Finanzgericht Baden-Württemberg Entscheidung, 31. Jan. 2018 - 1 K 2444/16

bei uns veröffentlicht am31.01.2018

Tenor

1. Die Umsatzsteuerbescheide für 2012 vom 8. Januar 2014 und für 2013 vom 18. Dezember 2015 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2016 werden dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer für 2012 i.H. von 3.804,26 Euro und für 2013 i.H. von 20.786,40 Euro festgesetzt wird.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit leistet. Ist durch Kostenfestsetzungsbeschluss ein Erstattungsbetrag von insgesamt mehr als 1.500 Euro festgesetzt, hat der Kläger in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss insgesamt festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit zu leisten.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Streitig ist, ob in den Kalenderjahren 2012 und 2013 (Streitjahre) eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen dem Kläger als Organträger und einer A GmbH (nachfolgend: A GmbH) als Organgesellschaft bestand.
1. Der Kläger war mit seiner Mutter, einer B (nachfolgend: B), an der „Grundstücksgesellschaft B und Kl“ (nachfolgend: G-GbR) jeweils zu 50% beteiligt (Gesellschaftsvertrag vom 28. Dezember 1982, Gerichtsakte, Bl. 23 ff.). Die G-GbR verpachtete der A GmbH das Grundstück ... straße xx in X (Flurstück xxxx/xx, Blatt xxxx Gemarkung X, Gerichtsakte, Bl. 69 ff.; nachfolgend: Betriebsgelände).
Nach dem Gesellschaftsvertrag der G-GbR übte jeder persönlich haftende Gesellschafter die Geschäftsführung und Vertretung unter Befreiung von § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) aus (Ziffer 5, Gerichtsakte, Bl. 24.); Gesellschafterbeschlüsse sollten mit einfacher Mehrheit gefasst werden (Ziffer 9 Abs. 3, Gerichtsakte, Bl. 25.). Ferner sollte die Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters nicht aufgelöst werden (Ziffer 18, Gerichtsakte, Bl. 28).
Ziffer 20 des Gesellschaftsvertrages sah überdies Folgendes vor (Gerichtsakte, Bl. 29):
        
Übereinstimmung der Gesellschaftsverträge
        
Die Gesellschafter verpflichten sich hiermit zugleich für ihre Rechts- und Sonderrechtsnachfolger zur gegenseitigen Mitwirkung bei der Herbeiführung und Aufrechterhaltung der Übereinstimmung der beiden heute abgeschlossenen Gesellschaftsverträge für die Besitzgesellschaft (BGB-Gesellschaft) und die Betriebsgesellschaft (offene Handelsgesellschaft). Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf eine eventuelle spätere Änderung der Rechtsform der beiden Gesellschaften oder einer der beiden Gesellschaften. Die Übereinstimmungsverpflichtung gilt insbesondere auch für die jeweilige Personen- und Beteiligungsidentität. Sie erstreckt sich im Innenverhältnis auch auf die Geschäftsführungsbefugnis der jeweiligen Vertreter der beiden genannten Gesellschafter.
        
Zu diesem Zweck wird weiter Folgendes vereinbart:
        
Ein Gesellschafter scheidet aus der gegenwärtigen Gesellschaft aus, wenn seine Beteiligung an der anderen Gesellschaft durch Abtretung, Anwachsung, Erbfolge oder auf sonstige Weise auf eine oder mehrere Personen übergeht, ohne dass die Beteiligung an der gegenwärtigen Gesellschaft auf dieselbe Person oder dieselben Personen im gleichen Beteiligungsverhältnis übergeht. Sofern oder soweit ein solches Ausscheiden bei der einen Gesellschaft sich nicht unmittelbar auf die andere Gesellschaft erstrecken kann, bestehen entsprechende schuldrechtliche Verpflichtungen zur unverzüglichen Vornahme der erforderlichen und zweckmäßigen Rechtshandlungen.“
2. Gegenstand des Unternehmens der A GmbH ist die Herstellung und der Handel mit [ ... ] aller Art (Handelsregister des Amtsgerichts -AG- xxx). Sie ging aus der Umwandlung einer A OHG hervor. Einzelvertretungsbefugte Geschäftsführer und zu je 50% beteiligte Gesellschafter der A GmbH waren der Kläger (Geschäftsanteil Nr. 2) und -bis 1. Dezember 2012- die B (Geschäftsanteil Nr. 1, § 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 20. Mai 1983, Notariat Y, Urkundenrolle Nr. xxx/xx, Gerichtsakte, Bl. 13 ff.). Gesellschafterbeschlüssen werden mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst (§ 8 Abs. 3, Gerichtsakte, Bl. 16).
§ 14 des Gesellschaftsvertrages (Gerichtsakte, Bl. 19) bestimmt weiter:
        
Übereinstimmung der Gesellschaftsverträge
        
(1) Die Gesellschafter verpflichten sich hiermit zugleich für ihre Rechts- und Sonderrechtsnachfolger zur gegenseitigen Mitwirkung bei der Aufrechterhaltung und Herbeiführung der Übereinstimmung des gegenwärtigen Gesellschaftsvertrags und des Gesellschaftsvertrags der Besitzgesellschaft, der Grundstücksgesellschaft B und Kl. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf eine eventuelle spätere Änderung der Rechtsform der beiden Gesellschaften oder einer der beiden Gesellschaften. Die Übereinstimmungsverpflichtung gilt insbesondere auch für die jeweilige Personen- und Beteiligungsidentität. Sie erstreckt sich im Innenverhältnis auch auf die Geschäftsführungsbefugnis der jeweiligen Vertreter der beiden genannten Gesellschaften.
        
(2) Ein Gesellschafter scheidet aus der gegenwärtigen Gesellschaft aus, wenn seine Beteiligung an der anderen Gesellschaft (Besitzgesellschaft) durch Abtretung, Anwachsung, Erbfolge oder auf sonstige Weise auf eine oder mehrere Personen übergeht, ohne dass die Beteiligung an der gegenwärtigen Gesellschaft auf dieselbe Person oder dieselben Personen im gleichen Beteiligungsverhältnis übergeht. Sofern oder soweit eine solches Ausscheiden bei der einen Gesellschaft sich nicht unmittelbar auf die andere Gesellschaft erstrecken kann, bestehen entsprechende schuldrechtliche Verpflichtungen zur unverzüglichen Vornahme der erforderlichen und zweckmäßigen Rechtshandlungen; dies gilt auch sofern und soweit das in Satz 1 genannte Ausscheiden gesetzlich nicht zulässig ist.“
Mit Beschluss des AG Y wurde am 4. Oktober 2013 ein vorläufiger Insolvenzverwalter für die A GmbH bestellt (Gerichtsakte, Bl. 56). Demnach waren Verfügungen über Gegenstände des Vermögens nur noch mit dessen Zustimmung wirksam (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 der Insolvenzordnung -InsO-). Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A GmbH wurde am 1. Januar 2014 eröffnet (xxxxx).
3. Die bereits am 1. Dezember 2012 verstorbene B  hatte mit notariellem Testament vom 24. Oktober 1985 (§ 2, Notariat Y II, Urkunden Nr. xxx, Gerichtsakte, Bl. 34 ff.) ihre drei Kinder -den Kläger und ihre Töchter, eine C und eine D, jeweils geb. A- zu je einem Drittel als Erben eingesetzt (nachfolgend: Erbengemeinschaft).
In § 3 des Testaments hatte sie verfügt (Gerichtsakte, Bl. 35 bis 37):
        
„Ich ordne folgende Vorausvermächtnisse an:
…       
B. Mein Sohn Kl [der Kläger] erhält:
        
1. meine gesamte Beteiligung an der Grundstücksgesellschaft B und Kl [G-GbR] in X, Gesellschaft nach § 705 ff. BGB, und zwar im weitesten Sinne,
        
2. meinen Geschäftsanteil bei der A GmbH [A GmbH] mit dem Sitz in X, und zwar im weitesten Sinne.
        
zu 1 und 2: Mitvermacht sind alle damit zusammenhängenden Rechte, Ansprüche und Verbindlichkeiten, auch meine im Zeitpunkt meines Todes noch bestehenden Darlehensansprüche. …
        
Für die vorstehenden Vermächtnisse gelten folgende gemeinsamen Bestimmungen:
        
d) Jeder Vermächtnisnehmer wird unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB bevollmächtigt, alle im Zusammenhang mit dem Vollzug der zu seinen Gunsten angeordneten Vermächtnisse erforderlichen und zweckmäßigen Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen. Diese Vollmachten sind, soweit gesetzlich zulässig, nach meinem Tod unwiderruflich. Ich stelle ausdrücklich fest, dass sich diese Vollmacht, soweit sie die Vermächtnisgegenstände Buchstabe B betrifft, sich auch auf die Abgabe und Entgegennahme aller Erklärungen und Rechtshandlungen erstreckt, die aus steuerlicher Sicht notwendig bzw. zweckmäßig sind, insbesondere zwecks Aufrechterhaltung der Betriebsaufspaltung; ich nehme insbesondere Bezug auf die Ziffer 20 des BGB-Gesellschaftsvertrages und den § 14 des GmbH-Vertrags. …“
10 
4. Mit notariellem Vertrag vom 15. Juli 2013 wurde der Geschäftsanteil Nr. 1 der verstorbenen B an der A GmbH von der Erbengemeinschaft auf den Kläger übertragen (II. § 2 und IV. der Urkunde Nr. xxx, Notariat Y, Gerichtsakte, Bl. 49). Die Übertragung erfolgte mit schuldrechtlicher Wirkung rückwirkend zum Todestag der B am 1. Dezember 2012, 24:00 Uhr (II. § 3, Gerichtsakte, Bl. 49).
11 
Mit notarieller Urkunde vom 18. Juli 2013 beantragte der Kläger sodann unter Bewilligung der weiteren Miterben eine Grundbuchberichtigung hinsichtlich des an die A GmbH überlassenen Betriebsgeländes dahingehend, ihn als Alleineigentümer im Grundbuch einzutragen (Gerichtsakte, Bl. 54 f.).
12 
5. In seiner Umsatzsteuer-Anmeldung für 2012 erklärte der Kläger aus der Vermietung von zwei Gebäuden in der ... weg x, V sowie der ... platz x und y, W Umsätze zum allgemeinen Steuersatz i.H. von 21.479 Euro sowie abziehbare Vorsteuerbeträge i.H. von 276,75 Euro (USt-Akte, Bl. 1 und 3).
13 
Der Beklagte ging in seinem Umsatzsteuerbescheid für 2012 vom 8. Januar 2014 (USt-Akte, Bl. 12) demgegenüber von Umsätzen zum allgemeinen Steuersatz i.H. von 97.844 Euro (= 21.479 Euro + 76.365 Euro) und Vorsteuerbeträgen aus Rechnungen von anderen Unternehmern i.H. von gerundet 8.249 Euro (= 276,75 Euro + 7.973,18 Euro) aus, in dem er die A GmbH ab 1. Dezember 2012 als Organgesellschaft des Klägers behandelte (Aktenvermerk des Beklagten vom 17. Februar 2014, USt-Akte, Bl. 21).
14 
Für 2013 hat der Kläger bisher keine Umsatzsteuer-Anmeldung abgegeben. Daher schätzte der Beklagte in seinem Umsatzsteuerbescheid vom 18. Dezember 2015 -„im Hinblick auf das Organschaftsverhältnis“ mit der A GmbH- Umsätze zum allgemeinen Steuersatz i.H. von 782.377 Euro und Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern i.H. von 56.416,75 Euro, wobei er die Umsatzsteuer-Voranmeldungen der A GmbH zugrunde legte (USt-Akte, Bl. 38). Dabei ging er davon aus, dass der vorläufige Insolvenzverwalter ab 4. Oktober 2013 faktisch wie ein „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter gehandelt habe, so dass ab diesem Zeitpunkt die organisatorische Eingliederung der A GmbH weggefallen sei (Aktenvermerk des Beklagten vom 17. Februar 2014, USt-Akte, Bl. 21 f.). Der Kläger reichte mit Schriftsatz vom 31. März 2017 eine „Umsatzsteuererklärung 2013 in vorläufiger Form“ ein, aus welcher sich umsatzsteuerpflichtige Umsätze (einschließlich unentgeltlicher Wertabgaben) i.H. von 27.588 Euro und Vorsteuerbeträge i.H. von 3.362,48 Euro ergeben (Gerichtsakte, Bl. 117 und 120). Hinsichtlich der Umsätze der A GmbH von 15. Juli 2013 bis 3. Oktober 2013 erklärte er, dass diese nach Bekanntwerden noch ergänzt werden würden (Gerichtsakte, Bl. 115).
15 
6. Der Kläger legte hiergegen Einspruch ein, und zwar am 21. Januar 2014 gegen den Umsatzsteuerbescheid für 2012 (Rb-Akte, Bl. 3) und am 22. Dezember 2015 gegen den Umsatzsteuerbescheid für 2013 am 22. Dezember 2015 (Rb-Akte, Bl. 116).
16 
Er trägt vor, dass der Kläger und die Erbengemeinschaft nach dem Tod der B jeweils 50% der Anteile an der A GmbH gehalten hätten. Daher sei keine finanzielle Eingliederung gegeben, da hierfür die Stimmenmehrheit des Klägers an der A GmbH erforderlich gewesen wäre. Diese habe der Kläger nicht gehabt. Zudem habe der Kläger --anders als von der Notarin dargestellt (vgl. § 1 Vorbemerkung zur Grundbuchberichtigung vom 15. Juli 2013, Notariat Y, Urkundenrolle Nr. xxx, Gerichtsakte, Bl. 54)- die G-GbR nach dem Tod der B nicht als Einzelunternehmer fortgeführt. Vielmehr sei der GbR-Anteil der B -ebenso wie ihr Geschäftsanteil Nr. 1 an der A GmbH- auf alle Miterben übergegangen. Eine Anwachsung habe beim Kläger nicht stattgefunden. Verfügten aber mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und einer GmbH, sei die GmbH nicht finanziell in die Personengesellschaft eingegliedert (Rb-Akte, Bl. 41 ff. und 122 ff.).
17 
7. Die Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2016 als unbegründet zurückgewiesen (Rb-Akte, Bl. 175 ff.).
18 
Eine finanzielle Eingliederung der A GmbH soll demnach bereits ab dem 1. Dezember 2012 vorliegen, denn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse habe der Kläger zwar keine rechnerische Mehrheit der Stimmrechte gehabt. Dennoch hätte ihm durch die besonderen Umstände eine eindeutige Mehrheit der Stimmrechte kraft wirtschaftlichen Eigentums zugestanden. Dass aufgrund eines Vermächtnisses wirtschaftliches Eigentum bestehen könne, sei im Übrigen in der Rechtsprechung anerkannt, wenn der Vermächtnisnehmer (hier der Kläger) die wirtschaftliche Sachherrschaft über den vermachten Gegenstand bereits vor einer Erfüllung ausübe (Rb-Akte, Bl. 177 f.).
19 
8. Dagegen erhob der Kläger am 13. August 2016 die vorliegende Klage (Gerichtsakte, Bl. 3 ff.).
20 
Der Kläger beantragt (S. 2, Gerichtsakte, Bl. 4),
die Umsatzsteuerbescheide für 2012 vom 8. Januar 2014 und für 2013 vom 18. Dezember 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 2016 zu ändern und um die Umsatzsteuer der Umsätze der A GmbH zu reduzieren.
21 
Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2016 (S. 1, Gerichtsakte, Bl. 76),
die Klage abzuweisen.
22 
Der Beklagte ergänzte seinen Vortrag mit Schriftsatz vom 13. April 2017 (Gerichtsakte, Bl. 106) dahingehend, dass sich aus den Akten der A GmbH keine Hinweise im Hinblick auf die ertragsteuerliche Behandlung der Betriebsaufspaltung ergäben. Da der Kläger sowohl in der Bilanz zum 31. Dezember 2012 (Gerichtsakte, Bl. 153) als auch im Insolvenzeröffnungsgutachten vom 23. Dezember 2013 (Gerichtsakte, Bl. 168) angegeben habe, dass er Alleinerbe von B ab 2. Dezember 2012 gewesen sei, habe der Beklagte die personelle Verflechtung angenommen. Anlass für weitere Nachprüfungen habe nicht bestanden. Hinsichtlich der Umsätze der A GmbH vom 15. Juli bis 3. Oktober 2013 lägen nur monatliche Umsatzsteuer-Voranmeldungen vor. Eine taggenaue Abgrenzung sei daher nicht möglich.
23 
Der Bevollmächtigte führte mit Schriftsatz vom 18. April 2017 (Gerichtsakte, Bl. 109 f.) aus, dass in der Zeit vom 1. Dezember 2012 bis zum 15. Juli 2013 keine Gesellschafterversammlungen stattgefunden hätten, weshalb diesbezüglich keine Protokolle vorgelegt werden könnten. Der Jahresabschluss 2012 der A GmbH sei vom Kläger als Gesellschafter am 17. Juli 2013 festgestellt worden (Anlage K9, Gerichtsakte, Bl. 111). Es gebe auch keine Beschlüsse der Erbengemeinschaft bezüglich der Verwaltung des Nachlasses und der Rechtsstellung der einzelnen Gemeinschafter hinsichtlich der zugewandten Vorausvermächtnisse. Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2017 (Gerichtsakte, Bl. 145 f.) wurde weiterhin erklärt, dass das Insolvenzeröffnungsgutachten nicht vom Kläger, sondern vom Insolvenzverwalter bzw. vom Gutachter stamme. Es sei deshalb unerheblich, welche rechtliche Schlussfolgerung dieser aus der erbrechtlichen Situation gezogen habe. Jedenfalls sei diese unzutreffend gewesen, da der Kläger nicht Alleinerbe gewesen sei. Die rechtlichen Verhältnisse habe zudem der Steuerberater im Jahresabschluss dargestellt. Dabei habe er darauf hingewiesen, dass die Gesellschafterin verstorben und der Kläger damit Alleinerbe sei. Der Kläger habe die allgemeinen Hinweise des Steuerberaters im Jahresabschluss für 2012 nicht gelesen oder gar überprüft, weil er sich auf die Angaben verlassen habe. Zwar habe er den Jahresabschluss unterschrieben, damit aber nicht die rechtliche Bewertung gebilligt.
24 
Der Sach- und Streitstand wurde mit den Beteiligten am 14. März 2017 erörtert.
25 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Unterlagen, die Behördenakten (USt- und Rechtsbehelfsakte) sowie auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
26 
Die Klage ist begründet.
27 
Dabei geht das Gericht im Streitfall davon aus, dass sich der Gegenstand des Klagebegehrens i.S.v. § 65 Abs. 1 Satz 1, § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darauf richtet, die Bescheide über die Umsatzsteuer für die Streitjahre zu ändern und dabei davon auszugehen, dass in der Zeit vom 1. Dezember 2012 bis zum 14. Juli 2013 keine umsatzsteuerliche Organschaft vorlag. Zwar beantragte der Bevollmächtigte noch im Schriftsatz vom 13. August 2016 (S. 2, Gerichtsakte, Bl. 4) die Umsatzsteuerbescheide zu ändern und insgesamt „um die Umsätze der A GmbH zu reduzieren“. Im Schriftsatz vom 18. April 2017 i.V.m. Anlage K11 (Gerichtsakte, Bl. 115) führte der Steuerberater des Klägers aber aus, dass die Umsätze und Vorsteuerbeträge der A GmbH „im Zeitraum der Organschaft vom 15.07. - 03.10.2013“ nur deshalb von ihm bisher nicht berücksichtigt wurden, da diese nicht bekannt gewesen seien. Nach Bekanntwerden dieser Werte müsste die Umsatzsteuer-Anmeldung diesbezüglich noch ergänzt werden. Daraus schließt der Senat, dass das Vorliegen der Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft in diesem Zeitraum vom Kläger nicht mehr bestritten wird.
28 
1. Die Umsatzsteuerbescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), als ihm in den Streitjahren für die Zeit vom 1. Dezember 2012 bis zum 14. Juli 2013 Umsätze der A GmbH aufgrund einer umsatzsteuerlichen Organschaft zugerechnet wurden. Eine Organschaft bestand erst wieder ab dem 15. Juli 2013 (bis 3. Oktober 2013).
29 
a) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse organisatorisch, wirtschaftlich und -hier allein streitig- finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Unionsrechtliche Grundlage dieser Vorschrift ist in den Streitjahren Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Demnach kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.
30 
Eine finanzielle Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Erforderlich ist die Stimmenmehrheit, also mehr als 50% der Stimmen an der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist. Ein bloßes Vetorecht in Form einer Sperrminorität von 50% der Stimmrechte ist nicht ausreichend (Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 22. November 2001 V R 50/00, BStBl II 2002, 167, vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BStBl II 2005, 671, vom 22. April 2010 V R 9/09, BFH/NV 2010, 1581, vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BStBl II 2011, 600 und vom 8. August 2013 V R 18/13, BStBl II 2017, 543 Rn. 24 und 29). Das Fehlen einer eigenen mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligung der Gesellschaft kann nicht durch einen Beherrschungsvertrag und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden (BFH-Urteil vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BStBl II 2011, 600 Rn. 32). Im Interesse der Rechtsklarheit sind Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten grundsätzlich ohne Bedeutung. Sie können nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ergeben. Da sich die mit der Organschaft verbundene Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger finanziell belastend auswirken kann, müssen die Voraussetzungen der Organschaft einfach und rechtssicher bestimmbar sein (BFH-Urteile vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, BStBl II 2017, 553 Rn. 19 sowie V R 25/13, BStBl II 2017, 547 Rn. 29 und vom 22. April 2010 V R 9/09, BStBl II 2011, 597 Rn. 25 f.).
31 
b) Vom 1. Dezember 2012 bis zur Übertragung des Geschäftsanteils Nr. 1 durch notarielle Abtretung am 15. Juli 2013 konnte der Kläger bei der A GmbH seinen Willen nicht durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen, da ihm in dieser Zeit nicht mehr als 50% der Stimmen an der A GmbH (und damit keine Stimmenmehrheit) zustanden.
32 
Zwar braucht die Anteilsmehrheit nicht unmittelbar zu bestehen, da eine mittelbare Beteiligung ausreicht. Ist allerdings eine Gesellschaft oder Gemeinschaft (hier die Erbengemeinschaft) zwischengeschaltet, welche die Beteiligung (an der A GmbH) hält, ist Voraussetzung für eine Zurechnung, dass diese vom Organträger ihrerseits finanziell beherrscht wird (vgl. Korn in Bunjes, UStG, 16. Aufl., 2017, § 2 Rn. 118). Dies ist vorliegend aufgrund der Beteiligung des Klägers an der Erbengemeinschaft mit lediglich einem Drittel nicht gegeben.
33 
aa) Aufgrund des Gesellschaftsvertrages war der Kläger vom 1. Dezember 2012 bis 14. Juli 2013 nur Inhaber von 50% der Geschäftsanteile an der A GmbH (§ 3, Gerichtsakte, Bl. 14).
34 
Nach § 15 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) sind die Geschäftsanteile einer GmbH veräußerlich und vererblich. Daher hat der Tod eines Gesellschafters keinen Einfluss auf den Bestand der Gesellschaft und den Geschäftsanteil. Vielmehr gehen Geschäftsanteile ohne weiteres zwingend auf die Erben des verstorbenen Gesellschafters über (Rodewald in GmbH-Handbuch, Stand Oktober 2017, Rz. I 1091).
35 
Diese Rechtsfolge kann durch Gesellschaftsvertrag auch nicht ausgeschlossen werden. Eine Sondererbfolge ist --anders als bei Anteilen an Personengesellschaften- nicht möglich (Görner in Rohwedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl., 2017, § 15 Rn. 132). Eine Satzung kann aber Bestimmungen enthalten, was mit dem Geschäftsanteil nach dem erbrechtlichen Übergang geschehen soll (Weidlich in Palandt, BGB, 76. Aufl, 2017, § 1922 Rn. 24 m.w.N.). Mehrere Erben eines verstorbenen Gesellschafters werden daher Inhaber zur gesamten Hand nach § 2032 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Als Mitberechtigte i.S.v. § 18 Abs. 1 GmbHG können sie die Rechte aus dem Geschäftsanteil nur gemeinschaftlich ausüben. Ist ein Geschäftsanteil durch (Voraus-) Vermächtnis hinterlassen, so hat der Vermächtnisnehmer lediglich einen Anspruch gegen die Erben auf Übertragung des Geschäftsanteils (§ 1939 i.V.m. § 2174 BGB). Der Vermächtnisnehmer steht damit zivilrechtlich dem Erben nicht gleich (Rodewald in GmbH-Handbuch, Stand Oktober 2017, Rz. I 1079 bis 1081).
36 
Da die B den Kläger und seine beiden Schwestern testamentarisch als Erben zu je einem Drittel einsetzte (§ 2, Gerichtsakte, Bl. 35), ging der Geschäftsanteil Nr. 1 und das damit verknüpfte Stimmrecht am 1. Dezember 2012 zunächst auf die Erbengemeinschaft in ihrer gesamthänderischen Bindung über.
37 
bb) Das Stimmrecht konnte insoweit nur von der Erbengemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss ausgeübt werden.
38 
Die Verwaltung des ungeteilten Nachlasses obliegt nach § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB den Erben gemeinschaftlich, so dass sie gemeinsam das handlungsfähige Organ des Sondervermögens Nachlass sind. Gemäß § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB finden die Vorschriften der §§ 743, 745, 746 BGB Anwendung. Nach § 745 Abs. 1 Satz 1 BGB kann durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstandes entsprechende (ordnungsgemäße) Verwaltung und Benutzung beschlossen werden.
39 
Zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehören alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, die auf Erhaltung, Verwahrung, Sicherung, Nutzung und Mehrung des Nachlassvermögens gerichtet sind. Damit erstreckt sie sich nicht auf bloße Erhaltungshandlungen (wie Inbesitznahme der Nachlasssachen und Ausübung des Besitzes, Einziehung von Forderungen), Sicherung und Verwahrung des Nachlasses, sondern auch auf solche Maßnahmen, die der Nutzung und Mehrung des Nachlasses dienen (Beschluss des Oberlandesgerichts -OLG- Karlsruhe vom 16. Dezember 2013 7 W 76/13, GmbHR 2014, 254 Rn. 20; vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., 2017, § 18 Rn. 4; Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., 2016, § 18 Rn. 8; Weidlich in Palandt, BGB, 76. Aufl, 2017, § 2032 Rn. 9).
40 
Aufgrund seines Erbteils i.H. von lediglich einem Drittel war der Kläger daher bei Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses -wozu auch die Ausübung des Stimmrechts hinsichtlich des Geschäftsanteils Nr. 1 gehörte- nach § 18 Abs. 1 GmbHG, § 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 1 BGB in der Minderheit und hätte sich bei einer notwendigen Beschlussfassung gegen den Willen der beiden Miterbinnen nicht durchsetzen können (vgl. Urteile des Thüringer OLG vom 25. April 2012 2 U 520/11, GmbHR 2013, 149 Rn. 49 f. und des OLG Nürnberg vom 16. Juli 2014 12 U 2267/12, GmbHR 2014, 1147 Rn. 58). Eine Notgeschäftsführungsbefugnis des Klägers auf der Grundlage von § 2038 Abs. 1 Satz 2 a.E. BGB war insofern nicht eröffnet. Auch stand dem Kläger allein aufgrund des Vorausvermächtnisses hinsichtlich des Geschäftsanteils Nr. 1 kein Stimmrecht zu (Beschluss des OLG Stuttgart vom 9. September 2014  14 U 9/14, GmbHR 2015, 192 Rn. 15).
41 
Diese gemeinschaftliche Verwaltung des Geschäftsanteils Nr. 1 endete mit dinglicher Wirkung erst durch dessen notarielle Abtretung nach § 15 Abs. 3 GmbHG am 15. Juli 2013 (§ 2 Abs. 1, Gerichtsakte, Bl. 49). Dass die Übertragung auf den Erwerber „mit schuldrechtlicher Wirkung“ -einschließlich des Gewinnbezugsrechts- bereits auf den 1. Dezember 2012 erfolgte, ist insofern unbeachtlich (§ 3, Gerichtsakte, Bl. 49).
42 
cc) Die Erbengemeinschaft schied auch nicht bereits am 1. Dezember 2012 zugunsten des Klägers aus der A GmbH aus.
43 
§ 14 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages der A GmbH sieht zwar vor, dass ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, wenn seine Beteiligung an der anderen Gesellschaft (hier der G-GbR als Besitzgesellschaft) durch Anwachsung auf eine (oder mehrere) Personen übergeht (Gerichtsakte, Bl. 19).
44 
Diese Bedingung trat durch das Ableben der B ein, denn damit schied sie als hälftige Mitgesellschafterin am 1. Dezember 2012 aus der zweigliedrigen G-GbR aus. Diese wurde dadurch -wegen der Fortsetzungsklausel in Ziffer 18 des Gesellschaftsvertrags- zwar nicht aufgelöst (Gerichtsakte, Bl. 28, vgl. ferner § 727 Abs. 1 a.E. BGB). Da aber eine Personengesellschaft mit nur einem Gesellschafter nicht bestehen kann, wurde sie dennoch beendet. Der Kläger als verbliebener Gesellschafter wurde kraft Anwachsung nach § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB Gesamtrechtsnachfolger der beendeten G-GbR, denn das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft führt zur Übernahme der Aktiva und Passiva durch den verbleibenden Gesellschafter (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 16. Dezember 1999 VII ZR 53/97, GmbHR 2000, 188 Rn. 11; Wälzholz in GmbH-Handbuch, Stand Juli 2017, Rz. I 4378; Sprau in Palandt, BGB, 76. Aufl., 2017, § 737 Rn. 4 und 738 Rn. 1a). Davon ging übrigens auch die Notarin in dem Antrag auf Grundbuchberichtigung vom 15. Juli 2013 aus (§ 1 Vorbemerkung, Gerichtsakte, Bl. 54 f.).
45 
Diese Anwachsung führte jedoch nicht zu einem sofortigen Ausscheiden der Erbengemeinschaft als Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 1, denn solche sog. Automatikklauseln sind unwirksam. Zum Ausscheiden eines Gesellschafters bedarf es eines rechtsgestaltenden Aktes. Für den Erbfall kann lediglich im Rahmen des Gesellschaftsvertrages eine durch das Ableben eines Gesellschafters bedingte Abtretung an die GmbH oder an bestimmte Gesellschafter geregelt werden, wobei im letzteren Fall die Abtretung zusätzlich durch das Überleben des Abtretungsempfängers bedingt ist (Müller/Maul in Beck’sches Handbuch der GmbH, 4. Aufl., 2009, § 13 Rn. 127; Wälzholz in GmbH-Handbuch, Stand Juli 2017, Rz. I 4382 m.w.N.).
46 
Eine solche bedingte Abtretung des Geschäftsanteils Nr. 1, die mit dem Ableben der B wirksam geworden sein könnte, findet sich jedoch weder unmittelbar im Gesellschaftsvertrag noch kann sie auf der Grundlage einer Auslegung angenommen werden. Vielmehr spricht § 14 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich von einem Ausscheiden. In § 14 Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages ist überdies geregelt, dass eine Verpflichtung zur unverzüglichen Vornahme der erforderlichen Rechtshandlungen besteht, falls das in § 14 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages angeordnete Ausscheiden „gesetzlich nicht zulässig ist“. Zudem war sich die B bewusst, dass ihr Geschäftsanteil -aufgrund der testamentarischen Erbeinsetzung aller ihrer Kinder- zunächst in die gesamthänderische Bindung einer Erbengemeinschaft fällt. Gerade deshalb ordnete sie ein Vorausvermächtnis hinsichtlich des Geschäftsanteils Nr. 1 zugunsten des Klägers an (§ 3 B, Gerichtsakte, 36). Eines solchen Vorgehens hätte es nicht bedurft, wenn die B davon ausgegangen wäre, dass sie alles in die Wege geleitet hätte, damit der Kläger ohne weiteres Zutun Alleingesellschafter der A GmbH wird.
47 
dd) Zwar war der Kläger durch postmortale Vollmacht (§ 3 Buchst. d des Testaments, Gerichtsakte, Bl. 57) berechtigt, unter Befreiung von § 181 BGB selbst alle Rechtserklärungen abzugeben, um sicherzustellen, dass die Beteiligungs- bzw. Beherrschungsidentität im Besitzunternehmen und der Betriebskapitalgesellschaft (A GmbH) auch nach dem Ableben der B gewahrt bleibt (vgl. zur sog. personellen Verflechtung Wacker in Schmidt, EStG, 36. Aufl., 2017, § 15 Rn. 820 ff.). Der Kläger hätte folglich unmittelbar nach dem Ableben der B -nicht erst wie tatsächlich geschehen am 15. Juli 2013- ohne Beteiligung der Erbengemeinschaft den Geschäftsanteil Nr. 1 in Vollzug seines Vorausvermächtnisanspruchs formwirksam an sich selbst abtreten können, um Alleingesellschafter der A GmbH zu werden. Dann wäre unzweifelhaft die A GmbH bereits ab diesem früheren Zeitpunkt finanziell eingegliedert worden.
48 
Der Senat ist dennoch der Auffassung, dass die Abtretung des Geschäftsanteils Nr. 1 als dinglicher Rechtsakt für das Vorliegen einer finanziellen Eingliederung maßgeblich ist, denn aufgrund der mit der Organschaft verbundenen Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger wirkt sich diese -insbesondere vorliegend aufgrund der Insolvenz der A GmbH- finanziell belastend aus. Daher müssen die Voraussetzungen der Organschaft einfach und rechtssicher bestimmbar sein (BFH-Urteile vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, BStBl II 2017, 553 Rn. 19 sowie V R 25/13, BStBl II 2017, 547 Rn. 29 und vom 22. April 2010 V R 9/09, BStBl II 2011, 597 Rn. 25 f.). Es kommt auf die rechtliche Durchsetzungsmöglichkeit der Willensbildung in der Gesellschafterversammlung an (Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, Stand März 2016, § 2 Rn. 180). Mit diesem Bedürfnis nach Rechtssicherheit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn -wie vom Beklagten vertreten- auf das wirtschaftliche Eigentum und damit auf die wirtschaftliche Durchsetzungsmöglichkeit abgestellt würde (a.A. Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, UStG, Stand September 2017, E § 2 Rn. 383). Aus demselben Grund folgt der Senat auch nicht der Auffassung, dass dann, wenn die Eingliederung einer GmbH in eine Einzelfirma auf wirtschaftlichem und organisatorischem Gebiet völlig eindeutig ist, die Annahme einer Organschaft nicht daran scheitert, dass die finanzielle Eingliederung nicht vollkommen ist (a.A. BFH-Urteil vom 23. Juli 1964 V 180/61, HFR 1965, 242). Die Voraussetzungen einer Organschaft müssen stets vollständig gegeben sein (vgl. FG Münster, Urteil vom 23. August 2007 5 K 5835/03 U, EFG 2008, 1828 Rn. 37). Unbeachtlich ist insofern auch, dass der Kläger im Jahresabschluss für 2012 und im Insolvenzeröffnungsgutachten als Alleinerbe bezeichnet wird, da dies offensichtlich unzutreffend ist.
49 
Auch ist die Verfügung der B in § 3 Buchst. d des Testaments (Gerichtsakte, Bl. 37) nicht dahin auszulegen, dass der Kläger dadurch bevollmächtigt wurde, das Stimmrecht aus Geschäftsanteil Nr. 1 bis zur Abtretung auszuüben. Der Kläger war lediglich bevollmächtigt, alle im Zusammenhang mit dem Vollzug des zu seinen Gunsten angeordneten Vorausvermächtnisses erforderlichen und zweckmäßigen Erklärungen abzugeben und entgegen zu nehmen, die aus steuerlicher Sicht zur Aufrechterhaltung der Betriebsaufspaltung notwendig waren. Dies stellt keine Stimmrechtsvollmacht dar (vgl. Musterformulierung Pröpper GmbH-StB 2004, 27, 28). Zudem sind im Interesse der Rechtsklarheit Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten grundsätzlich ohne Bedeutung. Sie können nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich -was vorliegend jedenfalls nicht gegeben wäre- aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ergeben (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13, BStBl II 2017, 547 Rn. 29).
50 
c) Damit liegt die finanzielle Eingliederung erst ab 15. Juli 2013 vor, als der Kläger aufgrund der Abtretung Alleingesellschafter der A GmbH wurde; Besitzeinzelunternehmer war er bereits ab 2. Dezember 2012. Da die A GmbH zudem aufgrund der Überlassung des Betriebsgeländes wirtschaftlich (BFH-Urteil vom 9. September 1993 V R 124/89, BStBl II 1994, 129) und aufgrund der Personenidentität in den Leitungsgremien von Besitz- und Betriebsunternehmen (BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BStBl II 2002, 373 Rn. 33) auch organisatorisch eingegliedert war, waren die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft ab diesem Zeitpunkt erfüllt. Allerdings endete die organisatorische Eingliederung am 4. Oktober 2013 mit Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters, da vom AG Y angeordnet wurde, dass Verfügungen der A GmbH über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit dessen Zustimmung wirksam werden konnten (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BStBl II 2017, 543). Ab diesem Zeitpunkt konnte der Kläger nicht mehr seinen Willen in der A GmbH durchsetzen. Davon ging auch der Beklagte im Umsatzsteuerbescheid für 2013 aus.
51 
d) Vor diesem Hintergrund ist die Umsatzsteuer für 2012 -wie vom Kläger in seiner Umsatzsteuer-Anmeldung vom 29. November 2013 (USt-Akte, Bl. 1 f.) erklärt- i.H. von 3.804,26 Euro festzusetzen (= 21.479 Euro x 19% ./. 276,75 Euro).
52 
Da der Kläger für das Jahr 2013 bisher keine Umsatzsteuer-Anmeldung abgegeben hat, macht der Senat insofern von seiner Schätzungsbefugnis Gebrauch (§ 162 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).
53 
Dabei geht er davon aus, dass die von der A GmbH abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Juli bis Oktober 2013 -wie vom Beklagten mit Schriftsatz vom 13. April 2017 mitgeteilt (Gerichtsakte, Bl. 106)- zutreffend sind. Demnach wurde Umsatzsteuer für die A GmbH wie folgt vorangemeldet:
                 
-  für Juli i.H. von 5.625,76 Euro,       
                 
-  für August i.H. von 10.919,74 Euro,       
                 
-  für September i.H. von 703,32 Euro und       
                 
-  für Oktober i.H. von 8.307,01 Euro;       
                 
insgesamt für diesen Zeitraum mithin 25.555,83 Euro. Da die umsatzsteuerliche Organschaft nur vom 15. Juli bis 3. Oktober 2013 bestand, geht der Senat ferner davon aus, dass die dem Kläger zuzurechnenden Umsätze und Vorsteuerbeträge der A GmbH zeitanteilig eine Umsatzsteuer i.H. 18.907,16 Euro (= 25.555,83 Euro x 91 Tage/123 Tage) festzusetzen ist. Im Übrigen hat der Kläger aus seiner sonstigen unternehmerischen Tätigkeit eine Umsatzsteuer für 2013 i.H. von 1.879,24 Euro (= 27.588 Euro x 19% ./. 3.362,48 Euro) errechnet (Schriftsatz vom 18. April 2017 Anlage K11, Gerichtsakte, Bl. 115 ff.). Auch diese legt der Senat seiner Schätzung zugrunde, so dass sich eine festzusetzende Umsatzsteuer für 2013 i.H. von insgesamt 20.786,40 Euro ergibt.
54 
2. Der Senat hält es für zweckmäßig, gemäß § 90a FGO durch den vorliegenden Gerichtsbescheid zu entscheiden.
55 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.  Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig i.S. von § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
56 
4. Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO vorläufig vollstreckbar. Die Entscheidung über die Sicherheitsleistung beruht auf § 711 Satz 1 ZPO.
57 
5. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Gründe

 
26 
Die Klage ist begründet.
27 
Dabei geht das Gericht im Streitfall davon aus, dass sich der Gegenstand des Klagebegehrens i.S.v. § 65 Abs. 1 Satz 1, § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darauf richtet, die Bescheide über die Umsatzsteuer für die Streitjahre zu ändern und dabei davon auszugehen, dass in der Zeit vom 1. Dezember 2012 bis zum 14. Juli 2013 keine umsatzsteuerliche Organschaft vorlag. Zwar beantragte der Bevollmächtigte noch im Schriftsatz vom 13. August 2016 (S. 2, Gerichtsakte, Bl. 4) die Umsatzsteuerbescheide zu ändern und insgesamt „um die Umsätze der A GmbH zu reduzieren“. Im Schriftsatz vom 18. April 2017 i.V.m. Anlage K11 (Gerichtsakte, Bl. 115) führte der Steuerberater des Klägers aber aus, dass die Umsätze und Vorsteuerbeträge der A GmbH „im Zeitraum der Organschaft vom 15.07. - 03.10.2013“ nur deshalb von ihm bisher nicht berücksichtigt wurden, da diese nicht bekannt gewesen seien. Nach Bekanntwerden dieser Werte müsste die Umsatzsteuer-Anmeldung diesbezüglich noch ergänzt werden. Daraus schließt der Senat, dass das Vorliegen der Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft in diesem Zeitraum vom Kläger nicht mehr bestritten wird.
28 
1. Die Umsatzsteuerbescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), als ihm in den Streitjahren für die Zeit vom 1. Dezember 2012 bis zum 14. Juli 2013 Umsätze der A GmbH aufgrund einer umsatzsteuerlichen Organschaft zugerechnet wurden. Eine Organschaft bestand erst wieder ab dem 15. Juli 2013 (bis 3. Oktober 2013).
29 
a) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse organisatorisch, wirtschaftlich und -hier allein streitig- finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Unionsrechtliche Grundlage dieser Vorschrift ist in den Streitjahren Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Demnach kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.
30 
Eine finanzielle Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Erforderlich ist die Stimmenmehrheit, also mehr als 50% der Stimmen an der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist. Ein bloßes Vetorecht in Form einer Sperrminorität von 50% der Stimmrechte ist nicht ausreichend (Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 22. November 2001 V R 50/00, BStBl II 2002, 167, vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BStBl II 2005, 671, vom 22. April 2010 V R 9/09, BFH/NV 2010, 1581, vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BStBl II 2011, 600 und vom 8. August 2013 V R 18/13, BStBl II 2017, 543 Rn. 24 und 29). Das Fehlen einer eigenen mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligung der Gesellschaft kann nicht durch einen Beherrschungsvertrag und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden (BFH-Urteil vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BStBl II 2011, 600 Rn. 32). Im Interesse der Rechtsklarheit sind Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten grundsätzlich ohne Bedeutung. Sie können nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ergeben. Da sich die mit der Organschaft verbundene Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger finanziell belastend auswirken kann, müssen die Voraussetzungen der Organschaft einfach und rechtssicher bestimmbar sein (BFH-Urteile vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, BStBl II 2017, 553 Rn. 19 sowie V R 25/13, BStBl II 2017, 547 Rn. 29 und vom 22. April 2010 V R 9/09, BStBl II 2011, 597 Rn. 25 f.).
31 
b) Vom 1. Dezember 2012 bis zur Übertragung des Geschäftsanteils Nr. 1 durch notarielle Abtretung am 15. Juli 2013 konnte der Kläger bei der A GmbH seinen Willen nicht durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen, da ihm in dieser Zeit nicht mehr als 50% der Stimmen an der A GmbH (und damit keine Stimmenmehrheit) zustanden.
32 
Zwar braucht die Anteilsmehrheit nicht unmittelbar zu bestehen, da eine mittelbare Beteiligung ausreicht. Ist allerdings eine Gesellschaft oder Gemeinschaft (hier die Erbengemeinschaft) zwischengeschaltet, welche die Beteiligung (an der A GmbH) hält, ist Voraussetzung für eine Zurechnung, dass diese vom Organträger ihrerseits finanziell beherrscht wird (vgl. Korn in Bunjes, UStG, 16. Aufl., 2017, § 2 Rn. 118). Dies ist vorliegend aufgrund der Beteiligung des Klägers an der Erbengemeinschaft mit lediglich einem Drittel nicht gegeben.
33 
aa) Aufgrund des Gesellschaftsvertrages war der Kläger vom 1. Dezember 2012 bis 14. Juli 2013 nur Inhaber von 50% der Geschäftsanteile an der A GmbH (§ 3, Gerichtsakte, Bl. 14).
34 
Nach § 15 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) sind die Geschäftsanteile einer GmbH veräußerlich und vererblich. Daher hat der Tod eines Gesellschafters keinen Einfluss auf den Bestand der Gesellschaft und den Geschäftsanteil. Vielmehr gehen Geschäftsanteile ohne weiteres zwingend auf die Erben des verstorbenen Gesellschafters über (Rodewald in GmbH-Handbuch, Stand Oktober 2017, Rz. I 1091).
35 
Diese Rechtsfolge kann durch Gesellschaftsvertrag auch nicht ausgeschlossen werden. Eine Sondererbfolge ist --anders als bei Anteilen an Personengesellschaften- nicht möglich (Görner in Rohwedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl., 2017, § 15 Rn. 132). Eine Satzung kann aber Bestimmungen enthalten, was mit dem Geschäftsanteil nach dem erbrechtlichen Übergang geschehen soll (Weidlich in Palandt, BGB, 76. Aufl, 2017, § 1922 Rn. 24 m.w.N.). Mehrere Erben eines verstorbenen Gesellschafters werden daher Inhaber zur gesamten Hand nach § 2032 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Als Mitberechtigte i.S.v. § 18 Abs. 1 GmbHG können sie die Rechte aus dem Geschäftsanteil nur gemeinschaftlich ausüben. Ist ein Geschäftsanteil durch (Voraus-) Vermächtnis hinterlassen, so hat der Vermächtnisnehmer lediglich einen Anspruch gegen die Erben auf Übertragung des Geschäftsanteils (§ 1939 i.V.m. § 2174 BGB). Der Vermächtnisnehmer steht damit zivilrechtlich dem Erben nicht gleich (Rodewald in GmbH-Handbuch, Stand Oktober 2017, Rz. I 1079 bis 1081).
36 
Da die B den Kläger und seine beiden Schwestern testamentarisch als Erben zu je einem Drittel einsetzte (§ 2, Gerichtsakte, Bl. 35), ging der Geschäftsanteil Nr. 1 und das damit verknüpfte Stimmrecht am 1. Dezember 2012 zunächst auf die Erbengemeinschaft in ihrer gesamthänderischen Bindung über.
37 
bb) Das Stimmrecht konnte insoweit nur von der Erbengemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss ausgeübt werden.
38 
Die Verwaltung des ungeteilten Nachlasses obliegt nach § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB den Erben gemeinschaftlich, so dass sie gemeinsam das handlungsfähige Organ des Sondervermögens Nachlass sind. Gemäß § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB finden die Vorschriften der §§ 743, 745, 746 BGB Anwendung. Nach § 745 Abs. 1 Satz 1 BGB kann durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstandes entsprechende (ordnungsgemäße) Verwaltung und Benutzung beschlossen werden.
39 
Zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehören alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, die auf Erhaltung, Verwahrung, Sicherung, Nutzung und Mehrung des Nachlassvermögens gerichtet sind. Damit erstreckt sie sich nicht auf bloße Erhaltungshandlungen (wie Inbesitznahme der Nachlasssachen und Ausübung des Besitzes, Einziehung von Forderungen), Sicherung und Verwahrung des Nachlasses, sondern auch auf solche Maßnahmen, die der Nutzung und Mehrung des Nachlasses dienen (Beschluss des Oberlandesgerichts -OLG- Karlsruhe vom 16. Dezember 2013 7 W 76/13, GmbHR 2014, 254 Rn. 20; vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., 2017, § 18 Rn. 4; Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., 2016, § 18 Rn. 8; Weidlich in Palandt, BGB, 76. Aufl, 2017, § 2032 Rn. 9).
40 
Aufgrund seines Erbteils i.H. von lediglich einem Drittel war der Kläger daher bei Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses -wozu auch die Ausübung des Stimmrechts hinsichtlich des Geschäftsanteils Nr. 1 gehörte- nach § 18 Abs. 1 GmbHG, § 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 1 BGB in der Minderheit und hätte sich bei einer notwendigen Beschlussfassung gegen den Willen der beiden Miterbinnen nicht durchsetzen können (vgl. Urteile des Thüringer OLG vom 25. April 2012 2 U 520/11, GmbHR 2013, 149 Rn. 49 f. und des OLG Nürnberg vom 16. Juli 2014 12 U 2267/12, GmbHR 2014, 1147 Rn. 58). Eine Notgeschäftsführungsbefugnis des Klägers auf der Grundlage von § 2038 Abs. 1 Satz 2 a.E. BGB war insofern nicht eröffnet. Auch stand dem Kläger allein aufgrund des Vorausvermächtnisses hinsichtlich des Geschäftsanteils Nr. 1 kein Stimmrecht zu (Beschluss des OLG Stuttgart vom 9. September 2014  14 U 9/14, GmbHR 2015, 192 Rn. 15).
41 
Diese gemeinschaftliche Verwaltung des Geschäftsanteils Nr. 1 endete mit dinglicher Wirkung erst durch dessen notarielle Abtretung nach § 15 Abs. 3 GmbHG am 15. Juli 2013 (§ 2 Abs. 1, Gerichtsakte, Bl. 49). Dass die Übertragung auf den Erwerber „mit schuldrechtlicher Wirkung“ -einschließlich des Gewinnbezugsrechts- bereits auf den 1. Dezember 2012 erfolgte, ist insofern unbeachtlich (§ 3, Gerichtsakte, Bl. 49).
42 
cc) Die Erbengemeinschaft schied auch nicht bereits am 1. Dezember 2012 zugunsten des Klägers aus der A GmbH aus.
43 
§ 14 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages der A GmbH sieht zwar vor, dass ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, wenn seine Beteiligung an der anderen Gesellschaft (hier der G-GbR als Besitzgesellschaft) durch Anwachsung auf eine (oder mehrere) Personen übergeht (Gerichtsakte, Bl. 19).
44 
Diese Bedingung trat durch das Ableben der B ein, denn damit schied sie als hälftige Mitgesellschafterin am 1. Dezember 2012 aus der zweigliedrigen G-GbR aus. Diese wurde dadurch -wegen der Fortsetzungsklausel in Ziffer 18 des Gesellschaftsvertrags- zwar nicht aufgelöst (Gerichtsakte, Bl. 28, vgl. ferner § 727 Abs. 1 a.E. BGB). Da aber eine Personengesellschaft mit nur einem Gesellschafter nicht bestehen kann, wurde sie dennoch beendet. Der Kläger als verbliebener Gesellschafter wurde kraft Anwachsung nach § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB Gesamtrechtsnachfolger der beendeten G-GbR, denn das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft führt zur Übernahme der Aktiva und Passiva durch den verbleibenden Gesellschafter (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 16. Dezember 1999 VII ZR 53/97, GmbHR 2000, 188 Rn. 11; Wälzholz in GmbH-Handbuch, Stand Juli 2017, Rz. I 4378; Sprau in Palandt, BGB, 76. Aufl., 2017, § 737 Rn. 4 und 738 Rn. 1a). Davon ging übrigens auch die Notarin in dem Antrag auf Grundbuchberichtigung vom 15. Juli 2013 aus (§ 1 Vorbemerkung, Gerichtsakte, Bl. 54 f.).
45 
Diese Anwachsung führte jedoch nicht zu einem sofortigen Ausscheiden der Erbengemeinschaft als Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 1, denn solche sog. Automatikklauseln sind unwirksam. Zum Ausscheiden eines Gesellschafters bedarf es eines rechtsgestaltenden Aktes. Für den Erbfall kann lediglich im Rahmen des Gesellschaftsvertrages eine durch das Ableben eines Gesellschafters bedingte Abtretung an die GmbH oder an bestimmte Gesellschafter geregelt werden, wobei im letzteren Fall die Abtretung zusätzlich durch das Überleben des Abtretungsempfängers bedingt ist (Müller/Maul in Beck’sches Handbuch der GmbH, 4. Aufl., 2009, § 13 Rn. 127; Wälzholz in GmbH-Handbuch, Stand Juli 2017, Rz. I 4382 m.w.N.).
46 
Eine solche bedingte Abtretung des Geschäftsanteils Nr. 1, die mit dem Ableben der B wirksam geworden sein könnte, findet sich jedoch weder unmittelbar im Gesellschaftsvertrag noch kann sie auf der Grundlage einer Auslegung angenommen werden. Vielmehr spricht § 14 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich von einem Ausscheiden. In § 14 Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages ist überdies geregelt, dass eine Verpflichtung zur unverzüglichen Vornahme der erforderlichen Rechtshandlungen besteht, falls das in § 14 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages angeordnete Ausscheiden „gesetzlich nicht zulässig ist“. Zudem war sich die B bewusst, dass ihr Geschäftsanteil -aufgrund der testamentarischen Erbeinsetzung aller ihrer Kinder- zunächst in die gesamthänderische Bindung einer Erbengemeinschaft fällt. Gerade deshalb ordnete sie ein Vorausvermächtnis hinsichtlich des Geschäftsanteils Nr. 1 zugunsten des Klägers an (§ 3 B, Gerichtsakte, 36). Eines solchen Vorgehens hätte es nicht bedurft, wenn die B davon ausgegangen wäre, dass sie alles in die Wege geleitet hätte, damit der Kläger ohne weiteres Zutun Alleingesellschafter der A GmbH wird.
47 
dd) Zwar war der Kläger durch postmortale Vollmacht (§ 3 Buchst. d des Testaments, Gerichtsakte, Bl. 57) berechtigt, unter Befreiung von § 181 BGB selbst alle Rechtserklärungen abzugeben, um sicherzustellen, dass die Beteiligungs- bzw. Beherrschungsidentität im Besitzunternehmen und der Betriebskapitalgesellschaft (A GmbH) auch nach dem Ableben der B gewahrt bleibt (vgl. zur sog. personellen Verflechtung Wacker in Schmidt, EStG, 36. Aufl., 2017, § 15 Rn. 820 ff.). Der Kläger hätte folglich unmittelbar nach dem Ableben der B -nicht erst wie tatsächlich geschehen am 15. Juli 2013- ohne Beteiligung der Erbengemeinschaft den Geschäftsanteil Nr. 1 in Vollzug seines Vorausvermächtnisanspruchs formwirksam an sich selbst abtreten können, um Alleingesellschafter der A GmbH zu werden. Dann wäre unzweifelhaft die A GmbH bereits ab diesem früheren Zeitpunkt finanziell eingegliedert worden.
48 
Der Senat ist dennoch der Auffassung, dass die Abtretung des Geschäftsanteils Nr. 1 als dinglicher Rechtsakt für das Vorliegen einer finanziellen Eingliederung maßgeblich ist, denn aufgrund der mit der Organschaft verbundenen Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger wirkt sich diese -insbesondere vorliegend aufgrund der Insolvenz der A GmbH- finanziell belastend aus. Daher müssen die Voraussetzungen der Organschaft einfach und rechtssicher bestimmbar sein (BFH-Urteile vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, BStBl II 2017, 553 Rn. 19 sowie V R 25/13, BStBl II 2017, 547 Rn. 29 und vom 22. April 2010 V R 9/09, BStBl II 2011, 597 Rn. 25 f.). Es kommt auf die rechtliche Durchsetzungsmöglichkeit der Willensbildung in der Gesellschafterversammlung an (Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, Stand März 2016, § 2 Rn. 180). Mit diesem Bedürfnis nach Rechtssicherheit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn -wie vom Beklagten vertreten- auf das wirtschaftliche Eigentum und damit auf die wirtschaftliche Durchsetzungsmöglichkeit abgestellt würde (a.A. Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, UStG, Stand September 2017, E § 2 Rn. 383). Aus demselben Grund folgt der Senat auch nicht der Auffassung, dass dann, wenn die Eingliederung einer GmbH in eine Einzelfirma auf wirtschaftlichem und organisatorischem Gebiet völlig eindeutig ist, die Annahme einer Organschaft nicht daran scheitert, dass die finanzielle Eingliederung nicht vollkommen ist (a.A. BFH-Urteil vom 23. Juli 1964 V 180/61, HFR 1965, 242). Die Voraussetzungen einer Organschaft müssen stets vollständig gegeben sein (vgl. FG Münster, Urteil vom 23. August 2007 5 K 5835/03 U, EFG 2008, 1828 Rn. 37). Unbeachtlich ist insofern auch, dass der Kläger im Jahresabschluss für 2012 und im Insolvenzeröffnungsgutachten als Alleinerbe bezeichnet wird, da dies offensichtlich unzutreffend ist.
49 
Auch ist die Verfügung der B in § 3 Buchst. d des Testaments (Gerichtsakte, Bl. 37) nicht dahin auszulegen, dass der Kläger dadurch bevollmächtigt wurde, das Stimmrecht aus Geschäftsanteil Nr. 1 bis zur Abtretung auszuüben. Der Kläger war lediglich bevollmächtigt, alle im Zusammenhang mit dem Vollzug des zu seinen Gunsten angeordneten Vorausvermächtnisses erforderlichen und zweckmäßigen Erklärungen abzugeben und entgegen zu nehmen, die aus steuerlicher Sicht zur Aufrechterhaltung der Betriebsaufspaltung notwendig waren. Dies stellt keine Stimmrechtsvollmacht dar (vgl. Musterformulierung Pröpper GmbH-StB 2004, 27, 28). Zudem sind im Interesse der Rechtsklarheit Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten grundsätzlich ohne Bedeutung. Sie können nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich -was vorliegend jedenfalls nicht gegeben wäre- aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ergeben (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13, BStBl II 2017, 547 Rn. 29).
50 
c) Damit liegt die finanzielle Eingliederung erst ab 15. Juli 2013 vor, als der Kläger aufgrund der Abtretung Alleingesellschafter der A GmbH wurde; Besitzeinzelunternehmer war er bereits ab 2. Dezember 2012. Da die A GmbH zudem aufgrund der Überlassung des Betriebsgeländes wirtschaftlich (BFH-Urteil vom 9. September 1993 V R 124/89, BStBl II 1994, 129) und aufgrund der Personenidentität in den Leitungsgremien von Besitz- und Betriebsunternehmen (BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BStBl II 2002, 373 Rn. 33) auch organisatorisch eingegliedert war, waren die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft ab diesem Zeitpunkt erfüllt. Allerdings endete die organisatorische Eingliederung am 4. Oktober 2013 mit Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters, da vom AG Y angeordnet wurde, dass Verfügungen der A GmbH über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit dessen Zustimmung wirksam werden konnten (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BStBl II 2017, 543). Ab diesem Zeitpunkt konnte der Kläger nicht mehr seinen Willen in der A GmbH durchsetzen. Davon ging auch der Beklagte im Umsatzsteuerbescheid für 2013 aus.
51 
d) Vor diesem Hintergrund ist die Umsatzsteuer für 2012 -wie vom Kläger in seiner Umsatzsteuer-Anmeldung vom 29. November 2013 (USt-Akte, Bl. 1 f.) erklärt- i.H. von 3.804,26 Euro festzusetzen (= 21.479 Euro x 19% ./. 276,75 Euro).
52 
Da der Kläger für das Jahr 2013 bisher keine Umsatzsteuer-Anmeldung abgegeben hat, macht der Senat insofern von seiner Schätzungsbefugnis Gebrauch (§ 162 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).
53 
Dabei geht er davon aus, dass die von der A GmbH abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Juli bis Oktober 2013 -wie vom Beklagten mit Schriftsatz vom 13. April 2017 mitgeteilt (Gerichtsakte, Bl. 106)- zutreffend sind. Demnach wurde Umsatzsteuer für die A GmbH wie folgt vorangemeldet:
                 
-  für Juli i.H. von 5.625,76 Euro,       
                 
-  für August i.H. von 10.919,74 Euro,       
                 
-  für September i.H. von 703,32 Euro und       
                 
-  für Oktober i.H. von 8.307,01 Euro;       
                 
insgesamt für diesen Zeitraum mithin 25.555,83 Euro. Da die umsatzsteuerliche Organschaft nur vom 15. Juli bis 3. Oktober 2013 bestand, geht der Senat ferner davon aus, dass die dem Kläger zuzurechnenden Umsätze und Vorsteuerbeträge der A GmbH zeitanteilig eine Umsatzsteuer i.H. 18.907,16 Euro (= 25.555,83 Euro x 91 Tage/123 Tage) festzusetzen ist. Im Übrigen hat der Kläger aus seiner sonstigen unternehmerischen Tätigkeit eine Umsatzsteuer für 2013 i.H. von 1.879,24 Euro (= 27.588 Euro x 19% ./. 3.362,48 Euro) errechnet (Schriftsatz vom 18. April 2017 Anlage K11, Gerichtsakte, Bl. 115 ff.). Auch diese legt der Senat seiner Schätzung zugrunde, so dass sich eine festzusetzende Umsatzsteuer für 2013 i.H. von insgesamt 20.786,40 Euro ergibt.
54 
2. Der Senat hält es für zweckmäßig, gemäß § 90a FGO durch den vorliegenden Gerichtsbescheid zu entscheiden.
55 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.  Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig i.S. von § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
56 
4. Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO vorläufig vollstreckbar. Die Entscheidung über die Sicherheitsleistung beruht auf § 711 Satz 1 ZPO.
57 
5. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Baden-Württemberg Entscheidung, 31. Jan. 2018 - 1 K 2444/16

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur
Finanzgericht Baden-Württemberg Entscheidung, 31. Jan. 2018 - 1 K 2444/16 zitiert 31 §§.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

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(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 96


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 151


(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; §

Abgabenordnung - AO 1977 | § 162 Schätzung von Besteuerungsgrundlagen


(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. (2) Zu schätzen ist insbesondere dann, we

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 2 Unternehmer, Unternehmen


(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. G

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 181 Insichgeschäft


Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 139


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Aufwendungen der Fin

Insolvenzordnung - InsO | § 21 Anordnung vorläufiger Maßnahmen


(1) Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Gegen die Anordnung der Maßnahme

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 65


(1) Die Klage muss den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Klagebegehrens, bei Anfechtungsklagen auch den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die z

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 745 Verwaltung und Benutzung durch Beschluss


(1) Durch Stimmenmehrheit kann eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung beschlossen werden. Die Stimmenmehrheit ist nach der Größe der Anteile zu berechnen. (2) Jeder Teilhab

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 738 Auseinandersetzung beim Ausscheiden


(1) Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so wächst sein Anteil am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern zu. Diese sind verpflichtet, dem Ausscheidenden die Gegenstände, die er der Gesellschaft zur Benutzung überlassen hat

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 90a


(1) Das Gericht kann in geeigneten Fällen ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden. (2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides mündliche Verhandlung beantragen. Hat das Finanzgeri

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 15 Übertragung von Geschäftsanteilen


(1) Die Geschäftsanteile sind veräußerlich und vererblich. (2) Erwirbt ein Gesellschafter zu seinem ursprünglichen Geschäftsanteil weitere Geschäftsanteile, so behalten dieselben ihre Selbständigkeit. (3) Zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch G

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2038 Gemeinschaftliche Verwaltung des Nachlasses


(1) Die Verwaltung des Nachlasses steht den Erben gemeinschaftlich zu. Jeder Miterbe ist den anderen gegenüber verpflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich sind; die zur Erhaltung notwendigen Maßregeln kann

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 743 Früchteanteil; Gebrauchsbefugnis


(1) Jedem Teilhaber gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte. (2) Jeder Teilhaber ist zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstands insoweit befugt, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2174 Vermächtnisanspruch


Durch das Vermächtnis wird für den Bedachten das Recht begründet, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstands zu fordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 746 Wirkung gegen Sondernachfolger


Haben die Teilhaber die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstands geregelt, so wirkt die getroffene Bestimmung auch für und gegen die Sondernachfolger.

