Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 28. Juli 2014 - 1 BvR 482/13

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2014:rk20140728.1bvr048213
bei uns veröffentlicht am28.07.2014

Tenor

1. Das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 22. August 2012 - 38 Ns 115 Js 251/09 - 172/11 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Januar 2013 - III 2 RVs 186/12 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Duisburg zurückverwiesen.

3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die ihm im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: Fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB.

2

1. Der Beschwerdeführer führte vor dem Amtsgericht einen Schadensersatzprozess gegen seinen ehemaligen Prozessbevollmächtigten, da dieser eine Berufung in einem weiteren Verfahren beim falschen Gericht eingelegt haben soll. Das Amtsgericht wies diese Schadensersatzklage ab. Nachdem die Berufung des Beschwerdeführers zurückgewiesen worden war, erhob der Beschwerdeführer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständige Richterin des Amtsgerichts. Das diesbezügliche Schreiben an den Präsidenten des Landgerichts, das der Beschwerdeführer auch an die betroffene Richterin, den Justizminister und die Gegenseite übersandte, enthielt folgende Äußerungen:

Infolge der Hauptverhandlung am 27.10.2008 wurde von der Richterin … ein skandalöses Fehlurteil gefällt. Wenn schon bekannt, dass in Deutschland der Richter beliebig urteilen kann (…)

Bis hierhin kann man das Urteil als absichtlich oder unabsichtlich schlampig und arglistig ansehen.

Den Kern der richterlichen Tätigkeit verlassend protestiere ich folgend gegen das schäbige, rechtswidrige und eines Richters unwürdige Verhalten der Richterin … und meine, sie müsse effizient bestraft werden um zu verhindern, dass diese Richterin nicht auf eine schiefe Bahn gerät. (…)

Perplex hatte ich an diesem Punkt verstanden, dass der Aufklärungstermin lediglich eine Farce und Finte sein konnte.

Sie begab sich an ihren Platz und fabulierte durcheinander (…)

Ihre Idee, die Berufung sei wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg zurückgenommen worden, findet sich erstaunlicherweise wieder in dem entstellten Sachverhalt, wo die Richterin … behauptet: "der Kläger begehre Schadensersatz wegen anwaltlicher Fehlberatung", "er habe ihn beauftragt, die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels zu prüfen". Solche Erfindung in ein Urteil einzubauen, ist illegal. Ich hatte Auftrag erteilt, in jedem Fall Berufung (…) einzulegen.

Die Richterin … hat nicht einmal auf die "Differenz zwischen dem Klageantrag und der Klagebegründung", wie im Urteil behauptet, hingewiesen; durch einen solchen Hinweis wäre ich vermutlich alarmiert worden (…). "Gleichwohl vermochte der Kläger diesen Widerspruch nicht aufzuklären" ist nicht nur gelogen, sondern im Hinblick darauf, dass diese perfide Lüge benutzt wird, mich den Prozess verlieren zu lassen, niederträchtig und gegen das Recht. (…)

3

2. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer aufgrund dieser Äußerungen wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB zu einer Geldstrafe von 80 Tagesssätzen zu je 20 €. Den auf die Berufung des Beschwerdeführers erfolgten Freispruch hob das Oberlandesgericht auf.

4

3. Mit angegriffenem Urteil verwarf das Landgericht daraufhin die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet. Der Beschwerdeführer habe sich wegen Beleidigung strafbar gemacht. Sein Handeln sei auch dann nicht gemäß § 193 StGB gerechtfertigt, wenn man davon ausgehe, dass seine Äußerungen als Werturteil beziehungsweise als Meinungskundgabe anzusehen seien und die Meinungsfreiheit grundsätzlich dem Persönlichkeitsschutz vorgehe. Bei den Äußerungen des Beschwerdeführers handele es sich um Schmähkritik. Dies habe zur Folge, dass seine Meinungsfreiheit zurücktreten müsse. Dem Beschwerdeführer sei es im Kern nicht um eine sachliche Auseinandersetzung mit der Art und Weise gegangen, wie der Zivilprozess geführt worden sei, sondern um eine Diffamierung der Person der Richterin. Selbst wenn keine Schmähkritik vorliege, müsse bei einer Abwägung seine Meinungsfreiheit gegenüber der Ehre der Richterin zurücktreten. Der Zivilprozess sei zum Zeitpunkt des Schreibens endgültig abgeschlossen gewesen. Zudem könne seine sinngemäße Äußerung, die Richterin drohe auf eine schiefe Bahn zu geraten, nur in dem Sinne ausgelegt werden, dass die Gefahr der Begehung künftiger Straftaten durch die Richterin bestehe. Dies sei völlig aus der Luft gegriffen und ein durch nichts gerechtfertigter Wertungsexzess. Zusätzlich habe der Beschwerdeführer durch die Übersendung des Schreibens an die Gegenseite den Kreis der Adressaten und Empfänger unnötig ausgedehnt.

