Bundessozialgericht Urteil, 12. Dez. 2012 - B 6 KA 5/12 R

bei uns veröffentlicht am12.12.2012

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. November 2010 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 4. April 2007 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 4. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2005 wird aufgehoben, soweit Laborleistungen in Behandlungsfällen betroffen sind, bei denen der Notfalldienst nicht von der Klägerin versehen wurde.

Im Übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens für alle Rechtszüge je zur Hälfte.

Tatbestand

1

Streitig sind sachlich-rechnerische Richtigstellungen wegen Abrechnung von Laboruntersuchungen als Notfallleistungen im Quartal IV/2004.

2

Die ambulante Notfallversorgung wurde in der hier betroffenen Region im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) in Räumlichkeiten des Krankenhauses der Klägerin durchgeführt. Den Notfalldienst versahen auf der Grundlage eines Vertrages zwischen der Beklagten und der Klägerin - der Trägerin des Krankenhauses - zum Teil Vertragsärzte und zum anderen Teil Ärzte des Krankenhauses. In dem Vertrag war unter anderem geregelt, dass die diensthabenden Notfallärzte die notfallmäßig erforderlichen Röntgen- und Laboruntersuchungen, soweit diese nicht in der Notfallpraxis vorgehalten werden, vom Krankenhaus beziehen, das sie von der Beklagten vergütet erhält (Vertrag vom 13.12.2002/6.1.2003).

3

Die von der Klägerin bei der Beklagten eingereichte Abrechnung für das Quartal IV/2004 enthielt unter anderem Ansätze der Nr 4066 (Bestimmung der Blutalkoholkonzentration - 12,80 Euro) und der Nr 4365 (Bestimmung des C-reaktiven Proteins - 5,40 Euro) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä aF, hier zugrunde gelegt in der damals geltenden Fassung) im Gesamtwert von ca 1715 Euro. Für diese Leistungen versagte die Beklagte die Vergütung, weil sie im Rahmen der Notfallversorgung nicht abrechenbar seien. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteile des SG vom 4.4.2007 und des LSG vom 17.11.2010). Im Urteil des LSG ist ausgeführt, im Rahmen von Notfallbehandlungen sei nur Gefahren für Leib und Leben sowie unzumutbaren Schmerzen der Patienten zu begegnen; dafür seien Bestimmungen des BAK und des CRP im Regelfall nicht erforderlich. Nach der Erkenntnis des Gerichts, gestützt auf die Sachkunde und Berufserfahrung seiner ehrenamtlichen Richter, könne die Ausprägung einer Alkoholintoxikation unabhängig von der BAK-Bestimmung anhand spezifischer Symptome zuverlässig und für die Notfallversorgung ausreichend festgestellt werden. Zumindest im Regelfall reichten Anamnese und körperliche Untersuchung für die Akutbehandlung bis zur Weiterbehandlung durch einen Vertragsarzt oder bis zum Einsetzen einer stationären Behandlung aus. Wertende Entscheidungen im Einzelfall zur näheren Aufklärung der Symptomatik, wie von der Klägerin geltend gemacht, ließen sich den Behandlungsunterlagen nicht entnehmen. Vielmehr sei die BAK routinemäßig bestimmt worden, zB auch dann, wenn der Alkoholabusus nur eine nicht maßgebliche Nebendiagnose gewesen sei - so bei epileptischem Anfall im Rahmen einer Entzugssymptomatik, bei Querschnittssymptomatik nach evtl alkoholbedingtem Fahrradunfall, bei Brustschmerz oder Bronchitis eines alkoholisierten Patienten - oder ohnehin eine stationäre Einweisung erfolgt sei, in deren Verlauf die BAK noch hätte bestimmt werden können - so im Fall des Verdachts auf psychogenen Krampfanfall und Alkoholhalluzinose -. In anderen Fällen sei die erfolgte BAK-Bestimmung nicht in den Behandlungsunterlagen dokumentiert und demgemäß überhaupt kein Anhaltspunkt für deren Erforderlichkeit erkennbar. Auch die Bestimmung des CRP gehe über den Rahmen der notfallmäßigen Erstversorgung hinaus. Eine Rechtfertigung dafür, diese Bestimmung routinemäßig schon im Rahmen der Notfallversorgung durchzuführen, wie dies die Internisten und Neurologen praktiziert hätten, bestehe nicht, und eine Erforderlichkeit im Einzelfall aus besonderem Anlass ergebe sich weder aus den Behandlungsunterlagen noch sei dies offenkundig.

4

Mit ihrer Revision wendet sich die Klägerin gegen das Urteil des LSG. Verfahrensrechtlich sei zu beanstanden, dass das LSG pauschal für alle Behandlungsfälle davon ausgehe, die BAK- und CRP-Bestimmungen seien im Rahmen der Notfallversorgung nicht erforderlich gewesen. Tatsachenfeststellungen mit ausreichender Sachkunde für jeden Einzelfall habe das LSG nicht getroffen. Medizinische Sachkunde hätte das Gericht nur mit Hilfe der ehrenamtlichen Richter und deren Analyse der Behandlungsunterlagen haben können, die dafür die dem Gericht vorgelegten fünf Aktenordner hätten durchsehen müssen. Indessen sei die Beratungszeit des Gerichts so kurz gewesen, dass die ehrenamtlichen Richterinnen weder die umfänglichen Unterlagen hätten durchsehen noch dem Spruchkörper insgesamt ihre Erkenntnisse hätten spezifiziert vermitteln können. Den Inhalt der Aktenordner habe das Gericht auch nicht in der erforderlichen Weise in das Verfahren eingeführt und zum Gegenstand der Verhandlung gemacht. Ferner seien die Prozessbeteiligten nicht in der gebotenen Art über die Sachkunde der ehrenamtlichen Richter informiert worden; substantielle Informationen über ihre Qualifikation habe das Gericht nicht gegeben. Die in die Sitzungsniederschrift aufgenommene, lediglich pauschale Erklärung der ehrenamtlichen Richterinnen, dass sie Notfalldienst sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich verrichtet hätten sowie nach ihrer Auffassung die Bestimmung des BAK und des CRP nicht zu der im Rahmen der Notfallversorgung gebotenen Diagnostik gehöre und ihnen Ausnahmesituationen nicht ersichtlich seien, reiche nicht aus. Ein Verfahrensfehler liege schließlich auch darin, dass das Gericht dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht gefolgt sei, den sie - die Klägerin - in der mündlichen Verhandlung des LSG hilfsweise gestellt habe. Diesem Hilfsantrag hätte das LSG mangels eigener Sachkunde folgen müssen, da grundlegende, schwierige Fragen medizinischer Art in einer großen Zahl von Fällen angestanden hätten. Auch inhaltlich sei die Entscheidung des LSG zu beanstanden. Dieses hätte differenzieren müssen zwischen den Laboruntersuchungen, die das Krankenhaus auf Anforderung der in der Notfallpraxis diensthabenden Ärzte vorgenommen habe (Auftragsleistungen), und solchen Laboruntersuchungen, die das Krankenhaus durch eigenes Personal veranlasst habe. Der vom LSG angewendete Grundsatz, dass der Leistungserbringer bei Fehlen der Erforderlichkeit einer Untersuchung keinen Anspruch auf Vergütung habe, möge zutreffen, soweit das Krankenhaus die Laboruntersuchungen durch eigenes Personal veranlasst habe, nicht jedoch insoweit, als die in der Notfallpraxis diensthabenden, von der KÄV gestellten Ärzte die Untersuchungen in Auftrag gegeben hätten. Dies seien Auftragsleistungen, bei denen das Vergütungsrisiko nicht den Auftragnehmer, sondern den Auftraggeber treffe. An diesen müsse sich die Beklagte halten; dh sie müsse ggf den Arzt, der den Notfalldienst versehen habe, in Regress nehmen. Bei Auftragsleistungen sei deren Rechtmäßigkeit grundsätzlich nicht vom Auftragnehmer zu prüfen und zu verantworten.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. November 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 4. April 2007 aufzuheben und die Beklagte - unter Aufhebung ihrer Honorarversagung vom 4. April 2005 für die Leistungen nach Nr 4066 und 4365 EBM-Ä aF in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2005 - zu verurteilen, die gestrichenen Leistungen der Nr 4066 und 4365 EBM-Ä aF nachzuvergüten,

hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Verfahrensrügen für verfehlt. Maßgebliche Entscheidungsgrundlage des LSG seien nicht die fünf Aktenordner gewesen, sondern dessen Erkenntnis, dass die BAK- und CRP-Bestimmungen nicht zur Erstversorgung im Rahmen des Notfalldienstes gehörten. Hierbei bedürfe es weder der Überprüfung der Einzelfälle noch besonderer Sachkunde. Es komme auch deshalb nicht auf den Inhalt der Aktenordner an, weil sich wesentliche Fallunterlagen auch in ihrer - der Beklagten - Verwaltungsakte befänden, die das LSG ausweislich des Tatbestands seines Urteils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht habe. Im Übrigen liege diesem Urteil auch nicht nur die Überzeugung der ehrenamtlichen Richter, sondern diejenige des gesamten Spruchkörpers zugrunde, wie das Urteil belege, das sich ausdrücklich auf die "Überzeugung des Senats" berufe. Ferner habe das LSG zu Recht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen, da nur standardmäßige Klärungen angestanden hätten. Schließlich seien auch die inhaltlichen Beanstandungen der Klägerin unberechtigt. Die entscheidende Frage, wen das Vergütungsrisiko bei Auftragsleistungen treffe - den Auftraggeber oder den Auftragnehmer -, sei durch die Rechtsprechung des BSG geklärt. Danach sei die KÄV zur Richtigstellung der Abrechnung des Auftragnehmers berechtigt, wenn dieser den Auftrag wegen erkennbarer Unwirtschaftlichkeit hätte ablehnen müssen. Ein solcher Fall habe hier vorgelegen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin, mit der sie ihr Begehren nach Honorierung aller BAK- und CRP-Laboruntersuchungen im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage weiterverfolgt (unten 1.), hat nur teilweise Erfolg. Soweit (Krankenhaus-)Ärzte im Rahmen des dem Krankenhaus obliegenden Notfalldienstes BAK- und CRP-Laboruntersuchungen anforderten, lehnt die Beklagte es zu Recht ab, sie dem Krankenhaus bzw seinem Träger zu vergüten; denn solche Untersuchungen überschreiten grundsätzlich den Rahmen einer Notfall-Erstversorgung (unten 2.). Soweit den Laboruntersuchungen indessen Zielaufträge von solchen Ärzten an das Krankenhauslabor zugrunde lagen, die im Rahmen des von der beklagten KÄV organisierten Notfalldienstes tätig waren, durfte die Beklagte dem Krankenhaus bzw seinem Träger das Honorar nicht versagen; denn in diesen Fällen war das Krankenhaus(labor) nur der Auftragnehmer einer Überweisung, der die Rechtmäßigkeit der angeforderten Leistung grundsätzlich nicht zu verantworten hat (unten 3.).

9

1. Die Klägerin hat mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG die richtige Klageart gewählt; denn sie wendet sich gegen sog quartalsgleiche Richtigstellungen, nämlich gegen sachlich-rechnerische Richtigstellungen, die die Beklagte sogleich im Zusammenhang mit der Erteilung des Quartalshonorarbescheids vornahm: Die Klägerin macht gegenüber dieser Honorar-Teilversagung zu Recht im Wege der Leistungsklage, verbunden mit der Anfechtungsklage gegen den teilweise ablehnenden Bescheid, das versagte Honorar geltend (zur Klageart vgl BSG vom 10.12.2008 - B 6 KA 66/07 R - Juris RdNr 14; Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann , jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106a RdNr 39 iVm 44).

10

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung der BAK- und CRP-Bestimmungen in den Fällen, in denen diese Laborwerte von Ärzten angefordert wurden, die im Auftrag der Klägerin den Notfalldienst versahen.

11

a) Der Notfalldienst war - wie vom LSG ausgeführt - in der Vereinbarung vom 13.12.2002/ 6.1.2003 zwischen beiden aufgeteilt. Während der sog Öffnungszeiten (§ 1 Abs 1 des Vertrags: MoDiDo 19-23, MiFr 13-23, SaSo und feiertags 8-24 Uhr) oblag es der Beklagten, die Notfallpraxis betriebsfähig mit Personal auszustatten (§ 1 Abs 2 Satz 1 des Vertrags); in den übrigen Zeiten - also ab 23 bzw ab 24 Uhr - oblag dies dem Krankenhaus, das auch das ärztliche Personal zur Verfügung stellte (§ 1 Abs 1 Satz 2 iVm Abs 2 des Vertrags). Auch während der Zeiten, in denen der Beklagten die Organisation oblag, konnten bei Bedarf bzw auf Wunsch die am Krankenhaus angestellten Ärzte im Rahmen einer Nebentätigkeit(serlaubnis) in der Notfallpraxis mitarbeiten (§ 2 Abs 2 des Vertrags). Für den Fall, dass der in der Notfallpraxis diensthabende Arzt Leistungen wie Röntgen- und Laboruntersuchungen, die nicht in der Notfallpraxis durchgeführt werden konnten, für notfallmäßig erforderlich hielt, konnte er diese Leistungen vom Krankenhaus beziehen und dieses sie nach Muster 19 der bundeseinheitlich geltenden Vordruckvereinbarung bei der Beklagten abrechnen (§ 4 Abs 5 des Vertrags). Vorgesehen war ferner, dass das Krankenhaus auch die durch eigenes ärztliches Personal erbrachten Notfallleistungen einschließlich der weiteren Leistungen wie Röntgen- und Laborleistungen direkt mit der Beklagten abrechne (§ 4 Abs 6 des Vertrags mit einer gemäß Satz 3 auf 90 % abgesenkten Vergütung).

12

Diesem Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten lag ein dreiseitiger Vertrag gemäß § 115 Abs 1 iVm Abs 2 Satz 1 Nr 3 und 5 SGB V zugrunde, der am 10.5.1994 zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen sowie den KÄVen Nordrhein und Westfalen-Lippe sowie der Landeskrankenhausgesellschaft abgeschlossen worden war. In § 2 Abs 3 dieses Vertrags war vorgegeben, die Einzelheiten der Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes in einem weiteren Vertrag gemäß § 115 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V zu regeln, wie ihn die Klägerin und die beklagte KÄV dann auch am 13.12.2002/6.1.2003 abgeschlossen hatten.

13

b) Der Abrechnungsanspruch des Krankenhauses gegenüber der Beklagten gemäß § 4 Abs 5 und 6 des Vertrags vom 13.12.2002/6.1.2003 galt nur für "notfallmäßig erforderliche Leistungen wie Röntgen- oder Laboruntersuchungen, die nicht in der Notfallpraxis vorgehalten werden". Danach hatte die Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung, wenn (aa) Leistungen den Rahmen einer Notfall-Erstversorgung überschritten und (bb) das Krankenhaus dies zu verantworten hatte. In diesem Fall war die Beklagte berechtigt, dem Krankenhaus die Vergütung zu versagen; dh sie durfte insoweit die Honoraranforderung des Krankenhauses sachlich-rechnerisch richtigstellen.

14

aa) Eine Überschreitung des Rahmens einer Notfall-Erstversorgung war im Fall der Anforderungen der BAK- und CRP-Laboruntersuchungen gegeben.

15

Der Notfalldienst ist - nur - auf die Notfall-Erstversorgung ausgerichtet: Der Arzt darf nicht mehr Leistungen erbringen und verordnen, als es dem Rahmen der Notfall-Erstversorgung entspricht. Behandlungen im Rahmen des Notfalldienstes haben sich auf die Erstversorgung zu beschränken; sie sind darauf zu konzentrieren, Gefahren für Leib und Leben sowie unzumutbaren Schmerzen der Patienten zu begegnen sowie die Notwendigkeit einer stationären Behandlung abzuklären (vgl hierzu und zum Folgenden BSG vom 17.9.2008 - SozR 4-2500 § 75 Nr 10 RdNr 18 zur Abrechenbarkeit der Leistung der Fremdanamnese im Notfalldienst). Der Behandlungsumfang ist beschränkt auf die Maßnahmen, die bis zum erneuten Einsetzen der Regelversorgung in den üblichen Sprechstundenzeiten erforderlich sind (BSG aaO RdNr 18 mwN; ebenso auch BSG vom 5.2.2003, SozR 4-2500 § 75 Nr 1 RdNr 6 und 14) . Der Umfang der Diagnostik ist auf die Erstversorgung des Patienten ausgerichtet. Befunde, die dazu nicht benötigt werden, sind im Notfalldienst nicht zu erheben. Das schließt prinzipiell weder Röntgen- noch Laboruntersuchungen aus, begrenzt diese indessen vom Ziel der sofortigen, aber oft nur zeitlich begrenzten Behandlung her auf Maßnahmen, die bis zum Übergang des Patienten in die ambulante oder stationäre Regelversorgung unerlässlich sind. Der medizinische Bedarf für die Erstversorgung und nicht die medizinische Infrastruktur der Praxis, in der der Notfalldienst angeboten wird, bestimmen den Umfang der Diagnostik. So kann ein vollwertiger Notfalldienst nach wie vor in Arztpraxen durchgeführt werden, in denen - wenn überhaupt - nur einfache Laboruntersuchungen sofort ausgeführt werden können. Schon deshalb kann eine umfangreiche Labordiagnostik nicht zur Basisversorgung im organisierten Notfalldienst gehören.

16

Entsprechend diesen Abgrenzungen gehören BAK- und CRP-Laboruntersuchungen - jedenfalls im Regelfall - nicht zur Notfall-Erstversorgung. Sie sind für die Erstversorgung in der Regel medizinisch nicht erforderlich und sinnvoll. Die Ausprägung einer Alkoholintoxikation kann im Allgemeinen und typischerweise auch ohne BAK-Bestimmung anhand spezifischer Symptome zuverlässig und für die Notfallversorgung ausreichend festgestellt werden, wie das LSG dargelegt hat (vgl dort unter Hinweis auf Schmidt/Gastpar/Falkai/Gaebel, Evidenzbasierte Suchtmedizin, 2006, S 30). Regelmäßig reichen Anamnese und körperliche Untersuchung aus, um eine Akutbehandlung durchzuführen bzw die Notwendigkeit einer stationären Behandlung zu erkennen. Auch die Bestimmung des C-reaktiven Proteins gemäß Nr 4365 EBM-Ä aF überschreitet - jedenfalls im Regelfall - den Rahmen der Notfall-Erstversorgung. Eine solche Laborbestimmung geht schon vom zeitlichen Ablauf her über eine Notfall-Erstversorgung hinaus, denn ihr Ergebnis liegt erst nach Stunden vor. Für die Einbeziehung in die Notfall-Erstversorgung kann deshalb auch nicht angeführt werden, dass durch eine solche Untersuchung festgestellt werden kann, ob einem Entzündungsprozess eine bakterielle - mit Antibiotika behandelbare - oder eine virale Infektion zugrunde liegt (vgl Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 2012, 263. Aufl 2011, unter dem Stichwort "CRP"), und so vermieden werden kann, unter Umständen unnötigerweise - wenn nämlich eine Virusinfektion vorliegt - Antibiotika zu verordnen.

17

Der Senat hält nicht für völlig ausgeschlossen, dass in besonders gelagerten Einzelfällen die für den Notfalldienst verantwortlichen Ärzte die Bestimmung der BAK und/oder des CRP auch für die Erstversorgung eines Patienten für erforderlich halten können. Wegen des Ausnahmecharakters solcher Fälle müssten die insoweit maßgeblichen medizinischen Diagnosen jedenfalls für die Abrechnungsprüfung erkennbar sein. Bereits aus der Anforderung der BAK- bzw CRP-Bestimmung beim Krankenhauslabor oder aus der Dokumentation über die Notfallbehandlung - anhand der dokumentierten Befunde und/oder Diagnose - müssten sich die für diese ungewöhnliche Diagnostik im Notfalldienst maßgeblichen Umstände ergeben; möglicherweise würde es auch ausreichen, wenn die nähere Begründung im Verfahren des Widerspruchs gegen die sachlich-rechnerische Richtigstellung nachgeliefert wird. Jedenfalls darf eine solche Substantiierung vom Leistungserbringer im Notfalldienst bei der Erbringung normalerweise nur zur Regelversorgung gehöriger Leistungen gefordert werden; denn nur er ist in der Lage, die Umstände zu schildern, aus denen sich die Besonderheit des Falles ergeben könnte (zu vergleichbaren Substantiierungsanforderungen vgl die Senats-Rechtsprechung zur Wirtschaftlichkeitsprüfung zB BSG vom 21.3.2012 - B 6 KA 17/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 40 ff und BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 78/11 B - RdNr 8).

18

Dieser Darlegungsobliegenheit hat die Klägerin hier nicht genügt. Zu keinem der zahlreichen Fälle, in denen die BAK und/oder das CRP bestimmt worden sind, hat die Klägerin substantiiert mit der Abrechnung oder im Widerspruchsverfahren geltend gemacht, weshalb konkret trotz der jeder Notfallversorgung immanenten Beschränkung die umstrittenen Laboruntersuchungen durchgeführt werden mussten. Auch das LSG hat dahingehenden Feststellungen nicht getroffen (zu den Verfahrensrügen der Klägerin gegen das Vorgehen des LSG vgl unten RdNr 21).

19

Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Klärung, ob und unter welchen Voraussetzungen die Bestimmung des CRP als serologische Untersuchung (chemischer Nachweis) nach Nr 3850 des Abschnitts O I/II EBM-Ä aF im Notfalldienst erbracht werden kann. Zumindest liegt das Ergebnis dieser Bestimmung, die geringere Aussagekraft als die Untersuchung nach Nr 4365 des Abschnitts O III EBM-Ä aF hat, sofort vor, und deshalb kann allein diese Bestimmung für die Erstversorgung relevant sein. Die Leistung nach Nr 3850 aaO wird jedoch nach einem gänzlich anderen Verfahren erbracht als diejenige nach Nr 4365 EBM-Ä aF. Daher erfüllt die Bestimmung nach diesem Leistungstatbestand nicht (auch) den Tatbestand der Nr 3850 EBM-Ä aF. Dies schließt eine - hypothetische - Umwandlung der Ansätze nach Nr 4365 in solche nach Nr 3850 EBM-Ä aF aus.