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 18 Mitberechtigung am Geschäftsanteil


(1) Steht ein Geschäftsanteil mehreren Mitberechtigten ungeteilt zu, so können sie die Rechte aus demselben nur gemeinschaftlich ausüben. (2) Für die auf den Geschäftsanteil zu bewirkenden Leistungen haften sie der Gesellschaft solidarisch. (3) Rec

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Finanzgericht Baden-Württemberg Entscheidung, 31. Jan. 2018 - 1 K 2444/16 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

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Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft (KG), vermietete im Streitjahr 2001 ein Grundstück an ihre Komplementärin, eine

Referenzen

Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

(1) Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Gegen die Anordnung der Maßnahme steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(2) Das Gericht kann insbesondere

1.
einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, für den § 8 Absatz 3 und die §§ 56 bis 56b, 58 bis 66 und 269a entsprechend gelten;
1a.
einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, für den § 67 Absatz 2, 3 und die §§ 69 bis 73 entsprechend gelten; zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses können auch Personen bestellt werden, die erst mit Eröffnung des Verfahrens Gläubiger werden;
2.
dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder anordnen, daß Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind;
3.
Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind;
4.
eine vorläufige Postsperre anordnen, für die die §§ 99, 101 Abs. 1 Satz 1 entsprechend gelten;
5.
anordnen, dass Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind; § 169 Satz 2 und 3 gilt entsprechend; ein durch die Nutzung eingetretener Wertverlust ist durch laufende Zahlungen an den Gläubiger auszugleichen. Die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen besteht nur, soweit der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers beeinträchtigt. Zieht der vorläufige Insolvenzverwalter eine zur Sicherung eines Anspruchs abgetretene Forderung anstelle des Gläubigers ein, so gelten die §§ 170, 171 entsprechend.
Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen berührt nicht die Wirksamkeit von Verfügungen über Finanzsicherheiten nach § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes und die Wirksamkeit der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren, die in Systeme nach § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden. Dies gilt auch dann, wenn ein solches Rechtsgeschäft des Schuldners am Tag der Anordnung getätigt und verrechnet oder eine Finanzsicherheit bestellt wird und der andere Teil nachweist, dass er die Anordnung weder kannte noch hätte kennen müssen; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Anordnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(3) Reichen andere Maßnahmen nicht aus, so kann das Gericht den Schuldner zwangsweise vorführen und nach Anhörung in Haft nehmen lassen. Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gilt entsprechendes für seine organschaftlichen Vertreter. Für die Anordnung von Haft gilt § 98 Abs. 3 entsprechend.

Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

(1) Die Klage muss den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Klagebegehrens, bei Anfechtungsklagen auch den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben werden. Der Klage soll eine Abschrift des angefochtenen Verwaltungsakts und der Einspruchsentscheidung beigefügt werden.

(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende oder der nach § 21g des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Berufsrichter (Berichterstatter) den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist gilt § 56 entsprechend.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft (KG), vermietete im Streitjahr 2001 ein Grundstück an ihre Komplementärin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), und stellte dieser entgeltlich Personal und Inventar für die von der GmbH betriebenen Alten- und Pflegeheime zur Verfügung. Die Klägerin erledigte darüber hinaus Verwaltungsaufgaben und erbrachte Hausmeisterserviceleistungen für die GmbH.

2

Gesellschafter der Klägerin und der GmbH waren A, B und C zu jeweils einem Drittel. Die GmbH war zwar Komplementärin der Klägerin, jedoch ohne an der Klägerin kapitalmäßig beteiligt zu sein. Geschäftsführer der GmbH war A.

3

Die Klägerin ging davon aus, dass zwischen ihr und der GmbH eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) bestehe und lediglich nicht steuerbare Innenleistungen zwischen der KG und GmbH erbracht würden. Sie gab daher keine Umsatzsteuererklärungen ab. Im Anschluss an eine Außenprüfung war der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass keine Organschaft vorliege und die Klägerin steuerbare und steuerpflichtige Leistungen an die GmbH erbracht habe. Der gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 10. Mai 2004 eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Klägerin sei Organträger der GmbH, da die GmbH über die Gesellschafter A, B und C in die Klägerin mittelbar finanziell eingegliedert sei, sich die organisatorische Eingliederung aus der Stellung der GmbH als Komplementärin der Klägerin und daher aus einer Personal- und Organidentität ergebe und die wirtschaftliche Eingliederung auf den durch die Klägerin an die GmbH erbrachten Leistungen beruhe. Unerheblich sei, dass nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Dezember 1978 V R 85/74 (BFHE 127, 75, BStBl II 1979, 288) eine Komplementär-GmbH nicht in eine KG eingegliedert sein könne, da dieses Urteil aufgrund der späteren BFH-Rechtsprechung zur mittelbaren finanziellen Eingliederung überholt sei. Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2009, 792 veröffentlicht.

5

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Aufgrund des Erfordernisses eines Über- und Unterordnungsverhältnisses liege keine Organschaft vor. Es fehlten auch die finanzielle und organisatorische Eingliederung.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Die Klägerin trägt vor, das FG habe zutreffend entschieden, dass eine Organschaft bestehe. Es liege eine Betriebsaufspaltung vor. Die GmbH sei von ihr nach dem maßgeblichen Gesamtbild der Verhältnisse völlig abhängig gewesen, da sie der GmbH nahezu das gesamte für ihre Betätigung erforderliche Betriebsvermögen überlassen habe. Die Tatsache, dass ihre Kommanditisten in gleicher Weise auch an der GmbH beteiligt gewesen seien, zeige, dass sie und die GmbH als Einheit anzusehen seien. Es sei völlig unwahrscheinlich gewesen, dass die Kommanditisten in der GmbH anders entscheiden würden als bei ihr, der KG. Für die Organschaft spreche auch, dass die GmbH-Anteile als Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei ihr, der Klägerin, anzusehen seien, da es sich bei dem Sonderbetriebsvermögen und der Organschaft jeweils um "eine rein steuerrechtliche Konstruktion" handele. Für das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses spreche weiter die Einheit des Steuerrechts sowie die Entstehungsgeschichte der Firmenkonstruktion. Die finanzielle Eingliederung ergebe sich auch aus der Vinkulierung der Gesellschaftsanteile und der engen familiären Verbundenheit der Gesellschaftergruppe. Wie das FG zu Recht ausgeführt habe, könne die GmbH zumindest teilweise --beim Betrieb der Alten- und Pflegeheime und damit neben ihrer Geschäftsführungstätigkeit für sie, die Klägerin,-- in sie eingegliedert sein. Die GmbH sei auch organisatorisch in sie eingegliedert gewesen, da ihre Geschäftsführung mit derjenigen der GmbH verflochten gewesen sei. Eine Eingliederung einer Komplementär-GmbH in sie, die Klägerin, sei zumindest insoweit möglich, als der Komplementär neben der Geschäftsführung der KG eine weitere unternehmerische Tätigkeit ausübe. Zumindest sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist im Ergebnis begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vom FG und der Klägerin angenommene Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG scheitert am Erfordernis der finanziellen Eingliederung.

10

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

11

Neben den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung kommt es für die Organschaft weder nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG noch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG auf einen Antrag des Unternehmers an (BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, Leitsatz 2). Bei der Ausübung der nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG bestehenden Ermächtigung sind allerdings die allgemein bei der Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG zu beachtenden Rechtsprinzipien wie z.B. die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Steuerneutralität zu beachten (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217 Rdnrn. 24 ff.). Dies gilt auch für die Auslegung der nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehenden Eingliederungsvoraussetzungen.

12

2. Nach der Rechtsprechung setzt die finanzielle Eingliederung voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd). Bei der finanziellen Eingliederung handelt es sich um eine rechtlich zu erfüllende Voraussetzung, für die es im Regelfall auf die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter ankommt. Ausreichend ist daher eine Beteiligung, die mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft gewährt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd).

13

Eine unmittelbare finanzielle Eingliederung der GmbH in die Klägerin lag im Streitfall nicht vor, da die Klägerin nicht Gesellschafterin der GmbH war. Die Klägerin war auch nicht über eigene Tochtergesellschaften mittelbar an der GmbH beteiligt.

14

3. Eine finanzielle Eingliederung ergibt sich nicht daraus, dass die drei Gesellschafter der Klägerin über die Anteilsmehrheit in der GmbH verfügten. Denn die finanzielle Eingliederung kann grundsätzlich nicht mittelbar über mehrere Gesellschafter des Organträgers erfolgen (Reiß in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, § 2 Rz 111; Wäger in Festschrift für Harald Schaumburg, 2009, 1189 ff., 1199 f.).

15

a) Nach dem BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 123/68 (BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505, unter 2.a) konnte eine GmbH als juristische Person in das Unternehmen eines Organträgers finanziell eingegliedert sein, wenn sich sämtliche Anteile an der GmbH und dem Organträger in einer Hand befanden.

16

Der BFH hat diese Rechtsprechung später für die finanzielle Eingliederung zwischen zwei GmbHs über einen gemeinsamen Gesellschafter aufgegeben und dies insbesondere mit dem bei einer nur mittelbaren Beteiligung fehlenden Über- und Unterordnungsverhältnis begründet. Keine der beiden Gesellschaften sei in das Gefüge des anderen Unternehmens eingeordnet (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1., und die Abweichungsanfrage durch den BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1996, 950, unter II.).

17

Der BFH hielt aber an der finanziellen Eingliederung zwischen der GmbH als Organgesellschaft und der Personengesellschaft als Organträger fest, wenn die Mehrheit der Anteile an der GmbH von den Gesellschaftern einer Personengesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte verfügten (BFH-Urteile vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136, unter II.2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.2.; in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.1.a, und vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365). Dabei bejahte der BFH die finanzielle Eingliederung über einen gemeinsamen Gesellschafter, der in GmbH und Personengesellschaft über eine Anteilsmehrheit von jeweils mindestens 95 v.H. verfügte und auch Geschäftsführer der GmbH war (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136) ebenso wie über zwei Gesellschafter, denen gemeinsam eine Anteilsmehrheit in beiden Gesellschaften zustand (BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 223, und in BFH/NV 2008, 1365). Diese Rechtsprechung beruhte u.a. auf der ertragsteuerrechtlichen Überlegung, dass es sich bei der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft für die Gesellschafter der Organträger-Personengesellschaft um Sonderbetriebsvermögen handele (BFH-Beschluss in GmbHR 1996, 950, unter III.). Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft lehnte die Rechtsprechung aber dann ab, wenn den Gesellschaftern zwar an der GmbH eine Mehrheitsbeteiligung zustand, sie aber in der Personengesellschaft Minderheitsgesellschafter waren. Dies galt selbst dann, wenn die GmbH über eine Anteilsmehrheit an der Personengesellschaft verfügte (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.b aa).

18

b) Für den Fall, dass nur mehreren Gesellschaftern gemeinsam eine Mehrheitsbeteiligung an GmbH und Personengesellschaft zusteht, hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung nicht fest.

19

aa) Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft liegt im Hinblick auf das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter, die nur gemeinsam über eine Anteilsmehrheit an beiden Gesellschaften verfügen, nicht vor.

20

Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen setzt ein Verhältnis der Über- und Unterordnung der beteiligten Gesellschaften voraus (BFH-Urteile in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa, und vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH führt die Gruppenbesteuerung gemäß Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu einer Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen mit den diesem Steuerpflichtigen "untergeordneten Personen" (vgl. EuGH-Urteil Ampliscientifica und Amplifin in Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217).

21

Kommt es danach auf ein Über- und Unterordnungsverhältnis an, gilt dies nicht nur im Verhältnis zwischen mehreren GmbHs als juristischen Personen, sondern gleichermaßen im Verhältnis zwischen GmbH und Personengesellschaft, selbst wenn an diesen Gesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Denn eine Personengesellschaft, deren Gesellschafter eine Mehrheitsbeteiligung an der GmbH halten, verfügt gegenüber dieser GmbH über keine größeren Einwirkungsmöglichkeiten als sie zwischen zwei Schwester-GmbHs bestehen. Einwirkungsmöglichkeiten stehen in beiden Fällen gleichermaßen nur den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern zu. Die bisherige Bejahung einer finanziellen Eingliederung aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter trägt auch nicht dem rechtlichen Charakter der finanziellen Eingliederung (s. oben II.2.) Rechnung. Kommt es für die finanzielle Eingliederung auf rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten an, müssen diese dem Organträger selbst zustehen. Hiermit ist eine Zurechnung der Durchsetzungsmöglichkeiten aus fremdem Beteiligungsbesitz nicht vereinbar.

22

Demgegenüber kann eine Enkelgesellschaft mittelbar über eine oder mehrere eigene Tochtergesellschaften des Organträgers finanziell in dessen Unternehmen eingegliedert sein (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (1)), sofern der Organträger dann aufgrund der ihm in der Beteiligungskette zustehenden Gesellschaftsrechte in der Lage ist, seinen Willen in der Enkelgesellschaft durchzusetzen.

23

bb) Im Hinblick auf die bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen zu beachtenden allgemeinen Rechtsprinzipien der Richtlinie 77/388/EWG (s. oben II.1.), spricht auch der Grundsatz der Rechtssicherheit dagegen, von einer finanziellen Eingliederung zwischen Schwestergesellschaften über gemeinsame Gesellschafter auszugehen.

24

(1) Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit müssen die Betroffenen bei Regelungen, die sich finanziell belastend auswirken können, in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen (EuGH-Urteile vom 15. Dezember 1987 C-326/85, Niederlande/Kommission, Slg. 1987, 5091 Rdnr. 24; vom 29. April 2004 C-17/01, Sudholz, Slg. 2004, I-4243 Rdnr. 34). Dies müssen auch die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Richtlinie einräumt, beachten (EuGH-Urteile vom 26. April 2005 C-376/02, Goed Wonen, Slg. 2005, I-3445 Rdnr. 32; vom 16. September 2008 C-288/07, Isle of Wright, Umsatzsteuer-Rundschau 2008, 816 Rdnrn. 47 f.). Dies ist auch bei der Auslegung der nationalen Vorschriften zu beachten, die der Umsetzung von Richtlinienbestimmungen dienen.

25

Aufgrund der sich aus der Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger ergebenden finanziellen Auswirkungen kommt dem Grundsatz der Rechtssicherheit bei der Auslegung der Organschaftsvoraussetzungen besondere Bedeutung zu. Da die Organschaft nicht von einem Antrag des Organträgers abhängt (s. oben II.1.), muss der Organträger in der Lage sein, anhand der Eingliederungsvoraussetzungen das Bestehen einer Organschaft rechtssicher feststellen zu können.

26

(2) Bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften ist nicht rechtssicher bestimmbar, ob und unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz einer unter Umständen großen unbestimmten Anzahl von Gesellschaftern zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen. Die bloße Anteilsmehrheit mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften reicht hierfür nicht aus, da diese Gesellschafter die ihnen zustehenden Stimmrechte nicht einheitlich ausüben müssen. Auch nur familiäre Beziehungen zwischen mehreren Gesellschaftern sind kein hinreichendes Indiz für eine Zusammenfassung des ihnen zustehenden Beteiligungsbesitzes. Im Übrigen ist auch nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen mehrere Gesellschafter gleichgerichtete oder widerstreitende Interessen verfolgen. Da die Organschaft mit der Verwirklichung ihrer Voraussetzungen beginnt und mit deren Entfallen von Gesetzes wegen endet (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a cc), kann es für die Organschaft und den Eintritt der mit ihr verbundenen Rechtsfolgen (wie z.B. Umsatzzurechnung und Nichtbesteuerung von Innenumsätzen) darüber hinaus nicht darauf ankommen, für welche Zeiträume z.B. mehrere Familiengesellschafter gleichgerichtete Interessen verfolgen und für welche Zeiträume dies aufgrund von Meinungsverschiedenheiten oder Familienstreitigkeiten nicht der Fall ist. Ob im konkreten Einzelfall von einem Fehlen widerstreitender Interessen auszugehen sein kann, ist daher entgegen der Auffassung der Klägerin unerheblich.

27

cc) Nach den Verhältnissen des Streitfalles hat der Senat nicht zu entscheiden, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist, wenn zwischen zwei Schwestergesellschaften z.B. ein Beherrschungsvertrag besteht oder zugunsten einer Schwestergesellschaft Stimmbindungsverträge vorliegen. Offenbleiben kann auch, ob eine Organschaft vorliegt, wenn nur ein Gesellschafter über eine Anteilsmehrheit an GmbH und Personengesellschaft verfügt und zugleich als Gesellschafter für die Personengesellschaft und als Geschäftsführer der GmbH für beide Gesellschaften geschäftsführungsbefugt ist (so das Urteil des XI. Senats des BFH in BFH/NV 1999, 1136), wobei dann allerdings fraglich erscheint, welche der beiden Schwestergesellschaften als herrschende und welche als abhängige Gesellschaft anzusehen ist. Im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung ist schließlich nicht mehr zu entscheiden, ob die bisherige Annahme einer finanziellen Eingliederung durch mehrere gemeinsame Gesellschafter von GmbH und Personengesellschaft --anders als bei mehreren gemeinsamen Gesellschaftern verschiedener GmbHs-- zu einer gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Differenzierung nach der Rechtsform des Organträgers führt.

28

4. Die weiteren Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.

29

a) Die Klägerin kann sich gegen die Änderung der Senatsrechtsprechung nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Voraussetzungen des § 176 der Abgabenordnung liegen nicht vor, da es sich bei dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid nicht um einen Änderungsbescheid, sondern um einen Erstbescheid handelt. Ein allgemeiner Schutz gegenüber den sich aus einer geänderten Rechtsprechung ergebenden Urteilsfolgen ist weder dem nationalen Recht noch dem Gemeinschaftsrecht zu entnehmen. Es ist auch kein sonstiger Vertrauenstatbestand ersichtlich, auf den sich die Klägerin berufen könnte.

30

b) Auch aus dem von der Klägerin betonten Gesamtbild der Verhältnisse und der nach Auffassung der Klägerin besonders stark ausgeprägten wirtschaftlichen Eingliederung ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Zwar kann im Hinblick auf die gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG "nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse" vorzunehmenden Beurteilung eine Organgesellschaft auch dann unselbständig sein, wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete nicht vollkommen ausgeprägt ist. Nicht ausreichend ist jedoch, dass die Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei Eingliederungsmerkmale besteht (BFH-Urteile vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a). Daher kann von der wirtschaftlichen nicht auf die finanzielle Eingliederung geschlossen werden (BFH-Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.) und das völlige Fehlen einer eigenen Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft kann daher nicht durch andere Eingliederungsmerkmale ersetzt werden.

31

c) Dass die Beteiligung an einer juristischen Person ertragsteuerrechtlich Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei seiner Personengesellschaft sein kann, ist für das umsatzsteuerrechtlich maßgebliche Über- und Unterordnungsverhältnis nicht entscheidend und vermag die Annahme der finanziellen Eingliederung über die Gesellschafter des Organträgers nicht zu begründen. Denn die Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen ist für die maßgebliche Willensbildung durch Mehrheitsbeschlüsse unerheblich. Auch die Entstehungsgeschichte der Gesellschaften, die Vinkulierung von Gesellschaftsanteilen und die Einheit des Steuerrechts rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

32

5. Das Urteil des FG entspricht nicht diesen Grundsätzen und war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

33

Die Klage ist abzuweisen, da die GmbH nicht finanziell in die Klägerin eingegliedert ist. Eine finanzielle Eingliederung der GmbH über die drei Gesellschafter der Klägerin in die Klägerin reicht nicht aus. Weiter kommt die Annahme einer nur partiellen Eingliederung der GmbH --für den Bereich des Betriebs der Alten- und Pflegeheime, nicht aber hinsichtlich der Geschäftsführung der Klägerin-- nach der Rechtsprechung des Senats nicht in Betracht (BFH-Urteil in BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (3)).

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob eine GmbH als --umsatzsteuerrechtlich unselbständige-- Organgesellschaft in das Unternehmen einer anderen GmbH eingegliedert war.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) firmierte im Streitjahr 1996 unter F-GmbH. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war --der im Streitjahr selbst nicht unternehmerisch tätige-- X, der auch alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Verwaltungs-GmbH war.

3

Durch "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" vom 15. Dezember 1995 hatte die F-GmbH die Leitung ihres Unternehmens der Verwaltungs-GmbH unterstellt. Nach dem Vertrag war die Verwaltungs-GmbH berechtigt, den Geschäftsführern der F-GmbH alle ihr zweckdienlich erscheinenden Weisungen zu erteilen (§ 2 Abs. 1 des Vertrages). Die F-GmbH war verpflichtet, den gesamten nach den maßgeblichen handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Gewinn abzüglich eines evtl. Verlustvortrages aus dem Vorjahr an die Verwaltungs-GmbH abzuführen (§ 4 Abs. 1 des Vertrages). Die Verwaltungs-GmbH hatte einen während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen (§ 4 Abs. 4 des Vertrages). Die Vereinbarung sollte bezüglich der Verpflichtung zur Gewinnabführung und Verlustübernahme (§ 4 des Vertrages) rückwirkend ab 1. Januar 1995 gelten und war unkündbar bis zum 31. Dezember 2000.

4

Einen gleichlautenden "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" hat die Verwaltungs-GmbH am 15. Dezember 1995 mit der B-GmbH geschlossen, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls X war.

5

Die F-GmbH hatte mit Notarvertrag vom 15. März 1995 von der D-GmbH i.L. unter Beteiligung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) als gesetzlicher Vertreter nach § 21 Abs. 1 Satz 1 des Investitionsvorranggesetzes einen mit einer stillgelegten Malzfabrik bebauten Grundbesitz für 1 DM erworben und sich u.a. verpflichtet, die auf dem Grundbesitz befindlichen Gebäude (mit Ausnahme der Kultur- und Wohngebäude) vollständig abzubrechen und den anfallenden Abraum bis spätestens zum 30. Juni 1998 fachgerecht zu entsorgen (§ 9 Abs. 1 des Vertrages).

6

Zur Gewährleistung des Abbruchs einschließlich der fachgerechten Entsorgung des anfallenden Abraums verpflichteten sich sowohl die D-GmbH i.L. als auch die BvS, der F-GmbH für nach Wirksamwerden des Vertrages vorgenommene Abbrucharbeiten einen "Investitionszuschuss" bis zu max. je 1 Mio. DM, insgesamt max. 2 Mio. DM, zu gewähren, und zwar in acht Tranchen im Umfang von bis zu max. 250.000 DM entsprechend dem Fortschritt der Abbrucharbeiten für bereits erbrachte Fremdleistungen oder Eigenleistungen der F-GmbH (§ 10 des Vertrages).

7

Am 15. April 1996 erteilte die F-GmbH der B-GmbH eine Rechnung über die Gestellung von Personal "für Vorbereitungsarbeiten im Zusammenhang mit dem Abriss ..." über 81.300,56 DM "zzgl. 15 % MwSt 12.195,08 DM".

8

Am 16. April 1996 stellte die F-GmbH eine Rechnung an die D-GmbH i.L. über den "Abriss ..." in Höhe von 851.707,43 DM "zzgl. 15 % MwSt 127.756,11 DM" aus, die sie nebst Anlagen bei der BvS zur Abforderung des vertraglich vereinbarten Investitionszuschusses einreichte.

9

Aufgrund einer Fahndungsprüfung in den Jahren 2001 bis 2003 änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) mit Bescheid vom 16. März 2004 die Umsatzsteuerfestsetzung für 1996 gegenüber der F-GmbH.

10

Einspruch und Klage, mit der die Klägerin insbesondere geltend gemacht hatte, sie schulde die in den Rechnungen der F-GmbH vom 15. und 16. April 1996 ausgewiesene Umsatzsteuer nicht, weil die F-GmbH zu diesem Zeitpunkt Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen sei, blieben ohne Erfolg.

11

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, die Klägerin schulde den von der F-GmbH in der Rechnung vom 16. April 1996 an die D-GmbH i.L. ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag jedenfalls nach § 14 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG); die von der F-GmbH unter dem 15. April 1996 gegenüber der B-GmbH abgerechnete Personalgestellung unterliege nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG der Umsatzsteuer.

12

Die F-GmbH sei im Streitjahr 1996 nicht Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen. Es fehle an der finanziellen Eingliederung, weil die Verwaltungs-GmbH selbst keine Anteile an der F-GmbH besessen habe (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441). Der BFH nehme eine finanzielle Eingliederung bei einer mittelbaren Beteiligung in der Weise, dass die/der Gesellschafter der Organträgergesellschaft die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte in der Organgesellschaft hielten/halte, nur in den Fällen an, in denen Organträgergesellschaft eine Personengesellschaft sei (Hinweis u.a. auf das BFH-Urteil vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136). Diese Differenzierung sei nicht zu beanstanden.

13

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 879 veröffentlicht.

14

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen Rechts (§ 60 Abs. 3, § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 UStG).

15

Dazu macht sie im Wesentlichen geltend, der Senat habe in dem Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, auf das sich das FG zur Begründung bezogen habe, entschieden, wenn eine juristische Person (Kapitalgesellschaft) Organträgerin sein solle, setze dies "regelmäßig" deren unmittelbare, jedenfalls nicht unwesentliche Beteiligung an der Organgesellschaft voraus. Hier liege aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 ein Ausnahmefall im Sinne dieser Rechtsprechung vor, der dazu führe, dass das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis nach der Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Verhältnisse vorliege.

16

In diesem Zusammenhang habe das FG unter Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO die in § 4 Abs. 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt. Aus dieser Regelung ergebe sich aber, dass der F-GmbH das unternehmerische Risiko durch die Verwaltungs-GmbH vollständig abgenommen werde, ein Umstand aus dem sich ihre Unterordnung unter die Verwaltungs-GmbH geradezu aufdränge.

17

Zudem verstoße die Rechtsauffassung des FG gegen die europarechtlichen Grundsätze der Rechtsformunabhängigkeit und der steuerlichen Neutralität. Diese Grundsätze sprächen dafür, die Entscheidung, ob eine Organgesellschaft mittelbar finanziell in einen Organträger eingegliedert sei, nicht davon abhängig zu machen, ob der Organträger eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft sei.

18

Die übrigen Voraussetzungen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft (organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung) lägen vor.

19

Die Klägerin rügt ferner, dass das FG entgegen § 60 Abs. 3 FGO die Verwaltungs-GmbH nicht beigeladen habe.

20

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung des FA vom 1. März 2005 die Umsatzsteuer für 1996 unter Änderung des Bescheids vom 16. März 2004 um insgesamt ... DM herabzusetzen,

hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorzulegen:

21

"Sind Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der ... Richtlinie 77/388/EWG ... in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtsformunabhängigkeit und dem Neutralitätsprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegenstehen, die eine Anerkennung einer Organschaft und damit nur eines Steuerpflichtigen im Sinne der Richtlinie ablehnt, wenn der alleinige 100%ige Gesellschafter-Geschäftsführer der zum Organkreis gehörenden Kapitalgesellschaften alle Anteile zwar im Privatvermögen hält, aber als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaften in die Verwaltung eingreift und durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag eine Kapitalgesellschaft zur Organträgerin bestimmt, die das unternehmerische Risiko der übrigen Gesellschaften trägt?",

"höchsthilfsweise", die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

22

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

23

Es tritt dem Revisionsvorbringen entgegen und verweist darauf, dass es im Streitfall außer an einer finanziellen Eingliederung auch an einer wirtschaftlichen Eingliederung der F-GmbH in das Unternehmen der Verwaltungs-GmbH fehle.

Entscheidungsgründe

24

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

25

Das FG hat zutreffend entschieden, dass die F-GmbH nicht i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in die Verwaltungs-GmbH finanziell eingegliedert war. Die von der Klägerin gerügten Verstöße gegen § 60 Abs. 3 und § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegen nicht vor.

26

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

27

Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Danach steht es (vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie 77/388/EWG) jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln.

28

2. Eine finanzielle Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt nach der Rechtsprechung des BFH voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Erforderlich ist die Stimmenmehrheit, also mehr als 50 % der Stimmen an der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581, unter II.2.).

29

Die Stimmenmehrheit an einer Organgesellschaft kann auch durch eine mittelbare Beteiligung des Organträgers in der Weise erreicht werden, dass der Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft in direkter Linie über eine unmittelbare Mehrheitsbeteiligung (als Gesellschafter) an einer (Tochter-)Gesellschaft erreicht, die ihrerseits unmittelbar mit Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft (sog. Enkelgesellschaft) beteiligt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a ee).

30

a) Im Streitfall war die Verwaltungs-GmbH nicht unmittelbar an der F-GmbH beteiligt. Die Verwaltungs-GmbH war auch nicht über eine oder mehrere Tochtergesellschaften mittelbar an der F-GmbH beteiligt.

31

Dass X alleiniger Gesellschafter sowohl der Verwaltungs-GmbH als auch der F-GmbH war, reicht nicht aus. Denn dadurch ist keine der beiden Gesellschaften in das andere Unternehmen eingeordnet. Es handelt sich um gleichgeordnete Schwestergesellschaften, zwischen denen, würde nicht auf das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis abgestellt werden, wechselseitige und jeweils austauschbare Organverhältnisse denkbar wären (vgl. Senatsurteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441).

32

b) Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15. Dezember 1995 --insbesondere die darin vorgesehene Verpflichtung der Verwaltungs-GmbH zur Übernahme der Verluste der F-GmbH-- führt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu einer finanziellen Eingliederung der F-GmbH in die Verwaltungs-GmbH. Denn aus der Notwendigkeit einer Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft folgt auch, dass eine fehlende Beteiligung nicht durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden kann.

33

Das Merkmal der finanziellen Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG betrifft --wie dargelegt-- die Beteiligungsverhältnisse (vgl. auch Lippross, Umsatzsteuer, 22. Aufl., S. 338). Gewinnabführungsverträge haben darauf aber keinen Einfluss. Dasselbe gilt für die in dem Vertrag vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Übernahme etwaiger Verluste der F-GmbH durch die Verwaltungs-GmbH.

34

Darüber hinaus steht im Streitfall auch nicht fest, ob und wann der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15. Dezember 1995 zwischen der Verwaltungs-GmbH und der F-GmbH wirksam wurde. Ein derartiger Vertrag wird erst mit seiner Eintragung in das Handelsregister gemäß § 294 Abs. 2 des Aktiengesetzes zivilrechtlich (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Oktober 1988 II ZB 7/88, BGHZ 105, 324) und steuerrechtlich (vgl. BFH-Entscheidungen vom 22. Oktober 2008 I R 66/07, BFHE 223, 162, BStBl II 2009, 972, unter II.2.; vom 3. September 2009 IV R 38/07, BFHE 226, 283, BStBl II 2010, 60, unter II.2., m.w.N.) wirksam. Dazu hat das FG keine Feststellungen getroffen.

35

c) Soweit die Klägerin darauf verweist, der EuGH habe in den Urteilen vom 25. Juli 1991 Rs. C-202/90 --Ayuntamiento de Sevilla-- (Slg. 1991, I-4247, Umsatzsteuer-Rundschau --UR--- 1993, 122, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1993, 214, Rz 13) und vom 18. Oktober 2007 Rs. C-355/06 --van der Steen-- (Slg. 2007, I-8863, UR 2007, 889, HFR 2008, 87, Rz 24) ausgeführt, "dass ein Unterordnungsverhältnis dann nicht besteht, wenn die Betroffenen das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit tragen", hat der EuGH dies entgegen der Darstellung der Klägerin nicht "für die Organgesellschaft" festgestellt.

36

Die bezeichnete Aussage in den EuGH-Urteilen betrifft nicht die vorliegend relevanten Voraussetzungen einer Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen i.S. von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, sondern die --anderweitige--- Frage der Selbständigkeit (Verhältnis der Unterordnung i.S. des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) eines spanischen Steuereinnehmers (--Ayuntamiento de Sevilla-- in Slg. 1991, I-4247, UR 1993, 122, HFR 1993, 214) und eines Arbeitnehmers, der zugleich einziger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH war (--van der Steen-- in Slg. 2007, I-8863, UR 2007, 889, HFR 2008, 87).

37

3. Das Erfordernis der Stimmenmehrheit einer GmbH als Organträger an einer Organgesellschaft verstößt nicht gegen den Grundsatz der Rechtsformneutralität der Umsatzsteuer. Denn auch eine Personengesellschaft kann nur dann Organträger sein, wenn sie (selbst) an einer Organgesellschaft mit Stimmenmehrheit beteiligt ist. An seiner anderslautenden Rechtsprechung in dem Urteil in BFH/NV 1999, 1136 hält der Senat nicht mehr fest.

38

a) Der BFH hatte bei einer Personengesellschaft als Organträger --anders als bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger-- für eine finanzielle Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG eine Beteiligung der Personengesellschaft an der Organgesellschaft nicht vorausgesetzt; ausreichend war, dass die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgergesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Stimmrechte verfügten und damit die Personengesellschaft mittelbar ihren Willen in der Organgesellschaft durchsetzen konnte (grundlegend BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136, unter II.2., m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a ee; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.e).

39

b) Dieser Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung (vgl. Abschn. 21 Abs. 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008) und die herrschende Meinung in der Literatur zugestimmt (vgl. Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 44 Rz 261; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 2 Rz 112; Flückiger in Plückebaum/Malitzky/Widman, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 2 Abs. 2 Rz 280/1, 282/1; Heidner in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 2 Rz 118; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, § 2 UStG Rz 74; zustimmend nur für den Fall der sog. Betriebsaufspaltung: Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 689; kritisch Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 2 Rz 111, und Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 393 f.).

40

c) Nunmehr hat der V. Senat des BFH aber eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft verneint, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und einer GmbH verfügen (vgl. Urteil in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581).

41

d) Der erkennende Senat gibt seine Rechtsprechung in dem Urteil in BFH/NV 1999, 1136 auf. Die bisherige unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Unternehmen in Abhängigkeit von ihrer Rechtsform verstößt gegen den durch die Rechtsprechung des EuGH ausgeprägten unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtsformneutralität, weil sie nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.

42

aa) Der Grundsatz der Steuerneutralität (vgl. zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG: EuGH-Urteil vom 22. Mai 2008 Rs. C-162/07 --Ampliscientifica und Amplifin--, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217, HFR 2008, 878, UR 2008, 534, Rz 25, m.w.N.) verlangt in seiner Ausprägung der Rechtsformneutralität (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteil vom 10. September 2002 Rs. C-141/00 --Kügler--, Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, HFR 2002, 1146, UR 2002, 513, Rz 30, m.w.N.; BFH-Urteil vom 14. Mai 2008 XI R 70/07, BFHE 221, 517, BStBl II 2008, 912, unter II.1.a aa, m.w.N.), dass die Rechtsform des Steuerpflichtigen im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich unerheblich ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26. September 2007 V R 54/05, BFHE 219, 241, BStBl II 2008, 262, unter II.1.b, m.w.N.; Birkenfeld, UR 2008, 2, 5, m.w.N.) und gebietet eine weitgehende Gleichbehandlung von Kapital- und Personengesellschaften (vgl. BFH-Urteil vom 6. September 2007 V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710, unter II.3.).

43

bb) Der Senat hat seinerzeit zur Begründung dafür, dass eine Verflechtung aufgrund der Beteiligung von Gesellschaftern einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft für deren finanzielle Eingliederung ausreichend sein kann, darauf abgestellt, bei Vorliegen vor allem der wirtschaftlichen Eingliederung der Untergesellschaft könnten diese Beteiligungen im Rahmen der Obergesellschaft als notwendiges (Sonder-)Betriebsvermögen auszuweisen sein (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, UR 1996, 334, GmbH-Rundschau 1996, 950, unter III.).

44

Dieses Argument vermag aber eine unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Organträger nicht zu rechtfertigen (zutreffend Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 2 Rz 111). Denn die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen bewirkt nicht, dass das Eigentum an den GmbH-Anteilen und damit die Stimmrechte des Gesellschafters der GmbH auf die Personengesellschaft übergehen.

45

Dass die jeweils beide Gesellschaften beherrschende natürliche Person rein tatsächlich in der Lage ist, ihren Willen in beiden Gesellschaften durchzusetzen, reicht für die Annahme einer finanziellen Eingliederung der einen Gesellschaft in die andere (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG) nicht aus.

46

Vielmehr muss die Personengesellschaft selbst --ggf. auch mittelbar über eine weitere (Tochter-)Gesellschaft-- über die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft verfügen (vgl. Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 2 Rz 111), wie dies auch bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger erforderlich ist (s. oben unter II.2.).

47

e) Der Senat hat beim V. Senat des BFH angefragt, ob dieser in der vorliegenden Entscheidung eine Abweichung von seiner Rechtsprechung sieht und ob er bejahendenfalls dieser Abweichung zustimmt.

48

Der V. Senat hat mitgeteilt, dass er in der Annahme einer fehlenden mittelbaren finanziellen Eingliederung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) zwischen einer Personen- und einer Kapitalgesellschaft auch für den Fall, dass nur ein Gesellschafter über Mehrheitsbeteiligungen an beiden Gesellschaften verfügt, keine Abweichung von seinem Urteil in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581 sieht.

49

4. Weitere materielle Rechtsfehler hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

50

5. Die von ihr gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

51

a) Das FG hat entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dadurch gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, dass es die in § 4 Abs. 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt hat.

52

Denn darauf kam es nach der für die Prüfung eines Verfahrensfehlers maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 III R 63/98, BFH/NV 2001, 1028, unter II.1.a) nicht an. Das FG hat für die Frage der finanziellen Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG --zutreffend-- auf die Beteiligungsverhältnisse abgestellt (Urteil, S. 9).

53

b) Die weitere Rüge der Klägerin, das FG habe es unterlassen, die Verwaltungs-GmbH zum Verfahren beizuladen und dadurch gegen § 60 Abs. 3 FGO verstoßen, hat ebenfalls keinen Erfolg.

54

Das FG musste die Verwaltungs-GmbH nicht gemäß § 60 Abs. 3 FGO beiladen. Denn sie ist an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Bei einem Streit darüber, ob eine Gesellschaft in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist, ist zwar eine Beiladung des Organträgers nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO möglich (vgl. BFH-Beschluss vom 27. August 1990 V B 14/97, BFH/NV 1998, 148), aber nicht i.S. von § 60 Abs. 3 FGO notwendig (vgl. BFH-Beschluss vom 4. August 2006 V B 98/04, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris; Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 60 Rz 107; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz 74).

55

Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt die Rechtsprechung im Beschluss des BFH vom 4. August 2006 V B 98/04 (n.v., juris) nicht nur für die Beiladung eines Insolvenzverwalters, sondern generell für die Beiladung eines möglichen Organträgers. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme des Beschlusses auf den --eine Einschränkung nicht enthaltenden-- Beschluss in BFH/NV 1998, 148.

56

6. Für die von der Klägerin hilfsweise beantragte Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH sieht der Senat keinen Anlass.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die beim Einbau von Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär- und Klimaanlagen sowie im Trockenausbau steuerpflichtige Leistungen erbrachte. Der Kläger hatte Geschäftsräume an die GmbH vermietet. Er versteuerte die Umsätze der GmbH als deren Organträger nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes jeweils in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG).

2

Im März 2002 beantragte der Kläger für die GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Das zuständige Amtsgericht ordnete am 19. März 2002 Sicherungsmaßnahmen an und bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Der Beschluss hatte folgenden Wortlaut:

3

"1. Es wird gemäß § 21 Abs. 2 Ziffern 1 und 2 InsO die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Antragstellerin angeordnet.

4

2. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wird bestellt: Rechtsanwalt S ... .

5

3. Es wird angeordnet, dass Verfügungen der Antragstellerin nur noch mit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Ziffer 2, 2. Alt. InsO)

6

4. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Antragstellerin. Er wird ermächtigt, mit rechtlicher Wirkung für die Antragstellerin zu handeln, ist jedoch verpflichtet, diese Befugnis nur dann wahrzunehmen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgaben schon vor Verfahrenseröffnung dringend erforderlich ist. Der vorläufige Insolvenzverwalter soll insbesondere gemäß § 22 Abs. 2 InsO

7

a) das Vermögen der Antragstellerin sichern und erhalten;

8

b) prüfen, ob ein nach der Rechtsform der Antragstellerin maßgeblicher Eröffnungsgrund vorliegt, ob eine freie Vermögensmasse zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausreicht und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens der Antragstellerin bestehen.

9

Die Verfügungsbefugnis über bestehende Arbeitsverhältnisse obliegt weiterhin der Antragstellerin; die Begründung, Änderung und Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse bedürfen jedoch der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters.

10

5. Der Antragstellerin wird jegliche Verfügung über Bankkonten und damit zusammenhängende Kreditsicherheiten, Verträge und Rechtsgeschäfte untersagt und die Verfügungsbefugnis insoweit ausschließlich dem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen.

11

Den Schuldnern der Antragstellerin (Drittschuldnern) wird verboten, an die Antragstellerin zu leisten. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Bankguthaben, Zahlungseingänge auf Konten und sonstige Forderungen der Antragstellerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Drittschuldner werden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO). ..."

12

Während des Eröffnungsverfahrens wurden Bauvorhaben fortgeführt und Restarbeiten vorgenommen. Die GmbH stellte ihren Geschäftsbetrieb zum 31. März 2002 ein. Das Insolvenzgericht eröffnete mit Beschluss vom 20. August 2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH.

13

Der Kläger gab für das Streitjahr 2002 keine Umsatzsteuererklärung ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ am 11. November 2003 einen Schätzungsbescheid für das Streitjahr, der unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) erging. Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA davon aus, dass der von der GmbH in Anspruch genommene Vorsteuerabzug bei Insolvenzeröffnung insoweit wegen Uneinbringlichkeit gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen sei, als die GmbH Entgelte für die von ihr bezogenen Leistungen nicht entrichtet hatte. Das FA erließ am 2. Januar 2006 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid, in dem ein entsprechender Vorsteuerberichtigungsanspruch berücksichtigt wurde. Auch hiergegen erhob der Kläger Einspruch. In der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2007 erhöhte das FA im Einvernehmen mit dem Kläger die Umsatzsteuer für Ausgangsumsätze und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

14

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Die Organschaft habe nicht bereits mit der Bestellung des vorläufigen Verwalters geendet, sondern bis zur Insolvenzeröffnung bestanden, so dass sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch gegen den Kläger als Organträger gerichtet habe.

15

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Die für die Organschaft erforderliche organisatorische Eingliederung sei bereits mit der Bestellung des vorläufigen Verwalters entfallen, so dass sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch nicht gegen ihn richte. Der vorläufige Verwalter habe wie ein starker Verwalter gehandelt und ihm faktisch die Geschäftsführung entzogen. Der vorläufige Verwalter habe seine insolvenzrechtlichen Befugnisse überschritten und Arbeitskräfte beschäftigt. Er habe eigene operative Geschäftsentscheidungen getroffen. Es hätte im Verfahren vor dem FG eine Beweisaufnahme durchgeführt werden müssen. Mit Schreiben vom 29. Juli 2002 habe der vorläufige Insolvenzverwalter die an die GmbH vermieteten Räume freigegeben, so dass zumindest zu diesem Zeitpunkt die wirtschaftliche Eingliederung entfallen sei. Es sei im Übrigen auch nicht zwischen starker und schwacher vorläufiger Insolvenzverwaltung zu differenzieren. Schließlich sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) fraglich, ob der Ausschluss einer abweichenden Willensbildung in der GmbH für eine organisatorische Eingliederung ausreiche.

16

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG und den Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 11. November 2003, geändert durch den Bescheid vom 2. Januar 2006, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2007 aufzuheben und Umsatzsteuer in Höhe von 1.571,19 € festzusetzen.

17

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

18

Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH sei von einem Fortbestand der Organschaft auszugehen. Der Kläger habe sich nicht mehr um die Geschäftsführung der GmbH gekümmert. Er hätte auf eine Änderung des vom Insolvenzgericht gefassten Beschlusses hinwirken können. Von einer Zeugeneinvernahme des Insolvenzverwalters habe das FG zu Recht abgesehen.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die organisatorische Eingliederung einer GmbH in das Unternehmen des Organträgers endet, wenn das Insolvenzgericht für die GmbH einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und dabei gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 der Insolvenzordnung (InsO) anordnet, dass Verfügungen der GmbH nur noch mit seiner Zustimmung wirksam sind.

20

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

21

Unionsrechtlich beruhte diese Vorschrift im Streitjahr auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

22

Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG führt die Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu einer "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019 Rdnr. 19; zur Behandlung mehrerer Personen als einen Steuerpflichtigen vgl. auch EuGH-Urteile vom 9. April 2013 C-85/11, Kommission/ Irland, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 418 Rdnrn. 35 ff., und vom 25. April 2013 C-480/10, Kommission/Schweden, UR 2013, 423 Rdnrn. 33 ff.), für die nach ständiger BFH-Rechtsprechung ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen einer Organgesellschaft als "untergeordneter Person" und dem sog. Organträger vorliegen muss (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa; vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b aa, und zuletzt vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.1.).

23

2. Die Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dienen der Feststellung, ob das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis besteht. Dabei kommt es insbesondere auf die finanzielle und die organisatorische Eingliederung an.

24

a) Finanziell muss der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2., und in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.2.a). Aufgrund des Erfordernisses eines zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft bestehenden Über- und Unterordnungsverhältnisses hat der Senat seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der eine Organschaft auch zwischen Schwestergesellschaften bestehen konnte (Senatsurteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b aa, und dem folgend BFH-Urteil in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.3.d).

25

b) Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.2.; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.f aa; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.b, und die bisherige Rechtsprechung zusammenfassend vom 28. Oktober 2010 V R 7/10, BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2., m.w.N.).

26

Hiervon ist z.B. dann auszugehen, wenn bei zwei GmbHs eine Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen besteht (BFH-Urteile vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.1.c bb; in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.3.; ebenso nunmehr Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 2 des Umsatzsteueranwendungserlasses --UStAE-- in der Fassung des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 7. März 2013, BStBl I 2013, 333). Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt und zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist (BFH-Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.a aa; ebenso Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 8 UStAE).

27

3. Der erkennende Senat ist in seiner bisherigen Rechtsprechung insbesondere zur Bestellung von Verwaltern im Vorfeld einer Konkurs- oder Insolvenzeröffnung davon ausgegangen, dass sich die organisatorische Eingliederung --ohne Möglichkeit zur Willensdurchsetzung-- auch daraus ergeben kann, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (so erstmals Senatsurteil vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a bb; zur sog. Sicherungssequestration unter der Geltung der Konkursordnung Senatsurteile vom 13. März 1997 V R 96/96, BFHE 182, 426, BStBl II 1997, 580, unter II.2.; vom 28. Januar 1999 V R 32/98, BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.1. und 2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.3., und zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt Senatsurteil vom 1. April 2004 V R 24/03, BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905, unter II.2.). Der Senat, der in seinem Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.b ausdrücklich offengelassen hat, ob diese Rechtsprechung fortzuführen ist, hält hieran nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht fest.

28

a) Die "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" aufgrund der Organschaft (s. oben II.1.) hat zur Folge, dass der Organträger als Steuerpflichtiger für alle Organgesellschaften "öffentliche Gelder" als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen hat, wie der EuGH ausdrücklich entschieden hat (EuGH-Urteile vom 20. Oktober 1993 C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105 Rdnr. 25, und vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, Slg. 2008, I-771 Rdnr. 21). Dies erfordert, dass zwischen Organträger und Organgesellschaft ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht (s. oben II.1.), durch das der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung auch rechtlich wahrnehmen kann. Nicht ausreichend ist, dass der Organträger bei der Organgesellschaft lediglich eine von seinem Willen abweichende Willensbildung ausschließen kann, da ein derartiges Vetorecht es dem Organträger nicht ermöglicht, die Aufgabe des "Steuereinnehmers" für die Organgesellschaft zu erfüllen.

29

Eine organisatorische Eingliederung aufgrund eines bloßen Ausschlusses einer vom Willen des Organträgers abweichenden Willensbildung in der Organgesellschaft lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass für eine Organschaft die Eingliederungsvoraussetzungen nicht gleichermaßen stark ausgeprägt sein müssen (vgl. Senatsurteile in BFH/NV 1993, 133, unter II.a aa; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.2.; in BFH/NV 2002, 223, unter II.3., und in BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905, unter II.2.; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a, und vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II.1.b). Denn eine weniger starke Ausprägung einer einzelnen Eingliederungsvoraussetzung rechtfertigt nicht den Verzicht auf das Erfordernis einer Willensdurchsetzung. Daher setzt die finanzielle Eingliederung stets eine Mehrheitsbeteiligung (s. oben II.2.a) voraus, so dass eine nur ein bloßes Vetorecht vermittelnde Sperrminorität von z.B. 50 % der Stimmrechte nicht ausreicht.

30

b) Kommt es für die organisatorische Eingliederung auf die Möglichkeit zur Willensdurchsetzung an und reicht die Verhinderung einer abweichenden Willensbildung nicht aus, entfällt --selbst wenn der bisherige Organträger einziger Geschäftsführer der GmbH bleibt-- die organisatorische Eingliederung, wenn für die GmbH ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit allgemeinen Zustimmungsvorbehalt bestellt wird. Da der vorläufige Insolvenzverwalter nicht nur befugt, sondern insolvenzrechtlich sogar verpflichtet ist, Zahlungen der GmbH an den bisherigen Organträger zu verhindern, entfällt für den Organträger die Möglichkeit, die GmbH zu beherrschen und die Steuer für die Umsätze aus der Tätigkeit der bisherigen Organgesellschaft als Steuerschuldner und damit als "Steuereinnehmer" zu entrichten.

31

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bewirkt der Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO, dass der vorläufige Insolvenzverwalter wirksame rechtsgeschäftliche Verfügungen des Schuldners verhindern kann. Der Zustimmungsvorbehalt berechtigt den vorläufigen Insolvenzverwalter zwar nicht dazu, den Schuldner gegen dessen Willen zu Handlungen anzuhalten. Der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt kann aber auf die Vertragsabwicklung durch den Schuldner dadurch Einfluss nehmen, dass er Vermögensverringerungen des Schuldners durch die Erfüllung von Verbindlichkeiten im Interesse der Gleichbehandlung aller Gläubiger verhindert (BGH-Urteil vom 18. Juli 2002 IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353, unter III.2.c bb).

32

Wie der BGH weiter entschieden hat, hat sich der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt am Ziel zu orientieren, die Forderungen einzelner Gläubiger nur zu erfüllen --und somit das Schuldnervermögen nur zu vermindern--, wenn dies im Einzelfall zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben, etwa zur Fortführung des Schuldnerunternehmens, im Interesse der Gläubigergesamtheit erforderlich oder wenigstens zweckmäßig erscheint. Auch der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt muss die künftige Masse sichern und erhalten. Es ist daher insbesondere nicht seine Aufgabe, einer Erfüllungshandlung des Schuldners durch seine Zustimmung Wirksamkeit zu verleihen, falls dies nicht im Interesse aller Gläubiger liegt. Vielmehr darf er die Rechtsfolge des § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO durch einen Widerspruch oder die Verweigerung der Zustimmung zu einer Genehmigung des Schuldners vorwegnehmen (BGH-Urteil vom 4. November 2004 IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49, unter II.3.b bb (1)).

33

Der BGH hat an dieser Rechtsprechung in der Folgezeit festgehalten und bestätigt, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter im Hinblick auf den schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung mehr Rechte zustehen als dem Schuldner, dass der vorläufige Insolvenzverwalter zweifelsfrei nicht verpflichtet sei, einen Gläubigeranspruch zu erfüllen, der im Insolvenzverfahren lediglich eine einfache Insolvenzforderung darstelle, weil er einer nicht insolvenzgesicherten Forderung keine Vorzugsstellung gegenüber ranggleichen Forderungen einräumen dürfe und dass dies auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gelte (BGH-Urteil vom 25. Oktober 2007 IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84, unter II.1.e).

34

bb) Nach dieser BGH-Rechtsprechung kann der Organträger den ihm nach § 426 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches zustehenden Anspruch gegen die Organgesellschaft auf Zahlung der Umsatzsteuer, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Organgesellschaft verursacht ist (BGH-Urteil vom 29. Januar 2013 II ZR 91/11, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht --WM-- 2013, 468, unter II.2.b), nicht mehr durchsetzen. Denn hat der vorläufige Insolvenzverwalter die Pflicht zur Massesicherung, ist er berechtigt, seine Zustimmung zur Weiterleitung einer von der Organgesellschaft für Ausgangsleistungen vereinnahmten Umsatzsteuer an den Organträger zu verweigern. Dies steht der Annahme, dass der Organträger aufgrund einer Verschmelzung zu einem Steuerpflichtigen (s. oben II.1.) Steuereinnehmer auch für das Unternehmen der --ohne die Organschaft umsatzsteuerrechtlich selbständigen-- Organgesellschaft sein kann (s. oben II.3.a), entgegen.

35

c) Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Auch der XI. Senat des BFH verlangt für die finanzielle Eingliederung, dass der Organträger über die Mehrheit der Stimmrechte bei der abhängigen juristischen Person verfügt und dass ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht (BFH-Urteil in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2.). Es besteht darüber hinaus kein Widerspruch zum Urteil des XI. Senats vom 14. März 2012 XI R 28/09 (BFH/NV 2012, 1493), das nicht zum Fortbestand der Organschaft bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, sondern zur Frage ergangen ist, ob bei einem unterstellten Fortbestand der Organschaft zugunsten des Organträgers ein Anspruch auf Billigkeitserlass nach § 163 AO besteht. Eine Abweichung liegt nach ständiger BFH-Rechtsprechung nur bei einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage (vgl. z.B. zuletzt BFH-Urteil vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFH/NV 2013, 1138, unter II.4.d) und daher nur dann vor, wenn eine "Rechtsfrage unter dieselbe Rechtsvorschrift zu subsumieren ist" (BFH-Urteil vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569, unter II.6.a), so dass in dem den Streitfall betreffenden Festsetzungsverfahren nicht von einer Entscheidung zum Billigkeitsverfahren nach § 163 AO abgewichen werden kann, zumal in diesem Billigkeitsverfahren gemäß § 102 FGO eine nur eingeschränkte Überprüfung einer vom FA getroffenen Ermessensentscheidung erfolgt (BFH-Urteil vom 20. September 2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518, BFH/NV 2013, 103, unter II.1.b). Soweit der XI. Senat des BFH schließlich die Frage des Fortbestehens einer Organschaft als nicht grundsätzlich bedeutsam i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO angesehen hat (BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 2008 XI B 224/07, juris; vom 11. November 2008 XI B 65/08, BFH/NV 2009, 235, und vom 10. März 2009 XI B 66/08, BFH/NV 2009, 977), handelt es sich um Beschwerdeentscheidungen über die Zulassung der Revision, die nicht zu einer entscheidungserheblichen Divergenz führen. Denn im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision entscheidet der BFH im Rahmen einer auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Nichtzulassungsbeschwerde nicht über die der Beschwerde zugrunde liegende materielle Rechtsfrage (vgl. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 11 FGO Rz 29; ebenso zur fehlenden Abweichung von Beschlüssen im Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung BFH-Urteil vom 22. April 2008 VII R 21/07, BFHE 220, 319, BStBl II 2008, 735, unter II.2.).

36

4. Im Streitfall ist danach das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

37

a) Die GmbH war zunächst in das Unternehmen des Klägers organisatorisch eingegliedert, da der Kläger einziger Geschäftsführer der GmbH war. Entgegen dem Urteil des FG entfiel die organisatorische Eingliederung aber mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters für die GmbH, zu dessen Gunsten das Insolvenzgericht den Zustimmungsvorbehalt i.S. von § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO angeordnet hatte. Ob und welche weiter gehenden Rechte das Insolvenzgericht dem vorläufigen schwachen Verwalter einräumte, ist unerheblich. Ohne Bedeutung ist deshalb, ob sich der vorläufige schwache Verwalter wie ein starker, allgemein geschäftsführungsbefugter vorläufiger Verwalter gerierte, welche weiteren Befugnisse ihm zustanden und ob zu einem späteren Zeitpunkt auch die wirtschaftliche Eingliederung entfallen ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger beim Insolvenzgericht auf eine Änderung der nach § 21 InsO getroffenen Anordnungen hätte drängen können.

38

b) Die Sache ist nicht spruchreif. Da die Organschaft im Streitfall bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt endete, hat der Kläger die im Anschluss an diese Bestellung ausgeführten Umsätze der GmbH nicht zu versteuern. Diese sind im zweiten Rechtsgang der Höhe nach festzustellen.

39

c) In Bezug auf den vom FA gegen den Kläger geltend gemachten Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG wird im zweiten Rechtsgang zu beachten sein, dass die Organschaft zwar bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Verwalters mit Zustimmungsvorbehalt geendet hat, dass die nach dieser Vorschrift erforderliche Uneinbringlichkeit im selben Zeitpunkt --und damit vor einem möglichen Entfallen der wirtschaftlichen Eingliederung-- eingetreten ist, so dass die Organschaft noch im Zeitpunkt des Eintritts der Uneinbringlichkeit bestand und sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch daher gegen den Kläger als Organträger richtete (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 2002 V R 22/01, BFH/NV 2002, 1352, unter II.2.).

