keine Entscheidung über eine Anpassung nach Satz 1 getroffen ist, hat der Leistungserbringer Anspruch auf die nach Satz 2 vereinbarte Vergütung. Soweit und solange keine Vereinbarung nach Satz 2 getroffen ist oder sofern eine Aufnahme in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e ohne Erprobung erfolgt und keine Entscheidung über eine Anpassung nach Satz 1 getroffen ist, können Versicherte die ärztlichen Leistungen, die für die Versorgung mit oder zur Erprobung der digitalen Gesundheitsanwendung erforderlich sind, im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Absatz 1 bei Leistungserbringern in Anspruch nehmen; Absatz 2a Satz 12 gilt entsprechend. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Absatz 1 endet, sobald eine Entscheidung über die Anpassung nach Satz 1 getroffen ist.

(6) Das Bundesministerium für Gesundheit kann an den Sitzungen der Bewertungsausschüsse, des Instituts oder des beauftragten Dritten nach Absatz 3b sowie der von diesen jeweils gebildeten Unterausschüssen und Arbeitsgruppen teilnehmen; ihm sind die Beschlüsse der Bewertungsausschüsse zusammen mit den den Beschlüssen zugrunde liegenden Beratungsunterlagen und den für die Beschlüsse jeweils entscheidungserheblichen Gründen vorzulegen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann die Beschlüsse innerhalb von zwei Monaten beanstanden; es kann im Rahmen der Prüfung eines Beschlusses vom Bewertungsausschuss zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen dazu anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Frist unterbrochen. Die Nichtbeanstandung eines Beschlusses kann vom Bundesministerium für Gesundheit mit Auflagen verbunden werden; das Bundesministerium für Gesundheit kann zur Erfüllung einer Auflage eine angemessene Frist setzen. Kommen Beschlüsse der Bewertungsausschüsse ganz oder teilweise nicht oder nicht innerhalb einer vom Bundesministerium für Gesundheit gesetzten Frist zustande oder werden die Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit nicht innerhalb einer von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium für Gesundheit die Vereinbarungen festsetzen; es kann dazu Datenerhebungen in Auftrag geben oder Sachverständigengutachten einholen. Zur Vorbereitung von Maßnahmen nach Satz 4 für den Bereich der ärztlichen Leistungen hat das Institut oder der beauftragte Dritte oder die vom Bundesministerium für Gesundheit beauftragte Organisation gemäß Absatz 3b dem Bundesministerium für Gesundheit unmittelbar und unverzüglich nach dessen Weisungen zuzuarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit kann zur Vorbereitung von Maßnahmen nach Satz 4 bereits vor Fristablauf das Institut nach Satz 5 beauftragen, Datenerhebungen in Auftrag geben oder Sachverständigengutachten einholen, sofern die Bewertungsausschüsse die Beratungen sowie die Beschlussfassungen nicht oder nicht in einem angemessenen Umfang vorbereiten oder durchführen. Die mit den Maßnahmen nach Satz 4 verbundenen Kosten sind von dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung jeweils zur Hälfte zu tragen; das Nähere bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit. Abweichend von Satz 4 kann das Bundesministerium für Gesundheit für den Fall, dass Beschlüsse der Bewertungsausschüsse nicht oder teilweise nicht oder nicht innerhalb einer vom Bundesministerium für Gesundheit gesetzten Frist zustande kommen, den erweiterten Bewertungsausschuss nach Absatz 4 mit Wirkung für die Vertragspartner anrufen. Der erweiterte Bewertungsausschuss setzt mit der Mehrheit seiner Mitglieder innerhalb einer vom Bundesministerium für Gesundheit gesetzten Frist die Vereinbarung fest; Satz 1 bis 7 gilt entsprechend. Die Beschlüsse und die entscheidungserheblichen Gründe sind im Deutschen Ärzteblatt oder im Internet bekannt zu machen; falls die Bekanntmachung im Internet erfolgt, muss im Deutschen Ärzteblatt ein Hinweis auf die Fundstelle veröffentlicht werden.

(7) Klagen gegen Maßnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit nach Absatz 6 haben keine aufschiebende Wirkung.

(8) bis (9) (weggefallen)

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder jeweils für ein Kalenderjahr einen Teil der von der Krankenkasse zu tragenden Kosten übernehmen können (Selbstbehalt). Die Krankenkasse hat für diese Mitglieder Prämienzahlungen vorzusehen.

(2) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für Mitglieder, die im Kalenderjahr länger als drei Monate versichert waren, eine Prämienzahlung vorsehen, wenn sie und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen in diesem Kalenderjahr Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen haben. Die Prämienzahlung darf ein Zwölftel der jeweils im Kalenderjahr gezahlten Beiträge nicht überschreiten und wird innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Kalenderjahres an das Mitglied gezahlt. Die im dritten und vierten Abschnitt genannten Leistungen mit Ausnahme der Leistungen nach § 23 Abs. 2 und den §§ 24 bis 24b sowie Leistungen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bleiben unberücksichtigt.

(3) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen nach § 63, § 73b, § 137f oder § 140a teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Für Versicherte, die an einer hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b teilnehmen, hat die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorzusehen, wenn die zu erwartenden Einsparungen und Effizienzsteigerungen die zu erwartenden Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Aufwendungen für Zuzahlungsermäßigungen und Prämienzahlungen müssen in diesem Fall mindestens die Hälfte des Differenzbetrags betragen, um den die Einsparungen und Effizienzsteigerungen die sonstigen Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Berechnung der zu erwartenden Einsparungen, Effizienzsteigerungen und Aufwendungen nach Satz 3 hat die jeweilige Krankenkasse ihrer Aufsichtsbehörde vorzulegen. Werden keine Effizienzsteigerungen erwartet, die die Aufwendungen übersteigen, ist dies gesondert zu begründen.

(4) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder für sich und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen Tarife für Kostenerstattung wählen. Sie kann die Höhe der Kostenerstattung variieren und hierfür spezielle Prämienzahlungen durch die Versicherten vorsehen. § 13 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt nicht.

(5) (weggefallen)

(6) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung für die in § 44 Absatz 2 Nummer 2 und 3 genannten Versicherten gemeinsame Tarife sowie Tarife für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten anzubieten, die einen Anspruch auf Krankengeld entsprechend § 46 Satz 1 oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen, für die Versicherten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz jedoch spätestens mit Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit. Von § 47 kann abgewichen werden. Die Krankenkasse hat entsprechend der Leistungserweiterung Prämienzahlungen des Mitglieds vorzusehen. Die Höhe der Prämienzahlung ist unabhängig von Alter, Geschlecht oder Krankheitsrisiko des Mitglieds festzulegen. Die Krankenkasse kann durch Satzungsregelung die Durchführung von Wahltarifen nach Satz 1 auf eine andere Krankenkasse oder einen Landesverband übertragen. In diesen Fällen erfolgt die Prämienzahlung weiterhin an die übertragende Krankenkasse. Die Rechenschaftslegung erfolgt durch die durchführende Krankenkasse oder den durchführenden Landesverband.

(7) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für bestimmte Mitgliedergruppen, für die sie den Umfang der Leistungen nach Vorschriften dieses Buches beschränkt, der Leistungsbeschränkung entsprechende Prämienzahlung vorsehen.

(8) Die Mindestbindungsfrist beträgt für die Wahltarife nach den Absätzen 2 und 4 ein Jahr und für die Wahltarife nach den Absätzen 1 und 6 drei Jahre; für die Wahltarife nach Absatz 3 gilt keine Mindestbindungsfrist. Die Mitgliedschaft kann frühestens zum Ablauf der Mindestbindungsfrist nach Satz 1, aber nicht vor Ablauf der Mindestbindungsfrist nach § 175 Absatz 4 Satz 1 gekündigt werden; § 175 Absatz 4 Satz 6 gilt mit Ausnahme für Mitglieder in Wahltarifen nach Absatz 6. Die Satzung hat für Tarife ein Sonderkündigungsrecht in besonderen Härtefällen vorzusehen. Die Prämienzahlung an Versicherte darf bis zu 20 vom Hundert, für einen oder mehrere Tarife 30 vom Hundert der vom Mitglied im Kalenderjahr getragenen Beiträge mit Ausnahme der Beitragszuschüsse nach § 106 des Sechsten Buches sowie § 257 Abs. 1 Satz 1, jedoch nicht mehr als 600 Euro, bei einem oder mehreren Tarifen 900 Euro jährlich betragen. Satz 4 gilt nicht für Versicherte, die Teilkostenerstattung nach § 14 gewählt haben. Mitglieder, deren Beiträge vollständig von Dritten getragen werden, können nur Tarife nach Absatz 3 wählen.

(9) Die Aufwendungen für jeden Wahltarif müssen jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden. Kalkulatorische Einnahmen, die allein durch das Halten oder die Neugewinnung von Mitgliedern erzielt werden, dürfen dabei nicht berücksichtigt werden; wurden solche Einnahmen bei der Kalkulation von Wahltarifen berücksichtigt, ist die Kalkulation unverzüglich, spätestens bis zum 31. Dezember 2013 entsprechend umzustellen. Die Krankenkassen haben über die Berechnung nach den Sätzen 1 und 2 der zuständigen Aufsichtsbehörde regelmäßig, mindestens alle drei Jahre, Rechenschaft abzulegen. Sie haben hierzu ein versicherungsmathematisches Gutachten vorzulegen über die wesentlichen versicherungsmathematischen Annahmen, die der Berechnung der Beiträge und der versicherungstechnischen Rückstellungen der Wahltarife zugrunde liegen.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder jeweils für ein Kalenderjahr einen Teil der von der Krankenkasse zu tragenden Kosten übernehmen können (Selbstbehalt). Die Krankenkasse hat für diese Mitglieder Prämienzahlungen vorzusehen.

(2) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für Mitglieder, die im Kalenderjahr länger als drei Monate versichert waren, eine Prämienzahlung vorsehen, wenn sie und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen in diesem Kalenderjahr Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen haben. Die Prämienzahlung darf ein Zwölftel der jeweils im Kalenderjahr gezahlten Beiträge nicht überschreiten und wird innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Kalenderjahres an das Mitglied gezahlt. Die im dritten und vierten Abschnitt genannten Leistungen mit Ausnahme der Leistungen nach § 23 Abs. 2 und den §§ 24 bis 24b sowie Leistungen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bleiben unberücksichtigt.

(3) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen nach § 63, § 73b, § 137f oder § 140a teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Für Versicherte, die an einer hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b teilnehmen, hat die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorzusehen, wenn die zu erwartenden Einsparungen und Effizienzsteigerungen die zu erwartenden Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Aufwendungen für Zuzahlungsermäßigungen und Prämienzahlungen müssen in diesem Fall mindestens die Hälfte des Differenzbetrags betragen, um den die Einsparungen und Effizienzsteigerungen die sonstigen Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Berechnung der zu erwartenden Einsparungen, Effizienzsteigerungen und Aufwendungen nach Satz 3 hat die jeweilige Krankenkasse ihrer Aufsichtsbehörde vorzulegen. Werden keine Effizienzsteigerungen erwartet, die die Aufwendungen übersteigen, ist dies gesondert zu begründen.

(4) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder für sich und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen Tarife für Kostenerstattung wählen. Sie kann die Höhe der Kostenerstattung variieren und hierfür spezielle Prämienzahlungen durch die Versicherten vorsehen. § 13 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt nicht.

(5) (weggefallen)

(6) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung für die in § 44 Absatz 2 Nummer 2 und 3 genannten Versicherten gemeinsame Tarife sowie Tarife für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten anzubieten, die einen Anspruch auf Krankengeld entsprechend § 46 Satz 1 oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen, für die Versicherten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz jedoch spätestens mit Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit. Von § 47 kann abgewichen werden. Die Krankenkasse hat entsprechend der Leistungserweiterung Prämienzahlungen des Mitglieds vorzusehen. Die Höhe der Prämienzahlung ist unabhängig von Alter, Geschlecht oder Krankheitsrisiko des Mitglieds festzulegen. Die Krankenkasse kann durch Satzungsregelung die Durchführung von Wahltarifen nach Satz 1 auf eine andere Krankenkasse oder einen Landesverband übertragen. In diesen Fällen erfolgt die Prämienzahlung weiterhin an die übertragende Krankenkasse. Die Rechenschaftslegung erfolgt durch die durchführende Krankenkasse oder den durchführenden Landesverband.

(7) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für bestimmte Mitgliedergruppen, für die sie den Umfang der Leistungen nach Vorschriften dieses Buches beschränkt, der Leistungsbeschränkung entsprechende Prämienzahlung vorsehen.

(8) Die Mindestbindungsfrist beträgt für die Wahltarife nach den Absätzen 2 und 4 ein Jahr und für die Wahltarife nach den Absätzen 1 und 6 drei Jahre; für die Wahltarife nach Absatz 3 gilt keine Mindestbindungsfrist. Die Mitgliedschaft kann frühestens zum Ablauf der Mindestbindungsfrist nach Satz 1, aber nicht vor Ablauf der Mindestbindungsfrist nach § 175 Absatz 4 Satz 1 gekündigt werden; § 175 Absatz 4 Satz 6 gilt mit Ausnahme für Mitglieder in Wahltarifen nach Absatz 6. Die Satzung hat für Tarife ein Sonderkündigungsrecht in besonderen Härtefällen vorzusehen. Die Prämienzahlung an Versicherte darf bis zu 20 vom Hundert, für einen oder mehrere Tarife 30 vom Hundert der vom Mitglied im Kalenderjahr getragenen Beiträge mit Ausnahme der Beitragszuschüsse nach § 106 des Sechsten Buches sowie § 257 Abs. 1 Satz 1, jedoch nicht mehr als 600 Euro, bei einem oder mehreren Tarifen 900 Euro jährlich betragen. Satz 4 gilt nicht für Versicherte, die Teilkostenerstattung nach § 14 gewählt haben. Mitglieder, deren Beiträge vollständig von Dritten getragen werden, können nur Tarife nach Absatz 3 wählen.

(9) Die Aufwendungen für jeden Wahltarif müssen jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden. Kalkulatorische Einnahmen, die allein durch das Halten oder die Neugewinnung von Mitgliedern erzielt werden, dürfen dabei nicht berücksichtigt werden; wurden solche Einnahmen bei der Kalkulation von Wahltarifen berücksichtigt, ist die Kalkulation unverzüglich, spätestens bis zum 31. Dezember 2013 entsprechend umzustellen. Die Krankenkassen haben über die Berechnung nach den Sätzen 1 und 2 der zuständigen Aufsichtsbehörde regelmäßig, mindestens alle drei Jahre, Rechenschaft abzulegen. Sie haben hierzu ein versicherungsmathematisches Gutachten vorzulegen über die wesentlichen versicherungsmathematischen Annahmen, die der Berechnung der Beiträge und der versicherungstechnischen Rückstellungen der Wahltarife zugrunde liegen.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder jeweils für ein Kalenderjahr einen Teil der von der Krankenkasse zu tragenden Kosten übernehmen können (Selbstbehalt). Die Krankenkasse hat für diese Mitglieder Prämienzahlungen vorzusehen.

(2) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für Mitglieder, die im Kalenderjahr länger als drei Monate versichert waren, eine Prämienzahlung vorsehen, wenn sie und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen in diesem Kalenderjahr Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen haben. Die Prämienzahlung darf ein Zwölftel der jeweils im Kalenderjahr gezahlten Beiträge nicht überschreiten und wird innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Kalenderjahres an das Mitglied gezahlt. Die im dritten und vierten Abschnitt genannten Leistungen mit Ausnahme der Leistungen nach § 23 Abs. 2 und den §§ 24 bis 24b sowie Leistungen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bleiben unberücksichtigt.

(3) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen nach § 63, § 73b, § 137f oder § 140a teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Für Versicherte, die an einer hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b teilnehmen, hat die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorzusehen, wenn die zu erwartenden Einsparungen und Effizienzsteigerungen die zu erwartenden Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Aufwendungen für Zuzahlungsermäßigungen und Prämienzahlungen müssen in diesem Fall mindestens die Hälfte des Differenzbetrags betragen, um den die Einsparungen und Effizienzsteigerungen die sonstigen Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Berechnung der zu erwartenden Einsparungen, Effizienzsteigerungen und Aufwendungen nach Satz 3 hat die jeweilige Krankenkasse ihrer Aufsichtsbehörde vorzulegen. Werden keine Effizienzsteigerungen erwartet, die die Aufwendungen übersteigen, ist dies gesondert zu begründen.

(4) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder für sich und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen Tarife für Kostenerstattung wählen. Sie kann die Höhe der Kostenerstattung variieren und hierfür spezielle Prämienzahlungen durch die Versicherten vorsehen. § 13 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt nicht.

(5) (weggefallen)

(6) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung für die in § 44 Absatz 2 Nummer 2 und 3 genannten Versicherten gemeinsame Tarife sowie Tarife für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten anzubieten, die einen Anspruch auf Krankengeld entsprechend § 46 Satz 1 oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen, für die Versicherten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz jedoch spätestens mit Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit. Von § 47 kann abgewichen werden. Die Krankenkasse hat entsprechend der Leistungserweiterung Prämienzahlungen des Mitglieds vorzusehen. Die Höhe der Prämienzahlung ist unabhängig von Alter, Geschlecht oder Krankheitsrisiko des Mitglieds festzulegen. Die Krankenkasse kann durch Satzungsregelung die Durchführung von Wahltarifen nach Satz 1 auf eine andere Krankenkasse oder einen Landesverband übertragen. In diesen Fällen erfolgt die Prämienzahlung weiterhin an die übertragende Krankenkasse. Die Rechenschaftslegung erfolgt durch die durchführende Krankenkasse oder den durchführenden Landesverband.

(7) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für bestimmte Mitgliedergruppen, für die sie den Umfang der Leistungen nach Vorschriften dieses Buches beschränkt, der Leistungsbeschränkung entsprechende Prämienzahlung vorsehen.

(8) Die Mindestbindungsfrist beträgt für die Wahltarife nach den Absätzen 2 und 4 ein Jahr und für die Wahltarife nach den Absätzen 1 und 6 drei Jahre; für die Wahltarife nach Absatz 3 gilt keine Mindestbindungsfrist. Die Mitgliedschaft kann frühestens zum Ablauf der Mindestbindungsfrist nach Satz 1, aber nicht vor Ablauf der Mindestbindungsfrist nach § 175 Absatz 4 Satz 1 gekündigt werden; § 175 Absatz 4 Satz 6 gilt mit Ausnahme für Mitglieder in Wahltarifen nach Absatz 6. Die Satzung hat für Tarife ein Sonderkündigungsrecht in besonderen Härtefällen vorzusehen. Die Prämienzahlung an Versicherte darf bis zu 20 vom Hundert, für einen oder mehrere Tarife 30 vom Hundert der vom Mitglied im Kalenderjahr getragenen Beiträge mit Ausnahme der Beitragszuschüsse nach § 106 des Sechsten Buches sowie § 257 Abs. 1 Satz 1, jedoch nicht mehr als 600 Euro, bei einem oder mehreren Tarifen 900 Euro jährlich betragen. Satz 4 gilt nicht für Versicherte, die Teilkostenerstattung nach § 14 gewählt haben. Mitglieder, deren Beiträge vollständig von Dritten getragen werden, können nur Tarife nach Absatz 3 wählen.

(9) Die Aufwendungen für jeden Wahltarif müssen jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden. Kalkulatorische Einnahmen, die allein durch das Halten oder die Neugewinnung von Mitgliedern erzielt werden, dürfen dabei nicht berücksichtigt werden; wurden solche Einnahmen bei der Kalkulation von Wahltarifen berücksichtigt, ist die Kalkulation unverzüglich, spätestens bis zum 31. Dezember 2013 entsprechend umzustellen. Die Krankenkassen haben über die Berechnung nach den Sätzen 1 und 2 der zuständigen Aufsichtsbehörde regelmäßig, mindestens alle drei Jahre, Rechenschaft abzulegen. Sie haben hierzu ein versicherungsmathematisches Gutachten vorzulegen über die wesentlichen versicherungsmathematischen Annahmen, die der Berechnung der Beiträge und der versicherungstechnischen Rückstellungen der Wahltarife zugrunde liegen.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder jeweils für ein Kalenderjahr einen Teil der von der Krankenkasse zu tragenden Kosten übernehmen können (Selbstbehalt). Die Krankenkasse hat für diese Mitglieder Prämienzahlungen vorzusehen.

(2) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für Mitglieder, die im Kalenderjahr länger als drei Monate versichert waren, eine Prämienzahlung vorsehen, wenn sie und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen in diesem Kalenderjahr Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen haben. Die Prämienzahlung darf ein Zwölftel der jeweils im Kalenderjahr gezahlten Beiträge nicht überschreiten und wird innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Kalenderjahres an das Mitglied gezahlt. Die im dritten und vierten Abschnitt genannten Leistungen mit Ausnahme der Leistungen nach § 23 Abs. 2 und den §§ 24 bis 24b sowie Leistungen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bleiben unberücksichtigt.

(3) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen nach § 63, § 73b, § 137f oder § 140a teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Für Versicherte, die an einer hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b teilnehmen, hat die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorzusehen, wenn die zu erwartenden Einsparungen und Effizienzsteigerungen die zu erwartenden Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Aufwendungen für Zuzahlungsermäßigungen und Prämienzahlungen müssen in diesem Fall mindestens die Hälfte des Differenzbetrags betragen, um den die Einsparungen und Effizienzsteigerungen die sonstigen Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Berechnung der zu erwartenden Einsparungen, Effizienzsteigerungen und Aufwendungen nach Satz 3 hat die jeweilige Krankenkasse ihrer Aufsichtsbehörde vorzulegen. Werden keine Effizienzsteigerungen erwartet, die die Aufwendungen übersteigen, ist dies gesondert zu begründen.

(4) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder für sich und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen Tarife für Kostenerstattung wählen. Sie kann die Höhe der Kostenerstattung variieren und hierfür spezielle Prämienzahlungen durch die Versicherten vorsehen. § 13 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt nicht.

(5) (weggefallen)

(6) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung für die in § 44 Absatz 2 Nummer 2 und 3 genannten Versicherten gemeinsame Tarife sowie Tarife für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten anzubieten, die einen Anspruch auf Krankengeld entsprechend § 46 Satz 1 oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen, für die Versicherten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz jedoch spätestens mit Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit. Von § 47 kann abgewichen werden. Die Krankenkasse hat entsprechend der Leistungserweiterung Prämienzahlungen des Mitglieds vorzusehen. Die Höhe der Prämienzahlung ist unabhängig von Alter, Geschlecht oder Krankheitsrisiko des Mitglieds festzulegen. Die Krankenkasse kann durch Satzungsregelung die Durchführung von Wahltarifen nach Satz 1 auf eine andere Krankenkasse oder einen Landesverband übertragen. In diesen Fällen erfolgt die Prämienzahlung weiterhin an die übertragende Krankenkasse. Die Rechenschaftslegung erfolgt durch die durchführende Krankenkasse oder den durchführenden Landesverband.

(7) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für bestimmte Mitgliedergruppen, für die sie den Umfang der Leistungen nach Vorschriften dieses Buches beschränkt, der Leistungsbeschränkung entsprechende Prämienzahlung vorsehen.

(8) Die Mindestbindungsfrist beträgt für die Wahltarife nach den Absätzen 2 und 4 ein Jahr und für die Wahltarife nach den Absätzen 1 und 6 drei Jahre; für die Wahltarife nach Absatz 3 gilt keine Mindestbindungsfrist. Die Mitgliedschaft kann frühestens zum Ablauf der Mindestbindungsfrist nach Satz 1, aber nicht vor Ablauf der Mindestbindungsfrist nach § 175 Absatz 4 Satz 1 gekündigt werden; § 175 Absatz 4 Satz 6 gilt mit Ausnahme für Mitglieder in Wahltarifen nach Absatz 6. Die Satzung hat für Tarife ein Sonderkündigungsrecht in besonderen Härtefällen vorzusehen. Die Prämienzahlung an Versicherte darf bis zu 20 vom Hundert, für einen oder mehrere Tarife 30 vom Hundert der vom Mitglied im Kalenderjahr getragenen Beiträge mit Ausnahme der Beitragszuschüsse nach § 106 des Sechsten Buches sowie § 257 Abs. 1 Satz 1, jedoch nicht mehr als 600 Euro, bei einem oder mehreren Tarifen 900 Euro jährlich betragen. Satz 4 gilt nicht für Versicherte, die Teilkostenerstattung nach § 14 gewählt haben. Mitglieder, deren Beiträge vollständig von Dritten getragen werden, können nur Tarife nach Absatz 3 wählen.

(9) Die Aufwendungen für jeden Wahltarif müssen jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden. Kalkulatorische Einnahmen, die allein durch das Halten oder die Neugewinnung von Mitgliedern erzielt werden, dürfen dabei nicht berücksichtigt werden; wurden solche Einnahmen bei der Kalkulation von Wahltarifen berücksichtigt, ist die Kalkulation unverzüglich, spätestens bis zum 31. Dezember 2013 entsprechend umzustellen. Die Krankenkassen haben über die Berechnung nach den Sätzen 1 und 2 der zuständigen Aufsichtsbehörde regelmäßig, mindestens alle drei Jahre, Rechenschaft abzulegen. Sie haben hierzu ein versicherungsmathematisches Gutachten vorzulegen über die wesentlichen versicherungsmathematischen Annahmen, die der Berechnung der Beiträge und der versicherungstechnischen Rückstellungen der Wahltarife zugrunde liegen.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder jeweils für ein Kalenderjahr einen Teil der von der Krankenkasse zu tragenden Kosten übernehmen können (Selbstbehalt). Die Krankenkasse hat für diese Mitglieder Prämienzahlungen vorzusehen.

(2) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für Mitglieder, die im Kalenderjahr länger als drei Monate versichert waren, eine Prämienzahlung vorsehen, wenn sie und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen in diesem Kalenderjahr Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen haben. Die Prämienzahlung darf ein Zwölftel der jeweils im Kalenderjahr gezahlten Beiträge nicht überschreiten und wird innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Kalenderjahres an das Mitglied gezahlt. Die im dritten und vierten Abschnitt genannten Leistungen mit Ausnahme der Leistungen nach § 23 Abs. 2 und den §§ 24 bis 24b sowie Leistungen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bleiben unberücksichtigt.