20

bb) Die Verantwortung für die mithin unzulässigen Anforderungen von BAK- und CRP-Laboruntersuchungen trifft die Klägerin, soweit (Krankenhaus-)Ärzte im Rahmen des dem Krankenhaus obliegenden Notfalldienstes solche Laboruntersuchungen anforderten. Soweit die Organisation des Notfalldienstes dem Krankenhaus der Klägerin oblag (ab 23 bzw 24 Uhr, vgl oben 2. a ) , war die Tätigkeit der diensthabenden Ärzte in Anwendung des § 278 BGB dem Krankenhaus zuzurechnen; deshalb war die Beklagte berechtigt, dem Krankenhaus bzw seinem Träger das Honorar für alle diejenigen Leistungen zu versagen, die über die Notfall-Erstversorgung hinausgingen. Insoweit sind die vorinstanzlichen Feststellungen inhaltlich zutreffend.

21

c) Gegenüber diesem Ergebnis greifen die verfahrensrechtlichen Einwendungen, die die Klägerin erhoben hat, nicht durch. Ihre Ansicht, für Feststellungen zur (Nicht-)Erforderlichkeit von BAK- und CRP-Bestimmungen im Notfalldienst bedürfe es besonderer medizinischer Sachkunde - und diese müsse nicht nur bei den ehrenamtlichen Richtern, sondern bei dem Spruchkörper insgesamt vorliegen und auch im Einzelnen spezifiziert werden -, trifft nicht zu. Vielmehr kann die Beurteilung, ob solche Laborbestimmungen sich noch im Rahmen der Notfall-Erstversorgung halten oder ob sie darüber hinausgehen, anhand allgemein zugänglicher medizinischer Erkenntnisse erfolgen, für die es keiner größeren ärztlichen Sachkunde bedarf, als sie ohnehin jeder kassenarztrechtliche Spruchkörper schon aufgrund seiner Zusammensetzung gemäß § 12 Abs 3 SGG hat(vgl zur revisionsgerichtlichen Feststellung genereller Tatsachen zB BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 76; BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 55 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

22

Hieraus folgt zugleich, dass für das LSG kein Anlass bestanden hat, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Weiterhin ergibt sich für die Rüge der Klägerin, das LSG und seine ehrenamtlichen Richterinnen hätten die ihm vorgelegten Aktenordner auswerten müssen, dies aber nicht getan, die Folgerung, eine solche Auswertung hätte weder für das Verfahrensergebnis des LSG noch für das Revisionsverfahren Relevanz haben können; ein Verfahrensmangel lag mithin insoweit nicht vor (vgl § 164 Abs 2 Satz 3 SGG).

23

3. Klage und Revision der Klägerin sind indessen insoweit begründet, als BAK- und CRP-Laboruntersuchungen betroffen sind, denen Zielaufträge von solchen Ärzten an das Krankenhauslabor zugrunde lagen, die im Rahmen des von der beklagten KÄV organisierten Notfalldienstes tätig waren (MoDiDo 19-23, MiFr 13-23, SaSo und feiertags 8-24 Uhr, vgl oben 2. a ) . In solchen Fällen darf die Beklagte dem Krankenhaus das Honorar nicht versagen; denn insoweit waren die Aufträge nicht vom Krankenhaus zu verantworten, sondern von den Ärzten, die im Rahmen der Verantwortung der beklagten KÄV den Notfalldienst versahen. In diesen Fällen war das Krankenhaus(labor) nur der Auftragnehmer einer Überweisung, diesen trifft im Regelfall keine Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der angeforderten Leistungen.

24

a) Werden Zielaufträge von Ärzten, die im Rahmen des von der beklagten KÄV organisierten Notfalldienstes tätig sind, an das Krankenhaus(labor) gerichtet, so sind Auftraggeber und Auftragnehmer verschiedene Personen bzw Institutionen; insofern liegt es anders als in der oben unter 2. b bb dargelegten Konstellation. Dann bestimmen sich die Verantwortlichkeiten nach den Grundsätzen über Auftragsleistungen, die sich aus § 24 Bundesmantelvertrag-Ärzte, § 27 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen ergeben und die der Senat in seinem Urteil vom 8.7.1981 ausführlich dargestellt hat und an denen er weiterhin festhält (BSG vom 8.7.1981 - 6 RKa 3/79 - USK 81 118 S 475 ff = Juris RdNr 17 ff).

25

Nach diesen Grundsätzen ist im Falle eines gezielten Überweisungsauftrags - auch Zielauftrag genannt in Abgrenzung von Überweisungen zur Weiter- oder Mitbehandlung - der Auftragnehmer, der die vom Auftraggeber angeforderte Leistung erbringt, an den Überweisungsauftrag gebunden. Er darf nicht weniger und nicht mehr leisten, als sich aus dem Überweisungsauftrag ergibt (BSG aaO S 476-478 = Juris RdNr 22-25). Er darf nur dann mehr erbringen, als in dem zunächst erteilten Zielauftrag angegeben wurde, wenn dieser vom überweisenden Arzt vor der Auftragsausführung - evtl fernmündlich - erweitert worden ist (BSG aaO S 479 = Juris RdNr 28), bzw bei dessen Nichterreichbarkeit unter Umständen dann, wenn Dringlichkeit besteht und der Auftragnehmer den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde; und er muss dem Auftraggeber die Erweiterung anzeigen (vgl aaO S 478 = Juris RdNr 26). Die grundsätzliche Bindung an den Überweisungsauftrag hat zur Folge, dass der Auftragnehmer, wenn er mehr Leistungen erbringt als angefordert - außer in den genannten Sonderfällen nachträglicher Erweiterung oder der Dringlichkeit -, dafür keine Vergütung beanspruchen kann (vgl BSG aaO S 478 = Juris RdNr 25: "eigenmächtig über den erteilten Auftrag hinaus"). Weniger Leistungen erbringen als angefordert darf er ebenfalls grundsätzlich nicht; die Verantwortung für Inhalt und Umfang des Überweisungsauftrags hat der Auftraggeber (BSG aaO S 477 und 478 bzw RdNr 23 aE und 25 aE). Den Auftragnehmer trifft grundsätzlich keine Pflicht zur Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Umfangs des Auftrags. Dementsprechend hat er auch dann Anspruch auf Vergütung, wenn der Auftrag zu weit greift, zB nicht mehr vom Versorgungsauftrag gedeckt oder unwirtschaftlich ist.

26

Eine (Mit-)Verantwortung des Auftragnehmers kann nur dann in Betracht kommen, wenn sich ihm nach seinem Kenntnis- und Erfahrungsstand hätte aufdrängen müssen, dass der Auftraggeber außerhalb seines Versorgungsauftrags handelte oder eine medizinisch nicht sachgerechte oder nicht notwendige Leistung anforderte. In einem solchen Fall kann bzw muss der Auftragnehmer aufgrund der auch ihm selbst obliegenden Sorgfaltspflicht die Ausführung des Auftrags ablehnen (Fortführung von BSG vom 8.7.1981 aaO S 477 = Juris RdNr 25).

27

Die grundsätzliche Bindung des Empfängers an einen Zielauftrag gilt auch im Rahmen des organisierten Notfalldienstes. Soweit dieser von der KÄV organisiert wird, erteilen die Ärzte, die in der Notfallambulanz tätig werden, dem Krankenhaus Aufträge. Dabei ist zwischen der Verantwortung der Ärzte, die im von der KÄV organisierten Notfalldienst tätig werden, und denjenigen des Krankenhauses zu trennen. Wenn und soweit die Verantwortung bei der KÄV liegt, sind die von ihr eingesetzten Ärzte Auftraggeber und das Krankenhaus(labor) - nur - Auftragnehmer. Für den Umfang des Auftrags trägt der Arzt die Verantwortung, der die Laborleistungen beim Krankenhaus anfordert, und nicht das ausführende Krankenhaus. Dessen Anspruch auf Vergütung der auftragsgemäß erbrachten Leistungen kann grundsätzlich nicht entgegengesetzt werden, der Auftrag hätte so nicht erteilt werden dürfen.

28

b) Eine solche Konstellation mit dem Krankenhaus(labor) als Auftragnehmer war hier nicht nur dann gegeben, wenn ein Vertragsarzt den Notfalldienst für die KÄV wahrnahm und Laboruntersuchungen in Auftrag gab, sondern auch dann, wenn im Rahmen des von der KÄV organisierten Dienstes - dh in den Zeiten MoDiDo 19-23, MiFr 13-23, SaSo und feiertags 8-24 Uhr - ein Krankenhausarzt tätig war; dieser übte dann eine Nebentätigkeit aus (s § 2 Abs 2 des Vertrags vom 13.12.2002/6.1.2003: "im Rahmen einer Nebentätigkeitserlaubnis"), war also gerade nicht als Krankenhausarzt tätig. Dementsprechend war auch in dieser Konstellation der handelnde Arzt der Auftraggeber für die Laboruntersuchungen und das Krankenhaus lediglich Auftragnehmer.

29

Eine Ausnahmesituation, in der es sich dem Krankenhaus(labor) aufdrängen musste, dass die den Notfalldienst versehenden Ärzte die Bestimmung der BAK und/oder des CRP im Rahmen der Erstversorgung der Patienten nicht hätten in Auftrag geben dürfen, lag nicht vor. Die Mitarbeiter des Labors, bei denen die Bestimmung von Laborparametern angefordert wird, haben typischerweise keine Kenntnis von der akuten gesundheitlichen Situation des Patienten und von den Überlegungen, die den Arzt zur Anforderung der Werte veranlasst haben. Sie müssen den Auftrag zügig umsetzen und sich grundsätzlich darauf verlassen, dass diesem eine zumindest vertretbare medizinische Indikation zugrunde liegt. Das ist hinsichtlich der Bestimmung der BAK und des CRP auch im Notfalldienst - wie ausgeführt (RdNr 17) - nicht schlechthin ausgeschlossen. Weiterhin sind Fälle denkbar, in denen der Arzt im Notfalldienst die Bestimmung der BAK (auch) aus forensischen Gründen anfordert oder das CRP bestimmen lässt, weil er sich noch nicht schlüssig ist, ob er den Patienten stationär aufnehmen soll. Das alles können die Mitarbeiter des Labors weder wissen, noch müssen sie es aufklären. Sie müssen im Grundsatz Laboraufträge ausführen, ohne ständig befürchten zu müssen, sich gegenüber ihrem Arbeitgeber für die Ausführung eines Auftrags rechtfertigen zu müssen, weil dieser nachträglich als nicht erforderlich beurteilt wird. Solange Laborbestimmungen angefordert werden, die ihrer Art nach generell medizinisch erforderlich sein können, und keine Anhaltspunkte für ein interessengeleitetes Zusammenwirken von Auftraggeber und Labor bestehen, bleibt die Verantwortung für die Anforderung von Laborleistungen beim Auftraggeber.

30

Daraus ergibt sich für alle Fallkonstellationen eines Zielauftrags des für den von der KÄV organisierten Notfalldienst tätigen Arztes an das Krankenhauslabor, BAK- und/oder CRP-Laboruntersuchungen vorzunehmen, die Folgerung, dass das Krankenhaus Anspruch auf Vergütung der Laboruntersuchungen hat. Die von der Beklagten vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen und die darauf gestützte Vergütungsversagung waren rechtswidrig; Klage und Revision haben insoweit Erfolg.

31

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Wegen des teilweisen Obsiegens und teilweisen Unterliegens sind die Kosten gemäß § 155 Abs 1 Satz 1 VwGO verhältnismäßig zu teilen. Mangels näherer Feststellungen der Vorinstanzen hat der Senat die Gewichte des Unterliegens und des Obsiegens als ungefähr gleichwertig angenommen. Eine dem vergleichbare Relation haben auch die Angaben der Klägerin und der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ergeben; diese haben die Summen der von der KÄV und der vom Krankenhaus zu verantwortenden BAK- und CRP-Laboruntersuchungen ebenfalls als ungefähr gleich hoch geschätzt. Sie stimmten darin überein, dass nicht mehr feststellbar ist, wie das wirkliche Verhältnis der Summen zueinander im Quartal IV/2004 war.

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(1) Jede Kammer des Sozialgerichts wird in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern als Beisitzern tätig. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden wirken die ehrenamtlichen Richter n

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Referenzen - Urteile

Bundessozialgericht Urteil, 12. Dez. 2012 - B 6 KA 5/12 R zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundessozialgericht Urteil, 12. Dez. 2012 - B 6 KA 5/12 R zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 12. Sept. 2012 - B 3 KR 10/12 R

bei uns veröffentlicht am 12.09.2012

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. August 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an ein

Bundessozialgericht Beschluss, 27. Juni 2012 - B 6 KA 78/11 B

bei uns veröffentlicht am 27.06.2012

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. August 2011 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 21. März 2012 - B 6 KA 17/11 R

bei uns veröffentlicht am 21.03.2012

Tenor Die Revisionen der Klägerin sowie der Beigeladenen zu 1. gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 31. August 2010 werden zurückgewiesen.
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Urteil, 12. Dez. 2012 - B 6 KA 5/12 R.

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 24. Juli 2015 - L 12 KA 55/15 B ER

bei uns veröffentlicht am 24.07.2015

Tenor I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 21. April 2015, S 43 KA 274/15 ER wird zurückgewiesen. II. Die Beschwerdeführerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahr

Bundessozialgericht Urteil, 29. Nov. 2017 - B 6 KA 33/16 R

bei uns veröffentlicht am 29.11.2017

Tenor Die Revision der Klägerin gegen den Beschluss des Landessozialgerichts für das Saarland vom 11. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 19. Okt. 2017 - L 5 KA 1/17

bei uns veröffentlicht am 19.10.2017

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 2.11.2016 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand 1 Umstrit

Bundessozialgericht Urteil, 02. Juli 2014 - B 6 KA 30/13 R

bei uns veröffentlicht am 02.07.2014

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 25. April 2013 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Krankenhausträger im Land gemeinsam Verträge mit dem Ziel, durch enge Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten und zugelassenen Krankenhäusern eine nahtlose ambulante und stationäre Behandlung der Versicherten zu gewährleisten.

(2) Die Verträge regeln insbesondere

1.
die Förderung des Belegarztwesens und der Behandlung in Einrichtungen, in denen die Versicherten durch Zusammenarbeit mehrerer Vertragsärzte ambulant und stationär versorgt werden (Praxiskliniken),
2.
die gegenseitige Unterrichtung über die Behandlung der Patienten sowie über die Überlassung und Verwendung von Krankenunterlagen,
3.
die Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes; darüber hinaus können auf Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen ergänzende Regelungen zur Vergütung vereinbart werden,
4.
die Durchführung einer vor- und nachstationären Behandlung im Krankenhaus nach § 115a einschließlich der Prüfung der Wirtschaftlichkeit und der Verhinderung von Mißbrauch; in den Verträgen können von § 115a Abs. 2 Satz 1 bis 3 abweichende Regelungen vereinbart werden,
5.
die allgemeinen Bedingungen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus,
6.
ergänzende Vereinbarungen zu Voraussetzungen, Art und Umfang des Entlassmanagements nach § 39 Absatz 1a.
Sie sind für die Krankenkassen, die Vertragsärzte und die zugelassenen Krankenhäuser im Land unmittelbar verbindlich.

(3) Kommt ein Vertrag nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei das zuständige sektorenübergreifende Schiedsgremium gemäß § 89a.

(3a) (weggefallen)

(4) Kommt eine Regelung nach Absatz 1 bis 3 bis zum 31. Dezember 1990 ganz oder teilweise nicht zustande, wird ihr Inhalt durch Rechtsverordnung der Landesregierung bestimmt. Eine Regelung nach den Absätzen 1 bis 3 ist zulässig, solange und soweit die Landesregierung eine Rechtsverordnung nicht erlassen hat.

(5) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam sollen Rahmenempfehlungen zum Inhalt der Verträge nach Absatz 1 abgeben.

Tenor

Die Revisionen der Klägerin sowie der Beigeladenen zu 1. gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 31. August 2010 werden zurückgewiesen.

Die Klägerin und die Beigeladene zu 1. tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 6.

Tatbestand

1

Im Streit stehen noch Heilmittelregresse für die Quartale I/2002 bis IV/2003.

2

Die Klägerin ist eine im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft), die aus einer Ärztin für Allgemeinmedizin und einem Praktischen Arzt mit der Gebietsarztanerkennung als Chirurg besteht.

3

Der Prüfungsausschuss setzte nach Durchführung einer statistischen Vergleichsprüfung mit Bescheiden vom 20.2.2006 (Quartale IV/2001 bis IV/2002) und vom 8.12.2006 (Quartale I/2003 bis IV/2003) Regresse bei veranlassten Leistungen der physikalischen Therapie (seit dem 1.4.2005 als "physikalisch-therapeutische Leistungen" bezeichnet) fest, soweit der gewichtete Fachgruppendurchschnitt um mehr als 80 % überschritten wurde. Die von der Klägerin hiergegen erhobenen Widersprüche waren nur insoweit erfolgreich, als der beklagte Beschwerdeausschuss die Verordnungskosten in zwei (Quartale I und II/2002) bzw drei besonders kostenintensiven Fällen (Quartale III/2002 bis IV/2003) wegen der Annahme von insoweit bestehenden Praxisbesonderheiten außer Betracht ließ und den Regress auf eine Überschreitung des gewichteten Fachgruppendurchschnitts um mehr als 100 % beschränkte; im Übrigen wies er die Widersprüche zurück (Bescheid des Beklagten vom 2.7.2007).

4

Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Klägerin habe bei veranlassten Leistungen der physikalischen Therapie den - nach dem Rentneranteil gewichteten - Durchschnitt der Fachgruppe - die allgemeinärztlichen Praxen in der früheren KÄV Pfalz - in den geprüften Quartalen um Werte zwischen 143 % und 228 % überschritten. In der Praxis der Klägerin seien Erkrankungsbilder behandelt worden, wie sie in der maßgeblichen Fachgruppe der Allgemeinärzte/Praktischen Ärzte typischerweise zu therapieren seien. Gegen einen ausgeprägten orthopädisch-chirurgischen Praxisschwerpunkt sprächen die regelmäßig gegenüber der Vergleichsgruppe erheblich überdurchschnittlichen Arzneimittelkosten, da die Fachgruppen der Orthopäden und der Chirurgen mit einem Bruchteil der Arzneimittelkosten der Allgemeinärzte/Praktischen Ärzte auskämen, sowie die regelmäßig überdurchschnittliche Abrechnung hausärztlicher Gesprächsleistungen. Besonders bemerkenswert sei, dass die Klägerin mit den Fallkosten für verordnete physikalische Therapie noch über den Durchschnittswerten der Orthopäden sowie der Chirurgen liege. Als Besonderheiten seien angesichts der unterdurchschnittlichen Fallzahl zwei bzw drei kostenintensive Patienten herauszurechnen. Nach Berücksichtigung der hieraus resultierenden Kosten verblieben folgende gewichtete Abweichungen: Quartal I/2002: + 198 %, Quartal II/2002: + 143 %, Quartal III/2002: + 118 %, Quartal IV/2002: + 168 %, Quartal I/2003: + 188 %, Quartal II/2003: + 135 %, Quartal III/2003: + 163 %, Quartal IV/2003: + 168 %. Die verbleibenden Überhöhungen seien zu einem wesentlichen Teil auf Unwirtschaftlichkeiten zurückzuführen. Es fänden sich insgesamt zu lange und intensive Behandlungsserien; weiterhin sei der hohe Anteil an passiver Therapie zu beanstanden. Es zeigten sich keine Hinweise auf kompensierende Einsparungen.

5

Die gegen die verbliebene Regressfestsetzung in Höhe von (seinerzeit) insgesamt 31 521,12 Euro erhobene Klage ist erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 30.9.2009). Das SG hat ausgeführt, die vom Beklagten gewählte Vergleichsgruppe sei weder zu klein noch zu inhomogen. Die zum Vergleich herangezogenen Praxen behandelten im Wesentlichen Patienten mit ähnlichen fachgruppentypischen Krankheitsbildern, und ihr an den Gebührenordnungsnummern erkennbares Leistungsspektrum sei vergleichbar. Der Beklagte habe nachvollziehbar festgestellt, dass auch die Klägerin im Wesentlichen einen mit dem Durchschnitt der Fachgruppe vergleichbaren Patientenstamm mit für allgemeinärztliche Praxen typischen Erkrankungen behandele. Die Überschreitung der durchschnittlichen Heilmittel-Verordnungskosten der Vergleichsgruppe nach Gewichtung des Rentneranteils um 143 % bis 228 % bewege sich im Bereich eines offensichtlichen Missverhältnisses. Deshalb sei der Umfang der Ermittlungen der Prüfgremien auf solche Umstände beschränkt, die für sie ohne Weiteres erkennbar seien oder vom betroffenen Arzt substantiiert dargelegt würden. Der Beklagte habe - abgesehen von den herausgenommenen Behandlungsfällen - keine Besonderheiten gefunden, die die überhöhten Verordnungskosten erklären könnten. Die von der Klägerin angeführten Behandlungsfälle mit hohem Heilmittelbedarf kämen in allen Allgemeinpraxen in vergleichbaren Anteilen vor und beeinflussten demnach die Durchschnittswerte aller Praxen.

6

Im Laufe des nachfolgenden Berufungsverfahrens hat der Beklagte seinen Bescheid aufgehoben, soweit dieser das Quartal IV/2001 betrifft; die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt. Das LSG hat die verbliebene Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil des LSG vom 31.8.2010). Zur Begründung hat es hat auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, bei der Bildung der Vergleichsgruppe die unterdurchschnittliche Fallzahl der Klägerin zu berücksichtigen. Dieser Gesichtspunkt könne allenfalls im Rahmen der Prüfung kompensierender Einsparungen von Bedeutung sein. Die unterdurchschnittliche Fallzahl stehe auch nicht der statischen Vergleichbarkeit entgegen. Die von der Beigeladenen zu 1. zum Umfang der Überschreitungen angestellten Berechnungen seien nicht nachvollziehbar, da sie im Ergebnis die Heilmittelkosten, die bezogen auf einen Fall verursacht würden, nicht berücksichtigten.

7

Praxisbesonderheiten - außerhalb der vom Beklagten bereits herausgerechneten besonders kostenintensiven Fälle - lägen nicht vor. Eine chirurgisch-orthopädische und rheumatologische Ausrichtung der Praxis habe sich nicht bestätigt. Die Zusammensetzung der Patienten und die schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen unterschieden sich nicht wesentlich vom typischen Zuschnitt einer allgemeinärztlichen Praxis. Die unterdurchschnittliche Fallzahl der Praxis der Klägerin könne vielfältige Gründe haben. Kompensierende Einsparungen seien nicht belegt. Dem Einwand der Klägerin, dass die Erbringung physikalisch-medizinischer Leistungen durch die Ärzte selbst bzw Mitarbeiter nicht berücksichtigt worden sei, sei entgegenzuhalten, dass in ihrer Praxis auch der Umfang der selbst erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen über dem Durchschnitt der Fachgruppe liege. Unabhängig hiervon hätte die Klägerin diesen Gesichtspunkt bereits im Prüfverfahren substantiiert geltend machen müssen. Der Vorwurf, der Beklagte habe eine intellektuelle Prüfung unterlassen, sei nicht nachvollziehbar, da diese durchgeführt worden sei.