40

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Vorsteuerberichtigungsanspruch spätestens "im Augenblick" der Insolvenzeröffnung begründet (vgl. BFH-Urteile vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, unter II.2.c, und vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.b). Uneinbringlichkeit kann aber auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Leistungsempfänger zahlungsunfähig wird (BFH-Beschluss vom 10. März 1983 V B 46/80, BFHE 138, 107, BStBl II 1983, 389, unter 3.).

41

bb) Weder die Stellung eines Insolvenzantrags noch die bloße Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters reicht für sich allein zur Annahme der Uneinbringlichkeit aus (BGH-Urteil vom 19. Juli 2007 IX ZR 81/06, WM 2007, 1708, unter II.2.b bb).

42

Anders ist es, wenn das Insolvenzgericht sich nicht darauf beschränkt, einen vorläufigen Insolvenzverwalter nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO zu bestellen, sondern darüber hinaus gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt oder --wie im Streitfall-- allgemein anordnet, dass seine Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam sind (zur Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, zu dessen Gunsten weder ein allgemeines Verfügungsverbot noch ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt besteht, vgl. Haarmeyer, in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage 2013, § 22 Rz 128). Im Hinblick auf die Pflicht des vorläufigen Verwalters zur Massesicherung und dem sich hieraus ergebenden Verbot, die Gläubigeransprüche zu erfüllen, die vor seiner Bestellung begründet wurden und die im Insolvenzverfahren lediglich Insolvenzforderungen sind (s. oben II.3.b aa), haben beide Arten der Verfügungsbeschränkung nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO und damit auch die Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts zur Folge, dass der Gläubiger seinen Entgeltanspruch --selbst wenn es nachfolgend zu keiner Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, sondern diese z.B. mangels Masse unterbleibt-- zumindest für die Dauer des Eröffnungsverfahrens und damit im Regelfall über einen längeren Zeitraum von ungewisser Dauer (BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 49/10, BFH/NV 2012, 1665, unter II.2.a) nicht mehr durchsetzen kann. Dies gilt unabhängig davon, welche weiteren Befugnisse für den vorläufigen Insolvenzverwalter im jeweiligen Einzelfall bestehen. Dementsprechend ist im Streitfall bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt von einer Uneinbringlichkeit auszugehen.

43

5. Auf die Verfahrensrüge kam es nicht mehr an.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob eine GmbH als --umsatzsteuerrechtlich unselbständige-- Organgesellschaft in das Unternehmen einer anderen GmbH eingegliedert war.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) firmierte im Streitjahr 1996 unter F-GmbH. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war --der im Streitjahr selbst nicht unternehmerisch tätige-- X, der auch alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Verwaltungs-GmbH war.

3

Durch "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" vom 15. Dezember 1995 hatte die F-GmbH die Leitung ihres Unternehmens der Verwaltungs-GmbH unterstellt. Nach dem Vertrag war die Verwaltungs-GmbH berechtigt, den Geschäftsführern der F-GmbH alle ihr zweckdienlich erscheinenden Weisungen zu erteilen (§ 2 Abs. 1 des Vertrages). Die F-GmbH war verpflichtet, den gesamten nach den maßgeblichen handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Gewinn abzüglich eines evtl. Verlustvortrages aus dem Vorjahr an die Verwaltungs-GmbH abzuführen (§ 4 Abs. 1 des Vertrages). Die Verwaltungs-GmbH hatte einen während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen (§ 4 Abs. 4 des Vertrages). Die Vereinbarung sollte bezüglich der Verpflichtung zur Gewinnabführung und Verlustübernahme (§ 4 des Vertrages) rückwirkend ab 1. Januar 1995 gelten und war unkündbar bis zum 31. Dezember 2000.

4

Einen gleichlautenden "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" hat die Verwaltungs-GmbH am 15. Dezember 1995 mit der B-GmbH geschlossen, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls X war.

5

Die F-GmbH hatte mit Notarvertrag vom 15. März 1995 von der D-GmbH i.L. unter Beteiligung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) als gesetzlicher Vertreter nach § 21 Abs. 1 Satz 1 des Investitionsvorranggesetzes einen mit einer stillgelegten Malzfabrik bebauten Grundbesitz für 1 DM erworben und sich u.a. verpflichtet, die auf dem Grundbesitz befindlichen Gebäude (mit Ausnahme der Kultur- und Wohngebäude) vollständig abzubrechen und den anfallenden Abraum bis spätestens zum 30. Juni 1998 fachgerecht zu entsorgen (§ 9 Abs. 1 des Vertrages).

6

Zur Gewährleistung des Abbruchs einschließlich der fachgerechten Entsorgung des anfallenden Abraums verpflichteten sich sowohl die D-GmbH i.L. als auch die BvS, der F-GmbH für nach Wirksamwerden des Vertrages vorgenommene Abbrucharbeiten einen "Investitionszuschuss" bis zu max. je 1 Mio. DM, insgesamt max. 2 Mio. DM, zu gewähren, und zwar in acht Tranchen im Umfang von bis zu max. 250.000 DM entsprechend dem Fortschritt der Abbrucharbeiten für bereits erbrachte Fremdleistungen oder Eigenleistungen der F-GmbH (§ 10 des Vertrages).

7

Am 15. April 1996 erteilte die F-GmbH der B-GmbH eine Rechnung über die Gestellung von Personal "für Vorbereitungsarbeiten im Zusammenhang mit dem Abriss ..." über 81.300,56 DM "zzgl. 15 % MwSt 12.195,08 DM".

8

Am 16. April 1996 stellte die F-GmbH eine Rechnung an die D-GmbH i.L. über den "Abriss ..." in Höhe von 851.707,43 DM "zzgl. 15 % MwSt 127.756,11 DM" aus, die sie nebst Anlagen bei der BvS zur Abforderung des vertraglich vereinbarten Investitionszuschusses einreichte.

9

Aufgrund einer Fahndungsprüfung in den Jahren 2001 bis 2003 änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) mit Bescheid vom 16. März 2004 die Umsatzsteuerfestsetzung für 1996 gegenüber der F-GmbH.

10

Einspruch und Klage, mit der die Klägerin insbesondere geltend gemacht hatte, sie schulde die in den Rechnungen der F-GmbH vom 15. und 16. April 1996 ausgewiesene Umsatzsteuer nicht, weil die F-GmbH zu diesem Zeitpunkt Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen sei, blieben ohne Erfolg.

11

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, die Klägerin schulde den von der F-GmbH in der Rechnung vom 16. April 1996 an die D-GmbH i.L. ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag jedenfalls nach § 14 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG); die von der F-GmbH unter dem 15. April 1996 gegenüber der B-GmbH abgerechnete Personalgestellung unterliege nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG der Umsatzsteuer.

12

Die F-GmbH sei im Streitjahr 1996 nicht Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen. Es fehle an der finanziellen Eingliederung, weil die Verwaltungs-GmbH selbst keine Anteile an der F-GmbH besessen habe (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441). Der BFH nehme eine finanzielle Eingliederung bei einer mittelbaren Beteiligung in der Weise, dass die/der Gesellschafter der Organträgergesellschaft die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte in der Organgesellschaft hielten/halte, nur in den Fällen an, in denen Organträgergesellschaft eine Personengesellschaft sei (Hinweis u.a. auf das BFH-Urteil vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136). Diese Differenzierung sei nicht zu beanstanden.

13

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 879 veröffentlicht.

14

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen Rechts (§ 60 Abs. 3, § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 UStG).

15

Dazu macht sie im Wesentlichen geltend, der Senat habe in dem Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, auf das sich das FG zur Begründung bezogen habe, entschieden, wenn eine juristische Person (Kapitalgesellschaft) Organträgerin sein solle, setze dies "regelmäßig" deren unmittelbare, jedenfalls nicht unwesentliche Beteiligung an der Organgesellschaft voraus. Hier liege aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 ein Ausnahmefall im Sinne dieser Rechtsprechung vor, der dazu führe, dass das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis nach der Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Verhältnisse vorliege.

16

In diesem Zusammenhang habe das FG unter Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO die in § 4 Abs. 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt. Aus dieser Regelung ergebe sich aber, dass der F-GmbH das unternehmerische Risiko durch die Verwaltungs-GmbH vollständig abgenommen werde, ein Umstand aus dem sich ihre Unterordnung unter die Verwaltungs-GmbH geradezu aufdränge.

17

Zudem verstoße die Rechtsauffassung des FG gegen die europarechtlichen Grundsätze der Rechtsformunabhängigkeit und der steuerlichen Neutralität. Diese Grundsätze sprächen dafür, die Entscheidung, ob eine Organgesellschaft mittelbar finanziell in einen Organträger eingegliedert sei, nicht davon abhängig zu machen, ob der Organträger eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft sei.

18

Die übrigen Voraussetzungen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft (organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung) lägen vor.

19

Die Klägerin rügt ferner, dass das FG entgegen § 60 Abs. 3 FGO die Verwaltungs-GmbH nicht beigeladen habe.

20

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung des FA vom 1. März 2005 die Umsatzsteuer für 1996 unter Änderung des Bescheids vom 16. März 2004 um insgesamt ... DM herabzusetzen,

hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorzulegen:

21

"Sind Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der ... Richtlinie 77/388/EWG ... in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtsformunabhängigkeit und dem Neutralitätsprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegenstehen, die eine Anerkennung einer Organschaft und damit nur eines Steuerpflichtigen im Sinne der Richtlinie ablehnt, wenn der alleinige 100%ige Gesellschafter-Geschäftsführer der zum Organkreis gehörenden Kapitalgesellschaften alle Anteile zwar im Privatvermögen hält, aber als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaften in die Verwaltung eingreift und durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag eine Kapitalgesellschaft zur Organträgerin bestimmt, die das unternehmerische Risiko der übrigen Gesellschaften trägt?",

"höchsthilfsweise", die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

22

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

23

Es tritt dem Revisionsvorbringen entgegen und verweist darauf, dass es im Streitfall außer an einer finanziellen Eingliederung auch an einer wirtschaftlichen Eingliederung der F-GmbH in das Unternehmen der Verwaltungs-GmbH fehle.

Entscheidungsgründe

24

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

25

Das FG hat zutreffend entschieden, dass die F-GmbH nicht i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in die Verwaltungs-GmbH finanziell eingegliedert war. Die von der Klägerin gerügten Verstöße gegen § 60 Abs. 3 und § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegen nicht vor.

26

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

27

Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Danach steht es (vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie 77/388/EWG) jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln.

28

2. Eine finanzielle Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt nach der Rechtsprechung des BFH voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Erforderlich ist die Stimmenmehrheit, also mehr als 50 % der Stimmen an der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581, unter II.2.).

29

Die Stimmenmehrheit an einer Organgesellschaft kann auch durch eine mittelbare Beteiligung des Organträgers in der Weise erreicht werden, dass der Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft in direkter Linie über eine unmittelbare Mehrheitsbeteiligung (als Gesellschafter) an einer (Tochter-)Gesellschaft erreicht, die ihrerseits unmittelbar mit Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft (sog. Enkelgesellschaft) beteiligt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a ee).

30

a) Im Streitfall war die Verwaltungs-GmbH nicht unmittelbar an der F-GmbH beteiligt. Die Verwaltungs-GmbH war auch nicht über eine oder mehrere Tochtergesellschaften mittelbar an der F-GmbH beteiligt.

31

Dass X alleiniger Gesellschafter sowohl der Verwaltungs-GmbH als auch der F-GmbH war, reicht nicht aus. Denn dadurch ist keine der beiden Gesellschaften in das andere Unternehmen eingeordnet. Es handelt sich um gleichgeordnete Schwestergesellschaften, zwischen denen, würde nicht auf das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis abgestellt werden, wechselseitige und jeweils austauschbare Organverhältnisse denkbar wären (vgl. Senatsurteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441).

32

b) Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15. Dezember 1995 --insbesondere die darin vorgesehene Verpflichtung der Verwaltungs-GmbH zur Übernahme der Verluste der F-GmbH-- führt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu einer finanziellen Eingliederung der F-GmbH in die Verwaltungs-GmbH. Denn aus der Notwendigkeit einer Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft folgt auch, dass eine fehlende Beteiligung nicht durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden kann.

33

Das Merkmal der finanziellen Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG betrifft --wie dargelegt-- die Beteiligungsverhältnisse (vgl. auch Lippross, Umsatzsteuer, 22. Aufl., S. 338). Gewinnabführungsverträge haben darauf aber keinen Einfluss. Dasselbe gilt für die in dem Vertrag vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Übernahme etwaiger Verluste der F-GmbH durch die Verwaltungs-GmbH.

34

Darüber hinaus steht im Streitfall auch nicht fest, ob und wann der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15. Dezember 1995 zwischen der Verwaltungs-GmbH und der F-GmbH wirksam wurde. Ein derartiger Vertrag wird erst mit seiner Eintragung in das Handelsregister gemäß § 294 Abs. 2 des Aktiengesetzes zivilrechtlich (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Oktober 1988 II ZB 7/88, BGHZ 105, 324) und steuerrechtlich (vgl. BFH-Entscheidungen vom 22. Oktober 2008 I R 66/07, BFHE 223, 162, BStBl II 2009, 972, unter II.2.; vom 3. September 2009 IV R 38/07, BFHE 226, 283, BStBl II 2010, 60, unter II.2., m.w.N.) wirksam. Dazu hat das FG keine Feststellungen getroffen.

35

c) Soweit die Klägerin darauf verweist, der EuGH habe in den Urteilen vom 25. Juli 1991 Rs. C-202/90 --Ayuntamiento de Sevilla-- (Slg. 1991, I-4247, Umsatzsteuer-Rundschau --UR--- 1993, 122, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1993, 214, Rz 13) und vom 18. Oktober 2007 Rs. C-355/06 --van der Steen-- (Slg. 2007, I-8863, UR 2007, 889, HFR 2008, 87, Rz 24) ausgeführt, "dass ein Unterordnungsverhältnis dann nicht besteht, wenn die Betroffenen das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit tragen", hat der EuGH dies entgegen der Darstellung der Klägerin nicht "für die Organgesellschaft" festgestellt.

36

Die bezeichnete Aussage in den EuGH-Urteilen betrifft nicht die vorliegend relevanten Voraussetzungen einer Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen i.S. von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, sondern die --anderweitige--- Frage der Selbständigkeit (Verhältnis der Unterordnung i.S. des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) eines spanischen Steuereinnehmers (--Ayuntamiento de Sevilla-- in Slg. 1991, I-4247, UR 1993, 122, HFR 1993, 214) und eines Arbeitnehmers, der zugleich einziger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH war (--van der Steen-- in Slg. 2007, I-8863, UR 2007, 889, HFR 2008, 87).

37

3. Das Erfordernis der Stimmenmehrheit einer GmbH als Organträger an einer Organgesellschaft verstößt nicht gegen den Grundsatz der Rechtsformneutralität der Umsatzsteuer. Denn auch eine Personengesellschaft kann nur dann Organträger sein, wenn sie (selbst) an einer Organgesellschaft mit Stimmenmehrheit beteiligt ist. An seiner anderslautenden Rechtsprechung in dem Urteil in BFH/NV 1999, 1136 hält der Senat nicht mehr fest.

38

a) Der BFH hatte bei einer Personengesellschaft als Organträger --anders als bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger-- für eine finanzielle Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG eine Beteiligung der Personengesellschaft an der Organgesellschaft nicht vorausgesetzt; ausreichend war, dass die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgergesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Stimmrechte verfügten und damit die Personengesellschaft mittelbar ihren Willen in der Organgesellschaft durchsetzen konnte (grundlegend BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136, unter II.2., m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a ee; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.e).

39

b) Dieser Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung (vgl. Abschn. 21 Abs. 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008) und die herrschende Meinung in der Literatur zugestimmt (vgl. Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 44 Rz 261; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 2 Rz 112; Flückiger in Plückebaum/Malitzky/Widman, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 2 Abs. 2 Rz 280/1, 282/1; Heidner in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 2 Rz 118; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, § 2 UStG Rz 74; zustimmend nur für den Fall der sog. Betriebsaufspaltung: Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 689; kritisch Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 2 Rz 111, und Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 393 f.).

40

c) Nunmehr hat der V. Senat des BFH aber eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft verneint, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und einer GmbH verfügen (vgl. Urteil in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581).

41

d) Der erkennende Senat gibt seine Rechtsprechung in dem Urteil in BFH/NV 1999, 1136 auf. Die bisherige unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Unternehmen in Abhängigkeit von ihrer Rechtsform verstößt gegen den durch die Rechtsprechung des EuGH ausgeprägten unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtsformneutralität, weil sie nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.

42

aa) Der Grundsatz der Steuerneutralität (vgl. zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG: EuGH-Urteil vom 22. Mai 2008 Rs. C-162/07 --Ampliscientifica und Amplifin--, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217, HFR 2008, 878, UR 2008, 534, Rz 25, m.w.N.) verlangt in seiner Ausprägung der Rechtsformneutralität (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteil vom 10. September 2002 Rs. C-141/00 --Kügler--, Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, HFR 2002, 1146, UR 2002, 513, Rz 30, m.w.N.; BFH-Urteil vom 14. Mai 2008 XI R 70/07, BFHE 221, 517, BStBl II 2008, 912, unter II.1.a aa, m.w.N.), dass die Rechtsform des Steuerpflichtigen im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich unerheblich ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26. September 2007 V R 54/05, BFHE 219, 241, BStBl II 2008, 262, unter II.1.b, m.w.N.; Birkenfeld, UR 2008, 2, 5, m.w.N.) und gebietet eine weitgehende Gleichbehandlung von Kapital- und Personengesellschaften (vgl. BFH-Urteil vom 6. September 2007 V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710, unter II.3.).

43

bb) Der Senat hat seinerzeit zur Begründung dafür, dass eine Verflechtung aufgrund der Beteiligung von Gesellschaftern einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft für deren finanzielle Eingliederung ausreichend sein kann, darauf abgestellt, bei Vorliegen vor allem der wirtschaftlichen Eingliederung der Untergesellschaft könnten diese Beteiligungen im Rahmen der Obergesellschaft als notwendiges (Sonder-)Betriebsvermögen auszuweisen sein (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, UR 1996, 334, GmbH-Rundschau 1996, 950, unter III.).

44

Dieses Argument vermag aber eine unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Organträger nicht zu rechtfertigen (zutreffend Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 2 Rz 111). Denn die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen bewirkt nicht, dass das Eigentum an den GmbH-Anteilen und damit die Stimmrechte des Gesellschafters der GmbH auf die Personengesellschaft übergehen.

45

Dass die jeweils beide Gesellschaften beherrschende natürliche Person rein tatsächlich in der Lage ist, ihren Willen in beiden Gesellschaften durchzusetzen, reicht für die Annahme einer finanziellen Eingliederung der einen Gesellschaft in die andere (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG) nicht aus.

46

Vielmehr muss die Personengesellschaft selbst --ggf. auch mittelbar über eine weitere (Tochter-)Gesellschaft-- über die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft verfügen (vgl. Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 2 Rz 111), wie dies auch bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger erforderlich ist (s. oben unter II.2.).

47

e) Der Senat hat beim V. Senat des BFH angefragt, ob dieser in der vorliegenden Entscheidung eine Abweichung von seiner Rechtsprechung sieht und ob er bejahendenfalls dieser Abweichung zustimmt.

48

Der V. Senat hat mitgeteilt, dass er in der Annahme einer fehlenden mittelbaren finanziellen Eingliederung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) zwischen einer Personen- und einer Kapitalgesellschaft auch für den Fall, dass nur ein Gesellschafter über Mehrheitsbeteiligungen an beiden Gesellschaften verfügt, keine Abweichung von seinem Urteil in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581 sieht.

49

4. Weitere materielle Rechtsfehler hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

50

5. Die von ihr gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

51

a) Das FG hat entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dadurch gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, dass es die in § 4 Abs. 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt hat.

52

Denn darauf kam es nach der für die Prüfung eines Verfahrensfehlers maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 III R 63/98, BFH/NV 2001, 1028, unter II.1.a) nicht an. Das FG hat für die Frage der finanziellen Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG --zutreffend-- auf die Beteiligungsverhältnisse abgestellt (Urteil, S. 9).

53

b) Die weitere Rüge der Klägerin, das FG habe es unterlassen, die Verwaltungs-GmbH zum Verfahren beizuladen und dadurch gegen § 60 Abs. 3 FGO verstoßen, hat ebenfalls keinen Erfolg.

54

Das FG musste die Verwaltungs-GmbH nicht gemäß § 60 Abs. 3 FGO beiladen. Denn sie ist an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Bei einem Streit darüber, ob eine Gesellschaft in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist, ist zwar eine Beiladung des Organträgers nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO möglich (vgl. BFH-Beschluss vom 27. August 1990 V B 14/97, BFH/NV 1998, 148), aber nicht i.S. von § 60 Abs. 3 FGO notwendig (vgl. BFH-Beschluss vom 4. August 2006 V B 98/04, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris; Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 60 Rz 107; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz 74).

55

Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt die Rechtsprechung im Beschluss des BFH vom 4. August 2006 V B 98/04 (n.v., juris) nicht nur für die Beiladung eines Insolvenzverwalters, sondern generell für die Beiladung eines möglichen Organträgers. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme des Beschlusses auf den --eine Einschränkung nicht enthaltenden-- Beschluss in BFH/NV 1998, 148.

56

6. Für die von der Klägerin hilfsweise beantragte Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH sieht der Senat keinen Anlass.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 12. Februar 2013  15 K 4005/11 U,AO wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, als Organgesellschaft nichtsteuerbare Leistungen an die A-GmbH & Co. KG (A-KG) als Organträger erbracht hat.

2

Gesellschafter der Klägerin waren in den Streitjahren D und ihre Tochter B mit einer Beteiligung von jeweils 50 %. D und B hatten eine Stimmbindungsvereinbarung geschlossen, in der sich beide verpflichteten, ihr Stimmrecht als Gesellschafter nur einheitlich auszuüben, wobei B ihr Stimmverhalten an der Stimmabgabe durch D auszurichten hatte. Alleinige Geschäftsführerin der Klägerin war B.

3

D war darüber hinaus alleinige Kommanditistin der A-KG und Alleingesellschafterin der V-GmbH, die Komplementärin der A-KG war. D war zudem bis zum 23. Oktober 2007 einzige Geschäftsführerin der V-GmbH. Seitdem ist B weitere einzelvertretungsbefugte Geschäftsführerin der V-GmbH. Die A-KG betrieb ein sog. Seniorenzentrum als Wohn- und Pflegeheim. Sie sah die von ihr erbrachten Pflegeleistungen gemäß § 4 Nr. 16 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) als steuerfrei an.

4

Die Klägerin erbrachte in den Streitjahren 2003 bis 2008 auf der Grundlage eines im Juni 1998 abgeschlossenen Vertrags entgeltliche Leistungen im Bereich der Speisenversorgung an die A-KG, die die KG in der von ihr betriebenen Altenhilfeeinrichtung verwendete. Nach dem Vertrag hatte die Klägerin "die komplette Verpflegung von zur Zeit 334 Bewohnern mit Speisen und Getränken nach Anweisung und in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Auftraggebers" zu übernehmen. Die KG teilte der Klägerin "die Anzahl der täglich zu liefernden Portionen und ggf. die vom behandelnden Arzt vorgegebenen Ernährungskriterien der einzelnen Bewohner mit". Die Verpflegung war in einem "Tablettsystem" zusammenzustellen und auf Transportwagen zu laden, die vom Hol- und Bringdienst der A-KG auf die Wohnbereiche des Seniorenzentrums gebracht und später wieder abgeholt wurden. Weitere Leistungen erbrachte die Klägerin aufgrund eines gleichfalls im Juni 1998 abgeschlossenen "Wäscherei-Full-Servicevertrags" und eines "Hausreinigungs-Full-Servicevertrags". Darüber hinaus war die Klägerin bei der Bewirtschaftung eines Kiosks, einer Cafeteria und in der Personalkantine für die A-KG gegen Entgelt tätig.

5

Die Klägerin ging in ihren Umsatzsteuerjahreserklärungen 2003 bis 2007 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen 2008 davon aus, dass sie steuerpflichtige Leistungen erbracht habe, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

6

Im Anschluss an eine Außenprüfung und an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung war der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass der Regelsteuersatz anzuwenden sei und erließ am 6. Juli 2009 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Umsatzsteuerjahresbescheide 2003 bis 2007 sowie einen erstmaligen Umsatzsteuerjahresbescheid 2008. Einem Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gab das FA nicht statt.

7

Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1344 veröffentlichten Urteil des FG liegt eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, die die Klägerin erstmals nach der Sonderprüfung im Einspruchsverfahren geltend gemacht hatte, nicht vor. Auf die daher steuerpflichtigen Leistungen sei der Regelsteuersatz anzuwenden. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen.

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage der Organschaft und die hierfür zu berücksichtigende Bedeutung des Unionsrechts (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG-- und ab dem Streitjahr 2007 Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 --MwStSystRL--) hat der Senat mit Beschluss vom 30. Juli 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der verbundenen Rechtssache Larentia + Minerva C-108/14 und Marenave Schifffahrt C-109/14 --EU:C:2015:496-- (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

9

Mit Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache zur Auslegung der unionsrechtlichen Grundlagen der Organschaft wie folgt entschieden:

"2.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

3.

Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

10

Die Klägerin macht hierzu geltend, dass unionsrechtliche Erfordernisse bei der Auslegung des nationalen Rechts trotz der fehlenden Berufbarkeit zu berücksichtigen seien. Die Gefahr eines Rechtsmissbrauchs oder die Möglichkeit einer Steuerhinterziehung sprächen nicht gegen eine Rückkehr zur früheren Rechtsprechung, nach der eine mittelbare finanzielle Eingliederung über gemeinsame Gesellschafter möglich war. Rechtsmissbrauch und Steuerhinterziehung seien zudem für die bisherige BFH-Rechtsprechung zur Organschaft ohne Bedeutung gewesen. Die finanzielle Eingliederung sei erst aufgrund einer geänderten Beurteilung durch die Rechtsprechung des BFH entfallen. Eine Beherrschung der Klägerin durch die A-KG ergebe sich aus der beiden Gesellschaften übergeordneten Struktur. Die A-KG habe der Klägerin Anweisungen für die tägliche Arbeit erteilt. Die Klägerin sei in den Räumlichkeiten der A-KG tätig geworden. Bei der Klägerin habe es sich um die Ausgliederung eines zuvor von der A-KG selbst wahrgenommenen Arbeitsbereichs gehandelt. Gleichwohl habe die A-KG bei der Klägerin durchregieren können. Die nach dem Unionsrecht enge Verbindung liege vor. Zu ihren Gunsten sei zumindest eine Übergangsregelung der Finanzverwaltung anzuwenden. Auch in Bezug auf die Frage des anwendbaren Steuersatzes sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

11

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2008 vom 6. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2011 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer nach Maßgabe der im Einspruchsverfahren eingereichten geänderten Umsatzsteuererklärungen festgesetzt wird,
hilfsweise, das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 31. August 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2012 zu verpflichten, die Umsatzsteuerbescheide vom 6. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2011 aus Billigkeitsgründen entsprechend der im Einspruchsverfahren eingereichten Umsatzsteuererklärungen festzusetzen.

12

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

13

Bei dem sich aus dem nationalen Recht ergebenden Erfordernis der Eingliederung handele es sich um eine geeignete und erforderliche Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung. Das Erfordernis der Überordnung diene auch der Rechtssicherheit. Das nationale Recht verstoße daher nicht gegen das Unionsrecht. Zudem knüpfe das nationale Recht zur Organschaft nicht an den Unternehmerbegriff des § 2 Abs. 1 UStG, sondern an das Merkmal der Selbständigkeit an. Damit habe der nationale Gesetzgeber eine andere Regelungstechnik gewählt als der Richtliniengeber, der am Begriff des Steuerpflichtigen ansetze. Aufgrund des Verlustes der Selbständigkeit gingen die steuerlichen Verpflichtungen wie etwa die Abgabe von Steuererklärungen auf den Organträger über. Im Hinblick auf diesen Übergang komme dem Gebot der Rechtssicherheit große Bedeutung zu. Ohne Über- und Unterordnung entstünden Abgrenzungsschwierigkeiten, die zu einer Verschleierung der für den Organkreis verantwortlichen Person führen könnten. Es drohe die Gefahr der Steuerhinterziehung und -umgehung. Zudem fehle es auch an einer organisatorischen Eingliederung. Alleinige Geschäftsführerin der Klägerin sei B gewesen, während D bis zum Oktober 2007 alleinige Geschäftsführerin bei der Komplementär-GmbH der A-KG gewesen sei. Es seien keine Standardspeisen abgegeben worden.

14

Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten und macht geltend, dass hinsichtlich der Beschränkung auf juristische Personen keine Möglichkeit bestehe, das nationale Recht unionsrechtskonform auszulegen. Am Erfordernis des Unterordnungsverhältnisses sei festzuhalten. Das Erfordernis der Mehrheitsbeteiligung entspreche den unionsrechtlichen Vorgaben. Das Gebot der Rechtssicherheit sei zu beachten. Zu berücksichtigen sei auch die Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Auch unter Berücksichtigung der zum Unionsrecht ergangenen EuGH-Rechtsprechung gehört die Klägerin mangels finanzieller und organisatorischer Eingliederung weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht einer mit der A-KG bestehenden Organschaft an, so dass das FG zu Recht entschieden hat, dass die Klägerin Leistungen erbracht hat, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Es ist auch kein Billigkeitserlass zu gewähren.

16

1. Die Klägerin ist nicht finanziell in das Unternehmen der A-KG eingegliedert.

17

a) Die finanzielle Eingliederung setzt nach nationalem Recht eine eigene Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an einer juristischen Person voraus.

18

aa) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Organschaft dient der   Verwaltungsvereinfachung   (vgl. BTDrucks V/48, § 2, BTDrucks IV/1590, S. 36, zum gesetzlichen Festhalten an der vorkonstitutionellen Organschaft des UStG 1934, RStBl 1934, 1549 ff.; zum Vereinfachungszweck vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 784, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 41) und führt zu einer Zusammenfassung zu einem Unternehmen beim Organträger. Der Organträger ist entsprechend dem Vereinfachungszweck Steuerschuldner auch für die aufgrund der Organschaft unselbständig tätige Person. Die Rechtsfolgen der Organschaft treten von Gesetzes wegen ein. Hinsichtlich der Voraussetzungen der Organschaft ist nicht danach zu differenzieren, ob ein Steuerschuldner --hier die Klägerin-- oder der Steuergläubiger Rechtsfolgen aus der Organschaft zu seinen Gunsten ableitet.

19

bb) Da sich die mit der Organschaft verbundene Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger finanziell belastend auswirken kann, müssen die Voraussetzungen der Organschaft rechtssicher bestimmbar sein (BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb(1), m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH). Dementsprechend erfordert die finanzielle Eingliederung eine Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der juristischen Person (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFHE II 2013, 873, unter II.2.b aa; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2., und vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.2.a).

20

cc) Der Organträger muss zudem über eine eigene Mehrheitsbeteiligung an der juristischen Person verfügen. Diese kann sich entweder aus einer unmittelbaren Beteiligung oder mittelbar aus einer über eine Tochtergesellschaft gehaltenen Beteiligung ergeben. Demgegenüber ist bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz der Gesellschafter zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb (2)). Darüber hinaus ist die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft nach dem BFH-Urteil des XI. Senats in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, Leitsatz 1 auch dann zu verneinen, wenn nur ein Gesellschafter über die Stimmenmehrheit an den beiden Schwestergesellschaften verfügt.

21

dd) Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung zur rechtssicheren wie auch einfachen Bestimmung der Voraussetzungen der Organschaft fest:

22

(1) Das nationale Recht sieht weder einen Antrag noch ein besonderes Verfahren zur Feststellung der Voraussetzungen der Organschaft vor. Da es dementsprechend an einem Grundlagenbescheid fehlt, ist es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht möglich, für die Organschaft anstelle einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auf das unbestimmte wie auch unpräzise Merkmal einer lediglich engen finanziellen Verbindung zwischen mehreren Personen abzustellen. Eine derartige Verbindung ermöglicht es nicht, die Person rechtssicher zu bestimmen, die die steuerrechtlichen Verpflichtungen für den Organkreis als Organträger und damit als einzige Steuerschuldnerin zu erfüllen hat. So könnte z.B. ohne Erfordernis einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auch eine mittelbare finanzielle Eingliederung zwischen zwei Schwesterkapitalgesellschaften bestehen, bei der dann mangels eines besonderen Feststellungsverfahrens die Person des Organträgers und die der Organgesellschaft nicht bestimmt werden könnte.

23

Ebenso ist es im Grundsatz im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihrer Schwesterpersonengesellschaft. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der erkennende Senat § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aus Gründen der Rechtsformneutralität erweiternd auch auf einzelne eingegliederte Personengesellschaften anwendet. Zu den Voraussetzungen hierfür verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13 (BFHE 251, 534, unter II.2.c).

24

(2) Bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen ist auch der mit der Organschaft verfolgte   Vereinfachungszweck   zu berücksichtigen. Dieser erfordert, dass die Organschaft auch für den Organträger als Steuerschuldner für die organschaftlich zusammengefassten Unternehmen einfach anzuwenden ist. Ohne Antrags- und ohne Feststellungsverfahren muss es dem Organträger daher aufgrund der Eingliederung möglich sein, die --nach § 370 AO strafbewährte-- Verantwortung für die Umsatztätigkeit der mit ihm verbundenen juristischen Person zu übernehmen. Dies setzt in Form der Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Durchgriffsmöglichkeiten voraus, aufgrund derer der Organträger --ähnlich wie bei unselbständigen Betriebsabteilungen im Unternehmeneiner Person-- die für die Abgabe von Steueranmeldungen und Steuererklärungen notwendigen Informationsansprüche wie auch die zur Erfüllung von Steueransprüchen notwendigen Ausgleichsansprüche (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, unter II.3.a) gegen die Organgesellschaft durchsetzen kann (vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Anm. 913).

25

b) Im Streitfall ist die Klägerin nach nationalem Recht nicht Organgesellschaft der A-KG. Die finanzielle Eingliederung der Klägerin in die A-KG scheitert bereits daran, dass die A-KG keine eigene Mehrheitsbeteiligung an der Klägerin in ihrem Gesamthandsvermögen hielt, sondern nur über ihre Gesellschafterin D mit der Klägerin verbunden war. Ohne eigene Mehrheitsbeteiligung ist die Person des Organträgers im Verhältnis zwischen der Klägerin, einer GmbH, und ihrer Schwester-KG nicht eindeutig bestimmbar. Es bestehen keine rechtsverbindlichen Regelungen zur Zusammenrechnung eines mehreren Gesellschaftern zustehenden Anteilsbesitzes. Dies gilt auch für den Fall einer familiären Verbundenheit mehrerer Gesellschafter. Der von D mit ihrer Tochter getroffenen Stimmbindungsvereinbarung kommt keine Bedeutung zu, da diese nicht in der Satzung der Klägerin vereinbart war. Der Senat verweist auch insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13, unter II.1.c cc (1).

26

Mangels eigener Mehrheitsbeteiligung standen der A-KG somit keine eigenen Durchgriffsrechte zu. Ihr, wie auch der für sie organschaftlich handelnden Komplementär-GmbH, war es nicht möglich, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die A-KG Umsätze der Klägerin gegenüber Dritten ordnungsgemäß versteuert, oder dafür verantwortlich zu sein, dass derartige Umsätze nicht vorliegen.

27

c) Das Unionsrecht führt nicht zu einer gegenüber der bisherigen BFH-Rechtsprechung geänderten Beurteilung.

28

aa) Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Diese Regelung dient der "Verwaltungsvereinfachung" und der "Verhinderung bestimmter Missbräuche (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schifffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40).

29

bb) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

30

(1) Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50 f.).

31

(2) Entscheiden sich Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dafür, Regelungen zur Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen zu schaffen, haben sie bei der Ausübung der ihnen zustehenden Präzisierungsbefugnis die hierfür unionsrechtlich bestehenden Anforderungen zu berücksichtigen.

32

(a) Die Mitgliedstaaten haben zu beachten, dass sie die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG mögliche Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen nicht von weiteren als den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen abhängig machen dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 38) und dass das Unionsrecht die Regelung zur Mehrwertsteuergruppe nicht allein den Einheiten vorbehält, die sich in einem Verhältnis der Unterordnung zum Organträger befinden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 44). Auf eine Unterordnung darf nur ausnahmsweise abgestellt werden, etwa wenn diese Bedingung "in einem bestimmten nationalen Kontext" zur "Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen" erforderlich und geeignet ist (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 45). Hierüber hat das nationale Gericht zu entscheiden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 46).

33

(b) Die auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG getroffenen Regelungen haben --wie stets-- den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beachten. Danach müssen "die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig sein" und ihre Anwendung muss für die Betroffenen vorhersehbar sein, "wobei dieses Gebot der Rechtssicherheit in besonderem Maß gilt, wenn es sich um Vorschriften handelt, die finanzielle Konsequenzen haben können, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch diese Vorschriften auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen". Zudem "müssen die Rechtsnormen der Mitgliedstaaten auf den vom Unionsrecht erfassten Gebieten eindeutig formuliert sein, so dass den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht wird, und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt werden, deren Einhaltung sicherzustellen" (EuGH-Urteil Tomoiaga vom 9. Juli 2015 C-144/14, EU:C:2015:452, Rz 35, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Bei der Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger handelt es sich aufgrund der damit verbundenen Verlagerung der Steuerschuld von der Organgesellschaft auf den Organträger "um Vorschriften ..., die finanzielle Konsequenzen haben können".

34

cc) Für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrechten i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG besteht eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht.

35

(1) Obwohl sich die Voraussetzung eines Antrags nicht aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergibt, der die Bedingungen für die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen abschließend aufzählt (s. oben II.1.c bb(2)(a)), haben einzelne Mitgliedstaaten diese Zusammenfassung antragsabhängig ausgestaltet (vgl. z.B. zu dem in der Republik Irland für die Gruppenbesteuerung bestehenden Antragserfordernis EuGH-Urteil Kommission/Irland vom 9. April 2013 C-85/11, EU:C:2013:217, Rz 8), ohne dass der EuGH dies beanstandet (vgl. EuGH-Urteil Kommission/Irland, EU:C:2013:217; vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2, Anm. 816).

36

Der erkennende Senat versteht dies dahingehend, dass das Erfordernis einer rechtssicheren Präzisierung von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG Sonderbedingungen wie ein von der Richtlinie nicht vorgesehenes Antragserfordernis rechtfertigt, bei dem es sich um ein bloßes Verfahrenserfordernis oder auch um ein materiell-rechtliches Wahlrecht handeln kann. Im   Kontext des nationalen Rechts,   in dem es an einem besonderen Verfahren und einem Grundlagenbescheid zur Feststellung der Organschaft und damit an einer für alle am Organkreis Beteiligten verbindlichen Festlegung, ob eine Organschaft besteht und wer Steuerschuldner für diese ist, fehlt, kann   nur   anhand des Merkmals der Eingliederung die Person bestimmt werden, die die Verantwortung dafür zu tragen hat, dass die Umsätze des im Organkreis zusammengefassten Unternehmens ordnungsgemäß versteuert werden (s. oben II.1.a bb). Daher können die Mitgliedstaaten das Erfordernis der Rechtssicherheit auch bei der ihnen obliegenden Präzisierung (s. oben II.1.c bb(1)) des "konkreten Umfangs" der erforderlichen Verbindungen berücksichtigen. Dies rechtfertigt ein Abstellen auf eine Eingliederung mit Durchgriffsrechten, da sich hieraus die Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger rechtssicher ergibt (s. oben II.1.a dd). Damit wird dem Vereinfachungszweck der Zusammenfassung Rechnung getragen, da Beurteilungsschwierigkeiten, die sich auf der Grundlage einer bloßen engen Verbindung, aus der sich aufgrund ihrer Präzisierungsbedürftigkeit keine verbindlichen Voraussetzungen ergeben, entfallen.

37

Der Senat berücksichtigt dabei auch, dass die Finanzverwaltung berechtigt ist, das Bestehen einer z.B. zunächst rechtsfehlerhaft unerkannt gebliebenen Organschaft mit Wirkung für die Vergangenheit geltend zu machen. Unterschiedliche Anforderungen an die Organschaft, die sich danach richten, ob der Steuerpflichtige --zur Vermeidung nicht abziehbarer Vorsteuerbeträge wie im Streitfall-- oder die Finanzverwaltung aus Insolvenz- oder Vollstreckungsgründen ein Interesse am Bestehen der Organschaft hat, sind weder mit dem nationalen Recht noch mit dem Unionsrecht zu vereinbaren.

38

(2) Dient die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen trotz rechtlicher Selbständigkeit dazu, "Missbräuche zu verhindern wie z.B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen" (EuGH-Urteile Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40, und Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 47), können die Mitgliedstaaten bei Ausübung der ihnen unionsrechtlich zur Missbrauchsbekämpfung zustehenden Regelungsbefugnis (s. oben II.1.c bb(2)(a)) berücksichtigen, dass die Zusammenfassung zu nichtsteuerbaren Leistungen zwischen den zusammengefassten Personen führt. Durch diese Nichtsteuerbarkeit von Innenleistungen könnte es bei einem fehlenden Recht zum Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nach § 15 Abs. 2 UStG (Art. 17 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG) zu einer Umgehung des insoweit bestehenden Abzugsverbots kommen (zu den sich aus einer Organschaft insoweit ergebenden "Gestaltungswirkungen" vgl. z.B. Grune/Mönckedieck, Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 541; Heintzen, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 1799; Leonard, DStR 2010, 721). Die Gestaltungswirkung, die auch von der Klägerin mit der Organschaft erstrebt wird, besteht darin, den --ohne Organschaft-- eintretenden Nachteil einer Steuerentstehung ohne Recht auf Vorsteuerabzug zu vermeiden. Diese Folge ist mit dem Vereinfachungszweck der Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen nicht zu vereinbaren und rechtfertigt eine Beschränkung der Organschaft auf die Fälle, in denen die organschaftlichen Unternehmensteile aufgrund einer Eingliederung ebenso eng wie Betriebsabteilungen eines Einheitsunternehmens miteinander verbunden sind. Die Eingliederung bewirkt somit, dass derartige Vorteile nur den Organschaften zugutekommen, deren Unternehmen ähnlich eng   wie bei einem rechtlichen Einheitsunternehmen   miteinander verbunden sind.

39

dd) Durch den Übergang von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu dem ab 2007 geltenden Art. 11 MwStSystRL ist es nicht zu inhaltlichen Änderungen des Unionsrechts gekommen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 36 und 42).

40

ee) Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Der erkennende Senat hat bereits in der Vergangenheit maßgeblich auf das Erfordernis der Rechtssicherheit abgestellt (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597). Hiermit nicht vereinbar ist es, für die Organschaft auf die Entstehungsgeschichte der miteinander verbundenen Unternehmen abzustellen.

41

2. Bis zum Oktober 2007 fehlte es zudem an der erforderlichen organisatorischen Eingliederung.

42

a) Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die organisatorische Eingliederung voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss. Hiervon ist z.B. dann auszugehen, wenn bei zwei GmbHs eine Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen besteht. Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt und zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist. Nicht ausreichend ist demgegenüber, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (BFH-Urteil in BFHE 242, 433, unter II.2.b und 3.).

43

Soweit der Senat hierfür in einem Einzelfall auf eine "institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeit in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung" (BFH-Urteil vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.) abgestellt hat, folgt hieraus nichts anderes, als dass im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der juristischen Person als Organgesellschaft bestehen muss. Nicht ausreichend sind Weisungsrechte, Berichtspflichten (BFH-Urteil in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.) oder ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung oder zugunsten des Mehrheitsgesellschafters (BFH-Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.a cc).

44

b) Gegen diese Anforderungen bestehen auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015, 496) keine Bedenken in unionsrechtlicher Hinsicht. Auch das Erfordernis einer in organisatorischer Hinsicht bestehenden Durchgriffsmöglichkeit dient insbesondere der rechtssicheren Bestimmung der Eingliederungsvoraussetzungen, der Verwaltungsvereinfachung und der Missbrauchsverhinderung (vgl. oben II.1.c cc).

45

c) Damit fehlt es bis zum Oktober 2007 auch an einer organisatorischen Eingliederung der Klägerin in die A-KG. Denn bis dahin bestand eine organisatorische Trennung zwischen der Klägerin, deren einzige Geschäftsführerin B war, und der A-KG, die organschaftlich durch ihre Komplementär-GmbH vertreten wurde, bei der D einzige Geschäftsführerin war. Zu der im Sinne des BFH-Urteils in BFHE 242, 433, unter II.2.b und 3. erforderlichen organisatorischen Verflechtung über das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Klägerin kam es erst dadurch, dass die Geschäftsführerin der Klägerin auch zur Geschäftsführerin bei der Komplementär-GmbH der A-AG bestellt wurde.

46

3. Die mangels Organschaft steuerbaren Leistungen der Klägerin unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz.

47

Das FG hat insoweit zutreffend entschieden, dass es für die Anwendung der Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG an der dort vorausgesetzten Lieferung von in der Anlage bezeichneten Gegenständen fehlt und sich hierfür zu Recht auf die BFH-Rechtsprechung bezogen, nach der die in einer Großküche eines Altenwohnheims und Pflegeheims zur Verpflegung der Bewohner zubereiteten Speisen keine "Standardspeisen" als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge nach Art eines Imbissstandes sind, so dass deren Abgabe zu festen Zeitpunkten in Warmhaltebehältern keine Lieferung, sondern eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung ist (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2011 V R 66/09, BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250). Ebenso wie in diesem Fall hat auch die Klägerin entgeltliche Leistungen zur Versorgung der in einem Heim vollstationär untergebrachten Personen mit Speisen und Getränken erbracht, wobei Speiseplanvorgaben einzuhalten waren. Es ist auch im Streitfall davon auszugehen, dass sich die Tätigkeit bei der Speisenversorgung nicht auf die Abgabe von Standardspeisen als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungen nach Art eines z.B. Imbissstandes beschränkte.

48

4. Dem Erlass der Änderungsbescheide steht auch nicht § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO entgegen.

49

Nach dieser Vorschrift darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist.

50

a) Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert bereits daran, dass die Klägerin das Bestehen einer Organschaft erstmals im Einspruchsverfahren und damit nach Erlass der hier streitigen Steuerbescheide geltend gemacht hat. Damit lag den Steuerbescheiden vor Erlass der angefochtenen Änderungsbescheide keine BFH-Rechtsprechung zur Organschaft zugrunde, so dass die Rechtsauffassung vor der Rechtsprechungsänderung durch das BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597 ohne Bedeutung war.

51

b) In Bezug auf die Frage der Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen ergibt sich für die Klägerin ein Anspruch auf Vertrauensschutz auch nicht daraus, dass der erkennende Senat mit seinem Urteil in BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250 die Rechtsprechung "fortentwickelt" hat. Denn unabhängig hiervon hatte sich der BFH vor diesem Urteil zur Frage der Speisenversorgung in Altenwohnheimen und Pflegeheimen nicht unmittelbar geäußert.

52

5. Das FG hat den von der Klägerin geltend gemachten Erlass aus Billigkeitsgründen zutreffend abgelehnt.

53

a) Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre.

54

Die nach § 163 AO zu treffende Billigkeitsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§ 102, § 121 FGO). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BStBl II 1972, 603; BFH-Urteile vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297; vom 10. Oktober 2001 XI R 52/00, BFHE 196, 572, BStBl II 2002, 201; vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; vom 6. September 2011 VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269).

55

b) Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; vom 18. Dezember 2007 VI R 13/05, BFH/NV 2008, 794; in BFH/NV 2011, 865). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 12. September 2007 X B 18/03, BFH/NV 2008, 102, m.w.N.).

56

c) Rechtsfehlerfrei hat das FG erkannt, dass das FA die Voraussetzungen einer sachlichen oder persönlichen Unbilligkeit zutreffend verneint hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass für einen über § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO hinausgehenden Vertrauensschutz im Fall einer Änderung der Rechtsprechung im Allgemeinen keine Notwendigkeit besteht, wenn sich der Steuerpflichtige die vom BFH aufgegebene Rechtsprechung erst in einem Einspruchsverfahren zu eigen macht. Zudem hat das FG zutreffend berücksichtigt, dass Verwaltungsanweisungen, zu denen auch dort getroffene Übergangsregelungen gehören, nicht wie Gesetze auslegungsfähig sind, sondern im Allgemeinen entsprechend dem Verständnis der Finanzverwaltung anzuwenden sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 43/09, BFHE 233, 58, BStBl II 2011, 610, zur "Vertretbarkeit" der von einer Finanzbehörde vorgenommenen Auslegung einer von der Finanzverwaltung getroffenen Übergangsregelung). Im Hinblick auf die Vermögenssituation der Klägerin konnte das FG auch persönliche Billigkeitsgründe verneinen.

57

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 13. März 2013  3 K 235/10 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht München zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, als Organträger --ebenso wie eine andere Tochtergesellschaft-- nichtsteuerbare Leistungen an zwei Tochter-Kommanditgesellschaften (KGs) als Organgesellschaften erbracht hat.

2

Die Klägerin war im Streitjahr 2001 Alleingesellschafterin der O-GmbH und der VuB-GmbH, die ab 1. Februar 2001 als B-GmbH firmierte. Die O-GmbH erbrachte als Servicegesellschaft Catering- und Reinigungsleistungen.

3

Geschäftsführer der O-GmbH war Herr K. K war zudem vertretungsbefugter Generalbevollmächtigter der Klägerin. Geschäftsführer der B-GmbH war Herr S. S war bei der Klägerin angestellt.

4

Die Klägerin war darüber hinaus Kommanditistin mit einem Kapitalanteil von 100 % bei der Kb-KG und der Gf-KG. Komplementär ohne Geschäftsanteil war jeweils die B-GmbH. Die Kb-KG war im Vorjahr aus einer formwechselnden Umwandlung der Kb-GmbH entstanden. Ebenso war es bei der Gf-KG, die Rechtsnachfolgerin der Gf-GmbH war.

5

Beide KGs betrieben Altenheime und erbrachten dabei Leistungen, die sie als umsatzsteuerfrei ansahen. Die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft O-GmbH erbrachten Leistungen gegen Entgelt an beide KGs.

6

Durch Gesellschafterbeschlüsse vom 1. Februar 2001 brachte die Klägerin ihre Anteile an beiden KGs in die B-GmbH ein, wodurch es zu einer sog. Anwachsung des Gesellschaftsvermögens beider KGs bei der B-GmbH kam.

7

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Klägerin und die mit ihr organschaftlich nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verbundene O-GmbH umsatzsteuerpflichtige Leistungen an die beiden KGs erbracht haben. Aufgrund der im Vorjahr erfolgten formwechselnden Umwandlungen seien die KGs --anders als die jeweilige GmbH vor der Umwandlung-- nicht mehr als Organgesellschaften anzusehen. Daher lägen umsatzsteuerpflichtige Leistungen der Klägerin und ihrer Organgesellschaft, der O-GmbH, an die beiden KGs vor. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

8

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1434 veröffentlichten Urteil der Klage statt. In Bezug auf die beiden KGs lägen die Eingliederungsvoraussetzungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht vor. Dass die Organgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG juristische Person sein müsse, sei unbeachtlich, da diese Vorschrift unionsrechtskonform dahingehend zu erweitern sei, dass es sich bei der Organgesellschaft auch um eine Personengesellschaft in der hier vorliegenden Rechtsform der GmbH & Co. KG handeln könne. Es sei mit dem Grundsatz der Rechtsformneutralität in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nicht vereinbar, die Wirkung der Organschaft auf juristische Personen als Organgesellschaft zu beschränken. Eine derartige Differenzierung sei auch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) unzulässig.

9

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Nach nationalem Recht seien die Voraussetzungen einer Organschaft nicht erfüllt. Die Einschränkung des Kreises der Organgesellschaften auf juristische Personen sei auch nicht unionsrechtswidrig. Der nationale Gesetzgeber dürfe Typisierungen vornehmen.

10

Der Senat hat mit Beschluss vom 23. April 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des EuGH in der verbundenen Rechtssache C-108/14 Larentia + Minerva und C-109/14 Marenave Schiffahrt (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

11

Mit Urteil vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache wie folgt entschieden:

12

"2.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

 3.

Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

13

Das FA macht geltend, der Begriff der juristischen Person sei nicht auslegungsfähig. Das FG habe sich nicht mit der Frage befasst, ob eine Gleichstellung mit einer juristischen Person möglich sei, sondern sich damit begnügt, dass eine KG eingliederungsfähig sei. Die Beschränkung auf juristische Personen diene der Vermeidung der Steuerhinterziehung und der Steuerumgehung. Erforderlich seien Durchgriffsmöglichkeiten. Die steuerlich für die Organschaft verantwortliche Person müsse in der Lage sein, die Geschäfte der Gruppe zu steuern.

14

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

16

Die Einbeziehung der Tochterpersonenhandelsgesellschaft sei insbesondere aus Gründen des Unionsrechts und unter Berücksichtigung des Neutralitätsgrundsatzes geboten. Das nationale Recht sei richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass eine Differenzierung zwischen juristischer Person und sonstigen Einheiten nicht möglich sei. Maßgeblich seien die kapitalistische Struktur der GmbH & Co. KG und deren Nähe zur juristischen Person. Der Wortlaut setze der richtlinienkonformen Auslegung keine Grenzen. Dabei sei auch der Begriff des Zusammenschlusses in § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift sei auf Personengesellschaften anwendbar. Auf eine richtlinienkonforme Extension oder eine Gesetzesanalogie komme es insoweit nicht an. Die GmbH & Co. KG sei im Rahmen von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG einer juristischen Person gleichzusetzen. Der Gesetzgeber habe das Ziel der Gleichbehandlung nicht aus dem Blick verloren. Gleiches ergebe sich unter den Gesichtspunkten einer Rechtsfortbildung oder einer Analogie. Vorzugswürdig sei eine Gesamtanalogie zu beiden Alternativen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die hierfür erforderliche planwidrige Regelungslücke ergebe sich aus der unzureichenden Umsetzung des Unionsrechts. Dem stehe das Rechtsstaatsprinzip nicht entgegen, da es sich um eine den Steuerpflichtigen begünstigende Regelung handele. Eine teleologische Extension spreche für ihre Rechtsauffassung. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erweitere denn Begriff der juristischen Person. Die Beschränkung auf juristische Personen verhindere weder missbräuchliche Praktiken noch Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung. Dass eine Unterordnung diesen Zielen diene, sei nicht ersichtlich. Eine enge Verbundenheit reiche aus. Diese Verbundenheit liege vor. Sie sei einzige Gesellschafterin bei allen Gesellschaften gewesen und habe sich bei diesen in den Gesellschafterversammlungen jederzeit durchsetzen können.

Entscheidungsgründe

17

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG beschränkt die Organschaft auf die Eingliederung juristischer Personen. Dies ist wegen des bei Personengesellschaften grundsätzlich bestehenden Einstimmigkeitsprinzips auch sachlich gerechtfertigt. Eine aus Gründen der Rechtsformneutralität erforderliche Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist mit Blick auf die mit dieser Vorschrift getroffene gesetzgeberische Grundentscheidung nur in engem Umfang und deshalb lediglich bei den Personengesellschaften möglich, bei denen Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Unionsrecht. Im zweiten Rechtsgang sind weitere Feststellungen zum Gesellschafterkreis der Personengesellschaften zu treffen.

18

1. Die Organschaft setzt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Eingliederung einer juristischen Person voraus und schließt damit die Personengesellschaft aus dem Kreis der eingliederbaren Personen aus.

19

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

20

Die Organschaft dient der  Verwaltungsvereinfachung  (BTDrucks V/48 § 2; BTDrucks IV/1590, S. 36; zum gesetzlichen Festhalten an der vorkonstitutionellen Organschaft des UStG 1934, RStBl 1934, 1549 ff.; zum Vereinfachungszweck vgl. Stadie, in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz 784, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, Rz 41). Da anhand der Organschaft über die Person des Steuerschuldners zu entscheiden ist, müssen die Voraussetzungen hierfür rechtssicher ausgestaltet sein (BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Tomoiagă vom 9. Juli 2015, C-144/14, EU:C:2015:452, Rz 34 f.). Das verhindert rechtliche Irrtümer und damit verbundene Steuerumgehungen (vgl. allgemein EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 41).

21

b) § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG definiert den Begriff der juristischen Person nicht.

22

aa) Mangels eigenständiger steuerrechtlicher Begriffsbildung ist das zivil- und gesellschaftsrechtliche Verständnis der juristischen Person maßgeblich. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verwendet mit der "juristischen Person" eine im Zivilrecht geläufige Terminologie und nimmt den darin ausgedrückten Tatbestand auf (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27. Dezember 1991  2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, unter 1.a cc)). Juristische Person ist daher eine Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, wie etwa eine GmbH (vgl. § 13 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) oder eine Aktiengesellschaft (§ 1 Abs. 1 des Aktiengesetzes --AktG--).

23

bb) Nicht zu den juristischen Personen gehören Personenhandelsgesellschaften wie OHG oder KG. Diese können zwar unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (§§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs --HGB--), begründen diese aber nicht aufgrund einer eigenen Rechtspersönlichkeit (vgl. § 1 Abs. 1 AktG).

24

Hieran hat sich durch das gewandelte Verständnis zur Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft nichts geändert. Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der die Personenhandelsgesellschaft kein gegenüber ihren Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt war, so dass "Träger der im Namen der Gesellschaft begründeten Rechte und Pflichten" die "gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter" waren (so z.B. noch BGH-Urteil vom 24. Januar 1990 IV ZR 270/88, BGHZ 110, 127). Demgegenüber erkennt der BGH nunmehr die Rechtsfähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts an, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (BGH-Urteil vom 29. Januar 2001 II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, Leitsatz; vgl. zur Personenhandelsgesellschaft BGH-Urteil vom 5. März 2008 IV ZR 89/07, BGHZ 175, 374, unter II.2.a(3)). Wie der BGH aber zugleich ausdrücklich klargestellt hat, wird die Personengesellschaft durch die Anerkennung dieser Rechtsfähigkeit nicht zur juristischen Person (BGH-Urteil in BGHZ 146, 341, unter A.I.4., Rz 13; vgl. auch EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 37).

25

c) Die Eingliederung einer Personengesellschaft kommt nicht entsprechend früherer BFH-Rechtsprechung aufgrund eines organschaftsähnlichen Verhältnisses in Betracht.

26

aa) Der BFH ist in seiner Rechtsprechung zunächst davon ausgegangen, dass zwischen einem Gesellschafter und seiner Personenhandelsgesellschaft ein sog. organschaftsähnliches Verhältnis bestehen könne. Die sich hieraus ergebende Unselbständigkeit beruhte auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wobei sich der BFH für die Bestimmung der Unselbständigkeit an § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG und damit an den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung orientierte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. November 1964 V 245/61 S, BFHE 81, 506, BStBl III 1965, 182).

27

bb) Diese Rechtsprechung hat der erkennende Senat später aufgegeben und entschieden, dass eine Personengesellschaft des Handelsrechts nicht i.S. von § 2 Abs. 2 UStG unselbständig sein kann (BFH-Urteil vom 8. Februar 1979 V R 101/78, BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362). Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Erwägungsgründe des historischen Gesetzgebers, nach denen der "Begriff der Organschaft ... nur noch bei juristischen Personen anwendbar" ist, entschied der Senat, dass eine Ausdehnung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auf "nichtrechtsfähige Personenvereinigungen" dem Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers widerspricht.

28

cc) Der erkennende Senat hält an seinem Urteil in BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362 im Interesse einer einfachen und rechtssicheren Bestimmung des Steuerschuldners für den Organträger im Grundsatz weiter fest (vgl. auch zu § 13b UStG BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, unter II.3.a):

29

(1) Einfach und rechtssicher kann über die finanzielle Eingliederung als Voraussetzung für die Organschaft entschieden werden, wenn der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. zuletzt BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, unter II.2.a, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Maßgeblich ist im Regelfall die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter, so dass eine Beteiligung von mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft ausreicht, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2., m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Weicht die kapitalmäßige Beteiligung von den Stimmrechten ab (z.B. aufgrund "stimmrechtsloser Geschäftsanteile" bei der GmbH oder aufgrund von "Vorzugsaktien" ohne Stimmrecht bei der Aktiengesellschaft), ist auf das Verhältnis der gesellschaftsrechtlichen Stimmrechte abzustellen. Im Interesse der Rechtsklarheit sind Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten dabei grundsätzlich ohne Bedeutung. Dementsprechend hat der BFH eine finanzielle Eingliederung auf der Grundlage derartiger Rechtsgeschäfte in der Vergangenheit nicht bejaht (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.b, und vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BStBl II 2013, 873, unter II.2.b cc). "Stimmbindungsvereinbarungen" und "Stimmrechtsvollmachten" können bei der Prüfung der finanziellen Eingliederung somit nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ("Geschäftsanteil mit Mehrstimmrecht") ergeben.