(3) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen nach § 63, § 73b, § 137f oder § 140a teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Für Versicherte, die an einer hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b teilnehmen, hat die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorzusehen, wenn die zu erwartenden Einsparungen und Effizienzsteigerungen die zu erwartenden Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Aufwendungen für Zuzahlungsermäßigungen und Prämienzahlungen müssen in diesem Fall mindestens die Hälfte des Differenzbetrags betragen, um den die Einsparungen und Effizienzsteigerungen die sonstigen Aufwendungen für den Wahltarif übersteigen. Die Berechnung der zu erwartenden Einsparungen, Effizienzsteigerungen und Aufwendungen nach Satz 3 hat die jeweilige Krankenkasse ihrer Aufsichtsbehörde vorzulegen. Werden keine Effizienzsteigerungen erwartet, die die Aufwendungen übersteigen, ist dies gesondert zu begründen.

(4) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder für sich und ihre nach § 10 mitversicherten Angehörigen Tarife für Kostenerstattung wählen. Sie kann die Höhe der Kostenerstattung variieren und hierfür spezielle Prämienzahlungen durch die Versicherten vorsehen. § 13 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt nicht.

(5) (weggefallen)

(6) Die Krankenkasse hat in ihrer Satzung für die in § 44 Absatz 2 Nummer 2 und 3 genannten Versicherten gemeinsame Tarife sowie Tarife für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten anzubieten, die einen Anspruch auf Krankengeld entsprechend § 46 Satz 1 oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen, für die Versicherten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz jedoch spätestens mit Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit. Von § 47 kann abgewichen werden. Die Krankenkasse hat entsprechend der Leistungserweiterung Prämienzahlungen des Mitglieds vorzusehen. Die Höhe der Prämienzahlung ist unabhängig von Alter, Geschlecht oder Krankheitsrisiko des Mitglieds festzulegen. Die Krankenkasse kann durch Satzungsregelung die Durchführung von Wahltarifen nach Satz 1 auf eine andere Krankenkasse oder einen Landesverband übertragen. In diesen Fällen erfolgt die Prämienzahlung weiterhin an die übertragende Krankenkasse. Die Rechenschaftslegung erfolgt durch die durchführende Krankenkasse oder den durchführenden Landesverband.

(7) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für bestimmte Mitgliedergruppen, für die sie den Umfang der Leistungen nach Vorschriften dieses Buches beschränkt, der Leistungsbeschränkung entsprechende Prämienzahlung vorsehen.

(8) Die Mindestbindungsfrist beträgt für die Wahltarife nach den Absätzen 2 und 4 ein Jahr und für die Wahltarife nach den Absätzen 1 und 6 drei Jahre; für die Wahltarife nach Absatz 3 gilt keine Mindestbindungsfrist. Die Mitgliedschaft kann frühestens zum Ablauf der Mindestbindungsfrist nach Satz 1, aber nicht vor Ablauf der Mindestbindungsfrist nach § 175 Absatz 4 Satz 1 gekündigt werden; § 175 Absatz 4 Satz 6 gilt mit Ausnahme für Mitglieder in Wahltarifen nach Absatz 6. Die Satzung hat für Tarife ein Sonderkündigungsrecht in besonderen Härtefällen vorzusehen. Die Prämienzahlung an Versicherte darf bis zu 20 vom Hundert, für einen oder mehrere Tarife 30 vom Hundert der vom Mitglied im Kalenderjahr getragenen Beiträge mit Ausnahme der Beitragszuschüsse nach § 106 des Sechsten Buches sowie § 257 Abs. 1 Satz 1, jedoch nicht mehr als 600 Euro, bei einem oder mehreren Tarifen 900 Euro jährlich betragen. Satz 4 gilt nicht für Versicherte, die Teilkostenerstattung nach § 14 gewählt haben. Mitglieder, deren Beiträge vollständig von Dritten getragen werden, können nur Tarife nach Absatz 3 wählen.

(9) Die Aufwendungen für jeden Wahltarif müssen jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden. Kalkulatorische Einnahmen, die allein durch das Halten oder die Neugewinnung von Mitgliedern erzielt werden, dürfen dabei nicht berücksichtigt werden; wurden solche Einnahmen bei der Kalkulation von Wahltarifen berücksichtigt, ist die Kalkulation unverzüglich, spätestens bis zum 31. Dezember 2013 entsprechend umzustellen. Die Krankenkassen haben über die Berechnung nach den Sätzen 1 und 2 der zuständigen Aufsichtsbehörde regelmäßig, mindestens alle drei Jahre, Rechenschaft abzulegen. Sie haben hierzu ein versicherungsmathematisches Gutachten vorzulegen über die wesentlichen versicherungsmathematischen Annahmen, die der Berechnung der Beiträge und der versicherungstechnischen Rückstellungen der Wahltarife zugrunde liegen.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen nach den §§ 73b, 132e, 132f und 140a erbrachten Leistungen sind die an diesen Versorgungsformen teilnehmenden Leistungserbringer befugt, die nach den Vorschriften dieses Kapitels erforderlichen Angaben an den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite als Verantwortlichen oder an eine nach Absatz 2 beauftragte andere Stelle zu übermitteln; für den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite gilt § 35 des Ersten Buches entsprechend. Voraussetzung ist, dass der Versicherte vor Abgabe der Teilnahmeerklärung an der Versorgungsform umfassend über die vorgesehene Datenübermittlung informiert worden ist und mit der Einwilligung in die Teilnahme zugleich in die damit verbundene Datenübermittlung schriftlich oder elektronisch eingewilligt hat. Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite oder die beauftragte andere Stelle dürfen die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten; sie übermitteln die Daten im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern an den jeweiligen Vertragspartner auf Krankenkassenseite.

(2) Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite darf eine andere Stelle mit der Verarbeitung der für die Abrechnung der in Absatz 1 genannten Leistungen erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragen; die Vorschriften des Fünften Abschnitts bleiben unberührt. § 80 des Zehnten Buches ist anzuwenden mit der weiteren Maßgabe, dass Unterauftragsverhältnisse ausgeschlossen sind. Für Auftraggeber und Auftragsverarbeiter, die nicht zu den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen gehören, gilt diese Vorschrift entsprechend; sie haben insbesondere die technischen und organisatorischen Maßnahmen nach den Artikeln 24, 25 und 32 der Verordnung (EU) 2016/679 zu treffen.

(3) Für die Abrechnung von im Notfall erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen darf das Krankenhaus eine andere Stelle mit der Verarbeitung der erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragen, sofern der Versicherte schriftlich oder elektronisch in die Datenübermittlung eingewilligt hat; § 334 bleibt unberührt. Der Auftragsverarbeiter darf diese Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten. Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Die Erteilung eines Auftrags im Sinne des Artikels 28 der Verordnung (EU) 2016/679 zur Verarbeitung von Sozialdaten ist nur zulässig, wenn der Verantwortliche seiner Rechts- oder Fachaufsichtsbehörde rechtzeitig vor der Auftragserteilung

1.
den Auftragsverarbeiter, die bei diesem vorhandenen technischen und organisatorischen Maßnahmen und ergänzenden Weisungen,
2.
die Art der Daten, die im Auftrag verarbeitet werden sollen, und den Kreis der betroffenen Personen,
3.
die Aufgabe, zu deren Erfüllung die Verarbeitung der Daten im Auftrag erfolgen soll, sowie
4.
den Abschluss von etwaigen Unterauftragsverhältnissen
schriftlich oder elektronisch anzeigt. Soll eine öffentliche Stelle mit der Verarbeitung von Sozialdaten beauftragt werden, hat diese rechtzeitig vor der Auftragserteilung die beabsichtigte Beauftragung ihrer Rechts- oder Fachaufsichtsbehörde schriftlich oder elektronisch anzuzeigen.

(2) Der Auftrag zur Verarbeitung von Sozialdaten darf nur erteilt werden, wenn die Verarbeitung im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, in einem diesem nach § 35 Absatz 7 des Ersten Buches gleichgestellten Staat, oder, sofern ein Angemessenheitsbeschluss gemäß Artikel 45 der Verordnung (EU) 2016/679 vorliegt, in einem Drittstaat oder in einer internationalen Organisation erfolgt.

(3) Die Erteilung eines Auftrags zur Verarbeitung von Sozialdaten durch nicht-öffentliche Stellen ist nur zulässig, wenn

1.
beim Verantwortlichen sonst Störungen im Betriebsablauf auftreten können oder
2.
die übertragenen Arbeiten beim Auftragsverarbeiter erheblich kostengünstiger besorgt werden können.
Dies gilt nicht, wenn Dienstleister in der Informationstechnik, deren absolute Mehrheit der Anteile oder deren absolute Mehrheit der Stimmen dem Bund oder den Ländern zusteht, mit vorheriger Genehmigung der obersten Dienstbehörde des Verantwortlichen beauftragt werden.

(4) Ist der Auftragsverarbeiter eine in § 35 des Ersten Buches genannte Stelle, gelten neben den §§ 85 und 85a die §§ 9, 13, 14 und 16 des Bundesdatenschutzgesetzes. Bei den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen, die nicht solche des Bundes sind, tritt anstelle des oder der Bundesbeauftragten insoweit die nach Landesrecht für die Kontrolle des Datenschutzes zuständige Stelle. Ist der Auftragsverarbeiter eine nicht-öffentliche Stelle, unterliegt dieser der Aufsicht der gemäß § 40 des Bundesdatenschutzgesetzes zuständigen Behörde.

(5) Absatz 3 gilt nicht bei Verträgen über die Prüfung oder Wartung automatisierter Verfahren oder von Datenverarbeitungsanlagen durch andere Stellen im Auftrag, bei denen ein Zugriff auf Sozialdaten nicht ausgeschlossen werden kann. Die Verträge sind bei zu erwartenden oder bereits eingetretenen Störungen im Betriebsablauf unverzüglich der Rechts- oder Fachaufsichtsbehörde mitzuteilen.

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

(1) Für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen nach den §§ 73b, 132e, 132f und 140a erbrachten Leistungen sind die an diesen Versorgungsformen teilnehmenden Leistungserbringer befugt, die nach den Vorschriften dieses Kapitels erforderlichen Angaben an den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite als Verantwortlichen oder an eine nach Absatz 2 beauftragte andere Stelle zu übermitteln; für den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite gilt § 35 des Ersten Buches entsprechend. Voraussetzung ist, dass der Versicherte vor Abgabe der Teilnahmeerklärung an der Versorgungsform umfassend über die vorgesehene Datenübermittlung informiert worden ist und mit der Einwilligung in die Teilnahme zugleich in die damit verbundene Datenübermittlung schriftlich oder elektronisch eingewilligt hat. Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite oder die beauftragte andere Stelle dürfen die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten; sie übermitteln die Daten im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern an den jeweiligen Vertragspartner auf Krankenkassenseite.

(2) Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite darf eine andere Stelle mit der Verarbeitung der für die Abrechnung der in Absatz 1 genannten Leistungen erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragen; die Vorschriften des Fünften Abschnitts bleiben unberührt. § 80 des Zehnten Buches ist anzuwenden mit der weiteren Maßgabe, dass Unterauftragsverhältnisse ausgeschlossen sind. Für Auftraggeber und Auftragsverarbeiter, die nicht zu den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen gehören, gilt diese Vorschrift entsprechend; sie haben insbesondere die technischen und organisatorischen Maßnahmen nach den Artikeln 24, 25 und 32 der Verordnung (EU) 2016/679 zu treffen.

(3) Für die Abrechnung von im Notfall erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen darf das Krankenhaus eine andere Stelle mit der Verarbeitung der erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragen, sofern der Versicherte schriftlich oder elektronisch in die Datenübermittlung eingewilligt hat; § 334 bleibt unberührt. Der Auftragsverarbeiter darf diese Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten. Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. April 2012 geändert. Es wird festgestellt, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vereinbar ist. Insoweit sind die Beteiligten verpflichtet, den Vertrag zu ändern.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 9/10 und die Beklagten tragen 1/10 der Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen einen Schiedsspruch, mit dem der Inhalt eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV) nach § 73b SGB V zwischen ihr und den beiden beklagten Hausarztverbänden festgelegt worden ist.

2

Nachdem sich Klägerin und Beklagte nicht über den Abschluss eines Vertrages zur HzV einigen konnten, beantragten die Beklagten die Einleitung des Schiedsverfahrens. Die Schiedsperson wurde durch das Bundesversicherungsamt (BVA) bestimmt, nachdem auch dazu keine Einigung erzielt werden konnte. Gegen den Bescheid des BVA zur Bestimmung der Schiedsperson wandte sich die Klägerin mit der Klage und beantragte zugleich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Diesen Antrag wies das SG zurück. Die dagegen eingelegten Beschwerden nahm die Klägerin zurück, nachdem der Schiedsspruch ergangen war.

3

Mit einem weiteren Eilverfahren wandte sich die Klägerin erfolglos gegen die Festsetzung eines Verhandlungstermins durch die Schiedsperson. An der anberaumten mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin nicht teil. Zu dem von den Beklagten vorgelegten Vertragsangebot nahm die Klägerin mit insgesamt 68 Einzelanträgen Stellung.

4

Mit Schiedsspruch vom 9.9.2010 setzte die Schiedsperson den Inhalt des Vertrages zur HzV mit Wirkung zum 15.9.2010 fest und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Beklagten erfüllten die Voraussetzung, nach der sie mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Baden-Württemberg vertreten müssten. Die gesetzliche Regelung könne nicht in dem Sinne verstanden werden, dass eine rechtsgeschäftliche Vertretung im Sinne des § 164 Abs 1 BGB erforderlich sei. Vielmehr sei mit der Formulierung des "Vertretens" gemeint, dass die Gemeinschaften eine gewisse soziale Mächtigkeit haben müssten, damit eine flächendeckende Versorgung mit Hausarztverträgen wahrscheinlich sichergestellt werden könne. Da mehr als die Hälfte der Allgemeinärzte Mitglied der beiden beklagten Verbände seien, seien die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Selbst wenn nicht auf dieses Verständnis des "Vertretens" abgestellt würde, seien die Voraussetzungen erfüllt, weil mehr als die Hälfte der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte die Beklagten zu 1. und 2. mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hätten. Die Schiedsperson sei keine Behörde und sie erlasse auch keinen Verwaltungsakt, sondern werde als Vertragshelfer tätig. Als solche habe sie in Wahrnehmung ihres Bestimmungsrechts den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festzusetzen. In Ausübung ihres billigen Ermessens habe sie entschieden, den Vertrag zur HzV als sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag festzusetzen. Allein die Vereinbarung von Vollversorgungsverträgen entspreche der Intention des Gesetzes, mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen durch Erweiterung ihrer Handlungsspielräume zum Abschluss von Verträgen mit Leistungserbringern oder Gruppen von ihnen zu ermöglichen.

5

Der festgelegte Vertragsinhalt entspreche den gesetzlichen Anforderungen an eine HzV und führe zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung für die Versicherten. Er entspreche hinsichtlich des Leistungsinhalts in vollem Umfang den Forderungen, die die Krankenkassen in früher geführten Schiedsverfahren für den Bezirk der KÄV Bayern aufgestellt hätten und gehe auch hinsichtlich der qualitativen Anforderungen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Hinsichtlich der Vergütung der in der HzV zu erbringenden Leistungen orientiere sich der Vertrag in Ausübung billigen Ermessens an dem Vertrag, den die BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für den Bezirk der KÄV Baden-Württemberg abgeschlossen habe. Vergleichbare Vergütungsregelungen fänden sich auch in zahlreichen weiteren Verträgen zur HzV, die Krankenkassen mit Gemeinschaften von Hausärzten geschlossen hätten. Bei der Festsetzung der Höhe der Vergütung seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Beitragssatzstabilität zu beachten. Dem werde die Vergütungsstruktur sowie die daran anknüpfende Vergütungshöhe gerecht. Die wirtschaftlichen Risiken der Krankenkassen würden durch verschiedene - in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen bezeichnete - Maßnahmen beschränkt. Den durch die Vergütung der HzV-Leistungen bedingten Mehrausgaben stünden Einsparungen gegenüber, die jedoch schwer genauer zu prognostizieren seien. Allerdings zeigten Erfahrungswerte aus bereits laufenden HzV-Verträgen, dass (in der Begründung des Schiedsspruchs näher bezeichnete) Einsparungen erzielt würden, mit denen sich die Mehrausgaben finanzieren ließen. Einer Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson stehe auch nicht entgegen, dass die Auftragsvergabe nicht nach den Vorschriften des Vergaberechts ausgeschrieben worden sei und dass die Anwendung des Sozialdatenschutzes auf die HzV-Verträge umstritten sei. Die Anwendung der Regelungen über den Datenschutz sei zwar streitig. Im Gegensatz zum unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein hätten die Landesdatenschutzbeauftragten für Bayern und Baden-Württemberg aber bisher keinen Anlass zu einer datenschutzrechtlichen Beanstandung bezogen auf die bestehenden HzV-Verträge gesehen. Im Hinblick auf diese Rechtslage werde von der Festsetzung einer datenschutzrechtlichen Regelung abgesehen. Die Schaffung einer datenschutzkonformen Regelung über die Weitergabe von Patientendaten an private Abrechnungsstellen bleibe auf der Rechtsgrundlage des § 295 Abs 1b SGB V bilateralen Behandlungen der Beteiligten überlassen. Eine Festsetzung der HzV-Vergütung auf dem Niveau der Regelversorgung scheide aus, weil im Rahmen der HzV ein bestimmtes Ausstattungsniveau der teilnehmenden hausärztlichen Praxen vorgegeben werde. Der an der HzV teilnehmende Hausarzt sei außerdem zur Erlangung bestimmter Weiterbildungsmaßnahmen und Abrechnungsqualifikationen verpflichtet, die in der Regelversorgung nicht gefordert seien. Hinzu trete die verpflichtende Teilnahme des teilnehmenden Hausarztes an den Disease-Management-Programmen sowie die Wahrnehmung der Betreuung von pflegebedürftigen Patienten. Zudem bestehe die Verpflichtung zur Teilnahme an Fortbildungen, zu hausarztspezifischen Themen, was über die generelle Fortbildungspflicht gemäß § 95d SGB V hinausgehe. Schließlich sei das Dienstleistungsangebot der hausärztlichen Praxen in der HzV erweitert. Diese erweiterten Qualifikationen, apparativen Ausstattungen und verbesserten Dienstleistungsangebote führten zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung, die ein höheres Vergütungsniveau im Vergleich zur hausärztlichen Regelversorgung rechtfertige. Durch das gegen die Bestimmung der Schiedsperson anhängige Klageverfahren werde das Wirksamwerden des Vertrages zur HzV nicht gehindert, weil die Klage gemäß § 73b Abs 4a SGB V keine aufschiebende Wirkung habe.

6

Gegen den Schiedsspruch vom 9.9.2010 hat sich die Klägerin mit der am 9.9.2011 erhobenen Klage gewandt und beantragt festzustellen, dass der Schiedsspruch unwirksam sei. Hilfsweise hat sie beantragt, die Regelung zum Inkrafttreten um den Zusatz zu ergänzen, dass der Vertrag nicht in Kraft trete, bevor nicht sämtliche Anlagen zum Vertrag durch die Parteien vereinbart oder durch weiteren Schiedsspruch festgesetzt worden seien. Mit der gegen die Abweisung der Klage (Urteil des SG vom 25.4.2012) erhobenen Berufung hat die Klägerin ua geltend gemacht, dass es sich bei der Entscheidung der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele. Sie gehe aber davon aus, dass eine isolierte Anfechtungsklage zulässig sein müsse. Sofern der Schiedsspruch ein Verwaltungsakt sein sollte, komme eine Leistungsklage in Form der Ersetzungsklage kaum in Betracht, da der Klägerin kein Recht zustehe, den Verwaltungsakt nach ihren Vorstellungen vollständig durch das Gericht ersetzen zu lassen. Demgegenüber haben die Beklagten die Auffassung vertreten, dass der Schiedsspruch als Verwaltungsakt anzusehen und als solcher rechtmäßig sei.

7

Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem Schiedsspruch vom 9.9.2010 um einen Verwaltungsakt handele. Für Beschlüsse einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V gelte nichts anderes als für Entscheidungen der Schiedsämter gemäß § 89 SGB V und der Schiedsstellen nach § 114 SGB V. § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V regele ein förmliches Schiedsverfahren. Zudem habe das BSG für den hier einschlägigen Bereich des Vertragsarztrechts seit jeher die Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs bejaht. Auch die Änderung des § 73b Abs 4a SGB V zum 1.1.2012 durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl I 2983) spreche nicht gegen die Annahme der Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs. Bei der Schiedsperson handele es sich um eine Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X. Dem stehe auch nicht der Umstand entgegen, dass keine Regelung zur staatlichen Aufsicht über die Schiedsperson existiere. Wenn verfassungsrechtlich zu fordernde Regelungen zur Aufsicht fehlten, könne dies allenfalls die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung zur Folge haben. Schiedspersonen nähmen Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahr, wenn sie die Vertragsverhältnisse zwischen einer Krankenkasse und den Verbänden der Hausärzte festlegten. Bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson handele es sich um eine für Ärzte, Patienten und Krankenkassen außerordentlich weitreichende Entscheidung. Für die gerichtliche Prüfung derart komplexer Regelungen mit weitreichenden Auswirkungen eigneten sich die über § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V entsprechend geltenden Vorschriften der §§ 317 ff BGB über den Vertragshelfer nicht. § 317 BGB regele den Fall, dass die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen bleibe. § 317 BGB überlasse der Schiedsperson nicht die Bestimmung des Vertragsinhalts, sondern die Bestimmung der Leistung. Vorliegend würden von der Schiedsperson aber sämtliche gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien festgelegt. Die Festlegung eines Vertrages über die HzV durch die Schiedsperson gehe somit weit über das hinaus, was Vertragshelfer nach § 317 BGB üblicherweise festlegen könnten. Zudem erweise sich der in § 319 BGB genannte Maßstab des "billigen Ermessens" als wenig geeignet für die Prüfung des von der Schiedsperson festgelegten Vertragsinhalts. Schließlich verhindere die Rechtskonstruktion des Vertragshelfers nicht eine Verzögerung der Umsetzung des geschiedsten Vertrages durch in destruktiver Absicht eingelegte Rechtsmittel. Dies zeige der vorliegende Fall. Für die Erhebung der Gestaltungsklagen gelte keine Ausschlussfrist. Damit bleibe für die Vertragsparteien lange unklar, ob der festgelegte Vertrag rechtsverbindlich werde. Auch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung helfe nicht weiter, weil der Vertrag in der Praxis regelmäßig erst dann als umsetzbar angesehen werde, wenn dessen rechtliche Verbindlichkeit auch feststehe. Auch dies zeige der vorliegende Fall.

8

Die isolierte Anfechtungsklage sei zulässig, jedoch nicht begründet. Der Schiedsperson stehe bei der Festlegung des Vertragsinhalts ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Schiedsspruch sei nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle zugänglich. Verstöße gegen wesentliche verfahrensrechtliche Grundsätze lägen nicht vor. Die Schiedsperson habe die Festlegung des Vertragsinhalts ausführlich begründet. Soweit die Klägerin das Fehlen einer Ausgabenobergrenze rüge, übersehe sie § 10 Abs 9 des Vertrages, der eine Begrenzung der HzV-Vergütung auf einen durchschnittlichen maximalen Fallwert von 76 Euro vorsehe. Unbegründet sei auch der Einwand der Klägerin, dass der Vertrag an mehreren Stellen gegen ihre Satzungsregelungen verstoße. Der Vertrag begründe keine Rechte und Pflichten der Versicherten. Den von den Vertragsparteien oder nach Maßgabe des § 73b Abs 4a SGB V von der Schiedsperson an deren Stelle getroffenen Festlegungen komme Vorrang vor dem Satzungsrecht der einzelnen Krankenkasse zu. Die Krankenkasse müsse den sie bindenden Vertrag bei jeglicher Verwaltungstätigkeit einhalten. Wenn die Satzung der Krankenkasse mit den Festlegungen des Vertrages nicht in Einklang stehe, müsse sie daher die Satzung entsprechend ändern und an den Vertrag anpassen. Für den gestellten Hilfsantrag mit dem Ziel, das Inkrafttreten des Vertrages auf den Zeitpunkt zu verschieben, zu dem sämtliche Anlagen vereinbart oder durch Schiedsspruch festgesetzt worden seien, fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Nach § 16 Abs 4 des Vertrages sei dieser zum Halbjahres- oder Jahresende, erstmals zum 31.12.2013 mit einer Frist von sechs Monaten kündbar. Damit werde der Klägerin eine einfachere rechtliche Möglichkeit eröffnet, die Rechtswirkungen des Vertrages zu beseitigen. Zudem müsse sich die Klägerin widersprüchliches Verhalten entgegenhalten lassen. Mit dem Hinausschieben des Inkrafttretens würde der gesetzlich begründete Kontrahierungszwang vereitelt. Aus dem gesamten Verhalten der Klägerin sei zu erkennen, dass sie sich weigere, ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Eröffnung des Angebots einer HzV nachzukommen. Ernsthafte Bemühungen, die fehlenden Vertragsanlagen auszuhandeln, seien nicht ersichtlich. Darüber hinaus sei der Hilfsantrag auch in der Sache nicht begründet. Ausreichend sei, dass der Schiedsspruch in sich schlüssig sei und dass die geregelten Vertragsteile von den Vertragsparteien umgesetzt werden könnten. Daran bestehe kein Zweifel, weil Verträge mit vergleichbaren Inhalten von anderen Krankenkassen durchgeführt würden.