8

Gegen dieses Urteil haben die Klägerin sowie die Beigeladene zu 1. Revision eingelegt. Die Klägerin rügt die Verletzung von Bundesrecht. Sie habe wegen der besonderen Qualifikation des einen Partners als Facharzt für Chirurgie und Unfallmedizin eine besondere Patientenklientel mit weit unterdurchschnittlicher Fallzahl, fehlenden "Verdünnerfällen", bedeutend erhöhtem Rentneranteil und einem überdurchschnittlichen Anteil chronisch kranker Patienten mit Erkrankungen des Bewegungsapparates. Der Beklagte habe sich nicht hinreichend damit befasst, ob und mit welcher Konsequenz einer unterdurchschnittlichen Behandlungsfallzahl eine auch materiell-rechtliche Bedeutung beizumessen sei. Im Rahmen der medizinisch-intellektuellen Wertung seien bereits auf der ersten Stufe von Amts wegen insbesondere das Behandlungsverhalten und die unterschiedlichen Behandlungsweisen innerhalb der Arztgruppe und die bei dem geprüften Arzt vorhandenen Praxisbesonderheiten in Rechnung zu stellen. Grundvoraussetzung für eine Vergleichbarkeit der Fallkosten sei die Vergleichbarkeit der diesen Fallkosten zugrunde liegenden Behandlungsfälle. Eine unterdurchschnittliche Behandlungsfallzahl stelle die Vergleichbarkeit in Frage.

9

Wäre der Beklagte seinen Ermittlungspflichten nachgekommen, hätte er die Besonderheiten in der Behandlungsausrichtung und damit zugleich einen besonderen Bedarf an physikalisch-medizinischen Leistungen festgestellt. Der Beklagte hätte ergänzend Statistiken aus späteren Quartalen heranziehen müssen, aus denen sich die Zahl der chronisch kranken Patienten ergebe; dann hätte er erkennen können, dass zu den chronisch kranken Patienten der Klägerin mit Erkrankungen des Bewegungsapparates auch chronisch kranke Rheumapatienten zählten, die neben einem besonders hohen Aufwand an physikalisch-medizinischen Leistungen zugleich einen hohen Bedarf an Arzneimitteln verursachten. Der Beklagte habe die Unterschiede von Praxisbesonderheiten, die von Amts wegen festzustellen seien, und kompensierenden Einsparungen verkannt. Es müsse darauf Rücksicht genommen werden, dass physikalisch-medizinische Leistungen teils in der Praxis des Vertragsarztes, teils von nichtärztlichen Einrichtungen erbracht würden, weil hierdurch der Fachgruppendurchschnitt verändert werde. In eigener Praxis erbrachte physikalisch-medizinische Leistungen dürften nicht (erst) als kompensatorische Einsparungen Berücksichtigung finden, sondern seien bereits im ersten Prüfungsschritt zu würdigen. Ohne eine nähere - vom LSG unterlassene - Ausermittlung dieser Umstände fehle es an einer Vergleichbarkeit.

10

Die Beigeladene zu 1. führt aus, der Beklagte hätte der sehr niedrigen Fallzahl nachgehen müssen, weil die Leistungen von zwei Ärzten erbracht würden und sich auch die statistisch ausgewiesene Fallzahl dementsprechend auf zwei Ärzte verteile. Breche man die Fallzahlen der Vergleichsgruppe wie der Klägerin jeweils auf die einzelnen Ärzte herunter, lägen die klägerischen Fallzahlen noch weit deutlicher unterhalb der Werte der Vergleichsgruppe. Dies gebe Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob überhaupt eine vergleichbare Versichertenklientel vorgelegen habe. Multipliziere man die arztbezogene Fallzahl der Klägerin mit deren Heilmittelfallwert, ergäben sich nur bis zu 25 % höhere, zum Teil auch niedrigere Kosten als in der Vergleichsgruppe. Statistisch auffällig würden die Ärzte der Klägerin nur, weil die von ihnen versorgte Zahl der Versicherten wesentlich geringer sei als die Zahl der von den Kollegen der Vergleichsgruppe versorgten Versicherten. Daher komme vorliegend der Frage maßgebliche Bedeutung zu, warum die Ärzte der Klägerin jeweils nur ein gutes Drittel der Versichertenzahl der Vergleichsgruppe behandelten.

11

Die Revisionskläger beantragen übereinstimmend,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 31.8.2010 sowie das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 30.9.2009 und den Bescheid des Beklagten vom 2.7.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Widersprüche der Klägerin zu entscheiden.

12

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

13

Die Klägerin liege ungeachtet ihrer unterdurchschnittlichen Fallzahl über der Grenze von 20 % des Fallzahlendurchschnitts der Vergleichsgruppe, deren Unterschreitung eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten ausschließe. Er - der Beklagte - habe der unterdurchschnittlichen Fallzahl dadurch Rechnung getragen, dass er die im Bescheid näher bezeichneten Patienten als Besonderheit herausgerechnet habe. Eine geringere Fallzahl könne keinen höheren Behandlungsbedarf begründen. Bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten sei es nicht sachgerecht, bei einer Gemeinschaftspraxis die Fallzahl auf die Anzahl der behandelnden Ärzte in der Gemeinschaftspraxis zu beziehen, da diese als Einheit geprüft werde. Der angefochtene Bescheid verstoße auch im Hinblick auf die Prüfungsfolge nicht gegen die Rechtsprechung des BSG. Dass sich keine Besonderheiten ergeben hätten, sei nicht auf eine "verkürzte Informationsgewinnung" des Beklagten zurückzuführen, sondern auf den tatsächlichen Gegebenheiten in der Praxis der Klägerin. Diese weise sowohl bei den in eigener Praxis erbrachten als auch bei den veranlassten physikalisch-medizinischen Leistungen Überschreitungen auf. Hinzu komme, dass die in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen aufgrund ihrer Art, Intensität und Kosten nur sehr bedingt mit den fremd veranlassten Heilmitteln im Zusammenhang stünden. Im Übrigen habe die Klägerin hierzu im Verwaltungsverfahren nichts vorgetragen; ein im Verwaltungsverfahren unterbliebener Sachvortrag könne jedoch wegen des eingeschränkten Prüfungsumfangs nicht im Verfahren vor den Sozialgerichten nachgeholt werden.

14

Die zu 2. beigeladene AOK führt - ohne einen Antrag zu stellen - ergänzend aus, der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, Ermittlungen zu den Ursachen der geringen Fallzahl anzustellen; vielmehr sei es Aufgabe des geprüften Arztes, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht Gründe für die unterdurchschnittlichen Fallzahlen vorzubringen. Diese müsse er bereits im Verwaltungsverfahren substantiiert darlegen. Dies gelte auch für das Vorbringen, durch welche veranlassten Leistungen die Klägerin welche Einsparungen bei den in der Praxis erbrachten Leistungen erzielt habe.

15

Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

16

Die Revisionen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. sind zulässig (zur Rechtsmittelbefugnis und Aktivlegitimation der KÄVen in Angelegenheiten der Wirtschaftlichkeitsprüfung vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 12 mwN; dem vergleichbar in Zulassungsangelegenheiten: BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 23/11 R - SozR 4-2500 § 103 Nr 8 RdNr 13, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Die Revisionen sind aber unbegründet. Das LSG hat die angefochtenen Regressbescheide im Ergebnis zu Recht nicht beanstandet. Diese Bescheide, die alleiniger Gegenstand des Verfahrens sind (vgl hierzu stRspr des BSG, zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 15 mwN; Nr 29 RdNr 14; zuletzt BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 11 mwN), sind rechtmäßig.

17

1. Rechtsgrundlage der Verordnungsregresse ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, mit weiteren - aber für den vorliegenden Rechtsstreit nicht relevanten - Änderungen, für das Jahr 2002 zuletzt noch Änderung vom 19.12.2001, BGBl I 3773). Danach wurde die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder am Maßstab von Richtgrößenvolumina (§ 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V) und/oder anhand von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2), geprüft. Nach dieser Gesetzeslage war davon auszugehen, dass die Prüfung nach Durchschnittswerten wegen ihres hohen Erkenntniswerts bei verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand die Regelprüfmethode darstellte (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 13; ebenso BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13; vgl zuletzt BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 19, 27). Bei dieser Prüfmethode wird der Aufwand des geprüften Arztes je Fall mit dem durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe - im Regelfall der Arztgruppe, der der Arzt angehört - verglichen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Vergleichsgruppe im Durchschnitt insgesamt wirtschaftlich handelt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 303; Nr 55 S 307 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 14, 15; Nr 3 RdNr 14; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13). Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungs- oder Verordnungsaufwand des geprüften Arztes - beim Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten - in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, diesen nämlich in einem Ausmaß überschreitet, das sich nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur wie Praxisbesonderheiten und/oder sog kompensierende Einsparungen erklären lässt, so ist die Folgerung der Unwirtschaftlichkeit gerechtfertigt (stRspr, s dazu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 319; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13). Dabei obliegt die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen dem Arzt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 298 f mwN; Nr 57 S 325; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13; Nr 29 RdNr 30 mwN). Die Prüfgremien sind allerdings zu Ermittlungen von Amts wegen hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet, die typischerweise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher augenfällig sind (vgl hierzu - betr in eigener Praxis oder verordneter physikalisch-medizinischer Leistungen - BSG vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - Juris RdNr 21 = USK 85190 S 1014 f; vgl zB auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 51 S 277; Nr 53 S 295 oben). Bei den erforderlichen Bewertungen haben die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum, sodass deren Einschätzungen von den Gerichten nur in begrenztem Umfang überprüft und ggf beanstandet werden können (zu Entscheidungsspielräumen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung s BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36 mwN; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 20; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 22; BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 16, 17, 19).

18

Bei Zugrundelegung dieser rechtlichen Maßstäbe und der gerichtlich nur begrenzt zulässigen Überprüfung sind die angefochtenen Regressbescheide nicht zu beanstanden.

19

2. Die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungen der Klägerin durfte im Wege des Vergleichs mit den Durchschnittswerten der Fachgruppe der Allgemeinärzte/Praktischen Ärzte erfolgen.

20

a) Die Fallzahl der Klägerin reichte als Grundlage für eine Vergleichsprüfung anhand von Durchschnittswerten der Fachgruppe aus.

21

Die Eignung für einen solchen Vergleich ist erst dann zu verneinen, wenn die Fallzahlen des geprüften Arztes so weit unterhalb der Durchschnittswerte der Fachgruppe liegen, dass ein Vergleich nicht mehr aussagekräftig ist. Für einen aussagekräftigen Vergleich hat der Senat auf eine Fallzahl des geprüften Arztes von mindestens 20 % der Vergleichsgruppe und dabei mindestens 100 Behandlungsfälle abgestellt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 45 S 244 ff; vgl auch zB BSG SozR 2200 § 368n Nr 44 S 149 f und Nr 50 S 171).

22

Dieses Mindestmaß hat die Klägerin nicht unterschritten. Nach den Feststellungen des Beklagten wie des LSG lagen ihre Fallzahlen um 33 % bis 39 % unter der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe. Die Mindestfallquote wird im Fall der Klägerin aber auch dann erreicht, wenn man den Einwand der Beigeladenen zu 1. berücksichtigt, dass die Fallzahl bei Gemeinschaftspraxen (Berufsausübungsgemeinschaften) nicht auf die Praxis, sondern auf die in ihr tätigen Ärzte zu beziehen ist. Denn auch nach den auf dieser Basis vorgenommenen Berechnungen der Beigeladenen zu 1. unterschritten die Fallzahlen der Klägerin in den streitgegenständlichen Quartalen die durchschnittlichen Fallzahlen "nur" um die 60 % und lagen damit noch deutlich über dem vom Senat als erforderlich angesehenen Mindestwert.

23

Ungeachtet dessen spricht aber einiges dafür, dass die Prüfgremien die für Einzelpraxen entwickelte Rechtsprechung des Senats zur prozentualen und absoluten Mindestfallzahl in der zu überprüfenden Praxis nicht undifferenziert auf alle Gemeinschaftspraxen (Berufsausübungsgemeinschaften) übertragen dürfen. Bei fachgebietsverschiedenen Praxen ist das ohnehin ausgeschlossen, weil insoweit ganz unterschiedliche Vergleichswerte je nach dem in der Gemeinschaftspraxis vertretenen Fachgebiet herangezogen und dem Behandlungsaufwand der zu prüfenden Gemeinschaftspraxis auf diesem Fachgebiet gegenübergestellt werden. Aber auch bei einer fachgebietsgleichen Gemeinschaftspraxis kann bei besonders niedrigen Fallzahlen für die Prüfgremien Anlass zur Klärung bestehen, ob die Vergleichbarkeit mit dem Durchschnitt noch besteht.

24

Allerdings hat der Beklagte Recht mit seiner Auffassung, dass bei einem Fallwertvergleich grundsätzlich eine fachgebietsgleiche Gemeinschaftspraxis mit einer Einzelpraxis verglichen werden kann, weil die Gemeinschaftspraxis den Patienten im rechtlichen Sinne als Einheit behandelt. Speziell hinsichtlich der Mindestfallzahl als Voraussetzung einer statistischen Vergleichsprüfung ist aber dann, wenn die Grenze von 20 % nur bezogen auf die Gemeinschaftspraxis als Einheit und nicht (mehr) bezogen auf Zahl der dort tätigen Ärzte erreicht wird, eine eingehende Prüfung der Vergleichbarkeit geboten. Die Prüfgremien müssen der Gemeinschaftspraxis zumindest Gelegenheit geben, zu verdeutlichen, worauf diese je Arzt unter Umständen quantitativ kaum noch nennenswerte Mitwirkung an der vertragsärztlichen Versorgung beruht und/oder ob sich ein Arzt oder mehrere Ärzte auf ein ganz kleines Behandlungssegment beschränken. Es muss jedenfalls sichergestellt sein, dass bei der Prüfung von Gemeinschaftspraxen, bei denen die Mindestfallzahlgrenze je Arzt rechnerisch nicht erreicht wird, der Zweck dieser Quote gewährleistet wird, nämlich unterschiedlichen Behandlungsaufwand bei einzelnen Behandlungsformen auszugleichen.

25

b) Die Prüfgremien sind nicht verpflichtet, den Gründen für unterdurchschnittliche Fallzahlen einer Praxis nachzugehen, soweit der Grenzwert von 20 % erreicht oder überschritten ist. Dies ist nicht Gegenstand der sog intellektuellen Betrachtung, die medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte mitberücksichtigt (zur medizinisch-intellektuellen Prüfung vgl zB BSGE 74, 70, 72 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 125; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 13; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19). Eine geringe Fallzahl kann vielfältige Ursachen haben; sie kann zB auf einer Minderung der Leistungsfähigkeit des Arztes beruhen oder Folge einer für die Patienten geringeren Attraktivität bzw Überzeugungskraft des Arztes und/oder seiner Praxis sein. Eine geringe Fallzahl kann dazu führen, dass der Arzt, der dadurch evtl viel Zeit für seine wenigen Patienten hat, geneigt ist, für diese besonders viele Leistungen zu erbringen, womit er uU zugleich trotz seiner geringen Patientenzahl ein auskömmliches Einkommen anstrebt (zu diesen Zusammenhängen vgl Clemens in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 64; zur allgemeinen Problematik anbieterinduzierter Nachfrage gerade bei Praxen mit geringer Patientenzahl s zB BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 17 am Ende mit weiteren BSG-Angaben). Die Vielfalt möglicher Ursachen für eine geringe Fallzahl - für die auch nicht-medizinische Ursachen in Betracht kommen können, die keinen Bezug zum eigentlichen Aufgabenbereich der Prüfgremien haben - spricht gegen die Annahme einer Verpflichtung der Prüfgremien, nach deren Ursache im Rahmen der ihnen obliegenden medizinisch-intellektuellen Prüfung zu forschen. Auch erfordert die Praktikabilität - im Sinne des Gebots, effektive Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchzuführen (vgl hierzu BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 20 mwN) -, dass die Prüfgremien bei Fallzahlen von wenigstens 20 % des Fachgruppendurchschnitts im Regelfall die Vergleichbarkeit als gegeben annehmen dürfen.

26

c) Ebenso wenig sind die Prüfgremien verpflichtet, bereits im Rahmen der medizinisch-intellektuellen Prüfung - also bei der Ermittlung der richtigen Vergleichsbasis - den Umstand zu berücksichtigen, dass physikalisch-medizinischen Leistungen auch in der geprüften Praxis selbst erbracht werden. Auf der ersten Stufe der Prüfung der Grundlagen der Vergleichbarkeit - noch vor dem Einstieg in die weiteren Prüfungsschritte wie Praxisbesonderheiten, kompensierende Einsparungen, offensichtliches Missverhältnis, unwirtschaftlicher Mehraufwand (zu den Prüfungsschritten vgl zB Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand März 2012, § 106 RdNr 290-387, und - zusammengefasst - Clemens in Laufs/Kern, aaO, § 36 RdNr 44-82) - mögen atypische Praxisprägungen in die Betrachtung einzubeziehen sein; diese können sich uU aus Praxisbesonderheiten ergeben. Kompensierende Einsparungen hingegen begründen im Regelfall keine abweichende Praxisprägung: Ihr Wesen besteht darin - das ist die Voraussetzung für die Anerkennung einer "Kompensation" -, dass der vom geprüften Arzt verursachte Mehraufwand und der bei ihm gegebene Minderaufwand medizinisch gleichwertig sind; dies zugrunde gelegt, wird durch kompensatorische Einsparungen - jedenfalls im Regelfall - nur die individuelle Art der Leistungserbringung und das Spektrum der erbrachten Leistungen, nicht aber die Praxisprägung berührt. Dementsprechend erörtert der Senat den unterdurchschnittlichen Umfang der in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen erst unter dem Gesichtspunkt kompensierender Einsparungen (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 325; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 29 f; ebenso BSG vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - Juris RdNr 21 iVm 25 = USK 85190 S 1014 f iVm 1016 mit erst nachrangiger Berücksichtigung; ebenso BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 43 S 238/239).

27

Im Übrigen ist die Abfolge der Prüfungsschritte in der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten nicht zwingend; auf welcher Stufe Abweichungen von der Typik der Vergleichsgruppe berücksichtigt werden, ist nicht strikt vorgegeben; unbedenklich können sie auch erst auf einer nachrangigen Stufe wie zB durch Belassung großzügiger Durchschnittsüberschreitungen berücksichtigt werden, wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat (betr Bildung einer engeren Vergleichsgruppe vgl zB BSGE 50, 84, 87 = SozR 2200 § 368e Nr 4 S 9 f; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 36 S 202 f; BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 21/02 B - Juris RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30; betr kompensierende Einsparungen und Praxisbesonderheiten vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 43 S 238 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 29 f).

28

d) Die im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung gebotene ergänzende intellektuelle Prüfung unter medizinisch-ärztlichen Gesichtspunkten ist, wie sich aus dem Bescheid des Beklagten ergibt, durchgeführt worden. Diese Prüfung muss nicht explizit erfolgen; vielmehr reicht es aus, dass sich eine hinreichende Berücksichtigung der relevanten Gesichtspunkte aus dem Gesamtzuschnitt der Bescheide ergibt, wie das hier der Fall ist (sinngemäß ebenso zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 266; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 323 unten).

29

3. Der Beklagte durfte das Verordnungsvolumen der Klägerin mit demjenigen der Allgemeinärzte/Praktischen Ärzte im Bezirk der früheren KÄV Pfalz (einer der Rechtsvorgängerinnen der zu 1. beigeladenen KÄV) vergleichen. Die Bildung einer engeren - verfeinerten - Vergleichsgruppe war nicht geboten.

30

Deren Bildung bedarf es nur bzw allenfalls dann, wenn die Struktur der Praxis des geprüften Arztes sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung des Patientenklientels als auch hinsichtlich des ärztlichen Diagnose- und Behandlungsangebots von der Typik beim Durchschnitt der Fachgruppe signifikant abweicht (vgl dazu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 264; Nr 57 S 319 ff, 322 ff; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 11; Nr 12 RdNr 16-23). Dies kann der Fall sein, wenn ein Arzt eine Zusatz- bzw Schwerpunktbezeichnung führt, sofern diese Niederschlag im Leistungsspektrum oder in der Ausrichtung der Praxis findet (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 319-322; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 17 ff; ebenso BSG vom 21.3.2012 - B 6 KA 55/11 B - RdNr 8). Die Prüfgremien dürfen solche Abweichungen von der Durchschnittspraxis aber auch - statt durch Bildung einer engeren Vergleichsgruppe - im Rahmen eines späteren Prüfungsschritts als Praxisbesonderheit oder durch Belassung einer größeren Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts berücksichtigen (BSGE 50, 84, 87 = SozR 2200 § 368e Nr 4 S 9 f; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 36 S 202 f; BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 21/02 B - Juris RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30).

31

Nach diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass die Prüfgremien sich nicht veranlasst gesehen haben, eine engere Vergleichsgruppe zu bilden. Veranlassung hierzu gibt weder der Umstand, dass ein Mitglied der Klägerin eine Gebietsarztanerkennung als Chirurg besitzt noch der Gesichtspunkt, dass die Klägerin physikalisch-medizinische Leistungen (auch) in eigener Praxis erbringt.

32

4. Die angefochtenen Bescheide lassen auch im Übrigen Fehler nicht erkennen.

33

a) Der Beklagte hat es ohne Rechtsverstoß abgelehnt, über einige als solche berücksichtigten besonders kostenintensiven Fälle hinaus Praxisbesonderheiten bei der Klägerin anzuerkennen. Er hat ausgeführt, in der Praxis der Klägerin seien Erkrankungsbilder behandelt worden, wie sie in der maßgeblichen Fachgruppe der Allgemeinärzte/Praktischen Ärzte typischerweise zu therapieren seien, und Gründe dargelegt, die gegen einen ausgeprägten orthopädisch-chirurgischen Praxisschwerpunkt sprechen. Mit diesen Ausführungen hat der Beklagte die Anerkennung von Praxisbesonderheiten ohne Überschreitung des ihm insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraums - und mit ausreichender Begründung in den Bescheiden - versagt (zu den Entscheidungsspielräumen vgl oben RdNr 17 am Ende mit BSG-Angaben).