5

4. Das Oberlandesgericht verwarf die Revision des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 7. Januar 2013 als unbegründet.

6

5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde vom 11. Februar 2013 rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG.

7

6. Dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Von einer Stellungnahme wurde abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

8

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

9

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

10

2. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

11

a) Das Urteil des Landgerichts, dem sich das Oberlandesgericht anschließt, nimmt in verfassungsrechtlich nicht mehr tragbarer Art und Weise an, dass es sich bei den für strafbar erachteten Äußerungen um Schmähkritik handele. Hierbei verkennt das Landgericht die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik. Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts hat das Bundesverfassungsgericht den in der Fachgerichtsbarkeit entwickelten Begriff der Schmähkritik eng definiert. Danach macht auch eine überzogene oder ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen. Wesentliches Merkmal der Schmähung ist mithin eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung. Nur dann kann im Sinne einer Regelvermutung ausnahmsweise auf eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verzichtet werden. Aus diesem Grund wird Schmähkritik bei Äußerungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vorliegen und im Übrigen eher auf die sogenannte Privatfehde beschränkt bleiben (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 93, 266 <294, 303>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 - 1 BvR 2272/04 -, NJW 2009, S. 3016 <3018>). Dem genügt die Entscheidung des Landgerichts nicht. Auch bezüglich der Äußerung, es müsse verhindert werden, dass die Richterin auf eine schiefe Bahn gerate, steht die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund. Der Beschwerdeführer bezieht sich auf das von ihm in der Dienstaufsichtsbeschwerde kritisierte Verhalten und bezweckt eine Überprüfung dieses Verhaltens durch eine übergeordnete Stelle. Es handelt sich zwar um polemische und überspitzte Kritik; diese hat aber eine sachliche Auseinandersetzung zur Grundlage. Bezüglich der weiteren Äußerungen begründet das Landgericht seine Einordnung als Schmähkritik überhaupt nicht.

12

b) Soweit das Landgericht hilfsweise dennoch eine Abwägung vornimmt, verstößt es hierbei zunächst insofern gegen die Meinungsfreiheit, die Äußerung des Beschwerdeführers, "es müsse verhindert werden, dass die Richterin auf eine schiefe Bahn gerate", dahingehend auszulegen, dass hiermit der betroffenen Richterin die künftige Begehung von Straftaten unterstellt werde. Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Äußerungen ist, dass ihr Sinn zutreffend erfasst worden ist (vgl. BVerfGE 93, 266 <295>). Ein Verstoß gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit liegt vor, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde legt, ohne vorher die anderen möglichen Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen zu haben (vgl. BVerfGE 82, 43 <52>; 93, 266 <295 f.>). Die Beachtung dieser Anforderungen unterliegt der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 93, 266 <296>). Warum die Äußerung des Beschwerdeführers hier vernünftigerweise nur so gemeint sein könne, dass die Richterin sonst Straftaten begehen würde, ist aus der Entscheidung des Landgerichts nicht erkennbar. Mit weiteren möglichen Deutungen hat es sich nicht auseinandergesetzt.