30

(2) Während über die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person rechtssicher, einfach und ohne Nachweisschwierigkeiten entschieden werden kann, trifft dies auf die Personengesellschaft nicht zu:

31

(a) Das gesellschaftsrechtliche Stimmrecht beruht bei juristischen Personen auf den Regelungen der notariell zu beurkundenden Satzung (vgl. zur GmbH § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG und zur Aktiengesellschaft § 23 und §§ 8 ff., insbesondere § 12 AktG). Die den Gesellschaftern obliegenden Entscheidungen sind bei den juristischen Personen nach dem Mehrheitsprinzip zu treffen (§ 47 Abs. 1 GmbHG und § 133 Abs. 1 AktG). Daher ist es dem Gesellschafter, der über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, möglich, seinen Willen in der Gesellschaft durchzusetzen.

32

Die Übertragung von Geschäftsanteil und Aktie und des mit ihnen verbundenen Stimmrechts ist zudem rechtssicher nachvollziehbar (vgl. bei der GmbH § 15 Abs. 3 GmbHG und bei der Aktiengesellschaft § 67 AktG und die Inhaberschaft am Wertpapier). Zudem bestehen für Mehrheitsbeteiligungen Meldepflichten (vgl. § 20 Abs. 4 AktG).

33

(b) Demgegenüber gilt bei den Personengesellschaften das Einstimmigkeitsprinzip (vgl. § 709 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- zur GbR, § 119 Abs. 1 HGB zur OHG und § 161 Abs. 2 HGB zur KG). Ein hiervon abweichendes Mehrheitsprinzip steht einer Mehrheitsentscheidung durch nur einen Gesellschafter entgegen, da dann im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu entscheiden sein soll (vgl. § 709 Abs. 2 BGB, § 119 Abs. 2 HGB). Selbst wenn aufgrund darüber hinaus abweichender Regelungen ein Gesellschafter Mehrheitsentscheidungen durchsetzen kann, bestehen zumindest Nachweisschwierigkeiten. Denn abgesehen von Sonderfällen wie etwa der Einbringung von Grundstücken in eine Gesamthand (vgl. § 311b BGB) besteht für den Abschluss und die Änderung von Gesellschaftsverträgen bei Personengesellschaften keinerlei Formzwang. Gesellschaftsvertragliche Stimmrechtsvereinbarungen, die von den §§ 709 BGB und 119 HGB abweichen, können daher auch mündlich getroffen und geändert werden (zur formlosen Änderung trotz Schriftformklausel vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 I R 115/95, BFHE 181, 281, BStBl II 1997, 138, Leitsätze 1 und 2).

34

Im  Kontext des nationalen Rechts,  in dem über die Organschaft ohne besonderes Feststellungsverfahren mit Rückwirkung für alle unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung) stehenden Besteuerungszeiträume der Vergangenheit in jedem Stadium des Besteuerungs- oder Rechtsbehelfsverfahrens neu entschieden werden kann, besteht damit bei Personengesellschaften im Allgemeinen keine hinreichende Grundlage, um die Person des Steuerschuldners einfach und rechtssicher bestimmen zu können (vgl. auch die Grundsatzentscheidung des Senats vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, von der ein anonymisierter Abdruck beiliegt). Über die Organschaft und die mit ihr --wie im Streitfall-- erstrebten günstigen Rechtsfolgen kann auch aus Gründen der allgemeinen Missbrauchsprävention nicht mit Wirkung für die Vergangenheit nach Maßgabe von Vereinbarungen entschieden werden, die nahestehende Personen z.B. mündlich getroffen haben (wollen). Unbeschadet ihrer zivilrechtlichen Wirksamkeit folgt daraus nicht, dass sie auch Grundlage für die Besteuerung sein müssen.

35

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass an die --aufgrund der Organschaft vom Zivilrecht abweichende-- Feststellung des Steuerschuldners höhere Anforderungen zu stellen sind, als bei der bloßen Prüfung, ob z.B. Leistungen gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt werden. Denn das nationale Recht (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) und das Unionsrecht (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG; Art. 11 MwStSystRL) behandeln die verbundenen Personen zusammen als einen Steuerpflichtigen, wobei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Steuerpflicht ausschließlich auf den Organträger verlagert, indem die juristische Person gegenüber dem Organträger als unselbständig angesehen wird.

36

2. Trotz des vom nationalen Gesetzgeber grundsätzlich vorgesehenen Ausschlusses der Personengesellschaft aus dem Kreis der eingliederungsfähigen Personen, kann die Personengesellschaft ausnahmsweise auf der Grundlage einer teleologischen Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wie eine juristische Person als eingegliedert angesehen werden. Erforderlich ist, dass die finanzielle Eingliederung wie bei einer juristischen Person zu bejahen ist. Dies setzt voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei --der stets möglichen-- Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist.

37

a) "Teleologische Extension" (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 V R 38/08, BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.) setzt eine Regelungslücke voraus. Die Norm muss gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig sein. Ihre Ergänzung darf nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widersprechen. Dass eine gesetzliche Regelung rechtspolitisch als verbesserungsbedürftig anzusehen ist ("rechtspolitische Fehler"), reicht nicht aus. Ihre Unvollständigkeit erschließt sich vielmehr aus dem gesetzesimmanenten Zweck und kann auch bei einem eindeutigen Wortlaut vorliegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.5.a, und vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529, unter II.4.b bb, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Die Gesetzeslücke ist in einer dem Gesetzeszweck, der Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik entsprechenden Weise durch Analogie, teleologische Extension oder Reduktion zu schließen (BFH-Urteil in BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.5.a). Dies ist Aufgabe der Fachgerichte (vgl. z.B. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 1990  1 BvR 1186/89, BVerfGE 82, 6, Neue Juristische Wochenschrift 1990, 1593, unter C.I.1.).

38

b) Die teleologische Extension einer umsatzsteuerrechtlichen Norm kann auch aus Gründen des Verfassungsrechts notwendig sein.

39

aa) Nach der Rechtsprechung des BVerfG wie auch des erkennenden Senats ist die Bindung an die Grundrechte des Grundgesetzes (GG) auch im Bereich der unionsrechtlich harmonisierten Umsatzbesteuerung zu beachten, soweit das Unionsrecht "den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum einräumt" (BVerfG-Beschluss vom 20. März 2013  1 BvR 3063/10, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 468, unter III.1.; BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 4/09, BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.4.e).

40

Daher sind im Bereich der Organschaft auch verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten. Zwar beruht die Organschaft unionsrechtlich auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Nach der Rechtsprechung des EuGH bedarf die sich aus der Richtlinie ergebende Voraussetzung der engen Verbindungen aber einer Präzisierung auf nationaler Ebene durch nationale Rechtsvorschriften, die den konkreten Umfang solcher Verbindungen bestimmen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50).

41

Übt der nationale Gesetzgeber daher die sich aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergebende Regelungsermächtigung aus, hat er somit im Rahmen der zu seinen Gunsten bestehenden Regelungs- und Präzisierungsbefugnisse die allgemeinen verfassungsrechtlichen Bindungen zu beachten.

42

bb) Zielt der "umsatzsteuerrechtliche Belastungsgrund ... auf die umsatzsteuerliche Erfassung jedes Unternehmers, mag dieser in der Rechtsform einer juristischen Person, in der Rechtsform einer gewerblichen Personengesellschaft oder als freiberuflich Tätiger Umsätze erbringen (...)" (BVerfG-Beschluss in UR 2013, 468, unter III.2.a aa), so ist es gleichwohl mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn z.B. nur Freiberufler-Personenunternehmen, die weder buchführungspflichtig sind noch freiwillig Bücher führen, nicht aber auch buchführungspflichtige Freiberufler-Kapitalgesellschaften die Vorteile der Ist-Besteuerung in Anspruch nehmen können. Denn deren Anwendungsbereich beruht nicht auf "einer allein rechtsformbezogenen Differenzierung", sondern hängt nach § 20 Satz 1 UStG maßgebend davon ab, ob die Unternehmen Bücher führen (BVerfG-Beschluss in UR 2013, 468, unter III.3. zum Senatsurteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.3.b cc 4., in Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 22. Juli 1999 V R 51/98, BFHE 189, 211, BStBl II 1999, 630).

43

So wie das Gebot einer rechtsformneutralen Besteuerung unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Gesetzeszwecks den Anwendungsbereich einer gesetzlichen Vorschrift einzuschränken vermag (vgl. das Senatsurteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.3.b cc (4), zur Einschränkung von § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG a.F. auf die Unternehmer, die auch freiwillig keine Bücher führen), kann es --umgekehrt-- den Regelungsbereich einer nach ihrem Gesetzeswortlaut zu eng gefassten Norm erweitern.

44

c) Danach ist § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG teleologisch erweiternd auszulegen:

45

aa) § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG stellt mit dem Erfordernis der Eingliederung einer juristischen Person nur vordergründig auf ein rechtsformbezogenes Merkmal ab, das aber nach dem Normzweck dieser Regelung dazu dient, die Voraussetzungen der Organschaft leicht und einfach festzustellen und damit zu der mit der Organschaft angestrebten Verwaltungsvereinfachung und Missbrauchsvermeidung (s. oben unter II.1.c cc (2) (b)) beiträgt. Dementsprechend trifft das Gesetz in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG grundsätzlich eine sachlich vertretbare Unterscheidung danach, ob die einzugliedernde Gesellschaft eine juristische Person ist und verstößt deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

46

Erlauben die mit § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verfolgten Regelungsziele unter Berücksichtigung der Besonderheiten des nationalen Gesellschaftsrechts im Allgemeinen die Begrenzung auf eingegliederte juristische Personen und damit einen Ausschluss der Personengesellschaft (s. oben II.1.c cc (2) (b)), rechtfertigt dies nicht den Ausschluss der Personengesellschaften, bei denen das dort grundsätzlich bestehende Einstimmungsprinzip (s. oben II.1.c cc (2) (b)) von vornherein ohne Bedeutung ist und daher bereits abstrakt einer finanziellen Eingliederung nicht entgegenstehen kann. Ein Ausschluss auch derartiger Personengesellschaften ist mit dem --auf die Beschränkung juristischer Personen verfolgten-- Regelungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht zu vereinbaren. Damit liegt eine Regelungslücke vor, da ein bestimmter Sachbereich zwar gesetzlich geregelt ist, aber keine Vorschrift für die Fälle enthält, die nach dem Grundgedanken und dem System des Gesetzes hätten mitgeregelt werden müssen. Es handelt sich daher um eine Regelung, die gemessen an ihrem Zweck unvollständig und ergänzungsbedürftig ist.

47

bb) Die bei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehende Gesetzeslücke ist entsprechend dem Gesetzeszweck in der Weise zu schließen, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erweiternd auch auf die Personengesellschaft anzuwenden ist, bei der neben dem Organträger Gesellschafter nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (Änderung der Rechtsprechung). Trifft dies auf alle Gesellschafter der Personengesellschaft zu, kann der Organträger seinen Willen durchsetzen, so dass dem allgemeinen Einstimmigkeitsprinzip bei der Personengesellschaft (s. oben II.1.c cc (2) (b)) von vornherein keine Bedeutung zukommt. Denn sind die Mitgesellschafter bei der Personengesellschaft finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert, ist das bei der Personengesellschaft grundsätzlich bestehende Einstimmigkeitserfordernis allgemein ungeeignet, einer Willensdurchsetzung des Organträgers bei der Organgesellschaft entgegenzustehen. Ist neben dem Organträger z.B. eine Personengesellschaft Mitgesellschafter, kommt es dementsprechend darauf an, dass auch in Bezug auf deren Gesellschafter eine finanzielle Eingliederung ausnahmslos --in einer bis zum Organträger reichenden Organkette-- zu bejahen ist.

48

Dies steht nicht im Widerspruch zu der vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung der Organschaft auf bestimmte Tatbestände, sondern erweitert den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur unter strikter Beachtung der dieser Vorschrift zugrunde liegenden Wertungen der Rechtssicherheit, Verwaltungsvereinfachung und Missbrauchsvermeidung.

49

cc) Der erkennende Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Soweit dieser in seinen Vorlagebeschlüssen in BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428 davon ausgegangen ist, dass eine Personengesellschaft nicht Organgesellschaft sein kann, haben diese Entscheidungen, denen kein abschließender Charakter zukommt, keine Bindungswirkung (vgl. z.B. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 28a; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 4). Dies gilt jedenfalls dann, wenn es um die Beurteilung im Anschluss an das auf die BFH-Vorlage ergangene EuGH-Urteil geht.

50

3. Eine weitergehende Organschaft, die allgemein eine Eingliederung von Personengesellschaften ermöglichen würde, ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht.

51

a) Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Diese Regelung dient der "Verwaltungsvereinfachung" und der "Verhinderung bestimmter Missbräuche" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40).

52

b) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

53

aa) Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50 f.).

54

bb) Entscheiden sich Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dafür, Regelungen zur Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen zu schaffen, haben sie bei der Ausübung der ihnen zustehenden Präzisierungsbefugnis die hierfür unionsrechtlich bestehenden Anforderungen zu berücksichtigen.

55

(1) Die Mitgliedstaaten haben zu beachten, dass sie die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG mögliche Zusammenfassung zu einem Steuerpflichten nicht von weiteren als den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen abhängig machen dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 38) und dass das Unionsrecht die Regelung zur Mehrwertsteuergruppe nicht allein den Einheiten vorbehält, die juristische Person sind (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Leitsatz 2). Auf eine Unterordnung darf nur ausnahmsweise abgestellt werden, etwa wenn dies zur z.B. "Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen" erforderlich und geeignet ist (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 39 ff.). Hierüber hat das nationale Gericht zu entscheiden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 43).

56

(2) Die auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG getroffenen Regelungen haben --wie stets-- den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beachten. Danach müssen "die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig sein" und ihre Anwendung muss für die Betroffenen vorhersehbar sein, "wobei dieses Gebot der Rechtssicherheit in besonderem Maß gilt, wenn es sich um Vorschriften handelt, die finanzielle Konsequenzen haben können, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch diese Vorschriften auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen". Zudem "müssen die Rechtsnormen der Mitgliedstaaten auf den vom Unionsrecht erfassten Gebieten eindeutig formuliert sein, so dass den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht wird, und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt werden, deren Einhaltung sicherzustellen" (EuGH-Urteil Tomoiagă, EU:C:2015:452, Rz 35, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Bei der Regelung zur Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen handelt es sich aufgrund der damit verbundenen Verlagerung der Steuerschuld von der Organgesellschaft auf den Organträger "um Vorschriften ..., die finanzielle Konsequenzen haben können".

57

c) Unter Berücksichtigung dieser Erfordernisse besteht für den nationalen Gesetzgeber eine hinreichende unionsrechtliche Grundlage, die Regelung zur Organschaft im Grundsatz auf die Eingliederung juristischer Personen zu beschränken.

58

aa) Die Einschränkung der Organschaft auf die Eingliederung juristischer Personen dient nicht dazu, die Umsatzbesteuerung rechtsformabhängig auszugestalten, sondern soll den unionsrechtlich auch vom EuGH anerkannten Präzisierungsvorbehalt rechtssicher ausfüllen (s. oben unter II.1.c cc).

59

bb) Kann aufgrund der Besonderheiten des nationalen Gesellschaftsrechts im Regelfall nur bei juristischen Personen mit der erforderlichen Klarheit und damit rechtssicher über die Eingliederungsvoraussetzungen entschieden werden (s. oben II.1.c cc), rechtfertigt dies die grundsätzliche Einschränkung auf eine Eingliederung juristischer Personen. Zudem trägt der erkennende Senat den Erfordernissen des Unionsrechts, insbesondere dem Ziel einer im Grundsatz rechtsformneutralen Besteuerung (s. oben II.2.c), dadurch Rechnung, dass er in Sonderfällen, in denen die Eingliederungsvoraussetzungen auch in Bezug auf Tochterpersonengesellschaften zweifelsfrei vorliegen, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG teleologisch erweiternd auslegt (s. oben II.2.c).

60

4. Danach hat das FG im Streitfall die Eingliederung der beiden KGs zu Unrecht aufgrund einer allgemeinen Gleichstellung von juristischen Personen und Personengesellschaften bejaht. Beide KGs sind indes nur dann Organgesellschaften der Klägerin, wenn z.B. neben der Klägerin als mögliche Organträgerin nur die B-GmbH als Gesellschafterin an den beiden KGs beteiligt gewesen wäre und in Bezug auf die B-GmbH eine finanzielle Eingliederung in das Unternehmen der Klägerin besteht. Zwar erscheint dies nach Aktenlage möglich, jedoch bestehen noch Unklarheiten in Bezug auf die zahlreichen Umwandlungsvorgänge. Daher sind ausdrückliche Feststellungen zum Gesellschafterkreis der beiden KGs und der finanziellen Eingliederung dieser Gesellschafter in das Unternehmen der Klägerin nachzuholen.

61

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft (KG), vermietete im Streitjahr 2001 ein Grundstück an ihre Komplementärin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), und stellte dieser entgeltlich Personal und Inventar für die von der GmbH betriebenen Alten- und Pflegeheime zur Verfügung. Die Klägerin erledigte darüber hinaus Verwaltungsaufgaben und erbrachte Hausmeisterserviceleistungen für die GmbH.

2

Gesellschafter der Klägerin und der GmbH waren A, B und C zu jeweils einem Drittel. Die GmbH war zwar Komplementärin der Klägerin, jedoch ohne an der Klägerin kapitalmäßig beteiligt zu sein. Geschäftsführer der GmbH war A.

3

Die Klägerin ging davon aus, dass zwischen ihr und der GmbH eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) bestehe und lediglich nicht steuerbare Innenleistungen zwischen der KG und GmbH erbracht würden. Sie gab daher keine Umsatzsteuererklärungen ab. Im Anschluss an eine Außenprüfung war der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass keine Organschaft vorliege und die Klägerin steuerbare und steuerpflichtige Leistungen an die GmbH erbracht habe. Der gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 10. Mai 2004 eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Klägerin sei Organträger der GmbH, da die GmbH über die Gesellschafter A, B und C in die Klägerin mittelbar finanziell eingegliedert sei, sich die organisatorische Eingliederung aus der Stellung der GmbH als Komplementärin der Klägerin und daher aus einer Personal- und Organidentität ergebe und die wirtschaftliche Eingliederung auf den durch die Klägerin an die GmbH erbrachten Leistungen beruhe. Unerheblich sei, dass nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Dezember 1978 V R 85/74 (BFHE 127, 75, BStBl II 1979, 288) eine Komplementär-GmbH nicht in eine KG eingegliedert sein könne, da dieses Urteil aufgrund der späteren BFH-Rechtsprechung zur mittelbaren finanziellen Eingliederung überholt sei. Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2009, 792 veröffentlicht.

5

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Aufgrund des Erfordernisses eines Über- und Unterordnungsverhältnisses liege keine Organschaft vor. Es fehlten auch die finanzielle und organisatorische Eingliederung.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Die Klägerin trägt vor, das FG habe zutreffend entschieden, dass eine Organschaft bestehe. Es liege eine Betriebsaufspaltung vor. Die GmbH sei von ihr nach dem maßgeblichen Gesamtbild der Verhältnisse völlig abhängig gewesen, da sie der GmbH nahezu das gesamte für ihre Betätigung erforderliche Betriebsvermögen überlassen habe. Die Tatsache, dass ihre Kommanditisten in gleicher Weise auch an der GmbH beteiligt gewesen seien, zeige, dass sie und die GmbH als Einheit anzusehen seien. Es sei völlig unwahrscheinlich gewesen, dass die Kommanditisten in der GmbH anders entscheiden würden als bei ihr, der KG. Für die Organschaft spreche auch, dass die GmbH-Anteile als Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei ihr, der Klägerin, anzusehen seien, da es sich bei dem Sonderbetriebsvermögen und der Organschaft jeweils um "eine rein steuerrechtliche Konstruktion" handele. Für das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses spreche weiter die Einheit des Steuerrechts sowie die Entstehungsgeschichte der Firmenkonstruktion. Die finanzielle Eingliederung ergebe sich auch aus der Vinkulierung der Gesellschaftsanteile und der engen familiären Verbundenheit der Gesellschaftergruppe. Wie das FG zu Recht ausgeführt habe, könne die GmbH zumindest teilweise --beim Betrieb der Alten- und Pflegeheime und damit neben ihrer Geschäftsführungstätigkeit für sie, die Klägerin,-- in sie eingegliedert sein. Die GmbH sei auch organisatorisch in sie eingegliedert gewesen, da ihre Geschäftsführung mit derjenigen der GmbH verflochten gewesen sei. Eine Eingliederung einer Komplementär-GmbH in sie, die Klägerin, sei zumindest insoweit möglich, als der Komplementär neben der Geschäftsführung der KG eine weitere unternehmerische Tätigkeit ausübe. Zumindest sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist im Ergebnis begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vom FG und der Klägerin angenommene Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG scheitert am Erfordernis der finanziellen Eingliederung.

10

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

11

Neben den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung kommt es für die Organschaft weder nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG noch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG auf einen Antrag des Unternehmers an (BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, Leitsatz 2). Bei der Ausübung der nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG bestehenden Ermächtigung sind allerdings die allgemein bei der Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG zu beachtenden Rechtsprinzipien wie z.B. die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Steuerneutralität zu beachten (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217 Rdnrn. 24 ff.). Dies gilt auch für die Auslegung der nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehenden Eingliederungsvoraussetzungen.

12

2. Nach der Rechtsprechung setzt die finanzielle Eingliederung voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd). Bei der finanziellen Eingliederung handelt es sich um eine rechtlich zu erfüllende Voraussetzung, für die es im Regelfall auf die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter ankommt. Ausreichend ist daher eine Beteiligung, die mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft gewährt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd).

13

Eine unmittelbare finanzielle Eingliederung der GmbH in die Klägerin lag im Streitfall nicht vor, da die Klägerin nicht Gesellschafterin der GmbH war. Die Klägerin war auch nicht über eigene Tochtergesellschaften mittelbar an der GmbH beteiligt.

14

3. Eine finanzielle Eingliederung ergibt sich nicht daraus, dass die drei Gesellschafter der Klägerin über die Anteilsmehrheit in der GmbH verfügten. Denn die finanzielle Eingliederung kann grundsätzlich nicht mittelbar über mehrere Gesellschafter des Organträgers erfolgen (Reiß in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, § 2 Rz 111; Wäger in Festschrift für Harald Schaumburg, 2009, 1189 ff., 1199 f.).

15

a) Nach dem BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 123/68 (BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505, unter 2.a) konnte eine GmbH als juristische Person in das Unternehmen eines Organträgers finanziell eingegliedert sein, wenn sich sämtliche Anteile an der GmbH und dem Organträger in einer Hand befanden.

16

Der BFH hat diese Rechtsprechung später für die finanzielle Eingliederung zwischen zwei GmbHs über einen gemeinsamen Gesellschafter aufgegeben und dies insbesondere mit dem bei einer nur mittelbaren Beteiligung fehlenden Über- und Unterordnungsverhältnis begründet. Keine der beiden Gesellschaften sei in das Gefüge des anderen Unternehmens eingeordnet (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1., und die Abweichungsanfrage durch den BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1996, 950, unter II.).

17

Der BFH hielt aber an der finanziellen Eingliederung zwischen der GmbH als Organgesellschaft und der Personengesellschaft als Organträger fest, wenn die Mehrheit der Anteile an der GmbH von den Gesellschaftern einer Personengesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte verfügten (BFH-Urteile vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136, unter II.2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.2.; in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.1.a, und vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365). Dabei bejahte der BFH die finanzielle Eingliederung über einen gemeinsamen Gesellschafter, der in GmbH und Personengesellschaft über eine Anteilsmehrheit von jeweils mindestens 95 v.H. verfügte und auch Geschäftsführer der GmbH war (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136) ebenso wie über zwei Gesellschafter, denen gemeinsam eine Anteilsmehrheit in beiden Gesellschaften zustand (BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 223, und in BFH/NV 2008, 1365). Diese Rechtsprechung beruhte u.a. auf der ertragsteuerrechtlichen Überlegung, dass es sich bei der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft für die Gesellschafter der Organträger-Personengesellschaft um Sonderbetriebsvermögen handele (BFH-Beschluss in GmbHR 1996, 950, unter III.). Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft lehnte die Rechtsprechung aber dann ab, wenn den Gesellschaftern zwar an der GmbH eine Mehrheitsbeteiligung zustand, sie aber in der Personengesellschaft Minderheitsgesellschafter waren. Dies galt selbst dann, wenn die GmbH über eine Anteilsmehrheit an der Personengesellschaft verfügte (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.b aa).

18

b) Für den Fall, dass nur mehreren Gesellschaftern gemeinsam eine Mehrheitsbeteiligung an GmbH und Personengesellschaft zusteht, hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung nicht fest.

19

aa) Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft liegt im Hinblick auf das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter, die nur gemeinsam über eine Anteilsmehrheit an beiden Gesellschaften verfügen, nicht vor.

20

Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen setzt ein Verhältnis der Über- und Unterordnung der beteiligten Gesellschaften voraus (BFH-Urteile in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa, und vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH führt die Gruppenbesteuerung gemäß Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu einer Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen mit den diesem Steuerpflichtigen "untergeordneten Personen" (vgl. EuGH-Urteil Ampliscientifica und Amplifin in Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217).

21

Kommt es danach auf ein Über- und Unterordnungsverhältnis an, gilt dies nicht nur im Verhältnis zwischen mehreren GmbHs als juristischen Personen, sondern gleichermaßen im Verhältnis zwischen GmbH und Personengesellschaft, selbst wenn an diesen Gesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Denn eine Personengesellschaft, deren Gesellschafter eine Mehrheitsbeteiligung an der GmbH halten, verfügt gegenüber dieser GmbH über keine größeren Einwirkungsmöglichkeiten als sie zwischen zwei Schwester-GmbHs bestehen. Einwirkungsmöglichkeiten stehen in beiden Fällen gleichermaßen nur den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern zu. Die bisherige Bejahung einer finanziellen Eingliederung aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter trägt auch nicht dem rechtlichen Charakter der finanziellen Eingliederung (s. oben II.2.) Rechnung. Kommt es für die finanzielle Eingliederung auf rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten an, müssen diese dem Organträger selbst zustehen. Hiermit ist eine Zurechnung der Durchsetzungsmöglichkeiten aus fremdem Beteiligungsbesitz nicht vereinbar.

22

Demgegenüber kann eine Enkelgesellschaft mittelbar über eine oder mehrere eigene Tochtergesellschaften des Organträgers finanziell in dessen Unternehmen eingegliedert sein (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (1)), sofern der Organträger dann aufgrund der ihm in der Beteiligungskette zustehenden Gesellschaftsrechte in der Lage ist, seinen Willen in der Enkelgesellschaft durchzusetzen.

23

bb) Im Hinblick auf die bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen zu beachtenden allgemeinen Rechtsprinzipien der Richtlinie 77/388/EWG (s. oben II.1.), spricht auch der Grundsatz der Rechtssicherheit dagegen, von einer finanziellen Eingliederung zwischen Schwestergesellschaften über gemeinsame Gesellschafter auszugehen.

24

(1) Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit müssen die Betroffenen bei Regelungen, die sich finanziell belastend auswirken können, in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen (EuGH-Urteile vom 15. Dezember 1987 C-326/85, Niederlande/Kommission, Slg. 1987, 5091 Rdnr. 24; vom 29. April 2004 C-17/01, Sudholz, Slg. 2004, I-4243 Rdnr. 34). Dies müssen auch die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Richtlinie einräumt, beachten (EuGH-Urteile vom 26. April 2005 C-376/02, Goed Wonen, Slg. 2005, I-3445 Rdnr. 32; vom 16. September 2008 C-288/07, Isle of Wright, Umsatzsteuer-Rundschau 2008, 816 Rdnrn. 47 f.). Dies ist auch bei der Auslegung der nationalen Vorschriften zu beachten, die der Umsetzung von Richtlinienbestimmungen dienen.

25

Aufgrund der sich aus der Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger ergebenden finanziellen Auswirkungen kommt dem Grundsatz der Rechtssicherheit bei der Auslegung der Organschaftsvoraussetzungen besondere Bedeutung zu. Da die Organschaft nicht von einem Antrag des Organträgers abhängt (s. oben II.1.), muss der Organträger in der Lage sein, anhand der Eingliederungsvoraussetzungen das Bestehen einer Organschaft rechtssicher feststellen zu können.

26

(2) Bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften ist nicht rechtssicher bestimmbar, ob und unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz einer unter Umständen großen unbestimmten Anzahl von Gesellschaftern zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen. Die bloße Anteilsmehrheit mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften reicht hierfür nicht aus, da diese Gesellschafter die ihnen zustehenden Stimmrechte nicht einheitlich ausüben müssen. Auch nur familiäre Beziehungen zwischen mehreren Gesellschaftern sind kein hinreichendes Indiz für eine Zusammenfassung des ihnen zustehenden Beteiligungsbesitzes. Im Übrigen ist auch nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen mehrere Gesellschafter gleichgerichtete oder widerstreitende Interessen verfolgen. Da die Organschaft mit der Verwirklichung ihrer Voraussetzungen beginnt und mit deren Entfallen von Gesetzes wegen endet (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a cc), kann es für die Organschaft und den Eintritt der mit ihr verbundenen Rechtsfolgen (wie z.B. Umsatzzurechnung und Nichtbesteuerung von Innenumsätzen) darüber hinaus nicht darauf ankommen, für welche Zeiträume z.B. mehrere Familiengesellschafter gleichgerichtete Interessen verfolgen und für welche Zeiträume dies aufgrund von Meinungsverschiedenheiten oder Familienstreitigkeiten nicht der Fall ist. Ob im konkreten Einzelfall von einem Fehlen widerstreitender Interessen auszugehen sein kann, ist daher entgegen der Auffassung der Klägerin unerheblich.

27

cc) Nach den Verhältnissen des Streitfalles hat der Senat nicht zu entscheiden, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist, wenn zwischen zwei Schwestergesellschaften z.B. ein Beherrschungsvertrag besteht oder zugunsten einer Schwestergesellschaft Stimmbindungsverträge vorliegen. Offenbleiben kann auch, ob eine Organschaft vorliegt, wenn nur ein Gesellschafter über eine Anteilsmehrheit an GmbH und Personengesellschaft verfügt und zugleich als Gesellschafter für die Personengesellschaft und als Geschäftsführer der GmbH für beide Gesellschaften geschäftsführungsbefugt ist (so das Urteil des XI. Senats des BFH in BFH/NV 1999, 1136), wobei dann allerdings fraglich erscheint, welche der beiden Schwestergesellschaften als herrschende und welche als abhängige Gesellschaft anzusehen ist. Im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung ist schließlich nicht mehr zu entscheiden, ob die bisherige Annahme einer finanziellen Eingliederung durch mehrere gemeinsame Gesellschafter von GmbH und Personengesellschaft --anders als bei mehreren gemeinsamen Gesellschaftern verschiedener GmbHs-- zu einer gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Differenzierung nach der Rechtsform des Organträgers führt.

28

4. Die weiteren Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.

29

a) Die Klägerin kann sich gegen die Änderung der Senatsrechtsprechung nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Voraussetzungen des § 176 der Abgabenordnung liegen nicht vor, da es sich bei dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid nicht um einen Änderungsbescheid, sondern um einen Erstbescheid handelt. Ein allgemeiner Schutz gegenüber den sich aus einer geänderten Rechtsprechung ergebenden Urteilsfolgen ist weder dem nationalen Recht noch dem Gemeinschaftsrecht zu entnehmen. Es ist auch kein sonstiger Vertrauenstatbestand ersichtlich, auf den sich die Klägerin berufen könnte.

30

b) Auch aus dem von der Klägerin betonten Gesamtbild der Verhältnisse und der nach Auffassung der Klägerin besonders stark ausgeprägten wirtschaftlichen Eingliederung ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Zwar kann im Hinblick auf die gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG "nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse" vorzunehmenden Beurteilung eine Organgesellschaft auch dann unselbständig sein, wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete nicht vollkommen ausgeprägt ist. Nicht ausreichend ist jedoch, dass die Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei Eingliederungsmerkmale besteht (BFH-Urteile vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a). Daher kann von der wirtschaftlichen nicht auf die finanzielle Eingliederung geschlossen werden (BFH-Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.) und das völlige Fehlen einer eigenen Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft kann daher nicht durch andere Eingliederungsmerkmale ersetzt werden.

31

c) Dass die Beteiligung an einer juristischen Person ertragsteuerrechtlich Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei seiner Personengesellschaft sein kann, ist für das umsatzsteuerrechtlich maßgebliche Über- und Unterordnungsverhältnis nicht entscheidend und vermag die Annahme der finanziellen Eingliederung über die Gesellschafter des Organträgers nicht zu begründen. Denn die Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen ist für die maßgebliche Willensbildung durch Mehrheitsbeschlüsse unerheblich. Auch die Entstehungsgeschichte der Gesellschaften, die Vinkulierung von Gesellschaftsanteilen und die Einheit des Steuerrechts rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

32

5. Das Urteil des FG entspricht nicht diesen Grundsätzen und war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

33

Die Klage ist abzuweisen, da die GmbH nicht finanziell in die Klägerin eingegliedert ist. Eine finanzielle Eingliederung der GmbH über die drei Gesellschafter der Klägerin in die Klägerin reicht nicht aus. Weiter kommt die Annahme einer nur partiellen Eingliederung der GmbH --für den Bereich des Betriebs der Alten- und Pflegeheime, nicht aber hinsichtlich der Geschäftsführung der Klägerin-- nach der Rechtsprechung des Senats nicht in Betracht (BFH-Urteil in BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (3)).

(1) Die Geschäftsanteile sind veräußerlich und vererblich.

(2) Erwirbt ein Gesellschafter zu seinem ursprünglichen Geschäftsanteil weitere Geschäftsanteile, so behalten dieselben ihre Selbständigkeit.

(3) Zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter bedarf es eines in notarieller Form geschlossenen Vertrags.

(4) Der notariellen Form bedarf auch eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet wird. Eine ohne diese Form getroffene Vereinbarung wird jedoch durch den nach Maßgabe des vorigen Absatzes geschlossenen Abtretungsvertrag gültig.

(5) Durch den Gesellschaftsvertrag kann die Abtretung der Geschäftsanteile an weitere Voraussetzungen geknüpft, insbesondere von der Genehmigung der Gesellschaft abhängig gemacht werden.

(1) Steht ein Geschäftsanteil mehreren Mitberechtigten ungeteilt zu, so können sie die Rechte aus demselben nur gemeinschaftlich ausüben.

(2) Für die auf den Geschäftsanteil zu bewirkenden Leistungen haften sie der Gesellschaft solidarisch.

(3) Rechtshandlungen, welche die Gesellschaft gegenüber dem Inhaber des Anteils vorzunehmen hat, sind, sofern nicht ein gemeinsamer Vertreter der Mitberechtigten vorhanden ist, wirksam, wenn sie auch nur gegenüber einem Mitberechtigten vorgenommen werden. Gegenüber mehreren Erben eines Gesellschafters findet diese Bestimmung nur in bezug auf Rechtshandlungen Anwendung, welche nach Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft vorgenommen werden.

Durch das Vermächtnis wird für den Bedachten das Recht begründet, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstands zu fordern.

(1) Die Verwaltung des Nachlasses steht den Erben gemeinschaftlich zu. Jeder Miterbe ist den anderen gegenüber verpflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich sind; die zur Erhaltung notwendigen Maßregeln kann jeder Miterbe ohne Mitwirkung der anderen treffen.

(2) Die Vorschriften der §§ 743, 745, 746, 748 finden Anwendung. Die Teilung der Früchte erfolgt erst bei der Auseinandersetzung. Ist die Auseinandersetzung auf längere Zeit als ein Jahr ausgeschlossen, so kann jeder Miterbe am Schluss jedes Jahres die Teilung des Reinertrags verlangen.

(1) Jedem Teilhaber gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte.

(2) Jeder Teilhaber ist zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstands insoweit befugt, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird.

(1) Durch Stimmenmehrheit kann eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung beschlossen werden. Die Stimmenmehrheit ist nach der Größe der Anteile zu berechnen.

(2) Jeder Teilhaber kann, sofern nicht die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist, eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen.

(3) Eine wesentliche Veränderung des Gegenstands kann nicht beschlossen oder verlangt werden. Das Recht des einzelnen Teilhabers auf einen seinem Anteil entsprechenden Bruchteil der Nutzungen kann nicht ohne seine Zustimmung beeinträchtigt werden.

Haben die Teilhaber die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstands geregelt, so wirkt die getroffene Bestimmung auch für und gegen die Sondernachfolger.

(1) Durch Stimmenmehrheit kann eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung beschlossen werden. Die Stimmenmehrheit ist nach der Größe der Anteile zu berechnen.

(2) Jeder Teilhaber kann, sofern nicht die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist, eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen.

(3) Eine wesentliche Veränderung des Gegenstands kann nicht beschlossen oder verlangt werden. Das Recht des einzelnen Teilhabers auf einen seinem Anteil entsprechenden Bruchteil der Nutzungen kann nicht ohne seine Zustimmung beeinträchtigt werden.

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 16.09.2013, 24 O 146/12 im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte hat durch ihre Geschäftsführerin der Erbengemeinschaft nach Frau K.W. geborene G.

bestehend aus:

- den Antragstellern 1 bis 5

- den Miterben D. l St. und I. St. (geb. 13.01.1997)

letztere gesetzlich vertreten durch ihre Eltern U. und P. St.,

1. zu den Angelegenheiten der Antragsgegnerin über Folgendes Auskunft zu geben:

a. über sämtliche geschäftsführenden Maßnahmen seit dem 24.12.2011 und aller seither getätigten Einnahmen und Ausgaben, Forderungen und Außenständen,

b. über alle seit dem 24.12.2011 unterhaltenen Bankverbindungen unter Angabe der Adresse, Bankleitzahl, Kontonummer und Kontostand zum 24.12.2011

c. über den jeweiligen Stand sämtlicher bei der Antragsgegnerin geführten

- Kapitalkonten,

- Rücklagenkonten und

- Darlehenskonten zum 24.12.2011 und seitdem jeweils zum 31.12. eines jeden Jahres

2. Einsichtnahme,

- für die Erbengemeinschaft, durch Rechtsanwältin …- in die Handelsbücher und Geschäftsunterlagen der Gesellschaft einschließlich der Korrespondenz und Buchungsbelegung zum und seit dem 24.12.2011 zu gewähren und ihr die Anfertigung von Fotokopien auf ihre Kosten zu gestatten.

2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Der Geschäftswert der Beschwerde wird auf EUR 10.000 festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Parteien streiten über Auskunfts- und Einsichtsrechte nach § 51a GmbHG.
Am 24.12.2011 verstarb die im badischen H. wohnhafte S. W. verwitwet und kinderlos. Sie hatte einen Neffen und zwei Nichten. Die 3 Kinder der Nichte S.W. sind die Antragsteller zu 1 bis 3, die zwei Kinder des Neffen G.M. sind die Antragsteller zu 4 und 5. Neben diesen 5 Großnichten und Großneffen setzte die Erblasserin auch die beiden Kinder der weiteren Nichte U. St. zu Erben ein.
Ende 2003 hatte die Erblasserin vor einem Notar in Gotha eine GmbH und eine GmbH & Co. KG gegründet. In die GmbH brachte sie ihr Wohnhaus in H. ein. Die in Erfurt lebenden Nichte U. St. und sie selbst wurden Geschäftsführerinnen der GmbH, die die jetzige Antragsgegnerin ist. Gemeinsam mit dieser als Geschäftsführerin handelnden Nichte gründete sie zeitgleich eine GmbH & Co KG., auf die sie ihre zweite Immobilie übertrug. Beide Immobilien zusammen stellten das wesentliche Vermögen der Erblasserin dar.
In ihrem Testament bestimmte die Erblasserin eine Erbteilung nach 1/3 für jeden Stamm ihrer Schwesterkinder. Den Kindern der Nichte U. St. wendete sie das Wohnhaus bzw. die Geschäftsanteile der GmbH als Vorausvermächtnis zu. U. St. sollte am Wohnhaus bzw. den Geschäftsanteilen an der GmbH einen Nießbrauch bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres ihrer Kinder haben. Die 2. Immobilie bzw. die Kommanditanteile an der GmbH & Co. KG sollten auf die 7 Großneffen und -nichten verteilt werden, wobei der Neffe und die beiden Nichten wiederum den Nießbrauch an den Anteilen ihrer Kinder bis zu deren 28. Lebensjahr erhalten sollten.
Nach dem Tod der Erblasserin vertraten die Nichte U. St. und ihre Kinder die Ansicht, der Kommanditanteil sei nicht vererblich und daher der GmbH angewachsen, so dass diese beide Immobilien besäße, und verlangte für ihre Kinder die GmbH-Anteile als Vermächtnis.
Mit dem vorliegenden Antrag haben die 5 antragstellenden Miterben Auskunft über die Angelegenheiten der Antragsgegnerin und Einsichtnahme in deren Handelsbücher und Geschäftsunterlagen zu leisten an die Erbengemeinschaft gefordert. Das Landgericht, auf dessen Entscheidung verwiesen wird, hat mit dem angefochtenen Beschluss diese Anträge abgelehnt. Es hat hierzu ausgeführt, nach § 18 Abs. 1 GmbHG könnten die Rechte aus einem Geschäftsanteil nur gemeinschaftlich ausgeübt werden. Sofern keine Einstimmigkeit, wie vorliegend, erzielt werden könne, habe die Ausübung des Rechtes zu unterbleiben. § 2039 S. 1 BGB erlaube kein unabgestimmtes Vorgehen. Zudem gehöre das Informationsrecht nach § 51a GmbHG nicht unmittelbar zum Nachlass im Sinne des § 2039 S. 1 BGB. Zwar werde von der Pflicht zum gemeinschaftlichen Handeln für notwendige Erhaltungsmaßnahmen durch den Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 12. Juni 1989, II ZR 296/88, BGHZ 108, 21, 30) eine Ausnahme gemacht. Eine notwendige Erhaltungsmaßnahme nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB liege aber nicht vor.
Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit ihrer zugelassenen Beschwerde, mit der sie ihren ursprünglichen Antrag weiterverfolgen.
Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
10 
Sie ist statthaft, nachdem das Landgericht sie zugelassen hat (§ 51b S.1 GmbHG i.V.m. § 132 Abs. 3 S. 2 AktG, § 70 Abs. 2 FamFG). Sie ist form- und fristgerecht, nach Zustellung vom 30.09.2013 am 18.10.2013 und damit binnen der in § 33 FamFG bestimmten Monatsfrist eingegangen.
11 
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
12 
Dem Auskunftserzwingungsverfahren nach §§ § 51a, b GmbHG, § 132 AktG war stattzugeben.
13 
a) Die Antragsteller sind antragsberechtigt. Dies ist gemäß § 51a Abs. 1, § 51b S. 2 GmbHG jeder Gesellschafter, dem die verlangte Auskunft nicht gegeben oder die verlangte Einsicht nicht gestattet worden ist.
14 
Unstreitig steht den 7 Erben das Vermögen der Erblasserin in ungeteilter Erbengemeinschaft zur gesamten Hand zu (§§ 1922, 2033 BGB). Damit sind sie an dem Geschäftsanteil jeder mitberechtigt zur gesamten Hand, so dass sie alle selbst Gesellschafter sind (Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, 5. Aufl. § 18 Rn 5). Als solche sind sie aber ungeteilt mitberechtigt am Geschäftsanteil im Sinne des § 18 Abs. 1 GmbHG und können daher ihre Rechte nur gemeinschaftlich ausüben. Zu diesen aus der Gesellschafterstellung erwachsenden Rechten gehört auch das Informationsrecht nach § 51a GmbHG.
15 
aa) Entgegen einer Mindermeinung (Scholz/Seibt, GmbHG, 11. Aufl. § 18 Rn 20; Baumbach Hueck/Zöllner, GmbHG, 20. Aufl. § 47 Rn 38; vgl. Nachweise Lange, GmbHR 2013, 115 Fn. 17) folgt aus dem Gebot des § 18 Abs. 1 GmbHG nicht, dass alle Mitberechtigten einheitlich handeln müssten (unmittelbar einheitliche Rechtsausübung). Vielmehr richtet sich die Frage, wann von einer gemeinschaftlichen Ausübung eines Rechts auszugehen ist, nach dem Recht der jeweiligen Mitberechtigung (mittelbare einheitliche Rechtsausübung; BGH, Urt. v. 12. Juni 1989 – II ZR 246/88 –, BGHZ 108, 21, 30; OLG Karlsruhe, Urt. v. 15. April 1994, 15 U 143/93, NJW-RR 1995, 1189; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, 5. Aufl. § 18 Rn 7; Baumbach Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl. § 18 Rn 4; MünchKomm-GmbHG/Reichert/Weller, § 18 Rn. 59f.; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, 18. Aufl. § 18 Rn 3; Lange GmbHR 2013, 115 jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
16 
Die Mindermeinung stützt sich auf den Wortlaut des § 18 Abs. 1 GmbHG und sieht den Zweck der Norm darin, die Gesellschaft vor Unsicherheit über die Berechtigung und Wirksamkeit des Handelns der vermeintlich Berechtigten zu schützen. Die herrschende Ansicht hält dem entgegen, die Mindermeinung erlaube den Überstimmten die Blockade von in der jeweiligen Gemeinschaft vollwirksam getroffenen Entscheidungen. § 18 Abs. 1 GmbHG diene nicht dem Minderheitenschutz in der jeweiligen Gemeinschaft, sondern regele nur das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und der Rechtsgemeinschaft, das aber nicht tangiert werde, wenn ein Teil der Mitberechtigten für alle wirksam handeln könne. § 18 Abs. 1 GmbHG solle nur verhindern, dass die einzelnen Mitberechtigten ihre Rechte unterschiedlich ausübten (BGH, Urt. v. 14.12.1967, II ZR 30/67, BGHZ 49, 183, 191). Dieser zweiten Ansicht ist zu folgen. Dass § 18 Abs. 1 GmbHG ausschließlich das Verhältnis der Mitberechtigten zur Gesellschaft betrifft, aber ihr Verhältnis untereinander unberührt lässt, zeigt auch § 18 Abs. 2 GmbHG. Er ordnet gegenüber der Gesellschaft eine Gesamtschuld der Mitberechtigten für Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft an, ohne dass - wie auch die Mindermeinung sieht (Scholz/Seibt, aaO Rn 32) - der Ausgleich im Innenverhältnis zwischen den Mitberechtigten mitgeregelt wäre. Soweit die Mindermeinung weiter vertritt, die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters könne demgegenüber durch Mehrheitsbeschluss erfolgen (Scholz/Seibt aaO Rn 21), ist nicht erkennbar, wieso die Ausübung des gesellschaftsrechtlichen Verwaltungsrechts durch die Mitberechtigten selbst dem Gebot einstimmigen Handelns unterliegen sollte, die Übertragung eben dieser Rechtsmacht auf einen Dritten aber nicht. Der herrschenden Auffassung steht auch nicht die Auslegung des in seinem Wortlaut ähnlichen § 1502 Abs. 2 Satz 2 BGB entgegen, nach dem die Abkömmlinge bei einer aufgehobenen fortgesetzten Gütergemeinschaft ein ihnen zustehendes Übernahmerecht nur gemeinschaftlich ausüben können. Für diese Bestimmung wird zwar überwiegend vertreten, dass ein Mehrheitsbeschluss nicht genügt und § 2038 nicht entsprechend gilt (Staudinger/Thiele, BGB (2007), § 1502 Rn 17 mwN auch zur MM). Eine vergleichbar wesentliche Veränderung des Zustehenden würde aber auch nach § 2038 BGB nicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung zählen, die einen Mehrheitsbeschluss zuließe, sondern müsste einstimmig gefasst werden. Schließlich zeigt auch der in seiner Zielrichtung parallele § 69 AktG, dass es nur um das Verhältnis der Gesellschaft zur Gruppe der Mitberechtigten geht. Nach dieser Bestimmung können Mitberechtigte an einer Aktie ihre Rechte nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben, der aber nach dem jeweiligen Recht der Gemeinschaften auch durch Mehrheitsbeschluss bestellt werden kann (MünchKomm-AktG/Bayer, § 69 Rn 20 mwN). Auch sie werden daher nur mit einer einheitlichen Willensäußerung gehört, unabhängig davon, wie diese intern zustande kommen kann.
17 
Vorliegend sind daher die erbrechtlichen Bestimmungen für die Verwaltung des ungeteilten Nachlasses nach §§ 2038ff. GmbHG maßgeblich.
18 
bb) Die Antragsteller konnten gemäß § 2038 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 i.V.m. § 745 Abs. 1 S. 1 BGB mehrheitlich beschließen, die Informationsrechte des § 51a GmbHG auszuüben.
19 
Die Verwaltung des ungeteilten Nachlasses obliegt nach § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB den Erben gemeinschaftlich, so dass sie zusammen das handlungsfähige Organ des Sondervermögens Nachlass darstellen. Gemäß § 2038 Abs. 2 S. 1 BGB finden die Vorschriften der §§ 743, 745, 746 BGB Anwendung. Nach § 745 Abs. 1 S. 1 BGB kann durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstandes entsprechende (ordnungsgemäße) Verwaltung und Benutzung beschlossen werden.
20 
(1) Zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehören alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, die auf Erhaltung, Verwahrung, Sicherung, Nutzung und Mehrung des Nachlassvermögens gerichtet sind (BGH, Urt. v. 22.02.1965, III ZR 208/63, FamRZ 1965, 267; BGH, Urt. v. 28. September 2005, IV ZR 82/04, BGHZ 164, 181). Damit erstreckt sie sich nicht auf bloße Erhaltungshandlungen (wie Inbesitznahme der Nachlasssachen und Ausübung des Besitzes, Einziehung von Forderungen), Sicherung und Verwahrung des Nachlasses, sondern auch auf solche Maßnahmen, die der Nutzung und Mehrung des Nachlasses dienen, zB Weiterführung eines Handelsgeschäftes (BGH, Urt. v. 24. September 1959, II ZR 46/59, BGHZ 30, 391). Nicht erfasst sind Maßnahmen die eine wesentliche Veränderung des Nachlasses zur Folge haben (Palandt/Weidlich, BGB, 72. Auf., § 2038 Rn 6). Handlungen, die der Auseinandersetzung oder der Auflösung des Nachlasses dienen, sind keine Verwaltungshandlungen i.S.d. § 2038 (Staudinger/Werner, BGB (2010), § 2038 Rn 5).
21 
(2) Ausgehend hiervon gehört das Informationsrecht nach § 51a GmbHG zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses. So dient es der „Erhaltung des Nachlasses“, wenn sich die Erben in den Stand setzen, ihre mitgliedschaftlichen Rechte in der GmbH auszuüben. Eine solche sachgerechte Wahrnehmung der Gesellschafterinteressen soll aber das Informationsrecht aus § 51a GmbHG ermöglichen. Auch für die Fortführung der GmbH ist die Information der Gesellschafter über deren Verhältnisse erforderlich. Auswirkungen auf die Gestalt des Nachlasses hat das ausgeübte Informationsrecht nicht, so dass die Grenze einer ordnungsgemäßen Verwaltung, die in der wesentlichen Veränderung des Gegenstandes, hier des Geschäftsanteils, läge (§ 745 Abs. 2 S. 1 BGB), nicht tangiert ist.
22 
Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsteller mitgeteilt haben, die Erbengemeinschaft bedürfe im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verflechtungen innerhalb der GmbH & Co KG zunächst umfassende Kenntnis über die Zusammensetzung des Nachlasses und die sich aus der bisherigen Geschäftsführung der GmbH ergebenden Forderungen und Verpflichtungen in Bezug auf die Erbengemeinschaft und ohne die Bestandsaufnahme sei eine sinnvolle Abwicklung und Auseinandersetzung des Nachlasses nicht möglich. Damit wird zwar auch deutlich, dass die über den hier streitgegenständlichen Antrag erhaltenen Informationen in der erbrechtlichen Auseinandersetzung der Parteien verwendet werden sollen, das primäre Ziel ist aber Einblick in die Verhältnisse der GmbH zu gewinnen. Daraus, dass der ungeteilte Nachlass für die entstehenden Erbschaftssteuern haftet (§ 20 Abs. 3 ErbStG) und das Finanzamt von jedem Erben eine Steuererklärung über den gesamten Nachlass verlangen kann, in der auch die Werte der einzelnen Vermögensgegenstände im Einzelnen anzugeben sind (§ 31 Abs. 1, 2 ErbStG), wird deutlich, dass es zur ordnungsgemäßen Verwaltung eines Nachlasses gehört, sich über den Wert und die Rechte und Pflichten aus einem zum Nachlass gehörenden Geschäftsanteil Klarheit zu verschaffen. Im Übrigen haben die Nichte U. St. und ihr Mann die im Testament vorgesehene Testamentsvollstreckung ausgeschlagen, weil sie von einer längerfristigen streitigen Auseinandersetzung und damit einem nicht ganz vorübergehenden Bestehen der Erbengemeinschaft ausgegangen sind.
23 
cc) Einen solchen Mehrheitsbeschluss nach § 745 Abs. 1 S. 1 BGB haben die Antragsteller gefasst. Er kann formlos gefasst werden und liegt hier in dem Auskunftsverlangen von fünf der sieben Erben vor. Zwar sind die nicht am Verfahren beteiligten Kinder der Nichte U. St. aufgrund des Vorausvermächtnisses des Wohnhauses beziehungsweise der GmbH-Anteile wertmäßig ungleich höher am Nachlass beteiligt. Auch entscheidet über die Mehrheitsverhältnisse die Größe der Bruchteile. Vorliegend sind die Bruchteile aller 7 Erben aber gleich. Die Bevorzugung der am hiesigen Verfahren nicht beteiligten Erben erfolgte über ein alle Erben gemeinschaftlich und in gleicher Weise belastendes Vermächtnis und beeinflusst ihre Erbenstellung nicht. Selbst wenn die Antragsteller sich zur Ausübung des Informationsrechts entschlossen haben sollten, ohne die anderen beiden Erben zuvor anzuhören, wäre der Beschluss nicht unwirksam (Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., § 745 Rn 1). Jedenfalls bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens wussten die anderen beiden Erben im Übrigen von dem Verlangen der restlichen Erben und waren damit angehört und überstimmt.
24 
dd) Im Ergebnis ist daher die erbrechtlich zulässigerweise getroffene Mehrheitsentscheidung eine einheitliche im Sinne des § 18 Abs. 1 GmbHG. Die Mehrheit der Erben ist für diesen Beschluss auch im Außenverhältnis vertretungsbefugt (MünchKomm-GmbHG/Reichert/Weller, § 18 Rn 63; Scholz/Seibt, GmbHG, 11. Aufl. § 18 Rn 8 mwN).
25 
b) Der formfrei mögliche Antrag, der entgegen dem Wortlaut des § 51a GmbHG nicht an die Geschäftsführerin, sondern die informationsverpflichtete Gesellschaft zu richten war (Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG § 51a Rn 5), wurde so gestellt und blieb erfolglos.
26 
c) Es ist nicht erkennbar, dass die Geschäftsführerin nach § 51a Abs. 2 S. 1 GmbHG zur Verweigerung der Informationen berechtigt wäre. Ein nach § 51a Abs. 2 S. 2 GmbHG erforderlicher Gesellschafterbeschluss liegt ohnehin nicht vor.
27 
d) Das Auskunftsersuchen ist nicht rechtmissbräuchlich. Zwar steht das Informationsrecht als Eingriffsrecht unter dem Verbot rechtsmissbräuchlicher Ausübung (vgl. BGH, Beschluss v. 06. März 1997, II ZB 4/96, BGHZ 135, 48, 50; BayOLG, Beschluss v. 15. Oktober 1999, 3Z BR 239/99, GmbHR 1999, 1296 mwN).
28 
aa) Der Rechtsmissbrauch ergibt sich aber entgegen der Ansicht der Antraggegnerin nicht daraus, dass die Geschäftsanteile letztlich nicht den antragstellenden Miterben zukommen sollen, sondern den Kindern von U. St. aufgrund des Vorausvermächtnisses. Bereits die genannten steuerlichen Pflichten der Erbengemeinschaft (§ 20 Abs. 3 ErbStG) und der einzelnen Erben (§ 31 ErbStG), die nicht in den Genuss der Geschäftsanteile gelangen, zeigen, dass ein Auskunftsersuchen nicht rechtsmissbräuchlich ist, sondern ein Informationsbedürfnis auch der nicht begünstigten Erben besteht. Zwar verweist die Beklagte insoweit auf eine Literaturansicht, wonach der Missbrauchsgedanke helfen kann, wenn ein Dritter einen Geschäftsanteil nur ganz vorübergehend erworben hat, um Informationen zu erlangen (Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 10.Aufl. § 51a Rn 37). Davon kann aber im streitgegenständlichen Fall ohnehin nicht ausgegangen werden, weil der Geschäftsanteil im Erbgang und nicht aus einem Informationsbedürfnis heraus erworben wurde.
29 
bb) Der Beklagten ist jedoch zuzugeben, dass das Auskunftsersuchen der Antragsteller zu weit gefasst ist. Sie wollen umfassende Kenntnis der Verhältnisse der GmbH und ihrer sämtlichen geschäftlichen Aktivitäten seit ihrer Gründung und damit auch für den Zeitraum erlangen, in dem die Erblasserin einzige Gesellschafterin und zugleich Geschäftsführerin der GmbH war. Es ist daher davon auszugehen, dass sie zu Lebzeiten alle Informationen über die GmbH besaß und die Geschäfte mit ihrem Willen betrieben wurden, zumal sie in dem einzigen Vermögensgegenstand der GmbH selbst wohnte. Zum anderen muss die Erbengemeinschaft die GmbH-Anteile als Vorausvermächtnis an die hier unbeteiligten Erben übertragen, so dass sie nur auf ihre Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem abzuwickelnden Nachlass beschränkte Interessen und Informationsbedürfnisse hat. Der Antrag ist daher in rechtlich nicht nachvollziehbarem Umfang weit gefasst und soll offensichtlich Informationen verschaffen helfen, die nur in der allgemeinen Auseinandersetzung der zerstrittenen Parteien von Bedeutung sein können. Da das gesellschaftsrechtliche Antragsrecht dem nicht dienen soll, wird es insoweit vorgeschoben und damit treuwidrig genutzt. Ihm war daher nur in reduziertem Umfang stattzugeben.
30 
(1) Danach hat der Antrag Ziffer 1a Erfolg. Es besteht ein Bedürfnis der Erbengemeinschaft, die ab dem Tod der alten Gesellschafterin und Geschäftsführerin vorgenommenen Geschäftsführungsmaßnahmen zu erfahren.
31 
(2) Der Antrag Ziffer 1b hat teilweise Erfolg. Die Mitteilung aller gegenwärtigen Bankverbindungen ist nötig, um sich ein Bild über die Vermögensverhältnisse der GmbH machen zu können. Ein Bedürfnis an der Mitteilung der ehemaligen Bankverbindungen ist nicht ersichtlich.
32 
(3) Ein Informationsbedürfnis, alle Änderungen des Gesellschaftsvertrages, zu erfahren, besteht schon deshalb nicht, weil sie in das Handelsregister eingetragen werden und dort von der Erbengemeinschaft erfragt werden können.
33 
(4) Über Gesellschafterbeschlüsse der verstorbenen Gesellschafterin kann die Geschäftsführerin nur Auskunft erteilen, soweit sie ihr bekannt wären, ein Informationsbedürfnis der Erbengemeinschaft ist aber nicht erkennbar. Falls nach dem Tod Gesellschaftsbeschlüsse gefasst wurden, sind sie bekannt.
34 
(5) Die Erben haben Anspruch auf Mitteilung der Kapitalkonten, Rücklagenkonten und Darlehenskonten für die Zeit seit dem Tod.
35 
(6) Ob die Erben in die Gesellschafterliste eingetragen sind, können sie beim Handelsregister einsehen.
36 
(7) Das Einsichtsrecht kann vorliegend neben dem Auskunftsrecht verlangt werden. Beide Rechte stehen kumulativ nebeneinander und haben unterschiedliche Funktionen. (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 08. Februar 1984,15 W 42/83, GmbHR 1985, 59). Das Einsichtsrecht umfasst das Recht, Kopien auf eigene Kosten zu fertigen (OLG München, Urt. v. 12. Januar 2005, 7 U 3691/04, GmbHR 2004, 624). Es kann auch durch Bevollmächtigte, wie hier beantragt, ausgeübt werden (Scholz/Schneider/Schneider/Hohenstatt, GmbHG, § 51a Rn 27).
37 
3. Angesichts der unberechtigten Weigerung der Antragsgegnerin und andererseits dem zu weit gefassten Antrag der Antragsteller entspricht es billigem Ermessen, dass die Kosten des Verfahrens beider Instanzen gegeneinander aufgehoben werden (§ 51b S. 1 GmbHG, § 132 Abs. 3 S. 1, § 99 Abs. 1 AktG, §§ 80, 81 FamFG).
38 
4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird, wie erstinstanzlich erfolgt, auf EUR 10.000 festgesetzt (§ 51b S. 1 GmbHG, § 132 Abs. 5 S. 5 und 6 AktG i.V.m. § 30 KostO).
39 
5. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Zwar betrifft das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Juni 1989 (II ZR 246/88; BGHZ 108, 21-32) notwendige Erhaltungsmaßnahmen nach § 2038 Abs. 1 S. 2 2. Hs. BGB und nicht Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung § 2038 Abs. 1 S. 2 1. Hs BGB. Der Bundesgerichtshof hat aber seine Ansicht zum Verhältnis von § 18 GmbHG zu den entsprechenden Normen der Mitberechtigungen allgemein und eindeutig im Sinne der hiesigen Entscheidung formuliert (§ 51b S. 1 GmbHG, § 132 Abs. 3 S. 1, § 99 Abs. 1 AktG, § 70 FamFG).