34

Das LSG hat festgestellt, dass die Zusammensetzung der Patienten und der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen sich nicht wesentlich vom typischen Zuschnitt einer Praxis der Fachgruppe unterscheidet. An diese Feststellungen ist das Revisionsgericht gebunden; keiner der Revisionsführer hat dagegen eine Verfahrensrüge entsprechend den dafür bestehenden Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG erhoben(vgl § 163 Halbsatz 2 SGG). Die Prüfgremien sind nicht gehalten, allein aus dem Umstand, dass die Fallzahl der Praxis weit unter dem Durchschnitt liegt, eine Praxisbesonderheit herzuleiten, weil die Behandlung von weniger Fällen nicht zwangsläufig mehr ärztliche Leistungen rechtfertigt (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand März 2012, § 106 RdNr 363 unter Hinweis auf Bayerisches LSG Urteil vom 26.11.1997 - L 12 KA 22/96 - juris RdNr 36; vgl auch oben 2.b ).

35

Soweit der Senat in seinem Urteil vom 26.4.1978 (BSGE 46, 145, 151 = SozR 5550 § 14 Nr 2 S 7) eine außergewöhnlich niedrige Fallzahl als mögliche Praxisbesonderheit angesehen hat, hat er diese Auffassung bereits mit Urteil vom 2.9.1987 (SozR 2200 § 368n Nr 50)aufgegeben. Dort (aaO S 171) hatte der Senat ausgeführt: "Da beim statistischen Wirtschaftlichkeitsbeweis … (nur) … die sogenannten Fallkostendifferenz maßgeblich ist, hat als Vergleichsumstand all das (als unschlüssig) auszuscheiden, was nur die Patientenzahl betrifft. Eine zu niedrige Fallzahl kann daher … nur insoweit von Bedeutung sein, als damit möglicherweise (Fall-)Zahlbereiche unterschritten werden, unterhalb derer ein statistischer Vergleich nicht mehr aussagekräftig ist". Dies ist hier nicht der Fall, wie oben dargelegt worden ist.

36

b) Die Regressbescheide sind auch in Bezug auf die Annahme eines offensichtlichen Missverhältnisses nicht zu beanstanden. Auch bei der Festlegung des offensichtlichen Missverhältnisses haben die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum (BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 13 mwN); die Festlegungen können je nach der Art der Vergleichsprüfung und dem Maß der Homogenität auf Überschreitungen ab 30 % bis 60 % erfolgen (vgl zB BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 13 mwN und BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 50 mwN). Liegt im konkreten Fall der nicht durch Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen erklärbare Mehraufwand in jedem Fall deutlich erkennbar im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses, so dürfen die Prüfgremien auf eine ausdrückliche Festlegung verzichten (vgl BSG aaO RdNr 50). Dies war hier im Hinblick auf die Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts um ca 143 % bis 228 % der Fall, sodass die Regressbescheide auch insoweit nicht zu beanstanden sind.

37

Soweit die Beigeladene zu 1. geltend macht, der Beklagte habe bei der Gegenüberstellung der Heilmittel-Werte der geprüften Praxis und denen der Vergleichsgruppe den Umstand außer Betracht gelassen, dass es sich bei der Klägerin um eine aus zwei Ärzten bestehende Gemeinschaftspraxis handelt, vermag ihr der Senat nicht zu folgen. Da bei der statistischen Vergleichsprüfung die Abrechnungs- bzw Verordnungs-Werte je (Behandlungs-)Fall einander gegenübergestellt werden, ist nicht erkennbar, inwiefern sich die Zahl der in der Praxis tätigen Ärzte auf den Umfang der erbrachten Leistungen je Fall auswirken kann. Auf der Hand liegt dies jedenfalls nicht, da in einer fachgebietsgleichen Gemeinschaftspraxis typischerweise nicht beide Ärzte gleichzeitig Verordnungen für denselben Patienten ausstellen werden.

38

c) Es liegen schließlich auch keine kompensierenden Einsparungen vor, die der Beklagte hätte berücksichtigen müssen. Da die Klägerin nach Feststellung des Beklagten auch bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen den Fachgruppendurchschnitt überschreitet - das hat die Klägerin nicht beanstandet -, stellt sich die Frage nicht, ob derartige Leistungen überhaupt geeignet sind, Überschreitungen bei den veranlassten physikalisch-medizinischen Leistungen zu kompensieren. Aus diesem Grunde bedurfte es hierzu auch keiner näheren Ausführungen im Bescheid des Beklagten.

39

5. Sind die angefochtenen Entscheidungen somit im Ergebnis nicht zu beanstanden, weist der Senat zur Vermeidung von Missverständnissen darauf hin, dass er nicht die Auffassung des LSG teilt, der Hinweis der Klägerin auf die in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen sei schon deshalb nicht beachtlich gewesen, weil er erstmals im Klageverfahren vorgebracht worden sei.

40

In der Wirtschaftlichkeitsprüfung besteht schon immer ein gewisses Spannungsfeld zwischen der nach § 20 Abs 1 SGB X bestehenden Verpflichtung der Prüfgremien, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, und der besonderen Mitwirkungspflicht des geprüften Arztes, die über die allgemeinen Mitwirkungspflichten nach § 21 Abs 2 SGB X hinausgeht(BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 101; BSG Urteil vom 9.3.1994 - 6 RKa 16/92 = USK 94131; BSG Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 58/94 - USK 95137, S 738, insoweit in SozR 3-1300 § 16 Nr 1 nicht abgedruckt). Diese Mitwirkungspflicht ergibt sich daraus, dass dem Arzt ein Vergütungsanspruch nur dann zusteht, wenn er die Leistung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbringen durfte; es ist daher seine Angelegenheit, die zur Begründung seines Anspruchs dienenden Tatsachen so genau wie möglich anzugeben und zu belegen, vor allem, wenn er sich auf für ihn günstige Tatsachen berufen will, die allein ihm bekannt sind oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können (BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 101; BSG Urteil vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - USK 85190 S 1015 f; vgl auch BSGE 59, 211, 215 = SozR 2200 § 368n Nr 40 S 133 und BSG SozR 2200 § 368n Nr 57 S 198).

41

Einwände, die der Arzt erst im gerichtlichen Verfahren vorbringt, obwohl es ihm oblegen hätte, diese schon den Prüfgremien gegenüber zu erheben, können unberücksichtigt bleiben, weil der Arzt nicht berechtigt ist, das Prüfverfahren zu unterlaufen und die den Prüfgremien vorbehaltene Prüfung in das gerichtliche Verfahren zu verlagern (BSG SozR 2200 § 368n Nr 57 S 197/198 - S 198 auch zu Hinweispflichten der Prüfgremien; vgl auch BSG Urteil vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - USK 85190 S 1015 f). Diese Rechtsfolge gebietet jedoch eine differenzierte Beurteilung des Umfangs der Darlegungsobliegenheiten des Arztes im Prüfungsverfahren.

42

Der Arzt ist jedenfalls gehalten, solche Umstände im Prüfungsverfahren, also spätestens gegenüber dem Beschwerdeausschuss, geltend zu machen, die sich aus der Atypik seiner Praxis ergeben, aus seiner Sicht auf der Hand liegen und den Prüfgremien nicht ohne Weiteres an Hand der Verordnungsdaten und der Honorarabrechnung bekannt sind oder sein müssen. Auch ein im Prüfungsverfahren nicht anwaltlich vertretener Arzt ist nicht überfordert, auf derartige Umstände - etwa die Betreuung von Versicherten in Altenheimen - hinzuweisen, wenn sich daraus aus seiner Sicht Auswirkungen auf die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungs- oder Verordnungsweise ergeben. Unterlässt er diesen gebotenen Vortrag, kann er mit seinem verspäteten Vorbringen ausgeschlossen werden.

43

Nicht gefordert werden können von einem Arzt hingegen Einwände, die das Prüfungsverfahren selbst betreffen, also etwa Bedenken gegen die Größe und richtige Zusammensetzung der Vergleichsgruppe. Dieser Einwand ist nicht mit einer - grundsätzlich den Prüfgremien vorbehaltenen - Beiziehung von Unterlagen (so zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 24) vergleichbar. Dasselbe gilt für Aspekte, die auf der Basis der im Prüfverfahren vorliegenden Unterlagen so offenkundig sind, dass die Gremien dem schon von Amts wegen nachgehen müssen (s Clemens in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106 RdNr 151 unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 295), bzw die anhand der bei der KÄV vorhandenen Unterlagen oder den Angaben des Arztes zumindest erkennbar sind (s Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand März 2012, § 106 RdNr 543 unter Hinweis auf BSGE 74, 70, 73 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 126 sowie BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 51 S 277; zur Begrenzung der Mitwirkungspflicht bei "offenkundigen" Anhaltspunkten s auch Engelhard aaO RdNr 548 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 368n Nr 50 S 172 und BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 295). Das kann sich etwa für den hier betroffenen Gesichtspunkt selbst erbrachter physikalisch-medizinischer Leistungen ergeben. Da seit Jahren bekannt und auch in der Rechtsprechung erörtert worden ist, dass vergleichbare Leistungen in Praxen selbst erbracht oder veranlasst werden (s hierzu BSG USK 85190 S 1014 ff), ist bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit solcher Verordnungen dem von Amts wegen nachzugehen; der Arzt muss nicht um den Preis einer Präklusion von sich aus darauf hinweisen, wenn in seiner Praxis physikalisch-medizinische Leistungen nicht oder nur unterdurchschnittlich erbracht werden.

44

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben die Klägerin und die Beigeladene zu 1. die Kosten des Revisionsverfahrens zu gleichen Teilen zu tragen, da sie mit ihren Rechtsmitteln erfolglos geblieben sind (§ 154 Abs 2 iVm § 159 Satz 1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 6. ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. August 2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8221 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger, ein Zahnarzt, wendet sich gegen eine Honorarkürzung, die die Prüfgremien wegen richtlinienwidriger Parodontosebehandlungen bei 15 Versicherten im Zeitraum Mai bis Dezember 2000 festgesetzt haben.

2

Der Prüfungsausschuss setzte einen Regress in Höhe von knapp 9000 Euro fest (Bescheid vom 5.6.2003). Er stützte sich darauf, dass bei den geprüften Behandlungsverfahren die Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen nicht beachtet worden seien. Die Verstöße führte er auf 15 Seiten im Einzelnen auf.

3

Den Widerspruch des Klägers wies der beklagte Beschwerdeausschuss zurück (Bescheid vom 20.4.2005). Im Bescheid ist ausgeführt, der Kläger habe erklärt, er könne gegen die vom Prüfungsausschuss festgestellten Mängel bei den Parodontalbehandlungen nichts vorbringen. Alle Fälle ergäben in mehrfacher Hinsicht Verstöße gegen die Richtlinien des Bundesausschusses.

4

Im Verfahren vor dem SG hat der Kläger nähere Ausführungen zu den einzelnen Vorhaltungen im Bescheid des Prüfungsausschusses vom 5.6.2003 gemacht (Schriftsatz vom 12.12.2005). Das SG hat seine Klage abgewiesen (Urteil vom 5.9.2007, nach Reduzierung des Regressbetrags auf 8221,28 Euro und insoweit übereinstimmender Erledigung); das LSG hat seine Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 31.8.2011). In den Urteilen ist ausgeführt, der Regress wegen der 15 aufgeführten Parodontosebehandlungen sei rechtmäßig. Der Kläger habe im Verwaltungsverfahren die Richtlinienverstöße eingeräumt. Seine Behandlungsweise sei mit den Vorgaben der Richtlinien - unter anderem hinsichtlich der sog Vorbehandlung vor Parodontosebehandlungen - nicht vereinbar. Sowohl das SG als auch das LSG haben ausgeführt, auf die erst im Gerichtsverfahren vom Kläger vorgebrachten Einwände gegen die Beanstandungen in den Bescheiden der Prüfgremien nicht eingehen zu müssen. Dieser Vortrag sei verspätet.

5

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG begehrt der Kläger die Zulassung der Revision.

6

II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

7

1. Die Rüge des Klägers, das SG und das LSG hätten seine Ausführungen in der Klagebegründung zu den 15 Parodontosebehandlungen nicht unter Berufung auf das Urteil des BSG vom 15.11.1995 (6 RKa 58/94 - USK 95137 S 738, insoweit in SozR 3-1300 § 16 Nr 1 nicht abgedruckt) als präkludiert werten dürfen, erfüllt die von ihm angeführten Revisionszulassungsgründe des § 160 Abs 2 Nr 2 und Nr 3 SGG nicht. Die Divergenzrüge ist unzulässig (a), die Verfahrensrüge unbegründet (b).

8

a) Den Anforderungen gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG an die Darlegung einer Rechtsprechungsabweichung wird nur genügt, wenn Rechtssätze aus dem LSG-Urteil und aus einer höchstrichterlichen Entscheidung einander gegenübergestellt werden und dargelegt wird, dass sie nicht miteinander vereinbar sind und dass das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht. Die Beschwerdebegründung enthält schon nicht die erforderliche Gegenüberstellung von Rechtssätzen; es fehlt aber auch an der ausreichenden Darlegung der inhaltlichen Unvereinbarkeit. Worin eine Divergenz zu dem Urteil des BSG vom 15.11.1995 liegen könnte, das das LSG gerade als Grundlage für seine Annahme der Präklusion herangezogen hat (Urteil S 12/13), hat der Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt. Die Ausführungen des LSG greifen vielmehr die Rechtsprechung des BSG auf, für die sich nicht nur das Urteil vom 15.11.1995, sondern auch weitere Urteile anführen lassen (Urteile vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - USK 85190 S 1015 f; vom 11.12.1985 - 6 RKa 30/84 - BSGE 59, 211, 215 = SozR 2200 § 368n Nr 40 S 133; vom 20.9.1988 - 6 RKa 22/87 - SozR 2200 § 368n Nr 57 S 198; ebenso auch das nach Vorlage der Beschwerdebegründung ergangene Urteil des BSG vom 21.3.2012 - B 6 KA 17/11 R - RdNr 40 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die Art und Weise, wie das LSG diese Rechtsprechung fortgeführt hat, lässt eine Abweichung vom BSG nicht erkennen; das LSG hat seine Anwendung dieser Rechtsprechung auf die konkrete Gestaltung des vorliegenden Falles ausgerichtet, der durch das Gegenüber von einerseits der 15-seitigen Expertise der Prüfgremien und andererseits der 16-seitigen Erwiderung des Klägers mit Einzelaufstellungen zu allen 15 Behandlungsfällen gekennzeichnet ist: In einer solchen Situation drängt es sich auf, dass ein sachangemessener Abgleich der Darstellungen im Verhältnis zueinander nur durch die fachkundig besetzten Prüfgremien geleistet werden kann.

9

Dies gilt umso mehr, als der Kläger ausweislich des angefochtenen Bescheids in der Sitzung des Beklagten selbst eingeräumt hat, die Richtlinien über die Parodontosebehandlungen in mehrfacher Hinsicht nicht beachtet zu haben, und sich auf das Vorbringen beschränkt hat, deren Vorgaben seien nicht in jeder Hinsicht fachlich richtig. Hätte der Kläger sich offenhalten wollen, den Ausführungen des Prüfungsausschusses im Bescheid vom 5.6.2003 zu den Verstößen gegen die Richtlinien auch in tatsächlicher Hinsicht entgegen zu treten, so hätte er das zumindest im Sinne hilfsweisen Vorbringens gegenüber dem Beklagten tun müssen.

10

b) Die vom Kläger weiterhin erhobene Verfahrensrüge greift ebenfalls nicht durch. Sie ist unbegründet. Ein Verfahrensmangel setzt voraus, dass dem LSG - auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Auffassung - ein Fehler bei seinem verfahrensmäßigen Vorgehen angelastet wird. Ein solcher Fehler ist nicht erkennbar.

11

Der Kläger macht geltend, das LSG habe ihm nicht vorhalten dürfen, er hätte sein umfängliches Vorbringen zu den einzelnen 15 Behandlungsfällen (Klagebegründung vom 12.12.2005) bereits im Verfahren der Prüfgremien anbringen müssen. Darin liegt die Rüge, das LSG sei von einer falschen Rechtsauffassung über seine - des Klägers - Pflichten zur Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung ausgegangen, also das Vorbringen, dem Urteil des LSG liege eine unzutreffende Rechtsauffassung zugrunde. Dies stellt keine Verfahrensrüge im genannten Sinn dar, weil der Kläger in der Sache rügt, das LSG sei von einem unzutreffenden Verständnis der Mitwirkungspflichten des Klägers ausgegangen.

12

Ein Verfahrensmangel des LSG kommt insoweit auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Amtsermittlungspflicht gemäß § 103 SGG in Betracht. Bei einer Verfahrensrüge, die auf eine Verletzung des § 103 SGG gestützt wird, muss gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ein Beweisantrag benannt und dazu ausgeführt werden, dass das LSG ihm ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt sei, und der Beweisantrag muss im Berufungsverfahren - wenigstens hilfsweise - noch zuletzt zusammen mit den Sachanträgen gestellt werden(zu diesem Erfordernis vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 29 S 49; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5). Diese Voraussetzungen sind ersichtlich nicht erfüllt.

13

c) Schließlich besteht kein Anlass zu einer Überprüfung des Zulassungsgrundes grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Der Kläger hat sich für sein Begehren auf Zulassung der Revision allein auf Nr 2 und Nr 3 aaO berufen, also den Zulassungsgrund grundsätzliche Bedeutung gemäß Nr 1 aaO in seiner Beschwerdebegründung vom 22.11.2011 gerade nicht benannt. Eine solche Rüge könnte im Übrigen auch nicht dem Gesamtzusammenhang entnommen werden; dafür müsste gemäß den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG wenigstens ansatzweise eine konkrete Rechtsfrage in eigener Formulierung klar bezeichnet sowie ausgeführt worden sein, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig ist. Dabei müsste der Beschwerdeführer die einschlägige Rechtsprechung aufführen und sich mit ihr befassen; er müsste sich im vorliegenden Fall also mit der unter a) angeführten Rechtsprechung umfassend auseinandersetzen und aufzeigen, in welcher Richtung er die vom BSG aufgestellten Grundsätze für fortentwicklungsbedürftig hält. Auch diesen weiteren Anforderungen ist nicht genügt.

14

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst; sie haben im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

15

Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Dessen Bemessung erfolgt entsprechend dem Rückforderungsbetrag, über den das LSG inhaltlich entschieden hat.

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

(1) Jede Kammer des Sozialgerichts wird in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern als Beisitzern tätig. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit.

(2) In den Kammern für Angelegenheiten der Sozialversicherung, der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Streitigkeiten auf Grund des § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und der Arbeitsförderung gehört je ein ehrenamtlicher Richter dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber an. Sind für Angelegenheiten einzelner Zweige der Sozialversicherung eigene Kammern gebildet, so sollen die ehrenamtlichen Richter dieser Kammern an dem jeweiligen Versicherungszweig beteiligt sein.

(3) In den Kammern für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts wirken je ein ehrenamtlicher Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten mit. In Angelegenheiten der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten wirken als ehrenamtliche Richter nur Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten mit. Als Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Psychotherapeuten gelten auch bei diesen oder in medizinischen Versorgungszentren angestellte Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten, die Mitglied der Kassenärztlichen oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung sind.

(4) In den Kammern für Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts wirken je ein ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder dem Recht der Teilhabe behinderter Menschen vertrauten Personen und dem Kreis der Versorgungsberechtigten, der behinderten Menschen im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und der Versicherten mit; dabei sollen Hinterbliebene von Versorgungsberechtigten in angemessener Zahl beteiligt werden.

(5) In den Kammern für Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes wirken ehrenamtliche Richter aus den Vorschlagslisten der Kreise und der kreisfreien Städte mit.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. August 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einen Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg für allgemeine Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 655 200 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist eine vom beklagten Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) beschlossene Mindestmenge für die Versorgung mit Kniegelenk-Totalendoprothesen (im Folgenden: Kniegelenk-TEP).

2

1. Dem GBA ist zum 1.1.2004 im Zuge der Neufassung seiner Kompetenzen ua die bis dahin von den Verbänden der Krankenkassen und Krankenhäuser wahrgenommene Aufgabe übertragen worden, die Qualitätssicherung in der stationären Versorgung näher auszugestalten (vgl zuvor § 137 S 4, § 112 Abs 1 SGB V idF des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20.12.1988, BGBl I 2477, und sodann § 137 Abs 1 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 54 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000, BGBl I 1999, 2626, nachfolgend: GKVRefG2000). Seither ist er beauftragt, unter Beteiligung der betroffenen Verbände in Beschlüssen und Richtlinien Maßnahmen der Qualitätssicherung in der stationären Versorgung festzulegen (§ 137 Abs 1 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 104 Buchst a DBuchst aa GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190; sinngemäß ebenso seit der Umgestaltung von § 137 Abs 1 S 1 SGB V durch Art 1 Nr 110 des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378).

3

2. Eine Maßnahme zur Qualitätssicherung in der stationären Versorgung in diesem Sinne ist seit dem 30.4.2002 auch die Steuerung über sog Mindestmengen. Begründet durch das Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (FPG) vom 23.4.2002 (BGBl I 1412) sollen danach Beschlüsse gefasst werden über einen "Katalog planbarer Leistungen ..., bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände" (anfangs: § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V idF von Art 1 Nr 5 Buchst b DBuchst bb FPG, seit dem 1.7.2008 inhaltsgleich fortgeführt durch § 137 Abs 3 Nr 2 SGB V in der Neufassung von § 137 SGB V durch Art 1 Nr 110 des GKV-WSG; im Folgenden jeweils in dieser Neufassung zitiert). In Ergänzung dazu dürfen nach § 137 Abs 3 S 2 SGB V entsprechende Leistungen nicht erbracht werden, wenn die erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen "voraussichtlich nicht erreicht wird". Ausnahmen kann die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde vorsehen, wenn diese Begrenzung "die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährden könnte" (§ 137 Abs 3 S 3 SGB V). Leitend hierfür war die Einschätzung, durch verschiedene Studien werde ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Operationen und der Qualität des Behandlungsergebnisses nachgewiesen. Daher sollten Operationen oder Prozeduren gesucht und bestimmt werden, bei denen ein solcher Zusammenhang in besonderem Maße vorliegt (vgl BT-Drucks 14/6893 S 28 und 31).