9

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die erhobene Anfechtungsklage sei statthaft, da es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X handele. Sämtliche LSG hätten § 73b Abs 4, Abs 4a SGB V in der Weise ausgelegt. Ihre zuvor vertretene gegenteilige Rechtsauffassung halte sie nicht mehr aufrecht. Änderungen des § 73b SGB V, die zum 1.1.2012 in Kraft getreten seien, seien für das vorliegende Verfahren von vornherein nicht relevant, da für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 maßgeblich sei. Mit der Festsetzung des Vertrages über die besondere hausärztliche Versorgung nach § 73b SGB V treffe die Schiedsperson eine hoheitliche Entscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die unmittelbare Rechtswirkung im Außenverhältnis habe, indem sie verbindlich den Vertrag zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens festsetze. Der Schiedsspruch zur HzV unterscheide sich insofern nicht von dem Schiedsspruch nach § 77 SGB XII, für den sowohl das BVerwG als auch das BSG die Verwaltungsaktqualität ausdrücklich bejaht hätten.

10

Entgegen der Auffassung des LSG sei das Rechtsschutzinteresse nicht im Hinblick auf die zum 31.12.2013 erstmals bestehende Kündigungsmöglichkeit entfallen. Die ordentliche Kündigung des Vertrages zur HzV führe nicht automatisch zu dessen Beendigung, sondern der Vertrag gelte - wenn ein neuer Vertrag zur HzV nicht zustande komme - solange fort, bis in einem Schiedsverfahren ein neuer Vertrag zur HzV festgesetzt worden sei. Die Umsetzung des streitgegenständlichen Vertrages werde zu Recht verweigert. Die Klage habe selbst dann aufschiebende Wirkung, wenn es sich bei dem Schiedsspruch nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Vertragsfestlegung durch einen Dritten entsprechend §§ 315, 317 BGB handeln würde. Bereits die Erhebung der Einrede der offenbaren Unbilligkeit der Vertragsfestsetzung führe ggf entsprechend § 319 Abs 1 BGB zur Unverbindlichkeit der durch den Schiedsspruch getroffenen Vertragsbestimmungen.

11

Der Schiedsspruch sei mit zwingend zu beachtenden bundesrechtlichen Vorgaben zum Datenschutz unvereinbar. Für die nach dem Vertrag zur HzV vorgesehene Einbindung der Beklagten und der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) sowie von Unterauftragsunternehmern in die Verarbeitung sensibler Patientendaten fehle die nach der Rechtsprechung des BSG zwingend erforderliche gesetzliche Grundlage. Auch das Inkrafttreten des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ändere nichts an der datenschutzrechtlichen Unzulässigkeit des Vertrages zur HzV. Maßgebend sei die zum Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 9.9.2010 geltende Rechtslage. Selbst wenn die zum 4.8.2011 eingetretenen Änderungen berücksichtigt würden, bliebe es bei der Unvereinbarkeit mit datenschutzrechtlichen Vorgaben. Die in dem Vertrag vorgesehene zwangsweise Verknüpfung der Teilnahme an der HzV mit einer Pflicht zur Weitergabe von Patientendaten an einen bestimmten Dienstleister sei mit den datenschutzrechtlich an die "verantwortliche Stelle" zu stellenden Anforderungen unvereinbar. Weiterhin unzulässig sei der vorgesehene Einsatz einer Vertragssoftware mit einem sog "gekapselten Kern", zu dessen Einsatz die teilnehmenden Hausärzte verpflichtet würden. Damit werde die Möglichkeit geschaffen, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar bzw kontrollierbar sei. Außerdem erlaube der neue § 295a Abs 2 SGB V lediglicheinen Dienstleister in die Verarbeitung von Patientendaten einzubinden. Die Begründung von Unterauftragsverhältnissen werde ausdrücklich ausgeschlossen. Im Widerspruch dazu sehe § 6 Abs 1 der Anlage 3 des streitgegenständlichen Vertrages zur HzV die Einbindung der HÄVG Rechenzentrum AG als Subunternehmer der HÄVG vor. Rechtswidrig sei ferner die in § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum Vertrag geregelte Befugnis der HÄVG, nach eigenem Gutdünken Patientendaten für "Musterverfahren" zur Klärung grundsätzlicher Fragen der Auslegung des Vertrages zur HzV zu verwenden. Unzulässig sei auch die vorgesehene Einbindung der HÄVG in die Einschreibung von Versicherten. Nach § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürften die auf Leistungserbringerseite von den teilnehmenden Hausärzten übermittelten Patientendaten ausschließlich für Abrechnungszwecke verwendet werden.

12

Zudem werde durch Mehrkosten, die der Vertrag unstreitig auslöse und deren Finanzierung durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen nicht gesichert sei, das in § 53 Abs 9 SGB V normierte Gebot der Selbsttragung des Wahltarifs verletzt. Der Wahltarif sei zwingend mit der HzV nach § 73b SGB V verbunden. Nach § 53 Abs 3 SGB V dürften für einen Wahltarif für die besonderen Versorgungsformen keine Zusatzbeiträge erhoben werden. Gleichzeitig verbiete § 53 Abs 9 SGB V eine Quersubventionierung der Wahltarife aus dem allgemeinen Beitragsaufkommen. Dass durch den Vertrag zur HzV Mehrkosten gegenüber der hausärztlichen Regelversorgung entstünden, sei unstreitig. Dem stünden keine gesicherten Refinanzierungsmaßnahmen gegenüber. Darüber hinaus werde der Grundsatz der Beitragssatzstabilität des § 71 Abs 1 SGB V verletzt, der alle Vergütungsvereinbarungen nach dem SGB V erfasse, weil nicht refinanzierte Mehrausgaben nicht verlässlich ausgeschlossen seien. Die Erhebung von Zwangsbeiträgen der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung für die Subventionierung der HzV verletze Art 2 Abs 1 GG. Zudem würde durch die damit verbundene Aufgabe des Solidaritätsprinzips die Unternehmenseigenschaft der Krankenkassen im Sinne des Art 101 ff des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union begründet.

13

Der Schiedsspruch verletze Bundesrecht auch deshalb, weil die Vertragsfestsetzung unvollständig sei. Obwohl der Hilfsmittelbereich als Bereich möglicher Einsparungen in der Begründung des Schiedsspruchs ausdrücklich angesprochen werde und die Anlage 2a zum Hilfsmittelmanagement in § 23 des Vertrages zur HzV genannt werde, habe die Schiedsperson diese Anlage nicht festgelegt. Aus § 23 des Vertrages zur HzV ergebe sich vielmehr, dass diese "in gemeinsamer Absprache noch zu erstellen" sei. Dies sei mit § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V unvereinbar. Gleiches gelte für die fehlenden Anhänge 2 bis 4 der festgesetzten Anlage 3 des Vertrages. Diese sollten ausweislich § 9 der Anlage 3 des Vertrages die Diagnosen zur Abrechnung des Zuschlags für chronisch Kranke, des Zuschlags zur Förderung einer wirtschaftlichen Arzneimittelverordnung ("Rationaler Pharmakotherapie-Zuschlag") sowie eines Zuschlags (sog VERAH-Zuschlag) für Leistungen von besonders qualifizierten medizinischen Fachangestellten ("Versorgungsassistenten") enthalten.

14

Ferner habe die Schiedsperson ihren Gestaltungsspielraum überschritten, indem sie Regelungen zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten zum Gegenstand des Vertrages zur HzV gemacht habe. Die Einschreibebestimmungen des Vertrages zur HzV seien nicht von der Vertragsregelungsbefugnis der Schiedsperson umfasst. Vielmehr habe die Regelung der Teilnahme von Versicherten an der HzV in der Satzung der Krankenkasse zu erfolgen. Die Teilnahme der Versicherten werde in dem Vertrag zur HzV in Widerspruch zu Satzungsbestimmungen der Klägerin geregelt. Dies sei rechtswidrig. Darüber hinaus verletze der Schiedsspruch Bundesrecht, weil dem Beklagten zu 2. (MEDI Baden-Württemberg e.V.) die erforderliche Antragsbefugnis zur Einleitung eines Schiedsverfahrens fehle. Schiedsverfahren könnten nur von Gemeinschaften beantragt werden, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Diese Voraussetzung erfülle der Beklagte zu 2. nicht.

15

Die Schiedsperson habe ihren Beurteilungsspielraum überschritten, indem sie sich bei der Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend an anderen HzV-Verträgen orientiert habe. Die anderen HzV-Verträgen zugrunde liegenden Verhältnisse seien nicht auf die Klägerin übertragbar. Die Schiedsperson hätte sich mit der konkreten Situation der Klägerin und deren Versicherten auseinandersetzen müssen. Das sei nicht geschehen. Ferner sei die Schiedsperson zu Unrecht davon ausgegangen, dass allein ein Vollversorgungsvertrag, nicht dagegen ein sog Add-on-Vertrag der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Damit habe die Schiedsperson den rechtlichen Rahmen verkannt, der ihrem Gestaltungsspielraum zugrunde liegt. Somit leide der Schiedsspruch an einem nicht heilbaren Fehler.

16

Selbst wenn der Schiedsspruch nicht als Verwaltungsakt anzusehen wäre, sei der auf Aufhebung dieses Schiedsspruchs gerichtete Antrag zulässig. Die Festsetzung des Vertragsinhalts durch das Gericht in entsprechender Anwendung des § 319 BGB sei unter Beachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung ausgeschlossen. Denn der Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages über die HzV nach § 73b SGB V sei Aufgabe der Krankenkassen als Selbstverwaltungskörperschaften und Teil der mittelbaren Staatsverwaltung. In die Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume könne die Rechtsprechung als Kontrollinstanz der Verwaltung nicht in der Form eingreifen, dass sie ihre eigenen Erwägungen an die Stelle derjenigen der Verwaltung setze.

17

Die Klägerin beantragt,

        

1.    

die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 zu ändern und den Schiedsspruch vom 9.9.2010 aufzuheben,

        

2.    

hilfsweise, das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 aufzuheben und den Rechtsstreit an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2, 1. Halbsatz BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts zurückzuverweisen,

        

3.    

weiter hilfsweise unter Änderung der Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 18.12.2013 und des SG Stuttgart vom 25.4.2012 festzustellen, dass der durch die Schiedsperson zwischen den Beteiligten festgesetzte HzV-Vertrag mit Bundesrecht nicht vereinbar ist.

18

Die Beklagten beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

19

Sie führen zur Begründung aus: Das angefochtene Urteil des LSG sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Allerdings sei der Schiedsspruch kein Verwaltungsakt. Mit dem GKV-VStG habe der Gesetzgeber eindeutig geregelt, dass es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handele, sondern dass die Schiedsperson als Vertragshelfer analog § 317 BGB tätig werde. Die in der Rechtsprechung angestellten Erwägungen zur fehlenden Behördeneigenschaft von Schiedspersonen nach § 132a Abs 2 SGB V seien auf die Schiedspersonen gemäß § 73b Abs 4a SGB V übertragbar. Auch der Umstand, dass die Schiedsperson die in einem Schiedsverfahren festgelegten Verträge der für die Krankenkassen zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen habe, stehe dem nicht entgegen, da die Vorlage auch bei frei verhandelten Verträgen durch die Krankenkasse zu erfolgen habe. Der Schiedsspruch sei rechtlich nicht zu beanstanden. Mit den Anträgen der Klägerin habe sich die Schiedsperson erkennbar auseinandergesetzt und diese gewürdigt. Die Schiedsperson habe den Inhalt des Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festgesetzt und zugleich berücksichtigt, dass zahlreiche weitere Krankenkassen im Bundesgebiet ähnliche Verträge mit vergleichbarem Inhalt und vergleichbarer Vergütungsstruktur mit den jeweiligen Hausarztgemeinschaften vereinbart hätten. Es seien keine wesentlichen Vertragsbestandteile ungeregelt geblieben. Soweit den Vertragspartnern überlassen worden sei, im späteren Verlauf Umsetzungsaufgaben und Steuerungsmodule, zB für den Bereich der Arzneimittelverordnung selbst zu verhandeln, sei dies sachgerecht, weil die Vertragspartner damit auf die sich ständig ändernden Arzneimittelrabattverträge reagieren könnten. Auch würden Vorschriften zum Datenschutz nicht verletzt. Maßgebend für die Beurteilung sei die aktuelle Rechtslage und nicht die Rechtslage, die bei Erlass des Schiedsspruchs gegolten habe. Die im Schiedsspruch vorgesehene Verwendung eines "gekapselten Kerns" sei auch nach Auffassung des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht nicht zu beanstanden. Soweit sich die Klägerin gegen die im Vertrag enthaltene Befugnis zur Führung von Musterverfahren unter Verwendung personenbezogener Daten wende, sei darauf hinzuweisen, dass die HÄVG keine Musterverfahren führe. Die Klägerin sei im Übrigen nicht legitimiert, im vorliegenden Verfahren Datenschutzrechte der Patienten geltend zu machen. Bezogen auf die geltend gemachten Widersprüche zwischen dem Vertrag zur HzV und den Satzungsregelungen der Klägerin habe das LSG zutreffend die Auffassung vertreten, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV der Satzung vorgingen. Mit dem vorliegenden Klageverfahren unterlaufe die Klägerin den gesetzlichen Kontrahierungszwang. Die Klägerin sei verpflichtet, ihren Versicherten eine HzV anzubieten und mit qualifizierten Gemeinschaften einen Vertrag zur HzV zu schließen. Gleichwohl habe die Klägerin bis heute die Umsetzung des weiterhin geltenden Vertrages verweigert und auch keinen Antrag auf Verpflichtung zur Neufestsetzung des Vertrages zur HzV mit den von ihr begehrten Modifizierungen gestellt.

Entscheidungsgründe

20

Die Revision der Klägerin hat nur insoweit Erfolg, als die Unvereinbarkeit von Regelungen des Vertrages zur HzV mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen festzustellen war. Im Übrigen hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

21

1. Das SG war zur Entscheidung im ersten Rechtszug nach § 8 SGG sachlich zuständig, da einer der in § 29 Abs 2 SGG geregelten Sonderfälle der sachlichen Zuständigkeit der Landessozialgerichte für eine Entscheidung im ersten Rechtszug nicht vorliegt. Insbesondere liegt keine Klage gegen Entscheidungen der Landesschiedsämter oder gegen Beanstandungen von Entscheidungen der Landesschiedsämter nach dem SGB V, gegen Entscheidungen der Schiedsstellen nach § 120 Abs 4 SGB V, der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI oder der Schiedsstellen nach § 80 SGB XII vor. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Entscheidung einer Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Aufzählung in § 29 Abs 2 SGG ist abschließend, sodass die Vorschrift nicht entsprechend anwendbar ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 29 RdNr 4; Schreiber in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 29 RdNr 8; Ulrich, NZS 2011, 448, 451 ff; zur Bestimmung einer Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 13 f, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

22

2. Die mit dem Antrag zu 1. erhobene Anfechtungsklage ist nicht statthaft und damit unzulässig.

23

a) Nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGG muss sich die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt richten. Die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson nach § 73b SGB V ist jedoch nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergangen und die Schiedsperson hat auch nicht für sich in Anspruch genommen, durch Verwaltungsakt entscheiden zu können(zur Zulässigkeit von Klagen auch gegen einen sog "formellen Verwaltungsakt" vgl BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 16). Für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage genügt nicht, dass die Klägerin das Vorliegen eines Verwaltungsakts geltend macht (stRspr vgl BSGE 39, 86, 87 = SozR 2200 § 628 Nr 1 S 2, mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 8a).

24

b) Für die Beurteilung der Frage, ob die Entscheidung der Schiedsperson, gegen die sich die Klägerin wendet, in der Form eines Verwaltungsakts ergangen ist, ist in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Entscheidung der Schiedsperson am 9.9.2010 maßgebend. Nur wenn die Schiedsperson zu diesem Zeitpunkt Behörde im Sinne des § 1 Abs 2 SGB X gewesen ist, konnte sie einen Verwaltungsakt erlassen. Später eingetretene Änderungen hätten keinen Einfluss mehr auf die rechtliche Qualifizierung des zuvor ergangenen Schiedsspruchs. Es kommt demnach darauf an, ob die Schiedsperson nach der zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts geltenden Rechtslage Behörde war und ob ihre Entscheidung unter Zugrundelegung dieser Rechtslage als Verwaltungsakt anzusehen war. Dies ist indes nicht der Fall und daran hat sich im Übrigen in der Folge auch nichts geändert.

25

c) Schiedspersonen, die Verträge zur HzV festsetzen, wenn eine Einigung zwischen einer Krankenkasse und der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaft von Allgemeinärzten nicht zustande kommt, werden - ebenso wie Schiedspersonen im Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V - als Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB und nicht als Behörde tätig. Der Schiedsspruch ergeht deshalb auch nicht in der Form eines Verwaltungsakts, sondern ersetzt die Einigung der Parteien. Dies folgt neben dem Wortlaut in erster Linie aus der Entstehungsgeschichte der Regelung und dem darin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers.

26

aa) Verwaltungsakte können nach § 31 Satz 1 SGB X nur von einer Behörde erlassen werden. Nach § 1 Abs 2 SGB X ist Behörde im Sinne des Sozialgesetzbuches jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Danach gilt ein weiter, sog funktionaler Behördenbegriff, der neben den Verwaltungsbehörden im organisatorischen Sinne auch alle sonstigen Einrichtungen, Organe und Stellen einschließt, die aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts mit der Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten, zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge im eigenen Namen oder zu sonstigen, nach öffentlichem Recht zu beurteilenden Handeln ausgestattet sind (vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 14; BSGE 60, 239 = SozR 1300 § 45 Nr 26; BSGE 63, 224 = SozR 1300 § 48 Nr 47; BSGE 77, 295 = SozR 3-1300 § 45 Nr 27).

27

Dass die Schiedsämter und Schiedsstellen im Bereich des SGB V unter diesen weiten funktionalen Behördenbegriff fallen, ist in der Rechtsprechung seit langem geklärt (vgl BSGE 20, 73, 75 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSGE 87, 199, 200 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3300 § 89 Nr 1 RdNr 11; BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 20, 41). Eine solche grundsätzliche Klärung fehlt bisher für die Schiedsperson, die der Gesetzgeber mit der Änderung des § 132a SGB V (Versorgung mit häuslicher Krankenpflege) durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) erstmals im SGB V anstelle von Schiedsämtern und Schiedsstellen für die außergerichtliche Schlichtung vorgesehen hat. In den folgenden Jahren ist die außergerichtliche Streitschlichtung durch Schiedspersonen auf weitere Bereiche ausgedehnt worden: Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) wurde die Schlichtung im Bereich der stationären und ambulanten Hospizleistungen nach § 39a Abs 1 Satz 7 bis 9 SGB V einer Schiedsperson übertragen. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) wurde die Schlichtung durch eine Schiedsperson bei Streitigkeiten um die Finanzierung der Landesverbände der Krankenkassen (§ 211 Abs 4 Satz 4 SGB V) und mWv 1.1.2009 auch für die hausarztzentrierte Versorgung (§ 73b Abs 4a SGB V) sowie die Hilfsmittelversorgung (§ 127 Abs 1a Satz 2 bis 4 SGB V)vorgesehen. Inzwischen ist die Schlichtung durch Schiedspersonen Gegenstand auch der Heilmittelversorgung (§ 125 Abs 2 Satz 4 bis 6 SGB V), des klinischen Krebsregisters (§ 65c Abs 6 Satz 8 bis 12 SGB V) und der Versorgung mit Schutzimpfungen (§ 132e Abs 1 Satz 3 bis 5 SGB V).

28

Ob auch die Entscheidungen von Schiedspersonen als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X anzusehen sind, war von Anfang an umstritten(vgl zB Schnapp, NZS 2010, 241, 245 mwN; Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 17 ff). In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wurde die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V in der Regel als Vertragshelfer qualifiziert, deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, während Entscheidungen der Schiedsperson in der HzV wohl überwiegend als Verwaltungsakt angesehen wurden(LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 84 ff; LSG Hamburg Beschluss vom 18.8.2011 - L 1 KA 24/11 B ER; in dieser Richtung, aber letztlich offenlassend: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 37 f = Juris RdNr 25, 45 f; ausdrücklich offengelassen: LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 32 und Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 58/10 B ER - Juris RdNr 61; anders dagegen : Bayerisches LSG Beschluss vom 17.1.2011 - L 12 KA 123/10 B ER - Breith 2011, 281, 285). Für die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V wurde diese Frage durch Urteil des 3. Senats vom 25.11.2010 (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) geklärt. Danach ist jedenfalls diese Schiedsperson keine Behörde. Dementsprechend ergeht deren Entscheidung auch nicht als Verwaltungsakt. Vielmehr wird die Schiedsperson als öffentlich-rechtlicher Schlichter und Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB tätig.

29

Ausschlaggebend für die Einordnung der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde war nach der genannten Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010, dass diese zwar den Inhalt öffentlich-rechtlicher Verträge festlege, wobei es sich um eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit handele. Die Schiedsperson erhalte ihre Entscheidungsmacht jedoch unmittelbar von den Vertragsparteien des § 132a SGB V selbst, die auch den das Schiedsverfahren regelnden Vertrag zur Konfliktlösung abschließen. Daraus hat der 3. Senat den Schluss gezogen, dass es sich - ungeachtet des Umstands, dass die Vertragsparteien zur Verabredung des Schiedsverfahrens gesetzlich verpflichtet sind - um ein vertraglich vereinbartes Schiedsverfahren handele. Die Schiedsperson sei auch kein Beliehener, weil es an einem öffentlich-rechtlichen Akt der Beleihung fehle. Ferner existiere keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger und anders als Schiedsstellen und Schiedsämter unterliege die Schiedsperson auch keiner Rechtsaufsicht. Das Verfahren der Schlichtung durch die Schiedsperson sei nicht gesetzlich geregelt. Die Funktion als Schiedsperson sei an die Person des Berufenen gebunden, sodass keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution einer Schiedsstelle existiere.

30

bb) Die Regelungen zur Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V entsprachen bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend derjenigen zu der - nicht als Behörde zu qualifizierenden - Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V. Grundsätzlich obliegt es auch hier den Vertragsparteien, sich auf die Schiedsperson zu einigen. Nur für den Fall, dass die Vertragsparteien sich auch darüber nicht einigen können, sieht § 73b Abs 4a Satz 2 SGB V die Bestimmung der Schiedsperson durch die für die Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde vor. Ebenso wie nach § 132a Abs 2 SGB V gibt es nach § 73b SGB V weder eine Rechtsaufsicht über die Schiedsperson noch eine Regelung zum Schiedsverfahren. Ferner existiert keine vom Wechsel der Person unabhängige Institution und keine Anbindung an einen übergeordneten Verwaltungsträger.

31

Zwar können hoheitliche Aufgaben durch Beleihung auch einer natürlichen Person übertragen werden. Dies erfordert jedoch eine Übertragung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Rechtsverordnung, Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl BVerwG NVwZ 2006, 829; BVerfG NJW 1987, 2501, 2502; BVerwGE 98, 280, 298; Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 1 RdNr 11; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl 2014, § 1 RdNr 60; Wiegand, Die Beleihung mit Normsetzungskompetenz, 2008, 155 f). § 73b Abs 4a SGB V regelt eine Beleihung der Schiedsperson jedenfalls nicht ausdrücklich. Gegen die Annahme, dass in der dort geregelten Bestimmung der Schiedsperson gleichwohl eine Beleihung liegt, spricht, dass das Gesetz keinerlei Festlegungen oder Vorgaben zu deren Auswahl trifft, sondern diese vorrangig den Vertragsparteien überlässt (vgl Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 250). Angesichts des Umstands, dass der Wortlaut die Frage nach einer Beleihung jedenfalls nicht eindeutig beantwortet, kann die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur dann als Beliehene angesehen werden, wenn systematische Gründe, die Entstehungsgeschichte oder Sinn und Zweck der Reglung dafür sprechen würden, dass der Gesetzgeber der Schiedsperson die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben übertragen wollte. Dies ist aus den nachfolgend genannten Gründen jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG gerade klargestellt, dass der Schiedsperson nach § 73b SGB V - in Übereinstimmung mit der Schiedsperson nach § 132a SGB V - keine hoheitlichen Aufgaben übertragen werden sollen.

32

cc) Im Gegensatz zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V hat der 3. Senats des BSG die Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26) nicht eindeutig dem Modell "Vertragshelfer" zugeordnet, sondern diese Frage ausdrücklich offengelassen. Dabei hat der 3. Senat dem Umstand Bedeutung beigemessen, dass § 73b SGB V keine § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V entsprechende Regelung enthält, nach der die Vertragsparteien in Verträgen zu regeln haben, dass im Falle von Nichteinigung eine von den Parteien zu bestimmende unabhängige Schiedsperson den Vertragsinhalt festlegt. Daraus hat der 3. Senat gefolgert, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V im Rahmen eines gesetzlich normierten und nicht eines - wie bei § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V - vertraglich vereinbarten Schiedsverfahrens tätig werde. In der praktischen Umsetzung wirkt sich dieser Unterschied allerdings kaum aus, weil die Vertragspartner nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V nicht frei darüber entscheiden können, ob sie die Festlegung des Vertragsinhalts einer Schiedsperson übertragen, sondern verpflichtet sind, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Falls zwischen den Vertragspartnern eine Einigung auf eine Schiedsperson nicht erzielt werden kann, wird sowohl die Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V als auch die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V von der für die vertragsschließende Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Dabei kann die Bestimmung einer Schiedsperson durch die zuständige Aufsichtsbehörde auch nach § 132a Abs 2 Satz 7 SGB V nicht davon abhängig sein, dass zuvor eine Vereinbarung nach § 132a Abs 2 Satz 6 SGB V zustande gekommen ist, nach der der Vertragsinhalt von einer Schiedsperson festgelegt wird(vgl dazu Plantholz, RsDE 64 <2007>, 1, 8). Damit bestehen insoweit keine rechtlich bedeutsamen Unterschiede zwischen dem Schiedsverfahren in der HzV und dem Schiedsverfahren in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege (so auch Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15e).