(1) Steht ein Geschäftsanteil mehreren Mitberechtigten ungeteilt zu, so können sie die Rechte aus demselben nur gemeinschaftlich ausüben.

(2) Für die auf den Geschäftsanteil zu bewirkenden Leistungen haften sie der Gesellschaft solidarisch.

(3) Rechtshandlungen, welche die Gesellschaft gegenüber dem Inhaber des Anteils vorzunehmen hat, sind, sofern nicht ein gemeinsamer Vertreter der Mitberechtigten vorhanden ist, wirksam, wenn sie auch nur gegenüber einem Mitberechtigten vorgenommen werden. Gegenüber mehreren Erben eines Gesellschafters findet diese Bestimmung nur in bezug auf Rechtshandlungen Anwendung, welche nach Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft vorgenommen werden.

(1) Durch Stimmenmehrheit kann eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung beschlossen werden. Die Stimmenmehrheit ist nach der Größe der Anteile zu berechnen.

(2) Jeder Teilhaber kann, sofern nicht die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist, eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen.

(3) Eine wesentliche Veränderung des Gegenstands kann nicht beschlossen oder verlangt werden. Das Recht des einzelnen Teilhabers auf einen seinem Anteil entsprechenden Bruchteil der Nutzungen kann nicht ohne seine Zustimmung beeinträchtigt werden.

Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Endurteil des Landgerichts Amberg vom 29. Oktober 2012, Az.: 41 HKO 1227/11 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 14. Oktober 2011 festgestellte Beschluss, „dem Geschäftsführer I. wird für die Geschäftsjahre 2007/2008, 2008/2009 und 2009/2010 Entlastung erteilt“, wird für nichtig erklärt. Die Widerklage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 100.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses der beklagten GmbH, mit welchem dem Geschäftsführer Entlastung erteilt wurde.

1. Die beklagte GmbH wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 9. Februar 1946 gegründet und am 3. April 1946 in das Handelsregister eingetragen. Geschäftsgegenstand ist die Herstellung und der Vertrieb von Maschinenelementen. Das Geschäftsjahr der Beklagten läuft vom 1. Juli eines Jahres bis zum 30. Juni des nächsten Jahres. Das Stammkapital der Beklagten betrug 960.000 DM.

Die am 15. Mai 1961 geborene Klägerin zu 1., der am 13. Juni 1966 geborene Kläger zu 2. und die am 10. Januar 1970 geborene J. sind die Kinder und die Erben des am 15. November 1986 verstorbenen H. (im Folgenden: Erblasser). Die Klägerin zu 3. ist die Schwester des Erblassers. Der Erblasser hatte im Testament vom 8. November 1970 (Anlage K2) seine drei Kinder zu Erben eingesetzt und mit einer Testamentsänderung vom 6. März 1986 (Anlage K3) seine Schwägerin K. zur Testamentsvollstreckerin ernannt.

Zum Nachlass gehörte unter anderem ein Geschäftsanteil des Erblassers an der Beklagten in Höhe von 150.000 DM. Ferner hielt die Klägerin zu 3. einen Geschäftsanteil in Höhe von 150.000 DM. Geschäftsanteile in Höhe von jeweils 220.000 DM hielten die Geschwister L.O., M.O. und N., geborene O. Nach mehreren Rechtsstreitigkeiten schied der Gesellschafterstamm O sukzessive aus und es erhöhten sich im Zuge dessen die Gesellschaftsanteile der Klägerin zu 3. und der Erbengemeinschaft nach H. auf jeweils insgesamt 480.000 DM.

Am 14. Juli 2000 hielten die Klägerin zu 3. und die Testamentsvollstreckerin K. ohne Kenntnis der Erben eine Gesellschafterversammlung der Beklagten ab und beschlossen eine Kapitalerhöhung um 36.000 DM auf insgesamt 996.000 DM (Anlage B7). Zur Übernahme der Kapitalerhöhung wurde nur die Klägerin zu 3. zugelassen. Die Klägerin zu 3. übernahm den weiteren Geschäftsanteil in Höhe von 36.000,00 DM und hält seitdem Geschäftsanteile in Höhe von insgesamt 516.000,00 DM (ca. 52% der Geschäftsanteile). Die Kapitalerhöhung wurde am 11. August 2000 in das Handelsregister eingetragen. In einem beim Landgericht Amberg anhängigen Verfahren (Az.: 41 HKO 833/09) streiten die Parteien darüber, ob die Kapitalerhöhung wirksam erfolgt ist (im Folgenden: Verfahren „Kapitalerhöhung“).

Mit Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Amberg vom 14. März 2001 (Anlage K8) wurde auf Antrag der Erben Frau K. als Testamentsvollstreckerin mit der Begründung entlassen, ihr Verhalten als Testamentsvollstreckerin rechtfertige in vielfacher Weise Misstrauen der Erben. Seitdem verwalten die Erben den Nachlass selbst. Mit weiterem Beschluss vom 3. September 2001 wurde der den Klägern zu 1. und 2. erteilte Erbschein, der den Vermerk „Testamentsvollstreckung ist angeordnet“ enthielt, für kraftlos erklärt. Am 20. November 2001 erteilte das Nachlassgericht den Klägern zu 1. und 2. und J. einen unbeschränkten Erbschein (Anlage K9).

Mit Erbteilskaufvertrag vom 22. Oktober 2010 (Anlage K21) und Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 13,0 Mio. € im Februar 2011 erwarb die Klägerin zu 3. den Erbteil von J. am Nachlass nach H. von 1/3. Damit wurde die Klägerin zu 3. Mitglied der nach wie vor ungeteilten Erbengemeinschaft nach H..

Am 1. April 2011 fand eine Versammlung der Erbengemeinschaft statt, an der auch die Klägerin zu 3. als Erbteilskäuferin teilnahm (vgl. Anlage K29). Die Erbengemeinschaft beschloss dabei gegen die Stimme der Klägerin zu 3., dass der Kläger zu 2. zum gemeinsamen Vertreter im Sinne des § 18 Abs. 3 GmbHG insbesondere zur Ausübung der Stimmrechte in Gesellschafterversammlungen der beklagten Gesellschaft bestellt wurde. Mit Beschluss der Erbengemeinschaft vom 11. Juli 2011 (Anlage K30) wurde der Kläger zu 2. damit beauftragt, alle der Erbengemeinschaft aus ihrem Geschäftsanteil an der Beklagten zustehenden Rechte auszuüben und die Kanzlei D. (im Folgenden: „Kanzlei D.“) mit der Beratung und Vertretung des gemeinsamen Vertreters und der Erbengemeinschaft in diesem Zusammenhang zu beauftragen.

4. Die Beklagte beauftragte Anfang des Jahres 2007 die Kanzlei P. (im Folgenden: „Kanzlei P.“) mit ihrer ständigen laufenden Beratung und Vertretung. Daneben vertrat die Kanzlei Q., federführend durch Herrn Rechtsanwalt R., auch die Klägerin zu 3. unter anderem in dem vor dem Landgericht Amberg geführten Verfahren „Kapitalerhöhung“.

Im Zeitraum 1. Juni 2008 bis 30. Juni 2010 stellte die Kanzlei Q. der Beklagten für erbrachte Anwaltstätigkeiten für jeweils zwei Monate Zeitvergütungen in Rechnung (vgl. Anlage K31). Die Berechnungen waren jeweils wie folgt aufgebaut:

„Für unsere Tätigkeiten in der Angelegenheit

F. GmbH

wg. laufender Beratung und Vertretung

erlauben wir uns im Zeitraum vom (…) bis (…) zu berechnen: (…)“

Vermerkt ist lediglich eine Gesamtzahl aller Stunden mit einem Stundensatz und ein Gesamtbetrag. Weitere Erläuterungen fehlten. Insbesondere fehlt eine Zuordnung zu einzelnen Bearbeitungstagen und Angelegenheiten. Den Rechnungen waren auch keine Zeitaufzeichnungen (sog. Time-Sheets) beigefügt, welche die Kanzlei Q. für jeden Mitarbeiter führt. Für das Geschäftsjahr 2008/2009 rechnete die Kanzlei Q. insgesamt Leistungen in Höhe von 109.941,36 € und für das Geschäftsjahr 2009/2010 in Höhe von insgesamt 272.330,35 € ab.

Auf ein Auskunftsersuchen der Erben nach §§ 51a, 51b GmbHG wurde die Beklagte durch Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31. März 2011 (Anlage K24) unter anderem zur Einsicht in alle Unterlagen hinsichtlich der in den Jahresabschlüssen 2008/2009 und 2009/2010 berücksichtigten Rechts- und Beratungskosten verpflichtet. Es fand daraufhin am 20. Juni 2011 ein Einsichtstermin statt, an dem für die Kläger zu 1. und 2. deren anwaltlicher Vertreter teilnahm. Dieser wies darauf hin, dass es sich bei den fehlenden Zeitaufzeichnungen um „Belege“ zu Rechnungen handle, die nach dem Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31. März 2011 der Einsichtnahme unterlägen. Die Beklagte erklärte hierauf, derartige Aufzeichnungen lägen ihr nicht vor.

Daraufhin beantragten die Kläger zu 1. und 2. mit Schriftsatz vom 11. August 2011 (Anlage K25) die Beklagte nach §§ 51a, 51b GmbHG zur weiteren Auskunftserteilung unter anderem auch über „Art und Umfang“ der von der Kanzlei Q. in den Geschäftsjahren 2008/2009 und 2009/2010 abgerechneten Anwaltsleistungen zu verpflichten (im Folgenden: „drittes Auskunftsverfahren“).

5. Noch vor einer Entscheidung über das Auskunftsbegehren vom 11. August 2011 fand am 14. Oktober 2011 eine Gesellschafterversammlung der beklagten GmbH statt. Der Kläger zu 2. trat dabei als gemeinsamer Vertreter der Erbengemeinschaft nach H. auf und übte das Stimmrecht aus der Beteiligung des Nachlasses in Höhe von 480.000 DM (Geschäftsanteil Nr. 2) aus. Die Klägerin zu 3. stimmte ab aufgrund ihrer Beteiligung über 480.000 DM (Geschäftsanteil Nr. 1) sowie ihrer Beteiligung über 36.000 DM (Geschäftsanteil Nr. 3) sowie aufgrund ihrer Beteiligung als „Erbteilsinhaberin in Höhe 1/3 des Nachlasses nach H.“. Zur Abstimmung wurde dabei unter anderem folgender Antrag gestellt (vgl. Protokoll, Anlage K27):

„TOP 6B Dem Geschäftsführer I. wird für die Geschäftsjahre 2007/2008, 2008/2009 und 2009/2010 Entlastung erteilt.“

Für den Antrag stimmte die Klägerin zu 3, dagegen der Kläger zu 2. Der Versammlungsleiter I. stellte daraufhin die Annahme des Beschlussantrags fest.

Bei einer weiteren Gesellschafterversammlung am 17. Oktober 2011 teilte der Geschäftsführer I. mit, dass bezüglich der Rechts- und Beratungskosten des Geschäftsjahrs 2009/2010 eine schriftliche Stellungnahme der Abschlussprüferin, Frau Dipl.-BW (FH) S., erholt werde (vgl. Anlage B27). Die Gesellschafter waren hiermit einverstanden. Mit Schreiben vom 24. November 2011 (Anlage B28) teilte die Wirtschaftsprüferin S. der Beklagten mit, dass ihre Überprüfungen zu keinen Einwendungen geführt hätten.

Mit Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 22. Dezember 2011 - 1 HK O 6776/11 (Anlage B26) wurde die Beklagte zur Erteilung der im dritten Auskunftsverfahren begehrten Auskünfte und zur begehrten Einsichtnahme verpflichtet.

6. Am 13. Dezember 2011 beschloss die Erbengemeinschaft mit Mehrheitsbeschluss (Anlage K44) gegen die Stimme der Klägerin zu 3., dass der Kläger zu 2. berechtigt ist, Gesellschafterrechte im Hinblick auf die Beschlussfassung über die Entlastung des Geschäftsführers I. für die Geschäftsjahre 2007/2008 bis 2009/2010 in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 14. Oktober 2011 (Top 6 B) auszuüben, insbesondere gegen diesen Beschluss Anfechtungs- und/oder (Nichtigkeits-) Feststellungsklage zu erheben und in diesem Zusammenhang die Kanzlei D. zu beauftragen.

Mit am 19. Dezember 2011 der Beklagten zugestelltem Schriftsatz vom 12. Dezember 2011 erhob die Erbengemeinschaft nach H., vertreten durch den Kläger zu 2. als gemeinsamen Vertreter, dieser vertreten durch die Kanzlei D., Klage gegen den Gesellschafterbeschluss vom 14. Oktober 2011 über die Entlastung des Geschäftsführers I.

Am 16. Februar 2012 fand dann im Hinblick auf den im dritten Auskunftsverfahren erlassenen Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth ein Termin zur Einsichtnahme und Auskunftserteilung bei der Beklagten statt. Dabei wurden dem Klägervertreter unter anderem ein Schreiben vom 15. Februar 2012 (Anlage K46) und Time-Sheets der Kanzlei Q. (vgl. auch Anlage B29) übergeben.

Der Kläger zu 2. meint, dass die Kläger als Miterben (im Fall der Klägerin zur 3 als Rechtsnachfolgerin in der vermögensrechtlichen Position eines Miterben) des zum Nachlass nach H. gehörenden Geschäftsanteils an der Beklagten prozessführungsbefugt seien, da die angeordnete Testamentsvollstreckung beendet sei. Der Erblasser habe keine Dauertestamentsvollstreckung, sondern eine Abwicklungsvollstreckung angeordnet. Mit der gerichtlichen Entlassungsverfügung im Jahr 2001 habe das Amt von Frau K. als Testamentsvollstreckerin geendet. Die Bedingung für den Einsatz der zwei Ersatztestamentsvollstrecker sei nicht eingetreten. Überdies sei nicht davon auszugehen, dass der Erblasser noch 25 Jahre nach seinem Tod für die inzwischen erwachsen gewordenen Kinder eine Ersatztestamentsvollstreckung gewollt hätte.

Der Kläger zu 2. trägt weiter vor, der Geschäftsanteil an der Beklagten wäre darüber hinaus auch nicht mehr Gegenstand einer unterstellten fortbestehenden Testamentsvollstreckung, weil die Erben bereits im Jahr 1993 endgültig und unwiderruflich den Ausschluss der Erbenauseinandersetzung für ihren Anteil an der Beklagten vereinbart hätten, was sie mit Schreiben vom 2. März 1993 (Anlage K4) der Testamentsvollstreckerin mitgeteilt hätten.

Der Kläger zu 2. ist auch der Auffassung, dass er aufgrund seiner wirksamen Bestellung zum gemeinsamen Vertreter im Sinne des § 18 Abs. 3 GmbHG zur Geltendmachung von Anfechtungsrechten für alle Gemeinschafter und damit auch für die Klägerin zu 3. berechtigt sei.

Der Kläger zu 2. ist weiter der Ansicht, dass der Gesellschafterbeschluss vom 14. Oktober 2011 nichtig sei. Die Klägerin zu 3. habe schon nicht die erforderliche Stimmenmehrheit gehabt, weil sie den Geschäftsanteil Nr. 3 über 36.000 DM nicht wirksam erworben habe. Darüber hinaus sei die Ausübung des der Klägerin zu 3. zustehenden Stimmrechts aufgrund des Geschäftsanteils Nr. 1 über 480.000 DM treuwidrig gewesen. Der seit ca. 25 Jahren für die Klägerin zu 3. tätige Rechtsanwalt R... sei im Auftrag bzw. mit Duldung des Geschäftsführers I. auch für die Beklagte tätig. I. verletze durch diese Interessenvermischung fortwährend seine Geschäftsführerpflichten. Ferner habe der Geschäftsführer dadurch gegen die ihm obliegenden Geschäftsführerpflichten verstoßen, indem er offensichtlich mangelhafte Honorarabrechnungen der Kanzlei Q. kritiklos akzeptiert und diese ohne entsprechende Nachweise über Art und Umfang der geleisteten Tätigkeiten beglichen habe. Der Entlastungsbeschluss sei auch deshalb anfechtbar, weil die Beklagte die Informationsrechte der Kläger zu 1. und 2. verletzt habe. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung hätten ihnen nicht sämtliche zur Beurteilung des Verhaltens des Geschäftsführers I. erforderlichen Informationen vorgelegen. Sie hätten zur Aufklärung schon vor der Gesellschafterversammlung am 14. Oktober 2011 ein weiteres Auskunftsverfahren nach §§ 51a, 51b GmbHG eingeleitet, dessen Ausgang nicht einmal abgewartet worden sei.

Der Kläger zu 2. hat erstinstanzlich im Namen der Erbengemeinschaft nach H. beantragt:

Der in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 14. Oktober 2011 festgestellte Beschluss „dem Geschäftsführer I. wird für die Geschäftsjahre 2007/2008, 2008/2009 und 2009/2010 Entlastung erteilt“ wird für nichtig erklärt.

Die Beklagte hat beantragt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Es wird festgestellt, dass die als Klägerin zu 3. genannte Frau C. nicht Partei dieses Rechtsstreits ist.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin zu 3. schon nicht Partei des Rechtsstreits sei. Die Klägerin zu 3. sei mit der Klage nicht einverstanden und habe der Kanzlei D. auch keine Vollmacht erteilt.

Weiter meint die Beklagte, die Kläger seien zudem nicht prozessführungsbefugt, weil die Testamentsvollstreckung auch nach Abberufung der Testamentsvollstreckerin K. im Jahr 2001 noch fortbestehe. Selbst für den Fall, dass die vom Erblasser benannten Ersatztestamentsvollstrecker (Frau C. und Herr T.) das Testamentsvollstreckeramt nicht ausüben könnten, wäre dadurch die Testamentsvollstreckung nicht beendet. Die Auslegung der letztwilligen Verfügungen des Erblassers ergebe nämlich, dass er in jedem Fall eine Auseinandersetzung seines Nachlasses durch einen Testamentsvollstecker gewollt habe. Das Testament enthalte für diesen Fall die konkludente Anordnung, dass das Nachlassgericht ersucht werden solle, einen Testamentsvollstrecker zu bestimmen.

Die Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen, die Testamentsvollstreckung bestehe auch für den zum Nachlass gehörenden Geschäftsanteil an der Beklagten. Sie hat hierzu erstinstanzlich behauptet, es gebe keinen Erbenbeschluss, weder aus dem Jahr 1993 noch zu einem sonstigen Zeitpunkt, der einen unwiderruflichen Ausschluss der Erbenauseinandersetzung bezüglich des Anteils an der Beklagten zum Gegenstand habe. Falls aber ein solcher Beschluss gefasst worden wäre, wäre der Ausschluss der Auseinandersetzung nach dem Schreiben des anwaltlichen Vertreters der Erben vom 24. Mai 1993 (Anlage B3) nur „in stets widerruflicher Weise“ und damit unverbindlich erfolgt.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Klageerhebung durch den Kläger zu 2. als vermeintlichem gemeinsamen Vertreter der Erbengemeinschaft auch deshalb unzulässig sei, weil hierfür nach § 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB ein gemeinschaftlich gefasster Beschluss erforderlich wäre, der aber nicht gefasst worden sei. Die Anmaßung einer Stellung des Klägers zu 2. als gemeinsamer Vertreter bei dem wichtigsten Vermögensstück des Nachlasses entspreche nicht einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Sie diene ausschließlich dazu, die Klägerin zu 3. rechtlos zu stellen.

Weiter meint die Beklagte, dass darüber hinaus der angegriffene Gesellschafterbeschluss, mit welchem dem Geschäftsführer I. Entlastung erteilt worden sei, wirksam sei. Der Beschluss sei mit der Stimmenmehrheit der Klägerin zu 3. als Mehrheitsgesellschafterin gefasst worden. Die Stimmabgabe der Klägerin zu 3. sei auch nicht treuwidrig. Ferner liege keine Interessenvermischung vor. Die Mandate der Beklagten einerseits und der Klägerin zu 3. andererseits würden in der Kanzlei Q. strikt getrennt. Die Geschäftsführung der Beklagten habe die Rechnungen der Kanzlei Q. nach Eingang einer Rechnung insbesondere hinsichtlich ihrer Angemessenheit überprüft. Es sei zwar richtig, dass den Kostennoten der Kanzlei Q. für das Mandat „laufende Beratung und Vertretung“ regelmäßig keine Time-Sheets oder sonstige Nachweise über die jeweils abgerechneten Stunden beigefügt seien. Damit seien die Kostennoten aber keinesfalls mangelhaft. Die Abrechnungen seien ferner zeitnah zu den erbrachten Leistungen erfolgt. Der Geschäftsführer I. habe in Anbetracht der von ihm erteilten einzelnen Aufträge und der an ihn übermittelten Arbeitsergebnisse bei jeder einzelnen Honorarrechnung überprüft, ob der jeweils abgerechnete Zeitaufwand angemessen gewesen sei. Nur wenn I. von der Angemessenheit der abgerechneten Stunden überzeugt gewesen sei, habe er die Kostennoten der Kanzlei Q. zur Zahlung freigegeben. Wären dem Geschäftsführer I. bei Überprüfung einer Honorarabrechnung Zweifel an der Angemessenheit gekommen, so hätte er die Zeitnachweise bei der Kanzlei Q. anfordern können und diese wäre ihm selbstverständlich umgehend übermittelt worden.

Das Erstgericht hat die Klage mit Endurteil vom 29. Oktober 2012 (Bl. 279 ff. d. A.) abgewiesen. Die Klageabweisung hat es damit begründet, dass der Kläger zu 2. zwar prozessführungsbefugt für die Erbengemeinschaft sei, da eine Testamentsvollstreckung nicht mehr bestehe und er gemeinsamer Vertreter der Erbengemeinschaft im Sinne des § 18 Abs. 3 GmbHG sei. Der Gesellschaftsbeschluss vom 14. Oktober 2011 sei aber rechtmäßig zustande gekommen. Insbesondere könne eine Treuwidrigkeit durch das Abstimmungsverhalten der Klägerin zu 3. nicht festgestellt werden. Es gebe keine rechtliche Verpflichtung, den anwaltlichen Kostennoten Stundenaufzeichnungen beizufügen. Dem Geschäftsführer I. sei es aufgrund der zeitnahen Abrechnungen anhand seiner Kenntnisse zu den erbrachten Anwaltsdienstleistungen möglich gewesen, die Angemessenheit der Rechnungen zu überprüfen. Das Abstimmungsverhalten der Klägerin zu 3. sei auch nicht deshalb treuwidrig, weil der Geschäftsführer der Beklagten zu einem Zeitpunkt entlastet worden sei, als bereits ein Auskunftsersuchen nach §§ 51a, 51b GmbHG wegen der Rechnungen der Kanzlei Q. eingeleitet gewesen sei. Denn die Gesellschafter hätten sich bei einer nachfolgenden Gesellschafterversammlung am 17. Oktober 2010 darauf verständigt, die Rechtmäßigkeit der Rechnungen der von der Beklagten beauftragten Kanzlei durch einen Wirtschaftsprüfer überprüfen zu lassen. Die Überprüfung habe aber keine Beanstandungen ergeben.

Hiergegen richtet sich die vom Kläger zu 2. im Namen der Erbengemeinschaft nach H. eingelegte Berufung. Die Berufung greift insbesondere die Feststellung des Erstgerichts an, es sei dem Geschäftsführer I. möglich gewesen „aufgrund der zeitnahen Abrechnungen anhand seiner Kenntnisse zu den erbrachten Anwaltsdienstleistungen die Angemessenheit der Rechnungen zu überprüfen“. Die Rechnungen seien schon nicht zeitnah erstellt worden. Überdies erschließe sich aus dem Urteil nicht, welche „Kenntnisse zu den erbrachten Anwaltsdienstleistungen“ der Geschäftsführer I. gehabt haben solle. Das Erstgericht habe die bestrittenen Behauptungen des Geschäftsführers im Rahmen seiner formlosen Anhörung unkritisch übernommen. Es habe auch unberücksichtigt gelassen, dass der Geschäftsführer anhand der pauschalen Rechnungen deren Angemessenheit gar nicht überprüfen habe können. Zudem stünden die Angaben von I. im Widerspruch zum eigenen Parteivortrag. Die Beklagte habe schriftsätzlich vorgetragen, dass für das Mandat „laufende Beratung und Verträge“ regelmäßig keine Time-Sheets oder sonstige Nachweise für die jeweils abgerechneten Stunden beigefügt würden. Erst in der mündlichen Verhandlung am 4. September 2012 habe der Geschäftsführer I. die Behauptung aufgestellt, ihm hätten „teilweise“ auch Zeitaufzeichnungen zur Verfügung gestanden, als er die Rechnungen angewiesen habe.

Der Kläger zu 2. beantragt namens der Erbengemeinschaft nach H.:

1. Das Endurteil des Landgerichts Amberg vom 29. Oktober 2012, Az.: 41 HKO 1227/11 wird in Ziffer 1 und 3 aufgehoben.

7. Der in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 14. Oktober 2011 festgestellte Beschluss, „dem Geschäftsführer I. wird für die Geschäftsjahre 2007/2008, 2008/2009 und 2009/2010 Entlastung erteilt“, wird für nichtig erklärt.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte verteidigt das Ersturteil. Das Erstgericht habe zu Recht angenommen, dass der angegriffene Gesellschaftsbeschluss über die Entlastung des Geschäftsführers I. wirksam sei. Herr Rechtsanwalt R. sei seit Jahrzehnten für die Beklagte tätig, ohne dass seine Gebührenrechnungen auch nur irgendeinen Anlass zur Beanstandung durch den Geschäftsführer gegeben hätten. Vor diesem Hintergrund hätten sich für ihn nur dann Zweifel ergeben müssen, wenn die Abrechnungen offenkundig fehlerhaft erschienen wären. Es sei richtig, dass den Kostennoten der Kanzlei Q. für das Mandat „laufende Beratung und Vertretung“ regelmäßig keine Time-Sheets oder sonstige Nachweise über die jeweils abgerechneten Stunden beigefügt seien. Dies entspreche der gängigen anwaltschaftlichen Praxis. Die Beifügung von Stundenaufzeichnungen, die auch die Dokumentationen anderer Mandate enthielten, würde zudem die anwaltliche Geheimhaltungsverpflichtung unterlaufen.

Die Beklagte bestreitet im Berufungsverfahren die Existenz des Erbenbeschlusses aus dem Jahr 1993 „hilfsweise“ nicht mehr (vgl. Schriftsatz vom 13. Mai 2014, S. 2 = Bl. 487 d. A.). Die Vereinbarung sei dahingehend zu verstehen, dass die Erben den Anteil an der Beklagten künftig gemeinschaftlich verwalten hätten wollen. Mangels damit erforderlicher Einstimmigkeit seien die Erbenbeschlüsse vom 13. Dezember 2011 (Anlage K44) und vom 1. April 2011 (Anlage K29) sowie vom 14. Oktober 2011 (Anlage K30) nicht wirksam zustande gekommen.

Mit Schriftsatz vom 5. Februar 2014 (Bl. 467 f. d. A.) haben sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 3. angezeigt und für diese vorsorglich die Rücknahme der Klage erklärt. Die Klägerin zu 3. meint allerdings, sie sei schon zu keinem Zeitpunkt Partei des Rechtsstreits geworden, insbesondere sei sie nicht ordnungsgemäß vertreten worden. Da die Erbengemeinschaft keine eigene Rechtspersönlichkeit besitze, hätte der Prozessbevollmächtigte der Kläger zu 1. und 2. auch von der Klägerin zu 3. gesondert bevollmächtigt werden müssen.

Ferner haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 3. den Mangel der Vollmacht des Prozessbevollmächtigten der Kläger zu 1. und 2. für die Klägerin zu 3. gerügt (vgl. Protokoll vom 21. Mai 2014, S. 2 = Bl. 509 d. A.).

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

B.

I.

Die Klägerin zu 3. ist im Rechtsstreit ordnungsgemäß durch die Kanzlei D. vertreten.

1. Eine Vollmachtsprüfung erfolgt bei einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt - in jeder Lage des Rechtsstreits - auf unverzichtbare Rüge des Gegners, der vertretenen Partei selbst oder ihres Vertreters (BGH, NJW 2007, 3640, 3644; OLG Köln, NJW-RR 1992, 1162).

2. Die Klägerin zu 3. war nach diesen Grundsätzen als vertretene Partei zur Erhebung einer Vollmachtsrüge berechtigt. Die Kanzlei D. hat aber den Nachweis geführt, dass sie die Klägerin zu 3. sowohl in erster Instanz als auch im Berufungsverfahren ordnungsgemäß vertreten hat bzw. vertritt:

a) Eine Prozessvollmacht nach § 80 ZPO kann von einer Partei, einem Nebenintervenienten und von einem am Prozess beteiligten Dritten erteilt werden (Musielak/Weth, ZPO, 11. Aufl., § 80 ZPO Rdnr. 6). Bei der Erteilung ist dabei auch eine Stellvertretung möglich (Musielak/Weth, a. a. O.).

b) Im Streitfall wurde der Kanzlei D. zwar keine Prozessvollmacht von der Klägerin zu 3. selbst erteilt. Der Kläger zu 2. hat aber der Kanzlei D. als gemeinsamer Vertreter im Sinne des § 18 Abs. 3 GmbHG (auch) als Vertreter der Klägerin zu 3. für diese wirksam eine Prozessvollmacht zur Erhebung einer gesellschaftsrechtlichen Nichtigkeits- und Anfechtungsklage erteilt.

aa) Nach § 18 Abs. 1 GmbHG können Mitberechtigte die Rechte aus einem Gesellschaftsanteil nur gemeinschaftlich ausüben. Dies gilt auch für gesellschaftsrechtliche Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen (Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 11. Aufl., § 45 GmbHG Rdnr. 128; Wertenbruch, in: MünchKomm-GmbHG, 2012, Anh. zu § 47 GmbHG Rdnr. 173; Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 18 GmbHG Rdnr. 4). Die Mitberechtigten klagen dann in notwendiger Streitgenossenschaft nach § 62 ZPO und zwar auf materiell-rechtlicher Grundlage (Wertenbruch, in: MünchKomm-GmbHG, a. a. O.; Scholz/Karsten Schmidt, a. a. O.). Für die Prozessführung haben sie einen gemeinschaftlichen Vertreter zu bestellen (Scholz/Karsten Schmidt, a. a. O.). Dieser kann für die Berechtigten die Anfechtungsrechte ausüben (vgl. auch Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., Anh. § 47 GmbHG Rdnr. 139). Prozesspartei sind dann alle Gesellschafter; für eine gewillkürte Prozessstandschaft, bei der ein Anteils-Mitinhaber von dem anderen ermächtigt wird und dann teils aus eigenem, teils aus fremdem Anfechtungsrecht in eigenem Namen klagt, besteht daher kein Bedürfnis (Scholz/Karsten Schmidt, a. a. O.).

Die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters erfolgt nach den Vorschriften des jeweiligen Gemeinschaftsverhältnisses, also ggf. auch aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses (Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 18 GmbHG Rdnr. 5; Reichert/Weller, in: MünchKomm-GmbHG, § 18 GmbHG Rdnr. 76). Für die interne Willensbildung einer Erbengemeinschaft ist grundsätzlich § 2038 Abs. 2 Satz 1, § 745 Abs. 1 Satz 1 BGB maßgebend, da die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters zur ordnungsgemäßen Verwaltung eines Geschäftsanteils gehört, so dass für die Bestellung ein Mehrheitsbeschluss ausreicht (vgl. BGH, NJW 1968, 743, 745).

Ein nach § 2038 Abs. 2 Satz 1, § 745 Abs. 1 BGB ergangener Mehrheitsbeschluss gibt den die Stimmenmehrheit vertretenden Erben Vertretungsmacht zur Durchführung des Mehrheitsbeschlusses (Staudinger/Werner, BGB, Neubearbeitung 2010, § 2038 BGB Rdnr. 40; Gergen, in: MünchKomm-BGB, 6. Aufl., § 2038 BGB Rdnr. 51). Er kann jedenfalls dann ohne weiteres von der Mehrheit ausgeführt werden, wenn sonst vollendete Tatsachen entständen (BGH, NJW 1968, 743, 745). Dies kann bei einer gesellschaftsrechtlichen Anfechtungsklage der Fall sein. Denn nur durch deren rechtzeitige Erhebung kann die Wirksamkeit eines rechtswidrigen Beschlusses beseitigt werden (vgl. BGH, NJW 1989, 2694, 2697 zur Begründung einer Notgeschäftsführungsmaßnahme im Sinne des § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB).

bb) Die Erbengemeinschaft hat den Kläger zu 2. nach diesen Grundsätzen wirksam zum gemeinsamen Vertreter im Sinne des § 18 Abs. 3 GmbHG bestellt und ihn zur Erhebung einer Anfechtungsklage im Namen aller Gemeinschafter bevollmächtigt.

(1) Der erstmals im Berufungsverfahren geäußerten Ansicht der Beklagten, die Mehrheitsbeschlüsse der Erbengemeinschaft vom 1. April 2011 (Anlage K29), 14. Oktober 2011 (Anlage K30) und 13. Dezember 2011 seien unwirksam, weil die Erben im Jahr 1993 den Beschluss gefasst hätten, den Nachlass endgültig nicht auseinanderzusetzen und den Geschäftsanteil an der Beklagten gemeinschaftlich zu verwalten, kann nicht gefolgt werden. Es liegen schon keine zureichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Erben bei der Beschlussfassung im Jahr 1993 den Willen hatten, dass Erbenbeschlüsse abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 2038 Abs. 2, § 745 Abs. 1 BGB stets einstimmig gefasst werden sollten. Welchen genauen Inhalt der Erbenbeschluss aus dem Jahr 1993 hatte und welche gemeinsamen Vorstellungen der Erben diesem zugrunde lagen, haben die Parteien nicht dargetan. Ein schriftlicher Beschluss wurde nicht vorgelegt. Die Parteien haben nur das Schreiben der Erben vom 2. März 1993 (Anlage K4) an die Testamentsvollstreckerin K. und einen Schriftsatz des anwaltlichen Vertreters der Erben vom 24. Mai 1993 (Anlage B3) vorgelegt, in denen lediglich über bereits getroffene Beschlüsse der Erbengemeinschaft berichtet wird. Im Schreiben vom 24. Mai 1993 lassen die Erben der Testamentsvollstreckerin K. mitteilen, sie hätten am „Wochenende“ (also am 23. oder 24. Mai 1993) beschlossen, die Gesellschaftsanteile an der F. GmbH in stets widerruflicher Weise bis auf weiteres in ungeteilter Erbengemeinschaft fortzuführen Solange diese Absicht nicht widerrufen werde, entfalle die durch die Testamentsvollstreckerin zu veranlassende Aufteilung der Gesellschaftsanteile. Die Erbengemeinschaft werde den Anteil künftig gemeinschaftlich verwalten. Nach dieser Mitteilung hätten die Erben also am 23. oder 24. Mai 1993 vereinbart, die Auseinandersetzung für ihren Anteil an der Beklagten zu unterlassen und die Erbengemeinschaft insofern fortzusetzen. Die gesetzlichen Regelungen über die Verwaltung der Erbengemeinschaft sehen zwar nach § 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich eine gemeinschaftliche Verwaltung vor. Bei Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung lässt § 2038 Abs. 2 Satz 1, § 745 Abs. 1 BGB aber auch Mehrheitsentscheidungen zu. Der Mitteilung der Erben lässt sich ein gemeinsamer Parteiwille dahingehend, dass sie die (teilweise) Fortführung der Erbengemeinschaft abweichend von der gesetzlichen Regelung unter Ausschluss von Mehrheitsentscheidungen im Rahmen von Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung vereinbaren wollten, nicht einmal andeutungsweise entnehmen. Überdies hat die damalige Miterbin J. die getroffene Vereinbarung über den Ausschluss der Auseinandersetzung des Geschäftsanteils mit Anwaltsschriftsatz vom 30. August 2010 (Anlage B4) widerrufen. Der Widerruf ist auch wirksam, weil die Erben nach der Mitteilung des anwaltlichen Vertreters der Erben vom 24. Mai 1993 die Fortführung der Erbengemeinschaft „in stets widerruflicher Weise bis auf weiteres“ beschlossen haben sollen. Entgegen der Ansicht des Klägers zu 2. lässt sich dem im zeitlich früheren Schreiben der Erben vom 2. März 1993 (Ablage K4) nicht entnehmen, dass die Erben den Ausschluss der Erbauseinandersetzung hinsichtlich des Geschäftsanteils endgültig und unwiderruflich beschlossen haben. Die Erben haben in diesem Schreiben im Kern nur mitgeteilt, sie hätten beschlossen, hinsichtlich des Geschäftsanteils die Auseinandersetzung auszuschließen und diesen Anteil als Erbengemeinschaft gemeinschaftlich zu verwalten. Diese dürftige Mitteilung reicht zur Annahme eines unwiderruflichen Ausschlusses der Auseinandersetzung hinsichtlich des Geschäftsanteils an der Beklagten nicht aus. Aber selbst wenn die Erben einen unwiderruflichen Ausschluss der Auseinandersetzung vor oder im März 1993 beschlossen hätten, hätten sie auch eine solche Vereinbarung durch den nachfolgenden Beschluss, der im Schriftsatz ihres anwaltlichen Vertreters vom 24. Mai 1993 erwähnt wird („die Erbengemeinschaft hat am Wochenende beschlossen (…)“), wirksam abgeändert (actus contrarius). Der erklärte Widerruf wäre daher nach den getroffenen Vereinbarungen der Erben berechtigterweise erfolgt. Jeder Gemeinschafter kann daher nunmehr zwar nach § 2042 BGB eine Auseinandersetzung verlangen. Da eine solche aber unstreitig noch nicht erfolgt ist, besteht die nach dem Erbfall entstandene Gemeinschaft zur gesamten Hand fort (vgl. Palandt/Weidlich, a. a. O., § 2042 BGB Rdnr. 1).

Die fortbestehende Erbengemeinschaft ist folglich grundsätzlich berechtigt, auch hinsichtlich des gemeinsamen Geschäftsanteils unter den Voraussetzungen des § 2038 Abs. 2 Satz 1, § 745 Abs. 1 BGB bei Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung Mehrheitsbeschlüsse zu fassen.

(2) Die Erbengemeinschaft hat den Kläger zu 2. mit Mehrheitsbeschluss vom 1. April 2011 (Anlage K29) wirksam zum gemeinsamen Vertreter „insbesondere“ hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts in Gesellschafterversammlungen bestellt. Der Mehrheitsbeschluss ist entgegen der Ansicht der Beklagten wirksam zustande gekommen, da es sich bei der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters um eine dem Anteilsrecht entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung (§ 2038 Abs. 2 Satz 1, § 745 Abs. 1 BGB) handelt (BGH, NJW 1968, 743; Scholz/Seibt, a. a. O., § 18 GmbHG Rdnr. 8; Reichert/Weller, in: MünchKomm-GmbHG, a. a. O., § 18 GmbHG Rdnr. 77). Ob schon dieser Beschluss zur Erhebung einer Anfechtungsklage durch den Kläger zu 2. als gemeinsamen Vertreter der Gemeinschafter berechtigte, was eine Auslegungsfrage ist (vgl. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, a. a. O., Anh. § 47 GmbHG Rdnr. 139), kann dahinstehen. Denn die Erbengemeinschaft hat am 13. Dezember 2011 mit ebenfalls gemäß § 2038 Abs. 2 Satz 1, § 745 Abs. 1 BGB zulässigem Mehrheitsbeschluss ausdrücklich beschlossen, dass der Kläger zu 2. berechtigt ist, Gesellschafterrechte im Hinblick auf die Beschlussfassung über die Entlastung des Geschäftsführers Herberg für die Geschäftsjahre 2007/2008 bis 2009/2010 in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 14. Oktober 2011 (Top 6 B) auszuüben, insbesondere gegen diesen Beschluss Anfechtungs- und/oder (Nichtigkeits-) Feststellungsklage zu erheben und in diesem Zusammenhang die Kanzlei D. zu beauftragen (vgl. Anlage K44). Der Beschluss konnte vom Kläger zu 2. auch unmittelbar ausgeführt werden. Hätten die Kläger zu 1. und 2. die überstimmte Klägerin zu 3. nämlich erst auf Zustimmung zur Erhebung einer Anfechtungsklage verklagen müssen, wären vollendete Tatsachen entstanden. Die Wirksamkeit des als rechtswidrig angegriffenen Gesellschaftsbeschlusses konnte nur durch die rechtzeitige Erhebung einer Anfechtungsklage beseitigt werden. Ob die Kläger zu 1. und 2. auch zu einer Klageerhebung im Rahmen einer Notverwaltungsmaßnahme nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB ohne Mitwirkung der Klägerin zu 3. berechtigt gewesen wären, kann dahinstehen. Nach der Gesetzessystematik sind solche Einzelmaßnahmen gegenüber dem Zustimmungsverfahren schon nicht vorrangig. Vielmehr sind die Grenzen des Notverwaltungsrechts im Zweifel eng auszulegen, da eine Alleinentscheidungs- und Handlungsbefugnis an und für sich mit der Gesamthandsstruktur der Miterbengemeinschaft nicht zu vereinbaren ist (Gergen, in: MünchKomm-BGB, a. a. O., § 2038 BGB Rdnr. 55). Es bestehen im Streitfall auch erhebliche Zweifel, ob es sich überhaupt um eine unaufschiebbare Notverwaltungsmaßnahme im Sinne des § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB gehandelt hätte, da noch ausreichend Zeit bestand, um - wie geschehen - einen Beschluss der Erbengemeinschaft über die Erhebung einer gesellschaftsrechtlichen Anfechtungsklage zu erholen.

Der Kläger zu 2. war daher aufgrund der Mehrheitsbeschlüsse ohne weiteres bevollmächtigt, der Kanzlei D. (auch) im Namen der Klägerin zu 3. eine Prozessvollmacht zur Erhebung einer Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage gegen den streitgegenständlichen Gesellschaftsbeschluss zu erteilen. Die vom Kläger zu 2. erteilte Prozessvollmacht (Bl. 513 d. A., Anlage K63), mit der dieser der Kanzlei D. schlüssig Vollmacht (auch) zur Vertretung der Klägerin zu 3. im hiesigen Rechtsstreit erteilt hat, ist daher wirksam und genügte zum Nachweis der ordnungsgemäßen Vertretung der Klägerin zu 3. durch die Kanzlei D.

II.

Die von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 3. (vorsorglich) erklärte Klagerücknahme ist wirkungslos. Steht ein Geschäftsanteil - wie hier - mehreren Mitberechtigten ungeteilt zu, so kann - wie ausgeführt - das Anfechtungsrecht gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG nur gemeinschaftlich ausgeübt werden (Wertenbruch, in: MünchKomm-GmbHG, a. a. O., Anh. § 47 GmbHG Rdnr. 173). In prozessualer Hinsicht liegt daher eine notwendige Streitgenossenschaft auf materiell-rechtlicher Grundlage im Sinne des § 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO vor (Wertenbruch, in: MünchKomm-GmbHG, a. a. O.). Entgegen der Ansicht der Klägerin zu 3. lässt sich die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22. September 2008 - II ZB 11/08 (BeckRS 2008, 21617), wonach bei einer notwendigen Streitgenossenschaft jeder Streitgenosse seine Klage selbstständig zurücknehmen kann, auf den vorliegenden Streitfall nicht übertragen, da diese eine notwendige Streitgenossenschaft aus prozessualen Gründen betraf. Bei einer notwendigen Streitgenossenschaft auf materiell-rechtlicher Grundlage schließt hingegen nach überzeugender Ansicht der Zwang zur gemeinsamen Klage eine einseitige Rücknahme durch einen Streitgenossen aus (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 62 ZPO Rdnr. 25 m. w. N.; RGZ 78, 104). Die Gegenansicht hält dagegen auch bei der notwendigen Streitgenossenschaft aus materiell-rechtlichen Gründen eine Klagerücknahme durch einen Streitgenossen für möglich, weil die Rücknahme zwar zur Unzulässigkeit der anderen Klagen, aber nicht zu einer widersprüchlichen Sachentscheidung führe (Musielak/Weth, ZPO, 11. Aufl., § 62 ZPO Rdnr. 18 m. w. N.). Der Senat hält diese Ansicht jedoch nicht für überzeugend, weil sie es einem einzelnen Streitgenossen ermöglicht, durch seine Klagerücknahme auch den übrigen Klagen die gemeinsame Prozessführungsbefugnis nach Rechtshängigkeit zu entziehen. Die Bindung des prozesswilligen Streitgenossen an den „prozessmüden“ widerspricht aber dem Vertretungsprinzip bei Säumnis und Rechtsmitteleinlegung (Zöller/Vollkommer, a. a. O.).

Der Meinungsstreit kann im Streitfall aber letztlich dahinstehen, weil der Klägerin zu 3. darüber hinaus auch die prozessuale Befugnis zur Klagerücknahme fehlt. Der Klägerin zu 3. wurde durch den ohne weiteres vollziehbaren Mehrheitsbeschluss der Erbengemeinschaft, wodurch der Kläger zu 2. zur Erhebung einer Nichtigkeits- und Anfechtungsklage im Namen aller Gemeinschafter beauftragt und bevollmächtigt wurde, insofern die prozessuale Verfügungsbefugnis für ihren Anteil entzogen wurde.

Darüber hinaus wäre die Klagerücknahme als rechtsmissbräuchlich und damit als unbeachtlich anzusehen. Dem prozessualen Missbrauchsverbot unterfällt auch die Vereitelung von Rechten des Gegners, die Umgehung gesetzlicher Vorschriften und die Erschleichung günstiger Rechtspositionen (Zöller/Vollkommer, a. a. O., Einl. Rdnr. 57). Da die Klage eines oder nicht aller Mitberechtigten unbegründet ist (vgl. auch Scholz/Seibt, a. a. O., § 18 GmbHG Rdnr. 22), hätte eine Klagerücknahme der Klägerin zu 3. bei unterstellter Wirksamkeit zur Folge, dass die Klagen der übrigen Kläger unbegründet würden. Die Klägerin würde somit unter grober Missachtung ihrer Mitwirkungspflichten aus dem Gemeinschaftsverhältnis (§ 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB) die mehrheitlich beschlossene Ausübung des Anfechtungsrechts vereiteln. Auch eine fristgerechte Erhebung einer Anfechtungsklage im Rahmen einer Notgeschäftsführung nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB wäre im Zeitpunkt der erklärten Klagerücknahme nicht mehr möglich. Die erklärte Klagerücknahme wäre daher auch als missbräuchlich anzusehen.

C.

Die Berufung ist in der Sache begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind die Kläger prozessführungsbefugt.

1. Prozessführungsbefugnis ist das Recht, über das behauptete (streitige) Recht einen Prozess als die richtige Partei im eigenen Namen zu führen, ohne dass eine (eigene) materiell-rechtliche Beziehung zum Streitgegenstand vorzuliegen (behauptet zu werden) braucht (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., vor § 50 ZPO Rdnr. 18). Die Prozessführungsbefugnis ist Voraussetzung der Zulässigkeit der Klage und von Amts wegen zu prüfen (Zöller/Vollkommer, a. a. O.). Die Prozessführungsbefugnis steht bei angeordneter Testamentsvollstreckung dem Testamentsvollstrecker zu (BGH, NJW 1989, 2694, 2695). Auch zum Nachlass gehörende Gesellschafterrechte in einer GmbH unterliegen der Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers nach § 2205 BGB (vgl. BGH, a. a. O.). Dem Testamentsvollstrecker steht damit, soweit seine Verwaltungsbefugnis reicht, auch das Recht zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen zu (BGH, a. a. O.). Eine Anfechtungsklage der Erben ist dann mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig (BGH, a. a. O.).

2. Die Auslegung des Testaments vom 8. November 1970 (Anlage K2) und der Testamentsänderung vom 6. März 1986 (Anlage K3) ergibt aber, dass die angeordnete Testamentsvollstreckung jedenfalls jetzt, im Jahr 2014, nach dem mutmaßlichen Erblasserwillen nicht mehr bestehen sollte. Die Mitglieder der Erbengemeinschaft sind daher zur Geltendmachung des streitgegenständlichen Anfechtungsrechts befugt.

a) Zur Ermittlung des Inhalts letztwilliger Verfügungen ist der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Testaments heranzuziehen und zu würdigen (Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2084 BGB Rdnr. 2). Bei der Anordnung einer Testamentsvollstreckung können insbesondere die Gründe, die den Erblasser zu deren Anordnung bestimmt haben, aufschlussreich sein (BayObLG, NJW-RR 1988, 387; FamRZ 1988, 325). Hat der Erblasser Veränderungen, die nach der Testamentserrichtung eingetreten und für den Inhalt seiner Verfügung wesentlich sind, nicht erwogen, so ist zu ermitteln, was im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments als von ihm gewollt anzusehen sein würde, sofern er diese Entwicklung bedacht hätte (vgl. BGHZ 22, 357; BGH, NJW 1957, 421; BayObLG, NJW-RR 1995, 330).

b) Nach Überzeugung des Senats sind nach der Testamentsänderung am 6. März 1986 mehrere wesentliche Veränderungen eingetreten, bei deren Kenntnis der Erblasser mutmaßlich jedenfalls im jetzigen Zeitpunkt, also nach 28 Jahren, keine Fortdauer der Testamentsvollstreckung mehr gewollt hätte:

aa) Die Auslegung des Testaments ergibt zunächst, dass der Erblasser keine vorübergehende oder dauerhafte Verwaltung des Nachlasses (§ 2209 BGB), sondern die Auseinandersetzung unter den Miterben (§ 2204 BGB) anordnen wollte (vgl. Hinweis des Senats vom 8. März 2010 - 12 U 2235/09). Die Abwicklungsvollstreckung erachtet das Gesetz als Regelfall der §§ 2203 ff. BGB (Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2203 BGB Rdnr. 1). Die Dauervollstreckung ist die Ausnahme. Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung ohne nähere Angaben ist daher als ausführende anzusehen (Palandt/Weidlich, a. a. O.). Im Streitfall spricht die Formulierung in Nr. 1 des Testaments „ (…) soll in drei gleiche geteilt [Hervorh. d. Senat] werden, sodass jedes Kind einen gleichen Anteil erhält“ und in Nr. 4 der Testamentsergänzung „(…) da die Abwicklung [Hervorh. d. Senat] meines Testaments sicher sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird“ sogar positiv für den Willen des Erblassers, eine Abwicklungsvollstreckung anzuordnen (vgl. Hinweis des Senats, a. a. O.). Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser den Nachlass auf Dauer im Vermögen der Familie behalten und deshalb eine Dauervollstreckung anordnen wollte, können dem Testament auch nicht andeutungsweise entnommen werden.

bb) Der Umstand alleine, dass die vom Erblasser bestimmte Testamentsvollstreckerin K. mit Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 14. März 2001 aus wichtigem Grund entlassen wurde, führt nicht zur Beendigung der Testamentsvollstreckung insgesamt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der erklärte oder durch Auslegung festgestellte Wille des Erblassers dahin gehen würde, dass sie danach nicht weitergeführt werden soll (Palandt/Edenhofer, a. a. O., § 2225 BGB Rdnr. 1). Vorliegend kann ein solcher Wille für den vom Erblasser vorhersehbaren Lauf der Dinge nicht angenommen werden, weil er in der Testamentsänderung vom 31. März 1986 für den Fall, dass die Testamentsvollstreckerin K. „nicht mehr unter den Lebenden weilen“ sollte, seinen Vetter T. und seine Schwester, die Klägerin zu 3., zu Ersatztestamentsvollstreckern ernannt hat. Der Erblasser hat zwar andere Ausscheidensgründe nicht genannt. Nach Überzeugung des Senats handelt es sich hierbei aber um eine unbewusste Regelungslücke. Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser ganz bewusst ausschließlich für den Todesfall der Testamentsvollstreckerin K. die beiden Ersatztestamentsvollstrecker ernennen wollte, sind nicht ersichtlich. Eine solche Differenzierung nach dem Ausscheidensgrund erscheint bei verständiger Würdigung der letztwilligen Verfügungen wenig plausibel. Denn der vom Erblasser für den bedachten Ausscheidensfall gegebene Anlass für die Anordnung einer Ersatztestamentsvollstreckung besteht auch in sonstigen Fällen des Ausscheidens. Es ist daher von einer unbewussten Regelungslücke auszugehen. Dem mutmaßlichen Erblasserwillen würde es entsprechen, dass die getroffene Regelung auch dann eingreift, wenn die Testamentsvollstreckerin K. aus anderen Gründen ausscheidet.

cc) Die Erbengemeinschaft ist zwar unstreitig noch nicht auseinandergesetzt, so dass die Aufgaben für eine Testamentsvollstreckung durch die ernannten Ersatztestamentsvollstrecker nicht entfallen sind. Es sind aber inzwischen für den Erblasser nicht vorhersehbare, erhebliche Veränderungen eingetreten. Nicht vorhersehbar war für den Erblasser bereits, dass die von ihm offenbar als besonders vertrauenswürdig angesehene Testamentsvollstreckerin K. mit Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 14. März 2001 aus wichtigem Grund entlassen wurde und die Erben seitdem den Nachlass selbst verwaltet haben. Für den Erblasser war auch nicht absehbar, dass die von ihm zur Mitersatztestamentsvollstreckerin ernannte Klägerin zu 3. durch den Erbteilskauf inzwischen selbst Mitglied der Erbengemeinschaft geworden ist, so dass ihr die für die Ausübung des Amts einer Testamentsvollstreckerin erforderliche Unparteilichkeit fehlt. Hinzukommt, dass die Kläger seit vielen Jahren immer wieder Rechtsstreitigkeiten gegeneinander geführt haben und sich wechselseitig unlauteres Verhalten vorwerfen. Das persönliche Verhältnis zwischen der Klägerin zu 3. und den Klägern zu 1. und 2. ist offenkundig empfindlich gestört. Wenn dem Erblasser diese Umstände bekannt gewesen wären, hätte er die Klägerin zu 3. nach Überzeugung des Senats sicherlich nicht gemeinsam mit seinem Vetter T. zur Ersatztestamentsvollstreckerin ernannt.

Ob der Erblasser gewollt hätte, dass bei dieser Sachlage sein Vetter T. alleine Ersatztestamentsvollstrecker sein sollte, und ob dieser hierzu gesundheitlich in der Lage ist, kann dahinstehen. Ebenso kann offenbleiben, ob der Erblasser, wie die Beklagte meint, die Ernennung eines Ersatztestamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht gewollt hätte. Denn die dem Testament zu entnehmenden Beweggründe, welchen den Erblasser zur Anordnung einer Testaments- und Ersatztestamentsvollstreckung veranlasst haben, sind jedenfalls im Zeitpunkt der letzten mündlichen Berufungsverhandlung entfallen. Bei Errichtung des Testaments vom 18. November 1970 war A. erst 9 Jahre, B. 4 Jahre und J. erst 10 Monate alt. Es ist daher naheliegend, dass den Erblasser besonders die Minderjährigkeit seiner Kinder zur Anordnung der Testamentsvollstreckung bewegt hat. Hierfür spricht auch, dass der Erblasser in Nr. 5 des Testaments eine Vermögensverwaltung des Vermögens seiner Kinder nur bis zum 21. Lebensjahr, dem damaligen Volljährigkeitsalter, angeordnet hat. Gegen die Maßgeblichkeit des Alters seiner Kinder für die Anordnung der Testamentsvollstreckung spricht auch nicht, dass der Erblasser in der Testamentsergänzung vom 31. März 1986 diese mit Änderungen aufrechterhalten hat. Denn zu diesem Zeitpunkt waren nur A. und B. bereits volljährig, während J. erst 16 Jahre alt war. Der Erblasser hat zwar, was der Testamentsergänzung vom 31. März 1986 zu entnehmen ist, erkannt, dass die Erbauseinandersetzung „sehr viel Zeit“ in Anspruch nehmen würde. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass er eine gewisse Fortdauer der Testamentsvollstreckung auch nach Erreichen des Volljährigkeitsalters seines Kindes J. in Betracht gezogen und gewollt hat. Zum jetzigen Zeitpunkt bestehen die für die Anordnung der Testamentsvollstreckung maßgeblichen Beweggründe nach Überzeugung des Senats aber nicht mehr. Inzwischen ist nämlich J. schon nicht mehr Mitglied der Erbengemeinschaft. Die Kinder A. und B. sind inzwischen 53 bzw. 48 Jahre und können daher den Nachlass selbst auseinandersetzen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Erben seit der Entlassung der Testamentsvollstreckerin K. im Jahr 2001 den Nachlass selbst verwalten. Ferner haben die Erben, was die Beklagte im Berufungsverfahren nicht mehr bestreitet, im Jahr 1993 beschlossen, den Geschäftsanteil an der Beklagten nicht auseinanderzusetzen und gemeinschaftlich zu verwalten. Diese Vereinbarung hat der anwaltliche Vertreter von J. erst mit Schriftsatz vom 30. August 2010 (Anlage B4) widerrufen bzw. gekündigt. Der Geschäftsanteil an der Beklagten unterlag aufgrund der Vereinbarung über den Ausschluss der Erbauseinandersetzung bis zu deren Widerruf ohnehin nicht der Testamentsvollstreckung (vgl. auch Hinweis des Senats vom 8. März 2010 - 12 U 2235/09; Palandt/Weidlich, a. a. O., § 2204 Rdnr. 2). Hätte der Erblasser diese gesamte Entwicklung vorausgesehen, hätte er nach Überzeugung des Senats nicht gewollt, dass die Testamentsvollstreckung heute noch weiterführt wird bzw. hinsichtlich des Geschäftsanteils an der Beklagten wiederauflebt und jetzt - 28 Jahre nach der Testamentsänderung vom 31. März 1986 - ein neuer Ersatztestamentsvollstrecker ernannt wird, der den Nachlass auseinandersetzt.

D.

Die Anfechtungsklage ist entgegen der Ansicht des Erstgerichts auch begründet, weil der streitgegenständliche Gesellschafterbeschluss, dem Geschäftsführer I. für die streitgegenständlichen Geschäftsjahre Entlastung zu erteilen, nicht wirksam zustande gekommen ist.

I.

Die Anfechtungsfrist, die nach § 15 der Satzung (Anlage K1) der Beklagten zwei Monate nach Beschlussfassung beträgt, ist eingehalten.

II.

Der Gesellschafterbeschluss ist anfechtbar, weil die Stimmabgabe der Klägerin zu 3. treuwidrig ist.