4

3. Hierauf gestützt haben zunächst die damals noch zuständigen Verbände der Krankenkassen und Krankenhäuser im Dezember 2003 erste Mindestmengen festgesetzt und eine Verfahrensordnung zu deren Weiterentwicklung beschlossen (Vereinbarung gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V - Mindestmengenvereinbarung - zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen, dem Verband der Privaten Krankenversicherung sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer und dem Deutschen Pflegerat vom 3.12.2003 - im Folgenden: MMV 2003 - nebst Anlage 1 - Katalog der Prozeduren und Leistungen in der OPS-301 Version 2004 - und Anlage 2 - Allgemeine Ausnahmetatbestände gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V). Danach waren Mindestmengen bestimmt für fünf Leistungsbereiche, nämlich für Transplantationen von Leber (jährlich 10), Niere (jährlich 20) und Stammzellen (jährlich 12 ± 2) sowie für komplexe Eingriffe an Speiseröhre (jährlich 5 pro Krankenhaus/pro Arzt) und Bauchspeicheldrüse (jährlich 5 pro Krankenhaus/pro Arzt). Als Ausnahmetatbestand war festgelegt, dass beim Aufbau neuer Leistungsbereiche bzw bei personeller Neuausrichtung bereits bestehender Leistungsbereiche Übergangszeiträume von 36 bzw 24 Monaten eingeräumt werden (Ziffern 4 und 5 der Anlage 2 der MMV 2003).

5

Diesen Katalog von Mindestmengen hat der GBA nach dem Übergang der Zuständigkeit auf ihn weiter fortentwickelt und um den Bereich der Kniegelenk-TEP sowie die Versorgung Frühgeborener mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm ergänzt; die zunächst ebenfalls geplante Einbeziehung koronarchirurgischer Eingriffe hat er hingegen zwischenzeitlich aufgegeben. Insoweit hat sich der Gang der Beratungen über die Einführung einer Mindestmenge für kniegelenksersetzende Eingriffe wie folgt vollzogen:

6

a) Eingeleitet worden ist die Beschlussfassung auf Antrag des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen und des Arbeiter-Ersatzkassenverbandes vom 7.5.2004 mit Erhebungen über den Stand der Literatur sowie Auskünfte und Stellungnahmen, die der GBA von dritter Seite eingeholt hat. Ausgangspunkt dafür war eine Literaturrecherche, die von der Geschäftsstelle des GBA selbst vorgenommen worden ist und zu einer näheren Auswertung von 10 Publikationen aus dem anglo-amerikanischen Bereich über Versorgungen aus den 1980er und 1990er Jahren in Kliniken mit Kniegelenk-TEP bei Fallzahlen zwischen 15 und 200 pro Jahr geführt hat. Zeitgleich hat der GBA durch das Deutschen Krankenhausinstitut (DKI) die Verteilung der Häufigkeit von Kniegelenk-TEP in Deutschland und die Auswirkungen von entsprechenden Mindestmengenvorgaben auf die stationären Versorgungsstrukturen unter besonderer Berücksichtigung der regionalen Verteilungswirkungen ermitteln lassen. Ebenfalls in diesem zeitlichen Rahmen hat er schließlich bei der von der DKG, den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Bundesärztekammer unter Einbeziehung des Deutschen Pflegerats getragenen Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS) eine Sonderauswertung der dort erhobenen Daten nach der "Richtlinie über Maßnahmen der Qualitätssicherung in Krankenhäusern" vom 15.8.2006 (QSKH-RL, BAnz Nr 178 S 6361 vom 20.9.2006, zuletzt geändert am 20.10.2011, BAnz Nr 19 S 402 vom 2.2.2012) erbeten. Zusätzliche Stellungnahmen haben abgegeben die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie eV sowie die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie eV. Nach Auswertung aller Unterlagen hat der GBA die Festsetzung eines Schwellenwertes für Kniegelenk-TEP für das Jahr 2005 noch zurückgestellt und sie zunächst nur dem Grunde nach in den Mindestmengenkatalog für die stationäre Versorgung einbezogen (Beschluss vom 21.9.2004, BAnz Nr 238 vom 15.12.2004 S 24210).

7

b) In der weiteren Folge sind die Beratungen fortgesetzt worden mit Erörterungen zur Methodik der Festlegung von Schwellenwerten und insbesondere dem dabei zu beachtenden Evidenzgrad (Sitzungen des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 26.10.2004 und 11.2.2005). Parallel sind Gespräche mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) über dessen Beteiligung an der Schwellenwertbestimmung geführt worden (Beschlüsse des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 18.3. und 14.7.2004, Sitzungen der "AG Mindestmengen" vom 29.11.2004 sowie 24.2. und 27.4.2005, Sitzungen des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 15.4., 23.5. und 5.7.2005, Sitzungen und Beschlüsse des GBA § 91 abs 7 sgb v> vom 21.12.2004 sowie 17.5. und 21.6.2005). Im Hinblick darauf fand ein von den Spitzenverbänden der Krankenkassen gestellter Antrag auf vorläufige Festsetzung eines Schwellenwertes von 50 Operationen pro Jahr und Krankenhaus mit der Option der Korrektur nach Vorlage eines Schlussberichts des IQWiG zunächst keine Zustimmung (Sitzung des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 15.4.2005). Stattdessen ist das IQWiG im Juni 2005 formell beauftragt worden, Rechenmodelle für die Indikation Kniegelenk-TEP zu entwickeln und diese zur Ermittlung von Schwellenwerten anzuwenden.

8

c) Nachdem sich im weiteren Verlauf abzeichnete, dass das IQWiG seine Bewertung mutmaßlich nicht vor November 2005 würde abschließen können, hat der GBA im Hinblick auf die nach seiner Verfahrensordnung jeweils spätestens bis zum 31. August eines jeden Jahres zu treffende Entscheidung über die Einführung von Mindestmengen (§ 3 Abs 2 der MMV 2003) am 16.8.2005 beschlossen, einen konkreten Schwellenwert für den Bereich der Kniegelenk-TEP bereits vor der Vorlage des Schlussberichts des IQWiG festzulegen und den Wert nach dessen Erhalt ggf nochmals zu korrigieren. Demgemäß ist der Schwellenwert für Kniegelenk-TEP ab dem 1.1.2006 auf 50 pro Jahr und Krankenhaus bestimmt worden (Beschluss vom 16.8.2005, Anlage 1 Nr 6 der MMV 2003, BAnz Nr 175 vom 15.9.2005 S 13864).

9

d) Die Ergebnisse seiner Studien legte das IQWiG mit Vorbericht vom 17.10.2005 und Ab-schlussbericht vom 5.12.2005 vor: Es habe für die untersuchten Risiken "Unbeweglichkeit" und "Infektion" ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Fallzahl und dem entsprechenden Risiko statistisch nachgewiesen werden können. Die Auswertung unterstütze die Hypothese, dass es bei Knie-TEP einen Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität gebe. Jedoch zeige der Zusammenhang zwischen dem primären Qualitätsindikator "Unbeweglichkeit" und der Fallzahl unerwartet einen U-förmigen Verlauf, der das Konzept einer Mindestmengenregelung für dieses Risiko infrage stelle. Eine geeignete Maßnahme zur Verbesserung der Ergebnisqualität scheine hier eher die Definition eines mittleren Leistungsmengenbereichs zu sein, für den indes weitere Untersuchungen notwendig seien. Die Volume-Outcome-Beziehung für den sekundären Qualitätsindikator "Infektion" habe eine sehr flache, mit steigender Fallzahl sehr langsam fallende Risikokurve gezeigt, die die Hypothese unterstütze, dass High-Volume-Krankenhäuser eine bessere Qualität aufwiesen als Low-Volume-Krankenhäuser. Der Erklärungswert der Fallzahlen sei jedoch zu gering gewesen, um aus dieser Beziehung einen klaren eindeutigen Schwellenwert abzuleiten. Eine Assoziation mit einer deutlichen Qualitätsverbesserung habe sich nur für Mindestmengen in höheren Qualitätsbereichen ergeben, was jedoch in Zusammenhang zu den weiteren Qualitätsindikatoren zu sehen sei. Zusammengefasst sei ein wissenschaftlicher Nachweis, dass eine Mindestmengenregelung für Patienten mit Kniegelenk-TEP eine Verbesserung der Ergebnisqualität bewirke, nur über eine kontrollierte Interventionsstudie zu führen (Abschlussbericht S 44 f).

10

e) Nach Veröffentlichung der Berichte des IQWiG hat der GBA mit Beschluss vom 20.12.2005 eine von der DKG im Hinblick auf den Vorbericht des IQWiG beantragte Aussetzung der Mindestmengenfestsetzung für die Kniegelenk-TEP mehrheitlich abgelehnt. Jedoch wurde ein Verfahren für weitere Ausnahmebestimmungen für das Jahr 2006 beschlossen, das es Kliniken mit sehr guter Versorgungsqualität auch unterhalb der Mindestmengen-Schwelle erlaubte, an der Versorgung mit künstlichen Kniegelenken weiter teilzuhaben (Protokoll der Sitzung des GBA vom 20.12.2005). In Einzelfällen ist davon Gebrauch gemacht worden (vgl etwa Beschluss des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 27.9.2006).

11

f) Im weiteren Verlauf hat der GBA die getroffenen Mindestmengen-Festsetzungen in jährlichen Beschlüssen redaktionell der aktuellen Fassung der jeweils maßgeblichen OPS-Klassifikation angepasst und teilweise auch die Fallzahl geändert; im Bereich der Kniegelenk-TEP blieb der Schwellenwert von 50 Operationen pro Jahr und Krankenhaus allerdings unverändert (Beschluss vom 19.12.2006, BAnz Nr 244 vom 29.12.2006 S 7417; Beschluss vom 22.11.2007, BAnz Nr 9 vom 17.1.2008 S 128; Beschluss vom 18.12.2008, BAnz Nr 198 vom 31.12.2008 S 4809; Beschluss vom 17.12.2009, BAnz Nr 198 vom 31.12.2009 S 4582; Beschluss vom 11.11.2010, BAnz Nr 181 vom 30.11.2010 S 3976). Ergänzend hat er eine Studie zu den Auswirkungen der Mindestmengen-Festsetzungen in den verschiedenen Leistungsbereichen in Auftrag gegeben, die im Dezember 2007 vorgelegt worden ist (Geraedts/Ohmann/Blum/Müller, Abschlussbericht zur Begleitforschung zur Einführung von Mindestmengen gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V für den Zeitraum 1.12.2005 bis 30.11.2007).

12

4. Die Klägerin ist Trägerin eines zur Versorgung von gesetzlich Krankenversicherten zugelassenen Krankenhauses mit medizinischem, psychiatrischem und operativem Zentrum mit insgesamt 816 Betten im Jahr 2010. Im Bereich der Chirurgie betreibt sie neben Einrichtungen für weitere Teilbereiche eine Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie und Orthopädie, in der auch kniegelenksersetzende Operationen ausgeführt werden. Damit erreichte sie nach anfänglich geringeren Fallzahlen in den Jahren 2008, 2009 und 2010 Fallzahlen von 29, 40 bzw 50 Eingriffen pro Jahr; im ersten Halbjahr 2011 setzte sie 15 Kniegelenk-TEP ein; bei 50 Operationen im Jahr 2011 hätte sie daraus eigener Angabe zufolge Erlöse von etwa 364 000 Euro erzielen können. 2010 erzielte sie bei einem Umsatz aus Krankenhausleistungen von 91,7 Millionen Euro und einem Gesamtumsatz von 104,9 Millionen Euro einen Jahresüberschuss von 2,8 Millionen Euro (Jahresabschluss der R. Kliniken GmbH zum 31.12.2010, vgl https://www.unternehmensregister.de/ , recherchiert am 13.8. 2012).

13

Im September 2008 hat die Klägerin Klage beim LSG mit dem Ziel erhoben, die Teilnichtigkeit der Mindestmengen-Regelung im Bereich der Kniegelenk-TEP feststellen zu lassen. Sie werde durch sie in unverhältnismäßiger Weise in ihrer ärztlichen Therapiefreiheit eingeschränkt. Die Regelung sei verfassungswidrig. Auch sei von ihr nicht in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht worden. Der Schwellenwert von 50 Operationen im Jahr sei willkürlich und nicht wissenschaftlich belegt.

14

Das LSG hat entschieden, dass die Mindestmengenvereinbarung idF des Beschlusses vom 16.8.2005, zuletzt geändert durch Beschluss vom 11.11.2010, nichtig sei, soweit für Kniegelenk-TEP eine Mindestmenge von 50 pro Krankenhaus festgelegt werde (Urteil vom 17.8.2011): Als verbindliche untergesetzliche Norm sei der angefochtene Beschluss zur Vermeidung nicht hinnehmbarer Rechtsschutzlücken im Hinblick auf Art 19 Abs 4 GG im Wege der Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG überprüfbar. Auch unter Berücksichtigung der gebotenen Zurückhaltung gegenüber der Normsetzungskompetenz des Beklagten habe sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses bei Kniegelenk-TEP iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig sei. Schon verfahrensrechtlich bestünden erhebliche Bedenken, weil der GBA bei der Einführung der Mindestmengen das Ergebnis der IQWiG-Beauftragung nicht abgewartet habe. Jedenfalls lägen für eine in besonderem Maße gegebene Abhängigkeit von Leistungsmenge und Leistungsqualität keine belastbaren wissenschaftlichen Belege vor. Insbesondere habe der Abschlussbericht des IQWiG lediglich die Hypothese bestätigt, dass ein solcher Zusammenhang bestehe. Ein belastbarer, gerichtlich nachprüfbarer wissenschaftlicher Nachweis sei dem IQWiG-Bericht zufolge aber nur über eine kontrollierte Interventionsstudie zu führen.

15

5. Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Feststellungsklage sei unzulässig, weil die Mindestmengenregelung auf weitere Umsetzungsakte entweder über gesonderte Planungsentscheidungen der Landeskrankenhausplanungsbehörde oder im Rahmen der Pflegesatzvereinbarungen nach § 18 KHG angelegt und Rechtsschutz jeweils in diesem Rahmen zu erlangen sei. Unbegründet seien die Bedenken im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf der Beschlussfassung und die Ausführungen zu dem Verhältnis zwischen GBA und IQWiG. Das LSG habe auch den Begriff der planbaren Leistung iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V fehlerhaft ausgelegt und zudem zu Unrecht wissenschaftlich belastbare Belege für eine besondere Kausalität zwischen Leistungsmenge und Leistungsqualität gefordert. Das nach der gesetzlichen Vorschrift erforderliche besondere Maß zwischen Menge und Qualität sei nicht Voraussetzung für die Festlegung der konkreten Mindestmenge, sondern ausschließlich zur Bestimmung des jeweiligen Leistungsbereichs, für den eine Mindestmenge in Betracht zu ziehen sei. Zumindest aber hätte das LSG nicht die Nichtigkeit der Mindestmengenregelung feststellen dürfen; dafür fehle es an einer Rechtsgrundlage.

16

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. August 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.

17

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision des GBA ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG); ob die angefochtenen Mindestmengenbeschlüsse rechtmäßig sind, lässt sich anhand der Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen.

19

1. Zuständig zur Entscheidung des Rechtsstreits ist der erkennende 3. Senat des BSG als Spruchkörper für das (allgemeine) Leistungserbringerrecht der GKV, nicht aber der für Vertragsarztangelegenheiten gebildete 6. Senat des BSG (§ 10 Abs 1, § 12 Abs 2 S 1, § 31 Abs 1 S 1, § 40 S 1 SGG). Streitigkeiten über die Befugnis zur Erbringung von Krankenhausleistungen nach dem SGB V sind entgegen der Auffassung des LSG auch dann der (allgemeinen) Krankenversicherung als Teil der Sozialversicherung iS von § 10 Abs 1 SGG und nicht dem Vertragsarztrecht iS von § 10 Abs 2 SGG zuzuordnen, wenn sie unmittelbar eine Entscheidung des GBA zum Gegenstand haben.

20

Schon in der Vergangenheit sind der erkennende 3. sowie der 1. Senat des BSG in Abgrenzung zur damaligen Rechtsauffassung des 6. Senats (vgl BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 19 ff; fortgeführt von BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 15 ff) davon ausgegangen, dass eine vertragsarztrechtliche Streitigkeit jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn - wie hier - eine vertragsärztliche Leistungserbringung gar nicht in Rede steht (BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 12; BSG SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 9 f; vgl auch Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - SozR 4-2500 § 116b Nr 3 RdNr 10 ff). Dies hat nunmehr der Gesetzgeber mit der zum 1.1.2012 in Kraft getretenen Konkretisierung von § 10 Abs 2 SGG durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze(4. SGB IV-ÄndG) vom 22.12.2011 (BGBl I 3057) ausdrücklich bekräftigt. Dem Vertragsarztrecht explizit zugeordnet sind danach Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien des GBA nur, soweit diese die vertragsärztliche Versorgung betreffen (§ 10 Abs 2 S 2 Nr 1 SGG idF des 4. SGB IV-ÄndG), auf solche Entscheidungen und Regelungen bezogene Klagen in Aufsichtsangelegenheiten gegenüber dem GBA (§ 10 Abs 2 S 2 Nr 2 SGG idF des 4. SGB IV-ÄndG) sowie weitere im Einzelnen aufgeführte Streitigkeiten, zu denen die hier maßgebliche Regelungsmaterie ebenfalls nicht zählt (§ 10 Abs 2 S 2 Nr 3 SGG idF des 4. SGB IV-ÄndG).

21

Im Umkehrschluss folgt hieraus, dass alle sonstigen leistungserbringungsrechtlichen Streitigkeiten der GKV weiterhin den iS von § 10 Abs 1 SGG für die (allgemeine) Krankenversicherung als Teil der Sozialversicherung zuständigen Spruchkörpern zuzuordnen sind(zu dem Regel-Ausnahme-Verhältnis vgl BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 12; BSG SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 5; Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - SozR 4-2500 § 116b Nr 3 RdNr 12). Ebenso ist nach den Materialien auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass bei sektorenübergreifenden oder spezifisch den Krankenhausbereich betreffenden Richtlinien und Beschlüssen des GBA von einer Zuordnung zu den Spruchkörpern für die (allgemeine) Krankenversicherung auszugehen ist. Als solche sind in den Materialien ausdrücklich die hier im Streit stehenden Beschlüsse nach § 137 Abs 3 SGB V aufgeführt(vgl BT-Drucks 17/6764 S 26). Diese Interpretation des Gesetzes haben sich zwischenzeitlich die betroffenen Senate des BSG übereinstimmend zu eigen gemacht (vgl SGb 2012, 495 ff), sodass eine Vorlage an den Großen Senat des BSG zu dieser Frage nicht mehr veranlasst ist (vgl hierzu im Weiteren auch Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - SozR 4-2500 § 116b Nr 3 RdNr 17).

22

2. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Einbeziehung der Kniegelenktotalendoprothetik in die Mindestmengenregelung des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V ab dem 1.1.2006. Erfasst sind damit alle insoweit maßgeblichen Beschlüsse, nämlich zunächst die Aufnahme der Kniegelenk-TEP in den Katalog planbarer Leistungen dem Grunde nach durch Beschluss vom 21.9.2004 (BAnz Nr 238 vom 15.12.2004 S 24210), sodann die Festlegung der Mindestmenge auf jährlich 50 Operationen pro Krankenhaus mit Beschluss vom 16.8.2005 (BAnz Nr 175 vom 15.9.2005 S 13864) sowie desweiteren die wiederholenden Beschlüsse vom 19.12.2006, 22.11.2007, 18.12.2008, 17.12.2009 und 11.11.2010 (BAnz Nr 244 vom 29.12.2006 S 7417; BAnz Nr 9 vom 17.1.2008 S 128; BAnz Nr 198 vom 31.12.2008 S 4809; BAnz Nr 198 vom 31.12.2009 S 4582; BAnz Nr 181 vom 30.11.2010 S 3976). Zu Recht weist der Beklagte zwar darauf hin, dass der Beschluss vom 21.9.2004 unmittelbare Rechtsfolgen für die an der GKV-Versorgung teilnehmenden Krankenhäuser noch nicht gehabt hat. Allerdings tritt die Sperrwirkung des § 137 Abs 3 S 2 SGB V nur ein, sofern die betreffende Leistung - hier die Kniegelenk-TEP - auch dem Grunde nach in den Mindestmengenkatalog nach § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V aufgenommen worden ist. Dies war Gegenstand bereits des Beschlusses vom 21.9.2004, der durch den Beschluss vom 16.8.2005 auch dem Wortlaut nach lediglich um die Mindestmenge von 50 Operationen jährlich ergänzt worden ist. Dementsprechend versteht der Senat das Klagebegehren dahin, dass über die Mindestmengenbestimmung für Kniegelenk-TEP durch die Beschlüsse vom 21.9.2004 sowie 16.8.2005 in der jeweils zu Jahresbeginn aktualisierten Fassung befunden werden sollte und vom LSG auch entschieden worden ist, zuletzt also in Gestalt des Beschlusses vom 11.11.2010.

23

3. Die mit diesem Rechtsschutzziel erhobene Feststellungsklage unmittelbar gegen den GBA hat das LSG zu Recht als zulässig erachtet; dagegen wendet sich der Beklagte ohne Erfolg.

24

a) Nach ständiger und zwischenzeitlich vom Gesetzgeber ebenfalls aufgegriffener Rechtsprechung des BSG gebietet die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 GG die Anerkennung der Feststellungsklage gegen untergesetzliche Rechtsnormen des GBA, wenn die Normbetroffenen ansonsten keinen effektiven Rechtsschutz erreichen können, etwa weil ihnen nicht zuzumuten ist, Vollzugsakte zur Umsetzung der untergesetzlichen Norm abzuwarten oder die Wirkung der Norm ohne anfechtbare Vollzugsakte eintritt (stRspr, vgl zuletzt etwa BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3 RdNr 14; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 22; vgl auch BSG Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 29/10 R - SozR 4-2500 § 92 Nr 13 RdNr 20 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Wie der 6. Senat des BSG bereits eingehend dargelegt hat, leitet das BVerfG aus Art 19 Abs 4 GG ab, dass die Fachgerichte Feststellungsklagen als Rechtsschutzmittel gegen untergesetzliche Rechtsnormen anerkennen müssen (vgl BVerfGE 115, 81, 92 iVm S 95 f = SozR 4-1500 § 55 Nr 3 RdNr 41 iVm 49 ff). Auch ohne eine § 47 VwGO entsprechende Regelung ist danach in der Sozialgerichtsbarkeit gegen untergesetzliche Rechtsnormen des GBA vergleichbarer Rechtsschutz im Wege der Feststellungsklage zu gewähren. Das hat zwischenzeitlich auch der Gesetzgeber bekräftigt, wie insbesondere die durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I 444) eingeführte Regelung des § 29 Abs 4 SGG unter Verzicht auf die Einfügung einer § 47 VwGO entsprechenden Regelung im SGG erweist. Die Zuständigkeitsbestimmung für Klagen ua gegen Richtlinien des GBA nach § 92 SGB V(§ 29 Abs 4 Nr 3 SGG) ist ausdrücklich von der Erwartung getragen, dass nach der Rechtsprechung des BSG Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtssätze weiterhin durch Feststellungsklage zu gewähren und deshalb die Einführung eines allgemeinen Normenkontrollverfahrens wie nach § 47 VwGO für das SGG entbehrlich ist(vgl BT-Drucks 16/7716 S 16). Diese Motivation des Gesetzgebers wird mittelbar dadurch bestätigt, dass das durch Art 4 Nr 4 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) mit Wirkung vom 1.4.2011 eingeführte Normenkontrollverfahren gemäß § 55a SGG ausschließlich Rechtsvorschriften nach oder in Zusammenhang mit § 22a Abs 1 SGB II betrifft.