33

dd) Ein Indiz, das gegen die Qualifizierung der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer und für eine Einordnung des Schiedsspruchs als Verwaltungsakt sprechen könnte, hat der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 26; vgl auch BSG SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 40, auch zur Veröffentlichung für BSGE vorgesehen) ferner in dem Umstand gesehen, dass § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ausschloss. Diese Regelung konnte den Eindruck erwecken, dass der Gesetzgeber die Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Verwaltungsakte angesehen haben könnte, weil sie gesetzessystematisch nur einen Sinn ergibt, wenn es sich bei der angegriffenen Entscheidung der Schiedsperson um einen Verwaltungsakt handelt. Schließlich bezieht sich die aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs 1 SGG auf den Widerspruch und auf die Anfechtungsklage, die sich grundsätzlich gegen einen Verwaltungsakt richten müssen.

34

Dagegen konnte auch nicht - wie in der Begründung des Schiedsspruchs - mit Erfolg eingewandt werden, die Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts durch einen Vertragshelfer bewirke in entsprechender Anwendung zivilrechtlicher Bestimmungen, dass der Vertrag während der Dauer des Rechtsstreits nicht umsetzbar sei und die Formulierung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF, nach der die Klage keine aufschiebende Wirkung habe, könne aus diesem Grund nicht als Indiz für die rechtliche Einordnung der Entscheidung der Schiedsperson als Verwaltungsakt herangezogen werden.

35

(1) Die Auffassung, nach der die von der Schiedsperson getroffene Bestimmung zum Vertragsinhalt während eines Klageverfahrens um deren Rechtmäßigkeit nicht beachtet werden müsse, trifft nicht zu. Für zivilrechtliche Verträge wird die Frage, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen die offenbare Unbilligkeit der Bestimmung einer Leistung durch einen Dritten nach § 319 Abs 1 Satz 1 BGB die Unbeachtlichkeit der Entscheidung des Dritten zur Folge hat, nicht einheitlich beantwortet. Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass die offenbar unbillige Leistungsbestimmung bereits unabhängig von der Erhebung einer Einrede oder einer Klagerhebung unwirksam sei (Rieble in Staudinger, BGB, Leistungsstörungsrecht 2, Neubearbeitung 2009, § 319 RdNr 17 f; zu § 315 Abs 3 BGB vgl LG Mainz Urteil vom 5.3.2007 - 5 O 94/06 - Juris). Dagegen wird eingewandt, dass die offenbare Unbilligkeit nicht die Nichtigkeit bedeute (vgl OLG Frankfurt am Main Urteil vom 3.12.1998 - 3 U 257/97 - NJW-RR 1999, 379 = Juris RdNr 25) und dass auch die unbillige Bestimmung des Dritten binde, bis sie durch Gerichtsurteil ersetzt werde (Würdinger in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl 2012, § 319 RdNr 23). Dies soll aber nach wohl hM nicht für den Fall gelten, dass die offenbare Unbilligkeit von einem Vertragspartner binnen angemessener Frist geltend gemacht wird (vgl OLG Frankfurt am Main, aaO, mwN; Wolf in Soergel, BGB, Bd 2, 12. Aufl 1990, § 319 RdNr 16; zur ähnlichen Regelung in § 315 Abs 3 BGB vgl Grüneberg in Palandt, BGB, 74. Aufl 2015, § 315 RdNr 16; zur Fälligkeit einer Forderung bei einer Schiedsgutachtenvereinbarung im Falle des Übergangs der Leistungsbestimmung nach § 319 Abs 1 Satz 2 BGB auf das Gericht erst mit Rechtskraft des Urteils vgl BGH Urteil vom 4.7.2013 - III ZR 52/12 - NJW-RR 2014, 492 RdNr 32 ff, mwN). Dagegen geht das BAG im Zusammenhang mit der Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber in entsprechender Anwendung des § 315 Abs 3 BGB davon aus, dass der Arbeitnehmer an die Konkretisierung des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden sei, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe(BAG Urteil vom 22. 2.2012 - 5 AZR 249/11 - BAGE 141, 34 = AP Nr 127 zu § 615 BGB = NJW 2012, 2605, RdNr 24, mwN).

36

Auf die Festsetzung des Vertrages zur HzV durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V sind die genannten, zu zivilrechtlichen Verträgen entwickelten, ohnehin nicht einheitlichen Positionen - entgegen der in der Begründung der Entscheidung der Schiedsperson vertretenen Auffassung(vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 Fn 61) - nicht ohne Weiteres übertragbar. Für Verträge, die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern zum Gegenstand haben, gelten die Vorschriften des BGB und damit auch die Regelungen zur Bestimmung der Leistungen durch einen Dritten (§§ 317 ff BGB) gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nur entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Daher kann bei der entsprechenden Anwendung der §§ 317 ff BGB nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 1 SGB V verpflichtet sind, ihren Versicherten eine besondere hausarztzentrierte Versorgung anzubieten. Die entsprechende Geltung der Vorschriften des BGB ändert zudem nichts daran, dass es sich bei dem Vertrag nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V zwischen Krankenkassen und den die Hausärzte vertretenden Gemeinschaften um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 Abs 1 SGB X handelt, weil durch ihn ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet, geändert oder aufgehoben wird. Insofern gilt für Verträge in der HzV nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V nichts anderes als für Verträge zur Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a SGB V(vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 6 RdNr 18 f; BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 23)oder auch für die Bundesmantelverträge und Gesamtverträge, die (auch) als öffentlich-rechtliche Verträge zu qualifizieren sind (vgl BSGE 70, 240, 243 = SozR 3-5533 Allg Nr 1 S 4; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14). Für das gerichtliche Verfahren bleiben die Vorschriften des SGG maßgebend. Nach § 86a Abs 1 SGG kommt zwar Klagen gegen belastende Verwaltungsakte aufschiebende Wirkung zu. Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise für Klagen, mit denen die Rechtswidrigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages geltend gemacht wird. Öffentlich-rechtliche Verträge sind wirksam, auch soweit sie rechtswidrig aber nicht nichtig sind (vgl Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 58 RdNr 2). Zur Nichtigkeit führt nur ein besonders schwerwiegender Mangel (zu gesamtvertraglichen Vereinbarungen vgl zB BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14 f). Der Umstand, dass die Partner des Vertrages zur HzV die Möglichkeit haben, gerichtlich mit der Feststellungsklage die Rechtswidrigkeit von Regelungen des Vertrages geltend zu machen, der durch Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommen ist (vgl dazu nachfolgend 4.), ändert daran nichts. Im Ergebnis hat dies zur Folge, dass der durch die Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommene Vertrag, der nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, vorbehaltlich seiner Nichtigkeit umzusetzen ist, solange dessen Rechtswidrigkeit nicht rechtskräftig festgestellt worden ist (vgl bereits Nr 11 der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines GKV-VStG, BT-Drucks 17/7274 S 29; zu einer vom Bundesrat gewünschten Klarstellung mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Abhängigkeit vom Ausgang des vorliegenden Verfahrens vgl die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks 18/4095, Anlage 4 Nr 22; aA: Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 8 f). Bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens um die Rechtmäßigkeit des von der Schiedsperson festgesetzten Vertrages kann die Pflicht zur Umsetzung des Vertrages nur durch eine einstweilige Anordnung des Gerichts nach § 86b Abs 2 SGG beseitigt werden.

37

(2) Auch wenn angenommen würde, dass die in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF getroffene Regelung zur fehlenden aufschiebenden Wirkung der Klage allein im Sinne einer Klarstellung sicherstellen sollte, dass Schiedssprüche während eines Klageverfahrens zunächst umgesetzt werden, erklärt dies nicht ohne Weiteres die gewählte Formulierung, weil die Verwendung des Begriffs der aufschiebenden Wirkung den Bezug zu § 86a Abs 1 SGG und zu der dort geregelten aufschiebenden Wirkung von Klagen gegen Verwaltungsakte herstellt.

38

Danach stimmte die gesetzliche Regelung zur Schiedsperson in der Versorgung mit Haushaltshilfe nach § 132a Abs 2 SGB V zwar weitgehend mit der Regelung zur Schiedsperson in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V überein. Mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts enthielt § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V aF jedoch eine Regelung, die in § 132a SGB V keine Entsprechung findet und die als Indiz für die Charakterisierung des Schiedsspruchs in der HzV als Verwaltungsakt herangezogen werden konnte.

39

ee) Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber auf die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V reagiert und mit dem GKV-VStG die aufschiebende Wirkung auf Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson beschränkt. Eine Regelung, nach der Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts keine aufschiebende Wirkung haben, gibt es seitdem nicht mehr. Ferner wurde mit dem GKV-VStG § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V angefügt. Danach richten sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

40

Die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) bestätigt, dass auf diesem Weg bestehende Unklarheiten bezogen auf die rechtliche Einordnung des Schiedsverfahrens in der HzV nach § 73b Abs 4a SGB V ausgeräumt werden sollten und dass - ebenso wie für den Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V - eine eindeutige Einordnung der Schiedsperson als Vertragshelfer erfolgen sollte. Die Einschränkung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung in § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V wird damit begründet, dass durch die bisherige Formulierung der Eindruck habe entstehen können, es handele sich bei dem Schiedsspruch um einen Verwaltungsakt. Mit der Streichung werde "klargestellt, dass dies nicht der Fall ist, sondern dass die Schiedsperson analog § 317 BGB als Vertragshelfer tätig wird". Inhaltlich knüpft die Gesetzesbegründung damit an die Entscheidung des 3. Senats vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege an. Dies wird in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) verdeutlicht, in der unter ausdrücklichem Hinweis auf die genannte Entscheidung des 3. Senats des BSG ausgeführt wird, dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V eine Klarstellung in Richtung auf die Einordnung auch der Schiedsperson in der HzV als Vertragshelfer herbeigeführt werden soll. Davon ist im Übrigen auch der 3. Senat in einer Entscheidung vom 8.10.2014 (B 3 KR 7/14 R - SozR 4-5560 § 17c Nr 2 RdNr 39, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen) ausgegangen.

41

Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 73b Abs 4a SGB V mit dem GKV-VStG auch auf die "insoweit vergleichbare(n) Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII"(BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Art 1 Nr 13) Bezug nehme. Zutreffend ist allerdings, dass Entscheidungen der Schiedsstellen zur Vergütung von Einrichtungen und Diensten im Bereich der Sozialhilfe nach ständiger Rechtsprechung in der Form eines Verwaltungsakts ergehen. Dies hat das BVerwG bereits zu der § 80 SGB XII im Wesentlichen entsprechenden Vorgängerregelung des § 94 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entschieden(vgl BVerwGE 108, 47). Daran hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78 = Juris RdNr 14; anders zunächst der 3. Senat des BSG: BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4)auch nach der Einführung des § 93b Abs 1 Satz 4 BSHG festgehalten, der bestimmte, dass die Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist. Der Qualifizierung dieses Schiedsspruchs als Verwaltungsakt hat sich der für Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständige 8. Senat des BSG bezogen auf die seit dem 1.1.2005 geltende entsprechende Rechtslage mit einer entsprechenden Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII angeschlossen(BSG SozR 4-3500 § 77 Nr 1, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen; zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage in diesem Verfahren "sui generis" vgl auch BSG SozR 4-3500 § 76 Nr 1 RdNr 12, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

42

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus all dem jedoch nicht geschlossen werden, dass mit dem Hinweis auf § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII die im ersten Teil der Gesetzesbegründung eindeutig zum Ausdruck kommende Orientierung am "Vertragshelfermodell" wieder in Frage gestellt würde. Die Formulierung in der Gesetzesbegründung, nach der sich die Regelung "am Wortlaut der insoweit vergleichbaren Regelung des § 77 Absatz 1 Satz 5 SGB XII" orientiert, bezieht sich erkennbar allein auf die Anfügung des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ("Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson."). Dies wird zum einen durch die Verwendung des Wortes "insoweit" und zum anderen daran deutlich, dass nicht der gesamte § 77 Abs 1 SGB XII in Bezug genommen wird, sondern allein dessen Satz 5, der mit dem eingefügten § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V fast wörtlich übereinstimmt. Die Streichung der Regelung zur aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson wird also nicht mit Hinweis auf § 77 Abs 1 SGB XII begründet, sondern mit dem Ziel klarzustellen, dass die Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer und nicht als Behörde tätig wird. Allein bezogen auf die Ergänzung des § 73b Abs 4a SGB V um einen neuen Satz 5 verweist die Gesetzesbegründung auf die fast wortgleiche Regelung in § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII.

43

Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des BVerwG war die Regelung, nach der sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen die Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson richten, im Übrigen auch nicht Anknüpfungspunkt für die Einordnung des Schiedsspruchs im Sozialhilferecht als Verwaltungsakt. Das BVerwG (vgl BVerwGE 116, 78, 82 f) hat die Entscheidung der Schiedsstelle keineswegs wegen der Regelung, nach der die Klage gegen die andere Vertragspartei zu richten ist, als Verwaltungsakt qualifiziert, sondern vielmehr trotz der Einführung dieser Regelung und entgegen einer in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung (Münder in LPK-BSHG, 5. Aufl 1998, § 94 RdNr 2; Gottlieb, NDV 2001, 257, 261; Wabnitz, ZfJ 2001, 33, 37; vgl auch BSGE 87, 199, 201 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4) an seiner bereits zuvor bestehenden Rechtsprechung zur Einordnung des Schiedsspruchs nach § 77 Abs 1 SGB XII als Verwaltungsakt festgehalten.

44

Im Übrigen - also mit Ausnahme des neuen § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V - unterscheidet sich die Regelung zum Schiedsverfahren nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII grundlegend von der zur Festlegung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V. Die Qualifizierung der Schiedsstelle nach § 77 Abs 1 Satz 3, § 80 SGB XII als Behörde und deren Schiedsspruch als Verwaltungsakt stehen deshalb nicht im Widerspruch zur Einordnung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V als Vertragshelfer. Abgesehen davon, dass nach § 77 Abs 1 Satz 3 SGB XII nicht eine natürliche Person, sondern eine Schiedsstelle entscheidet, die gemäß § 80 Abs 2 Satz 1 SGB XII mit Vertretern der Vertragsparteien und einem unparteiischen Vorsitzenden besetzt ist, spricht für den Charakter dieser Schiedsstelle als Behörde auch die Formulierung in § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII, nach der es einer Nachprüfung der Entscheidung in einem Vorverfahren nicht bedarf. Genau diese Formulierung (die sich vor dem 1.1.2005 in § 93b Abs 1 Satz 5 BSHG und vor der Einführung des § 93b BSHG zum 1.1.1999 in § 93 Abs 3 Satz 4 Halbsatz 1 BSHG fand) hat das BVerwG (BVerwGE 116, 78, 81 f) zur Begründung seiner Auffassung herangezogen, dass der Gesetzgeber diese Schiedsstellenentscheidung - trotz der Regelung, nach der eine Klage gegen die andere Vertragspartei und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist - als Verwaltungsakt ausgestalten wollte. Eine § 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII entsprechende Formulierung findet sich in § 73b Abs 4a SGB V aber nicht.

45

ff) Danach ist mit der Änderung des § 73b Abs 4a SGB V durch das GKV-VStG geklärt, dass es sich bei der Schiedsperson, die im Konfliktfall den Inhalt des Vertrages zur HzV feststellt, nicht um eine Behörde handelt und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht(ebenso: Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 15d, 15f; Huster in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 17; Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 251; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 22; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 23; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 64; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b RdNr 69; SG München Urteil vom 16.7.2014 - S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 27; aA Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1; LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 3.6.2014 - L 7 KA 12/14 B ER - Juris).

46

gg) Die Zuordnung der Schiedsperson für die HzV zum Modell "Vertragshelfer" anstelle des Modells "Schiedsamt" bezieht sich nicht allein auf die Zeit seit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1.1.2012. Wie oben dargelegt, entsprach § 73b Abs 4a SGB V bereits vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2012 weitgehend der für die häusliche Krankenpflege geltenden Regelung zur Schiedsperson nach § 132a Abs 2 SGB V, für die jedenfalls seit der Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) die Einordnung als Vertragshelfer geklärt ist. Die rechtliche Einordnung des Schiedsspruchs der Schiedsperson in der HzV war gleichwohl bis zum Inkrafttreten des GKV-VStG zum 1.1.2012 nicht geklärt, sondern in der og Entscheidung des BSG vom 25.11.2010 ausdrücklich offengelassen worden. Unter diesen Umständen war der Gesetzgeber nicht gehindert, eine Klarstellung herbeizuführen. Dass mit der Änderung des § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V sowie der Anfügung eines neuen Satzes 5 die in der og Entscheidung des 3. Senats des BSG vom 25.11.2010 offengelassene Frage geklärt werden sollte und dass die Regelung somit nur der Klarstellung des bereits zuvor Gewollten dienen sollte, kommt sowohl in der Begründung des Regierungsentwurfs eines GKV-VStG (BT-Drucks 17/6906 S 56, zu Nr 13) als auch in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks 17/7274 S 29) eindeutig zum Ausdruck.

47

3. Die Klägerin kann auch nicht - entsprechend dem Antrag zu 2. - die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG Baden-Württemberg zur Ersetzung der Regelungen des Schiedsspruchs nach billigem Ermessen durch Urteil gemäß § 319 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V erreichen.

48

Soweit der 3. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5) zur Schiedsperson in der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V von der Statthaftigkeit einer sog Ersetzungsklage ausgegangen ist, mit der dem Gericht aufgegeben werden soll, den Inhalt des Vertrages bei Unbilligkeit der Festlegungen der Schiedsperson zu bestimmen, folgt der Senat dem für die HzV nach § 73b SGB V nicht. §§ 317 ff BGB treffen Regelungen für Konstellationen, in denen sich die Parteien zuvor aus freiem Willen auf eine Schiedsperson geeinigt haben, der die Aufgabe übertragen wird, den Vertrag rechtsgestaltend zu ergänzen. Die Schiedsperson hat also lediglich vertragsausfüllende und vertragsergänzende Funktion (vgl Schnapp, NZS 2010, 241, 245, mwN). Auf die Verträge zur HzV, deren Inhalt vollständig gegen den Willen der Krankenkasse von einer durch die zuständige Aufsichtsbehörde bestimmten Schiedsperson festgelegt werden kann (vgl § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 und 2 SGB V), sind diese Bestimmungen im Rahmen der nur entsprechenden Anwendung nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V nicht uneingeschränkt übertragbar. Davon ist im Grundsatz auch schon der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 25.11.2010 (B 3 KR 1/10 R - BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 33) bezogen auf das Schiedsverfahren nach § 132a Abs 2 SGB V ausgegangen, indem er abweichend von § 319 Abs 1 Satz 1 BGB nicht darauf abgestellt hat, ob die durch die Schiedsperson getroffene Bestimmung "offenbar unbillig" ist, sondern die einfache "Unbilligkeit" als Voraussetzung für die Ersetzung des Schiedsspruchs durch die Entscheidung des Gerichts genügen lässt.

49

Der Überlegung, das Gericht könne im Falle der Unbilligkeit den Inhalt der Entscheidung der Schiedsperson ersetzen, liegt die Vorstellung zugrunde, vom Gericht werde ein punktuelles Eingreifen oder die Entscheidung bezogen auf einzelne zwischen den Vertragsparteien umstrittene Punkte verlangt. So liegen die Dinge etwa im Bereich des § 65c Abs 6 Satz 8 SGB V bei der Höhe der Meldevergütungen zum klinischen Krebsregister. Dabei geht es um die Vergütungshöhe für bestimmte Leistungen, die in angemessener Höhe festzusetzen sind. Bei der Festlegung des Inhalts der Verträge zwischen Krankenkassen und den Erbringern von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V stehen zumindest nach den bisherigen gerichtlichen Erfahrungen die "Preise" für die Leistungen im Mittelpunkt des Konflikts der Vertragspartner, obwohl der Schlichtungsauftrag der Schiedsperson nach § 132a Abs 2 Satz 1 und 6 SGB V weitergehen kann. Ob für solche eher punktuellen Festlegungen die Ersetzungsklage mit der Konsequenz der abschließenden Entscheidung durch ein Gericht sachgerecht ist, lässt der Senat offen; er muss deshalb auch nicht beim 3. Senat anfragen, ob dieser an seiner Rechtsprechung dazu festhält. Jedenfalls ist diese Konzeption auf die Verträge nach § 73b SGB V nicht übertragbar.

50

Gerichte können nicht umfassende Vertragswerke festsetzen, Regelungen über den Datenaustausch formulieren und die Beziehungen der Partner der Verträge untereinander vollständig regeln (zu § 132a Abs 2 SGB V vgl die Bedenken von Plantholz, RsDE 64<2007>, 1, 20 f, 23). Die dazu erforderliche Kenntnis nicht zuletzt der technischen Abläufe und deren Gestaltbarkeit ist bei den Gerichten ohne die Kooperation der Vertragspartner, auf die die Schiedsperson setzen kann, nicht vorhanden; insoweit müssten regelmäßig Sachverständige hinzugezogen und möglicherweise sogar mit der Formulierung beauftragt werden. Die Gerichte könnten nur punktuell - etwa bei der Höhe der Vergütung der teilnehmenden Ärzte - nach dem Maßstab der Angemessenheit entscheiden. Soweit ersichtlich, gibt es bisher auch keine sozialgerichtliche Entscheidung, in der ein durch eine Schiedsperson festgesetzter komplexer Vertrag wegen Unbilligkeit aufgehoben und durch einen gerichtlich festgesetzten Vertragsinhalt ersetzt worden wäre.

51

Aus den genannten Gründen muss sich die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V an dem Muster der Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V orientieren: Das Gericht prüft, ob die von einem der Beteiligten gerügten Festsetzungen mit höherrangigem Recht unvereinbar sind, bezeichnet ggf solche Rechtsverstöße und stellt weiter die Verpflichtung der Vertragspartner fest, diese Verstöße zu beseitigen. Wenn das im Wege freier Verhandlungen nicht gelingt, muss erneut eine Schiedsperson tätig werden, die - wie die Partner auch - an die Rechtsauffassung gebunden ist, die dem Feststellungsurteil zugrunde liegt.

52

Der naheliegende Einwand gegen diese Rechtsschutzkonzeption, dass eine abschließende Festlegung des Vertragsinhalts nicht zeitnah gewährleistet wird, greift im Ergebnis nicht durch. Es erscheint bereits fraglich, ob die Festsetzung des komplexen Inhalts eines Vertrages zur HzV durch ein für derartige Aufgaben nicht ausgestattetes Gericht oder eine Festlegung des Vertragsinhalts unter Einbeziehung von Sachverständigen, die das Gericht zu bestellen hätte, zu einer Beschleunigung des Verfahrens beitragen könnten. Auch kann dahingestellt bleiben, ob dem Einwand der Klägerin zu folgen ist, dass die Gestaltung des vollständigen Vertragsinhalts durch das Gericht - die im Verwaltungsprozessrecht sonst keine Entsprechung finden dürfte - in Widerspruch zum Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art 20 Abs 2 Satz 2 GG geriete, weil die Gerichte allein dazu berufen sind, Verwaltungshandeln zu kontrollieren (vgl auch Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 7 f unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 13 sowie BSGE 90, 42, 44 = SozR 3-8570 § 4 Nr 4). Ausschlaggebend ist, dass der Gesetzgeber den Weg der gerichtlichen Kontrolle von Schiedsamtsentscheidungen - und nicht deren Ersetzung durch die Gerichte - auch sonst im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung - und zwar gemäß § 89 Abs 1a SGB V auch für gesetzlich vorgeschriebene Verträge - gewählt hat. Selbst wenn ein gesetzlich vorgeschriebener Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung nicht zustande kommt und keine der Parteien bei dem Schiedsamt einen Antrag auf Herbeiführung der Einigung stellt, sieht § 89 Abs 1a Satz 1 SGB V keine Ersetzung durch die Aufsichtsbehörde, sondern lediglich ein Recht der Aufsichtsbehörde zur Anrufung des Schiedsamts vor. Solange das Schiedsamt überhaupt fristgerecht tätig wird, beschränkt sich auch die Kontrolle der Entscheidung durch die Aufsichtsbehörden gemäß § 89 Abs 5 Satz 5 SGB V auf Rechtsverstöße. Eine Festsetzung des Vertragsinhalts durch die für das Schiedsamt zuständige Aufsichtsbehörde sieht der mit dem GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, 2210) eingeführte § 89 Abs 1 Satz 5 SGB V nur ausnahmsweise für den Fall vor, dass das Schiedsamt auch nach Fristsetzung durch die Aufsichtsbehörde untätig bleibt. Die daraus erkennbar werdende Konzeption des Gesetzgebers, zumindest im Bereich des SGB V Schiedssprüche im Regelfall nicht durch Entscheidungen der Aufsichtsbehörden und erst Recht nicht durch gerichtliche Entscheidungen zu ersetzen, sondern die Kontrolle auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit zu beschränken, ist auf die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V zu übertragen.

53

4. Richtige Klageart ist danach die Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 SGG), die die Klägerin hilfsweise erhoben hat. Diese ist auch zulässig, in der Sache aber nur zum geringen Teil begründet.

54

a) Der Zulässigkeit des in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Feststellungsantrags steht nicht entgegen, dass die Klägerin einen solchen im Revisionsverfahren bis zum Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung nicht formuliert hatte. Zwar darf das BSG über den Antrag grundsätzlich nicht hinausgehen und eine Klagänderung ist gemäß § 168 Satz 1 SGG im Revisionsverfahren unzulässig. Zulässig ist jedoch eine Erweiterung des Klagantrags im Sinne des § 99 Abs 3 SGG, soweit damit keine neuen Revisionsgründe geltend gemacht werden(vgl BSGE 31, 112, 113 = SozR Nr 55 zu § 164 SGG) und auch der Übergang von der Anfechtungsklage zur Feststellungsklage (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 99 RdNr 4 mwN). Ausschlaggebend ist, dass der historische Lebenssachverhalt, aus dem der Anspruch abgeleitet wird, unverändert geblieben ist (vgl BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 5). Das ist hier der Fall. Eine solche Erweiterung des Revisionsantrags ist auch noch nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung bis zum Schluss der mündlichen Revisionsverhandlung möglich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 10 mwN).