1. Die Gesellschafter billigen, wenn sie die Geschäftsführer entlasten, deren Amtsführung für die Dauer der zurückliegenden Entlastungsperiode und sprechen ihnen gleichzeitig für die künftige Geschäftsführung ihr Vertrauen aus (BGH, NJW 1986, 129). Im Recht der GmbH hat die Entlastung ferner zur Folge, dass die GmbH mit Ersatzansprüchen und Kündigungsgründen ausgeschlossen ist, die der Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und Berichte erkennbar sind oder von denen alle Gesellschafter privat Kenntnis haben (BGH, NJW 1986, 129, 130; NJW 1959, 192; NJW 1969, 131). Die Gesellschafter haben bei der Entlastung einen weiten Ermessensspielraum (BGH, NZG 2009, 1307, 1308; NJW 1986, 129; Liebscher, in: MünchKomm-GmbHG, a. a. O., § 46 GmbHG Rdnr. 143). Da die Gesellschafter jedoch an das Gesellschaftsinteresse gebunden sind, sind Entlastungsentscheidungen, die dem Gesellschaftsinteresse zuwider laufen, treuwidrig und somit ermessenfehlerhaft (Liebscher, in: MünchKomm-GmbHG, a. a. O.). Ein Entlastungsbeschluss ist daher anfechtbar, wenn keine andere Entscheidung als die Versagung denkbar ist und die Entlastung missbräuchlich ist (BGH, NZG 2009, 1307, 1308). Das ist insbesondere der Fall, wenn dem Geschäftsführer schwere Pflichtverletzungen vorzuwerfen sind und der Gesellschaft ein erheblicher Schaden zugefügt wurde (BGH, a. a. O.). Wegen der Verzichtswirkung ist eine Entlastungsentscheidung auch dann treuwidrig, wenn sie zu einem Zeitpunkt getroffen wird, zu dem die Gesellschafter von der Pflichtverletzung erfahren haben, aber noch nicht in der Lage sind, zu beurteilen, ob der Gesellschaft ein Schaden zugefügt wurde, und sie nur dazu dient, den Geschäftsführer der Verantwortung für sein Verhalten zu entziehen und eine weitere Untersuchung zu verhindern (BGH, a. a. O.).

2. Im Streitfall ist die Entlastungsentscheidung schon deshalb treuwidrig und daher anfechtbar, weil sie zu einem Zeitpunkt erzwungen wurde, zu dem die Gesellschafter zwar von einer Pflichtverletzung erfahren hatten, aber noch nicht in der Lage waren zu beurteilen, ob der Gesellschaft durch diese ein Schaden entstanden ist. Ferner diente sie nach Überzeugung des Senats nur dazu, den Geschäftsführer I. der Verantwortung für sein Verhalten zu entziehen und eine weitere Untersuchung zu verhindern.

a) Der Geschäftsführer I. hat gegen die ihm gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG obliegenden Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Geschäftsmanns verstoßen, indem er im streitgegenständlichen Zeitraum die abgerechneten Zeitvergütungen der Kanzlei RWE in nicht nur unerheblicher Höhe trotz fehlender überprüfbarer Berechnung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 RVG) akzeptiert und zur Zahlung freigegeben hat.

aa) Die Sorgfalt, die der Geschäftsführer einer GmbH zu beachten hat, ist zu bemessen an der Sorgfalt eines selbstständigen, treuhänderischen Verwalters fremder Vermögensinteressen in verantwortlicher leitender Position (Scholz/Schneider, a. a. O., § 43 GmbHG Rdnr. 33; RGZ 64, 257; OLG Koblenz, GmbHR 1991, 417; OLG Zweibrücken, GmbHR 1999, 715; OLG Bremen, GmbHR 1964, 8). Ein treuhänderischer Verwalter ist insbesondere verpflichtet, seine Entscheidungen danach auszurichten, wie die Person, deren Vermögensinteressen er wahrnimmt, bei verantwortungsbewusstem Verhalten selbst gehandelt hätte (OLG Brandenburg, Urteil vom 21. Februar 2002 - 7 U 99/97, BeckRS 2001, 301). Der Geschäftsführer ist deshalb bei Bezahlung von Rechnungen gegenüber einem Vertragspartner der GmbH als Treugeber zur Prüfung verpflichtet, ob der Treugeber nach den Vereinbarungen mit dem Vertragspartner zur Zahlung verpflichtet ist (OLG Brandenburg, a. a. O.; Baumbach/Hueck, a. a. O., § 43 GmbHG Rdnr. 24). Er darf grundsätzlich erst dann zahlen, wenn eine solche Verpflichtung besteht (OLG Brandenburg, a. a. O.).

bb) Nach diesen Grundsätzen durfte der Geschäftsführer I. als treuhänderischer Verwalter der Vermögensinteressen der beklagten GmbH die abgerechneten Zeitvergütungen der Kanzlei Q. grundsätzlich erst nach Prüfung zur Zahlung freigeben, ob die geltend gemachten Stunden tatsächlich angefallen und für Mandate der Beklagten geleistet wurden. Der Senat verkennt nicht, dass der Geschäftsführer bei Abrechnungen eines Rechtsanwalts, also einem unabhängigen Organ der Rechtspflege, grundsätzlich in höherem Maß auf deren Richtigkeit vertrauen darf, als dies sonst im Geschäftsverkehr der Fall ist. Es können deshalb bei einer laufenden Beratung und gefestigtem Vertrauensverhältnis unter Umständen auch stichprobenartige Prüfungen ausreichend sein. Vorliegend bestand aber die Besonderheit, dass die von der beklagten GmbH beauftragte Kanzlei Q. auch für die Klägerin zu 3. in gesellschaftsrechtlichen Rechtsstreitigkeit zwischen dieser und den Klägern zu 1. und 2. tätig wurde. Bei dieser Sachlage ist es mit den Neutralitätspflichten eines Geschäftsführers schwer vereinbar, wenn dieser die für eine Gesellschafterseite tätige Rechtsanwaltskanzlei mit der Wahrnehmung der Interessen der GmbH beauftragt. Der Geschäftsführer musste zumindest besonders sorgfältig prüfen, ob die von der Kanzlei Q. abgerechneten Stunden tatsächlich für Mandate der GmbH und nicht für solche der Klägerin zu 3. als deren Gesellschafterin erbracht wurden.

cc) Die dem Geschäftsführer obliegende Prüfung konnte er nur anhand einer den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG entsprechenden Berechnung der Zeitvergütungen vornehmen. Der Rechtsanwalt kann nach § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG die Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern. Die Berechnung muss dem Mandanten eine Überprüfung ermöglichen (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - IX ZR 37/10, BeckRS 2010, 28750). Bei Vereinbarung eines Zeithonorars schuldet der Anwalt eine transparente und präzise Abrechnung (vgl. Busse, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 21. Oktober 2010, DStR 2011, 833, 834). Eine solche liegt nicht vor, wenn lediglich die Gesamt-Stundenzahl ohne Zuordnung zu den einzelnen Tagen angegeben ist (vgl. BGH, a. a. O.). Die Abrechnung muss deshalb zumindest Angaben darüber enthalten, an welchen Bearbeitungstagen der abgerechnete Zeitaufwand angefallen ist und auf welche zu bearbeitenden Angelegenheiten er sich im Einzelnen bezieht. Ferner sind Leistungsnachweise beizufügen, aus denen sich ergibt, wer welche Zeit für welche Tätigkeit aufgewendet hat (Gerold/Schmidt/v. Eiken/Madert/Müller-Raabe, RVG, 17. Aufl., § 10 RVG Rdnr. 11).

dd) Die vorgelegten Berechnungen der Kanzlei Q. sind entgegen den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG nicht überprüfbar und boten daher auch keine Grundlage zur Prüfung deren Richtigkeit durch den Geschäftsführer I.. In den im Wesentlichen gleich aufgebauten Vergütungsberechnungen wird jeweils nur die Gesamtzahl der im gesamten Zweimonatszeitraum geleisteten Stunden, der Stundensatz und der Rechnungsbetrag angegeben. Es fehlt sogar jegliche Darstellung, wie sich der abgerechnete Zeitaufwand auf einzelne Bearbeitungstage verteilt und für welche Angelegenheiten er angefallen sein soll. Die Berechnungen versetzten den Geschäftsführer I. somit objektiv nicht in die Lage, eine Überprüfung der abgerechneten Stunden vorzunehmen.

Darüber hinaus hätte es dem Geschäftsführer Herberg im Rahmen seiner Prüfungspflichten oblegen, die Kanzlei Q. zur Vorlage ihrer Zeitaufzeichnungen aufzufordern. Die Abrechnung des Anwaltshonorars nach Zeit setzt ein auch für den Mandaten überzeugendes System der Zeitaufzeichnung voraus (Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., § 3a RVG Rdnr. 160). Ob ein solches überhaupt geführt wird und die abgerechneten Stunden angefallen sind, kann aber nur durch Einsichtnahme in die vom Rechtsanwalt geführten Zeitaufzeichnungen überprüft werden.

ee) Entgegen der Ansicht des Erstgerichts hat der Geschäftsführer I. gegen die ihm gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG obliegenden Sorgfaltsanforderungen, die ein Geschäftsführer einer GmbH im vorliegenden Fall zu beachten hatte, verstoßen, indem er die abgerechneten Beträge zur Zahlung freigegeben hat, obwohl ihm weder überprüfbare Abrechnungen noch Zeitaufzeichnungen der Kanzlei Q. zur Rechnungsprüfung vorlagen.

Im Berufungsverfahren ist es schon als unstreitig anzusehen, dass dem Geschäftsführer I. vor Freigabe der Zahlungen keine Zeitaufzeichnungen der Kanzlei Q. vorlagen. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren ausdrücklich vorgetragen, der Geschäftsführer Herberg habe Time-Sheets der Kanzlei Q. zur Überprüfung der Angemessenheit der jeweiligen Kostennoten nicht benötigt; wären I. bei Überprüfung einer Honorarrechnung Zweifel an der Angemessenheit gekommen, hätte er die Zeitnachweise bei der Kanzlei Q. anfordern können und diese wären ihm selbstverständlich übermittelt worden (vgl. Berufungserwiderung, S. 10 = Bl. 226 d. A.). Überdies hält der Senat die Angabe des Geschäftsführers I. im Rahmen seiner informatorischen Anhörung, ihm hätten „teilweise“ Zeitaufzeichnungen zur Verfügung gestanden (vgl. Protokoll vom 24. September 2012, S. 2 = Bl. 271 d. A.), nicht für glaubhaft. Denn die Angabe steht in erheblichem Widerspruch zum eigenen schriftsätzlichen Vorbringen sowohl in erster als auch in zweiter Instanz. Die Beklagte hat schon in erster Instanz vorgetragen, es sei richtig, dass den Kostennoten der Kanzlei Q. für das Mandat „laufende Beratung und Vertretung“ regelmäßig keine Time-Sheets oder sonstigen Nachweise über die jeweils abgerechneten Stunden beigefügt seien (vgl. Schriftsatz vom 15. Februar 2012, S. 54 = Bl. 113 d. A.). Die Erklärung würde überdies zur (sekundären) Darlegung einer ausreichenden Rechnungsprüfung nicht genügen. Der substanzlosen Äußerung des Geschäftsführers I. kann schon nicht entnommen werden, wann und bei welchen Abrechnungen ihm Zeitaufzeichnungen der Kanzlei Q. vorgelegen sein sollen.

Mit der Äußerung des Geschäftsführers I., die Rechnungsstellung sei so zeitnah erfolgt, dass es für ihn kein Problem gewesen sei, aufgrund der vorher eingereichten Schriftsätze die Rechnungen jeweils zuzuordnen; im Zweifel habe er telefoniert, hat die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast ebenfalls nicht aufgezeigt, dass der Geschäftsführer I. seine Pflicht zur Prüfung der Berechtigung der abgerechneten Zeithonorare erfüllt hat. Die Kanzlei Q. hat für jeweils zwei Monate eine nicht nur geringe Anzahl von Gesamtstunden, sondern teils sogar über 100 bis zu 223 Gesamtstunden abgerechnet. Die rudimentären Abrechnungen der Kanzlei Q. ließen ohne Zuordnung zu einzelnen Bearbeitungstagen und bearbeiteten Angelegenheiten auch bei zeitnaher Erstellung eine verlässliche Überprüfung durch den Geschäftsführer I. objektiv nicht zu. Der Geschäftsführer I. hat auch nicht schlüssig aufgezeigt, wie er trotz des Fehlens einer überprüfbaren Berechnung und Zeitnachweisen in der Lage gewesen sein will, die abgerechneten Gesamtstunden bestimmten Angelegenheiten zuzuordnen und die Anzahl der abgerechneten Stunden zu überprüfen.

b) Die Kläger zu 1. und 2. hatten wenige Monate vor der Gesellschafterversammlung am 14. Oktober 2011 Kenntnis von den Tatsachen erlangt, welche den Rückschluss auf die Verletzung der dem Geschäftsführer I. gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG obliegenden Sorgfaltspflichten bei der Überprüfung der Rechnungen der Kanzlei Q. zuließen. Erst aus den beim Einsichtstermin am 20. Juni 2011 übergebenen Kostennoten der Kanzlei Q. und der Erklärung der Beklagten, Zeitaufzeichnungen zu den Rechnungen lägen nicht vor, konnten die Kläger zu 1. und 2. den Schluss ziehen, dass der Geschäftsführer I. nicht überprüfbare Berechnungen der Kanzlei Q. akzeptiert und zur Zahlung freigegeben hat.

c) Der Beschluss über die Entlastung des Geschäftsführers I. wurde zu einem Zeitpunkt erzwungen, zu dem die Kläger zu 1. und 2. die zur Beurteilung der Frage, ob der beklagten GmbH durch die Pflichtverletzungen des Geschäftsführers I. ein Schaden entstanden ist, notwendigen Informationen nicht besaßen. Hierfür hätte die Beklagte den Klägern zu 1. und. 2. zunächst - ggf. nach Anforderung bei der Kanzlei Q. - eine den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG entsprechende, überprüfbare Berechnung der bezahlten Zeitvergütungen vorlegen müssen. Ferner lagen den Klägern zu 1. und 2. die zur Überprüfung erforderlichen Zeitaufzeichnungen nicht vor. Dass die Kläger zu 1. und 2. die zur Beurteilung notwendigen Informationen nicht hatten, zeigt sich überdies daran, dass die Gesellschafter in der folgenden Versammlung einer Prüfung der Rechts- und Beratungskosten zumindest für das Geschäftsjahr 2009/2010 durch eine Wirtschaftsprüferin zugestimmt haben. Die Kläger zu 1. und 2. waren im maßgebenden Zeitpunkt des erzwungenen Beschlusses nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Geschäftsführer I. der Gesellschaft durch die pflichtwidrig unterlassenen Rechnungsprüfungen Schaden zugefügt hat.

d) Ferner diente die Entlastungsentscheidung nach Überzeugung des Senats nur dazu, den Geschäftsführer I. der Verantwortung für sein Verhalten zu entziehen und eine weitere Untersuchung zu verhindern. Dies zeigt sich besonders deutlich daran, dass der Beschluss zu einem Zeitpunkt erzwungen wurde, als über das bereits anhängige „dritte Auskunftsverfahren“, in dem die Kläger zu 1. und 2. gerade auch über „Art und Umfang“ der bezahlten Anwaltsleistungen begehrten, noch nicht entschieden war. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wie die Beklagte meint, aus dem Umstand, dass nach dem Entlastungsbeschluss eine Stellungnahme bezüglich der Rechts- und Beratungskosten für das Geschäftsjahr 2009/2010 durch die Wirtschaftsprüferin S. erholt wurde. Aus dem Sinnzusammenhang der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. Mai 2009 - II ZR 169/07 (NZG 2009, 1307) ergibt sich, dass die Verhinderung solcher Untersuchungen gemeint ist, welche der Feststellung eines Ersatzanspruchs der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer dienen und Grundlage deren erfolgreicher Geltendmachung sein können. Durch die Beschlussfassung am 14. Oktober 2001 wurden erfolgversprechende Untersuchungen vereitelt. Bei unterstellter Wirksamkeit der Entlastungsentscheidung wären wegen deren Verzichtswirkung etwaige Ersatzansprüche der Beklagten gegen ihren Geschäftsführer bereits ausgeschlossen. Die erst nachträglich angeordnete Untersuchung hätte dann nicht mehr Grundlage einer erfolgreichen Schadensersatzklage gegen den Geschäftsführer I. sein können. Der Senat ist daher überzeugt davon, dass die Entlastungsentscheidung dazu diente, eine rechtzeitige Untersuchung und eine etwaige Inanspruchnahme des Geschäftsführers I. zu verhindern.

Die Entlastungsentscheidung ist daher bereits aus diesen Gründen als treuwidrig anzusehen. Ob die weiteren geltend gemachten Anfechtungsgründe vorliegen, kann somit dahinstehen.

E.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.

2. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Im Vordergrund stehen tatrichterliche Fragen der Beweiswürdigung im Einzelfall. Soweit Rechtsfragen entscheidungserheblich sind, folgt der Senat der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung.

(1) Die Geschäftsanteile sind veräußerlich und vererblich.

(2) Erwirbt ein Gesellschafter zu seinem ursprünglichen Geschäftsanteil weitere Geschäftsanteile, so behalten dieselben ihre Selbständigkeit.

(3) Zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter bedarf es eines in notarieller Form geschlossenen Vertrags.

(4) Der notariellen Form bedarf auch eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet wird. Eine ohne diese Form getroffene Vereinbarung wird jedoch durch den nach Maßgabe des vorigen Absatzes geschlossenen Abtretungsvertrag gültig.

(5) Durch den Gesellschaftsvertrag kann die Abtretung der Geschäftsanteile an weitere Voraussetzungen geknüpft, insbesondere von der Genehmigung der Gesellschaft abhängig gemacht werden.

(1) Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so wächst sein Anteil am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern zu. Diese sind verpflichtet, dem Ausscheidenden die Gegenstände, die er der Gesellschaft zur Benutzung überlassen hat, nach Maßgabe des § 732 zurückzugeben, ihn von den gemeinschaftlichen Schulden zu befreien und ihm dasjenige zu zahlen, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Sind gemeinschaftliche Schulden noch nicht fällig, so können die übrigen Gesellschafter dem Ausscheidenden, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.

(2) Der Wert des Gesellschaftsvermögens ist, soweit erforderlich, im Wege der Schätzung zu ermitteln.

Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 12. Februar 2013  15 K 4005/11 U,AO wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, als Organgesellschaft nichtsteuerbare Leistungen an die A-GmbH & Co. KG (A-KG) als Organträger erbracht hat.

2

Gesellschafter der Klägerin waren in den Streitjahren D und ihre Tochter B mit einer Beteiligung von jeweils 50 %. D und B hatten eine Stimmbindungsvereinbarung geschlossen, in der sich beide verpflichteten, ihr Stimmrecht als Gesellschafter nur einheitlich auszuüben, wobei B ihr Stimmverhalten an der Stimmabgabe durch D auszurichten hatte. Alleinige Geschäftsführerin der Klägerin war B.

3

D war darüber hinaus alleinige Kommanditistin der A-KG und Alleingesellschafterin der V-GmbH, die Komplementärin der A-KG war. D war zudem bis zum 23. Oktober 2007 einzige Geschäftsführerin der V-GmbH. Seitdem ist B weitere einzelvertretungsbefugte Geschäftsführerin der V-GmbH. Die A-KG betrieb ein sog. Seniorenzentrum als Wohn- und Pflegeheim. Sie sah die von ihr erbrachten Pflegeleistungen gemäß § 4 Nr. 16 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) als steuerfrei an.

4

Die Klägerin erbrachte in den Streitjahren 2003 bis 2008 auf der Grundlage eines im Juni 1998 abgeschlossenen Vertrags entgeltliche Leistungen im Bereich der Speisenversorgung an die A-KG, die die KG in der von ihr betriebenen Altenhilfeeinrichtung verwendete. Nach dem Vertrag hatte die Klägerin "die komplette Verpflegung von zur Zeit 334 Bewohnern mit Speisen und Getränken nach Anweisung und in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Auftraggebers" zu übernehmen. Die KG teilte der Klägerin "die Anzahl der täglich zu liefernden Portionen und ggf. die vom behandelnden Arzt vorgegebenen Ernährungskriterien der einzelnen Bewohner mit". Die Verpflegung war in einem "Tablettsystem" zusammenzustellen und auf Transportwagen zu laden, die vom Hol- und Bringdienst der A-KG auf die Wohnbereiche des Seniorenzentrums gebracht und später wieder abgeholt wurden. Weitere Leistungen erbrachte die Klägerin aufgrund eines gleichfalls im Juni 1998 abgeschlossenen "Wäscherei-Full-Servicevertrags" und eines "Hausreinigungs-Full-Servicevertrags". Darüber hinaus war die Klägerin bei der Bewirtschaftung eines Kiosks, einer Cafeteria und in der Personalkantine für die A-KG gegen Entgelt tätig.

5

Die Klägerin ging in ihren Umsatzsteuerjahreserklärungen 2003 bis 2007 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen 2008 davon aus, dass sie steuerpflichtige Leistungen erbracht habe, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

6

Im Anschluss an eine Außenprüfung und an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung war der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass der Regelsteuersatz anzuwenden sei und erließ am 6. Juli 2009 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Umsatzsteuerjahresbescheide 2003 bis 2007 sowie einen erstmaligen Umsatzsteuerjahresbescheid 2008. Einem Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gab das FA nicht statt.

7

Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1344 veröffentlichten Urteil des FG liegt eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, die die Klägerin erstmals nach der Sonderprüfung im Einspruchsverfahren geltend gemacht hatte, nicht vor. Auf die daher steuerpflichtigen Leistungen sei der Regelsteuersatz anzuwenden. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen.

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage der Organschaft und die hierfür zu berücksichtigende Bedeutung des Unionsrechts (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG-- und ab dem Streitjahr 2007 Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 --MwStSystRL--) hat der Senat mit Beschluss vom 30. Juli 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der verbundenen Rechtssache Larentia + Minerva C-108/14 und Marenave Schifffahrt C-109/14 --EU:C:2015:496-- (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

9

Mit Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache zur Auslegung der unionsrechtlichen Grundlagen der Organschaft wie folgt entschieden:

"2.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

3.

Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

10

Die Klägerin macht hierzu geltend, dass unionsrechtliche Erfordernisse bei der Auslegung des nationalen Rechts trotz der fehlenden Berufbarkeit zu berücksichtigen seien. Die Gefahr eines Rechtsmissbrauchs oder die Möglichkeit einer Steuerhinterziehung sprächen nicht gegen eine Rückkehr zur früheren Rechtsprechung, nach der eine mittelbare finanzielle Eingliederung über gemeinsame Gesellschafter möglich war. Rechtsmissbrauch und Steuerhinterziehung seien zudem für die bisherige BFH-Rechtsprechung zur Organschaft ohne Bedeutung gewesen. Die finanzielle Eingliederung sei erst aufgrund einer geänderten Beurteilung durch die Rechtsprechung des BFH entfallen. Eine Beherrschung der Klägerin durch die A-KG ergebe sich aus der beiden Gesellschaften übergeordneten Struktur. Die A-KG habe der Klägerin Anweisungen für die tägliche Arbeit erteilt. Die Klägerin sei in den Räumlichkeiten der A-KG tätig geworden. Bei der Klägerin habe es sich um die Ausgliederung eines zuvor von der A-KG selbst wahrgenommenen Arbeitsbereichs gehandelt. Gleichwohl habe die A-KG bei der Klägerin durchregieren können. Die nach dem Unionsrecht enge Verbindung liege vor. Zu ihren Gunsten sei zumindest eine Übergangsregelung der Finanzverwaltung anzuwenden. Auch in Bezug auf die Frage des anwendbaren Steuersatzes sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

11

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2008 vom 6. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2011 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer nach Maßgabe der im Einspruchsverfahren eingereichten geänderten Umsatzsteuererklärungen festgesetzt wird,
hilfsweise, das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 31. August 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2012 zu verpflichten, die Umsatzsteuerbescheide vom 6. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2011 aus Billigkeitsgründen entsprechend der im Einspruchsverfahren eingereichten Umsatzsteuererklärungen festzusetzen.

12

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

13

Bei dem sich aus dem nationalen Recht ergebenden Erfordernis der Eingliederung handele es sich um eine geeignete und erforderliche Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung. Das Erfordernis der Überordnung diene auch der Rechtssicherheit. Das nationale Recht verstoße daher nicht gegen das Unionsrecht. Zudem knüpfe das nationale Recht zur Organschaft nicht an den Unternehmerbegriff des § 2 Abs. 1 UStG, sondern an das Merkmal der Selbständigkeit an. Damit habe der nationale Gesetzgeber eine andere Regelungstechnik gewählt als der Richtliniengeber, der am Begriff des Steuerpflichtigen ansetze. Aufgrund des Verlustes der Selbständigkeit gingen die steuerlichen Verpflichtungen wie etwa die Abgabe von Steuererklärungen auf den Organträger über. Im Hinblick auf diesen Übergang komme dem Gebot der Rechtssicherheit große Bedeutung zu. Ohne Über- und Unterordnung entstünden Abgrenzungsschwierigkeiten, die zu einer Verschleierung der für den Organkreis verantwortlichen Person führen könnten. Es drohe die Gefahr der Steuerhinterziehung und -umgehung. Zudem fehle es auch an einer organisatorischen Eingliederung. Alleinige Geschäftsführerin der Klägerin sei B gewesen, während D bis zum Oktober 2007 alleinige Geschäftsführerin bei der Komplementär-GmbH der A-KG gewesen sei. Es seien keine Standardspeisen abgegeben worden.

14

Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten und macht geltend, dass hinsichtlich der Beschränkung auf juristische Personen keine Möglichkeit bestehe, das nationale Recht unionsrechtskonform auszulegen. Am Erfordernis des Unterordnungsverhältnisses sei festzuhalten. Das Erfordernis der Mehrheitsbeteiligung entspreche den unionsrechtlichen Vorgaben. Das Gebot der Rechtssicherheit sei zu beachten. Zu berücksichtigen sei auch die Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Auch unter Berücksichtigung der zum Unionsrecht ergangenen EuGH-Rechtsprechung gehört die Klägerin mangels finanzieller und organisatorischer Eingliederung weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht einer mit der A-KG bestehenden Organschaft an, so dass das FG zu Recht entschieden hat, dass die Klägerin Leistungen erbracht hat, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Es ist auch kein Billigkeitserlass zu gewähren.

16

1. Die Klägerin ist nicht finanziell in das Unternehmen der A-KG eingegliedert.

17

a) Die finanzielle Eingliederung setzt nach nationalem Recht eine eigene Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an einer juristischen Person voraus.

18

aa) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Organschaft dient der   Verwaltungsvereinfachung   (vgl. BTDrucks V/48, § 2, BTDrucks IV/1590, S. 36, zum gesetzlichen Festhalten an der vorkonstitutionellen Organschaft des UStG 1934, RStBl 1934, 1549 ff.; zum Vereinfachungszweck vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 784, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 41) und führt zu einer Zusammenfassung zu einem Unternehmen beim Organträger. Der Organträger ist entsprechend dem Vereinfachungszweck Steuerschuldner auch für die aufgrund der Organschaft unselbständig tätige Person. Die Rechtsfolgen der Organschaft treten von Gesetzes wegen ein. Hinsichtlich der Voraussetzungen der Organschaft ist nicht danach zu differenzieren, ob ein Steuerschuldner --hier die Klägerin-- oder der Steuergläubiger Rechtsfolgen aus der Organschaft zu seinen Gunsten ableitet.

19

bb) Da sich die mit der Organschaft verbundene Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger finanziell belastend auswirken kann, müssen die Voraussetzungen der Organschaft rechtssicher bestimmbar sein (BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb(1), m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH). Dementsprechend erfordert die finanzielle Eingliederung eine Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der juristischen Person (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFHE II 2013, 873, unter II.2.b aa; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2., und vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.2.a).

20

cc) Der Organträger muss zudem über eine eigene Mehrheitsbeteiligung an der juristischen Person verfügen. Diese kann sich entweder aus einer unmittelbaren Beteiligung oder mittelbar aus einer über eine Tochtergesellschaft gehaltenen Beteiligung ergeben. Demgegenüber ist bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz der Gesellschafter zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb (2)). Darüber hinaus ist die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft nach dem BFH-Urteil des XI. Senats in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, Leitsatz 1 auch dann zu verneinen, wenn nur ein Gesellschafter über die Stimmenmehrheit an den beiden Schwestergesellschaften verfügt.

21

dd) Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung zur rechtssicheren wie auch einfachen Bestimmung der Voraussetzungen der Organschaft fest:

22

(1) Das nationale Recht sieht weder einen Antrag noch ein besonderes Verfahren zur Feststellung der Voraussetzungen der Organschaft vor. Da es dementsprechend an einem Grundlagenbescheid fehlt, ist es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht möglich, für die Organschaft anstelle einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auf das unbestimmte wie auch unpräzise Merkmal einer lediglich engen finanziellen Verbindung zwischen mehreren Personen abzustellen. Eine derartige Verbindung ermöglicht es nicht, die Person rechtssicher zu bestimmen, die die steuerrechtlichen Verpflichtungen für den Organkreis als Organträger und damit als einzige Steuerschuldnerin zu erfüllen hat. So könnte z.B. ohne Erfordernis einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auch eine mittelbare finanzielle Eingliederung zwischen zwei Schwesterkapitalgesellschaften bestehen, bei der dann mangels eines besonderen Feststellungsverfahrens die Person des Organträgers und die der Organgesellschaft nicht bestimmt werden könnte.

23

Ebenso ist es im Grundsatz im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihrer Schwesterpersonengesellschaft. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der erkennende Senat § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aus Gründen der Rechtsformneutralität erweiternd auch auf einzelne eingegliederte Personengesellschaften anwendet. Zu den Voraussetzungen hierfür verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13 (BFHE 251, 534, unter II.2.c).

24

(2) Bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen ist auch der mit der Organschaft verfolgte   Vereinfachungszweck   zu berücksichtigen. Dieser erfordert, dass die Organschaft auch für den Organträger als Steuerschuldner für die organschaftlich zusammengefassten Unternehmen einfach anzuwenden ist. Ohne Antrags- und ohne Feststellungsverfahren muss es dem Organträger daher aufgrund der Eingliederung möglich sein, die --nach § 370 AO strafbewährte-- Verantwortung für die Umsatztätigkeit der mit ihm verbundenen juristischen Person zu übernehmen. Dies setzt in Form der Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Durchgriffsmöglichkeiten voraus, aufgrund derer der Organträger --ähnlich wie bei unselbständigen Betriebsabteilungen im Unternehmeneiner Person-- die für die Abgabe von Steueranmeldungen und Steuererklärungen notwendigen Informationsansprüche wie auch die zur Erfüllung von Steueransprüchen notwendigen Ausgleichsansprüche (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, unter II.3.a) gegen die Organgesellschaft durchsetzen kann (vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Anm. 913).

25

b) Im Streitfall ist die Klägerin nach nationalem Recht nicht Organgesellschaft der A-KG. Die finanzielle Eingliederung der Klägerin in die A-KG scheitert bereits daran, dass die A-KG keine eigene Mehrheitsbeteiligung an der Klägerin in ihrem Gesamthandsvermögen hielt, sondern nur über ihre Gesellschafterin D mit der Klägerin verbunden war. Ohne eigene Mehrheitsbeteiligung ist die Person des Organträgers im Verhältnis zwischen der Klägerin, einer GmbH, und ihrer Schwester-KG nicht eindeutig bestimmbar. Es bestehen keine rechtsverbindlichen Regelungen zur Zusammenrechnung eines mehreren Gesellschaftern zustehenden Anteilsbesitzes. Dies gilt auch für den Fall einer familiären Verbundenheit mehrerer Gesellschafter. Der von D mit ihrer Tochter getroffenen Stimmbindungsvereinbarung kommt keine Bedeutung zu, da diese nicht in der Satzung der Klägerin vereinbart war. Der Senat verweist auch insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13, unter II.1.c cc (1).

26

Mangels eigener Mehrheitsbeteiligung standen der A-KG somit keine eigenen Durchgriffsrechte zu. Ihr, wie auch der für sie organschaftlich handelnden Komplementär-GmbH, war es nicht möglich, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die A-KG Umsätze der Klägerin gegenüber Dritten ordnungsgemäß versteuert, oder dafür verantwortlich zu sein, dass derartige Umsätze nicht vorliegen.

27

c) Das Unionsrecht führt nicht zu einer gegenüber der bisherigen BFH-Rechtsprechung geänderten Beurteilung.

28

aa) Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Diese Regelung dient der "Verwaltungsvereinfachung" und der "Verhinderung bestimmter Missbräuche (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schifffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40).

29

bb) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

30

(1) Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50 f.).

31

(2) Entscheiden sich Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dafür, Regelungen zur Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen zu schaffen, haben sie bei der Ausübung der ihnen zustehenden Präzisierungsbefugnis die hierfür unionsrechtlich bestehenden Anforderungen zu berücksichtigen.

32

(a) Die Mitgliedstaaten haben zu beachten, dass sie die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG mögliche Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen nicht von weiteren als den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen abhängig machen dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 38) und dass das Unionsrecht die Regelung zur Mehrwertsteuergruppe nicht allein den Einheiten vorbehält, die sich in einem Verhältnis der Unterordnung zum Organträger befinden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 44). Auf eine Unterordnung darf nur ausnahmsweise abgestellt werden, etwa wenn diese Bedingung "in einem bestimmten nationalen Kontext" zur "Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen" erforderlich und geeignet ist (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 45). Hierüber hat das nationale Gericht zu entscheiden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 46).

33

(b) Die auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG getroffenen Regelungen haben --wie stets-- den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beachten. Danach müssen "die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig sein" und ihre Anwendung muss für die Betroffenen vorhersehbar sein, "wobei dieses Gebot der Rechtssicherheit in besonderem Maß gilt, wenn es sich um Vorschriften handelt, die finanzielle Konsequenzen haben können, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch diese Vorschriften auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen". Zudem "müssen die Rechtsnormen der Mitgliedstaaten auf den vom Unionsrecht erfassten Gebieten eindeutig formuliert sein, so dass den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht wird, und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt werden, deren Einhaltung sicherzustellen" (EuGH-Urteil Tomoiaga vom 9. Juli 2015 C-144/14, EU:C:2015:452, Rz 35, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Bei der Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger handelt es sich aufgrund der damit verbundenen Verlagerung der Steuerschuld von der Organgesellschaft auf den Organträger "um Vorschriften ..., die finanzielle Konsequenzen haben können".

34

cc) Für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrechten i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG besteht eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht.

35

(1) Obwohl sich die Voraussetzung eines Antrags nicht aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergibt, der die Bedingungen für die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen abschließend aufzählt (s. oben II.1.c bb(2)(a)), haben einzelne Mitgliedstaaten diese Zusammenfassung antragsabhängig ausgestaltet (vgl. z.B. zu dem in der Republik Irland für die Gruppenbesteuerung bestehenden Antragserfordernis EuGH-Urteil Kommission/Irland vom 9. April 2013 C-85/11, EU:C:2013:217, Rz 8), ohne dass der EuGH dies beanstandet (vgl. EuGH-Urteil Kommission/Irland, EU:C:2013:217; vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2, Anm. 816).

36

Der erkennende Senat versteht dies dahingehend, dass das Erfordernis einer rechtssicheren Präzisierung von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG Sonderbedingungen wie ein von der Richtlinie nicht vorgesehenes Antragserfordernis rechtfertigt, bei dem es sich um ein bloßes Verfahrenserfordernis oder auch um ein materiell-rechtliches Wahlrecht handeln kann. Im   Kontext des nationalen Rechts,   in dem es an einem besonderen Verfahren und einem Grundlagenbescheid zur Feststellung der Organschaft und damit an einer für alle am Organkreis Beteiligten verbindlichen Festlegung, ob eine Organschaft besteht und wer Steuerschuldner für diese ist, fehlt, kann   nur   anhand des Merkmals der Eingliederung die Person bestimmt werden, die die Verantwortung dafür zu tragen hat, dass die Umsätze des im Organkreis zusammengefassten Unternehmens ordnungsgemäß versteuert werden (s. oben II.1.a bb). Daher können die Mitgliedstaaten das Erfordernis der Rechtssicherheit auch bei der ihnen obliegenden Präzisierung (s. oben II.1.c bb(1)) des "konkreten Umfangs" der erforderlichen Verbindungen berücksichtigen. Dies rechtfertigt ein Abstellen auf eine Eingliederung mit Durchgriffsrechten, da sich hieraus die Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger rechtssicher ergibt (s. oben II.1.a dd). Damit wird dem Vereinfachungszweck der Zusammenfassung Rechnung getragen, da Beurteilungsschwierigkeiten, die sich auf der Grundlage einer bloßen engen Verbindung, aus der sich aufgrund ihrer Präzisierungsbedürftigkeit keine verbindlichen Voraussetzungen ergeben, entfallen.

37

Der Senat berücksichtigt dabei auch, dass die Finanzverwaltung berechtigt ist, das Bestehen einer z.B. zunächst rechtsfehlerhaft unerkannt gebliebenen Organschaft mit Wirkung für die Vergangenheit geltend zu machen. Unterschiedliche Anforderungen an die Organschaft, die sich danach richten, ob der Steuerpflichtige --zur Vermeidung nicht abziehbarer Vorsteuerbeträge wie im Streitfall-- oder die Finanzverwaltung aus Insolvenz- oder Vollstreckungsgründen ein Interesse am Bestehen der Organschaft hat, sind weder mit dem nationalen Recht noch mit dem Unionsrecht zu vereinbaren.

38

(2) Dient die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen trotz rechtlicher Selbständigkeit dazu, "Missbräuche zu verhindern wie z.B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen" (EuGH-Urteile Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40, und Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 47), können die Mitgliedstaaten bei Ausübung der ihnen unionsrechtlich zur Missbrauchsbekämpfung zustehenden Regelungsbefugnis (s. oben II.1.c bb(2)(a)) berücksichtigen, dass die Zusammenfassung zu nichtsteuerbaren Leistungen zwischen den zusammengefassten Personen führt. Durch diese Nichtsteuerbarkeit von Innenleistungen könnte es bei einem fehlenden Recht zum Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nach § 15 Abs. 2 UStG (Art. 17 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG) zu einer Umgehung des insoweit bestehenden Abzugsverbots kommen (zu den sich aus einer Organschaft insoweit ergebenden "Gestaltungswirkungen" vgl. z.B. Grune/Mönckedieck, Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 541; Heintzen, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 1799; Leonard, DStR 2010, 721). Die Gestaltungswirkung, die auch von der Klägerin mit der Organschaft erstrebt wird, besteht darin, den --ohne Organschaft-- eintretenden Nachteil einer Steuerentstehung ohne Recht auf Vorsteuerabzug zu vermeiden. Diese Folge ist mit dem Vereinfachungszweck der Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen nicht zu vereinbaren und rechtfertigt eine Beschränkung der Organschaft auf die Fälle, in denen die organschaftlichen Unternehmensteile aufgrund einer Eingliederung ebenso eng wie Betriebsabteilungen eines Einheitsunternehmens miteinander verbunden sind. Die Eingliederung bewirkt somit, dass derartige Vorteile nur den Organschaften zugutekommen, deren Unternehmen ähnlich eng   wie bei einem rechtlichen Einheitsunternehmen   miteinander verbunden sind.

39

dd) Durch den Übergang von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu dem ab 2007 geltenden Art. 11 MwStSystRL ist es nicht zu inhaltlichen Änderungen des Unionsrechts gekommen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 36 und 42).

40

ee) Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Der erkennende Senat hat bereits in der Vergangenheit maßgeblich auf das Erfordernis der Rechtssicherheit abgestellt (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597). Hiermit nicht vereinbar ist es, für die Organschaft auf die Entstehungsgeschichte der miteinander verbundenen Unternehmen abzustellen.

41

2. Bis zum Oktober 2007 fehlte es zudem an der erforderlichen organisatorischen Eingliederung.

42

a) Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die organisatorische Eingliederung voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss. Hiervon ist z.B. dann auszugehen, wenn bei zwei GmbHs eine Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen besteht. Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt und zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist. Nicht ausreichend ist demgegenüber, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (BFH-Urteil in BFHE 242, 433, unter II.2.b und 3.).

43

Soweit der Senat hierfür in einem Einzelfall auf eine "institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeit in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung" (BFH-Urteil vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.) abgestellt hat, folgt hieraus nichts anderes, als dass im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der juristischen Person als Organgesellschaft bestehen muss. Nicht ausreichend sind Weisungsrechte, Berichtspflichten (BFH-Urteil in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.) oder ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung oder zugunsten des Mehrheitsgesellschafters (BFH-Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.a cc).

44

b) Gegen diese Anforderungen bestehen auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015, 496) keine Bedenken in unionsrechtlicher Hinsicht. Auch das Erfordernis einer in organisatorischer Hinsicht bestehenden Durchgriffsmöglichkeit dient insbesondere der rechtssicheren Bestimmung der Eingliederungsvoraussetzungen, der Verwaltungsvereinfachung und der Missbrauchsverhinderung (vgl. oben II.1.c cc).

45

c) Damit fehlt es bis zum Oktober 2007 auch an einer organisatorischen Eingliederung der Klägerin in die A-KG. Denn bis dahin bestand eine organisatorische Trennung zwischen der Klägerin, deren einzige Geschäftsführerin B war, und der A-KG, die organschaftlich durch ihre Komplementär-GmbH vertreten wurde, bei der D einzige Geschäftsführerin war. Zu der im Sinne des BFH-Urteils in BFHE 242, 433, unter II.2.b und 3. erforderlichen organisatorischen Verflechtung über das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Klägerin kam es erst dadurch, dass die Geschäftsführerin der Klägerin auch zur Geschäftsführerin bei der Komplementär-GmbH der A-AG bestellt wurde.

46

3. Die mangels Organschaft steuerbaren Leistungen der Klägerin unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz.

47

Das FG hat insoweit zutreffend entschieden, dass es für die Anwendung der Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG an der dort vorausgesetzten Lieferung von in der Anlage bezeichneten Gegenständen fehlt und sich hierfür zu Recht auf die BFH-Rechtsprechung bezogen, nach der die in einer Großküche eines Altenwohnheims und Pflegeheims zur Verpflegung der Bewohner zubereiteten Speisen keine "Standardspeisen" als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge nach Art eines Imbissstandes sind, so dass deren Abgabe zu festen Zeitpunkten in Warmhaltebehältern keine Lieferung, sondern eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung ist (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2011 V R 66/09, BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250). Ebenso wie in diesem Fall hat auch die Klägerin entgeltliche Leistungen zur Versorgung der in einem Heim vollstationär untergebrachten Personen mit Speisen und Getränken erbracht, wobei Speiseplanvorgaben einzuhalten waren. Es ist auch im Streitfall davon auszugehen, dass sich die Tätigkeit bei der Speisenversorgung nicht auf die Abgabe von Standardspeisen als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungen nach Art eines z.B. Imbissstandes beschränkte.

48

4. Dem Erlass der Änderungsbescheide steht auch nicht § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO entgegen.

49

Nach dieser Vorschrift darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist.

50

a) Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert bereits daran, dass die Klägerin das Bestehen einer Organschaft erstmals im Einspruchsverfahren und damit nach Erlass der hier streitigen Steuerbescheide geltend gemacht hat. Damit lag den Steuerbescheiden vor Erlass der angefochtenen Änderungsbescheide keine BFH-Rechtsprechung zur Organschaft zugrunde, so dass die Rechtsauffassung vor der Rechtsprechungsänderung durch das BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597 ohne Bedeutung war.

51

b) In Bezug auf die Frage der Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen ergibt sich für die Klägerin ein Anspruch auf Vertrauensschutz auch nicht daraus, dass der erkennende Senat mit seinem Urteil in BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250 die Rechtsprechung "fortentwickelt" hat. Denn unabhängig hiervon hatte sich der BFH vor diesem Urteil zur Frage der Speisenversorgung in Altenwohnheimen und Pflegeheimen nicht unmittelbar geäußert.

52

5. Das FG hat den von der Klägerin geltend gemachten Erlass aus Billigkeitsgründen zutreffend abgelehnt.

53

a) Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre.

54

Die nach § 163 AO zu treffende Billigkeitsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§ 102, § 121 FGO). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BStBl II 1972, 603; BFH-Urteile vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297; vom 10. Oktober 2001 XI R 52/00, BFHE 196, 572, BStBl II 2002, 201; vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; vom 6. September 2011 VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269).

55

b) Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; vom 18. Dezember 2007 VI R 13/05, BFH/NV 2008, 794; in BFH/NV 2011, 865). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 12. September 2007 X B 18/03, BFH/NV 2008, 102, m.w.N.).

56

c) Rechtsfehlerfrei hat das FG erkannt, dass das FA die Voraussetzungen einer sachlichen oder persönlichen Unbilligkeit zutreffend verneint hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass für einen über § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO hinausgehenden Vertrauensschutz im Fall einer Änderung der Rechtsprechung im Allgemeinen keine Notwendigkeit besteht, wenn sich der Steuerpflichtige die vom BFH aufgegebene Rechtsprechung erst in einem Einspruchsverfahren zu eigen macht. Zudem hat das FG zutreffend berücksichtigt, dass Verwaltungsanweisungen, zu denen auch dort getroffene Übergangsregelungen gehören, nicht wie Gesetze auslegungsfähig sind, sondern im Allgemeinen entsprechend dem Verständnis der Finanzverwaltung anzuwenden sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 43/09, BFHE 233, 58, BStBl II 2011, 610, zur "Vertretbarkeit" der von einer Finanzbehörde vorgenommenen Auslegung einer von der Finanzverwaltung getroffenen Übergangsregelung). Im Hinblick auf die Vermögenssituation der Klägerin konnte das FG auch persönliche Billigkeitsgründe verneinen.

57

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 13. März 2013  3 K 235/10 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht München zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, als Organträger --ebenso wie eine andere Tochtergesellschaft-- nichtsteuerbare Leistungen an zwei Tochter-Kommanditgesellschaften (KGs) als Organgesellschaften erbracht hat.

2

Die Klägerin war im Streitjahr 2001 Alleingesellschafterin der O-GmbH und der VuB-GmbH, die ab 1. Februar 2001 als B-GmbH firmierte. Die O-GmbH erbrachte als Servicegesellschaft Catering- und Reinigungsleistungen.

3

Geschäftsführer der O-GmbH war Herr K. K war zudem vertretungsbefugter Generalbevollmächtigter der Klägerin. Geschäftsführer der B-GmbH war Herr S. S war bei der Klägerin angestellt.

4

Die Klägerin war darüber hinaus Kommanditistin mit einem Kapitalanteil von 100 % bei der Kb-KG und der Gf-KG. Komplementär ohne Geschäftsanteil war jeweils die B-GmbH. Die Kb-KG war im Vorjahr aus einer formwechselnden Umwandlung der Kb-GmbH entstanden. Ebenso war es bei der Gf-KG, die Rechtsnachfolgerin der Gf-GmbH war.

5

Beide KGs betrieben Altenheime und erbrachten dabei Leistungen, die sie als umsatzsteuerfrei ansahen. Die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft O-GmbH erbrachten Leistungen gegen Entgelt an beide KGs.

6

Durch Gesellschafterbeschlüsse vom 1. Februar 2001 brachte die Klägerin ihre Anteile an beiden KGs in die B-GmbH ein, wodurch es zu einer sog. Anwachsung des Gesellschaftsvermögens beider KGs bei der B-GmbH kam.

7

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Klägerin und die mit ihr organschaftlich nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verbundene O-GmbH umsatzsteuerpflichtige Leistungen an die beiden KGs erbracht haben. Aufgrund der im Vorjahr erfolgten formwechselnden Umwandlungen seien die KGs --anders als die jeweilige GmbH vor der Umwandlung-- nicht mehr als Organgesellschaften anzusehen. Daher lägen umsatzsteuerpflichtige Leistungen der Klägerin und ihrer Organgesellschaft, der O-GmbH, an die beiden KGs vor. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

8

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1434 veröffentlichten Urteil der Klage statt. In Bezug auf die beiden KGs lägen die Eingliederungsvoraussetzungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht vor. Dass die Organgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG juristische Person sein müsse, sei unbeachtlich, da diese Vorschrift unionsrechtskonform dahingehend zu erweitern sei, dass es sich bei der Organgesellschaft auch um eine Personengesellschaft in der hier vorliegenden Rechtsform der GmbH & Co. KG handeln könne. Es sei mit dem Grundsatz der Rechtsformneutralität in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nicht vereinbar, die Wirkung der Organschaft auf juristische Personen als Organgesellschaft zu beschränken. Eine derartige Differenzierung sei auch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) unzulässig.

9

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Nach nationalem Recht seien die Voraussetzungen einer Organschaft nicht erfüllt. Die Einschränkung des Kreises der Organgesellschaften auf juristische Personen sei auch nicht unionsrechtswidrig. Der nationale Gesetzgeber dürfe Typisierungen vornehmen.

10

Der Senat hat mit Beschluss vom 23. April 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des EuGH in der verbundenen Rechtssache C-108/14 Larentia + Minerva und C-109/14 Marenave Schiffahrt (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

11

Mit Urteil vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache wie folgt entschieden:

12

"2.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

 3.

Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

13

Das FA macht geltend, der Begriff der juristischen Person sei nicht auslegungsfähig. Das FG habe sich nicht mit der Frage befasst, ob eine Gleichstellung mit einer juristischen Person möglich sei, sondern sich damit begnügt, dass eine KG eingliederungsfähig sei. Die Beschränkung auf juristische Personen diene der Vermeidung der Steuerhinterziehung und der Steuerumgehung. Erforderlich seien Durchgriffsmöglichkeiten. Die steuerlich für die Organschaft verantwortliche Person müsse in der Lage sein, die Geschäfte der Gruppe zu steuern.

14

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

16

Die Einbeziehung der Tochterpersonenhandelsgesellschaft sei insbesondere aus Gründen des Unionsrechts und unter Berücksichtigung des Neutralitätsgrundsatzes geboten. Das nationale Recht sei richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass eine Differenzierung zwischen juristischer Person und sonstigen Einheiten nicht möglich sei. Maßgeblich seien die kapitalistische Struktur der GmbH & Co. KG und deren Nähe zur juristischen Person. Der Wortlaut setze der richtlinienkonformen Auslegung keine Grenzen. Dabei sei auch der Begriff des Zusammenschlusses in § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift sei auf Personengesellschaften anwendbar. Auf eine richtlinienkonforme Extension oder eine Gesetzesanalogie komme es insoweit nicht an. Die GmbH & Co. KG sei im Rahmen von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG einer juristischen Person gleichzusetzen. Der Gesetzgeber habe das Ziel der Gleichbehandlung nicht aus dem Blick verloren. Gleiches ergebe sich unter den Gesichtspunkten einer Rechtsfortbildung oder einer Analogie. Vorzugswürdig sei eine Gesamtanalogie zu beiden Alternativen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die hierfür erforderliche planwidrige Regelungslücke ergebe sich aus der unzureichenden Umsetzung des Unionsrechts. Dem stehe das Rechtsstaatsprinzip nicht entgegen, da es sich um eine den Steuerpflichtigen begünstigende Regelung handele. Eine teleologische Extension spreche für ihre Rechtsauffassung. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erweitere denn Begriff der juristischen Person. Die Beschränkung auf juristische Personen verhindere weder missbräuchliche Praktiken noch Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung. Dass eine Unterordnung diesen Zielen diene, sei nicht ersichtlich. Eine enge Verbundenheit reiche aus. Diese Verbundenheit liege vor. Sie sei einzige Gesellschafterin bei allen Gesellschaften gewesen und habe sich bei diesen in den Gesellschafterversammlungen jederzeit durchsetzen können.

Entscheidungsgründe

17

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG beschränkt die Organschaft auf die Eingliederung juristischer Personen. Dies ist wegen des bei Personengesellschaften grundsätzlich bestehenden Einstimmigkeitsprinzips auch sachlich gerechtfertigt. Eine aus Gründen der Rechtsformneutralität erforderliche Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist mit Blick auf die mit dieser Vorschrift getroffene gesetzgeberische Grundentscheidung nur in engem Umfang und deshalb lediglich bei den Personengesellschaften möglich, bei denen Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Unionsrecht. Im zweiten Rechtsgang sind weitere Feststellungen zum Gesellschafterkreis der Personengesellschaften zu treffen.

18

1. Die Organschaft setzt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Eingliederung einer juristischen Person voraus und schließt damit die Personengesellschaft aus dem Kreis der eingliederbaren Personen aus.

19

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

20

Die Organschaft dient der  Verwaltungsvereinfachung  (BTDrucks V/48 § 2; BTDrucks IV/1590, S. 36; zum gesetzlichen Festhalten an der vorkonstitutionellen Organschaft des UStG 1934, RStBl 1934, 1549 ff.; zum Vereinfachungszweck vgl. Stadie, in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz 784, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, Rz 41). Da anhand der Organschaft über die Person des Steuerschuldners zu entscheiden ist, müssen die Voraussetzungen hierfür rechtssicher ausgestaltet sein (BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Tomoiagă vom 9. Juli 2015, C-144/14, EU:C:2015:452, Rz 34 f.). Das verhindert rechtliche Irrtümer und damit verbundene Steuerumgehungen (vgl. allgemein EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 41).

21

b) § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG definiert den Begriff der juristischen Person nicht.

22

aa) Mangels eigenständiger steuerrechtlicher Begriffsbildung ist das zivil- und gesellschaftsrechtliche Verständnis der juristischen Person maßgeblich. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verwendet mit der "juristischen Person" eine im Zivilrecht geläufige Terminologie und nimmt den darin ausgedrückten Tatbestand auf (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27. Dezember 1991  2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, unter 1.a cc)). Juristische Person ist daher eine Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, wie etwa eine GmbH (vgl. § 13 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) oder eine Aktiengesellschaft (§ 1 Abs. 1 des Aktiengesetzes --AktG--).

23

bb) Nicht zu den juristischen Personen gehören Personenhandelsgesellschaften wie OHG oder KG. Diese können zwar unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (§§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs --HGB--), begründen diese aber nicht aufgrund einer eigenen Rechtspersönlichkeit (vgl. § 1 Abs. 1 AktG).

24

Hieran hat sich durch das gewandelte Verständnis zur Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft nichts geändert. Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der die Personenhandelsgesellschaft kein gegenüber ihren Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt war, so dass "Träger der im Namen der Gesellschaft begründeten Rechte und Pflichten" die "gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter" waren (so z.B. noch BGH-Urteil vom 24. Januar 1990 IV ZR 270/88, BGHZ 110, 127). Demgegenüber erkennt der BGH nunmehr die Rechtsfähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts an, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (BGH-Urteil vom 29. Januar 2001 II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, Leitsatz; vgl. zur Personenhandelsgesellschaft BGH-Urteil vom 5. März 2008 IV ZR 89/07, BGHZ 175, 374, unter II.2.a(3)). Wie der BGH aber zugleich ausdrücklich klargestellt hat, wird die Personengesellschaft durch die Anerkennung dieser Rechtsfähigkeit nicht zur juristischen Person (BGH-Urteil in BGHZ 146, 341, unter A.I.4., Rz 13; vgl. auch EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 37).

25

c) Die Eingliederung einer Personengesellschaft kommt nicht entsprechend früherer BFH-Rechtsprechung aufgrund eines organschaftsähnlichen Verhältnisses in Betracht.

26

aa) Der BFH ist in seiner Rechtsprechung zunächst davon ausgegangen, dass zwischen einem Gesellschafter und seiner Personenhandelsgesellschaft ein sog. organschaftsähnliches Verhältnis bestehen könne. Die sich hieraus ergebende Unselbständigkeit beruhte auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wobei sich der BFH für die Bestimmung der Unselbständigkeit an § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG und damit an den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung orientierte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. November 1964 V 245/61 S, BFHE 81, 506, BStBl III 1965, 182).

27

bb) Diese Rechtsprechung hat der erkennende Senat später aufgegeben und entschieden, dass eine Personengesellschaft des Handelsrechts nicht i.S. von § 2 Abs. 2 UStG unselbständig sein kann (BFH-Urteil vom 8. Februar 1979 V R 101/78, BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362). Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Erwägungsgründe des historischen Gesetzgebers, nach denen der "Begriff der Organschaft ... nur noch bei juristischen Personen anwendbar" ist, entschied der Senat, dass eine Ausdehnung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auf "nichtrechtsfähige Personenvereinigungen" dem Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers widerspricht.

28

cc) Der erkennende Senat hält an seinem Urteil in BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362 im Interesse einer einfachen und rechtssicheren Bestimmung des Steuerschuldners für den Organträger im Grundsatz weiter fest (vgl. auch zu § 13b UStG BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, unter II.3.a):

29

(1) Einfach und rechtssicher kann über die finanzielle Eingliederung als Voraussetzung für die Organschaft entschieden werden, wenn der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. zuletzt BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, unter II.2.a, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Maßgeblich ist im Regelfall die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter, so dass eine Beteiligung von mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft ausreicht, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2., m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Weicht die kapitalmäßige Beteiligung von den Stimmrechten ab (z.B. aufgrund "stimmrechtsloser Geschäftsanteile" bei der GmbH oder aufgrund von "Vorzugsaktien" ohne Stimmrecht bei der Aktiengesellschaft), ist auf das Verhältnis der gesellschaftsrechtlichen Stimmrechte abzustellen. Im Interesse der Rechtsklarheit sind Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten dabei grundsätzlich ohne Bedeutung. Dementsprechend hat der BFH eine finanzielle Eingliederung auf der Grundlage derartiger Rechtsgeschäfte in der Vergangenheit nicht bejaht (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.b, und vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BStBl II 2013, 873, unter II.2.b cc). "Stimmbindungsvereinbarungen" und "Stimmrechtsvollmachten" können bei der Prüfung der finanziellen Eingliederung somit nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ("Geschäftsanteil mit Mehrstimmrecht") ergeben.

30

(2) Während über die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person rechtssicher, einfach und ohne Nachweisschwierigkeiten entschieden werden kann, trifft dies auf die Personengesellschaft nicht zu:

31

(a) Das gesellschaftsrechtliche Stimmrecht beruht bei juristischen Personen auf den Regelungen der notariell zu beurkundenden Satzung (vgl. zur GmbH § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG und zur Aktiengesellschaft § 23 und §§ 8 ff., insbesondere § 12 AktG). Die den Gesellschaftern obliegenden Entscheidungen sind bei den juristischen Personen nach dem Mehrheitsprinzip zu treffen (§ 47 Abs. 1 GmbHG und § 133 Abs. 1 AktG). Daher ist es dem Gesellschafter, der über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, möglich, seinen Willen in der Gesellschaft durchzusetzen.

32

Die Übertragung von Geschäftsanteil und Aktie und des mit ihnen verbundenen Stimmrechts ist zudem rechtssicher nachvollziehbar (vgl. bei der GmbH § 15 Abs. 3 GmbHG und bei der Aktiengesellschaft § 67 AktG und die Inhaberschaft am Wertpapier). Zudem bestehen für Mehrheitsbeteiligungen Meldepflichten (vgl. § 20 Abs. 4 AktG).

33

(b) Demgegenüber gilt bei den Personengesellschaften das Einstimmigkeitsprinzip (vgl. § 709 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- zur GbR, § 119 Abs. 1 HGB zur OHG und § 161 Abs. 2 HGB zur KG). Ein hiervon abweichendes Mehrheitsprinzip steht einer Mehrheitsentscheidung durch nur einen Gesellschafter entgegen, da dann im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu entscheiden sein soll (vgl. § 709 Abs. 2 BGB, § 119 Abs. 2 HGB). Selbst wenn aufgrund darüber hinaus abweichender Regelungen ein Gesellschafter Mehrheitsentscheidungen durchsetzen kann, bestehen zumindest Nachweisschwierigkeiten. Denn abgesehen von Sonderfällen wie etwa der Einbringung von Grundstücken in eine Gesamthand (vgl. § 311b BGB) besteht für den Abschluss und die Änderung von Gesellschaftsverträgen bei Personengesellschaften keinerlei Formzwang. Gesellschaftsvertragliche Stimmrechtsvereinbarungen, die von den §§ 709 BGB und 119 HGB abweichen, können daher auch mündlich getroffen und geändert werden (zur formlosen Änderung trotz Schriftformklausel vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 I R 115/95, BFHE 181, 281, BStBl II 1997, 138, Leitsätze 1 und 2).