25

b) Die Mindestmengenbestimmungen des GBA sind untergesetzliche Rechtsnormen in diesem Sinne. Wie die Richtlinien nach § 92 SGB V entfalten sie unmittelbare Bindungswirkung für Versicherte, Krankenkassen sowie Leistungserbringer und sind wie diese dem GBA als Normsetzungsgremium übertragen. Sie ergehen als "Beschluss" (§ 137 Abs 3 S 1 SGB V) und damit wie gemäß § 91 SGB V alle Entscheidungen des GBA in seiner Funktion als rechtsetzende Einrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung. Als solche nehmen sie neben der partiellen Verbindlichkeitsanordnung nach § 137 Abs 3 S 6 SGB V(bis 30.6.2008: § 137 Abs 2 S 1 SGB V idF Art 1 Nr 54 GKVRefG2000) ebenfalls an der generellen Regelung des § 91 Abs 6 SGB V teil, wonach mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 137b SGB V alle Beschlüsse des GBA für Versicherte und Leistungserbringer verbindlich sind. Auch für Zuständigkeit und Verfahren gelten die Maßgaben des § 91 SGB V genauso wie für Richtlinien nach § 92 SGB V. Zuständig für die Mindestmengenbestimmung ist danach das Beschlussgremium des GBA in seiner Besetzung mit von den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, der DKG und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen als Trägerorganisationen des GBA benannten sowie unparteiischen Mitgliedern (§ 91 Abs 2 SGB V). Nach Maßgabe der von ihm zu beschließenden Verfahrensordnung (§ 91 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB V)und nach Anhörung der zu beteiligenden Verbände hat dieses Beschlussgremium jeweils mit Mehrheit zu entscheiden (§ 91 Abs 7 SGB V). Diese konkrete Ausgestaltung - die Delegation der Entscheidungsverantwortung auf die gemeinsame Selbstverwaltung von Leistungserbringern und Krankenkassen, die Regeln für die Entscheidungsfindung sowie die Verbindlichkeit für Versicherte und Krankenhäuser - weist die Mindestmengenbeschlüsse des GBA als Gegenstand untergesetzlicher Normgebung aus. Systematisch entspricht dies den in der Rechtsprechung des BSG hierzu aufgestellten Kriterien und wird bekräftigt durch die Entstehungsgeschichte.

26

In systematischer Hinsicht hat das BSG schon in früheren Entscheidungen zu den durch das GMG zum GBA zusammengeführten Bundesausschüssen bei der Qualifizierung von Richtlinien als untergesetzliche Normen wesentlich auf deren allseitige Bindungswirkung für Versicherte und Leistungserbringer und das zugrunde liegende Regelungskonzept abgestellt, die leistungs- und leistungserbringungsrechtlichen Einzelheiten der GKV-Versorgung auf gesetzlicher Grundlage von Gremien der funktionalen Selbstverwaltung konkretisieren zu lassen (zum Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 91 Abs 1 SGB V idF des GRG grundlegend BSGE 78, 70, 78 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 32 f; BSGE 81, 54, 63 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 18 ff; BSGE 81, 73, 80 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 55 ff; BSGE 81, 182, 187 f = SozR 3-2500 § 109 Nr 5 S 39; zum Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen nach § 91 Abs 1 SGB V idF des GRG BSGE 81, 207, 210 = SozR 3-2500 § 101 Nr 2 S 10; zum Ausschuss Krankenhaus nach § 137c Abs 2 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 57 des GKVRefG2000 BSGE 90, 289, 291 ff = SozR 4-2500 § 137c Nr 1 RdNr 7 ff). Diese Prinzipien gelten nunmehr genauso für die Richtlinien des GBA (vgl grundlegend BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 28, 58 ff; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 40; ebenso BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 32 - 33). Dies lässt nur den Schluss zu, dass die demselben Verfahren unterstellten Mindestmengenbeschlüsse ebenfalls Normeigenschaft besitzen und nicht als Behördenentscheidung mit Verwaltungsaktcharakter zu qualifizieren sind.

27

Das wird auch durch die Historie der Mindestmengenregelung bekräftigt. Die Zusammenführung der verschiedenen (Bundes-)Ausschüsse zum GBA hatte zum Ziel, eine sektorenübergreifende Rechtsetzungseinrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung zu etablieren (vgl BT-Drucks 15/1525 S 106). Dieser funktionalen Zuordnung entsprach die Mindestmengenregelung bereits in der ursprünglichen Fassung mit der Zuständigkeit der Spitzenverbände der Krankenkassen, des Verbands der privaten Krankenversicherung sowie der DKG und dem Auftrag zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen als normativ wahrzunehmender Aufgabe der gemeinsamen Selbstverwaltung (vgl § 137 Abs 1 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 5 Buchst b DBuchst bb FPG iVm Abs 2 S 1 idF von Art 1 Nr 54 des GKVRefG2000). Auch das Zustandekommen dieser Vereinbarungen war ungeachtet ihrer Bezeichnung bereits als Beschlussverfahren mit der Möglichkeit der Hinzuziehung unparteiischer Dritter ausgestaltet (vgl § 137 Abs 3 SGB V idF von Art 1 Nr 54 des GKVRefG2000). Insofern hat zwar mit der Übertragung der Zuständigkeit auf den zum 1.1.2004 neu gebildeten GBA die formale Verantwortung für die Umsetzung der Mindestmengenregelung gewechselt; unberührt davon geblieben ist aber der Rechtscharakter als einer von Anfang an durch untergesetzliche Rechtsetzung zu erfüllenden Aufgabe der gemeinsamen Selbstverwaltung von Krankenkassen und Krankenhäusern.

28

c) Vorrangig wahrzunehmende andere Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Mindestmengenentscheidung stehen der Klägerin nicht offen. Auf sonstige Klagen gegen die Rechtsfolgen untergesetzlicher Rechtsnormen sind die Normbetroffenen nach der Rechtsprechung des BSG nur verwiesen, wenn effektiver Rechtsschutz auch ohne eine Feststellungsklage zu erlangen ist (vgl etwa BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3 RdNr 14; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 22; vgl auch BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 29/10 R - SozR 4-2500 § 92 Nr 13 RdNr 20 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Dass eine solche anderweitige Rechtsschutzmöglichkeit zum Zeitpunkt der Klageerhebung bestanden hätte, ist entgegen der Auffassung des GBA nicht ersichtlich.

29

Mindestmengenbeschlüsse nach § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V sind gemäß § 91 Abs 6, § 137 Abs 3 S 6 SGB V ohne weiteren Vollzugsakt für Versicherte, Krankenhäuser und Krankenkassen unmittelbar verbindlich und stehen daher der Leistungserbringung nach § 137 Abs 3 S 2 SGB V in der Regel ab dem 1. Geltungstag entgegen, wenn die Mindestmenge voraussichtlich nicht erreicht wird. Daran können sich zwar im Gefolge zusätzliche und gesondert angreifbare Rechtsfolgen ergeben, etwa die Versagung der Vergütung einer gleichwohl erbrachten Krankenhausleistung. Eine solche Möglichkeit inzidenten Rechtsschutzes gegen die im Streit stehenden Mindestmengenbeschlüsse ist hier jedoch nicht ersichtlich.

30

Das gilt auch, soweit der GBA auf mögliche Rechtsschutzverfahren im Zusammenhang mit den Pflegesatzverhandlungen nach § 18 KHG verweist. Dabei kann offenbleiben, ob in diesem Rahmen für die Klärung der hier im Streit stehenden Frage überhaupt Raum wäre, was die Klägerin in Zweifel zieht. Denn anders als vom Gesetz vorgesehen (§ 18 Abs 3 S 1 KHG)waren diese Verhandlungen - wie regelmäßig auch sonst - in keinem der hier maßgeblichen Leistungszeiträume bereits vor Leistungserbringung abgeschlossen; sie wurden regelmäßig im laufenden Kalenderjahr überhaupt erst aufgenommen. Selbst wenn also in Rahmen der Pflegesatzverhandlung eine inzidente Prüfung der beanstandeten Mindestmengenbestimmung möglich wäre, hätte auf diesem Weg kein ausreichend effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden können. Denn jedenfalls beim vollständigen Ausschluss auch nur mit einzelnen Leistungen aus der GKV-Versorgung ist es einem Leistungserbringer ständiger Rechtsprechung zufolge nicht zuzumuten, seine Teilnahmebefugnis erst nach Leistungserbringung klären zu können und deshalb - von etwaigen daraus resultierenden Verstößen gegen berufsrechtliche Vorgaben oder Obhutspflichten im Verhältnis zu Patienten sowie möglichen sonstigen Folgen ganz abgesehen (vgl zu den Konsequenzen einer Teilnahme an der Krankenhausversorgung ohne Zulassung BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 43 ff) - zumindest das Risiko zu tragen, die gleichwohl erbrachten Leistungen nicht vergütet zu erhalten (vgl etwa BSGE 109, 9 = SozR 4-2500 § 126 Nr 3, RdNr 8; BSGE 103, 78 = SozR 4-3300 § 71 Nr 1, RdNr 9). Dieses unwägbare Risiko rechtfertigt deshalb eine Feststellungsklage unmittelbar gegen den GBA, wenn - wie hier - die Rechtmäßigkeit der Mindestmengenbestimmung dem Grunde nach im Streit steht; ob das auch gilt, wenn ausschließlich um ihre Anwendbarkeit im Einzelfall - etwa wegen schwankender Leistungsmengen in den Vorjahren - gestritten wird, kann hier offenbleiben.

31

4. Rechtsgrundlage der Mindestmengenbeschlüsse ist § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V. Danach fasst der GBA für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten auch Beschlüsse über einen Katalog planbarer Leistungen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände. Die in Wahrnehmung dieses Auftrags erlassenen, im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden normativen Beschlüsse sind nach der Rechtsprechung des BSG formell und auch inhaltlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (stRspr, vgl nur BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 - LITT; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 26 - Arzneimittelfestbeträge; Schlegel, MedR 2008, 30, 32; Hauck, NZS 2010, 600, 611 f). Uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt deshalb, ob die fragliche Versorgung - hier die Kniegelenk-TEP - zu Recht der Mindestmengenbegrenzung unterworfen worden ist, weil sie eine "planbare Leistung" darstellt, bei der iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V "die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist"; insoweit sind dem GBA Gestaltungsspielräume nicht belassen. Erst bei Erfüllung dieser Voraussetzungen ist er befugt, als Normgeber zu entscheiden. Soweit diese letztere Kompetenz reicht, darf allerdings die sozialgerichtliche Kontrolle ständiger Rechtsprechung des BSG zufolge ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom GBA getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (vgl nur BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 9, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, RdNr 25 - Basistherapeutika bei Neurodermitis; ähnlich BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 68 - Therapiehinweise). Daran gemessen ist die Annahme des GBA nicht zu beanstanden, dass die Versorgungsqualität bei Kniegelenk-TEP im Sinne der Mindestmengenregelung in besonderem Maße von der Leistungsmenge abhängig und deshalb ein entsprechender Normsetzungsspielraum eröffnet ist; insoweit folgt der erkennende Senat dem LSG nicht. Keine abschließende Entscheidung vermag der Senat dagegen auf Grundlage der Feststellungen des LSG zu treffen, ob der GBA von seinem Gestaltungsspielraum rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat.

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5. Keinen Bedenken unterliegt die Mindestmengenbestimmung, soweit die Klägerin verfassungsrechtliche Einwände gegen die gesetzliche Regelung erhebt.

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a) Nicht zweifelhaft ist zunächst, dass der Gesetzgeber die Beteiligung an der GKV-Versorgung im Rahmen des Verhältnismäßigen an besondere Anforderungen zur Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit knüpfen darf. Solche Anforderungen verbleiben auf der Ebene der Berufsausübungsregelung und lassen den Status des Leistungserbringers unberührt, sofern sie nur die Abrechenbarkeit bestimmter Leistungen zu Lasten der GKV ausschließen und weder seinen Zugang zu einem Versorgungsbereich überhaupt begrenzen noch ihn im Kernbereich seines Fachgebiets einschränken (BVerfG <2. Kammer des 1. Senats> SozR 4-2500 § 135 Nr 2 RdNr 22). Ungeachtet der vom BVerfG offengelassenen Frage, ob grundsätzlich immer der Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG tangiert ist, sind hierdurch bewirkte Abgrenzungen zwischen Gruppen verschiedener Leistungserbringer mit unterschiedlicher Qualifikation jedenfalls dann zumutbar, wenn sie vom fachlich medizinischen Standpunkt aus sachgerecht sind und der betroffene Leistungserbringer in der auf sein Fachgebiet beschränkten Tätigkeit weiterhin eine ausreichende Lebensgrundlage finden kann (BVerfGE 106, 181, 196 = SozR 3-2500 § 95 Nr 35 S 175 - Gebietsbezeichnung). Von diesem Maßstab ausgehend hat das BVerfG es zB nicht beanstandet, dass Fachärzten für Orthopädie oder für Kardiologie ohne zusätzliche Weiterbildung die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung kernspintomographischer Leistungen an gesetzlich Versicherten versagt worden ist (BVerfG <2. Kammer des 1. Senats> SozR 4-2500 § 135 Nr 2; BVerfG <2. Kammer des 2. Senats> BVerfGK 17, 381 = SozR 4-2500 § 135 Nr 16). Demgemäß begegnen Versorgungsbeschränkungen infolge der Mindestmengenregelung - wenn sie nicht den gesamten Kernbereich eines Fachgebiets betreffen und deshalb an den strengeren Anforderungen der subjektiven Berufswahlregelung zu messen sind - ebenfalls keinen Bedenken, sofern sie entsprechend der mit der Regelung verfolgten Zielsetzung rechtlich erhebliche Qualitätsvorteile erwarten lassen und diese Vorteile durch weniger belastende Vorgaben der Qualitätssicherung nicht ebenso erreichbar erscheinen. Ob dem in der Umsetzung genügt wird, ist keine Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm, sondern ihrer Auslegung und Anwendung im Einzelfall; jedenfalls die Vorschrift selbst unterliegt den von der Klägerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken ersichtlich nicht.

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b) Das gilt auch, soweit zur Konkretisierung des gesetzlichen Regelungsprogramms der GBA als Normgeber ermächtigt worden ist. Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 mwN - LITT; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18 mwN; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 33). Zu früher kritischen Stimmen hat sich in jüngerer Zeit die Literatur gegenteilig geäußert (vgl Neumann, NZS 2010, 593; Hauck, NZS 2010, 600 mwN). Rechtlich unbedenklich ist im Fall der Mindestmengenregelung auch die von der Klägerin gerügten Weite der Vorschrift. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben beachtend gibt die Regelung im Kontext ihrer systematischen Stellung und ihrer Entstehungsgeschichte dem GBA ein hinreichend dichtes Normprogramm vor, das dem ihm hierdurch übertragenen Konkretisierungsauftrag ausreichend klare Konturen verleiht.

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6. Eine Abhängigkeit der Versorgungsqualität von der Leistungsmenge "in besonderem Maße" besteht bei Krankenhausleistungen von hoher Komplexität, bei denen eine regelmäßige Praxis mit gerade diesen Leistungen einen über andere Instrumente der Qualitätssicherung so nicht zu gewährleistenden Einfluss auf die Güte der Versorgung hat.

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a) Entstehungsgeschichte und Systematik weisen die Mindestmengenregelung als Teil eines Bündels von Vorschriften aus, mit denen der Gesetzgeber die Anforderungen an die Qualitätssicherung im Zuge der steigenden Wettbewerbsorientierung der GKV-Versorgung zunehmend ausgeweitet hat. So ist zunächst die Qualitätssicherung für den stationären Bereich mit dem GKVRefG2000 aus dem Anwendungsbereich der Landesverträge nach § 112 SGB V gelöst und zum Gegenstand einer bundeseinheitlichen untergesetzlichen Rechtsetzung nach § 137 SGB V gemacht worden. Zugleich sind die Krankenhäuser auf ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement und auf Maßnahmen der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung nach Maßgaben verpflichtet worden, die von der gemeinsamen Selbstverwaltung vorzugeben sind (§ 135a Abs 2 und § 137 Abs 1 S 1 und S 3 Nr 1 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Ebenfalls bereits seit dem GKVRefG2000 müssen auf dieser Ebene nähere Bestimmungen getroffen werden ua zur indikationsbezogenen Qualität der diagnostischen und therapeutischen Leistungen im Krankenhaus, insbesondere bei aufwändigen medizintechnischen Leistungen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Mit dem FPG ist dieses Spektrum weiter um die Verpflichtung ergänzt worden, auch Mindestanforderungen an die Struktur- und Ergebnisqualität in der stationären Versorgung festzulegen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF des FPG; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Desgleichen ist den Krankenhäusern aufgegeben worden, regelmäßig Qualitätsberichte zu veröffentlichen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 6 SGB V idF des FPG; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Schließlich hat der Gesetzgeber zuletzt mit Wirkung vom 1.7.2008 eine externe Qualitätsberichterstattung eingeführt, für die von den Krankenhäusern im Einzelnen festgelegte Daten zu liefern sind (§ 135a Abs 2 S 2 iVm § 137a SGB V idF von Art 1 Nr 106 Buchst b bzw Art 1 Nr 111 des GKV-WSG; seit dem 1.1.2012: § 299 Abs 1 S 1 iVm § 137a SGB V idF von Art 1 Nr 53 bzw Nr 80a Buchst a DBuchst aa des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22.12.2011, BGBl I 2983).

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b) In diesem Regelungsgeflecht beruht die Einführung der Mindestmengenregelung auf der Einschätzung, dass in verschiedenen Studien ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Operationen und der Qualität des Behandlungsergebnisses nachgewiesen wird. Deshalb sollten die Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung Operationen oder Prozeduren suchen und bestimmen, bei denen ein Zusammenhang zwischen der Zahl der durchgeführten Eingriffe und der Qualität der Leistung in besonderem Maße vorliegt. Die hieraus abzuleitende Mindestanzahl ist - so die Intention des Gesetzgebers - als Voraussetzung für eine qualitativ gute Leistung anzusehen (vgl BT-Drucks 14/6893 S 31). Im Laufe der Beratungen ist dieses zunächst nur als Empfehlung gedachte Instrumentarium (BT-Drucks aaO) einerseits zu einer rechtlich verbindlichen Vorgabe ausgestaltet worden (vgl BT-Drucks 14/7824 S 6 und BT-Drucks 14/7862 S 5), andererseits sind die rechtlichen Folgen wegen befürchteter negativer Auswirkungen auf die Krankenhausplanung und die Aufrechterhaltung der Versorgung in den Ländern (vgl BR-Drucks 3/4/02 S 1 f) auf Initiative des Vermittlungsausschusses (vgl BT-Drucks 14/8362 S 2) dahin abgemildert worden, dass bei einer Gefährdung der flächendeckenden Versorgung Ausnahmen von einer Mindestmengenbestimmung zugelassen werden dürfen (§ 137 Abs 3 S 3 SGB V).

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c) Mit diesem Ansatz muss die Mindestmengenregelung im Gefüge der weiteren Vorschriften zur Qualitätssicherung schon verfassungsrechtlich auf Ausnahmelagen beschränkt bleiben, bei denen die Einflussnahme über die Leistungsmenge Versorgungsvorteile verspricht, die über weniger belastende andere Instrumente der Qualitätssicherung mutmaßlich nicht zu gewinnen sind. Zwar wirkt die Regelung nicht auf die Freiheit der Berufswahl zurück, solange nicht weite Teile der stationären Versorgung von ihr komplett erfasst werden. Auch ist von Verfassungs wegen nichts dagegen zu erinnern, dass das Fallpauschalensystem wirtschaftlich zur Spezialisierung anreizt und daher nicht jede Leistung in jeder Einrichtung in gleicher Weise auskömmlich erbracht werden kann (vgl zu solchen Entwicklungen als mögliche Folge der Umstellung auf das Fallpauschalensystem BT-Drucks 14/6893 S 28); Anspruch auf Finanzierung unwirtschaftlicher Leistungsstrukturen aus den Mitteln der GKV besteht nicht (vgl zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben für vergütungsrechtliche Vorschriften BVerfGE 101, 331, 349 ff, 351). Jenseits dieser verfassungsrechtlich unbedenklichen Anreize für eine verstärkte Konzentration des Leistungsgeschehens greift eine nur in Grenzen selbst beeinflussbare Mindestmengenvorgabe aber intensiver in die Berufsfreiheit eines Krankenhaues ein als qualitative Anforderungen an die Leistungserbringung, über deren Erfüllung jedenfalls rechtlich jeder Träger autonom selbst entscheiden kann. Solange das angestrebte Qualitätsniveau bei vertretbarem wirtschaftlichen Aufwand durch sonstige Vorgaben der Qualitätssicherung ebenso erreichbar erscheint wie über eine Mindestmengenbestimmung, ist verfassungsrechtlich der Steuerung über das mildere Mittel der verhaltensabhängigen Qualitätsanforderung der Vorzug zu geben. Raum für Mindestmengengrenzen bleibt deshalb jedenfalls aus Gründen der Qualitätssicherung nach Maßgabe von Art 12 Abs 1 GG nur, soweit sie Qualitätsvorteile zu gewährleisten versprechen, die mit vertretbarem Aufwand anderweitig nicht erreichbar erscheinen.