55

Die Klägerin hat die Klage zutreffend gegen die Beklagten als Parteien des Vertrages zur HzV gerichtet. Seit der Änderung durch das GKV-VStG regelt § 73b Abs 4a Satz 5 SGB V ausdrücklich, dass Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedsperson zu richten sind. Dies galt aufgrund des Umstands, dass die Schiedsperson keine Behörde ist und dass deren Entscheidung nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht (vgl oben 2.), auch bereits für die Zeit vor Inkrafttreten der gesetzlichen Klarstellung mWv 1.1.2012 und damit auch bereits zum Zeitpunkt der Klagerhebung am 9.9.2011 (zur Ersetzungsklage gegen die Entscheidung Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 30). Die Tätigkeit der Schiedsperson ist mit dem Erlass des Schiedsspruchs beendet (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 19, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen). Aus diesem Grund ist die Schiedsperson zu dem Verfahren um die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Vertragsinhalts auch nicht notwendig beizuladen (zur Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 31).

56

b) Für die Begründetheit der Feststellungklage wird in der Regel auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21 mwN). Vorliegend ist jedoch - in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerin - vom Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson am 9.9.2010 auszugehen. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs für den Zeitpunkt seines Ergehens geltend macht. Grundsätzlich hat sie an einer Klärung der Frage, ob der Vertrag zum Zeitpunkt seiner Festsetzung rechtmäßig war, auch ein berechtigtes Interesse. Später eintretenden Änderungen haben die Vertragsparteien gemäß § 22 Abs 2 Satz 2 des Vertrages nach den Grundsätzen von Treu und Glauben Rechnung zu tragen. Soweit diese vertragliche Regelung nicht eingreift, folgt die Möglichkeit zur Anpassung des Vertrages aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X, wobei die vertragliche Regelung Vorrang hat(vgl BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 1 RdNr 25). Nach § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X kann eine Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an geänderte Verhältnisse verlangen, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert haben, dass der Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Wenn eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, kann diese den Vertrag kündigen. Auch diese Vorschrift setzt voraus, dass Änderungen seit Abschluss des Vertrages eingetreten sind. Insofern ist für die Klägerin weiterhin von Interesse, ob der Schiedsspruch zum Zeitpunkt der Vertragsfestsetzung rechtmäßig war. Dagegen ist weder eine Anpassung noch die Kündigung des durch Schiedsspruch festgesetzten Vertrages Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, sodass es auf später eingetretene Änderungen grundsätzlich nicht ankommen kann. Die etwa infolge der Abschaffung der Praxisgebühr (Streichung des § 28 Abs 4 SGB V mit Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom 20.12.2012, BGBl I 2789) erforderlichen Anpassungen des Vertrages (vgl dazu ua § 2 Abs 4, § 13 des Vertrages) sind ersichtlich nicht aufgrund unterschiedlicher Auffassungen der Vertragspartner, sondern wegen der im Vordergrund stehenden grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten und der deshalb bisher nicht erfolgten Umsetzung des Vertrages unterblieben. Eine auf den Anpassungsbedarf bezogene gerichtliche Feststellung hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

57

Allerdings sind im vorliegenden Verfahren Änderungen der Rechtslage zu berücksichtigen, die Einfluss auf das Fortbestehen des Feststellungsinteresses der Klägerin haben. Für die Beurteilung des Feststellungsinteresses ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (zur Fortsetzungsfeststellungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 131 RdNr 10, 10i; vgl auch BSG SozR 4-2700 § 215 Nr 2 RdNr 11). Da der streitgegenständliche Vertrag zur HzV bisher nicht umgesetzt wurde, kann ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin nur bestehen, soweit es darauf für die noch bevorstehende Umsetzung des Vertrages ankommt. Bedeutung gewinnt diese Frage hier bezogen auf Vereinbarkeit des Vertrages mit Bestimmungen zum Datenschutz (vgl dazu im Einzelnen nachfolgend d ii, RdNr 90).

58

c) Die gerichtliche Kontrolle der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson richtet sich aus den og Gründen nach den in der Rechtsprechung zur Überprüfung von Schiedsamtsentscheidungen nach § 89 SGB V entwickelten Maßstäben. Danach unterliegt auch die Entscheidung der Schiedsperson nach § 73b Abs 4a SGB V nur in eingeschränktem Umfang der gerichtlichen Kontrolle(vgl die stRspr zu § 89 SGB V: BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 3 RdNr 18; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11 mwN). Die Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle berücksichtigt, dass Schiedspersonen - ebenso wie Schiedsämter - deren Sprüche Vereinbarungen der zum Vertragsabschluss berufenen Vertragspartner ersetzen, eine weite Gestaltungsfreiheit haben. Dies trägt dem Wesen der Schiedssprüche Rechnung, die auf Interessenausgleich angelegt sind und Kompromisscharakter haben (vgl BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5). Der Schiedsspruch ist daher nur daraufhin zu überprüfen, ob die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen beachtet und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten wurden. Mithin ist in formeller Hinsicht zu klären, ob das Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs festgestellt hat und der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennen lässt (stRspr zu § 89 SGB V vgl etwa: BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 13). Die inhaltliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsperson den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (zum Schiedsamt vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 20 S 131; BSGE 86, 126, 135 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11). Die Prüfung beschränkt sich dabei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf die Beachtung von Vorschriften, die unmittelbar Rechte der Vertragsparteien zu schützen bestimmt sind (aA zur Frage der Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen auch: LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 2.8.2011 - L 5 KA 1601/11 ER-B - Juris RdNr 188). Deren Betroffenheit in eigenen Rechten folgt bereits aus dem Umstand, dass sie Partner des durch die Schiedsperson festgesetzten Vertrages sind. Die Bindung an einen solchen Vertrag müssen sie nur hinnehmen, soweit die darin getroffenen Bestimmungen materiell rechtmäßig sind. Insofern hat der Umstand, dass der Schiedsspruch der Schiedsperson nach § 73b SGB V nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, keinen Einfluss auf den gerichtlichen Prüfungsumfang.

59

d) Die Überprüfung der Entscheidung der Schiedsperson anhand der genannten Maßstäbe ergibt, dass die Festsetzung des Vertragsinhalts allein bezogen auf die Vereinbarkeit mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz zu beanstanden ist. Im Übrigen entspricht der Schiedsspruch den rechtlichen Anforderungen.

60

aa) Einwände bezogen auf die Einhaltung verfahrensrechtlicher Anforderungen werden von den Beteiligten nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere durfte die Schiedsperson den Vertragsinhalt am 9.9.2010 festsetzen, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch ein Klageverfahren zur Frage der Rechtmäßigkeit der Bestimmung der Schiedsperson anhängig war. Da Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson gemäß § 73b Abs 4a Satz 4 SGB V keine aufschiebende Wirkung haben, war die Schiedsperson trotz des anhängigen Klageverfahrens berechtigt (und verpflichtet), tätig zu werden(zur Bestellung einer Schiedsperson nach § 132a SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 7 RdNr 27, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen).

61

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht zu beanstanden, dass die Schiedsperson nicht allein den Beklagten zu 1. (Hausärzteverband, Landesverband Baden-Württemberg), sondern auch den Beklagten zu 2. (Medi Baden-Württemberg eV) als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag aufgenommen hat.

62

(1) Gemäß § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30.6.2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV vertreten. Nur die so definierten Gemeinschaften von Allgemeinärzten sind gemäß § 73b Abs 4 Satz 2, Abs 4a Satz 1 SGB V berechtigt, die Einleitung eines Schiedsverfahrens zu verlangen. Diese Anforderungen müssen jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson erfüllt sein (so auch bereits Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 27; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 17.1.2011 - L 7 KA 66/10 B ER - Juris RdNr 5). Die genannten Voraussetzungen werden von den beiden Beklagten erfüllt.

63

(2) Mit dem Begriff der Allgemeinärzte sind nicht alle nach § 73 Abs 1a SGB V an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte angesprochen. Vielmehr wird der Begriff übereinstimmend mit § 73 Abs 1a Nr 1 SGB V verwendet, sodass darunter nur die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte fallen, die nach Landesrecht zur Führung der Bezeichnung "Arzt für Allgemeinmedizin" berechtigt sind. Vorbehaltlich landesrechtlicher Übergangsregelungen wird also eine fünfjährige Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin vorausgesetzt (Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 14; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 29a; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 11.10.2010 - L 11 KA 61/10 B ER - GesR 2011, 32 = Juris RdNr 35 ff; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 31 ff; vgl auch BT-Drucks 16/10609 S 54). Diesen Begriff der "Allgemeinärzte" hat die Schiedsperson ihrer Prüfung, ob die og 50 %-Quote erreicht wird, zutreffend zugrunde gelegt. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.

64

(3) Gemeinschaften, die die Einleitung eines Schiedsverfahrens beantragen können, müssen nach § 73b Abs 4 Satz 1 und 2, Abs 4a Satz 2 SGB V mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der KÄV "vertreten". Dass die Beklagten zu 1. und zu 2. gemeinsam diese Quote erfüllen, wird zu Recht auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Der in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V verwendete Begriff "vertreten" wird jedenfalls nicht als eine Vertretung im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Handlung im fremden Namen(§ 164 BGB) verstanden werden können. Vielmehr schließen die in § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V bezeichneten Gemeinschaften die Verträge mit den Krankenkassen im eigenen Namen ab. Ausschlaggebend ist daher die Zahl der Mitglieder der Gemeinschaft (so auch die ganz hM vgl zB Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; Huster, NZS 2010, 69, 70; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 128; ders in Orlowski/Rau/Schermer/ Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 31b; Sächsisches LSG Urteil vom 11.4.2012 - L 1 KA 51/11 KL - Juris RdNr 35; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Wie in der Begründung des Schiedsspruchs im Einzelnen dargelegt wird, waren 3492 der insgesamt 5089 in Baden-Württemberg an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte für Allgemeinmedizin und damit deutlich mehr als die Hälfte Mitglied einer der beiden Beklagten. Allein bei dem Beklagten zu 1. (Hausärzteverband Baden-Württemberg) waren 2742 der in Baden-Württemberg zugelassenen Fachärzte für Allgemeinmedizin Mitglied. Weil mindestens 2566 Allgemeinärzte - und damit ebenfalls mehr als die Hälfte - die beiden Verbände auch mit dem Abschluss von Verträgen zur HzV beauftragt hatten, wäre die og Voraussetzung hier im Übrigen auch erfüllt, wenn eine Mandatierung erforderlich wäre.

65

Die Klägerin ist allerdings der Auffassung, dass jedenfalls der Beklagte zu 2. die gesetzlich geregelte Quote nicht erfüllen würde und dass dieser deshalb nicht als Vertragspartner der Klägerin in den Vertrag zur HzV hätte aufgenommen werden dürfen. Die Erfüllung der Quote sei bezogen auf jeden einzelnen Verband zu prüfen, sodass die gemeinsame Erfüllung durch mehrere Verbände nicht genüge. Dies trifft indes nicht zu. Zwar waren nur 1267 Allgemeinärzte und damit weniger als die Hälfte der in Baden-Württemberg zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Allgemeinärzte Mitglied des Beklagten zu 2. Darauf kommt es indes nicht an. Vielmehr genügt, dass beide Beklagten als Vertragspartner der Klägerin gemeinsam mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte vertreten und zum gemeinsamen Vertragsschluss zu identischen Konditionen bereit waren und sind.

66

Der Begriff der "Gemeinschaften" wird gesetzlich nicht definiert. Der entsprechende Begriff in § 741 BGB wird nach dem Sinn der Regelung offensichtlich nicht in Bezug genommen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass keine Beschränkung auf eine bestimmte Rechtsform beabsichtigt war und dass weder eine innere noch eine äußere Organisationsstruktur vorgegeben wird (ebenso Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46; Huster, NZS 2010, 69, 70; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 73b RdNr 13; Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 16; vgl auch Bayerisches LSG Beschluss vom 27.6.2009 - L 12 KA 33/09 B ER - GesR 2009, 477, 480). Ausschlaggebend ist allein die soziale Mächtigkeit der Gemeinschaft und die daraus folgende Möglichkeit, eine flächendeckende Versorgung zu organisieren (Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127 f; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 37; Huster, NZS 2010, 69, 70; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 13a; aA Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Diese Auffassung wird insbesondere durch die in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/10609 S 53 f) zum Ausdruck kommende Zielsetzung der Regelung gestützt. Danach sollte mit der zum 1.1.2009 eingeführten Neuregelung durch das GKV-OrgWG vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) das mit dem GKV-WSG eingeführte eigenständige Verhandlungsmandat der Gemeinschaft von Hausärzten gestärkt werden. Gemeinschaften, die die 50 %-Quote erfüllen, gewährleisteten, dass eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung durch den Vertragsschluss erreicht werden könne. Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung ist davon auszugehen, dass sich Kooperationen nicht nur - wie ausdrücklich gesetzlich geregelt (§ 73b Abs 4 Satz 1 SGB V)- auf Seiten der Krankenkassen, sondern auch auf Seiten der Hausärzte an dem Vertrag zur HzV beteiligen können. Dem gesetzgeberischen Ziel, eine flächendeckende Sicherstellung mit Verträgen zur HzV zu erreichen, wird schon Rechnung getragen, wenn nicht jeder einzelne Verband, sondern nur die Kooperation von Hausarztverbänden die genannte Quote erfüllt (so auch das dem Schriftsatz der Klägerin vom 12.2.2015 als Anlage RK 29 übersandte "Ergebnisse der Besprechung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 22.1.2009 zu Fragestellungen/Problemen im Zusammenhang mit § 73b SGB V in der Fassung vom 1.1.2009", S 3 unter III. 2.; ausdrücklich bezogen auf die beiden Beklagten des vorliegenden Verfahrens: Orlowski, ZMGR 2009, 124, 126; ders in Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Dezember 2014, § 73b RdNr 32).

67

cc) Der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV verletzt nicht den Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V. Entgegen der Auffassung der Klägerin findet dieser Grundsatz auf den vorliegenden, vor dem 22.9.2010 zustande gekommenen Vertrag keine Anwendung.

68

(1) In der hier maßgebenden Fassung des § 73b SGB V vor der Änderung durch das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2309) war die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die HzV nicht geregelt. Die Einfügung des § 73 Abs 5a SGB V mit dem GKV-FinG, in dessen Satz 1 bestimmt wird, dass bei der zwischen den Krankenkassen und den die Allgemeinärzte vertretenden Gemeinschaften der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71 SGB V zu beachten ist, gilt ausdrücklich nur für nach dem 22.9.2010 zustande gekommene Verträge. Der hier zu beurteilende Vertrag ist bereits mit der Festsetzung durch die Schiedsperson vom 9.9.2010 und damit bis zum 22.9.2010 zustande gekommen.

69

Die Beschränkung der Geltungsdauer der Bestandsschutzregelung nach § 73b Abs 5a Satz 5 SGB V idF des GKV-FinG auf die Zeit bis zum 30.6.2014 greift nicht ein, weil diese Frist nur für Anschlussvereinbarungen und nicht für den hier zu beurteilenden, bis zum 22.9.2010 geschlossenen Vertrag selbst gilt. Im Übrigen ist § 73b Abs 5a SGB V mit dem dort geregelten Grundsatz der Beitragssatzstabilität durch das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch(14. SGB V-Änderungsgesetz - 14. SGB V-ÄndG) vom 27.3.2014 (BGBl I 261) mWv 1.4.2014 aufgehoben worden, sodass diese Regelung auch im Falle einer Kündigung des Vertrages zur HzV keine Wirkung mehr entfalten könnte.

70

§ 73b SGB V in der hier maßgebenden Fassung unterscheidet sich damit zB von der die Gesamtvergütung betreffenden Bestimmung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V idF vor der Änderung durch das GKV-VStG zum 1.1.2013, der die Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) für die Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen anordnete. Allein der Umstand, dass es in § 73b SGB V an einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung für die HzV fehlt, schließt die Geltung dieses Grundsatzes allerdings noch nicht aus. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität allgemein für die im Vierten Kapitel des SGB V geregelten Vergütungsvereinbarungen gilt, ohne dass es einer auf die jeweilige Vergütungsvereinbarung bezogenen speziellen Regelung bedarf. Dies hat der Senat insbesondere aus dem Standort des § 71 SGB V im Abschnitt "Allgemeine Grundsätze" des Vierten Kapitels abgeleitet(BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 17). Bei dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität handelt es sich um eine verbindliche gesetzliche Vorgabe, die auch bei Schiedssprüchen zu beachten ist und die eine verbindliche Grenze für Vergütungsvereinbarungen darstellt (vgl BSGE 86, 126, 135 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 296 f; BSG SozR 4-2500 § 88 Nr 1 RdNr 15 f mwN).

71

Dies gilt jedoch nur, soweit keine Ausnahme eingreift. Solche Ausnahmen und Einschränkungen sind für unterschiedliche Vergütungsvereinbarungen im Vierten Kapitel des SGB V enthalten. So gilt nach § 87a Abs 3 Satz 2 letzter Halbsatz SGB V in der Fassung des GKV-WSG der vereinbarte Behandlungsbedarf als "notwendige medizinische Versorgung" im Sinne des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V mit der Folge, dass die Beschränkungen aus dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität für Gesamtvergütungen in der vertragsärztlichen Versorgung seit 2009 insoweit nicht eingreifen(vgl BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 41). Für die integrierte Versorgung bestimmt § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht für Verträge gilt, die bis zum 31.12.2008 geschlossen worden sind. Für die zahnärztliche Versorgung ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität mit der Änderung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V zwar nicht aufgehoben, aber eingeschränkt worden, indem nicht mehr die Beachtung, sondern nur noch dessen Berücksichtigung vorgeschrieben wird(vgl dazu Axer, GesR 2013, 135, 138 f). Eine ähnliche Einschränkung enthält § 134a Abs 1 Satz 2 SGB V für die Versorgung mit Hebammenhilfe.

72

Für die HzV folgt eine Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V. Danach können Einzelverträge Abweichungen von den Vorschriften "dieses Kapitels" - also des Vierten Kapitels des SGB V - sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. Das Vierte Kapitel umfasst die §§ 69 bis 140h SGB V und damit auch § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; ähnlich Bogan, Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen, 2012, S 257 f; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

73

Eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität kann entgegen der Auffassung von Ebsen aus dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (Rechtliche Anforderungen an das Handeln der Schiedsperson für die Festlegung des Inhalts des Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b Abs 4a SGB V, Rechtsgutachten im Auftrag des AOK-Bundesverbandes aus Juli 2009, unveröffentlicht, RdNr 55) auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V die Nichtgeltung für die Verträge zu integrierten Versorgungsformen ausdrücklich anordnet, während § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V für die HzV nur allgemein Ausnahmen von den Vorschriften des Vierten Kapitels zulässt. Zwar trifft es zu, dass sich der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V mit dem GKV-WSG ua an § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V anlehnen wollte(BT-Drucks 16/3100, S 112), der Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels betrifft. § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V, der die Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die integrierte Versorgung ausdrücklich regelt, bleibt in der Gesetzesbegründung zu § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V hingegen unerwähnt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels nur mit Ausnahme des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität zulassen würde. Im Wortlaut der Regelung findet eine solche einschränkende Auslegung keine Grundlage. Der im Gutachten von Ebsen gezogene Vergleich zwischen den für die HzV und den für die integrierte Versorgung geltenden Regelungen berücksichtigt zudem nicht hinreichend, dass § 140b Abs 4 Satz 1 SGB V Abweichungen von den Vorschriften ua des Vierten Kapitels des SGB V nicht umfassend, sondern nur insoweit zulässt, als "die abweichende Regelung dem Sinn und der Eigenart der integrierten Versorgung entspricht, die Qualität, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der integrierten Versorgung verbessert oder aus sonstigen Gründen zu ihrer Durchführung erforderlich ist". Da § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V Abweichungen von den Vorschriften des Vierten Kapitels umfassend zulässt, bedurfte es keiner § 140b Abs 4 Satz 2 SGB V entsprechenden speziellen Regelung zur Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität. Im Übrigen vertritt auch Ebsen nicht die Auffassung, dass die Krankenkassen bei Verträgen zur HzV den Grundsatz der Beitragssatzstabilität umfassend zu beachten hätten. Vielmehr will er den "unternehmerisch" im Wettbewerb stehenden Krankenkassen für freiwillige Vereinbarungen einen größeren Spielraum zubilligen und lediglich den Gestaltungsspielraum der Schiedsperson beschränken (vgl RdNr 31 ff, 61 des Gutachtens). Indes ist die Gestaltungsfreiheit der Schiedsperson nicht geringer als diejenige der Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung. Insofern gilt für Schiedssprüche von Schiedspersonen nichts anderes als für solche der Schiedsämter (vgl zum Gestaltungsspielraum von Schiedsämtern BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 2 RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 73 RdNr 15; BSGE 86, 126, 134 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295 mwN).

74

Etwas anderes folgt auch nicht aus § 73b Abs 8 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des GKV-WSG, die im Übrigen mit der seit dem 1.4.2014 (wieder) geltenden Fassung des 14. SGB V-ÄndG übereinstimmt. Nach dieser Vorschrift können die Parteien des Vertrages zur HzV vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach § 73b Abs 7 SGB V fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanziert werden, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach § 73b Abs 4 SGB V erzielt werden. Aus der Formulierung "können vereinbaren" folgt, dass es sich nicht um eine für die Vertragspartner verbindliche Vorgabe handelt. Damit übereinstimmend hat der Gesundheitsausschuss, auf dessen Empfehlung die Regelung mit dem GKV-WSG eingeführt worden ist, zur Begründung angegeben, dass es sich um eine Klarstellung handele. In den Verträgen zu HzV könne vereinbart werden, zusätzliche Vergütungen durch Einsparungen zB bei den veranlassten und verordneten Leistungen zu generieren (BT-Drucks 16/4247 S 36).

75

Dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität für die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV keine Geltung beansprucht, findet seine Bestätigung in der Änderung des § 73b SGB V mit dem GKV-FinG. Der mit diesem Gesetz neu eigeführte § 73b Abs 5a SGB V sah in Satz 1 eine Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ausdrücklich nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge vor. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/3040 S 23) entsprach es auch dem Willen des Gesetzgebers, die bis zum 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV von der Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität auszunehmen. Danach sollte es für diese Verträge bei der "im bisherigen Recht angelegten Vertragsfreiheit der Vertragsparteien auch im Hinblick auf die Vergütungshöhe" bleiben.

76

Auch die Motive, die den Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zum 14. SGB V-ÄndG (BT-Drucks 18/606 S 11) zur Aufhebung des § 73b Abs 5a SGB V und zur "Rückführung" des Abs 8 auf die vor dem GKV-FinG geltende Fassung mWv 1.4.2014 veranlasst haben, sprechen dafür, dass es sich bei den Änderungen durch das GKV-FinG - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht nur um eine Klarstellung bezogen auf den ohnehin geltenden Grundsatz der Beitragssatzstabilität gehandelt hat, sondern dass dieser Grundsatz im Bereich der HzV allein aufgrund des - mit dem 14. SGB V-ÄndG wieder aufgehobenen - § 73b Abs 5a SGB V und damit auch nur für die nach dem 22.9.2010 zustande gekommenen Verträge zur HzV galt. Nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Änderung zurückgeht, sollten die mit dem GKV-FinG eingeführten Vergütungsbeschränkungen wieder aufgehoben werden, "da sie sich als Hemmnis für den Abschluss von Verträgen über eine hausarztzentrierte Versorgung erwiesen haben". Die Vertragspartner sollten - auch für Vereinbarungen über solche Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 SGB V hinausgehen - die Möglichkeit erhalten, Vergütungsvereinbarungen zu treffen, ohne hierbei starren Begrenzungen zu unterliegen. Entscheidend sei, dass der Vertrag "insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot" entspreche. Die Gestaltungsspielräume der Vertragspartner sollten bezogen auf die Vergütung erweitert und die Möglichkeiten zur Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte verbessert werden.

77

(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die Vergütung in der HzV auch nicht aus den für die für Wahltarife geltenden Bestimmungen des § 53 Abs 3, Abs 9 SGB V hergeleitet werden. Allerdings weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass die Krankenkassen nach § 53 Abs 3 SGB V verpflichtet sind, in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen - ua nach § 73b SGB V - teilnehmen, Tarife angeboten werden. Für diese Versicherten kann die Krankenkasse Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Daran anknüpfend schreibt § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V vor, dass die Aufwendungen für jeden Wahltarif jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden müssen. Danach sei - so die Klägerin - der Abschluss eines Hausarztvertrages ausgeschlossen, der Mehrkosten vorsehe, ohne dass deren Gegenfinanzierung gesichert sei. Der vorliegende Vertrag zur HzV enthalte Regelungen zu Mehrausgaben, deren Gegenfinanzierung spekulativ bleibe.

78

Indes betrifft die Regelung zu den Wahltarifen das Verhältnis der Krankenkassen zu den Versicherten und nicht das Leistungserbringungsrecht. Ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 53 Abs 9 SGB V könnte deshalb nur die Rechtsmäßigkeit der Satzung der Krankenkasse berühren und nicht die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV(so auch Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 48; vgl Mehdorn, ZMGR 2012, 3, 12; ebenso bezogen auf einen Vertrag nach § 73c SGB V: SG Berlin Urteil vom 13.10.2010 - S 83 KA 443/08 - MedR 2011, 124, 128). Dies räumt auch Ebsen in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten (aaO, RdNr 74) im Grundsatz ein, macht jedoch geltend, dass es den Kassen auch bei Verträgen mit Leistungserbringern selbstverständlich verboten sei, Vereinbarungen zu treffen, die zu einem Verstoß gegen ihre Pflichten im Versicherungsverhältnis führten. Dem kann zwar im Grundsatz zugestimmt werden. Der Senat hat Bedenken gegen die Auffassung des SG München aus der Entscheidung vom 16.7.2014 (S 28 KA 696/12 - Juris RdNr 47 f), nach der ein Vertrag zur HzV bereits deshalb nicht gegen § 53 Abs 9 SGB V verstoßen könne, weil die möglicherweise durch diesen Vertrag verursachten Mehrkosten keine "Aufwendungen für den Wahltarif" im Sinne des § 53 Abs 9 Satz 1 SGB V seien und dass diese deshalb auch nicht durch Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen gegenfinanziert werden müssten. Der Begriff der "Aufwendungen für den Wahltarif" dürfte im Grundsatz umfassender zu verstehen sein als das SG München annimmt (zu Mindereinnahmen als "Aufwendungen für den Wahltarif" vgl BSGE 109, 230 = SozR 4-2500 § 53 Nr 2, RdNr 21). Für das vorliegende Verfahren kommt es darauf indes nicht an. Jedenfalls kann die eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der HzV nicht über das Verbot der Quersubventionierung von Wahltarifen aus § 53 Abs 9 SGB V unterlaufen werden(in dieser Richtung auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35 = Juris RdNr 48). Maßgebend ist die - für das Leistungserbringungsverhältnis vorrangige - Regelung des § 73b SGB V. Daher ist § 53 Abs 9 SGB V insoweit einschränkend auszulegen. Soweit die Vertragspartner des HzV von der Gestaltungsfreiheit Gebrauch machen, die der Gesetzgeber ihnen mit der bereichsspezifischen Ausnahme vom Gebot der Beitragssatzstabilität einräumen wollte, kann allein darin kein Verstoß gegen das Verbot der Quersubventionierung aus § 53 Abs 9 SGB V liegen.