34

Im  Kontext des nationalen Rechts,  in dem über die Organschaft ohne besonderes Feststellungsverfahren mit Rückwirkung für alle unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung) stehenden Besteuerungszeiträume der Vergangenheit in jedem Stadium des Besteuerungs- oder Rechtsbehelfsverfahrens neu entschieden werden kann, besteht damit bei Personengesellschaften im Allgemeinen keine hinreichende Grundlage, um die Person des Steuerschuldners einfach und rechtssicher bestimmen zu können (vgl. auch die Grundsatzentscheidung des Senats vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, von der ein anonymisierter Abdruck beiliegt). Über die Organschaft und die mit ihr --wie im Streitfall-- erstrebten günstigen Rechtsfolgen kann auch aus Gründen der allgemeinen Missbrauchsprävention nicht mit Wirkung für die Vergangenheit nach Maßgabe von Vereinbarungen entschieden werden, die nahestehende Personen z.B. mündlich getroffen haben (wollen). Unbeschadet ihrer zivilrechtlichen Wirksamkeit folgt daraus nicht, dass sie auch Grundlage für die Besteuerung sein müssen.

35

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass an die --aufgrund der Organschaft vom Zivilrecht abweichende-- Feststellung des Steuerschuldners höhere Anforderungen zu stellen sind, als bei der bloßen Prüfung, ob z.B. Leistungen gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt werden. Denn das nationale Recht (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) und das Unionsrecht (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG; Art. 11 MwStSystRL) behandeln die verbundenen Personen zusammen als einen Steuerpflichtigen, wobei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Steuerpflicht ausschließlich auf den Organträger verlagert, indem die juristische Person gegenüber dem Organträger als unselbständig angesehen wird.

36

2. Trotz des vom nationalen Gesetzgeber grundsätzlich vorgesehenen Ausschlusses der Personengesellschaft aus dem Kreis der eingliederungsfähigen Personen, kann die Personengesellschaft ausnahmsweise auf der Grundlage einer teleologischen Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wie eine juristische Person als eingegliedert angesehen werden. Erforderlich ist, dass die finanzielle Eingliederung wie bei einer juristischen Person zu bejahen ist. Dies setzt voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei --der stets möglichen-- Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist.

37

a) "Teleologische Extension" (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 V R 38/08, BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.) setzt eine Regelungslücke voraus. Die Norm muss gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig sein. Ihre Ergänzung darf nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widersprechen. Dass eine gesetzliche Regelung rechtspolitisch als verbesserungsbedürftig anzusehen ist ("rechtspolitische Fehler"), reicht nicht aus. Ihre Unvollständigkeit erschließt sich vielmehr aus dem gesetzesimmanenten Zweck und kann auch bei einem eindeutigen Wortlaut vorliegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.5.a, und vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529, unter II.4.b bb, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Die Gesetzeslücke ist in einer dem Gesetzeszweck, der Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik entsprechenden Weise durch Analogie, teleologische Extension oder Reduktion zu schließen (BFH-Urteil in BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.5.a). Dies ist Aufgabe der Fachgerichte (vgl. z.B. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 1990  1 BvR 1186/89, BVerfGE 82, 6, Neue Juristische Wochenschrift 1990, 1593, unter C.I.1.).

38

b) Die teleologische Extension einer umsatzsteuerrechtlichen Norm kann auch aus Gründen des Verfassungsrechts notwendig sein.

39

aa) Nach der Rechtsprechung des BVerfG wie auch des erkennenden Senats ist die Bindung an die Grundrechte des Grundgesetzes (GG) auch im Bereich der unionsrechtlich harmonisierten Umsatzbesteuerung zu beachten, soweit das Unionsrecht "den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum einräumt" (BVerfG-Beschluss vom 20. März 2013  1 BvR 3063/10, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 468, unter III.1.; BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 4/09, BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.4.e).

40

Daher sind im Bereich der Organschaft auch verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten. Zwar beruht die Organschaft unionsrechtlich auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Nach der Rechtsprechung des EuGH bedarf die sich aus der Richtlinie ergebende Voraussetzung der engen Verbindungen aber einer Präzisierung auf nationaler Ebene durch nationale Rechtsvorschriften, die den konkreten Umfang solcher Verbindungen bestimmen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50).

41

Übt der nationale Gesetzgeber daher die sich aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergebende Regelungsermächtigung aus, hat er somit im Rahmen der zu seinen Gunsten bestehenden Regelungs- und Präzisierungsbefugnisse die allgemeinen verfassungsrechtlichen Bindungen zu beachten.

42

bb) Zielt der "umsatzsteuerrechtliche Belastungsgrund ... auf die umsatzsteuerliche Erfassung jedes Unternehmers, mag dieser in der Rechtsform einer juristischen Person, in der Rechtsform einer gewerblichen Personengesellschaft oder als freiberuflich Tätiger Umsätze erbringen (...)" (BVerfG-Beschluss in UR 2013, 468, unter III.2.a aa), so ist es gleichwohl mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn z.B. nur Freiberufler-Personenunternehmen, die weder buchführungspflichtig sind noch freiwillig Bücher führen, nicht aber auch buchführungspflichtige Freiberufler-Kapitalgesellschaften die Vorteile der Ist-Besteuerung in Anspruch nehmen können. Denn deren Anwendungsbereich beruht nicht auf "einer allein rechtsformbezogenen Differenzierung", sondern hängt nach § 20 Satz 1 UStG maßgebend davon ab, ob die Unternehmen Bücher führen (BVerfG-Beschluss in UR 2013, 468, unter III.3. zum Senatsurteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.3.b cc 4., in Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 22. Juli 1999 V R 51/98, BFHE 189, 211, BStBl II 1999, 630).

43

So wie das Gebot einer rechtsformneutralen Besteuerung unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Gesetzeszwecks den Anwendungsbereich einer gesetzlichen Vorschrift einzuschränken vermag (vgl. das Senatsurteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.3.b cc (4), zur Einschränkung von § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG a.F. auf die Unternehmer, die auch freiwillig keine Bücher führen), kann es --umgekehrt-- den Regelungsbereich einer nach ihrem Gesetzeswortlaut zu eng gefassten Norm erweitern.

44

c) Danach ist § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG teleologisch erweiternd auszulegen:

45

aa) § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG stellt mit dem Erfordernis der Eingliederung einer juristischen Person nur vordergründig auf ein rechtsformbezogenes Merkmal ab, das aber nach dem Normzweck dieser Regelung dazu dient, die Voraussetzungen der Organschaft leicht und einfach festzustellen und damit zu der mit der Organschaft angestrebten Verwaltungsvereinfachung und Missbrauchsvermeidung (s. oben unter II.1.c cc (2) (b)) beiträgt. Dementsprechend trifft das Gesetz in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG grundsätzlich eine sachlich vertretbare Unterscheidung danach, ob die einzugliedernde Gesellschaft eine juristische Person ist und verstößt deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

46

Erlauben die mit § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verfolgten Regelungsziele unter Berücksichtigung der Besonderheiten des nationalen Gesellschaftsrechts im Allgemeinen die Begrenzung auf eingegliederte juristische Personen und damit einen Ausschluss der Personengesellschaft (s. oben II.1.c cc (2) (b)), rechtfertigt dies nicht den Ausschluss der Personengesellschaften, bei denen das dort grundsätzlich bestehende Einstimmungsprinzip (s. oben II.1.c cc (2) (b)) von vornherein ohne Bedeutung ist und daher bereits abstrakt einer finanziellen Eingliederung nicht entgegenstehen kann. Ein Ausschluss auch derartiger Personengesellschaften ist mit dem --auf die Beschränkung juristischer Personen verfolgten-- Regelungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht zu vereinbaren. Damit liegt eine Regelungslücke vor, da ein bestimmter Sachbereich zwar gesetzlich geregelt ist, aber keine Vorschrift für die Fälle enthält, die nach dem Grundgedanken und dem System des Gesetzes hätten mitgeregelt werden müssen. Es handelt sich daher um eine Regelung, die gemessen an ihrem Zweck unvollständig und ergänzungsbedürftig ist.

47

bb) Die bei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehende Gesetzeslücke ist entsprechend dem Gesetzeszweck in der Weise zu schließen, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erweiternd auch auf die Personengesellschaft anzuwenden ist, bei der neben dem Organträger Gesellschafter nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (Änderung der Rechtsprechung). Trifft dies auf alle Gesellschafter der Personengesellschaft zu, kann der Organträger seinen Willen durchsetzen, so dass dem allgemeinen Einstimmigkeitsprinzip bei der Personengesellschaft (s. oben II.1.c cc (2) (b)) von vornherein keine Bedeutung zukommt. Denn sind die Mitgesellschafter bei der Personengesellschaft finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert, ist das bei der Personengesellschaft grundsätzlich bestehende Einstimmigkeitserfordernis allgemein ungeeignet, einer Willensdurchsetzung des Organträgers bei der Organgesellschaft entgegenzustehen. Ist neben dem Organträger z.B. eine Personengesellschaft Mitgesellschafter, kommt es dementsprechend darauf an, dass auch in Bezug auf deren Gesellschafter eine finanzielle Eingliederung ausnahmslos --in einer bis zum Organträger reichenden Organkette-- zu bejahen ist.

48

Dies steht nicht im Widerspruch zu der vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung der Organschaft auf bestimmte Tatbestände, sondern erweitert den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur unter strikter Beachtung der dieser Vorschrift zugrunde liegenden Wertungen der Rechtssicherheit, Verwaltungsvereinfachung und Missbrauchsvermeidung.

49

cc) Der erkennende Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Soweit dieser in seinen Vorlagebeschlüssen in BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428 davon ausgegangen ist, dass eine Personengesellschaft nicht Organgesellschaft sein kann, haben diese Entscheidungen, denen kein abschließender Charakter zukommt, keine Bindungswirkung (vgl. z.B. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 28a; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 4). Dies gilt jedenfalls dann, wenn es um die Beurteilung im Anschluss an das auf die BFH-Vorlage ergangene EuGH-Urteil geht.

50

3. Eine weitergehende Organschaft, die allgemein eine Eingliederung von Personengesellschaften ermöglichen würde, ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht.

51

a) Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Diese Regelung dient der "Verwaltungsvereinfachung" und der "Verhinderung bestimmter Missbräuche" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40).

52

b) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

53

aa) Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50 f.).

54

bb) Entscheiden sich Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dafür, Regelungen zur Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen zu schaffen, haben sie bei der Ausübung der ihnen zustehenden Präzisierungsbefugnis die hierfür unionsrechtlich bestehenden Anforderungen zu berücksichtigen.

55

(1) Die Mitgliedstaaten haben zu beachten, dass sie die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG mögliche Zusammenfassung zu einem Steuerpflichten nicht von weiteren als den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen abhängig machen dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 38) und dass das Unionsrecht die Regelung zur Mehrwertsteuergruppe nicht allein den Einheiten vorbehält, die juristische Person sind (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Leitsatz 2). Auf eine Unterordnung darf nur ausnahmsweise abgestellt werden, etwa wenn dies zur z.B. "Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen" erforderlich und geeignet ist (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 39 ff.). Hierüber hat das nationale Gericht zu entscheiden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 43).

56

(2) Die auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG getroffenen Regelungen haben --wie stets-- den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beachten. Danach müssen "die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig sein" und ihre Anwendung muss für die Betroffenen vorhersehbar sein, "wobei dieses Gebot der Rechtssicherheit in besonderem Maß gilt, wenn es sich um Vorschriften handelt, die finanzielle Konsequenzen haben können, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch diese Vorschriften auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen". Zudem "müssen die Rechtsnormen der Mitgliedstaaten auf den vom Unionsrecht erfassten Gebieten eindeutig formuliert sein, so dass den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht wird, und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt werden, deren Einhaltung sicherzustellen" (EuGH-Urteil Tomoiagă, EU:C:2015:452, Rz 35, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Bei der Regelung zur Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen handelt es sich aufgrund der damit verbundenen Verlagerung der Steuerschuld von der Organgesellschaft auf den Organträger "um Vorschriften ..., die finanzielle Konsequenzen haben können".

57

c) Unter Berücksichtigung dieser Erfordernisse besteht für den nationalen Gesetzgeber eine hinreichende unionsrechtliche Grundlage, die Regelung zur Organschaft im Grundsatz auf die Eingliederung juristischer Personen zu beschränken.

58

aa) Die Einschränkung der Organschaft auf die Eingliederung juristischer Personen dient nicht dazu, die Umsatzbesteuerung rechtsformabhängig auszugestalten, sondern soll den unionsrechtlich auch vom EuGH anerkannten Präzisierungsvorbehalt rechtssicher ausfüllen (s. oben unter II.1.c cc).

59

bb) Kann aufgrund der Besonderheiten des nationalen Gesellschaftsrechts im Regelfall nur bei juristischen Personen mit der erforderlichen Klarheit und damit rechtssicher über die Eingliederungsvoraussetzungen entschieden werden (s. oben II.1.c cc), rechtfertigt dies die grundsätzliche Einschränkung auf eine Eingliederung juristischer Personen. Zudem trägt der erkennende Senat den Erfordernissen des Unionsrechts, insbesondere dem Ziel einer im Grundsatz rechtsformneutralen Besteuerung (s. oben II.2.c), dadurch Rechnung, dass er in Sonderfällen, in denen die Eingliederungsvoraussetzungen auch in Bezug auf Tochterpersonengesellschaften zweifelsfrei vorliegen, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG teleologisch erweiternd auslegt (s. oben II.2.c).

60

4. Danach hat das FG im Streitfall die Eingliederung der beiden KGs zu Unrecht aufgrund einer allgemeinen Gleichstellung von juristischen Personen und Personengesellschaften bejaht. Beide KGs sind indes nur dann Organgesellschaften der Klägerin, wenn z.B. neben der Klägerin als mögliche Organträgerin nur die B-GmbH als Gesellschafterin an den beiden KGs beteiligt gewesen wäre und in Bezug auf die B-GmbH eine finanzielle Eingliederung in das Unternehmen der Klägerin besteht. Zwar erscheint dies nach Aktenlage möglich, jedoch bestehen noch Unklarheiten in Bezug auf die zahlreichen Umwandlungsvorgänge. Daher sind ausdrückliche Feststellungen zum Gesellschafterkreis der beiden KGs und der finanziellen Eingliederung dieser Gesellschafter in das Unternehmen der Klägerin nachzuholen.

61

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft (KG), vermietete im Streitjahr 2001 ein Grundstück an ihre Komplementärin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), und stellte dieser entgeltlich Personal und Inventar für die von der GmbH betriebenen Alten- und Pflegeheime zur Verfügung. Die Klägerin erledigte darüber hinaus Verwaltungsaufgaben und erbrachte Hausmeisterserviceleistungen für die GmbH.

2

Gesellschafter der Klägerin und der GmbH waren A, B und C zu jeweils einem Drittel. Die GmbH war zwar Komplementärin der Klägerin, jedoch ohne an der Klägerin kapitalmäßig beteiligt zu sein. Geschäftsführer der GmbH war A.

3

Die Klägerin ging davon aus, dass zwischen ihr und der GmbH eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) bestehe und lediglich nicht steuerbare Innenleistungen zwischen der KG und GmbH erbracht würden. Sie gab daher keine Umsatzsteuererklärungen ab. Im Anschluss an eine Außenprüfung war der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass keine Organschaft vorliege und die Klägerin steuerbare und steuerpflichtige Leistungen an die GmbH erbracht habe. Der gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 10. Mai 2004 eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Klägerin sei Organträger der GmbH, da die GmbH über die Gesellschafter A, B und C in die Klägerin mittelbar finanziell eingegliedert sei, sich die organisatorische Eingliederung aus der Stellung der GmbH als Komplementärin der Klägerin und daher aus einer Personal- und Organidentität ergebe und die wirtschaftliche Eingliederung auf den durch die Klägerin an die GmbH erbrachten Leistungen beruhe. Unerheblich sei, dass nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Dezember 1978 V R 85/74 (BFHE 127, 75, BStBl II 1979, 288) eine Komplementär-GmbH nicht in eine KG eingegliedert sein könne, da dieses Urteil aufgrund der späteren BFH-Rechtsprechung zur mittelbaren finanziellen Eingliederung überholt sei. Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2009, 792 veröffentlicht.

5

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Aufgrund des Erfordernisses eines Über- und Unterordnungsverhältnisses liege keine Organschaft vor. Es fehlten auch die finanzielle und organisatorische Eingliederung.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Die Klägerin trägt vor, das FG habe zutreffend entschieden, dass eine Organschaft bestehe. Es liege eine Betriebsaufspaltung vor. Die GmbH sei von ihr nach dem maßgeblichen Gesamtbild der Verhältnisse völlig abhängig gewesen, da sie der GmbH nahezu das gesamte für ihre Betätigung erforderliche Betriebsvermögen überlassen habe. Die Tatsache, dass ihre Kommanditisten in gleicher Weise auch an der GmbH beteiligt gewesen seien, zeige, dass sie und die GmbH als Einheit anzusehen seien. Es sei völlig unwahrscheinlich gewesen, dass die Kommanditisten in der GmbH anders entscheiden würden als bei ihr, der KG. Für die Organschaft spreche auch, dass die GmbH-Anteile als Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei ihr, der Klägerin, anzusehen seien, da es sich bei dem Sonderbetriebsvermögen und der Organschaft jeweils um "eine rein steuerrechtliche Konstruktion" handele. Für das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses spreche weiter die Einheit des Steuerrechts sowie die Entstehungsgeschichte der Firmenkonstruktion. Die finanzielle Eingliederung ergebe sich auch aus der Vinkulierung der Gesellschaftsanteile und der engen familiären Verbundenheit der Gesellschaftergruppe. Wie das FG zu Recht ausgeführt habe, könne die GmbH zumindest teilweise --beim Betrieb der Alten- und Pflegeheime und damit neben ihrer Geschäftsführungstätigkeit für sie, die Klägerin,-- in sie eingegliedert sein. Die GmbH sei auch organisatorisch in sie eingegliedert gewesen, da ihre Geschäftsführung mit derjenigen der GmbH verflochten gewesen sei. Eine Eingliederung einer Komplementär-GmbH in sie, die Klägerin, sei zumindest insoweit möglich, als der Komplementär neben der Geschäftsführung der KG eine weitere unternehmerische Tätigkeit ausübe. Zumindest sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist im Ergebnis begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vom FG und der Klägerin angenommene Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG scheitert am Erfordernis der finanziellen Eingliederung.

10

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

11

Neben den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung kommt es für die Organschaft weder nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG noch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG auf einen Antrag des Unternehmers an (BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, Leitsatz 2). Bei der Ausübung der nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG bestehenden Ermächtigung sind allerdings die allgemein bei der Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG zu beachtenden Rechtsprinzipien wie z.B. die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Steuerneutralität zu beachten (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217 Rdnrn. 24 ff.). Dies gilt auch für die Auslegung der nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehenden Eingliederungsvoraussetzungen.

12

2. Nach der Rechtsprechung setzt die finanzielle Eingliederung voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd). Bei der finanziellen Eingliederung handelt es sich um eine rechtlich zu erfüllende Voraussetzung, für die es im Regelfall auf die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter ankommt. Ausreichend ist daher eine Beteiligung, die mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft gewährt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd).

13

Eine unmittelbare finanzielle Eingliederung der GmbH in die Klägerin lag im Streitfall nicht vor, da die Klägerin nicht Gesellschafterin der GmbH war. Die Klägerin war auch nicht über eigene Tochtergesellschaften mittelbar an der GmbH beteiligt.

14

3. Eine finanzielle Eingliederung ergibt sich nicht daraus, dass die drei Gesellschafter der Klägerin über die Anteilsmehrheit in der GmbH verfügten. Denn die finanzielle Eingliederung kann grundsätzlich nicht mittelbar über mehrere Gesellschafter des Organträgers erfolgen (Reiß in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, § 2 Rz 111; Wäger in Festschrift für Harald Schaumburg, 2009, 1189 ff., 1199 f.).

15

a) Nach dem BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 123/68 (BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505, unter 2.a) konnte eine GmbH als juristische Person in das Unternehmen eines Organträgers finanziell eingegliedert sein, wenn sich sämtliche Anteile an der GmbH und dem Organträger in einer Hand befanden.

16

Der BFH hat diese Rechtsprechung später für die finanzielle Eingliederung zwischen zwei GmbHs über einen gemeinsamen Gesellschafter aufgegeben und dies insbesondere mit dem bei einer nur mittelbaren Beteiligung fehlenden Über- und Unterordnungsverhältnis begründet. Keine der beiden Gesellschaften sei in das Gefüge des anderen Unternehmens eingeordnet (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1., und die Abweichungsanfrage durch den BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1996, 950, unter II.).

17

Der BFH hielt aber an der finanziellen Eingliederung zwischen der GmbH als Organgesellschaft und der Personengesellschaft als Organträger fest, wenn die Mehrheit der Anteile an der GmbH von den Gesellschaftern einer Personengesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte verfügten (BFH-Urteile vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136, unter II.2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.2.; in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.1.a, und vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365). Dabei bejahte der BFH die finanzielle Eingliederung über einen gemeinsamen Gesellschafter, der in GmbH und Personengesellschaft über eine Anteilsmehrheit von jeweils mindestens 95 v.H. verfügte und auch Geschäftsführer der GmbH war (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136) ebenso wie über zwei Gesellschafter, denen gemeinsam eine Anteilsmehrheit in beiden Gesellschaften zustand (BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 223, und in BFH/NV 2008, 1365). Diese Rechtsprechung beruhte u.a. auf der ertragsteuerrechtlichen Überlegung, dass es sich bei der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft für die Gesellschafter der Organträger-Personengesellschaft um Sonderbetriebsvermögen handele (BFH-Beschluss in GmbHR 1996, 950, unter III.). Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft lehnte die Rechtsprechung aber dann ab, wenn den Gesellschaftern zwar an der GmbH eine Mehrheitsbeteiligung zustand, sie aber in der Personengesellschaft Minderheitsgesellschafter waren. Dies galt selbst dann, wenn die GmbH über eine Anteilsmehrheit an der Personengesellschaft verfügte (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.b aa).

18

b) Für den Fall, dass nur mehreren Gesellschaftern gemeinsam eine Mehrheitsbeteiligung an GmbH und Personengesellschaft zusteht, hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung nicht fest.

19

aa) Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft liegt im Hinblick auf das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter, die nur gemeinsam über eine Anteilsmehrheit an beiden Gesellschaften verfügen, nicht vor.

20

Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen setzt ein Verhältnis der Über- und Unterordnung der beteiligten Gesellschaften voraus (BFH-Urteile in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa, und vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH führt die Gruppenbesteuerung gemäß Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu einer Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen mit den diesem Steuerpflichtigen "untergeordneten Personen" (vgl. EuGH-Urteil Ampliscientifica und Amplifin in Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217).

21

Kommt es danach auf ein Über- und Unterordnungsverhältnis an, gilt dies nicht nur im Verhältnis zwischen mehreren GmbHs als juristischen Personen, sondern gleichermaßen im Verhältnis zwischen GmbH und Personengesellschaft, selbst wenn an diesen Gesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Denn eine Personengesellschaft, deren Gesellschafter eine Mehrheitsbeteiligung an der GmbH halten, verfügt gegenüber dieser GmbH über keine größeren Einwirkungsmöglichkeiten als sie zwischen zwei Schwester-GmbHs bestehen. Einwirkungsmöglichkeiten stehen in beiden Fällen gleichermaßen nur den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern zu. Die bisherige Bejahung einer finanziellen Eingliederung aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter trägt auch nicht dem rechtlichen Charakter der finanziellen Eingliederung (s. oben II.2.) Rechnung. Kommt es für die finanzielle Eingliederung auf rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten an, müssen diese dem Organträger selbst zustehen. Hiermit ist eine Zurechnung der Durchsetzungsmöglichkeiten aus fremdem Beteiligungsbesitz nicht vereinbar.

22

Demgegenüber kann eine Enkelgesellschaft mittelbar über eine oder mehrere eigene Tochtergesellschaften des Organträgers finanziell in dessen Unternehmen eingegliedert sein (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (1)), sofern der Organträger dann aufgrund der ihm in der Beteiligungskette zustehenden Gesellschaftsrechte in der Lage ist, seinen Willen in der Enkelgesellschaft durchzusetzen.

23

bb) Im Hinblick auf die bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen zu beachtenden allgemeinen Rechtsprinzipien der Richtlinie 77/388/EWG (s. oben II.1.), spricht auch der Grundsatz der Rechtssicherheit dagegen, von einer finanziellen Eingliederung zwischen Schwestergesellschaften über gemeinsame Gesellschafter auszugehen.

24

(1) Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit müssen die Betroffenen bei Regelungen, die sich finanziell belastend auswirken können, in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen (EuGH-Urteile vom 15. Dezember 1987 C-326/85, Niederlande/Kommission, Slg. 1987, 5091 Rdnr. 24; vom 29. April 2004 C-17/01, Sudholz, Slg. 2004, I-4243 Rdnr. 34). Dies müssen auch die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Richtlinie einräumt, beachten (EuGH-Urteile vom 26. April 2005 C-376/02, Goed Wonen, Slg. 2005, I-3445 Rdnr. 32; vom 16. September 2008 C-288/07, Isle of Wright, Umsatzsteuer-Rundschau 2008, 816 Rdnrn. 47 f.). Dies ist auch bei der Auslegung der nationalen Vorschriften zu beachten, die der Umsetzung von Richtlinienbestimmungen dienen.

25

Aufgrund der sich aus der Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger ergebenden finanziellen Auswirkungen kommt dem Grundsatz der Rechtssicherheit bei der Auslegung der Organschaftsvoraussetzungen besondere Bedeutung zu. Da die Organschaft nicht von einem Antrag des Organträgers abhängt (s. oben II.1.), muss der Organträger in der Lage sein, anhand der Eingliederungsvoraussetzungen das Bestehen einer Organschaft rechtssicher feststellen zu können.

26

(2) Bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften ist nicht rechtssicher bestimmbar, ob und unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz einer unter Umständen großen unbestimmten Anzahl von Gesellschaftern zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen. Die bloße Anteilsmehrheit mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften reicht hierfür nicht aus, da diese Gesellschafter die ihnen zustehenden Stimmrechte nicht einheitlich ausüben müssen. Auch nur familiäre Beziehungen zwischen mehreren Gesellschaftern sind kein hinreichendes Indiz für eine Zusammenfassung des ihnen zustehenden Beteiligungsbesitzes. Im Übrigen ist auch nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen mehrere Gesellschafter gleichgerichtete oder widerstreitende Interessen verfolgen. Da die Organschaft mit der Verwirklichung ihrer Voraussetzungen beginnt und mit deren Entfallen von Gesetzes wegen endet (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a cc), kann es für die Organschaft und den Eintritt der mit ihr verbundenen Rechtsfolgen (wie z.B. Umsatzzurechnung und Nichtbesteuerung von Innenumsätzen) darüber hinaus nicht darauf ankommen, für welche Zeiträume z.B. mehrere Familiengesellschafter gleichgerichtete Interessen verfolgen und für welche Zeiträume dies aufgrund von Meinungsverschiedenheiten oder Familienstreitigkeiten nicht der Fall ist. Ob im konkreten Einzelfall von einem Fehlen widerstreitender Interessen auszugehen sein kann, ist daher entgegen der Auffassung der Klägerin unerheblich.

27

cc) Nach den Verhältnissen des Streitfalles hat der Senat nicht zu entscheiden, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist, wenn zwischen zwei Schwestergesellschaften z.B. ein Beherrschungsvertrag besteht oder zugunsten einer Schwestergesellschaft Stimmbindungsverträge vorliegen. Offenbleiben kann auch, ob eine Organschaft vorliegt, wenn nur ein Gesellschafter über eine Anteilsmehrheit an GmbH und Personengesellschaft verfügt und zugleich als Gesellschafter für die Personengesellschaft und als Geschäftsführer der GmbH für beide Gesellschaften geschäftsführungsbefugt ist (so das Urteil des XI. Senats des BFH in BFH/NV 1999, 1136), wobei dann allerdings fraglich erscheint, welche der beiden Schwestergesellschaften als herrschende und welche als abhängige Gesellschaft anzusehen ist. Im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung ist schließlich nicht mehr zu entscheiden, ob die bisherige Annahme einer finanziellen Eingliederung durch mehrere gemeinsame Gesellschafter von GmbH und Personengesellschaft --anders als bei mehreren gemeinsamen Gesellschaftern verschiedener GmbHs-- zu einer gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Differenzierung nach der Rechtsform des Organträgers führt.

28

4. Die weiteren Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.

29

a) Die Klägerin kann sich gegen die Änderung der Senatsrechtsprechung nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Voraussetzungen des § 176 der Abgabenordnung liegen nicht vor, da es sich bei dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid nicht um einen Änderungsbescheid, sondern um einen Erstbescheid handelt. Ein allgemeiner Schutz gegenüber den sich aus einer geänderten Rechtsprechung ergebenden Urteilsfolgen ist weder dem nationalen Recht noch dem Gemeinschaftsrecht zu entnehmen. Es ist auch kein sonstiger Vertrauenstatbestand ersichtlich, auf den sich die Klägerin berufen könnte.

30

b) Auch aus dem von der Klägerin betonten Gesamtbild der Verhältnisse und der nach Auffassung der Klägerin besonders stark ausgeprägten wirtschaftlichen Eingliederung ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Zwar kann im Hinblick auf die gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG "nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse" vorzunehmenden Beurteilung eine Organgesellschaft auch dann unselbständig sein, wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete nicht vollkommen ausgeprägt ist. Nicht ausreichend ist jedoch, dass die Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei Eingliederungsmerkmale besteht (BFH-Urteile vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a). Daher kann von der wirtschaftlichen nicht auf die finanzielle Eingliederung geschlossen werden (BFH-Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.) und das völlige Fehlen einer eigenen Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft kann daher nicht durch andere Eingliederungsmerkmale ersetzt werden.

31

c) Dass die Beteiligung an einer juristischen Person ertragsteuerrechtlich Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei seiner Personengesellschaft sein kann, ist für das umsatzsteuerrechtlich maßgebliche Über- und Unterordnungsverhältnis nicht entscheidend und vermag die Annahme der finanziellen Eingliederung über die Gesellschafter des Organträgers nicht zu begründen. Denn die Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen ist für die maßgebliche Willensbildung durch Mehrheitsbeschlüsse unerheblich. Auch die Entstehungsgeschichte der Gesellschaften, die Vinkulierung von Gesellschaftsanteilen und die Einheit des Steuerrechts rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

32

5. Das Urteil des FG entspricht nicht diesen Grundsätzen und war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

33

Die Klage ist abzuweisen, da die GmbH nicht finanziell in die Klägerin eingegliedert ist. Eine finanzielle Eingliederung der GmbH über die drei Gesellschafter der Klägerin in die Klägerin reicht nicht aus. Weiter kommt die Annahme einer nur partiellen Eingliederung der GmbH --für den Bereich des Betriebs der Alten- und Pflegeheime, nicht aber hinsichtlich der Geschäftsführung der Klägerin-- nach der Rechtsprechung des Senats nicht in Betracht (BFH-Urteil in BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (3)).

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 13. März 2013  3 K 235/10 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht München zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, als Organträger --ebenso wie eine andere Tochtergesellschaft-- nichtsteuerbare Leistungen an zwei Tochter-Kommanditgesellschaften (KGs) als Organgesellschaften erbracht hat.

2

Die Klägerin war im Streitjahr 2001 Alleingesellschafterin der O-GmbH und der VuB-GmbH, die ab 1. Februar 2001 als B-GmbH firmierte. Die O-GmbH erbrachte als Servicegesellschaft Catering- und Reinigungsleistungen.

3

Geschäftsführer der O-GmbH war Herr K. K war zudem vertretungsbefugter Generalbevollmächtigter der Klägerin. Geschäftsführer der B-GmbH war Herr S. S war bei der Klägerin angestellt.

4

Die Klägerin war darüber hinaus Kommanditistin mit einem Kapitalanteil von 100 % bei der Kb-KG und der Gf-KG. Komplementär ohne Geschäftsanteil war jeweils die B-GmbH. Die Kb-KG war im Vorjahr aus einer formwechselnden Umwandlung der Kb-GmbH entstanden. Ebenso war es bei der Gf-KG, die Rechtsnachfolgerin der Gf-GmbH war.

5

Beide KGs betrieben Altenheime und erbrachten dabei Leistungen, die sie als umsatzsteuerfrei ansahen. Die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft O-GmbH erbrachten Leistungen gegen Entgelt an beide KGs.

6

Durch Gesellschafterbeschlüsse vom 1. Februar 2001 brachte die Klägerin ihre Anteile an beiden KGs in die B-GmbH ein, wodurch es zu einer sog. Anwachsung des Gesellschaftsvermögens beider KGs bei der B-GmbH kam.

7

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Klägerin und die mit ihr organschaftlich nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verbundene O-GmbH umsatzsteuerpflichtige Leistungen an die beiden KGs erbracht haben. Aufgrund der im Vorjahr erfolgten formwechselnden Umwandlungen seien die KGs --anders als die jeweilige GmbH vor der Umwandlung-- nicht mehr als Organgesellschaften anzusehen. Daher lägen umsatzsteuerpflichtige Leistungen der Klägerin und ihrer Organgesellschaft, der O-GmbH, an die beiden KGs vor. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

8

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1434 veröffentlichten Urteil der Klage statt. In Bezug auf die beiden KGs lägen die Eingliederungsvoraussetzungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht vor. Dass die Organgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG juristische Person sein müsse, sei unbeachtlich, da diese Vorschrift unionsrechtskonform dahingehend zu erweitern sei, dass es sich bei der Organgesellschaft auch um eine Personengesellschaft in der hier vorliegenden Rechtsform der GmbH & Co. KG handeln könne. Es sei mit dem Grundsatz der Rechtsformneutralität in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nicht vereinbar, die Wirkung der Organschaft auf juristische Personen als Organgesellschaft zu beschränken. Eine derartige Differenzierung sei auch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) unzulässig.

9

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Nach nationalem Recht seien die Voraussetzungen einer Organschaft nicht erfüllt. Die Einschränkung des Kreises der Organgesellschaften auf juristische Personen sei auch nicht unionsrechtswidrig. Der nationale Gesetzgeber dürfe Typisierungen vornehmen.

10

Der Senat hat mit Beschluss vom 23. April 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des EuGH in der verbundenen Rechtssache C-108/14 Larentia + Minerva und C-109/14 Marenave Schiffahrt (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

11

Mit Urteil vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache wie folgt entschieden:

12

"2.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

 3.

Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

13

Das FA macht geltend, der Begriff der juristischen Person sei nicht auslegungsfähig. Das FG habe sich nicht mit der Frage befasst, ob eine Gleichstellung mit einer juristischen Person möglich sei, sondern sich damit begnügt, dass eine KG eingliederungsfähig sei. Die Beschränkung auf juristische Personen diene der Vermeidung der Steuerhinterziehung und der Steuerumgehung. Erforderlich seien Durchgriffsmöglichkeiten. Die steuerlich für die Organschaft verantwortliche Person müsse in der Lage sein, die Geschäfte der Gruppe zu steuern.

14

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

16

Die Einbeziehung der Tochterpersonenhandelsgesellschaft sei insbesondere aus Gründen des Unionsrechts und unter Berücksichtigung des Neutralitätsgrundsatzes geboten. Das nationale Recht sei richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass eine Differenzierung zwischen juristischer Person und sonstigen Einheiten nicht möglich sei. Maßgeblich seien die kapitalistische Struktur der GmbH & Co. KG und deren Nähe zur juristischen Person. Der Wortlaut setze der richtlinienkonformen Auslegung keine Grenzen. Dabei sei auch der Begriff des Zusammenschlusses in § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift sei auf Personengesellschaften anwendbar. Auf eine richtlinienkonforme Extension oder eine Gesetzesanalogie komme es insoweit nicht an. Die GmbH & Co. KG sei im Rahmen von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG einer juristischen Person gleichzusetzen. Der Gesetzgeber habe das Ziel der Gleichbehandlung nicht aus dem Blick verloren. Gleiches ergebe sich unter den Gesichtspunkten einer Rechtsfortbildung oder einer Analogie. Vorzugswürdig sei eine Gesamtanalogie zu beiden Alternativen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die hierfür erforderliche planwidrige Regelungslücke ergebe sich aus der unzureichenden Umsetzung des Unionsrechts. Dem stehe das Rechtsstaatsprinzip nicht entgegen, da es sich um eine den Steuerpflichtigen begünstigende Regelung handele. Eine teleologische Extension spreche für ihre Rechtsauffassung. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erweitere denn Begriff der juristischen Person. Die Beschränkung auf juristische Personen verhindere weder missbräuchliche Praktiken noch Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung. Dass eine Unterordnung diesen Zielen diene, sei nicht ersichtlich. Eine enge Verbundenheit reiche aus. Diese Verbundenheit liege vor. Sie sei einzige Gesellschafterin bei allen Gesellschaften gewesen und habe sich bei diesen in den Gesellschafterversammlungen jederzeit durchsetzen können.

Entscheidungsgründe

17

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG beschränkt die Organschaft auf die Eingliederung juristischer Personen. Dies ist wegen des bei Personengesellschaften grundsätzlich bestehenden Einstimmigkeitsprinzips auch sachlich gerechtfertigt. Eine aus Gründen der Rechtsformneutralität erforderliche Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist mit Blick auf die mit dieser Vorschrift getroffene gesetzgeberische Grundentscheidung nur in engem Umfang und deshalb lediglich bei den Personengesellschaften möglich, bei denen Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Unionsrecht. Im zweiten Rechtsgang sind weitere Feststellungen zum Gesellschafterkreis der Personengesellschaften zu treffen.

18

1. Die Organschaft setzt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Eingliederung einer juristischen Person voraus und schließt damit die Personengesellschaft aus dem Kreis der eingliederbaren Personen aus.

19

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

20

Die Organschaft dient der  Verwaltungsvereinfachung  (BTDrucks V/48 § 2; BTDrucks IV/1590, S. 36; zum gesetzlichen Festhalten an der vorkonstitutionellen Organschaft des UStG 1934, RStBl 1934, 1549 ff.; zum Vereinfachungszweck vgl. Stadie, in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz 784, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, Rz 41). Da anhand der Organschaft über die Person des Steuerschuldners zu entscheiden ist, müssen die Voraussetzungen hierfür rechtssicher ausgestaltet sein (BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Tomoiagă vom 9. Juli 2015, C-144/14, EU:C:2015:452, Rz 34 f.). Das verhindert rechtliche Irrtümer und damit verbundene Steuerumgehungen (vgl. allgemein EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 41).

21

b) § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG definiert den Begriff der juristischen Person nicht.

22

aa) Mangels eigenständiger steuerrechtlicher Begriffsbildung ist das zivil- und gesellschaftsrechtliche Verständnis der juristischen Person maßgeblich. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verwendet mit der "juristischen Person" eine im Zivilrecht geläufige Terminologie und nimmt den darin ausgedrückten Tatbestand auf (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27. Dezember 1991  2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, unter 1.a cc)). Juristische Person ist daher eine Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, wie etwa eine GmbH (vgl. § 13 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) oder eine Aktiengesellschaft (§ 1 Abs. 1 des Aktiengesetzes --AktG--).

23

bb) Nicht zu den juristischen Personen gehören Personenhandelsgesellschaften wie OHG oder KG. Diese können zwar unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (§§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs --HGB--), begründen diese aber nicht aufgrund einer eigenen Rechtspersönlichkeit (vgl. § 1 Abs. 1 AktG).

24

Hieran hat sich durch das gewandelte Verständnis zur Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft nichts geändert. Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der die Personenhandelsgesellschaft kein gegenüber ihren Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt war, so dass "Träger der im Namen der Gesellschaft begründeten Rechte und Pflichten" die "gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter" waren (so z.B. noch BGH-Urteil vom 24. Januar 1990 IV ZR 270/88, BGHZ 110, 127). Demgegenüber erkennt der BGH nunmehr die Rechtsfähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts an, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (BGH-Urteil vom 29. Januar 2001 II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, Leitsatz; vgl. zur Personenhandelsgesellschaft BGH-Urteil vom 5. März 2008 IV ZR 89/07, BGHZ 175, 374, unter II.2.a(3)). Wie der BGH aber zugleich ausdrücklich klargestellt hat, wird die Personengesellschaft durch die Anerkennung dieser Rechtsfähigkeit nicht zur juristischen Person (BGH-Urteil in BGHZ 146, 341, unter A.I.4., Rz 13; vgl. auch EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 37).

25

c) Die Eingliederung einer Personengesellschaft kommt nicht entsprechend früherer BFH-Rechtsprechung aufgrund eines organschaftsähnlichen Verhältnisses in Betracht.

26

aa) Der BFH ist in seiner Rechtsprechung zunächst davon ausgegangen, dass zwischen einem Gesellschafter und seiner Personenhandelsgesellschaft ein sog. organschaftsähnliches Verhältnis bestehen könne. Die sich hieraus ergebende Unselbständigkeit beruhte auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wobei sich der BFH für die Bestimmung der Unselbständigkeit an § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG und damit an den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung orientierte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. November 1964 V 245/61 S, BFHE 81, 506, BStBl III 1965, 182).

27

bb) Diese Rechtsprechung hat der erkennende Senat später aufgegeben und entschieden, dass eine Personengesellschaft des Handelsrechts nicht i.S. von § 2 Abs. 2 UStG unselbständig sein kann (BFH-Urteil vom 8. Februar 1979 V R 101/78, BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362). Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Erwägungsgründe des historischen Gesetzgebers, nach denen der "Begriff der Organschaft ... nur noch bei juristischen Personen anwendbar" ist, entschied der Senat, dass eine Ausdehnung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auf "nichtrechtsfähige Personenvereinigungen" dem Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers widerspricht.

28

cc) Der erkennende Senat hält an seinem Urteil in BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362 im Interesse einer einfachen und rechtssicheren Bestimmung des Steuerschuldners für den Organträger im Grundsatz weiter fest (vgl. auch zu § 13b UStG BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, unter II.3.a):

29

(1) Einfach und rechtssicher kann über die finanzielle Eingliederung als Voraussetzung für die Organschaft entschieden werden, wenn der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. zuletzt BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, unter II.2.a, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Maßgeblich ist im Regelfall die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter, so dass eine Beteiligung von mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft ausreicht, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2., m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Weicht die kapitalmäßige Beteiligung von den Stimmrechten ab (z.B. aufgrund "stimmrechtsloser Geschäftsanteile" bei der GmbH oder aufgrund von "Vorzugsaktien" ohne Stimmrecht bei der Aktiengesellschaft), ist auf das Verhältnis der gesellschaftsrechtlichen Stimmrechte abzustellen. Im Interesse der Rechtsklarheit sind Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten dabei grundsätzlich ohne Bedeutung. Dementsprechend hat der BFH eine finanzielle Eingliederung auf der Grundlage derartiger Rechtsgeschäfte in der Vergangenheit nicht bejaht (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.b, und vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BStBl II 2013, 873, unter II.2.b cc). "Stimmbindungsvereinbarungen" und "Stimmrechtsvollmachten" können bei der Prüfung der finanziellen Eingliederung somit nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ("Geschäftsanteil mit Mehrstimmrecht") ergeben.

30

(2) Während über die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person rechtssicher, einfach und ohne Nachweisschwierigkeiten entschieden werden kann, trifft dies auf die Personengesellschaft nicht zu:

31

(a) Das gesellschaftsrechtliche Stimmrecht beruht bei juristischen Personen auf den Regelungen der notariell zu beurkundenden Satzung (vgl. zur GmbH § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG und zur Aktiengesellschaft § 23 und §§ 8 ff., insbesondere § 12 AktG). Die den Gesellschaftern obliegenden Entscheidungen sind bei den juristischen Personen nach dem Mehrheitsprinzip zu treffen (§ 47 Abs. 1 GmbHG und § 133 Abs. 1 AktG). Daher ist es dem Gesellschafter, der über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, möglich, seinen Willen in der Gesellschaft durchzusetzen.

32

Die Übertragung von Geschäftsanteil und Aktie und des mit ihnen verbundenen Stimmrechts ist zudem rechtssicher nachvollziehbar (vgl. bei der GmbH § 15 Abs. 3 GmbHG und bei der Aktiengesellschaft § 67 AktG und die Inhaberschaft am Wertpapier). Zudem bestehen für Mehrheitsbeteiligungen Meldepflichten (vgl. § 20 Abs. 4 AktG).

33

(b) Demgegenüber gilt bei den Personengesellschaften das Einstimmigkeitsprinzip (vgl. § 709 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- zur GbR, § 119 Abs. 1 HGB zur OHG und § 161 Abs. 2 HGB zur KG). Ein hiervon abweichendes Mehrheitsprinzip steht einer Mehrheitsentscheidung durch nur einen Gesellschafter entgegen, da dann im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu entscheiden sein soll (vgl. § 709 Abs. 2 BGB, § 119 Abs. 2 HGB). Selbst wenn aufgrund darüber hinaus abweichender Regelungen ein Gesellschafter Mehrheitsentscheidungen durchsetzen kann, bestehen zumindest Nachweisschwierigkeiten. Denn abgesehen von Sonderfällen wie etwa der Einbringung von Grundstücken in eine Gesamthand (vgl. § 311b BGB) besteht für den Abschluss und die Änderung von Gesellschaftsverträgen bei Personengesellschaften keinerlei Formzwang. Gesellschaftsvertragliche Stimmrechtsvereinbarungen, die von den §§ 709 BGB und 119 HGB abweichen, können daher auch mündlich getroffen und geändert werden (zur formlosen Änderung trotz Schriftformklausel vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 I R 115/95, BFHE 181, 281, BStBl II 1997, 138, Leitsätze 1 und 2).

34

Im  Kontext des nationalen Rechts,  in dem über die Organschaft ohne besonderes Feststellungsverfahren mit Rückwirkung für alle unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung) stehenden Besteuerungszeiträume der Vergangenheit in jedem Stadium des Besteuerungs- oder Rechtsbehelfsverfahrens neu entschieden werden kann, besteht damit bei Personengesellschaften im Allgemeinen keine hinreichende Grundlage, um die Person des Steuerschuldners einfach und rechtssicher bestimmen zu können (vgl. auch die Grundsatzentscheidung des Senats vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, von der ein anonymisierter Abdruck beiliegt). Über die Organschaft und die mit ihr --wie im Streitfall-- erstrebten günstigen Rechtsfolgen kann auch aus Gründen der allgemeinen Missbrauchsprävention nicht mit Wirkung für die Vergangenheit nach Maßgabe von Vereinbarungen entschieden werden, die nahestehende Personen z.B. mündlich getroffen haben (wollen). Unbeschadet ihrer zivilrechtlichen Wirksamkeit folgt daraus nicht, dass sie auch Grundlage für die Besteuerung sein müssen.

35

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass an die --aufgrund der Organschaft vom Zivilrecht abweichende-- Feststellung des Steuerschuldners höhere Anforderungen zu stellen sind, als bei der bloßen Prüfung, ob z.B. Leistungen gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt werden. Denn das nationale Recht (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) und das Unionsrecht (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG; Art. 11 MwStSystRL) behandeln die verbundenen Personen zusammen als einen Steuerpflichtigen, wobei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Steuerpflicht ausschließlich auf den Organträger verlagert, indem die juristische Person gegenüber dem Organträger als unselbständig angesehen wird.

36

2. Trotz des vom nationalen Gesetzgeber grundsätzlich vorgesehenen Ausschlusses der Personengesellschaft aus dem Kreis der eingliederungsfähigen Personen, kann die Personengesellschaft ausnahmsweise auf der Grundlage einer teleologischen Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wie eine juristische Person als eingegliedert angesehen werden. Erforderlich ist, dass die finanzielle Eingliederung wie bei einer juristischen Person zu bejahen ist. Dies setzt voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei --der stets möglichen-- Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist.

37

a) "Teleologische Extension" (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 V R 38/08, BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.) setzt eine Regelungslücke voraus. Die Norm muss gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig sein. Ihre Ergänzung darf nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widersprechen. Dass eine gesetzliche Regelung rechtspolitisch als verbesserungsbedürftig anzusehen ist ("rechtspolitische Fehler"), reicht nicht aus. Ihre Unvollständigkeit erschließt sich vielmehr aus dem gesetzesimmanenten Zweck und kann auch bei einem eindeutigen Wortlaut vorliegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.5.a, und vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529, unter II.4.b bb, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Die Gesetzeslücke ist in einer dem Gesetzeszweck, der Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik entsprechenden Weise durch Analogie, teleologische Extension oder Reduktion zu schließen (BFH-Urteil in BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.5.a). Dies ist Aufgabe der Fachgerichte (vgl. z.B. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 1990  1 BvR 1186/89, BVerfGE 82, 6, Neue Juristische Wochenschrift 1990, 1593, unter C.I.1.).

38

b) Die teleologische Extension einer umsatzsteuerrechtlichen Norm kann auch aus Gründen des Verfassungsrechts notwendig sein.

39

aa) Nach der Rechtsprechung des BVerfG wie auch des erkennenden Senats ist die Bindung an die Grundrechte des Grundgesetzes (GG) auch im Bereich der unionsrechtlich harmonisierten Umsatzbesteuerung zu beachten, soweit das Unionsrecht "den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum einräumt" (BVerfG-Beschluss vom 20. März 2013  1 BvR 3063/10, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 468, unter III.1.; BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 4/09, BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.4.e).

40

Daher sind im Bereich der Organschaft auch verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten. Zwar beruht die Organschaft unionsrechtlich auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Nach der Rechtsprechung des EuGH bedarf die sich aus der Richtlinie ergebende Voraussetzung der engen Verbindungen aber einer Präzisierung auf nationaler Ebene durch nationale Rechtsvorschriften, die den konkreten Umfang solcher Verbindungen bestimmen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50).

41

Übt der nationale Gesetzgeber daher die sich aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergebende Regelungsermächtigung aus, hat er somit im Rahmen der zu seinen Gunsten bestehenden Regelungs- und Präzisierungsbefugnisse die allgemeinen verfassungsrechtlichen Bindungen zu beachten.

42

bb) Zielt der "umsatzsteuerrechtliche Belastungsgrund ... auf die umsatzsteuerliche Erfassung jedes Unternehmers, mag dieser in der Rechtsform einer juristischen Person, in der Rechtsform einer gewerblichen Personengesellschaft oder als freiberuflich Tätiger Umsätze erbringen (...)" (BVerfG-Beschluss in UR 2013, 468, unter III.2.a aa), so ist es gleichwohl mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn z.B. nur Freiberufler-Personenunternehmen, die weder buchführungspflichtig sind noch freiwillig Bücher führen, nicht aber auch buchführungspflichtige Freiberufler-Kapitalgesellschaften die Vorteile der Ist-Besteuerung in Anspruch nehmen können. Denn deren Anwendungsbereich beruht nicht auf "einer allein rechtsformbezogenen Differenzierung", sondern hängt nach § 20 Satz 1 UStG maßgebend davon ab, ob die Unternehmen Bücher führen (BVerfG-Beschluss in UR 2013, 468, unter III.3. zum Senatsurteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.3.b cc 4., in Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 22. Juli 1999 V R 51/98, BFHE 189, 211, BStBl II 1999, 630).

43

So wie das Gebot einer rechtsformneutralen Besteuerung unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Gesetzeszwecks den Anwendungsbereich einer gesetzlichen Vorschrift einzuschränken vermag (vgl. das Senatsurteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.3.b cc (4), zur Einschränkung von § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG a.F. auf die Unternehmer, die auch freiwillig keine Bücher führen), kann es --umgekehrt-- den Regelungsbereich einer nach ihrem Gesetzeswortlaut zu eng gefassten Norm erweitern.

44

c) Danach ist § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG teleologisch erweiternd auszulegen:

45

aa) § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG stellt mit dem Erfordernis der Eingliederung einer juristischen Person nur vordergründig auf ein rechtsformbezogenes Merkmal ab, das aber nach dem Normzweck dieser Regelung dazu dient, die Voraussetzungen der Organschaft leicht und einfach festzustellen und damit zu der mit der Organschaft angestrebten Verwaltungsvereinfachung und Missbrauchsvermeidung (s. oben unter II.1.c cc (2) (b)) beiträgt. Dementsprechend trifft das Gesetz in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG grundsätzlich eine sachlich vertretbare Unterscheidung danach, ob die einzugliedernde Gesellschaft eine juristische Person ist und verstößt deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

46

Erlauben die mit § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verfolgten Regelungsziele unter Berücksichtigung der Besonderheiten des nationalen Gesellschaftsrechts im Allgemeinen die Begrenzung auf eingegliederte juristische Personen und damit einen Ausschluss der Personengesellschaft (s. oben II.1.c cc (2) (b)), rechtfertigt dies nicht den Ausschluss der Personengesellschaften, bei denen das dort grundsätzlich bestehende Einstimmungsprinzip (s. oben II.1.c cc (2) (b)) von vornherein ohne Bedeutung ist und daher bereits abstrakt einer finanziellen Eingliederung nicht entgegenstehen kann. Ein Ausschluss auch derartiger Personengesellschaften ist mit dem --auf die Beschränkung juristischer Personen verfolgten-- Regelungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht zu vereinbaren. Damit liegt eine Regelungslücke vor, da ein bestimmter Sachbereich zwar gesetzlich geregelt ist, aber keine Vorschrift für die Fälle enthält, die nach dem Grundgedanken und dem System des Gesetzes hätten mitgeregelt werden müssen. Es handelt sich daher um eine Regelung, die gemessen an ihrem Zweck unvollständig und ergänzungsbedürftig ist.

47

bb) Die bei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehende Gesetzeslücke ist entsprechend dem Gesetzeszweck in der Weise zu schließen, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erweiternd auch auf die Personengesellschaft anzuwenden ist, bei der neben dem Organträger Gesellschafter nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (Änderung der Rechtsprechung). Trifft dies auf alle Gesellschafter der Personengesellschaft zu, kann der Organträger seinen Willen durchsetzen, so dass dem allgemeinen Einstimmigkeitsprinzip bei der Personengesellschaft (s. oben II.1.c cc (2) (b)) von vornherein keine Bedeutung zukommt. Denn sind die Mitgesellschafter bei der Personengesellschaft finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert, ist das bei der Personengesellschaft grundsätzlich bestehende Einstimmigkeitserfordernis allgemein ungeeignet, einer Willensdurchsetzung des Organträgers bei der Organgesellschaft entgegenzustehen. Ist neben dem Organträger z.B. eine Personengesellschaft Mitgesellschafter, kommt es dementsprechend darauf an, dass auch in Bezug auf deren Gesellschafter eine finanzielle Eingliederung ausnahmslos --in einer bis zum Organträger reichenden Organkette-- zu bejahen ist.

48

Dies steht nicht im Widerspruch zu der vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung der Organschaft auf bestimmte Tatbestände, sondern erweitert den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur unter strikter Beachtung der dieser Vorschrift zugrunde liegenden Wertungen der Rechtssicherheit, Verwaltungsvereinfachung und Missbrauchsvermeidung.

49

cc) Der erkennende Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Soweit dieser in seinen Vorlagebeschlüssen in BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428 davon ausgegangen ist, dass eine Personengesellschaft nicht Organgesellschaft sein kann, haben diese Entscheidungen, denen kein abschließender Charakter zukommt, keine Bindungswirkung (vgl. z.B. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 28a; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 4). Dies gilt jedenfalls dann, wenn es um die Beurteilung im Anschluss an das auf die BFH-Vorlage ergangene EuGH-Urteil geht.

50

3. Eine weitergehende Organschaft, die allgemein eine Eingliederung von Personengesellschaften ermöglichen würde, ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht.

51

a) Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Diese Regelung dient der "Verwaltungsvereinfachung" und der "Verhinderung bestimmter Missbräuche" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40).

52

b) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

53

aa) Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50 f.).

54

bb) Entscheiden sich Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dafür, Regelungen zur Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen zu schaffen, haben sie bei der Ausübung der ihnen zustehenden Präzisierungsbefugnis die hierfür unionsrechtlich bestehenden Anforderungen zu berücksichtigen.

55

(1) Die Mitgliedstaaten haben zu beachten, dass sie die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG mögliche Zusammenfassung zu einem Steuerpflichten nicht von weiteren als den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen abhängig machen dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 38) und dass das Unionsrecht die Regelung zur Mehrwertsteuergruppe nicht allein den Einheiten vorbehält, die juristische Person sind (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Leitsatz 2). Auf eine Unterordnung darf nur ausnahmsweise abgestellt werden, etwa wenn dies zur z.B. "Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen" erforderlich und geeignet ist (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 39 ff.). Hierüber hat das nationale Gericht zu entscheiden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 43).

56

(2) Die auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG getroffenen Regelungen haben --wie stets-- den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beachten. Danach müssen "die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig sein" und ihre Anwendung muss für die Betroffenen vorhersehbar sein, "wobei dieses Gebot der Rechtssicherheit in besonderem Maß gilt, wenn es sich um Vorschriften handelt, die finanzielle Konsequenzen haben können, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch diese Vorschriften auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen". Zudem "müssen die Rechtsnormen der Mitgliedstaaten auf den vom Unionsrecht erfassten Gebieten eindeutig formuliert sein, so dass den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht wird, und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt werden, deren Einhaltung sicherzustellen" (EuGH-Urteil Tomoiagă, EU:C:2015:452, Rz 35, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Bei der Regelung zur Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen handelt es sich aufgrund der damit verbundenen Verlagerung der Steuerschuld von der Organgesellschaft auf den Organträger "um Vorschriften ..., die finanzielle Konsequenzen haben können".

57

c) Unter Berücksichtigung dieser Erfordernisse besteht für den nationalen Gesetzgeber eine hinreichende unionsrechtliche Grundlage, die Regelung zur Organschaft im Grundsatz auf die Eingliederung juristischer Personen zu beschränken.

58

aa) Die Einschränkung der Organschaft auf die Eingliederung juristischer Personen dient nicht dazu, die Umsatzbesteuerung rechtsformabhängig auszugestalten, sondern soll den unionsrechtlich auch vom EuGH anerkannten Präzisierungsvorbehalt rechtssicher ausfüllen (s. oben unter II.1.c cc).

59

bb) Kann aufgrund der Besonderheiten des nationalen Gesellschaftsrechts im Regelfall nur bei juristischen Personen mit der erforderlichen Klarheit und damit rechtssicher über die Eingliederungsvoraussetzungen entschieden werden (s. oben II.1.c cc), rechtfertigt dies die grundsätzliche Einschränkung auf eine Eingliederung juristischer Personen. Zudem trägt der erkennende Senat den Erfordernissen des Unionsrechts, insbesondere dem Ziel einer im Grundsatz rechtsformneutralen Besteuerung (s. oben II.2.c), dadurch Rechnung, dass er in Sonderfällen, in denen die Eingliederungsvoraussetzungen auch in Bezug auf Tochterpersonengesellschaften zweifelsfrei vorliegen, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG teleologisch erweiternd auslegt (s. oben II.2.c).

60

4. Danach hat das FG im Streitfall die Eingliederung der beiden KGs zu Unrecht aufgrund einer allgemeinen Gleichstellung von juristischen Personen und Personengesellschaften bejaht. Beide KGs sind indes nur dann Organgesellschaften der Klägerin, wenn z.B. neben der Klägerin als mögliche Organträgerin nur die B-GmbH als Gesellschafterin an den beiden KGs beteiligt gewesen wäre und in Bezug auf die B-GmbH eine finanzielle Eingliederung in das Unternehmen der Klägerin besteht. Zwar erscheint dies nach Aktenlage möglich, jedoch bestehen noch Unklarheiten in Bezug auf die zahlreichen Umwandlungsvorgänge. Daher sind ausdrückliche Feststellungen zum Gesellschafterkreis der beiden KGs und der finanziellen Eingliederung dieser Gesellschafter in das Unternehmen der Klägerin nachzuholen.

61

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die beim Einbau von Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär- und Klimaanlagen sowie im Trockenausbau steuerpflichtige Leistungen erbrachte. Der Kläger hatte Geschäftsräume an die GmbH vermietet. Er versteuerte die Umsätze der GmbH als deren Organträger nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes jeweils in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG).

2

Im März 2002 beantragte der Kläger für die GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Das zuständige Amtsgericht ordnete am 19. März 2002 Sicherungsmaßnahmen an und bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Der Beschluss hatte folgenden Wortlaut:

3

"1. Es wird gemäß § 21 Abs. 2 Ziffern 1 und 2 InsO die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Antragstellerin angeordnet.

4

2. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wird bestellt: Rechtsanwalt S ... .