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d) Dasselbe folgt aus der Systematik der Qualitätssicherungsvorschriften, die beginnend mit dem GKVRefG2000 für die stationäre Versorgung eingeführt worden sind. Angefangen von der Kompetenz zur Bestimmung von allgemeinen Anforderungen an die Struktur- und Ergebnisqualität (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF des FPG; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG)über die Befugnis zur Begründung von Vorgaben zur indikationsbezogenen Qualität diagnostischer und therapeutischer Leistungen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG)bis zur Ausgestaltung der verpflichtenden einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung (§ 135a Abs 2 S 1 iVm § 137 Abs 1 S 3 Nr 1 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 135a Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V idF von Art 1 Nr 100 des GMG iVm § 137 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG) sind dem GBA eine Vielzahl von Instrumenten an die Hand gegeben, über die er durch verhaltens- und qualifikationsabhängige Anforderungen auf die Versorgungsqualität im stationären Bereich einwirken kann. Mit der Bündelung sämtlicher dieser Instrumente bei ihm durch das GMG ist insoweit auch funktionell sichergestellt, dass diese unterschiedlichen Ansätze inhaltlich aufeinander abgestimmt werden und jeweils an der Stelle reagiert werden kann, die den angestrebten Erfolg am wirksamsten verspricht. Dazu trägt weiter bei, dass mit der ab dem 1.7.2008 eingeführten externen Qualitätsberichterstattung (§ 135a Abs 2 S 2 iVm § 137a SGB V; seit dem 1.1.2012: § 299 Abs 1 S 1 iVm § 137a SGB V idF von Art 1 Nr 53 bzw Nr 80a Buchst a DBuchst aa des GKV-VStG vom 22.12.2011) zwischenzeitlich auch eine Datengrundlage für entsprechende Maßnahmen aufgebaut wird. Dieses im Laufe der Zeit immer stärker ausdifferenzierte Nebeneinander unterschiedlicher Ansätze zur Qualitätssicherung lässt ebenfalls nur den Schluss zu, dass die Steuerung über Leistungsmengen Anlässen vorbehalten bleiben soll, bei denen sie Vorteile gegenüber anderen Instrumenten der Qualitätssicherung versprechen kann.

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e) Systematisch kommt der Mindestmengenregelung damit eine Ausnahmestellung in doppelter Hinsicht zu. Auf der einen Seite steht sie zu den sonstigen qualitätssichernden Normen für den stationären Bereich vom Grundsatz her in dem beschriebenen Nachrangverhältnis. Auf der anderen Seite wird sich ein ausreichendes Maß an Erfahrung und Routine vielfach auch ohne gesonderte Steuerung über Mindestmengenvorgaben einstellen. Ein entsprechendes Mindestmaß erfordern schon die berufsrechtlichen Weiterbildungsordnungen als Voraussetzung von Facharztqualifikationen, an die wiederum die Strukturvorgaben in der stationären Versorgung anknüpfen (zutreffend Bohle, GesR 2010, 587). Wo dies nicht ausreicht, wird sich bei dem überwiegenden Teil der Krankenhausleistungen die erforderliche Erfahrung auch ohne rechtliche Regelung schon deshalb ergeben, weil die Leistungen ohnehin in großer Zahl anfallen. Anlass für eine zusätzliche rechtliche Mengensteuerung kann deshalb nach der Regelungssystematik nur bei Versorgungen bestehen, die einerseits vergleichsweise selten anfallen und andererseits wegen ihrer Komplexität, wegen sonstiger fachlicher Anforderungen oder wegen der Folgen bei Diagnose- oder Behandlungsfehlern aus medizinischer Sicht eine regelmäßige Praxis und Übung erfordern, sodass deshalb eine ausdrückliche Regelung angezeigt erscheint.

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f) Auf diese doppelte Begrenzung der Qualitätssteuerung über Leistungsmengen und nicht auf eine besondere Augenfälligkeit des Zusammenhangs von Menge und Qualität nimmt die Mindestmengenregelung Bezug, soweit sie eine Abhängigkeit von Menge und Qualität "in besonderem Maße" voraussetzt (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V). Ohnehin ist sprachlich unklar, wann im Sinne der angefochtenen Entscheidung eine Kausalität als "besonders" zu qualifizieren ist. Jedenfalls verbietet sich ein rein kausalbezogenes Verständnis schon aus systematischen Gründen. Ob Mindestmengen einen auf andere Weise nicht zu gewinnenden Beitrag zur Qualitätssicherung leisten können, hängt nicht davon ab, wie offen die Kausalität von Menge und Leistungsqualität zu Tage liegt. Entscheidend ist vielmehr, ob ohne Mengensteuerung eine anders nicht aufzufangende Qualitätseinbuße zu besorgen ist. Ein besonderes Maß an Abhängigkeit hat die Leistungsqualität deshalb dann von der Leistungsmenge, wenn sie über die üblichen Vorteile einer jeden ("normalen") Routine und Erfahrung hinausgehend einen auf andere Weise nicht zu erzielenden und der Bedeutung nach wesentlichen ("besonderen") Beitrag für die Qualitätssicherung in der jeweiligen Versorgung bietet.

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Hierdurch ist die Anwendung der Mindestmengenregelung bereits im Ansatz auf solche Bereiche der stationären Versorgung beschränkt, bei denen sie einen für die Versorgung substantiellen eigenständigen Beitrag zur Verwirklichung des in § 2 Abs 1 S 3 SGB V umschriebenen Versorgungsstandards der GKV gewährleisten kann. Das versteht der Senat - insoweit ebenso wie das LSG - dahin, dass nicht alle Felder der stationären Versorgung einer Qualitätssteuerung über die Leistungsmenge unterworfen sind. Vielmehr sieht er die Anwendung der Regelung auf solche Versorgungsbereiche beschränkt, bei denen vergleichsweise geringe Fallzahlen auf eine hohe medizinische Komplexität mit besonders hohen Anforderungen an die Versorgung und/oder besonders hohen medizinischen Risiken treffen. Nur in solchen Situationen kann die regelmäßige Erfahrung und Routine mit gerade dieser Leistungserbringung neben allen anderen Ansätzen der Qualitätssicherung eine so eigenständige Bedeutung für deren Qualität erlangen, dass sie im Sinne der Mindestmengenregelung als "in besonderem Maße" verantwortlich für die Versorgungsqualität angesehen werden kann. Das deckt sich im Übrigen - ohne dass dies allerdings rechtlich entscheidend wäre - mit dem Verständnis des GBA, der abgesehen von den Mindestmengen bei Kniegelenk-TEP und den ebenfalls beim BSG anhängigen Untergrenzen für Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm entsprechende Vorgaben nur noch für fünf weitere Leistungsbereiche getroffen hat, nämlich für Transplantationen von Leber, Niere und Stammzellen sowie für komplexe Eingriffe an Speiseröhre und Bauchspeicheldrüse. Leistungen, die dem gegenüber nach den Fallzahlen oder den Versorgungsanforderungen der Routineversorgung zuzurechnen sind, fallen hingegen schon im Ansatz nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift.

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7. Eröffnet ist der Gestaltungsspielraum des GBA danach durch die Mindestmengenregelung bei medizinischen Leistungen von hoher Komplexität, bei denen die Versorgungsqualität eine Abhängigkeit von der Leistungsmenge aufweist. Ob ein solcher Zusammenhang vorliegt, unterliegt als Ausgangspunkt seiner Entscheidung uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle, wie das LSG unter Verweis auf die Rechtsprechung des BSG zutreffend entschieden hat (vgl BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 26). Das bemisst sich entgegen dessen Auffassung indes nicht nach Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin. Entscheidend ist vielmehr, ob die Studienlage nach wissenschaftlichen Maßstäben einen solchen Zusammenhang wahrscheinlich machen kann:

44

a) Das LSG hat von seinem Normverständnis ausgehend darauf abgestellt, ob im Verhältnis zwischen Leistungsmenge und Versorgungsqualität eine "besondere Kausalität" nachzuweisen ist, und hat dazu auf Prinzipien der evidenzbasierten Medizin zurückgegriffen. Das überzeugt schon vom Wortsinn nicht: Ein Kausalzusammenhang kann bestehen oder nicht bestehen, nicht aber in gesteigerter Weise vorliegen. Auch ansonsten statuiert die Norm mit der in besonderem Maße vorausgesetzten Abhängigkeit von Leistungsmenge und Versorgungsqualität - wie bereits dargelegt - keine gesteigerten Nachweisanforderungen. Diese Abhängigkeit ist nicht dann "besonders", wenn sie besonders augenfällig zu Tage tritt. Das Tatbestandsmerkmal beschränkt vielmehr den Anwendungsbereich der Mindestmengenregelung auf Versorgungen, bei denen Fallzahluntergrenzen einen auf andere Weise nicht zu erzielenden und der Bedeutung nach wesentlichen ("besonderen") Beitrag zur Qualitätssicherung in der jeweiligen Versorgung bieten können. Das hängt allein davon ab, ob die Qualität der konkret in Rede stehenden Behandlung - hier: Kniegelenk-TEP - mit anderen Instrumenten der Qualitätssicherung mutmaßlich ebenso beeinflusst werden könnte wie - unterstellt, ein solcher Zusammenhang bestünde - mit Erfahrung und Routine. Erforderlich dazu ist eine medizinische Bewertung unterschiedlicher Qualitätssicherungsansätze. Nicht entscheidend ist dagegen, ob der Nachweis der Abhängigkeit von Leistungsmenge und Versorgungsqualität - wie es das LSG gefordert hat - in kontrollierten Studien nach Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin geführt werden konnte.

45

b) Dafür besteht im Übrigen auch aus systematischen Gründen kein Anlass. Die methodischen Anforderungen der evidenzbasierten Medizin im Leistungs- und Leistungserbringungsrecht der GKV sind ausgerichtet auf und gerechtfertigt durch die materiellen Anforderungen des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 Abs 1 SGB V, das grundsätzlich eine Versorgung nur mit Leistungen zulässt, die nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bieten. Jedenfalls neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (§ 135 Abs 1 SGB V; vgl aber nunmehr auch etwa § 137c SGB V) dürfen deshalb von Leistungserbringern nur erbracht und von Versicherten nur beansprucht werden, wenn ihr Erfolg in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl etwa BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7 mwN - Immucothel; BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mwN - Wobe-Mugos E, jeweils mwN). Verbleiben gemessen an diesen Anforderungen - in der Regel auf der höchsten Evidenzstufe - Zweifel, so geht dies zum Schutz der Patienten vor Gesundheitsrisiken und im Interesse der Versichertengemeinschaft zu Lasten der nicht hinreichend belegten Methode (stRspr, grundlegend BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7 mwN - Immucothel; BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mwN - Wobe-Mugos E, jeweils mwN).

46

Solche Gründe für gesteigerte Evidenzanforderungen bestehen bei der Mindestmengenregelung nicht. Sie bezweckt für einen engen Bereich medizinischer Leistungen Versorgungsvorteile, soweit die Konzentration der Leistungserbringung auf Einrichtungen mit größerer Erfahrung und Routine auf gerade diesen Feldern ein höheres Maß an Behandlungsqualität erwarten lassen kann. Die Annahme, dass der Gesetzgeber den Versicherten einen solchen Zugewinn an Versorgungssicherheit erst nach dem Abschluss vergleichender Studien der grundsätzlich höchstmöglichen Evidenzstufe zukommen lassen wollte, liegt fern. Vorgaben der Qualitätssicherung dürfen im Patienteninteresse typischerweise auf Risikoabschätzungen gestützt werden, wenn nach sachverständiger Einschätzung begründeter Anlass für die Annahme bestehen kann, dass ansonsten die nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse mögliche Versorgungssicherheit (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) gefährdet ist. Das gilt insbesondere, wenn - wie mutmaßlich auch hier (vgl Geraedts, GesR 2012, 263, 264; Wenning, Aktuelle Entwicklungen im Krankenhausrecht 2011, 93, 107; ebenso die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie eV vom 16.7.2004, S 7) - vergleichende Studien mit unterschiedlichen Qualitätssicherungsansätzen praktisch oder aus ethischen Gründen schon im Ansatz undurchführbar sind. Andernfalls würden den Patienten möglicherweise dauerhaft Versorgungsstandards vorenthalten, die - jeweils nach dem Stand der aktuellen Erkenntnis - mit Wahrscheinlichkeit geeignet sind, zu einer relevanten Reduzierung von Versorgungsrisiken beizutragen. Deshalb sind in der Regel ausreichend begründete Maßnahmen der Qualitätssicherung im Patienteninteresse auch dann hinzunehmen, wenn ihre Vorteile nicht durch vergleichende Studien nach Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin belegt sind. Dass davon die Mindestmengenregelung - zumal angesichts der voraussetzungsgemäß besonderen gesundheitlichen Risiken im Anwendungsbereich der Versorgungen mit hoher medizinischer Komplexität - ausnahmsweise ausgenommen sein sollte, ist augenscheinlich nicht anzunehmen.

47

c) Anders als vom LSG angenommen sind mithin die Nachweisanforderungen der Mindestmengenregelung dann erfüllt, wenn es sich um eine hochkomplexe Leistungserbringung handelt und nach dem Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit die Erwartung berechtigt ist, dass die Güte der Leistungserbringung auch von der Erfahrung und Routine mit der jeweiligen Versorgung beeinflusst ist. Allerdings muss dies mit wissenschaftlichen Belegen untermauert sein. Insofern hat das LSG im Ausgangspunkt zutreffend darauf abgestellt, dass bloß allgemeine Überlegungen oder Expertenmeinungen eine Mindestmengenbestimmung nicht stützen können. Dem steht bereits entgegen, dass sich der Gesetzgeber bei Einführung der Mindestmengenregelung ausdrücklich auf die Studienlage zur Abhängigkeit von Leistungsmenge und Versorgungsqualität gestützt und die Selbstverwaltungspartner deshalb als verpflichtet angesehen hat, entsprechende Leistungen "zu suchen und zu bestimmen" (vgl BT-Drucks 14/6893 S 31); dem kann nur durch Auswertung von qualifizierten Studien Rechnung getragen werden. Demzufolge ist der Gestaltungsspielraum des GBA bei einer Studienlage eröffnet, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität wahrscheinlich macht. Dies ist der Fall, wenn mehr für als gegen einen solchen Ursachenzusammenhang spricht; allein dessen Möglichkeit genügt dagegen nicht (vgl zum Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit stellv BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; BSG SozR 4-2700 § 200 Nr 3 RdNr 20).

48

d) Dem steht anders als vom LSG erwogen auch nicht entgegen, dass der GBA den Verfahrensbeteiligten vor seiner Mindestmengenentscheidung nach der insoweit maßgeblichen Verfahrensordnung eine Zusammenfassung des aktuellen Wissensstandes als "evidenzbasiertes Verfahren" zur Verfügung zu stellen hat (vgl § 3 Abs 2 Nr 1 der MMV vom 20.12.2005, BAnz Nr 43 vom 2.3.2006 S 1373). Durch eine solche Bezeichnung können die dargelegten Nachweisanforderungen nicht beeinflusst werden. Ungeachtet dessen liegt aber auch die Annahme fern, dass die Verfahrensordnung des GBA die gesetzlichen Vorgaben für die Mindestmengenbestimmung korrigieren könnte und dieser deshalb Maßgaben zu befolgen hätte, die über die gesetzlichen Voraussetzungen hinausgehen. Das wäre im Übrigen auch schwerlich von den Kompetenzen gedeckt, die dem GBA vom Gesetzgeber eingeräumt sind.

49

8. Hieran gemessen hat der GBA die tatbestandlichen Voraussetzungen der streitigen Mindestmengenbestimmung zutreffend als gegeben angesehen. Die Kniegelenkendoprothetik stellt eine planbare Versorgung von hoher Komplexität dar, bei der entgegen der Auffassung des LSG ein Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität hinreichend wahrscheinlich ist.

50

a) Wie bereits das LSG kann auch der erkennende Senat offenlassen, wo im Sinne der Mindestmengenregelung im Einzelnen die Grenze zwischen "planbaren" und "nicht planbaren" Leistungen verläuft. Ersichtlich ist mit dieser erst im weiteren Gang der Beratungen hinzugefügten Einschränkung ein Ausgleich dafür bezweckt, dass die Mindestmengen anders als ursprünglich vorgesehen nicht lediglich als Empfehlung, sondern als rechtsverbindliche Leistungsuntergrenze ausgestaltet worden sind (vgl BT-Drucks 14/6893 S 3 sowie BT-Drucks 14/7824 S 6). Offenkundig sollen damit unvorhersehbare Leistungen aus dem Anwendungsbereich der Regelung ausgeschieden sein. Um eine solche Leistung handelt es sich jedenfalls bei der Kniegelenk-TEP nicht. Schon wegen der Schwere des Eingriffs und der nicht unbeträchtlichen Risiken geht ihr regelmäßig eine Entscheidungsphase voraus, die es ausschließt, sie als im Sinne der Mindestmengenregelung als "ungeplant" anzusehen.

51

b) Obwohl die Knietotalendoprothetik mit jährlich zunehmenden Fallzahlen - zuletzt im Jahre 2011 etwa 158 000 künstliche Kniegelenke und damit Rang 18 unter den häufigsten Operationen in Deutschland (Gesundheitsberichterstattung des Bundes , http://www.gbe-bund.de/oowa921-install/servlet/oowa/aw92/dboowasys921.xwdevkit/xwd_init?gbe.isgbetol/ xs_start_neu/&p_aid=i&p_aid=79618056&nummer=666&p_sprache=D&p_indsp=-&p_aid= 64337088, recherchiert am 5.12.2012) - zwischenzeitlich eine Standardversorgung bei degenerativen Kniegelenkerkrankungen bildet, ist sie im Hinblick auf die operativen Anforderungen und die Folgen bei Komplikationen den hochkomplexen Versorgungen zuzurechnen, bei denen eine Abhängigkeit der Versorgungsqualität von der Leistungsmenge als "besonders" anzusehen und deshalb die Einbeziehung in das Mindestmengenprogramm nach der Intention des Gesetzgebers gerechtfertigt ist.

52

aa) Bedingt durch die komplexen biomechanischen Verhältnisse am Kniegelenk sind schon die operativen Anforderungen der Kniegelenk-TEP hoch (vgl dazu etwa Lüring/Bäthis/Tingart/Perlick/Grifka, DÄ 2005, A 2320 ff, 2324; Heller/Matziolis/König/Taylor/Hinterwimmer/ Graichen/Hege/Bergmann/Perka/Duda, Der Orthopäde 2007, 628 ff; Briard/Witoolkollachit/Lin, Der Orthopäde 2007, 635 ff; jeweils mwN). Dies drückt sich auch in anhaltenden fachwissenschaftlichen Kontroversen zu Vor- und Nachteilen einzelner Operationstechniken aus (vgl etwa zum minimalinvasiven Eingriff und zur navigierten Kniegelenk-TEP Pietsch/Djahani/Hofmann, Der Orthopäde 2007, 1120 ff; Lüring/Tingart/Beckmann/Perlick/Grifka, Der Orthopäde 2007, 1143 ff; Kappe/Flören/Bieger/Reichel, Der Orthopäde 2011, 726 ff, 727; Bertsch/Holz/Konrad/ Vakili/Oberst, Der Orthopäde 2007, 739 ff; jeweils mwN). Besonderes Augenmerk und interdisziplinäre Anstrengungen verlangt auch die Infektionsprophylaxe (vgl etwa Wodtke/Löhr, Der Orthopäde 2008, 257 ff). Verfahren der computerbasierten Unterstützung bei der Implantatpositionierung sind mit hohen Kosten verbunden und kommen nicht überall zum Einsatz (vgl Lüring ua, ebenda A 2320 ff). Übersicht verlangt auch die Beurteilung der Implantate mit ihren Eigenschaften im Allgemeinen und für die Versorgung im Einzelfall. Besondere Anforderungen stellen sich schließlich bei der anteilsmäßig zunehmenden Versorgung jüngerer Patienten, nicht zuletzt wegen des noch immer zeitlich begrenzten Bestands künstlicher Kniegelenke (vgl Eichinger/Forst/Kindervater, Der Orthopäde 2007, 311 ff). Obwohl nicht nur in diesem Zusammenhang die korrekte Indikationsstellung als wichtiges qualitätssicherndes Merkmal angesehen wird, gelten die daraus sich ergebenden Anforderungen als nicht durchweg erfüllt; bei älteren Patienten und in Kliniken mit höheren Fallzahlen wird die Qualität der Indikationsstellung vielmehr als besser erachtet (vgl Schräder/Boy/Schleiz/Dienst/Reinert/ Sänger/Schauwecker/Siebert/Scharf, Der Orthopäde 2008, 1016 ff, 1025; erstmals für das Jahr 2009 wird über eine angemessene Indikationsstellung bei 90 % der Versorgungen berichtet, vgl Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH - AQUA - Qualitätsreport 2009, S 120). Auf Schwierigkeiten bei der Versorgung selbst deuten schließlich jüngste Erhebungen hin, nach denen die Revisionslast für Knieprothesen in Deutschland höher als in der Schweiz und den USA ist (vgl Ewerbeck, Der Orthopäde 2011, 205; Falbrede/Widmer/Kurtz/Schneidmüller/Dudda/Röder, Der Orthopäde 2011, 793 ff, 794).

53

bb) Gesteigert sind die daraus sich ergebenden Anforderungen zusätzlich im Hinblick auf die zT gravierenden Folgen bei Komplikationen, die erhebliche und nachhaltige Einschränkungen der Lebensqualität der betroffenen Patienten und darüber hinaus beträchtlichen wirtschaftlichen Auswirkungen für die GKV wie für die gesamte Volkswirtschaft und andere soziale Sicherungssysteme mit sich bringen können. In 1 % bis zu 3 % der versorgten Fälle treten nach medizinischer Einschätzung Kniegelenkinfektionen als Operationsfolge ein, die in Einzelfällen Knieversteifungen und Amputationen nach sich ziehen können und jedenfalls erheblich belastende, komplizierte, langwierige und deshalb auch kostenaufwändige Nachversorgungen erforderlich machen (vgl Friesecke/Wodtke, Der Orthopäde 2006, 937 mwN). Weichteildefekte und Instabilität bilden weitere schwierig zu beherrschende und die Patienten erheblich belastende Komplikationen, die in beträchtlichem Umfang Revisionseingriffe nach sich ziehen (vgl etwa Perka/Tohtz/ Matziolis, Der Orthopäde 2006, 136 ff; Kovacs/Zimmermann/Juhnke/Taskov/Papadopulos/Biemer, Der Orthopäde 2006, 162 ff; Graichen/Strauch/Katzhammer/Zichner/von Eisenhart-Rothe, Der Orthopäde 2007, 650 ff; Schnabel/Borelli, DÄ 2011, A 2598 f). Auch sonst fällt die Rate unzufriedener Patienten mit bis zu 23 % nicht gering aus, wenn sie auch teilweise durch unrealistische - und darin von den Behandlern offenbar nicht korrigierte - Erwartungen vor allem bei jüngeren Patienten mitbedingt sein mag (vgl Perka ua, ebenda S 136; Graichen ua, ebenda S 650; jeweils mwN).