79

(3) Die für die HzV geltende Ausnahme vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität und die daraus folgende Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 53 Abs 9 SGB V begegnet entgegen der Auffassung der Klägerin auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass sich die Sozialversicherungsbeiträge durch eine strenge grundrechtlich und kompetenzrechtlich begründete Zweckbindung auszeichnen und dass die unter Eingriff in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art 2 Abs 1 GG zustande gekommene Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung die Auferlegung nur solcher Geldleistungen zu rechtfertigen vermag, die ihren Grund und ihre Grenze in den zwingenden Aufgaben der Sozialversicherung finden (vgl BVerfGE 113, 167, 203 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 55). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ist in einem Sozialstaat überragend wichtiges Gemeinschaftsgut (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139). Daraus folgt jedoch nicht, dass der in § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V definierte Grundsatz der Beitragssatzstabilität von der Verfassung vorgegeben wäre(zur Einschränkung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in der vertragszahnärztlichen Versorgung vgl Axer, GesR 2013, 135, 140). Vielmehr hat der Gesetzgeber im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139; BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 103, 172, 185 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27; BVerfGE 44, 70, 89 = SozR 5420 § 94 Nr 2 S 2). Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind von der Rechtsprechung zu akzeptieren, solange seine Entscheidungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 86; BVerfGE 89, 365, 376 = SozR 3-2200 § 385 Nr 4 S 4).

80

Das Ziel der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung hat der Gesetzgeber mit der Einführung der HzV nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil ist die Verpflichtung der Krankenkassen, ihren Versicherten eine flächendeckende hausarztzentrierte Versorgung zur Verfügung zu stellen, mit dem Ziel eingeführt worden, die Versorgungsqualität zu verbessern und Wirtschaftlichkeitsreserven ua durch Verbesserungen im Bereich Pharmakotherapie, durch den Einsatz von wissenschaftlich begründeten und praxiserprobten hausärztliche Leitlinien und durch eine zielgerichtetere Fortbildung zu erschließen (vgl BT-Drucks 16/3100 S 111 f). Auf die Geltung von Vorschriften des Vierten Kapitels einschließlich des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität hat der Gesetzgeber dabei im Interesse eines weiten Gestaltungsspielraums der Vertragspartner und in der Erwartung verzichtet, dass dieser unter der Beteiligung der Krankenkassen als Vertragspartner im Sinne der og Zielsetzung ausgefüllt wird. Anhaltspunkte dafür, dass diese Erwägungen offensichtlich unzutreffend oder aus anderen Gründen mit der Wertordnung der Verfassung unvereinbar wären, sind weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich. Bei der Einführung neuer Strukturen im Bereich der Leistungserbringung wie dem flächendeckenden Angebot einer HzV können die finanziellen Auswirkungen regelmäßig nicht mit Sicherheit prognostiziert werden. Allein daraus folgt jedoch noch keine Überschreitung des Handlungsspielraums des Gesetzgebers.

81

Auch eine Ungleichbehandlung der Versicherten und damit ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG ist mit der Einführung der HzV entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verbunden, soweit alle Krankenkassen ihrer gesetzlichen Pflicht aus § 73b Abs 1 SGB V nachkommen, ihren Versicherten eine HzV anzubieten, weil dann alle Versicherten die Möglichkeit haben, diese Leistung in Anspruch zu nehmen. Mit der vorliegenden Entscheidung stellt der Senat klar, dass die Klägerin dieser bereits seit Inkrafttreten der Änderungen durch das GKV-WSG zum 1.4.2007 gesetzlich geregelten Verpflichtung nachzukommen hat.

82

dd) Zu beachten bleibt das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot, das seine Grundlage nicht allein in § 70 Abs 1 SGB V und damit einer Vorschrift aus dem nach § 73b Abs 5 Satz 4 SGB V nicht zwingend anwendbaren Vierten Kapitel, sondern auch in § 2 Abs 4, § 12 SGB V hat. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Für die Geltung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots spricht im Übrigen die Begründung der der Streichung des § 73b Abs 5a SGB V mit dem 14. SGB V-ÄndG zugrunde liegenden Empfehlung des Gesundheitsausschusses (BT-Drucks 18/606 S 11). Danach bleibt entscheidend, "dass der Vertrag insgesamt dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht". Dagegen gilt die mit der Änderung des § 73b Abs 5 Satz 1 SGB V durch das 14. SGB V-ÄndG eingeführte Verpflichtung, Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren, nicht für den vorliegenden, am 9.9.2010 festgesetzten Vertrag zur HzV, sondern nur für Verträge, die nach dem 31.3.2014 zustande gekommen sind.

83

Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag entspricht dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade in der Phase der Einführung der flächendeckenden HzV keine hohen Anforderungen an die Prognose der wirtschaftlichen Auswirkungen gestellt werden können. Für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung durch die Schiedsperson ist ausschlaggebend, dass die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Gesichtspunkte erkannt, gegeneinander abgewogen worden sind und Eingang in die Begründung gefunden haben. Die Anforderungen an die Begründung dürfen auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Schiedsperson keinen eigenen Verwaltungsapparat unterhält, nicht überspannt werden (BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 38). Den so definierten Anforderungen wird die ausführliche Begründung der Entscheidung der Schiedsperson ohne Weiteres gerecht. Dabei wird - wie die Klägerin zutreffend geltend macht - in der Begründung des Schiedsspruchs nicht in Zweifel gezogen, dass zB mit der vorgesehenen kontaktunabhängigen Pauschale (65 Euro pro Versichertenteilnahmejahr) oder der Chronikerpauschale (30 Euro maximal einmal pro Quartal und maximal 4-mal pro Versichertenteilnahmejahr) Vergütungstatbestände in die HzV aufgenommen worden sind, die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen keine Entsprechung finden und dass insgesamt mit einer Erhöhung des Fallwertes zu rechnen ist. Prognostiziert wird eine Erhöhung um 12,38 Euro im Vergleich zur Regelversorgung. Ferner wird ausgeführt, dass die dadurch verursachten Kosten und auch die erzielten Einsparungen nicht genau zu prognostizieren seien. Allerdings gebe es mit der Vergütungsobergrenze nach § 10 Abs 9 des Vertrages (76 Euro) Regelungen, die geeignet seien, das Risiko der Krankenkassen zu begrenzen. Einsparungen könnten ua aufgrund der Verpflichtung der Versicherten erwartet werden, Fachärzte nur auf Überweisung in Anspruch zu nehmen. Dies führe zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen. Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass jeder Facharztbesuch auch Folgekosten bei den veranlassten Leistungen nach sich ziehe, sodass eine - medizinisch vertretbare - verminderte Inanspruchnahme von Überweisungen zu Fachärzten auch geringere Folgekosten bedinge. Ein gewisses Einsparpotenzial ergebe sich des Weiteren durch die Verpflichtung der Hausärzte, bei der Arzneimittelversorgung die von den Vertragspartnern der HzV zur Verfügung gestellte Software zu verwenden, die gerade bei Original-Präparaten ermöglichen solle, dass der Hausarzt wirtschaftliche Verordnungen vornehmen könne. Insgesamt werden finanzielle Risiken und Einsparpotenziale in der Begründung des Schiedsspruchs ausführlich dargestellt und gegeneinander abgewogen. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung erster Erfahrungen mit ähnlichen Verträgen (Vertrag der BKK-Vertragsarbeitsgemeinschaft für Baden-Württemberg, AOK Bayern-Vertrag) kommt die Schiedsperson nachvollziehbar zu der Einschätzung, dass in Umsetzung des Vertrages eine wirtschaftliche Leistungserbringung durch die teilnehmenden Hausärzte erwartet werden kann.

84

ee) Dagegen kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Schiedsperson lediglich einen unvollständigen "Vertragstorso" festgesetzt habe. Zwar trifft es zu, dass die Schiedsperson die vorgesehenen Anlagen zum Vertrag nicht vollständig festgesetzt, sondern teilweise der weiteren Vereinbarung durch die Vertragsparteien überlassen hat (etwa zum Hilfsmittelmanagement und zu verschiedenen Vergütungszuschlägen, die ua eine wirtschaftliche Verordnungsweise fördern sollen). Gerade in der Anfangsphase nach Einführung der flächendeckenden HzV ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Vertragsparteien in der Phase der Umsetzung des Vertrages weitere Konkretisierungen und Ergänzungen vornehmen. Ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV ist allein, ob dieser in der vorliegenden Form umgesetzt werden kann. Daran hat der Senat keine Zweifel.

85

ff) Auch der Einwand der Klägerin, die Schiedsperson habe in Verkennung des rechtlichen Rahmens angenommen, dass die HzV nur als Vollversorgungsvertrag und nicht als sog Add-on-Vertrag vereinbart werden dürfe, sie habe dadurch ihren Gestaltungsspielraum verkannt und dies allein führe zur Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs, greift nicht durch. Dass die HzV jedenfalls auch in der Form eines sog Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrages vereinbart werden kann, der die bisherige Regelversorgung nach § 73 SGB V umfasst und diese nicht lediglich ergänzt, unterliegt keinem Zweifel. Auf die umstrittene Frage, ob eine HzV in Form eines sog Add-on-Vertrages den gesetzlichen Vorgaben entsprechen würde (gegen die Rechtmäßigkeit von Add-on-Verträgen auf der Grundlage des § 73b SGB V: Hess in Kasseler Komm, Stand Dezember 2014, § 73b SGB V RdNr 3; Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 47; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2015, § 73b RdNr 27 f; mit dieser Tendenz auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 8 ff; ähnlich: Sproll in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Februar 2015, § 73b SGB V RdNr 8: "Beide Versorgungsformen schließen sich gegenseitig aus" sowie Orlowski, ZMGR 2009, 124, 125: HzV als "eigenständig zu regelnde einzelvertragliche Versorgung"; anders jedoch Huster, SGb 2010, 253 ff; ders in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 73b RdNr 21; Bäune in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 73b RdNr 6; SG Marburg Urteil vom 3.8.2011 - S 12 KA 237/10 - Juris RdNr 29 ff), kommt es für die Entscheidung nicht an. Jedenfalls hat die Schiedsperson mit der Festsetzung eines Vollversorgungsvertrages ihren möglichen Entscheidungsspielraum nicht überschritten. In der Begründung des Schiedsspruchs wird die Auffassung vertreten, dass allein die Vereinbarung eines Vollversorgungsvertrages der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Die Frage, ob deshalb ein Add-on-Vertrag rechtswidrig wäre, wird aber letztlich offengelassen. Die Schiedsperson weist zur weiteren Begründung ua darauf hin, dass sie sich in Ausübung ihres billigen Ermessens für einen Vollversorgungsvertrag entschieden habe, weil dieser den Krankenkassen und den Hausarztgemeinschaften die Möglichkeit eröffne, strukturelle Verbesserungen in der Leistungserbringung für die Versicherten vorzunehmen, während Add-on-Verträge nur punktuelle Ansätze böten. Damit hat die Schiedsperson die Entscheidung für einen Vollversorgungsvertrag den Anforderungen entsprechend begründet.

86

gg) Der Vertrag ist auch nicht rechtswidrig, soweit er in § 6 sowie in den Anlagen 4 und 6 Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der HzV enthält, die in einzelnen Punkten (Verbleib des Originals der Teilnahmeerklärung bei der Krankenkasse oder in der Arztpraxis, Frist zwischen der Abgabe der Teilnahmeerklärung und dem Beginn der Teilnahme des Versicherten, Kündigungsfrist für die Teilnahme, Frist für den Wechsel des Hausarztes, ua) vom Inhalt der Satzung der Klägerin abweichen. Zwar trifft der Einwand der Klägerin zu, dass die Krankenkassen gemäß § 73b Abs 3 Satz 4 SGB V idF des GKV-WSG (heute: Satz 7) bisher(zu der im Entwurf eines GKV-VSG vorgesehenen Änderung vgl BT-Drucks 18/4095 S 16 f zu Art 1 Nr 27 Buchst a) verpflichtet sind, das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, in ihren Satzungen zu regeln. Auf der anderen Seite setzt jedoch auch das Angebot einer HzV, das durch Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V flächendeckend gewährleistet werden soll, Regelungen zur Teilnahme der Versicherten voraus, sodass diese idR auch Gegenstand des Vertrages zur HzV sein werden. Bei der Entscheidung, ob die vertraglichen Regelungen zur Teilnahme der Versicherten an der Satzung der Krankenkasse auszurichten sind oder ob umgekehrt die Krankenkasse ihre Satzung dem Inhalt der Verträge anzupassen hat, ist zu berücksichtigen, dass die Verträge zur HzV über die Festlegung durch eine Schiedsperson ggf auch gegen den Willen der Krankenkassen zustande kommen sollen. Dies steht einer Auslegung dahin entgegen, dass die Krankenkassen der anderen Partei des Vertrages zur HzV die Regelungen zur Teilnahme der Versicherten durch ihre Satzung einseitig vorgeben könnten. Ferner ist von Bedeutung, dass durch die Änderung des § 79 Abs 1 SGB V mWv 1.1.2005 bezogen auf die Vertretungskompetenz - die die Vertretung beim Abschluss von Selektivverträgen einschließt - ein originärer Aufgabenbereich des Vorstands der Krankenkassen geschaffen werden sollte, der nicht vollständig der Gestaltungsmacht der Vertreterversammlung unterworfen ist (BSGE 114, 274 = SozR 4-2500 § 81 Nr 7, RdNr 33, 37 ff). Auch dies spricht dagegen, dass Inhalte des Vertrages zur HzV durch die von der Vertreterversammlung verabschiedete Satzung der Krankenkasse einseitig vorgegeben werden könnten. Daher sind Regelungen des Vertrages zur HzV zur Teilnahme der Versicherten nicht bereits rechtswidrig, wenn sie vom Inhalt der Satzung der Krankenkasse abweichen. Vielmehr ist - wie das LSG bereits zutreffend ausgeführt hat - die Krankenkasse verpflichtet, ihre Satzung dem Inhalt des Vertrages anzupassen (ebenso: Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 50).

87

Die im Vertrag zur HzV getroffenen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten müssen danach zwar nicht mit dem Inhalt der Satzung der Krankenkasse übereinstimmen, aber die übrigen gesetzlichen und untergesetzlichen Bestimmungen zur Teilnahme der Versicherten beachten. Bezogen auf den hier in erster Linie maßgebenden Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson ist der durch die Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV auch insoweit nicht zu beanstanden. Allerdings werden bei der bevorstehenden Durchführung des Vertrages die in der Zwischenzeit eingetretenen gesetzlichen Änderungen zu berücksichtigen sein. Eine entsprechende Verpflichtung zur Anpassung ist in den Schlussbestimmungen des Vertrages (§ 22 Abs 2) geregelt und folgt im Übrigen aus § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X. Neben der Berücksichtigung der mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013 (BGBl I 277) eingeführten Bestimmungen zum Widerrufsrecht der Versicherten (§ 73b Abs 3 Satz 3 bis 6 SGB V) gehört dazu auch die Beachtung der am 26.8.2013 in Kraft getretenen Vorgaben zur Abgabe der Teilnahmeerklärung aus der Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach § 217f Abs 4a SGB V.

88

hh) Der Rechtmäßigkeit der Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson steht nicht entgegen, dass zuvor keine Auftragsvergabe nach den Vorschriften des Vergaberechts durchgeführt worden ist. Zwar fanden gemäß § 69 Abs 2 Satz 1 SGB V in der hier maßgebenden seit dem 18.12.2008 geltenden Fassung des GKV-OrgWG die die Vergabe öffentlicher Aufträge betreffenden Vorschriften der §§ 97 bis 115 und 128 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auf die in § 69 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Rechtsbeziehungen der Krankenkassen ausdrücklich Anwendung, soweit die dort genannten Voraussetzungen erfüllt waren. Dies galt nach § 69 Abs 2 Satz 2 SGB V jedoch nicht für Verträge von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind und bei deren Nichtzustandekommen eine Schiedsamtsregelung gilt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Festsetzung des Vertragsinhalts durch eine Schiedsperson als "Schiedsamtsregelung" in diesem Sinne zu verstehen ist und ob Satz 2 damit der Anwendbarkeit der §§ 97 ff GWB entgegensteht. Unabhängig von dieser ohnehin nur klarstellenden (vgl BT-Drucks 16/10609 S 52) Beschränkung der Anwendbarkeit wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen, die sich im Übrigen seit der Änderung durch das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2262) nicht mehr auf die Vorschriften des Vierten Teils des GWB (§§ 97 ff GWB) bezieht (vgl jetzt § 69 Abs 2 Satz 4 SGB V), kann ein öffentlicher Auftraggeber dem Kartellvergaberecht nur unterworfen sein, wenn dieser eine Auswahl zwischen verschiedenen Vertragspartnern hat (Kaltenborn, GesR 2011, 1, 2; Engelmann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand Oktober 2013, § 69 RdNr 141; vgl zur Rechtslage vor der Änderung durch das AMNOG: Sormani-Bastian, ZESAR 2010, 13). Daran hat sich im Übrigen auch durch die neuen europäischen Vergaberichtlinien nichts geändert. Nach Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 2014/23/EU vom 26.2.2014 über die Konzessionsvergabe (ABl L 94, 1) sollen Regelungen, nach denen ohne gezielte Auswahl alle Wirtschaftsteilnehmer, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, berechtigt sind, eine bestimmte Aufgabe wahrzunehmen, nicht als Konzessionen gelten. Das betrifft auch Regelungen aufgrund einer Vereinbarung zwischen Behörde und Wirtschaftsunternehmen. Nichts anderes gilt, soweit der Vertrag zur HzV europarechtlich nicht als Dienstleistungskonzession, sondern als entgeltlicher Beschaffungsvertrag angesehen wird: Nach Art 1 Abs 2 der Richtlinie 2014/24/EU vom 26.2.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl L 94, 65) setzt die Auftragsvergabe im Sinne der Richtlinie voraus, dass Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen von öffentlichen Auftraggebern "ausgewählt werden".

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Der sich aus § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ergebende Kontrahierungszwang, der gemäß § 73b Abs 4 Satz 2 iVm Abs 4a SGB V von entsprechend qualifizierten Gemeinschaften durch die Beantragung des Schiedsverfahrens und die Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson durchgesetzt werden kann, hat zur Folge, dass der vertragschließenden Krankenkasse kein Auswahlermessen zukommt, sondern dass der Vertragspartner bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bereits feststeht. Eine Auswahl zwischen verschiedenen Bietern ist also bezogen auf die Verträge nach § 73b Abs 4 Satz 1 SGB V ausgeschlossen. Dies steht der Annahme eines öffentlichen Auftrages im Sinne des § 99 GWB entgegen(so auch Engelmann in Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 73b SGB V RdNr 32a; Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 137 f; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, Stand April 2012, § 73b SGB V, RdNr 62; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10 Verg - Juris RdNr 34; ähnlich Orlowski, ZMGR 2009, 124, 130; BKartA Beschluss vom 2.7.2010 - VK 1 - 52/10 - Juris; bezogen auf die HzV nach § 73b SGB V allerdings nur im Ergebnis ebenso die Begründung zum GKV-OrgWG: BT-Drucks 16/10609 S 52).

90

ii) Der Vertrag zur HzV ist mit bundesrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vollständig kompatibel. Maßgebend ist dabei grundsätzlich die Rechtslage zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson (vgl 4 b, RdNr 56). Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen bereits deshalb nicht zu vereinbaren, weil es an der erforderlichen Befugnisnorm für die dort geregelte Weitergabe von Abrechnungsdaten an private Stellen in Gestalt der HÄVG und der HÄVG Rechenzentrum AG gefehlt hat (nachfolgend 1). Indes ist für die Beurteilung des Feststellungsinteresses die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz maßgebend (vgl 4 b, RdNr 57). Die Klägerin hat weder ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 55 Abs 1 SGG an der isolierten Feststellung einer Rechtswidrigkeit des - bisher nicht durchgeführten - Vertrages zur HzV unter Zugrundelegung einer nicht mehr geltenden Rechtslage nachvollziehbar geltend gemacht noch einen Anspruch gegenüber den Beklagten auf Änderung des Vertrages entsprechend der nicht mehr geltenden Rechtslage. Ein fortbestehendes Feststellungsinteresse kann deshalb nur anerkannt werden, soweit es darauf auch noch für die bevorstehende Durchführung des Vertrages ankommt. Daher ist ergänzend die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats und damit nach Einführung des § 295a SGB V durch Art 3 Nr 9 des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze vom 28.7.2011 (BGBl I 1622, 1627) mWv 4.8.2011 zu berücksichtigen (nachfolgend 2). Die von der Klägerin erhobenen datenschutzrechtlichen Einwände greifen daher zum überwiegenden Teil nicht durch (nachfolgend 3, 5, 6). Soweit der Vertrag zur HzV jedoch auch mit den geänderten bundesrechtlichen Vorgaben nicht vollständig zu vereinbaren ist, sind die Vertragspartner verpflichtet, diesen zu ändern (nachfolgend 4 und 7).

91

(1) Der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag zur HzV sieht vor, dass die Abrechnung der Vergütung des Hausarztes gemäß den Vorgaben der Anlage 3 durch die HÄVG als Abrechnungsdienstleister erfolgt (§ 11 Abs 1). Die HÄVG ist berechtigt, sich zum Zwecke der Abrechnung eines Rechenzentrums im Sinne der Anlage 3 zu bedienen (§ 11 Abs 2 Satz 2). Nach Anlage 3 § 6 Satz 2 wird von der HÄVG hierzu "derzeit" die HÄVG Rechenzentrum AG eingesetzt. Damit übereinstimmend werden die Versicherten mit dem Merkblatt (Anhang zu Anlage 6 des Vertrages) unter der Überschrift "Wichtige Informationen zum Schutz Ihrer Daten - Ihre Einwilligung" darüber informiert, dass die Abrechnung der ärztlichen Vergütung ua "über die Dienstleistungsgesellschaft des Hausärzteverbandes und MEDI, die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft eG (HÄVG) und ihr Rechenzentrum erfolgt". Nach § 11 Abs 4 zahlt die Krankenkasse die Vergütung mit schuldbefreiender Wirkung an die HÄVG.

92

Für die damit vorgesehene Weitergabe von Patientendaten zu Abrechnungszwecken fehlte zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts die erforderliche Rechtsgrundlage. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 10.12.2008 (B 6 KA 37/07 R - BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2)im Einzelnen dargelegt hat, setzt die Übermittlung von Patientendaten durch Leistungserbringer an private Dienstleistungsunternehmen im Geltungsbereich des SGB V eine bereichsspezifische Befugnisnorm voraus. Als solche kam allein § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009 (BGBl I 1990) in Betracht. Diese Regelung, mit der der Gesetzgeber auf das og Urteil des Senats vom 10.12.2008 reagiert hat, war bis zum 30.6.2010 - und damit auf einen Zeitpunkt vor der Festsetzung des Vertragsinhalts - befristet. Über § 320 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24.7.2010 (BGBl I 983) waren diese Sätze jedoch bis zum 1.7.2011 und damit auch noch zum Zeitpunkt der Festsetzung des Vertragsinhalts am 9.9.2010 weiter anzuwenden. Danach durfte für die ärztlichen Leistungen, die im Rahmen von Verträgen ua zur HzV nach § 73b SGB V erbracht und mit den Krankenkassen abgerechnet wurden, eine andere Stelle mit der Verarbeitung und Nutzung der für die Abrechnung dieser Leistungen erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragt werden. § 80 SGB X war anzuwenden. Auftraggeber und Auftragnehmer unterlagen der Aufsicht der nach § 38 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zuständigen Aufsichtsbehörde.

93

§ 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V aF erlaubte danach allein die Beauftragung einer anderen Stelle im Sinne einer Auftragsdatenverarbeitung(vgl OVG Schleswig-Holstein Beschluss vom 12.1.2011 - 4 MB 56/10 - CR 2011, 359). Der ausdrücklich in Bezug genommene § 80 SGB X regelt die Voraussetzungen der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten im Auftrag. Dass mit der Einfügung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V die Übermittlung von Daten an private Stellen nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung geltenden Voraussetzungen zugelassen werden sollte, wird auch durch die Begründung der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf die die Regelung zurückgeht, bestätigt: Danach sollten die Voraussetzungen, unter denen dem Sozialgeheimnis unterliegende Stellen andere Stellen mit der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten beauftragen können, und die Rechtsfolgen einer solchen Beauftragung auch für die besonderen Versorgungsformen gelten(vgl BT-Drucks 16/13428 S 96 unter Bezugnahme auf die Begründung zur entsprechenden Regelung für Krankenhäuser nach § 120 Abs 6, S 92).