13

Auch im Übrigen genügt die Abwägung nicht den verfassungsrechtlichen Maßstäben (vgl. hierzu BVerfGE 7, 198 <212>; 93, 266 <293>; stRspr). Das Landgericht stellt einseitig auf den Ehrschutz ab, ohne die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers ausreichend zu würdigen. Insbesondere wird nicht hinreichend gewürdigt, dass der Beschwerdeführer das Schreiben zwar auch an die Gegenseite gesandt hat, den Adressatenkreis des Schreibens aber überschaubar hielt und sich neben dem Dienstvorgesetzten der Amtsrichterin auf den beklagten Anwalt und den Justizminister beschränkte. Zudem ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer im "Kampf ums Recht" befand und ihm hierbei zur plastischen Darstellung seiner Position grundsätzlich erlaubt ist, auch starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, ohne jedes Wort auf die Waagschale legen zu müssen (vgl. BVerfGE 76, 171 <192>; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. Juli 1996 - 1 BvR 873/94 -, NStZ 1997, S. 35, der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. März 1999 - 1 BvR 734/98 -, NJW 2000, S. 199 <200> und der 1. Kammer des Ersten Senats vom 29. Februar 2012 - 1 BvR 2883/11 -, NJW-RR 2012, S. 1002).

14

c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

15

3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Urteilsbesprechung zu Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 28. Juli 2014 - 1 BvR 482/13

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Referenzen - Gesetze

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht


Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 34a


(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 14 Rahmengebühren


(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermöge
Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 28. Juli 2014 - 1 BvR 482/13 zitiert 8 §§.

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Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93c


(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsb

Strafgesetzbuch - StGB | § 185 Beleidigung


Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstraf

Strafgesetzbuch - StGB | § 193 Wahrnehmung berechtigter Interessen


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Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

Das Urteil des Amtsgerichts Grünstadt vom 20. Juli 2011 - 5087 Js 1362/11.Cs - und der Beschluss des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 17. Oktober 2011 - 5087 Js 1362/11 - 4 Ns - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Grünstadt zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine strafgerichtliche Verurteilung wegen übler Nachrede. Die für strafbar erachteten Äußerungen des Beschwerdeführers erfolgten im Rahmen eines Bußgeldverfahrens.

2

1. Im Herbst 2010 fand im pfälzischen E. die Veranstaltung "autofreies E." statt. Aus deren Anlass wurde unter anderem die übliche Zufahrtsstraße des Beschwerdeführers zu seinem Wohnhaus für Kraftfahrzeuge gesperrt. Circa 15 Minuten vor Beendigung der Veranstaltung fuhr der Beschwerdeführer dennoch in die Zufahrtsstraße ein, um zu seinem Wohnhaus zu gelangen. Eine vor Ort anwesende Polizeistreife bemerkte dies, hielt den Beschwerdeführer an und bot ihm zunächst eine Verwarnung gegen ein Verwarnungsgeld an. Da sich der Beschwerdeführer vor Ort nicht mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärte, gab der Polizeibeamte den Vorgang an die zuständige Bußgeldbehörde zur weiteren Ermittlung und Verfolgung ab. Im Rahmen der anschließenden schriftlichen Anhörung beantragte der Beschwerdeführer die Einstellung des Verfahrens. In einem an die Bußgeldbehörde gerichteten Schreiben schilderte er ausführlich den Sachverhalt aus seiner Sicht und machte insbesondere deutlich, dass die Umleitungsbeschilderung seines Erachtens nach unübersichtlich und nicht ordnungsgemäß gewesen sei, er keine andere Möglichkeit gesehen habe, zu seinem Anwesen zu gelangen, der mit ihm kommunizierende Beamte aber auf seine Argumente nicht eingegangen sei. Insbesondere führte er dabei folgendes an:

3

Nach gut 10 Minuten, meine Frau musste dringend auf die Toilette, ging meine Frau zum Einsatzbus der Polizisten, um zu fragen wie lange es denn noch dauere. Der Beamte mit unseren Papieren hatte es sich dort auf den Rücksitzen "gemütlich" gemacht und wollte offenbar absichtlich etwas unsere Geduld strapazieren. Er sprang dann erschrocken aus seinem Fahrzeug und kam wieder zu mir an die Fahrertür, um mir endlich meine Papiere zurückzugeben und mich aufzufordern, ein "Schuldeingeständnis" zu unterschreiben. Offenbar dachte er tatsächlich, ich wäre nun genug eingeschüchtert ... Das war ich natürlich nicht - eher im Gegenteil! Ich habe nichts unterschrieben und klar gesagt, dass wir einen möglichen Bußgeldbescheid gerichtlich klären lassen. Er hat uns dann schließlich fahren lassen - verblüffenderweise genau dorthin wohin wir von Anfang an wollten und das obwohl die Straße doch gesperrt war - oder vielleicht doch nicht für Anlieger???