54

cc) Dass schließlich nicht zuletzt die Ärzteschaft selbst die Komplexität und Risiken der Knieendototalprothetik keinesfalls unterschätzt, hat sich jüngst beispielhaft an der zumindest auch von ihr maßgeblich betriebenen Gründung eines nationalen Endoprothesenregisters erwiesen. Initiiert durch die DGOOC ist unter Beteiligung des AOK-Bundesverbands, des Verbands der Ersatzkassen eV, des Bundesverbands Medizintechnologie eV und des BQS als gemeinnützige Gesellschaft die Endoprothesenregister Deutschland EPRD gGmbH gegründet worden, die auf freiwilliger Basis Referenzdaten zur Versorgungsqualität, Patientensicherheit und Wirksamkeit von Endoprothesen sammeln soll (vgl Deutsches Endoprothesenregister, Registerprotokoll S 2 f, http://www.eprd.de/fileadmin/Dateien/Dokumente/eprd_registerprotokoll_1_0.pdf, recherchiert am 3.12.2012). Dieser Schritt wird als notwendig angesehen, weil derzeit verlässliche Daten über die Ursachen der mit den steigenden Fallzahlen bei Primärimplantaten zunehmenden Zahl von Wechseloperationen nicht verfügbar sind. Hierdurch soll es zudem ermöglicht werden, die aktuell erreichte Qualität in der Endoprothetik flächendeckend darzustellen (ebenda S 3). Auch dies erweist anschaulich die herausgehobene Komplexität der Knieendototalprothetik, die nach der mit der Regelung verfolgten gesetzgeberischen Intention ihre Einbeziehung in das Mindestmengenregime jedenfalls dem Grunde nach rechtfertigt.

55

c) Insoweit macht schließlich die Studienlage zur Kniegelenk-TEP, die das BSG als generelle Tatsache ohne die Beschränkung des § 163 SGG selbst zu bewerten vermag(stRspr, vgl BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 26 f; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 18; BSGE 96, 297 = SozR 4-5671 § 6 Nr 2, RdNr 19; BSG SozR 4-3851 § 60 Nr 4 RdNr 30 f), einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität hinreichend wahrscheinlich. Nach den Studien von IQWiG und BQS spricht zur Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung der Literatur und der vom GBA eingeholten Stellungnahmen mehr für als gegen einen solchen Zusammenhang.

56

aa) Das gilt entgegen der Auffassung des LSG in besonderem Maße zunächst für die Studie des IQWiG. Zwar konnte mit dieser Untersuchung von gut 90 000 bzw 110 000 Versorgungen mit Kniegelenk-TEP aus den Jahren 2003 und 2004 entgegen der mit dem Auftrag verbundenen Erwartungen kein klarer Mindestmengen-Schwellenwert abgeleitet werden (IQWiG, Entwicklung und Anwendung von Modellen zur Berechnung von Schwellenwerten bei Mindestmengen für die Knie-Totalendoprothese, Abschlussbericht vom 5.12.2005 S 44). Jedoch zeigten sich sowohl bei dem Risikofaktor "Unbeweglichkeit" (keine ausreichende postoperative Beweglichkeit) als auch dem Risikofaktor "Infektion" (postoperative Wundinfektion) Zusammenhänge zwischen Fallzahl und Qualität, die ein entsprechendes Abhängigkeitsverhältnis wahrscheinlich machen. Demgemäß fand sich beim Qualitätsmerkmal Beweglichkeit eine U-förmige Beziehung von Leistungsmenge und Komplikationen, nach der das Risiko einer unzureichenden postoperativen Beweglichkeit in Einrichtungen mit mittleren Fallzahlen (zwischen 50 bis 600) geringer war als bei Kliniken mit sehr geringen (bis unter 50) oder sehr hohen (über 600) Fallzahlen (ebenda S 21 ff, S 29 ff). Ebenso zeigte sich beim Risikofaktor Infektion ein wenn auch nicht so ausgeprägter und nur sehr langsam ansteigender Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität (ebenda S 31 ff, S 29 ff); mit einer relevanten Qualitätsverbesserung in diesem Punkt wurde erst bei Fallzahlen von über 400 Versorgungen/Jahr gerechnet (ebenda S 42). Zusammenfassend gelangte das IQWiG jedoch dazu, dass für die untersuchten Risiken ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Fallzahl und dem entsprechenden Risiko statistisch nachzuweisen ist (ebenda S 44). Das unterstütze "die Hypothese, dass es bei der Knie-TEP einen Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität" gibt (ebenda S 45). Zu einem vergleichbaren Ergebnis war zuvor bereits die BQS im Rahmen der vom GBA in Auftrag gegebenen Sonderauswertung für die Jahre 2002 und 2003 bei gut 71 000 Fällen gelangt. Auch sie fand signifikante Unterschiede zwischen Krankenhäusern mit unterschiedlichen Fallzahlen, nämlich für die Qualitätsindikatoren postoperative Beweglichkeit, postoperative Wundinfektion, Reintervention wegen Komplikation sowie Letalität (BQS, Sonderauswertung Knie-Totalendoprothese: Untersuchung auf Abhängigkeit von Fallzahl und Qualität der Leistung vom 9.8.2004, S 13 ff).

57

bb) Unterstützung findet dieses Ergebnis auch im Schrifttum. Schon die von der Geschäftsstelle des GBA ausgewertete Literatur für den anglo-amerikanischen Bereich über Versorgungen aus den 1980er und 1990er Jahren legt nahe, dass im Bereich der Knietotalendoprothetik ein Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität besteht (Beschlussvorlage "Ergebnisse der AG Mindestmengen" - Beratungen des Antrages "Knie TEP" vom 20.8.2004 S 7 f). Ähnlich wird die Studienlage auch von anderen Autoren bewertet (vgl etwa Schräder/Grouven/Bender, Der Orthopäde 2007, 570, 573; wenn auch verhaltener, aber im Sinne einer Tendenz zur Ergebnisverbesserung ebenfalls Geraedts/de Cruppé/Blum/Ohmann, DÄ 2008, 890, 895). Zuletzt fand ebenso das IQWiG im Rahmen einer vom GBA beauftragten Auswertung von Studien über die Auswirkungen von Mindestmengengrenzen bei drei deutschen Studien statistisch signifikante Ergebnisse bezüglich der Zielgröße Morbidität bei der Kniegelenk-TEP (IQWiG, Rapid Report V11-01 Version 1.0, Evidenz zu Auswirkungen der Mindestmengenregelung nach § 116b SGB V, Stand 29.5.2012, S 86 f, S 120 f). Darauf hat ebenso die DGOOC in ihrer Stellungnahme im Rahmen der Anhörung durch den GBA verwiesen (ebenda S 4 ff).

58

cc) Unbeachtlich ist der hierdurch wahrscheinlich gemachte Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Versorgungsqualität entgegen der Auffassung des LSG auch nicht deshalb, weil das IQWiG den von ihm ausgewerteten Daten selbst keine ausreichende Evidenz für eine "automatische" Qualitätsverbesserung beigemessen hat und es daraus auch keinen klaren Schwellenwert für eine Mindestmenge für die Kniegelenk-TEP ableiten konnte (IQWiG-Abschlussbericht, S 44). Ein "wissenschaftlicher Nachweis" ist - wie bereits dargelegt und anders als vom IQWiG angenommen (ebenda S 45) - eben keine Voraussetzung der Mindestmengenbestimmung. Nach dem hier maßgebenden Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit darf der GBA von einer Abhängigkeit der Versorgungsqualität von der Leistungsmenge vielmehr dann ausgehen, wenn mehr für als gegen diesen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (stRspr, vgl etwa BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; BSG SozR 4-2700 § 200 Nr 3 RdNr 20). Bedenken von solchem Gewicht gegen die vom IQWiG erhobenen und auch im Schrifttum nicht grundsätzlich angezweifelten Feststellungen kann der Senat indes auch unter Berücksichtigung der vom IQWiG angeführten Einwände gegen die Datenlage (ebenda S 43) nicht erkennen.

59

dd) Das gilt ebenso für den Umstand, dass die Studienlage eine klare Ableitung von Mindestmengen-Schwellenwerten nicht erlaubt. Dies besagt nicht, dass der vom Gesetz vorausgesetzte Zusammenhang zwischen Fallzahlen und Versorgungsqualität grundsätzlich nicht besteht. Darin drückt sich vielmehr nur aus, dass verschiedene Qualitätsparameter - wie etwa die Vermeidung postoperativer Infektionen - in unterschiedlichem Maße von steigenden Fallzahlen profitieren oder - wie die Einschränkung der Beweglichkeit - ab einem oberen Fallzahlvolumen auch negativ beeinflusst sein können. Dass ein solcher Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeit gegeben ist, ist deshalb aber nicht in Zweifel zu ziehen. Daraus folgt im Gegenteil, dass die Bestimmung von Mindestmengen nicht allein Gegenstand wissenschaftlicher Ableitung sein kann. Besteht bei unterschiedlichen Qualitätsparametern mit Wahrscheinlichkeit eine jeweils anders geartete Beziehung zur Leistungsmenge, wie hier vom IQWiG angenommen, dann ist die Schwellenwertbestimmung eine Aufgabe der medizinischen Bewertung unterschiedlicher Risiken und möglicher Zielkonflikte bei unterschiedlichen Qualitätsmaßnahmen. Das aber ist keine Frage der Tatbestandsvoraussetzungen des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V. Vielmehr obliegt es später dem GBA, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen und entsprechende Wertungen vorzunehmen, soweit die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen seines Gestaltungsspielraums eröffnet sind.

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9. Die hierbei zu beachtenden verfahrensrechtlichen Anforderungen sind entgegen der Bedenken des LSG gewahrt.

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a) Wie auch das LSG nicht in Zweifel zieht, hat der GBA die im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Betroffenenpartizipation durch Gesetz und seiner eigenen Verfahrensvorgaben (vgl § 3 MMV 2003) ausgestalteten und abgesicherten Beteiligungsrechte gewahrt. Dadurch wird sichergestellt, dass alle sachnahen Betroffenen selbst oder durch Repräsentanten auch über eine unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten hinaus Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wenn ihnen nicht nur marginale Bedeutung zukommt (vgl dazu BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 34). Der dargestellte Ablauf der Beratungen, die Beteiligung sowohl der BQS als auch des IQWiG, die Diskussion der Auswirkungen unterschiedlicher Mindestmengen-Schwellenwerte für die Versorgung sowie die Einholung von Stellungnahmen bei betroffenen Fachverbänden belegen anschaulich sein formal korrektes Vorgehen.

62

b) Dies gilt entgegen der Bedenken des LSG auch im Hinblick darauf, dass zum Zeitpunkt der Mindestmengenentscheidung vom 16.8.2005 der Abschlussbericht des IQWiG vom 5.12.2005 noch nicht vorgelegen hat. Dabei kann offenbleiben, wie es verfahrensrechtlich zu bewerten wäre, wenn der GBA den Abschlussbericht des IQWiG im Rahmen seiner Entscheidungsfindung vollständig unberücksichtigt gelassen hätte. Dies war jedoch entgegen der Auffassung des LSG nicht der Fall: Die Beschlussfassung vom 16.8.2005 war dadurch bestimmt, dass die Entscheidung über die Einführung einer Mindestmenge nach der insoweit maßgeblichen Verfahrensordnung der MMV 2003 bis zum 31. August eines jeden Jahres zu treffen war. Sie wurde deshalb auch mit dem Vorbehalt versehen, sie im Lichte der Ergebnisse des IQWiG neu zu bewerten. Gelegenheit dazu bestand im Rahmen der Sitzung vom 20.12.2005, in der die DKG den Antrag eingebracht hatte, den Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 auszusetzen. Dies ist mehrheitlich vom GBA abgelehnt worden. Der Senat geht davon aus, dass in diesem Zusammenhang die Ergebnisse des IQWiG in ausreichendem Umfang gesichtet und bewertet worden sind, sodass sie zu diesem Zeitpunkt nachträglich in die Entscheidungsfindung einbezogen worden sind.

63

c) Verfahrensrechtlich bedurfte es dazu entgegen der Auffassung des LSG auch keiner gesonderten Begründung. Wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat, besteht für den Normgeber grundsätzlich keine Begründungspflicht (stRspr, vgl nur BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 44; BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, RdNr 29). Etwas anderes gilt hier nicht deshalb, weil der GBA - wie das LSG meint - eine Stellungnahme des IQWiG iS von § 139b Abs 4 S 2 SGB V unberücksichtigt gelassen hat. Dabei kann offenbleiben, ob hierdurch eine formelle Begründungspflicht begründet wird, wie es das LSG aus einer Entscheidung des 1. Senats des BSG abgeleitet hat (Verweis auf BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 82). Denn der GBA ist nicht im Sinne dieser Vorschrift von einer Empfehlung des IQWiG abgewichen. Er konnte dessen Untersuchung vielmehr - wie bereits - dargelegt in rechtlich nicht zu beanstandender Weise entnehmen, dass im Bereich der Knieendoprothetik mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Versorgungsqualität besteht. Dass das IQWiG weitergehende Studien als Voraussetzung für eine konkrete Mindestmengenregelung für erforderlich gehalten hat, war im Hinblick auf die Frage eines möglichen Begründungszwangs unbeachtlich.

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10. Mangels näherer Tatsachenfeststellungen ist dem Senat in der Sache indes eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Insbesondere ist nicht ausreichend zu beurteilen, von welchen Annahmen und Erwägungen der GBA sich bei der Festlegung der im Streit stehenden Mindestmenge hat leiten lassen, warum er andere Gestaltungsmöglichkeiten außer Betracht gelassen hat und ob er demgemäß von seinem Entscheidungsspielraum sachgerecht Gebrauch gemacht hat. Feststellungen hierzu hat das LSG nachzuholen; der GBA hat dabei im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflichten mitzuwirken und seine Mindestmengenentscheidung ggf auch nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen nachzubessern.

65

a) Ist dem GBA die Kompetenz zur Normgebung - wie hier - tatbestandlich eröffnet, beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in der Sache darauf, ob die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (vgl BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 9, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, RdNr 25 - Basistherapeutika bei Neurodermitis; ähnlich BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 67 - Therapiehinweise). Nach diesem Maßstab stehen dem GBA bei Bestimmung des konkreten Mindestmengenschwellenwerts Spielräume zu. Nachvollziehbar ist von Seiten des IQWiG im Vorfeld seiner Gutachtenserstellung darauf hingewiesen worden, dass bei Mengen-Qualitäts-Beziehungen eher mit kontinuierlichen Entwicklungen als mit abrupten Sprüngen zu rechnen ist (vgl Tischvorlage von PD Dr. Bender für die Sitzung des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" des GBA vom 11.2.2005, S 1). Bei solchen kontinuierlichen Verläufen, wie sie das IQWiG auch hier vorgefunden hat, werden an den Grenzen möglicher Mindestmengen - wenn überhaupt - allenfalls geringe Qualitätsunterschiede bestehen, hier also etwa bei Krankenhäusern mit 49 Kniegelenk-TEP einerseits und 50 solcher Operationen andererseits. Das stünde einer Regelung indes nicht grundsätzlich entgegen. Typisierungen und Generalisierungen sind vielmehr mit einer Normgebung vielfach verbunden und auch von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden; Härten im Einzelfall könnten dabei hinzunehmen sein. Anders als es bei Beauftragung des IQWiG möglicherweise der Vorstellung des GBA entsprach, besteht die Befugnis zur Bestimmung von konkreten Mindestmengen deshalb nicht nur dann, wenn sich bei Mengen-Qualitäts-Beziehungen klare Schwellenwerte mit jeweils deutlich unterschiedlichen Qualitätsstufen zeigen ("treppenförmiger Verlauf"). Im Rahmen seines Gestaltungspielraums darf der GBA vielmehr auch beim Fehlen von eindeutigen Schwellenwerten typisierend Mindestmengen festsetzen; die jeweilige Grenzziehung bedarf dann indes einer nachvollziehbaren Begründung.

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b) Im Rahmen der Feststellung von konkreten Mindestmengen-Schwellenwerten wird sodann zu ermitteln sein, welche Auswirkungen diese für die Versorgungssituation mit Kniegelenk-TEP im Allgemeinen haben; zudem ist zu prüfen, wie die zu erwartenden Versorgungsvorteile bei unterschiedlichen Mindestmengen in medizinischer Hinsicht zu bewerten sind und ob anzunehmen ist, dass diese Vorteile durch andere Instrumente der Qualitätssicherung voraussichtlich bei zumutbarem Aufwand mutmaßlich nicht zu erreichen sind. Mit Blick auf größere Divergenzen bei den infrage kommenden Schwellenwerten - wenn es etwa um 20 oder aber um 50 Operationen pro Jahr geht - wird ein höherer Schwellenwert im Allgemeinen nur zu rechtfertigen sein, wenn dem auch entsprechende Vorteile für die Versorgung gegenüber stehen. Im vorliegenden Fall dürfte deshalb zu ermitteln sein, welche statistischen Versorgungsvorteile eine höhere Mindestmenge bringt, worauf sich dies stützt und inwieweit dem medizinische Relevanz zukommt. Ist danach ein solcher Vorteil plausibel und wahrscheinlich, liegt es allerdings im Normsetzungsermessen des GBA, dies medizinisch zu bewerten. Den Gerichten ist es dagegen verwehrt, insoweit ihre eigene Einschätzung an die Stelle des GBA zu setzen, wie etwa hier das LSG in Bezug auf die Relevanz der vom GBA erwarteten Reduzierung des Infektionsrisikos bei einer Mindestmenge von 50 zu verstehen sein könnte.

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c) Zu beachten ist weiterhin die Auswahl der "richtigen" Qualitätsparameter, die der Folgenabschätzung zu Grunde gelegt werden sollen. Der GBA hat hier mit den Kriterien "Unbeweglichkeit" und "Infektion" zwei wesentliche Parameter für die Bemessung der Versorgungsqualität bei der Kniegelenk-TEP gewählt, andere hingegen nicht berücksichtigt. Jedoch zeigt sich schon an den hierzu gefundenen Ergebnissen, dass unter verschiedenen Qualitätsparametern Zielkonflikte bestehen können, die eine divergierende Mengenbetrachtung veranlassen könnten. Deshalb werden sich sowohl die vorbereitenden Untersuchungen als auch die Mindestmengenbestimmung selbst grundsätzlich regelmäßig an der Gesamtheit aller Parameter zu orientieren haben, die aus sachverständiger medizinischer Sicht als klinisch erhebliche Qualitätszeichen anzusehen sind (vgl beispielhaft Geraedts/Ohmann/Blum/Müller, Abschlussbericht zur Begleitforschung zur Einführung von Mindestmengen gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V für den Zeitraum 1.12.2005 - 30.11.2007, Dezember 2007, S 67 f mit Anlage 19, zur Kniegelenk-TEP S 14). Das schließt nicht aus, dass unter den in Betracht kommenden Prüfkriterien eine Auswahl getroffen wird. Diese wird regelmäßig aber nur dann der rechtlichen Überprüfung standhalten können, wenn nachvollziehbar angenommen werden kann, dass die Bandbreite der möglichen Qualitätsparameter durch die getroffene Auswahl angemessen repräsentiert wird.

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d) Ungeachtet einer konkreten Mindestmengenbestimmung besteht bei kontinuierlichen Verläufen darüber hinaus besonderer Anlass, über die Einführung von Ausnahmetatbeständen iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V zu befinden. Diese dem GBA ausdrücklich eingeräumte Kompetenz zielt offenkundig darauf, typisierungsbedingte Härten der Mindestmengenregelung abzumildern. Deshalb kann es nahe liegen, bei Erfüllung vom GBA im Einzelnen festzulegender Qualitätsanforderungen auch Einrichtungen in einem zu bestimmenden Korridor unterhalb der festgesetzten Mindestmenge die Teilnahme an der betroffenen Versorgung zu ermöglichen. Dies könnte auch etwaigen Fehlanreizen entgegen wirken, Fallzahlen im Hinblick auf die Mindestmengenregelung möglichst auszuweiten. So ist zB zu erwägen, ob nicht solche Ausnahmeregelungen, die in der Vergangenheit bereits erfolgreich vom GBA praktiziert worden sind (vgl die Zulassung von Krankenhäusern mit "guter Qualität" - BAnz Nr 204 vom 27.10.2005 S 15659), auch in Zukunft - zumindest ergänzend - als Qualitätsmarker herangezogen werden können, um eine strikte Mindestmengenbegrenzung zu vermeiden oder ihre Folgen für einzelne Krankenhäuser abzumildern.

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e) Schließlich wird zu bedenken sein, ob eine gemäß den vorstehenden Ausführungen ermittelte Mindestmenge einrichtungs- oder arztbezogen anzuwenden ist. Die Vorschrift des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V selbst lässt beides zu. Die Entscheidung zwischen diesen Alternativen liegt weitgehend im pflichtgemäßen Gestaltungsermessen des GBA.

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11. Die weitere Aufklärung der offenen Fragen vom Revisionsgericht nachzuholen, erscheint untunlich (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Deshalb wird im wiedereröffneten Verfahren das LSG - durch einen für die allgemeine Krankenversicherung zuständigen Senat - in eigener Verantwortung zu prüfen haben, ob die Entscheidung des GBA auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage beruht und den aufgezeigten rechtlichen Maßstäben gerecht wird. Sollte das LSG dabei wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass die im Streit stehende Mindestmengenbestimmung rechtswidrig ist, wird es zu beachten haben, dass die von ihm behauptete Normverwerfungskompetenz im sozialgerichtlichen Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs von § 55a SGG nicht besteht. Es erscheint auch kaum wahrscheinlich, dass eine im Verhältnis zwischen Leistungserbringer und GBA getroffene gerichtliche Feststellung von den übrigen GKV-Beteiligten nicht berücksichtigt wird. Die vom LSG insoweit geäußerte Befürchtung ist unbegründet, wie auch der Aussetzungsbeschluss des GBA vom 15.9.2011 (BAnz Nr 157 vom 18.10.2011 S 3637) zeigt.

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12. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

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13. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 GKG. Ausgehend von dem von der Klägerin angegebenen Umsatz von 364 000 Euro bei 50 Kniegelenk-TEP pro Jahr bemisst der Senat ihr wirtschaftliches Interesse an ihrem Rechtsschutzziel, solche Operationen in dem bis dahin geübten Umfang auch unterhalb der Mindestmengenschwelle von 50 Operationen im Jahr durchführen zu dürfen. Bei nur 30 solcher Operationen wie zuletzt im Jahr der mündlichen Verhandlung vor dem LSG folgt daraus auf drei Jahre bemessen der Betrag von 655 200 Euro (= 364 000 : 50 x 30 x 3).

(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben; eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils soll beigefügt werden, sofern dies nicht schon nach § 160a Abs. 1 Satz 3 geschehen ist. Satz 2 zweiter Halbsatz gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.