94

Bei der in dem Vertrag vorgesehenen Übermittlung von Abrechnungsdaten durch den Arzt an die HÄVG handelt es sich nicht um eine nach § 295 Abs 1b SGB V aF zulässige Auftragsdatenverarbeitung. Die Auftragsdatenverarbeitung ist datenschutzrechtlich privilegiert. Sie stellt keine Übermittlung im Sinne des § 67 Abs 6 Satz 2 Nr 3 SGB X dar(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; I. Palsherm in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand Juli 2013, § 80 RdNr 15). Eine Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X liegt vor, wenn der Auftragnehmer die Datenverarbeitung in vollständiger Abhängigkeit von Vorgaben des Auftraggebers durchführt(vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3; zur entsprechenden Regelung in § 11 BDSG vgl Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5). Die Auftragsdatenverarbeitung ist abzugrenzen von der Funktionsübertragung. Diese liegt dann vor, wenn dem Service-Unternehmen eine eigene rechtliche Zuständigkeit für die Aufgabe, deren Erfüllung die Datenverarbeitung oder die Nutzung dient, zugewiesen ist (Gola/Klug, BDSG, 12. Aufl 2015, § 11 RdNr 9). Wesentliches Merkmal für die Abgrenzung der Auftragsdatenverarbeitung von der Funktionsübertragung (Aufgabenübertragung) ist die Entscheidungsbefugnis über die Daten. Liegt diese bei der beauftragten Stelle und kommt dieser nicht nur eine Hilfs- und Unterstützungsfunktion zu, kann nicht mehr von einer Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 SGB X ausgegangen werden(Rombach in Hauck/Noftz, SGB X, Stand November 2014, § 80 RdNr 20; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 12, 14).

95

Das im Vertrag geregelte Verhältnis des an der HzV teilnehmenden Hausarztes zur HÄVG entspricht nicht dem Bild einer Auftragsdatenverarbeitung. Die HÄVG führt die Abrechnung keineswegs in vollständiger Abhängigkeit von dem teilnehmenden Hausarzt für diesen durch. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass der Hausarzt an dem Vertrag zur HzV, der die Einzelheiten vorgibt, nicht unmittelbar beteiligt ist und damit keinen unmittelbaren Einfluss auf dessen Ausgestaltung hat. Der einzelne Hausarzt hat auch keinen Einfluss darauf, wer für ihn die Daten verarbeiten soll. Bereits eine solche fehlende Auswahlmöglichkeit spricht gegen das Vorliegen einer Auftragsdatenverarbeitung (Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 80 RdNr 3b; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl 2014, § 11 RdNr 5a). Zudem wird ihm vorgegeben, welche Datenverarbeitungsprogramme (Software) er für die Abrechnung zu verwenden hat. Damit ist insgesamt davon auszugehen, dass die HÄVG die Abrechnungsdaten in eigener Verantwortung oder im Auftrag der Beklagten verarbeitet bzw durch die HÄVG Rechenzentrum AG verarbeiten lässt, aber jedenfalls nicht im Auftrag des Hausarztes tätig wird. Der Vertrag regelt bezogen auf die Weitergabe der Daten durch den Hausarzt keine nach § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V zulässige Auftragsdatenverarbeitung.

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(2) Mit der Einfügung des § 295a SGB V zum 4.8.2011 ist die erforderliche gesetzliche Grundlage für die Übermittlung von Abrechnungsdaten durch die an der HzV teilnehmenden Hausärzte geschaffen worden. Anders als unter Geltung des § 295 Abs 1b Satz 5 bis 8 SGB V beschränkt sich die Befugnis nach § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V nicht auf die Beauftragung einer anderen Stelle mit der Verarbeitung, Nutzung und Abrechnung personenbezogener Daten. Vielmehr sind die an den entsprechenden Versorgungsformen teilnehmenden Leistungserbringer für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen nach § 73b, § 73c oder § 140a SGB V erbrachten Leistungen gemäß § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V befugt, die nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels des SGB V erforderlichen Angaben an den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite als verantwortliche Stelle zu übermitteln, indem diese Angaben entweder an ihn oder an eine nach § 295 Abs 2 SGB V beauftragte andere Stelle weitergegeben werden; für den Vertragspartner auf Leistungserbringerseite gilt § 35 SGB I entsprechend. Voraussetzung ist, dass der Versicherte vor Abgabe der Teilnahmeerklärung an der Versorgungsform umfassend über die vorgesehene Datenübermittlung informiert worden ist und mit der Einwilligung in die Teilnahme zugleich in die damit verbundene Datenübermittlung schriftlich eingewilligt hat. Der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite oder die beauftragte andere Stelle dürfen die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verarbeiten und nutzen; sie übermitteln die Daten im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern an den jeweiligen Vertragspartner auf Krankenkassenseite.

97

§ 295a Abs 1 Satz 1 SGB V definiert den "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (also den Hausarztverband und nicht den einzelnen Arzt) als die im datenschutzrechtlichen Sinne "verantwortliche Stelle". Insofern trifft § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V eine spezielle Regelung, die den allgemeinen Bestimmungen der §§ 67a ff SGB X vorgeht. Das bedeutet, dass die datenschutzrechtliche Verantwortung mit dem Eingang der Daten bei dem Hausarztverband ("Vertragspartner auf Leistungserbringerseite") oder bei der von ihm beauftragten Stelle auf den Hausarztverband übergeht (vgl BT-Drucks 17/6141 S 39).

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(3) Die Einwände der Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit des Vertrages zur HzV, die ihre Grundlage in der Annahme haben, dass der Arzt auch nach dem Eingang der Daten bei den Beklagten oder der von ihnen beauftragten Stelle "verantwortliche Stelle" im Sinne des § 67 Abs 9 SGB X bleibe und dass der Arzt die Daten nur unter den für die Auftragsdatenverarbeitung nach § 80 SGB X geltenden Voraussetzungen weitergeben dürfe, greifen damit bezogen auf die seit Inkrafttreten des § 295a SGB V geltenden Rechtslage nicht mehr durch. § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V regelt die Befugnis des Hausarztes zur Weitergabe der für die Abrechnung erforderlichen Daten an den Hausarztverband oder die von diesem mit der Datenverarbeitung beauftragte Stelle unabhängig von den Voraussetzungen einer Auftragsdatenverarbeitung. Auftraggeber einer Datenverarbeitung durch die HÄVG oder ein Rechenzentrum können allein die "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" (vgl BT-Drucks 17/6141 S 40, zu § 295a Abs 2) und damit die Beklagten sein.

99

(4) Zutreffend ist dagegen der Einwand der Klägerin, dass die Regelungen des Vertrages zur HzV, die eine Beauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG vorsehen (vgl zB Anlage 3 § 6 Abs 1) mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren sind. Nach § 295a Abs 2 Satz 1 SGB V darf der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite eine andere Stelle mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten beauftragen, die für die Abrechnung der im Rahmen von Verträgen ua zur HzV erbrachten Leistungen erforderlich sind. Gemäß § 295a Abs 2 Satz 2 SGB V ist § 80 SGB X ua mit der weiteren Maßgabe anzuwenden, dass Unterauftragsverhältnisse ausgeschlossen sind. Demnach dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" im Sinne der genannten Regelung zwar die HÄVG oder auch unmittelbar die HÄVG Rechenzentrum AG mit der Verarbeitung der Abrechnungsdaten beauftragen. Die im Vertrag vorgesehene Erteilung eines Unterauftrags an die HÄVG Rechenzentrum AG durch die von den Beklagten beauftragte HÄVG ist dagegen nicht zulässig (zu einer entsprechenden Regelung vgl auch bereits LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38).

100

(5) Nach den von der Klägerin nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die im Vertrag zur HzV zur Verwendung durch den teilnehmenden Arzt vorgeschriebene Software mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen unvereinbar wäre. Soweit die Klägerin erstmals im Revisionsverfahren - nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung - geltend macht, dass die im Vertrag vorgeschriebene Software einen sog "gekapselten Kern" besitze, der die Möglichkeit biete, Patientendaten aus dem System des Hausarztes an die Beklagten bzw die HÄVG zu übermitteln, ohne dass dies für den Hausarzt im Einzelnen nachvollziehbar sei, so steht diese Behauptung im Übrigen im Widerspruch zu der von den Beklagten vorgelegten Technischen Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht vom 17.8.2012 (Az: LDA.3-1085.6-12/10), die sich nach den von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen Angaben der Beklagten auf die auch im vorliegenden Vertrag zur HzV vorgeschriebene Software beziehen soll. Die Stellungnahme kommt für den Senat nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die Kontrollmöglichkeiten über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ausreichend transparent seien. Die Datenverarbeitungsvorgänge in der Arztpraxis würden vom Arzt gesteuert.

101

(6) Auch die in Ziff 2.1 der Anlage 4 zum Vertrag vorgesehene Übermittlung von Einschreibedaten ist entgegen der Auffassung der Klägerin datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden. Bei den Einschreibedaten handelt es sich um die in der Teilnahmeerklärung enthaltenen Stammdaten des Versicherten (Name, Anschrift, Geburtsdatum, Versichertennummer), die Daten zu dem gewählten Hausarzt und den Teilnahmebeginn (vgl die der Teilnahmeerklärung beigefügten Informationen zu Datenschutz, Datenübermittlung und -zusammenführung). Diese Angaben sind für die Durchführung der Abrechnung im Sinne des § 295a Abs 1 Satz 1 SGB V erforderlich und die Verarbeitung und Nutzung dieser Daten erfolgt in Übereinstimmung mit § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V zu Abrechnungszwecken(im Ergebnis ebenso die Bewertung eines insoweit entsprechenden Vertrages durch das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht, Schreiben vom 30.11.2012, Az: LDA.3-1085.6-12/10).

102

(7) Im Widerspruch zu den geltenden gesetzlichen Vorgaben steht dagegen § 6 Abs 10 der Anlage 3 zum HzV, der die HÄVG zur Führung von Musterverfahren ermächtigt, weil es sich dabei nicht um eine gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V allein zulässige Verarbeitung oder Nutzung zu Abrechnungszwecken handelt. Zwar regelt der Vertrag nicht ausdrücklich die Verwendung personenbezogener Daten in Musterprozessen. Die vorgesehene Führung solcher Prozesse durch die HÄVG setzt die Verwendung personenbezogener Daten der an der HzV teilnehmenden Versicherten jedoch voraus (ebenso zu einer insoweit vergleichbaren Regelung: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER - GesR 2012, 35, 38). Gemäß § 295a Abs 1 Satz 3 SGB V dürfen die Beklagten als "Vertragspartner auf Leistungserbringerseite" die übermittelten Daten nur zu Abrechnungszwecken verwenden. Dass die Verwendung von Daten zur Führung von Musterprozessen über die Verwendung zu Abrechnungszwecken hinausginge, haben die Beklagten im Revisionsverfahren auch nicht in Zweifel gezogen, sondern geltend gemacht, dass die HÄVG tatsächlich keine "Musterverfahren" unter Nutzung personenbezogener Daten führe. Auf die Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung hat dies indes keinen Einfluss.

103

e) Im Ergebnis ist der von der Schiedsperson festgesetzte Vertrag allein insoweit zu beanstanden, als er eine datenschutzrechtlich unzulässige Unterbeauftragung der HÄVG Rechenzentrum AG durch die HÄVG sowie das Recht der HÄVG zur Führung von "Musterverfahren" vorsieht. Dem werden die Beteiligten durch entsprechende Änderungen des Vertrages Rechnung zu tragen haben. Davon unberührt bleibt die Verpflichtung der Beteiligten, den seit der Festsetzung des Vertragsinhalts eingetretenen gesetzlichen Änderungen durch Vertragsanpassungen Rechnung zu tragen.

104

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Bei der Kostenverteilung (§ 155 Abs 1 VwGO) hat der Senat berücksichtigt, dass die Klage bezogen auf die beantragte Aufhebung des Vertrages zur HzV ohne Erfolg und bezogen auf die hilfsweise geltend gemachte Feststellung der Rechtswidrigkeit vertraglicher Bestimmungen ganz überwiegend erfolglos war.

(1) Vor der Entscheidung des Vorstandes der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen über die Errichtung, Übernahme oder wesentliche Erweiterung von Einrichtungen im Sinne des § 85 Absatz 1 des Vierten Buches sowie über eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an solchen Einrichtungen ist die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen durch den Vorstand auf der Grundlage geeigneter Daten umfassend über die Chancen und Risiken der beabsichtigten Betätigung zu unterrichten. Die Entscheidung des Vorstandes nach Satz 1 bedarf der Zustimmung der Vertreterversammlung.

(2) Der Vorstand hat zur Information der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen jährlich einen Bericht über die Einrichtungen zu erstellen, an denen die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen beteiligt sind. Der Beteiligungsbericht muss zu jeder Einrichtung mindestens Angaben enthalten über

1.
den Gegenstand der Einrichtung, die Beteiligungsverhältnisse, die Besetzung der Organe der Einrichtung und die Beteiligungen der Einrichtung an weiteren Einrichtungen,
2.
den fortbestehenden Zusammenhang zwischen der Beteiligung an der Einrichtung und den gesetzlichen Aufgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen,
3.
die Grundzüge des Geschäftsverlaufs der Einrichtung, die Ertragslage der Einrichtung, die Kapitalzuführungen an und die Kapitalentnahmen aus der Einrichtung durch die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Auswirkungen der Kapitalzuführungen und Kapitalentnahmen auf die Haushaltswirtschaft der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und die von den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen der Einrichtung gewährten Sicherheiten,
4.
die im Geschäftsjahr gewährten Gesamtbezüge der Mitglieder der Geschäftsführung, des Aufsichtsrates, des Beirates oder eines ähnlichen Gremiums der Einrichtung für jedes einzelne Gremium sowie die im Geschäftsjahr gewährten Bezüge eines jeden Mitglieds dieser Gremien unter Namensnennung.
Der Bericht über das abgelaufene Geschäftsjahr ist der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Aufsichtsbehörde spätestens am 1. Oktober des folgenden Jahres vorzulegen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für Dienstleistungsgesellschaften nach § 77a, an denen die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen beteiligt sind, und für Arbeitsgemeinschaften nach § 94 Absatz 1a des Zehnten Buches in Verbindung mit § 77 Absatz 6 Satz 1, an denen die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen beteiligt sind.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

(1) Die Wirtschaftlichkeit der erbrachten ärztlichen Leistungen kann auf begründeten Antrag einer einzelnen Krankenkasse, mehrerer Krankenkassen gemeinsam oder der Kassenärztlichen Vereinigung arztbezogen durch die jeweilige Prüfungsstelle nach § 106c geprüft werden. Die Prüfung kann neben dem zur Abrechnung vorgelegten Leistungsvolumen auch Überweisungen sowie sonstige veranlasste ärztliche Leistungen, insbesondere aufwändige medizinisch-technische Leistungen umfassen; honorarwirksame Begrenzungsregelungen haben keinen Einfluss auf die Prüfungen.

(2) Veranlassung für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Absatz 1 besteht insbesondere

1.
bei begründetem Verdacht auf fehlende medizinische Notwendigkeit der Leistungen (Fehlindikation),
2.
bei begründetem Verdacht auf fehlende Eignung der Leistungen zur Erreichung des therapeutischen oder diagnostischen Ziels (Ineffektivität),
3.
bei begründetem Verdacht auf mangelnde Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihre fachgerechte Erbringung (Qualitätsmangel), insbesondere in Bezug auf die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses enthaltenen Vorgaben,
4.
bei begründetem Verdacht auf Unangemessenheit der durch die Leistungen verursachten Kosten im Hinblick auf das Behandlungsziel oder
5.
bei begründetem Verdacht, dass Leistungen des Zahnersatzes und der Kieferorthopädie unvereinbar mit dem Heil- und Kostenplan sind.

(3) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren bis zum 30. November 2019 das Nähere zu den Voraussetzungen nach Absatz 2 in Rahmenempfehlungen. Die Rahmenempfehlungen sind bei den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigen.

(4) Die in § 106 Absatz 1 Satz 2 genannten Vertragspartner können über die Prüfung nach Absatz 1 hinaus Prüfungen ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 oder Absatz 3 getroffen, dürfen bei Ärzten der betroffenen Arztgruppe keine Prüfungen nach Durchschnittswerten durchgeführt werden. In den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 sind die Zahl der je Quartal höchstens zu prüfenden Ärzte in einer Kassenärztlichen Vereinigung sowie im Rahmen der Prüfungen nach Absatz 1 und der Prüfungen nach Satz 1 als Kriterien zur Unterscheidung Praxisbesonderheiten festzulegen, die sich aus besonderen Standort- und Strukturmerkmalen des Leistungserbringers oder bei besonderen Behandlungsfällen ergeben. Die Praxisbesonderheiten sind vor Durchführung der Prüfungen als besonderer Versorgungsbedarf durch die Prüfungsstellen anzuerkennen; dies gilt insbesondere auch bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Besuchsleistungen.

(1) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen prüfen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung.

(2) Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität, auf Einhaltung der Vorgaben nach § 295 Absatz 4 Satz 3 sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Arztes; Vertragsärzte und angestellte Ärzte sind entsprechend des jeweiligen Versorgungsauftrages gleich zu behandeln. Bei der Prüfung nach Satz 2 ist ein Zeitrahmen für das pro Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zu Grunde zu legen; zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden höchstens abrechenbaren Leistungsvolumina zu Grunde gelegt werden. Soweit Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz bestimmt sind, sind diese bei den Prüfungen nach Satz 2 zu Grunde zu legen. Satz 2 bis 4 gilt nicht für die vertragszahnärztliche Versorgung. Bei den Prüfungen ist von dem jeweils angeforderten Punktzahlvolumen unabhängig von honorarwirksamen Begrenzungsregelungen auszugehen. Soweit es für den jeweiligen Prüfungsgegenstand erforderlich ist, sind die Abrechnungen vorangegangener Abrechnungszeiträume in die Prüfung einzubeziehen. Die Kassenärztliche Vereinigung unterrichtet die in Absatz 5 genannten Verbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen unverzüglich über die Durchführung der Prüfungen und deren Ergebnisse. Satz 2 gilt auch für Verfahren, die am 31. Dezember 2014 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen waren.

(3) Die Krankenkassen prüfen die Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen insbesondere hinsichtlich

1.
des Bestehens und des Umfangs ihrer Leistungspflicht,
2.
der Plausibilität von Art und Umfang der für die Behandlung eines Versicherten abgerechneten Leistungen in Bezug auf die angegebene Diagnose, bei zahnärztlichen Leistungen in Bezug auf die angegebenen Befunde,
3.
der Plausibilität der Zahl der vom Versicherten in Anspruch genommenen Ärzte, unter Berücksichtigung ihrer Fachgruppenzugehörigkeit.
Sie unterrichten die Kassenärztlichen Vereinigungen unverzüglich über die Durchführung der Prüfungen und deren Ergebnisse.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände können, sofern dazu Veranlassung besteht, gezielte Prüfungen durch die Kassenärztliche Vereinigung nach Absatz 2 beantragen. Die Kassenärztliche Vereinigung kann, sofern dazu Veranlassung besteht, Prüfungen durch die Krankenkassen nach Absatz 3 beantragen. Bei festgestellter Unplausibilität nach Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 oder 3 kann die Krankenkasse oder ihr Verband eine Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlicher Leistungen beantragen; dies gilt für die Kassenärztliche Vereinigung bei festgestellter Unplausibilität nach Absatz 2 entsprechend. Wird ein Antrag nach Satz 1 von der Kassenärztlichen Vereinigung nicht innerhalb von sechs Monaten bearbeitet, kann die Krankenkasse einen Betrag in Höhe der sich unter Zugrundelegung des Antrags ergebenden Honorarberichtigung auf die zu zahlende Gesamtvergütung anrechnen.

(5) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich vereinbaren Inhalt und Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 2 bis 4. In den Vereinbarungen sind auch Maßnahmen für den Fall von Verstößen gegen Abrechnungsbestimmungen, einer Überschreitung der Zeitrahmen nach Absatz 2 Satz 3 sowie des Nichtbestehens einer Leistungspflicht der Krankenkassen, soweit dies dem Leistungserbringer bekannt sein musste, vorzusehen. Die Maßnahmen, die aus den Prüfungen nach den Absätzen 2 bis 4 folgen, müssen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides festgesetzt werden; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Der Inhalt der Richtlinien nach Absatz 6 ist Bestandteil der Vereinbarungen.

(6) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 2 und 3 einschließlich der Voraussetzungen für die Einhaltung der Ausschlussfrist nach Absatz 5 Satz 3 und des Einsatzes eines elektronisch gestützten Regelwerks; die Richtlinien enthalten insbesondere Vorgaben zu den Kriterien nach Absatz 2 Satz 2 und 3. Die Richtlinien sind dem Bundesministerium für Gesundheit vorzulegen. Es kann sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden. Kommen die Richtlinien nicht zu Stande oder werden die Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit nicht innerhalb einer von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium für Gesundheit die Richtlinien erlassen.

(7) § 106 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1) Die Krankenkassen haben ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten.

(2) Dabei ist sicherzustellen, dass die hausarztzentrierte Versorgung insbesondere folgenden Anforderungen genügt, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen geregelten Anforderungen an die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen:

1.
Teilnahme der Hausärzte an strukturierten Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie unter Leitung entsprechend geschulter Moderatoren,
2.
Behandlung nach für die hausärztliche Versorgung entwickelten, evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien,
3.
Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d durch Teilnahme an Fortbildungen, die sich auf hausarzttypische Behandlungsprobleme konzentrieren, wie patientenzentrierte Gesprächsführung, psychosomatische Grundversorgung, Palliativmedizin, allgemeine Schmerztherapie, Geriatrie,
4.
Einführung eines einrichtungsinternen, auf die besonderen Bedingungen einer Hausarztpraxis zugeschnittenen, indikatorengestützten und wissenschaftlich anerkannten Qualitätsmanagements.

(3) Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig. Die Teilnehmer verpflichten sich schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse, nur einen von ihnen aus dem Kreis der Hausärzte nach Absatz 4 gewählten Hausarzt in Anspruch zu nehmen sowie ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte nur auf dessen Überweisung; die direkte Inanspruchnahme eines Kinder- und Jugendarztes bleibt unberührt. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Wird das Widerrufsrecht nicht ausgeübt, ist der Versicherte an seine Teilnahmeerklärung und an die Wahl seines Hausarztes mindestens ein Jahr gebunden; er darf den gewählten Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärung zu enthalten; die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4) Zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 haben Krankenkassen allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Absatz 4a beantragen. Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande gekommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit

1.
vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen,
2.
Gemeinschaften dieser Leistungserbringer,
3.
Trägern von Einrichtungen, die eine hausarztzentrierte Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen, anbieten,
4.
Kassenärztlichen Vereinigungen, soweit Gemeinschaften nach Nummer 2 sie hierzu ermächtigt haben.
Finden die Krankenkassen in dem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung keinen Vertragspartner, der die Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt, haben sie zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Verträge mit einem oder mehreren der in Satz 3 genannten Vertragspartner zu schließen. In den Fällen der Sätze 3 und 4 besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss; die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien auszuschreiben. Soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch Verträge nach diesem Absatz durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 eingeschränkt. Satz 6 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(4a) Beantragt eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, haben sich die Parteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen, die den Inhalt des Vertrages nach Absatz 4 Satz 1 festlegt. Einigen sich die Parteien nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson.

(5) In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln; in Verträgen, die nach dem 31. März 2014 zustande kommen, sind zudem Wirtschaftlichkeitskriterien und Maßnahmen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien sowie Regelungen zur Qualitätssicherung zu vereinbaren. Eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106d Absatz 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme nach §§ 137f und 137g sind, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge nach Absatz 4. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(5a) Kündigt die Krankenkasse einen Vertrag nach Absatz 4 und kommt bis zum Ablauf dieses Vertrages kein neuer Vertrag zustande, gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig bis zum Zustandekommen eines neuen Vertrages weiter. Dies gilt nicht bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 71 Absatz 6 Satz 3.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten in geeigneter Weise umfassend über Inhalt und Ziele der hausarztzentrierten Versorgung sowie über die jeweils wohnortnah teilnehmenden Hausärzte zu informieren.

(7) Die Vertragspartner der Gesamtverträge haben den Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2 zu bereinigen. Die Bereinigung erfolgt rechtzeitig zu dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung bereinigt werden soll, entsprechend der Zahl und der Morbiditätsstruktur der für dieses Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten sowie dem vertraglich vereinbarten Inhalt der hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe der Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87a Absatz 5 Satz 7. Dabei können die Bereinigungsbeträge unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 auch pauschaliert ermittelt werden. Kommt eine rechtzeitige Einigung über die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nicht zustande, können auch die Vertragspartner der Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung das Schiedsamt nach § 89 anrufen. Die für die Bereinigungsverfahren erforderlichen arzt- und versichertenbezogenen Daten übermitteln die Krankenkassen den zuständigen Gesamtvertragspartnern bis spätestens drei Wochen vor dem Kalendervierteljahr, für welches die Gesamtvergütung für die in diesem Kalendervierteljahr eingeschriebenen Versicherten bereinigt werden soll. Die Krankenkasse kann, falls eine rechtzeitige Bereinigung nicht festgesetzt worden ist, den Behandlungsbedarf unter Beachtung der Maßgaben nach Satz 2 vorläufig bereinigen. Sie kann auch die Anerkennung und Umsetzung des geltenden Bereinigungsverfahrens für die Bereinigung der Gesamtvergütung für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Versicherte mit Wohnort im Bezirk anderer Kassenärztlichen Vereinigungen von diesen Kassenärztlichen Vereinigungen verlangen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach Satz 7 sowie für den Fall der Rückführung von Bereinigungsbeträgen bei Beendigung der Teilnahme eines Versicherten sind die Verfahren gemäß § 87a Absatz 5 Satz 9 anzuwenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die zur Bereinigung erforderlichen Vorgaben im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben umzusetzen.

(8) Die Vertragsparteien nach Absatz 4 können vereinbaren, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die aus den Maßnahmen von Verträgen nach Absatz 4 erzielt werden, finanziert werden.