4

Ehrliche Meinung meinerseits: Der Beamte war wohl den Tag über zu lange unten am A. Verkehrskreisel in der Sonne gestanden oder hat ganz einfach dort mitgefeiert. Normal war das jedenfalls nicht und menschlich schon 3 mal nicht!

5

Die Verwaltungsbehörde leitete dieses Schreiben dem betroffenen Polizeibeamten zur Stellungnahme zu. Dieser stellte Strafantrag wegen übler Nachrede.

6

2. Mit angegriffenem Urteil verurteilte das Amtsgericht den Beschwerdeführer wegen der Aussagen im letzten Absatz der zitierten Textpassage wegen übler Nachrede gemäß § 186 StGB zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 30 € und begründete dies damit, dass der Beschwerdeführer mit den dortigen Äußerungen im Grunde zum Ausdruck gebracht habe, der Polizeibeamte habe durch Sonneneinwirkung einen "Dachschaden" erlitten oder sei blöd und im Übrigen betrunken gewesen. Zwar sei im "Kampf ums Recht" auch die Behauptung ehrverletzender Tatsachen, soweit sie aus Sicht des Äußernden prozesserheblich sein können, erlaubt. Vorliegend wären zur Verteidigung jedoch die Schilderung des Sachverhalts und der Hinweis auf ein nicht nachvollziehbares und nicht für gerechtfertigt erachtetes Verhalten des Polizeibeamten ausreichend gewesen. Die fraglichen Äußerungen hätten hingegen weder Einfluss auf den objektiven noch auf den subjektiven Tatbestand einer Verkehrsordnungswidrigkeit und stünden daher nicht in Bezug zur Rechtsverteidigung.

7

3. Die hiergegen eingelegte Berufung des Beschwerdeführers nahm das Landgericht gemäß § 313 StPO mit ebenfalls angegriffenem Beschluss nicht an und verwarf sie - entgegen der insofern anderen Einschätzung der Staatsanwaltschaft, die das Rechtsmittel für nicht offensichtlich unbegründet erachtete - wegen offensichtlicher Unbegründetheit als unzulässig.

8

4. Mit seiner daraufhin erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG.

9

5. Dem Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Rheinland-Pfalz wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Von einer Stellungnahme wurde abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegen.

II.

10

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG rügt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen insoweit vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

11

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

12

2. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG im Umfange der Annahme offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

13

a) Die Gerichte verkennen, dass es sich bei den für strafbar erachteten Äußerungen nicht etwa um nicht erweislich wahre, ehrverletzende Tatsachenbehauptungen im Sinne des § 186 StGB, sondern vielmehr um durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägte Werturteile und damit um Meinungen im engeren Sinne handelt (vgl. BVerfGE 7, 198 <210>; 61, 1 <8>; 90, 241 <247>; 93, 266 <289>). Dies erschließt sich bereits aus dem einleitenden Halbsatz "Ehrliche Meinung meinerseits:". Aber auch die für strafbar erachtete Kernaussage ist ihrem Schwerpunkt nach eine solche, die zum Verhalten des betroffenen Polizeibeamten wertend Stellung nimmt, und nicht etwa - wie sich auch aus der Benutzung des Adverbs "wohl" ergibt - ein tatsächliches Geschehen, dass der Betroffene zu lange in der Sonne gestanden habe und mitgefeiert habe, zum Beweis anbietet.

14

Bereits damit verkürzen die Gerichte den Schutzgehalt der gegenständlichen Äußerungen in verfassungsrechtlich unzulässiger Art und Weise. Denn anders als bei Meinungen, bei denen insbesondere im öffentlichen Meinungskampf, aber auch im Kampf ums Recht im Rahmen der regelmäßig vorzunehmenden Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit einerseits und dem Rechtsgut, in deren Interesse sie durch ein allgemeines Gesetz wie den §§ 185 ff. StGB eingeschränkt werden kann, eine Vermutung zugunsten der freien Rede gilt, gilt dies für Tatsachenbehauptungen nicht in gleicher Weise (vgl. BVerfGE 54, 208 <219>; 61, 1 <9>; 90, 241 <248>). Unrichtige Information ist unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Gut (vgl. BVerfGE 54, 208 <219>). Die bewusste Behauptung unwahrer Tatsachen verbleibt daher bereits von vornherein außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 61, 1 <8>).Aber auch sonstige unrichtige Tatsachenbehauptungen sind Einschränkungen auf Grund von allgemeinen Gesetzen leichter zugänglich als das Äußern einer Meinung (vgl. BVerfGE 61, 1 <8>).

15

b)Darüber hinaus messen die angegriffenen Entscheidungen im Rahmen der - aufgrund obiger Erwägungen richtigerweise im Rahmen der §§ 185, 193 StGB vorzunehmenden - Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerfGE 93, 266 <293 ff.>) auch den Umständen nicht genügend Bedeutung bei, dass der Beschwerdeführer die für strafwürdig erachteten Äußerungen im Rahmen eines Bußgeldverfahrens im sogenannten "Kampf ums Recht" getätigt hat (vgl. BVerfGE 76, 171 <192>; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. Juli 1996 - 1 BvR 873/94 -, NStZ 1997, S. 35 und der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. März 1999 - 1 BvR 734/98 -, NJW 2000, S. 199 <200>) und er die Äußerungen ausschließlich an die zuständige Bußgeldbehörde gerichtet hat, ohne dass sie nicht am Verfahren beteiligten Personen zur Kenntnis gelangen konnten (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. März 2009 - 1 BvR 2650/05 -, NJW-RR 2010, S. 204 <206 f.>).

16

Die für strafwürdig erachteten Äußerungen stehen - anders als von den Gerichten angenommen - inhaltlich durchaus noch im Zusammenhang mit seinem Begehren, eine Einstellung des gegen ihn eingeleiteten Bußgeldverfahrens zu bewirken. Der Beschwerdeführer stellt in dem fraglichen Schreiben ausführlich dar, dass er die Vorgehensweise des betroffenen Polizeibeamten für unangemessen und überzogen erachtet hat. Die für strafwürdig erachteten Äußerungen spitzen diese Darstellungen einerseits zu und schließen sie andererseits ab. Das Verhalten des den Vorgang aufnehmenden Polizeibeamten kann aber grundsätzlich auf die unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens vorzunehmende Entscheidung der Verwaltungsbehörde, ob ein Verfahren gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 OWiG eingestellt wird oder nicht, Einfluss haben. Befindet sich der Beschwerdeführer im sogenannten "Kampf ums Recht", ist es ihm zur plastischen Darstellung seiner Position grundsätzlich erlaubt, auch starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, ohne jedes Wort auf die Waagschale legen zu müssen (vgl. BVerfGE 76, 171 <192>; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. Juli 1996 - 1 BvR 873/94 -, NStZ 1997, S. 35 und der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. März 1999 - 1 BvR 734/98 -, NJW 2000, S. 199 <200>). Dabei kommt es - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts - auch nicht entscheidend darauf an, dass der Beschwerdeführer seine Kritik auch anders hätte formulieren können, da auch die Form der Meinungsäußerung grundsätzlich der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung unterliegt (vgl. BVerfGE, 54, 129 <138 f.>; 76, 171 <192>).

17

Auf den verfassungsrechtlich erheblichen Umstand, dass der Beschwerdeführer das Schreiben ausschließlich an die Bußgeldbehörde gerichtet hat, ohne dass es Außenstehenden zur Kenntnis gelangen konnte(vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. März 2009 - 1 BvR 2650/05 -, NJW-RR 2010, S. 204 <206 f.>), gehen die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen mit keinem Wort ein.

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c) Die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen beruhen auf ihrer Verkennung der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Es ist nicht auszuschließen, dass Amtsgericht und Landgericht bei Berücksichtigung der grundrechtlichen Anforderungen zu einem anderen Abwägungsergebnis gekommen wären.

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3. Soweit der Beschwerdeführer auch eine Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG rügt, wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

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4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.