(9) Die Einhaltung der nach Absatz 5 Satz 1 vereinbarten Wirtschaftlichkeitskriterien muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrunde liegenden Verträge nachweisbar sein; § 88 Absatz 2 des Vierten Buches gilt entsprechend.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 80 000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit der Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiologie und Chefarzt der Klinik für Kinderkardiologie des Herzzentrums L. Universitätsklinikum. Der Zulassungsausschuss ermächtigte ihn zur Erbringung näher bezeichneter kinderkardiologischer Leistungen. Seinen Antrag, die Ermächtigung auf kardiologische Leistungen für erwachsene Patienten zu erweitern, lehnte er ab. Widerspruch und Klage des Klägers waren ohne Erfolg. Nach Auslaufen der befristeten Ermächtigung hat der Kläger im Berufungsverfahren ebenfalls ohne Erfolg die Feststellung begehrt, dass die ablehnende Entscheidung des beklagten Berufungsausschusses rechtswidrig war. Das LSG hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass ein Krankenhausarzt keinen Anspruch auf Erteilung einer Ermächtigung für Leistungen habe, die er nicht erbringen und abrechnen dürfe. Als Arzt für Kinder- und Jugendmedizin dürfe der Kläger keine Erwachsenen behandeln. Daran ändere auch die Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiologie nichts.

2

Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, zu deren Begründung er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie Rechtsprechungsabweichungen (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) geltend macht.

3

II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

4

1. Soweit der Kläger das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG rügt, ist die Beschwerde zwar zulässig, aber unbegründet.

5

Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14; s auch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 19 S 34 f; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 30 S 57 f mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, falls die Rechtsfrage schon beantwortet ist, ebenso dann, wenn Rechtsprechung zu dieser Konstellation zwar noch nicht vorliegt, sich aber die Antwort auf die Rechtsfrage ohne Weiteres ergibt (zur Verneinung der Klärungsbedürftigkeit im Falle klarer Antwort s zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f).

6

a) Der Kläger fragt,

        

"ob die Weiterbehandlung von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern durch Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin - hier Kinderkardiologen - in eng begrenzten Fällen bei fachgebietseigenen Indikationen fachfremd [ist]."

7

Soweit der Kläger die Fachfremdheit "in eng begrenzten Fällen bei fachgebietseigenen Indikationen" anspricht, ist die Rechtsfrage nicht klar formuliert und die Entscheidungserheblichkeit wird nicht vollständig dargelegt. Wenn mit den "fachgebietseigenen Indikationen" das Fachgebiet der Kinder- und Jugendheilkunde angesprochen würde, ergäbe die Frage nach der Fachfremdheit keinen Sinn. Unter Berücksichtigung der Begründung kann die Frage allerdings in der Weise sinnvoll interpretiert werden, dass es ihm mit den "fachgebietseigenen Indikationen" um Indikationen im Bereich seiner Schwerpunktqualifikation, der Kinderkardiologie, jedoch ohne die Beschränkung auf Kinder geht.

8

Soweit der Kläger formuliert, dass es sich nur um "eng begrenzte Fälle" handeln würde, so kann diese Begrenzung nur dahin verstanden werden, dass er sich - soweit er Erwachsene behandelt - auf ganz bestimmte Erkrankungen, nämlich auf die angeborenen Herzerkrankungen, beschränken möchte. Dagegen geht es ihm ersichtlich nicht darum, nur gelegentlich Erwachsene zu behandeln. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass Gegenstand des Verfahrens die dem Kläger zu erteilende Ermächtigung ist. Eine Ermächtigung ist nach § 116 Satz 2 SGB V nur zu erteilen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Krankenhausärzten nicht sichergestellt wird. Der Kläger hat zur Begründung der über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der formulierten Rechtsfrage vorgetragen, dass von dem Verbot der Behandlung von Erwachsenen durch Kinderärzte bereits im Jahr 2013 etwa 73 Kinderkardiologen mit EMAH-Zertifikat (Zusatzqualifikation für die Betreuung von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern) und geschätzte 200 000 Patienten mit angeborenen oder in der Kindheit erworbenen Herzfehlern betroffen seien und dass die Zahl der Patienten inzwischen gestiegen sein dürfte. Einen Beitrag zur Sicherstellung des geltend gemachten Bedarfs bei der Behandlung erwachsener Patienten mit angeborenen Herzerkrankungen kann der Kläger danach nicht durch eine nur gelegentliche Behandlung dieses Personenkreises leisten. Dass es dem Kläger um die systematische Behandlung von Erwachsenen - allerdings nur bei Vorliegen bestimmter Erkrankungen (angeborene Herzerkrankungen) - geht, ergibt sich im Übrigen aus dessen Stellungnahme gegenüber dem SG zur Höhe des Streitwerts. Danach würde er für den Fall, dass die Ermächtigung seinem Begehren entsprechend erweitert würde, etwa 100 Erwachsene mit angeborenem Herzfehler pro Quartal behandeln, woraus Honoraransprüche in Höhe von 10 000 Euro pro Quartal folgen würden. Der Senat versteht die vom Kläger formulierte Rechtsfrage in diesem Sinne. Nur die Frage, ob der Kläger ermächtigt werden kann, systematisch auch Erwachsene zu behandeln, ist danach entscheidungserheblich. Diese Frage ist jedoch nicht klärungsbedürftig, weil sich die Antwort ohne Weiteres aus der vorliegenden Rechtsprechung des BSG und des BVerfG sowie dem Inhalt der danach maßgebenden Weiterbildungsordnung (WBO) der Sächsischen Landesärztekammer ergibt:

9

In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass Beschränkungen des Fachgebiets den Arzt auch in seiner Tätigkeit als Vertragsarzt erfassen (stRspr, s zB BSGE 93, 170 = SozR 4-2500 § 95 Nr 8, RdNr 6; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 5 RdNr 8 mwN). Für die Beurteilung, ob Leistungen fachzugehörig oder fachfremd sind, ist darauf abzustellen, welche Inhalte und Ziele der Weiterbildung für das jeweilige Fachgebiet in der WBO genannt werden und in welchen Bereichen eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erworben werden müssen. Die Inhalte werden in der jeweiligen WBO des Landes festgelegt (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 7 RdNr 6; BSGE 93, 170 = SozR 4-2500 § 95 Nr 8, RdNr 6; BSG Beschluss vom 22.3.2006 - B 6 KA 46/05 B - Juris RdNr 5).

10

Die Auslegung der landesrechtlichen Regelungen zur Weiterbildung durch das LSG bindet gemäß § 162 SGG grundsätzlich das BSG. Etwas anderes gilt nach ständiger Rechtsprechung, wenn landesrechtliche Vorschriften inhaltsgleich in den Bezirken verschiedener LSG gelten, soweit die Übereinstimmung im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist (vgl BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27, RdNr 30 mwN). Der Senat lässt dahingestellt, ob der Kläger das Vorliegen einer solchen bewussten und gewollten Übereinstimmung hier in der erforderlichen Weise dargelegt hat (zu den Anforderungen an die Darlegung vgl BSG Urteil vom 22.3.2006 - B 6 KA 75/04 R - Juris RdNr 14). Jedenfalls unterliegt die Auslegung des Landesrechts durch das LSG, nach der Leistungen für Erwachsene nicht Gegenstand der Weiterbildung von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin sind, keinem Zweifel.

11

Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ist die Definition des Fachgebietes der Kinder- und Jugendmedizin in Abschnitt B Nr 14 der WBO der Sächsischen Landesärztekammer maßgebend, die wie folgt lautet:

        

"Das Gebiet Kinder- und Jugendmedizin umfasst die Erkennung, Behandlung, Prävention, Rehabilitation und Nachsorge aller körperlichen, neurologischen, psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsstörungen und Behinderungen des Säuglings, Kleinkindes, Kindes und Jugendlichen von Beginn bis zum Abschluss seiner somatischen Entwicklung einschließlich pränataler Erkrankungen, Neonatologie und der Sozialpädiatrie."

12

Die Frage, ob Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin Erwachsene behandeln dürfen, ist nicht klärungsbedürftig, weil sich die Antwort unmittelbar aus der WBO ergibt. Danach ist für die Abgrenzung dieses Fachgebietes nicht die angewandte Methode oder ein Organsystem maßgebend, sondern der behandelte Personenkreis, nämlich Säuglinge, Kleinkinder, Kinder und Jugendliche. Dass damit Erwachsene von der Behandlung durch Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin grundsätzlich ausgeschlossen werden, wird durch die Ergänzung "von Beginn bis zum Abschluss seiner somatischen Entwicklung einschließlich pränataler Erkrankungen" betont. Bereits aufgrund der insoweit klaren normativen Regelung ist nicht klärungsbedürftig, ob das Fachgebiet der Kinder- und Jugendmedizin die Behandlung von Erwachsenen einschließt. Im Übrigen trifft die Angabe des Klägers nicht zu, das BSG habe zur Auslegung gerade der Fachgebietsgrenzen der Kinder- und Jugendmedizin noch keine Stellung bezogen. Der Senat hat bereits in einer Entscheidung vom 31.5.2006 (B 6 KA 74/04 R - SozR 4-2500 § 73 Nr 1 RdNr 17; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 5 RdNr 25) dargelegt, dass Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin zwar ein den Ärzten für Allgemeinmedizin vergleichbares umfassendes Leistungsspektrum haben, aber sich von diesen dadurch unterscheiden, dass sie auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen beschränkt sind. Damit ist bereits geklärt, dass gerade in der Beschränkung auf den genannten Personenkreis das entscheidende Abgrenzungsmerkmal der Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin von der Gruppe der Allgemeinärzte liegt. Die daraus folgende besondere Stellung der Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin an der Schnittstelle zwischen haus- und fachärztlicher Versorgung findet ihren Ausdruck insbesondere in der Möglichkeit, ihnen nach § 73 Abs 1 Satz 3 SGB V die gleichzeitige Teilnahme sowohl an der hausärztlichen wie an der fachärztlichen Versorgung zu eröffnen. Kinderärzte, die wie der Kläger über eine Schwerpunktbezeichnung verfügen, können gemäß § 73 Abs 1 Satz 4 SGB V sogar kraft Gesetzes sowohl an der hausärztlichen wie an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen(vgl BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 5 RdNr 25).

13

Dass bei der Definition von Fachgebietsgrenzen nicht (allein) auf die zur Anwendung kommenden Methoden oder auf Körperregionen bzw Organsysteme abgestellt wird, sondern dass (auch) der zu behandelnde Personenkreis für die Abgrenzung von Bedeutung sein kann, ist im Übrigen keine Besonderheit ausschließlich des Fachgebietes der Kinder- und Jugendmedizin, sondern gilt ebenso für die Frauenheilkunde. Dass ein Arzt für Frauenheilkunde grundsätzlich nicht berechtigt ist, routinemäßig Männer zu behandeln, hat der Senat bereits als "auf der Hand" liegend und keiner näheren Erläuterung bedürftig bezeichnet (BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 11). Für die systematische Behandlung von Erwachsenen durch Kinderärzte kann insofern nichts anderes gelten.

14

b) Auch die Frage des Klägers,

        

"ob die Spezialisierung im Rahmen eines Facharztgebiets - hier zum Schwerpunkt Kinderkardiologie im Rahmen der Kinder- und Jugendmedizin - eine Körperbezogenheit des gesamten Fachgebiets eröffnet und damit Auswirkungen auf die Bestimmung der Fachgebietsgrenzen hat"

ist nicht klärungsbedürftig.

15

Wie oben ausgeführt ist der Rechtsprechung des Senats zu entnehmen, dass für die Beantwortung der Frage, welche ärztlichen Leistungen als fachfremd anzusehen sind, allein die Fachgebietsgrenzen entsprechend der Gebietsdefinition nach der WBO maßgebend sind (stRspr, s zB BSGE 93, 170 = SozR 4-2500 § 95 Nr 8, RdNr 6; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 5 RdNr 8; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 7 RdNr 11 mwN). Daraus folgt, dass Schwerpunktbezeichnungen oder Zusatzbezeichnungen (zu Letzterem vgl BSG Urteil vom 22.3.2006 - B 6 KA 75/04 R - Juris RdNr 14; BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 7 S 29; BSGE 84, 290, 295 = SozR 3-2500 § 95 Nr 21 S 89 f) keinen Einfluss auf die Beurteilung der Fachfremdheit einer Leistung haben. Dass es sich bei Schwerpunktbezeichnungen (auch) nach der sächsischen WBO um eine auf die Facharztweiterbildung aufbauende Spezialisierung handelt, die die Fachgebietsgrenzen nicht erweitert, hat das LSG im Übrigen in seiner Entscheidung unter Bezugnahme auf die maßgebenden landesrechtlichen Bestimmungen (§ 2 Abs 3 Satz 1 WBO: "Ein Schwerpunkt wird durch eine auf der Facharztweiterbildung aufbauenden Spezialisierung im Gebiet beschrieben.") dargelegt. Neben der Bezeichnung des Schwerpunkts als "Kinderkardiologie" sprechen auch die im Urteil des LSG dargestellten Inhalte der landesrechtlich geregelten Weiterbildung in diesem Schwerpunkt gegen eine Erweiterung der Fachgebietsgrenzen, weil danach nur kardiologische Leistungen "bei Kindern und Jugendlichen von Beginn bis zum Abschluss ihrer somatischen Entwicklung" umfasst sind.

16

Da geklärt ist, dass eine Spezialisierung innerhalb eines Fachgebiets generell keinen Einfluss auf die Fachgebietsgrenzen und die Fachfremdheit einer Leistung hat, steht auch fest, dass eine Spezialisierung im Gebiet der Kinder- und Jugendmedizin nicht die Überschreitung der Grenzen dieses Fachgebietes ermöglicht. Weder die Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiologie noch das sog EMAH-Zertifikat können danach eine Erweiterung der Fachgebietsgrenzen begründen.

17

Eine abweichende Beurteilung ist hier nicht deshalb geboten, weil nach Ansicht des Klägers die adäquate Versorgung Erwachsener mit angeborener Herzerkrankung nicht sichergestellt ist. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass eine den gesetzlichen Vorgaben widersprechende Ermächtigung oder Abrechnungsgenehmigung auch unter Sicherstellungsgesichtspunkten nicht erteilt werden kann (BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 15, 39 - 40; BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 10 RdNr 12; zur Sicherstellung der Versorgung im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin vgl bereits BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 5 RdNr 42 mwN).

18

c) Der Kläger hält ferner für klärungsbedürftig,

        

"ob die generelle und ausnahmslose Beschränkung eines Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin auf sein Fachgebiet auf Grundlage der WBO allein wegen des Altersbezugs den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit entspricht."

19

Die Formulierung dieser Rechtsfrage unterstellt, dass die Beschränkung auf die Fachgebietsgrenzen generell und ausnahmslos gelten würde. Dies trifft indes nicht zu. So gelten nach ständiger Rechtsprechung Ausnahmen für Notfallbehandlungen und für Leistungen, bei denen dem behandelnden Arzt ausnahmsweise im Einzelfall die Überweisung an einen anderen Gebietsarzt nicht zumutbar wäre sowie für fachfremde Leistungen, die im Verhältnis zu der vorgenommenen Fachbehandlung von gänzlich untergeordneter Bedeutung sind (vgl BSGE 84, 290, 296 = SozR 3-2500 § 95 Nr 21 S 90 f mwN). Um eine entsprechende ausnahmsweise Behandlung von Erwachsenen geht es dem Kläger hier aber gerade nicht. Vielmehr möchte er mit der Ermächtigung die Möglichkeit erhalten, systematisch fachfremde Leistungen innerhalb des Systems der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zum Vertragsarztrecht jedoch ausgeschlossen. Auch wenn die Erbringung fachfremder Leistungen in geringfügigem Umfang toleriert wird, kann daraus keine "grundsätzliche Ermächtigung" eines Gebietsarztes hergeleitet werden, bestimmte fachfremde Leistungen generell in sein Leistungsangebot aufzunehmen (BSG SozR 2200 § 368a Nr 20 S 72 f).

20

Die Vereinbarkeit der darin liegenden Beschränkung mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen ist entgegen der Auffassung des Klägers ebenfalls geklärt. Bereits in seinem Beschluss vom 16.7.2004 (1 BvR 1127/01 - SozR 4-2500 § 135 Nr 2) hat das BVerfG ausgeführt, es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das BSG zur Abgrenzung abrechnungsfähiger ärztlicher Leistungen auf die für das jeweilige Fachgebiet in der WBO genannten Inhalte und Ziele der Weiterbildung und die dort genannten Bereiche abstelle, in denen eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erworben werden müssen. Im Hinblick auf die og gefestigte Rechtsprechung des Senats zur vertragsarztrechtlichen Begrenzung des Arztes auf sein Fachgebiet sowie eine diese Rechtsprechung ausdrücklich billigende Entscheidung des BVerfG besteht keine Klärungsbedürftigkeit der vom Kläger aufgeworfenen Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung auch von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin auf ihr Fachgebiet. Aus der Entscheidung des BVerfG vom 1.2.2011 (1 BvR 2383/10 - BVerfGK 18, 345 = NZS 2012, 62) mit der sich bereits das LSG in seiner Entscheidung befasst hat, folgt nichts anderes. Diese Entscheidung hatte nicht die Begrenzung der vertragsärztlichen Tätigkeit zum Gegenstand (vgl dazu Clemens in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106a SGB V RdNr 107; Hahn/Sendowski, NZS 2011, 728, 731 f; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 28.5.2014 - L 11 KA 36/11 - Juris RdNr 38, Revision anhängig unter B 6 KA 13/15 R; Bonvie, jurisPR-MedizinR 2/2011 Anm 1). Das BVerfG hat einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vielmehr wegen einer berufsrechtlichen Verurteilung angenommen, die ihren Grund in einer nur geringfügigen Erbringung fachfremder Leistungen hatte. Darum geht es im vorliegenden Verfahren nicht. Bezogen auf die vertragsärztliche Versorgung hält der Senat in Kenntnis der og genannten Entscheidung des BVerfG vom 1.2.2011 an seiner - mit Beschluss des BVerfG vom 16.7.2004 (1 BvR 1127/01 - SozR 4-2500 § 135 Nr 2) gebilligten - Rechtsprechung fest, nach der Ärzte grundsätzlich nicht berechtigt sind, systematisch Leistungen außerhalb der Grenzen ihres Fachgebiets zu erbringen und abzurechnen.

21

Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf besteht hier auch nicht unter dem Aspekt des stetigen Wandels der medizinischen Erkenntnisse. Dazu hat der Senat bereits entschieden, dass sich die für das Weiterbildungsrecht zuständigen Ärztekammern solchen Entwicklungen nicht generell verschließen und Anpassungen des Rechts nicht willkürlich unterlassen dürfen (vgl BSGE 84, 290, 297 = SozR 3-2500 § 95 Nr 21 S 91 f; zu diesem Aspekt bereits BSG SozR 3-1500 § 96 Nr 3 S 8). Anhaltspunkte dafür, dass die vom Kläger als nicht sachgerecht bewertete Verweigerung einer Öffnung der Kinderkardiologie für die Behandlung Erwachsener mit angeborenen Herzfehlern als willkürlich qualifiziert werden könnte, sind weder vom Kläger dargelegt worden noch für den Senat erkennbar. Für die Entscheidung dieser Frage sind vielmehr zahlreiche, mitunter gegenläufige Gesichtspunkte zu beachten. Für die Öffnung des Fachgebietes in dem vom Kläger gewünschten Sinne spricht der Aspekt der Behandlungskontinuität; die Betroffenen könnten kardiologisch auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres von dem Arzt weiterbehandelt werden, der sie schon im Kinder- und Jugendalter behandelt hat. Dagegen kann angeführt werden, dass mit zunehmendem Alter der Patienten auch die kardiologische Behandlung in die Hand von Ärzten übergehen sollte, deren Erfahrungen nicht auf Kinder und Jugendliche beschränkt sind, sodass sie mit typischen Erkrankungen von Erwachsenen und möglichen Wechselwirkungen mit der Herzerkrankung oder etwa mit Fragen der Familienplanung bei Frauen mit Herzfehlern nicht vertraut sind. Insoweit spricht vieles dafür, dass ein Behandlerwechsel auch bei angeborenen oder in der Kindheit erworbenen Herzerkrankungen im Lebensverlauf erforderlich wird. In diese Richtung weisen auch die Empfehlungen des "Gutachten 2009 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen - Koordination und Integration - Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft des längeren Lebens" (BT-Drucks 16/13770 S 219 ff) die sich nicht auf die Übergangsproblematik bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern beschränken, sondern vergleichbare Probleme bei der Behandlung weiterer chronischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter wie endokrinologische Erkrankungen, Mukoviszidose, terminale Niereninsuffizienz und rheumatoide Arthritis zum Gegenstand haben. Daraus wird deutlich, dass die vom Kläger angesprochenen medizinischen und gesundheitspolitischen Fragen nicht isoliert für Herzerkrankungen beantwortet werden können. Die Vorschläge des Sachverständigenrates gehen auch nicht dahin, dass Kinder- und Jugendliche mit bestimmten angeborenen Erkrankungen lebenslang von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin behandelt werden sollten, sondern in Richtung auf einen rechtzeitig eingeleiteten koordinierten Übergang der Versorgung sowie eine verbesserte Zusammenarbeit von Pädiatern und Erwachsenenmedizinern. Daraus wird deutlich, dass die Grenzziehung für die Behandlung von Patienten mit angeborenen Herzfehlern mit Eintritt der Volljährigkeit vielleicht im Einzelfall nicht immer zwingend, jedenfalls aber nicht willkürlich ist. Deshalb sind die Vorgaben der zuständigen sächsischen Ärztekammer weiterhin auch für den Kläger maßgeblich.

22

2. Soweit der Kläger das Vorliegen einer Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) rügt, ist die Beschwerde unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügt.

23

Für die Zulassung einer Revision wegen einer Rechtsprechungsabweichung ist Voraussetzung, dass Rechtssätze aus dem Urteil des LSG und aus einer höchstrichterlichen Entscheidung miteinander unvereinbar sind und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44). Für eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG reicht nicht aus, aus dem Urteil des LSG inhaltliche Schlussfolgerungen abzuleiten, die einem höchstrichterlich aufgestellten Rechtssatz widersprechen. Das Urteil des LSG einerseits und die höchstrichterliche Entscheidung andererseits müssen vielmehr jeweils abstrakte Rechtssätze enthalten, die einander widersprechen. Das muss in der Beschwerdebegründung aufgezeigt werden. Dem genügen die Ausführungen des Klägers nicht, denn er zeigt keinen vom LSG aufgestellten abstrakten Rechtssatz auf, der einem vom BSG, dem GmSOGB oder dem BVerfG aufgestellten Rechtssatz widerspricht.

24

Der Kläger hat der Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 1; BSGE 93, 170 = SozR 4-2500 § 95 Nr 8) den folgenden Rechtssatz entnommen:

        

"Solange bei körperbezogenen Fachgebieten die Symptomatik, die Behandlung bzw. die Leidensursache eine Körperregion bzw. ein Organ des eigenen Fachgebietes betrifft, darf die Behandlung auch außerhalb der dem Fachgebiet zugeordneten Bereiche stattfinden."

25

Einen dem widersprechenden abstrakten Rechtssatz aus dem Urteil des LSG hat der Kläger nicht aufgezeigt, sondern nur geltend gemacht, dass das LSG diese Maßstäbe als nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar angesehen habe, weil dem Fachgebiet der Kinder- und Jugendheilkunde keine Körperregion und kein bestimmtes Organ zugeordnet sei, sondern die Abgrenzung nach dem Personenkreis erfolge. Im Übrigen hat das LSG richtig gesehen, dass die vom Kläger in Bezug genommene Rechtsprechung des Senats auf eine Abgrenzung des Fachgebiets nach dem Personenkreis nicht übertragen werden kann (zu den verschiedenen Abgrenzungskriterien vgl BVerfGE 106, 181, 198 = SozR 3-2500 § 95 Nr 35 S 177). Während es möglich ist, durch eine Behandlung außerhalb des dem eigenen Fachgebiet zuzuordnenden Organs bzw der Körperregion eine Symptomatik oder Leidensursache an dem dem eigenen Fachgebiet zuzuordnenden Organ oder in der dem eigenen Fachgebiet zuzuordnenden Körperregion zu behandeln, ist es jedenfalls bezogen auf die hier in Betracht kommende Behandlung angeborener Herzerkrankungen grundsätzlich nicht möglich, eine nicht zum Personenkreis gehörende (erwachsene) Person zu behandeln, um einen Behandlungserfolg an einer anderen, zum entsprechenden Personenkreis gehörenden Person (Kind oder Jugendlicher) zu erzielen. Darum geht es dem Kläger bei der begehrten Ermächtigung auch nicht.

26

Der Entscheidung des BVerfG vom 1.2.2011 (1 BvR 2383/10 - BVerfGK 18, 345 = NZS 2012, 62) hat der Kläger folgenden Rechtssatz entnommen:

        

"Sobald einem Facharzt jedwede Möglichkeit einer rechtmäßigen Leistungserbringung außerhalb seines Fachgebietes verboten wird, wird in unzulässiger Weise in sein Grundrecht auf Berufsfreiheit eingegriffen."

27

Auch insoweit fehlt es an einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Begründung, weil der Kläger keinen davon abweichenden vom LSG aufgestellten abstrakten Rechtssatz aufzeigt. Mit der Frage, ob dem Kläger "jedwede Möglichkeit einer rechtmäßigen Leistungserbringung außerhalb seines Fachgebietes" verboten wird, befasst sich das LSG nicht, und es hatte sich mit dieser Frage auch nicht zu befassen, weil es darauf für die Entscheidung nicht ankam. Damit kann die Entscheidung des LSG auch nicht auf der geltend gemachten Abweichung beruhen. Dem Kläger geht es - wie oben dargelegt - um die systematische und nicht nur geringfügige Erbringung kardiologischer Leistungen außerhalb seines kinderärztlichen Fachgebietes auf der Grundlage des dafür erforderlichen vertragsarztrechtlichen Status in Gestalt einer Ermächtigung. Nur dazu verhält sich die Entscheidung des LSG.

28

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger auch die Kosten des von ihm ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

29

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht der Festsetzung der Vorinstanzen, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.