5

3. Es wird angeordnet, dass Verfügungen der Antragstellerin nur noch mit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Ziffer 2, 2. Alt. InsO)

6

4. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Antragstellerin. Er wird ermächtigt, mit rechtlicher Wirkung für die Antragstellerin zu handeln, ist jedoch verpflichtet, diese Befugnis nur dann wahrzunehmen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgaben schon vor Verfahrenseröffnung dringend erforderlich ist. Der vorläufige Insolvenzverwalter soll insbesondere gemäß § 22 Abs. 2 InsO

7

a) das Vermögen der Antragstellerin sichern und erhalten;

8

b) prüfen, ob ein nach der Rechtsform der Antragstellerin maßgeblicher Eröffnungsgrund vorliegt, ob eine freie Vermögensmasse zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausreicht und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens der Antragstellerin bestehen.

9

Die Verfügungsbefugnis über bestehende Arbeitsverhältnisse obliegt weiterhin der Antragstellerin; die Begründung, Änderung und Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse bedürfen jedoch der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters.

10

5. Der Antragstellerin wird jegliche Verfügung über Bankkonten und damit zusammenhängende Kreditsicherheiten, Verträge und Rechtsgeschäfte untersagt und die Verfügungsbefugnis insoweit ausschließlich dem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen.

11

Den Schuldnern der Antragstellerin (Drittschuldnern) wird verboten, an die Antragstellerin zu leisten. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Bankguthaben, Zahlungseingänge auf Konten und sonstige Forderungen der Antragstellerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Drittschuldner werden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO). ..."

12

Während des Eröffnungsverfahrens wurden Bauvorhaben fortgeführt und Restarbeiten vorgenommen. Die GmbH stellte ihren Geschäftsbetrieb zum 31. März 2002 ein. Das Insolvenzgericht eröffnete mit Beschluss vom 20. August 2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH.

13

Der Kläger gab für das Streitjahr 2002 keine Umsatzsteuererklärung ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ am 11. November 2003 einen Schätzungsbescheid für das Streitjahr, der unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) erging. Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA davon aus, dass der von der GmbH in Anspruch genommene Vorsteuerabzug bei Insolvenzeröffnung insoweit wegen Uneinbringlichkeit gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen sei, als die GmbH Entgelte für die von ihr bezogenen Leistungen nicht entrichtet hatte. Das FA erließ am 2. Januar 2006 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid, in dem ein entsprechender Vorsteuerberichtigungsanspruch berücksichtigt wurde. Auch hiergegen erhob der Kläger Einspruch. In der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2007 erhöhte das FA im Einvernehmen mit dem Kläger die Umsatzsteuer für Ausgangsumsätze und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

14

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Die Organschaft habe nicht bereits mit der Bestellung des vorläufigen Verwalters geendet, sondern bis zur Insolvenzeröffnung bestanden, so dass sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch gegen den Kläger als Organträger gerichtet habe.

15

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Die für die Organschaft erforderliche organisatorische Eingliederung sei bereits mit der Bestellung des vorläufigen Verwalters entfallen, so dass sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch nicht gegen ihn richte. Der vorläufige Verwalter habe wie ein starker Verwalter gehandelt und ihm faktisch die Geschäftsführung entzogen. Der vorläufige Verwalter habe seine insolvenzrechtlichen Befugnisse überschritten und Arbeitskräfte beschäftigt. Er habe eigene operative Geschäftsentscheidungen getroffen. Es hätte im Verfahren vor dem FG eine Beweisaufnahme durchgeführt werden müssen. Mit Schreiben vom 29. Juli 2002 habe der vorläufige Insolvenzverwalter die an die GmbH vermieteten Räume freigegeben, so dass zumindest zu diesem Zeitpunkt die wirtschaftliche Eingliederung entfallen sei. Es sei im Übrigen auch nicht zwischen starker und schwacher vorläufiger Insolvenzverwaltung zu differenzieren. Schließlich sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) fraglich, ob der Ausschluss einer abweichenden Willensbildung in der GmbH für eine organisatorische Eingliederung ausreiche.

16

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG und den Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 11. November 2003, geändert durch den Bescheid vom 2. Januar 2006, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2007 aufzuheben und Umsatzsteuer in Höhe von 1.571,19 € festzusetzen.

17

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

18

Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH sei von einem Fortbestand der Organschaft auszugehen. Der Kläger habe sich nicht mehr um die Geschäftsführung der GmbH gekümmert. Er hätte auf eine Änderung des vom Insolvenzgericht gefassten Beschlusses hinwirken können. Von einer Zeugeneinvernahme des Insolvenzverwalters habe das FG zu Recht abgesehen.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die organisatorische Eingliederung einer GmbH in das Unternehmen des Organträgers endet, wenn das Insolvenzgericht für die GmbH einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und dabei gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 der Insolvenzordnung (InsO) anordnet, dass Verfügungen der GmbH nur noch mit seiner Zustimmung wirksam sind.

20

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

21

Unionsrechtlich beruhte diese Vorschrift im Streitjahr auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

22

Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG führt die Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu einer "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019 Rdnr. 19; zur Behandlung mehrerer Personen als einen Steuerpflichtigen vgl. auch EuGH-Urteile vom 9. April 2013 C-85/11, Kommission/ Irland, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 418 Rdnrn. 35 ff., und vom 25. April 2013 C-480/10, Kommission/Schweden, UR 2013, 423 Rdnrn. 33 ff.), für die nach ständiger BFH-Rechtsprechung ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen einer Organgesellschaft als "untergeordneter Person" und dem sog. Organträger vorliegen muss (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa; vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b aa, und zuletzt vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.1.).

23

2. Die Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dienen der Feststellung, ob das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis besteht. Dabei kommt es insbesondere auf die finanzielle und die organisatorische Eingliederung an.

24

a) Finanziell muss der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2., und in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.2.a). Aufgrund des Erfordernisses eines zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft bestehenden Über- und Unterordnungsverhältnisses hat der Senat seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der eine Organschaft auch zwischen Schwestergesellschaften bestehen konnte (Senatsurteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b aa, und dem folgend BFH-Urteil in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.3.d).

25

b) Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.2.; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.f aa; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.b, und die bisherige Rechtsprechung zusammenfassend vom 28. Oktober 2010 V R 7/10, BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2., m.w.N.).

26

Hiervon ist z.B. dann auszugehen, wenn bei zwei GmbHs eine Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen besteht (BFH-Urteile vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.1.c bb; in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.3.; ebenso nunmehr Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 2 des Umsatzsteueranwendungserlasses --UStAE-- in der Fassung des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 7. März 2013, BStBl I 2013, 333). Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt und zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist (BFH-Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.a aa; ebenso Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 8 UStAE).

27

3. Der erkennende Senat ist in seiner bisherigen Rechtsprechung insbesondere zur Bestellung von Verwaltern im Vorfeld einer Konkurs- oder Insolvenzeröffnung davon ausgegangen, dass sich die organisatorische Eingliederung --ohne Möglichkeit zur Willensdurchsetzung-- auch daraus ergeben kann, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (so erstmals Senatsurteil vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a bb; zur sog. Sicherungssequestration unter der Geltung der Konkursordnung Senatsurteile vom 13. März 1997 V R 96/96, BFHE 182, 426, BStBl II 1997, 580, unter II.2.; vom 28. Januar 1999 V R 32/98, BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.1. und 2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.3., und zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt Senatsurteil vom 1. April 2004 V R 24/03, BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905, unter II.2.). Der Senat, der in seinem Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.b ausdrücklich offengelassen hat, ob diese Rechtsprechung fortzuführen ist, hält hieran nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht fest.

28

a) Die "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" aufgrund der Organschaft (s. oben II.1.) hat zur Folge, dass der Organträger als Steuerpflichtiger für alle Organgesellschaften "öffentliche Gelder" als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen hat, wie der EuGH ausdrücklich entschieden hat (EuGH-Urteile vom 20. Oktober 1993 C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105 Rdnr. 25, und vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, Slg. 2008, I-771 Rdnr. 21). Dies erfordert, dass zwischen Organträger und Organgesellschaft ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht (s. oben II.1.), durch das der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung auch rechtlich wahrnehmen kann. Nicht ausreichend ist, dass der Organträger bei der Organgesellschaft lediglich eine von seinem Willen abweichende Willensbildung ausschließen kann, da ein derartiges Vetorecht es dem Organträger nicht ermöglicht, die Aufgabe des "Steuereinnehmers" für die Organgesellschaft zu erfüllen.

29

Eine organisatorische Eingliederung aufgrund eines bloßen Ausschlusses einer vom Willen des Organträgers abweichenden Willensbildung in der Organgesellschaft lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass für eine Organschaft die Eingliederungsvoraussetzungen nicht gleichermaßen stark ausgeprägt sein müssen (vgl. Senatsurteile in BFH/NV 1993, 133, unter II.a aa; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.2.; in BFH/NV 2002, 223, unter II.3., und in BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905, unter II.2.; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a, und vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II.1.b). Denn eine weniger starke Ausprägung einer einzelnen Eingliederungsvoraussetzung rechtfertigt nicht den Verzicht auf das Erfordernis einer Willensdurchsetzung. Daher setzt die finanzielle Eingliederung stets eine Mehrheitsbeteiligung (s. oben II.2.a) voraus, so dass eine nur ein bloßes Vetorecht vermittelnde Sperrminorität von z.B. 50 % der Stimmrechte nicht ausreicht.

30

b) Kommt es für die organisatorische Eingliederung auf die Möglichkeit zur Willensdurchsetzung an und reicht die Verhinderung einer abweichenden Willensbildung nicht aus, entfällt --selbst wenn der bisherige Organträger einziger Geschäftsführer der GmbH bleibt-- die organisatorische Eingliederung, wenn für die GmbH ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit allgemeinen Zustimmungsvorbehalt bestellt wird. Da der vorläufige Insolvenzverwalter nicht nur befugt, sondern insolvenzrechtlich sogar verpflichtet ist, Zahlungen der GmbH an den bisherigen Organträger zu verhindern, entfällt für den Organträger die Möglichkeit, die GmbH zu beherrschen und die Steuer für die Umsätze aus der Tätigkeit der bisherigen Organgesellschaft als Steuerschuldner und damit als "Steuereinnehmer" zu entrichten.

31

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bewirkt der Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO, dass der vorläufige Insolvenzverwalter wirksame rechtsgeschäftliche Verfügungen des Schuldners verhindern kann. Der Zustimmungsvorbehalt berechtigt den vorläufigen Insolvenzverwalter zwar nicht dazu, den Schuldner gegen dessen Willen zu Handlungen anzuhalten. Der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt kann aber auf die Vertragsabwicklung durch den Schuldner dadurch Einfluss nehmen, dass er Vermögensverringerungen des Schuldners durch die Erfüllung von Verbindlichkeiten im Interesse der Gleichbehandlung aller Gläubiger verhindert (BGH-Urteil vom 18. Juli 2002 IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353, unter III.2.c bb).

32

Wie der BGH weiter entschieden hat, hat sich der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt am Ziel zu orientieren, die Forderungen einzelner Gläubiger nur zu erfüllen --und somit das Schuldnervermögen nur zu vermindern--, wenn dies im Einzelfall zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben, etwa zur Fortführung des Schuldnerunternehmens, im Interesse der Gläubigergesamtheit erforderlich oder wenigstens zweckmäßig erscheint. Auch der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt muss die künftige Masse sichern und erhalten. Es ist daher insbesondere nicht seine Aufgabe, einer Erfüllungshandlung des Schuldners durch seine Zustimmung Wirksamkeit zu verleihen, falls dies nicht im Interesse aller Gläubiger liegt. Vielmehr darf er die Rechtsfolge des § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO durch einen Widerspruch oder die Verweigerung der Zustimmung zu einer Genehmigung des Schuldners vorwegnehmen (BGH-Urteil vom 4. November 2004 IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49, unter II.3.b bb (1)).

33

Der BGH hat an dieser Rechtsprechung in der Folgezeit festgehalten und bestätigt, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter im Hinblick auf den schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung mehr Rechte zustehen als dem Schuldner, dass der vorläufige Insolvenzverwalter zweifelsfrei nicht verpflichtet sei, einen Gläubigeranspruch zu erfüllen, der im Insolvenzverfahren lediglich eine einfache Insolvenzforderung darstelle, weil er einer nicht insolvenzgesicherten Forderung keine Vorzugsstellung gegenüber ranggleichen Forderungen einräumen dürfe und dass dies auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gelte (BGH-Urteil vom 25. Oktober 2007 IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84, unter II.1.e).

34

bb) Nach dieser BGH-Rechtsprechung kann der Organträger den ihm nach § 426 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches zustehenden Anspruch gegen die Organgesellschaft auf Zahlung der Umsatzsteuer, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Organgesellschaft verursacht ist (BGH-Urteil vom 29. Januar 2013 II ZR 91/11, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht --WM-- 2013, 468, unter II.2.b), nicht mehr durchsetzen. Denn hat der vorläufige Insolvenzverwalter die Pflicht zur Massesicherung, ist er berechtigt, seine Zustimmung zur Weiterleitung einer von der Organgesellschaft für Ausgangsleistungen vereinnahmten Umsatzsteuer an den Organträger zu verweigern. Dies steht der Annahme, dass der Organträger aufgrund einer Verschmelzung zu einem Steuerpflichtigen (s. oben II.1.) Steuereinnehmer auch für das Unternehmen der --ohne die Organschaft umsatzsteuerrechtlich selbständigen-- Organgesellschaft sein kann (s. oben II.3.a), entgegen.

35

c) Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Auch der XI. Senat des BFH verlangt für die finanzielle Eingliederung, dass der Organträger über die Mehrheit der Stimmrechte bei der abhängigen juristischen Person verfügt und dass ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht (BFH-Urteil in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2.). Es besteht darüber hinaus kein Widerspruch zum Urteil des XI. Senats vom 14. März 2012 XI R 28/09 (BFH/NV 2012, 1493), das nicht zum Fortbestand der Organschaft bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, sondern zur Frage ergangen ist, ob bei einem unterstellten Fortbestand der Organschaft zugunsten des Organträgers ein Anspruch auf Billigkeitserlass nach § 163 AO besteht. Eine Abweichung liegt nach ständiger BFH-Rechtsprechung nur bei einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage (vgl. z.B. zuletzt BFH-Urteil vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFH/NV 2013, 1138, unter II.4.d) und daher nur dann vor, wenn eine "Rechtsfrage unter dieselbe Rechtsvorschrift zu subsumieren ist" (BFH-Urteil vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569, unter II.6.a), so dass in dem den Streitfall betreffenden Festsetzungsverfahren nicht von einer Entscheidung zum Billigkeitsverfahren nach § 163 AO abgewichen werden kann, zumal in diesem Billigkeitsverfahren gemäß § 102 FGO eine nur eingeschränkte Überprüfung einer vom FA getroffenen Ermessensentscheidung erfolgt (BFH-Urteil vom 20. September 2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518, BFH/NV 2013, 103, unter II.1.b). Soweit der XI. Senat des BFH schließlich die Frage des Fortbestehens einer Organschaft als nicht grundsätzlich bedeutsam i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO angesehen hat (BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 2008 XI B 224/07, juris; vom 11. November 2008 XI B 65/08, BFH/NV 2009, 235, und vom 10. März 2009 XI B 66/08, BFH/NV 2009, 977), handelt es sich um Beschwerdeentscheidungen über die Zulassung der Revision, die nicht zu einer entscheidungserheblichen Divergenz führen. Denn im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision entscheidet der BFH im Rahmen einer auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Nichtzulassungsbeschwerde nicht über die der Beschwerde zugrunde liegende materielle Rechtsfrage (vgl. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 11 FGO Rz 29; ebenso zur fehlenden Abweichung von Beschlüssen im Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung BFH-Urteil vom 22. April 2008 VII R 21/07, BFHE 220, 319, BStBl II 2008, 735, unter II.2.).

36

4. Im Streitfall ist danach das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

37

a) Die GmbH war zunächst in das Unternehmen des Klägers organisatorisch eingegliedert, da der Kläger einziger Geschäftsführer der GmbH war. Entgegen dem Urteil des FG entfiel die organisatorische Eingliederung aber mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters für die GmbH, zu dessen Gunsten das Insolvenzgericht den Zustimmungsvorbehalt i.S. von § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO angeordnet hatte. Ob und welche weiter gehenden Rechte das Insolvenzgericht dem vorläufigen schwachen Verwalter einräumte, ist unerheblich. Ohne Bedeutung ist deshalb, ob sich der vorläufige schwache Verwalter wie ein starker, allgemein geschäftsführungsbefugter vorläufiger Verwalter gerierte, welche weiteren Befugnisse ihm zustanden und ob zu einem späteren Zeitpunkt auch die wirtschaftliche Eingliederung entfallen ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger beim Insolvenzgericht auf eine Änderung der nach § 21 InsO getroffenen Anordnungen hätte drängen können.

38

b) Die Sache ist nicht spruchreif. Da die Organschaft im Streitfall bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt endete, hat der Kläger die im Anschluss an diese Bestellung ausgeführten Umsätze der GmbH nicht zu versteuern. Diese sind im zweiten Rechtsgang der Höhe nach festzustellen.

39

c) In Bezug auf den vom FA gegen den Kläger geltend gemachten Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG wird im zweiten Rechtsgang zu beachten sein, dass die Organschaft zwar bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Verwalters mit Zustimmungsvorbehalt geendet hat, dass die nach dieser Vorschrift erforderliche Uneinbringlichkeit im selben Zeitpunkt --und damit vor einem möglichen Entfallen der wirtschaftlichen Eingliederung-- eingetreten ist, so dass die Organschaft noch im Zeitpunkt des Eintritts der Uneinbringlichkeit bestand und sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch daher gegen den Kläger als Organträger richtete (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 2002 V R 22/01, BFH/NV 2002, 1352, unter II.2.).

40

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Vorsteuerberichtigungsanspruch spätestens "im Augenblick" der Insolvenzeröffnung begründet (vgl. BFH-Urteile vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, unter II.2.c, und vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.b). Uneinbringlichkeit kann aber auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Leistungsempfänger zahlungsunfähig wird (BFH-Beschluss vom 10. März 1983 V B 46/80, BFHE 138, 107, BStBl II 1983, 389, unter 3.).

41

bb) Weder die Stellung eines Insolvenzantrags noch die bloße Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters reicht für sich allein zur Annahme der Uneinbringlichkeit aus (BGH-Urteil vom 19. Juli 2007 IX ZR 81/06, WM 2007, 1708, unter II.2.b bb).

42

Anders ist es, wenn das Insolvenzgericht sich nicht darauf beschränkt, einen vorläufigen Insolvenzverwalter nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO zu bestellen, sondern darüber hinaus gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt oder --wie im Streitfall-- allgemein anordnet, dass seine Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam sind (zur Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, zu dessen Gunsten weder ein allgemeines Verfügungsverbot noch ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt besteht, vgl. Haarmeyer, in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage 2013, § 22 Rz 128). Im Hinblick auf die Pflicht des vorläufigen Verwalters zur Massesicherung und dem sich hieraus ergebenden Verbot, die Gläubigeransprüche zu erfüllen, die vor seiner Bestellung begründet wurden und die im Insolvenzverfahren lediglich Insolvenzforderungen sind (s. oben II.3.b aa), haben beide Arten der Verfügungsbeschränkung nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO und damit auch die Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts zur Folge, dass der Gläubiger seinen Entgeltanspruch --selbst wenn es nachfolgend zu keiner Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, sondern diese z.B. mangels Masse unterbleibt-- zumindest für die Dauer des Eröffnungsverfahrens und damit im Regelfall über einen längeren Zeitraum von ungewisser Dauer (BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 49/10, BFH/NV 2012, 1665, unter II.2.a) nicht mehr durchsetzen kann. Dies gilt unabhängig davon, welche weiteren Befugnisse für den vorläufigen Insolvenzverwalter im jeweiligen Einzelfall bestehen. Dementsprechend ist im Streitfall bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt von einer Uneinbringlichkeit auszugehen.

43

5. Auf die Verfahrensrüge kam es nicht mehr an.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Das Gericht kann in geeigneten Fällen ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides mündliche Verhandlung beantragen. Hat das Finanzgericht in dem Gerichtsbescheid die Revision zugelassen, können sie auch Revision einlegen. Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Aufwendungen der Finanzbehörden sind nicht zu erstatten.

(3) Gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistands, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind stets erstattungsfähig. Aufwendungen für einen Bevollmächtigten oder Beistand, für den Gebühren und Auslagen gesetzlich nicht vorgesehen sind, können bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte erstattet werden. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind die Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Steht der Bevollmächtigte oder Beistand in einem Angestelltenverhältnis zu einem Beteiligten, so werden die durch seine Zuziehung entstandenen Gebühren nicht erstattet.

(4) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Klage muss den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Klagebegehrens, bei Anfechtungsklagen auch den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben werden. Der Klage soll eine Abschrift des angefochtenen Verwaltungsakts und der Einspruchsentscheidung beigefügt werden.

(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende oder der nach § 21g des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Berufsrichter (Berichterstatter) den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist gilt § 56 entsprechend.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft (KG), vermietete im Streitjahr 2001 ein Grundstück an ihre Komplementärin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), und stellte dieser entgeltlich Personal und Inventar für die von der GmbH betriebenen Alten- und Pflegeheime zur Verfügung. Die Klägerin erledigte darüber hinaus Verwaltungsaufgaben und erbrachte Hausmeisterserviceleistungen für die GmbH.

2

Gesellschafter der Klägerin und der GmbH waren A, B und C zu jeweils einem Drittel. Die GmbH war zwar Komplementärin der Klägerin, jedoch ohne an der Klägerin kapitalmäßig beteiligt zu sein. Geschäftsführer der GmbH war A.

3

Die Klägerin ging davon aus, dass zwischen ihr und der GmbH eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) bestehe und lediglich nicht steuerbare Innenleistungen zwischen der KG und GmbH erbracht würden. Sie gab daher keine Umsatzsteuererklärungen ab. Im Anschluss an eine Außenprüfung war der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass keine Organschaft vorliege und die Klägerin steuerbare und steuerpflichtige Leistungen an die GmbH erbracht habe. Der gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 10. Mai 2004 eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Klägerin sei Organträger der GmbH, da die GmbH über die Gesellschafter A, B und C in die Klägerin mittelbar finanziell eingegliedert sei, sich die organisatorische Eingliederung aus der Stellung der GmbH als Komplementärin der Klägerin und daher aus einer Personal- und Organidentität ergebe und die wirtschaftliche Eingliederung auf den durch die Klägerin an die GmbH erbrachten Leistungen beruhe. Unerheblich sei, dass nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Dezember 1978 V R 85/74 (BFHE 127, 75, BStBl II 1979, 288) eine Komplementär-GmbH nicht in eine KG eingegliedert sein könne, da dieses Urteil aufgrund der späteren BFH-Rechtsprechung zur mittelbaren finanziellen Eingliederung überholt sei. Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2009, 792 veröffentlicht.

5

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Aufgrund des Erfordernisses eines Über- und Unterordnungsverhältnisses liege keine Organschaft vor. Es fehlten auch die finanzielle und organisatorische Eingliederung.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Die Klägerin trägt vor, das FG habe zutreffend entschieden, dass eine Organschaft bestehe. Es liege eine Betriebsaufspaltung vor. Die GmbH sei von ihr nach dem maßgeblichen Gesamtbild der Verhältnisse völlig abhängig gewesen, da sie der GmbH nahezu das gesamte für ihre Betätigung erforderliche Betriebsvermögen überlassen habe. Die Tatsache, dass ihre Kommanditisten in gleicher Weise auch an der GmbH beteiligt gewesen seien, zeige, dass sie und die GmbH als Einheit anzusehen seien. Es sei völlig unwahrscheinlich gewesen, dass die Kommanditisten in der GmbH anders entscheiden würden als bei ihr, der KG. Für die Organschaft spreche auch, dass die GmbH-Anteile als Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei ihr, der Klägerin, anzusehen seien, da es sich bei dem Sonderbetriebsvermögen und der Organschaft jeweils um "eine rein steuerrechtliche Konstruktion" handele. Für das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses spreche weiter die Einheit des Steuerrechts sowie die Entstehungsgeschichte der Firmenkonstruktion. Die finanzielle Eingliederung ergebe sich auch aus der Vinkulierung der Gesellschaftsanteile und der engen familiären Verbundenheit der Gesellschaftergruppe. Wie das FG zu Recht ausgeführt habe, könne die GmbH zumindest teilweise --beim Betrieb der Alten- und Pflegeheime und damit neben ihrer Geschäftsführungstätigkeit für sie, die Klägerin,-- in sie eingegliedert sein. Die GmbH sei auch organisatorisch in sie eingegliedert gewesen, da ihre Geschäftsführung mit derjenigen der GmbH verflochten gewesen sei. Eine Eingliederung einer Komplementär-GmbH in sie, die Klägerin, sei zumindest insoweit möglich, als der Komplementär neben der Geschäftsführung der KG eine weitere unternehmerische Tätigkeit ausübe. Zumindest sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist im Ergebnis begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vom FG und der Klägerin angenommene Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG scheitert am Erfordernis der finanziellen Eingliederung.

10

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

11

Neben den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung kommt es für die Organschaft weder nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG noch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG auf einen Antrag des Unternehmers an (BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, Leitsatz 2). Bei der Ausübung der nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG bestehenden Ermächtigung sind allerdings die allgemein bei der Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG zu beachtenden Rechtsprinzipien wie z.B. die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Steuerneutralität zu beachten (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217 Rdnrn. 24 ff.). Dies gilt auch für die Auslegung der nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehenden Eingliederungsvoraussetzungen.

12

2. Nach der Rechtsprechung setzt die finanzielle Eingliederung voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd). Bei der finanziellen Eingliederung handelt es sich um eine rechtlich zu erfüllende Voraussetzung, für die es im Regelfall auf die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter ankommt. Ausreichend ist daher eine Beteiligung, die mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft gewährt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd).

13

Eine unmittelbare finanzielle Eingliederung der GmbH in die Klägerin lag im Streitfall nicht vor, da die Klägerin nicht Gesellschafterin der GmbH war. Die Klägerin war auch nicht über eigene Tochtergesellschaften mittelbar an der GmbH beteiligt.

14

3. Eine finanzielle Eingliederung ergibt sich nicht daraus, dass die drei Gesellschafter der Klägerin über die Anteilsmehrheit in der GmbH verfügten. Denn die finanzielle Eingliederung kann grundsätzlich nicht mittelbar über mehrere Gesellschafter des Organträgers erfolgen (Reiß in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, § 2 Rz 111; Wäger in Festschrift für Harald Schaumburg, 2009, 1189 ff., 1199 f.).

15

a) Nach dem BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 123/68 (BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505, unter 2.a) konnte eine GmbH als juristische Person in das Unternehmen eines Organträgers finanziell eingegliedert sein, wenn sich sämtliche Anteile an der GmbH und dem Organträger in einer Hand befanden.

16

Der BFH hat diese Rechtsprechung später für die finanzielle Eingliederung zwischen zwei GmbHs über einen gemeinsamen Gesellschafter aufgegeben und dies insbesondere mit dem bei einer nur mittelbaren Beteiligung fehlenden Über- und Unterordnungsverhältnis begründet. Keine der beiden Gesellschaften sei in das Gefüge des anderen Unternehmens eingeordnet (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1., und die Abweichungsanfrage durch den BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1996, 950, unter II.).

17

Der BFH hielt aber an der finanziellen Eingliederung zwischen der GmbH als Organgesellschaft und der Personengesellschaft als Organträger fest, wenn die Mehrheit der Anteile an der GmbH von den Gesellschaftern einer Personengesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte verfügten (BFH-Urteile vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136, unter II.2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.2.; in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.1.a, und vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365). Dabei bejahte der BFH die finanzielle Eingliederung über einen gemeinsamen Gesellschafter, der in GmbH und Personengesellschaft über eine Anteilsmehrheit von jeweils mindestens 95 v.H. verfügte und auch Geschäftsführer der GmbH war (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136) ebenso wie über zwei Gesellschafter, denen gemeinsam eine Anteilsmehrheit in beiden Gesellschaften zustand (BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 223, und in BFH/NV 2008, 1365). Diese Rechtsprechung beruhte u.a. auf der ertragsteuerrechtlichen Überlegung, dass es sich bei der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft für die Gesellschafter der Organträger-Personengesellschaft um Sonderbetriebsvermögen handele (BFH-Beschluss in GmbHR 1996, 950, unter III.). Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft lehnte die Rechtsprechung aber dann ab, wenn den Gesellschaftern zwar an der GmbH eine Mehrheitsbeteiligung zustand, sie aber in der Personengesellschaft Minderheitsgesellschafter waren. Dies galt selbst dann, wenn die GmbH über eine Anteilsmehrheit an der Personengesellschaft verfügte (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.b aa).

18

b) Für den Fall, dass nur mehreren Gesellschaftern gemeinsam eine Mehrheitsbeteiligung an GmbH und Personengesellschaft zusteht, hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung nicht fest.

19

aa) Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft liegt im Hinblick auf das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter, die nur gemeinsam über eine Anteilsmehrheit an beiden Gesellschaften verfügen, nicht vor.

20

Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen setzt ein Verhältnis der Über- und Unterordnung der beteiligten Gesellschaften voraus (BFH-Urteile in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa, und vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH führt die Gruppenbesteuerung gemäß Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu einer Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen mit den diesem Steuerpflichtigen "untergeordneten Personen" (vgl. EuGH-Urteil Ampliscientifica und Amplifin in Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217).

21

Kommt es danach auf ein Über- und Unterordnungsverhältnis an, gilt dies nicht nur im Verhältnis zwischen mehreren GmbHs als juristischen Personen, sondern gleichermaßen im Verhältnis zwischen GmbH und Personengesellschaft, selbst wenn an diesen Gesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Denn eine Personengesellschaft, deren Gesellschafter eine Mehrheitsbeteiligung an der GmbH halten, verfügt gegenüber dieser GmbH über keine größeren Einwirkungsmöglichkeiten als sie zwischen zwei Schwester-GmbHs bestehen. Einwirkungsmöglichkeiten stehen in beiden Fällen gleichermaßen nur den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern zu. Die bisherige Bejahung einer finanziellen Eingliederung aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter trägt auch nicht dem rechtlichen Charakter der finanziellen Eingliederung (s. oben II.2.) Rechnung. Kommt es für die finanzielle Eingliederung auf rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten an, müssen diese dem Organträger selbst zustehen. Hiermit ist eine Zurechnung der Durchsetzungsmöglichkeiten aus fremdem Beteiligungsbesitz nicht vereinbar.

22

Demgegenüber kann eine Enkelgesellschaft mittelbar über eine oder mehrere eigene Tochtergesellschaften des Organträgers finanziell in dessen Unternehmen eingegliedert sein (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (1)), sofern der Organträger dann aufgrund der ihm in der Beteiligungskette zustehenden Gesellschaftsrechte in der Lage ist, seinen Willen in der Enkelgesellschaft durchzusetzen.

23

bb) Im Hinblick auf die bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen zu beachtenden allgemeinen Rechtsprinzipien der Richtlinie 77/388/EWG (s. oben II.1.), spricht auch der Grundsatz der Rechtssicherheit dagegen, von einer finanziellen Eingliederung zwischen Schwestergesellschaften über gemeinsame Gesellschafter auszugehen.

24

(1) Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit müssen die Betroffenen bei Regelungen, die sich finanziell belastend auswirken können, in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen (EuGH-Urteile vom 15. Dezember 1987 C-326/85, Niederlande/Kommission, Slg. 1987, 5091 Rdnr. 24; vom 29. April 2004 C-17/01, Sudholz, Slg. 2004, I-4243 Rdnr. 34). Dies müssen auch die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Richtlinie einräumt, beachten (EuGH-Urteile vom 26. April 2005 C-376/02, Goed Wonen, Slg. 2005, I-3445 Rdnr. 32; vom 16. September 2008 C-288/07, Isle of Wright, Umsatzsteuer-Rundschau 2008, 816 Rdnrn. 47 f.). Dies ist auch bei der Auslegung der nationalen Vorschriften zu beachten, die der Umsetzung von Richtlinienbestimmungen dienen.

25

Aufgrund der sich aus der Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger ergebenden finanziellen Auswirkungen kommt dem Grundsatz der Rechtssicherheit bei der Auslegung der Organschaftsvoraussetzungen besondere Bedeutung zu. Da die Organschaft nicht von einem Antrag des Organträgers abhängt (s. oben II.1.), muss der Organträger in der Lage sein, anhand der Eingliederungsvoraussetzungen das Bestehen einer Organschaft rechtssicher feststellen zu können.

26

(2) Bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften ist nicht rechtssicher bestimmbar, ob und unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz einer unter Umständen großen unbestimmten Anzahl von Gesellschaftern zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen. Die bloße Anteilsmehrheit mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften reicht hierfür nicht aus, da diese Gesellschafter die ihnen zustehenden Stimmrechte nicht einheitlich ausüben müssen. Auch nur familiäre Beziehungen zwischen mehreren Gesellschaftern sind kein hinreichendes Indiz für eine Zusammenfassung des ihnen zustehenden Beteiligungsbesitzes. Im Übrigen ist auch nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen mehrere Gesellschafter gleichgerichtete oder widerstreitende Interessen verfolgen. Da die Organschaft mit der Verwirklichung ihrer Voraussetzungen beginnt und mit deren Entfallen von Gesetzes wegen endet (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a cc), kann es für die Organschaft und den Eintritt der mit ihr verbundenen Rechtsfolgen (wie z.B. Umsatzzurechnung und Nichtbesteuerung von Innenumsätzen) darüber hinaus nicht darauf ankommen, für welche Zeiträume z.B. mehrere Familiengesellschafter gleichgerichtete Interessen verfolgen und für welche Zeiträume dies aufgrund von Meinungsverschiedenheiten oder Familienstreitigkeiten nicht der Fall ist. Ob im konkreten Einzelfall von einem Fehlen widerstreitender Interessen auszugehen sein kann, ist daher entgegen der Auffassung der Klägerin unerheblich.

27

cc) Nach den Verhältnissen des Streitfalles hat der Senat nicht zu entscheiden, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist, wenn zwischen zwei Schwestergesellschaften z.B. ein Beherrschungsvertrag besteht oder zugunsten einer Schwestergesellschaft Stimmbindungsverträge vorliegen. Offenbleiben kann auch, ob eine Organschaft vorliegt, wenn nur ein Gesellschafter über eine Anteilsmehrheit an GmbH und Personengesellschaft verfügt und zugleich als Gesellschafter für die Personengesellschaft und als Geschäftsführer der GmbH für beide Gesellschaften geschäftsführungsbefugt ist (so das Urteil des XI. Senats des BFH in BFH/NV 1999, 1136), wobei dann allerdings fraglich erscheint, welche der beiden Schwestergesellschaften als herrschende und welche als abhängige Gesellschaft anzusehen ist. Im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung ist schließlich nicht mehr zu entscheiden, ob die bisherige Annahme einer finanziellen Eingliederung durch mehrere gemeinsame Gesellschafter von GmbH und Personengesellschaft --anders als bei mehreren gemeinsamen Gesellschaftern verschiedener GmbHs-- zu einer gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Differenzierung nach der Rechtsform des Organträgers führt.

28

4. Die weiteren Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.

29

a) Die Klägerin kann sich gegen die Änderung der Senatsrechtsprechung nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Voraussetzungen des § 176 der Abgabenordnung liegen nicht vor, da es sich bei dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid nicht um einen Änderungsbescheid, sondern um einen Erstbescheid handelt. Ein allgemeiner Schutz gegenüber den sich aus einer geänderten Rechtsprechung ergebenden Urteilsfolgen ist weder dem nationalen Recht noch dem Gemeinschaftsrecht zu entnehmen. Es ist auch kein sonstiger Vertrauenstatbestand ersichtlich, auf den sich die Klägerin berufen könnte.

30

b) Auch aus dem von der Klägerin betonten Gesamtbild der Verhältnisse und der nach Auffassung der Klägerin besonders stark ausgeprägten wirtschaftlichen Eingliederung ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Zwar kann im Hinblick auf die gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG "nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse" vorzunehmenden Beurteilung eine Organgesellschaft auch dann unselbständig sein, wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete nicht vollkommen ausgeprägt ist. Nicht ausreichend ist jedoch, dass die Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei Eingliederungsmerkmale besteht (BFH-Urteile vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a). Daher kann von der wirtschaftlichen nicht auf die finanzielle Eingliederung geschlossen werden (BFH-Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.) und das völlige Fehlen einer eigenen Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft kann daher nicht durch andere Eingliederungsmerkmale ersetzt werden.

31

c) Dass die Beteiligung an einer juristischen Person ertragsteuerrechtlich Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei seiner Personengesellschaft sein kann, ist für das umsatzsteuerrechtlich maßgebliche Über- und Unterordnungsverhältnis nicht entscheidend und vermag die Annahme der finanziellen Eingliederung über die Gesellschafter des Organträgers nicht zu begründen. Denn die Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen ist für die maßgebliche Willensbildung durch Mehrheitsbeschlüsse unerheblich. Auch die Entstehungsgeschichte der Gesellschaften, die Vinkulierung von Gesellschaftsanteilen und die Einheit des Steuerrechts rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

32

5. Das Urteil des FG entspricht nicht diesen Grundsätzen und war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

33

Die Klage ist abzuweisen, da die GmbH nicht finanziell in die Klägerin eingegliedert ist. Eine finanzielle Eingliederung der GmbH über die drei Gesellschafter der Klägerin in die Klägerin reicht nicht aus. Weiter kommt die Annahme einer nur partiellen Eingliederung der GmbH --für den Bereich des Betriebs der Alten- und Pflegeheime, nicht aber hinsichtlich der Geschäftsführung der Klägerin-- nach der Rechtsprechung des Senats nicht in Betracht (BFH-Urteil in BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (3)).

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob eine GmbH als --umsatzsteuerrechtlich unselbständige-- Organgesellschaft in das Unternehmen einer anderen GmbH eingegliedert war.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) firmierte im Streitjahr 1996 unter F-GmbH. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war --der im Streitjahr selbst nicht unternehmerisch tätige-- X, der auch alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Verwaltungs-GmbH war.

3

Durch "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" vom 15. Dezember 1995 hatte die F-GmbH die Leitung ihres Unternehmens der Verwaltungs-GmbH unterstellt. Nach dem Vertrag war die Verwaltungs-GmbH berechtigt, den Geschäftsführern der F-GmbH alle ihr zweckdienlich erscheinenden Weisungen zu erteilen (§ 2 Abs. 1 des Vertrages). Die F-GmbH war verpflichtet, den gesamten nach den maßgeblichen handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Gewinn abzüglich eines evtl. Verlustvortrages aus dem Vorjahr an die Verwaltungs-GmbH abzuführen (§ 4 Abs. 1 des Vertrages). Die Verwaltungs-GmbH hatte einen während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen (§ 4 Abs. 4 des Vertrages). Die Vereinbarung sollte bezüglich der Verpflichtung zur Gewinnabführung und Verlustübernahme (§ 4 des Vertrages) rückwirkend ab 1. Januar 1995 gelten und war unkündbar bis zum 31. Dezember 2000.

4

Einen gleichlautenden "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" hat die Verwaltungs-GmbH am 15. Dezember 1995 mit der B-GmbH geschlossen, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls X war.

5

Die F-GmbH hatte mit Notarvertrag vom 15. März 1995 von der D-GmbH i.L. unter Beteiligung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) als gesetzlicher Vertreter nach § 21 Abs. 1 Satz 1 des Investitionsvorranggesetzes einen mit einer stillgelegten Malzfabrik bebauten Grundbesitz für 1 DM erworben und sich u.a. verpflichtet, die auf dem Grundbesitz befindlichen Gebäude (mit Ausnahme der Kultur- und Wohngebäude) vollständig abzubrechen und den anfallenden Abraum bis spätestens zum 30. Juni 1998 fachgerecht zu entsorgen (§ 9 Abs. 1 des Vertrages).

6

Zur Gewährleistung des Abbruchs einschließlich der fachgerechten Entsorgung des anfallenden Abraums verpflichteten sich sowohl die D-GmbH i.L. als auch die BvS, der F-GmbH für nach Wirksamwerden des Vertrages vorgenommene Abbrucharbeiten einen "Investitionszuschuss" bis zu max. je 1 Mio. DM, insgesamt max. 2 Mio. DM, zu gewähren, und zwar in acht Tranchen im Umfang von bis zu max. 250.000 DM entsprechend dem Fortschritt der Abbrucharbeiten für bereits erbrachte Fremdleistungen oder Eigenleistungen der F-GmbH (§ 10 des Vertrages).

7

Am 15. April 1996 erteilte die F-GmbH der B-GmbH eine Rechnung über die Gestellung von Personal "für Vorbereitungsarbeiten im Zusammenhang mit dem Abriss ..." über 81.300,56 DM "zzgl. 15 % MwSt 12.195,08 DM".

8

Am 16. April 1996 stellte die F-GmbH eine Rechnung an die D-GmbH i.L. über den "Abriss ..." in Höhe von 851.707,43 DM "zzgl. 15 % MwSt 127.756,11 DM" aus, die sie nebst Anlagen bei der BvS zur Abforderung des vertraglich vereinbarten Investitionszuschusses einreichte.

9

Aufgrund einer Fahndungsprüfung in den Jahren 2001 bis 2003 änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) mit Bescheid vom 16. März 2004 die Umsatzsteuerfestsetzung für 1996 gegenüber der F-GmbH.

10

Einspruch und Klage, mit der die Klägerin insbesondere geltend gemacht hatte, sie schulde die in den Rechnungen der F-GmbH vom 15. und 16. April 1996 ausgewiesene Umsatzsteuer nicht, weil die F-GmbH zu diesem Zeitpunkt Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen sei, blieben ohne Erfolg.

11

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, die Klägerin schulde den von der F-GmbH in der Rechnung vom 16. April 1996 an die D-GmbH i.L. ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag jedenfalls nach § 14 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG); die von der F-GmbH unter dem 15. April 1996 gegenüber der B-GmbH abgerechnete Personalgestellung unterliege nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG der Umsatzsteuer.

12

Die F-GmbH sei im Streitjahr 1996 nicht Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen. Es fehle an der finanziellen Eingliederung, weil die Verwaltungs-GmbH selbst keine Anteile an der F-GmbH besessen habe (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441). Der BFH nehme eine finanzielle Eingliederung bei einer mittelbaren Beteiligung in der Weise, dass die/der Gesellschafter der Organträgergesellschaft die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte in der Organgesellschaft hielten/halte, nur in den Fällen an, in denen Organträgergesellschaft eine Personengesellschaft sei (Hinweis u.a. auf das BFH-Urteil vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136). Diese Differenzierung sei nicht zu beanstanden.

13

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 879 veröffentlicht.

14

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen Rechts (§ 60 Abs. 3, § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 UStG).

15

Dazu macht sie im Wesentlichen geltend, der Senat habe in dem Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, auf das sich das FG zur Begründung bezogen habe, entschieden, wenn eine juristische Person (Kapitalgesellschaft) Organträgerin sein solle, setze dies "regelmäßig" deren unmittelbare, jedenfalls nicht unwesentliche Beteiligung an der Organgesellschaft voraus. Hier liege aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 ein Ausnahmefall im Sinne dieser Rechtsprechung vor, der dazu führe, dass das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis nach der Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Verhältnisse vorliege.

16

In diesem Zusammenhang habe das FG unter Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO die in § 4 Abs. 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt. Aus dieser Regelung ergebe sich aber, dass der F-GmbH das unternehmerische Risiko durch die Verwaltungs-GmbH vollständig abgenommen werde, ein Umstand aus dem sich ihre Unterordnung unter die Verwaltungs-GmbH geradezu aufdränge.

17

Zudem verstoße die Rechtsauffassung des FG gegen die europarechtlichen Grundsätze der Rechtsformunabhängigkeit und der steuerlichen Neutralität. Diese Grundsätze sprächen dafür, die Entscheidung, ob eine Organgesellschaft mittelbar finanziell in einen Organträger eingegliedert sei, nicht davon abhängig zu machen, ob der Organträger eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft sei.

18

Die übrigen Voraussetzungen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft (organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung) lägen vor.

19

Die Klägerin rügt ferner, dass das FG entgegen § 60 Abs. 3 FGO die Verwaltungs-GmbH nicht beigeladen habe.

20

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung des FA vom 1. März 2005 die Umsatzsteuer für 1996 unter Änderung des Bescheids vom 16. März 2004 um insgesamt ... DM herabzusetzen,

hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorzulegen:

21

"Sind Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der ... Richtlinie 77/388/EWG ... in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtsformunabhängigkeit und dem Neutralitätsprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegenstehen, die eine Anerkennung einer Organschaft und damit nur eines Steuerpflichtigen im Sinne der Richtlinie ablehnt, wenn der alleinige 100%ige Gesellschafter-Geschäftsführer der zum Organkreis gehörenden Kapitalgesellschaften alle Anteile zwar im Privatvermögen hält, aber als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaften in die Verwaltung eingreift und durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag eine Kapitalgesellschaft zur Organträgerin bestimmt, die das unternehmerische Risiko der übrigen Gesellschaften trägt?",

"höchsthilfsweise", die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

22

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

23

Es tritt dem Revisionsvorbringen entgegen und verweist darauf, dass es im Streitfall außer an einer finanziellen Eingliederung auch an einer wirtschaftlichen Eingliederung der F-GmbH in das Unternehmen der Verwaltungs-GmbH fehle.

Entscheidungsgründe

24

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

25

Das FG hat zutreffend entschieden, dass die F-GmbH nicht i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in die Verwaltungs-GmbH finanziell eingegliedert war. Die von der Klägerin gerügten Verstöße gegen § 60 Abs. 3 und § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegen nicht vor.

26

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

27

Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Danach steht es (vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie 77/388/EWG) jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln.

28

2. Eine finanzielle Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt nach der Rechtsprechung des BFH voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Erforderlich ist die Stimmenmehrheit, also mehr als 50 % der Stimmen an der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581, unter II.2.).

29

Die Stimmenmehrheit an einer Organgesellschaft kann auch durch eine mittelbare Beteiligung des Organträgers in der Weise erreicht werden, dass der Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft in direkter Linie über eine unmittelbare Mehrheitsbeteiligung (als Gesellschafter) an einer (Tochter-)Gesellschaft erreicht, die ihrerseits unmittelbar mit Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft (sog. Enkelgesellschaft) beteiligt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a ee).

30

a) Im Streitfall war die Verwaltungs-GmbH nicht unmittelbar an der F-GmbH beteiligt. Die Verwaltungs-GmbH war auch nicht über eine oder mehrere Tochtergesellschaften mittelbar an der F-GmbH beteiligt.

31

Dass X alleiniger Gesellschafter sowohl der Verwaltungs-GmbH als auch der F-GmbH war, reicht nicht aus. Denn dadurch ist keine der beiden Gesellschaften in das andere Unternehmen eingeordnet. Es handelt sich um gleichgeordnete Schwestergesellschaften, zwischen denen, würde nicht auf das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis abgestellt werden, wechselseitige und jeweils austauschbare Organverhältnisse denkbar wären (vgl. Senatsurteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441).

32

b) Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15. Dezember 1995 --insbesondere die darin vorgesehene Verpflichtung der Verwaltungs-GmbH zur Übernahme der Verluste der F-GmbH-- führt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu einer finanziellen Eingliederung der F-GmbH in die Verwaltungs-GmbH. Denn aus der Notwendigkeit einer Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft folgt auch, dass eine fehlende Beteiligung nicht durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden kann.

33

Das Merkmal der finanziellen Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG betrifft --wie dargelegt-- die Beteiligungsverhältnisse (vgl. auch Lippross, Umsatzsteuer, 22. Aufl., S. 338). Gewinnabführungsverträge haben darauf aber keinen Einfluss. Dasselbe gilt für die in dem Vertrag vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Übernahme etwaiger Verluste der F-GmbH durch die Verwaltungs-GmbH.

34

Darüber hinaus steht im Streitfall auch nicht fest, ob und wann der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15. Dezember 1995 zwischen der Verwaltungs-GmbH und der F-GmbH wirksam wurde. Ein derartiger Vertrag wird erst mit seiner Eintragung in das Handelsregister gemäß § 294 Abs. 2 des Aktiengesetzes zivilrechtlich (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Oktober 1988 II ZB 7/88, BGHZ 105, 324) und steuerrechtlich (vgl. BFH-Entscheidungen vom 22. Oktober 2008 I R 66/07, BFHE 223, 162, BStBl II 2009, 972, unter II.2.; vom 3. September 2009 IV R 38/07, BFHE 226, 283, BStBl II 2010, 60, unter II.2., m.w.N.) wirksam. Dazu hat das FG keine Feststellungen getroffen.

35

c) Soweit die Klägerin darauf verweist, der EuGH habe in den Urteilen vom 25. Juli 1991 Rs. C-202/90 --Ayuntamiento de Sevilla-- (Slg. 1991, I-4247, Umsatzsteuer-Rundschau --UR--- 1993, 122, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1993, 214, Rz 13) und vom 18. Oktober 2007 Rs. C-355/06 --van der Steen-- (Slg. 2007, I-8863, UR 2007, 889, HFR 2008, 87, Rz 24) ausgeführt, "dass ein Unterordnungsverhältnis dann nicht besteht, wenn die Betroffenen das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit tragen", hat der EuGH dies entgegen der Darstellung der Klägerin nicht "für die Organgesellschaft" festgestellt.

36

Die bezeichnete Aussage in den EuGH-Urteilen betrifft nicht die vorliegend relevanten Voraussetzungen einer Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen i.S. von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, sondern die --anderweitige--- Frage der Selbständigkeit (Verhältnis der Unterordnung i.S. des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) eines spanischen Steuereinnehmers (--Ayuntamiento de Sevilla-- in Slg. 1991, I-4247, UR 1993, 122, HFR 1993, 214) und eines Arbeitnehmers, der zugleich einziger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH war (--van der Steen-- in Slg. 2007, I-8863, UR 2007, 889, HFR 2008, 87).

37

3. Das Erfordernis der Stimmenmehrheit einer GmbH als Organträger an einer Organgesellschaft verstößt nicht gegen den Grundsatz der Rechtsformneutralität der Umsatzsteuer. Denn auch eine Personengesellschaft kann nur dann Organträger sein, wenn sie (selbst) an einer Organgesellschaft mit Stimmenmehrheit beteiligt ist. An seiner anderslautenden Rechtsprechung in dem Urteil in BFH/NV 1999, 1136 hält der Senat nicht mehr fest.

38

a) Der BFH hatte bei einer Personengesellschaft als Organträger --anders als bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger-- für eine finanzielle Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG eine Beteiligung der Personengesellschaft an der Organgesellschaft nicht vorausgesetzt; ausreichend war, dass die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgergesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Stimmrechte verfügten und damit die Personengesellschaft mittelbar ihren Willen in der Organgesellschaft durchsetzen konnte (grundlegend BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136, unter II.2., m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a ee; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.e).

39

b) Dieser Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung (vgl. Abschn. 21 Abs. 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008) und die herrschende Meinung in der Literatur zugestimmt (vgl. Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 44 Rz 261; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 2 Rz 112; Flückiger in Plückebaum/Malitzky/Widman, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 2 Abs. 2 Rz 280/1, 282/1; Heidner in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 2 Rz 118; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, § 2 UStG Rz 74; zustimmend nur für den Fall der sog. Betriebsaufspaltung: Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 689; kritisch Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 2 Rz 111, und Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 393 f.).

40

c) Nunmehr hat der V. Senat des BFH aber eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft verneint, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und einer GmbH verfügen (vgl. Urteil in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581).

41

d) Der erkennende Senat gibt seine Rechtsprechung in dem Urteil in BFH/NV 1999, 1136 auf. Die bisherige unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Unternehmen in Abhängigkeit von ihrer Rechtsform verstößt gegen den durch die Rechtsprechung des EuGH ausgeprägten unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtsformneutralität, weil sie nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.

42

aa) Der Grundsatz der Steuerneutralität (vgl. zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG: EuGH-Urteil vom 22. Mai 2008 Rs. C-162/07 --Ampliscientifica und Amplifin--, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217, HFR 2008, 878, UR 2008, 534, Rz 25, m.w.N.) verlangt in seiner Ausprägung der Rechtsformneutralität (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteil vom 10. September 2002 Rs. C-141/00 --Kügler--, Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, HFR 2002, 1146, UR 2002, 513, Rz 30, m.w.N.; BFH-Urteil vom 14. Mai 2008 XI R 70/07, BFHE 221, 517, BStBl II 2008, 912, unter II.1.a aa, m.w.N.), dass die Rechtsform des Steuerpflichtigen im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich unerheblich ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26. September 2007 V R 54/05, BFHE 219, 241, BStBl II 2008, 262, unter II.1.b, m.w.N.; Birkenfeld, UR 2008, 2, 5, m.w.N.) und gebietet eine weitgehende Gleichbehandlung von Kapital- und Personengesellschaften (vgl. BFH-Urteil vom 6. September 2007 V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710, unter II.3.).

43

bb) Der Senat hat seinerzeit zur Begründung dafür, dass eine Verflechtung aufgrund der Beteiligung von Gesellschaftern einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft für deren finanzielle Eingliederung ausreichend sein kann, darauf abgestellt, bei Vorliegen vor allem der wirtschaftlichen Eingliederung der Untergesellschaft könnten diese Beteiligungen im Rahmen der Obergesellschaft als notwendiges (Sonder-)Betriebsvermögen auszuweisen sein (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, UR 1996, 334, GmbH-Rundschau 1996, 950, unter III.).

44

Dieses Argument vermag aber eine unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Organträger nicht zu rechtfertigen (zutreffend Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 2 Rz 111). Denn die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen bewirkt nicht, dass das Eigentum an den GmbH-Anteilen und damit die Stimmrechte des Gesellschafters der GmbH auf die Personengesellschaft übergehen.

45

Dass die jeweils beide Gesellschaften beherrschende natürliche Person rein tatsächlich in der Lage ist, ihren Willen in beiden Gesellschaften durchzusetzen, reicht für die Annahme einer finanziellen Eingliederung der einen Gesellschaft in die andere (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG) nicht aus.

46

Vielmehr muss die Personengesellschaft selbst --ggf. auch mittelbar über eine weitere (Tochter-)Gesellschaft-- über die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft verfügen (vgl. Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 2 Rz 111), wie dies auch bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger erforderlich ist (s. oben unter II.2.).

47

e) Der Senat hat beim V. Senat des BFH angefragt, ob dieser in der vorliegenden Entscheidung eine Abweichung von seiner Rechtsprechung sieht und ob er bejahendenfalls dieser Abweichung zustimmt.

48

Der V. Senat hat mitgeteilt, dass er in der Annahme einer fehlenden mittelbaren finanziellen Eingliederung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) zwischen einer Personen- und einer Kapitalgesellschaft auch für den Fall, dass nur ein Gesellschafter über Mehrheitsbeteiligungen an beiden Gesellschaften verfügt, keine Abweichung von seinem Urteil in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581 sieht.

49

4. Weitere materielle Rechtsfehler hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

50

5. Die von ihr gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

51

a) Das FG hat entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dadurch gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, dass es die in § 4 Abs. 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt hat.

52

Denn darauf kam es nach der für die Prüfung eines Verfahrensfehlers maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 III R 63/98, BFH/NV 2001, 1028, unter II.1.a) nicht an. Das FG hat für die Frage der finanziellen Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG --zutreffend-- auf die Beteiligungsverhältnisse abgestellt (Urteil, S. 9).

53

b) Die weitere Rüge der Klägerin, das FG habe es unterlassen, die Verwaltungs-GmbH zum Verfahren beizuladen und dadurch gegen § 60 Abs. 3 FGO verstoßen, hat ebenfalls keinen Erfolg.

54

Das FG musste die Verwaltungs-GmbH nicht gemäß § 60 Abs. 3 FGO beiladen. Denn sie ist an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Bei einem Streit darüber, ob eine Gesellschaft in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist, ist zwar eine Beiladung des Organträgers nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO möglich (vgl. BFH-Beschluss vom 27. August 1990 V B 14/97, BFH/NV 1998, 148), aber nicht i.S. von § 60 Abs. 3 FGO notwendig (vgl. BFH-Beschluss vom 4. August 2006 V B 98/04, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris; Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 60 Rz 107; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz 74).

55

Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt die Rechtsprechung im Beschluss des BFH vom 4. August 2006 V B 98/04 (n.v., juris) nicht nur für die Beiladung eines Insolvenzverwalters, sondern generell für die Beiladung eines möglichen Organträgers. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme des Beschlusses auf den --eine Einschränkung nicht enthaltenden-- Beschluss in BFH/NV 1998, 148.

56

6. Für die von der Klägerin hilfsweise beantragte Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH sieht der Senat keinen Anlass.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die beim Einbau von Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär- und Klimaanlagen sowie im Trockenausbau steuerpflichtige Leistungen erbrachte. Der Kläger hatte Geschäftsräume an die GmbH vermietet. Er versteuerte die Umsätze der GmbH als deren Organträger nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes jeweils in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG).

2

Im März 2002 beantragte der Kläger für die GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Das zuständige Amtsgericht ordnete am 19. März 2002 Sicherungsmaßnahmen an und bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Der Beschluss hatte folgenden Wortlaut:

3

"1. Es wird gemäß § 21 Abs. 2 Ziffern 1 und 2 InsO die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Antragstellerin angeordnet.

4

2. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wird bestellt: Rechtsanwalt S ... .

5

3. Es wird angeordnet, dass Verfügungen der Antragstellerin nur noch mit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Ziffer 2, 2. Alt. InsO)

6

4. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Antragstellerin. Er wird ermächtigt, mit rechtlicher Wirkung für die Antragstellerin zu handeln, ist jedoch verpflichtet, diese Befugnis nur dann wahrzunehmen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgaben schon vor Verfahrenseröffnung dringend erforderlich ist. Der vorläufige Insolvenzverwalter soll insbesondere gemäß § 22 Abs. 2 InsO

7

a) das Vermögen der Antragstellerin sichern und erhalten;

8

b) prüfen, ob ein nach der Rechtsform der Antragstellerin maßgeblicher Eröffnungsgrund vorliegt, ob eine freie Vermögensmasse zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausreicht und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens der Antragstellerin bestehen.

9

Die Verfügungsbefugnis über bestehende Arbeitsverhältnisse obliegt weiterhin der Antragstellerin; die Begründung, Änderung und Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse bedürfen jedoch der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters.

10

5. Der Antragstellerin wird jegliche Verfügung über Bankkonten und damit zusammenhängende Kreditsicherheiten, Verträge und Rechtsgeschäfte untersagt und die Verfügungsbefugnis insoweit ausschließlich dem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen.

11

Den Schuldnern der Antragstellerin (Drittschuldnern) wird verboten, an die Antragstellerin zu leisten. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Bankguthaben, Zahlungseingänge auf Konten und sonstige Forderungen der Antragstellerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Drittschuldner werden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO). ..."

12

Während des Eröffnungsverfahrens wurden Bauvorhaben fortgeführt und Restarbeiten vorgenommen. Die GmbH stellte ihren Geschäftsbetrieb zum 31. März 2002 ein. Das Insolvenzgericht eröffnete mit Beschluss vom 20. August 2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH.

13

Der Kläger gab für das Streitjahr 2002 keine Umsatzsteuererklärung ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ am 11. November 2003 einen Schätzungsbescheid für das Streitjahr, der unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) erging. Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA davon aus, dass der von der GmbH in Anspruch genommene Vorsteuerabzug bei Insolvenzeröffnung insoweit wegen Uneinbringlichkeit gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen sei, als die GmbH Entgelte für die von ihr bezogenen Leistungen nicht entrichtet hatte. Das FA erließ am 2. Januar 2006 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid, in dem ein entsprechender Vorsteuerberichtigungsanspruch berücksichtigt wurde. Auch hiergegen erhob der Kläger Einspruch. In der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2007 erhöhte das FA im Einvernehmen mit dem Kläger die Umsatzsteuer für Ausgangsumsätze und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

14

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Die Organschaft habe nicht bereits mit der Bestellung des vorläufigen Verwalters geendet, sondern bis zur Insolvenzeröffnung bestanden, so dass sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch gegen den Kläger als Organträger gerichtet habe.

15

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Die für die Organschaft erforderliche organisatorische Eingliederung sei bereits mit der Bestellung des vorläufigen Verwalters entfallen, so dass sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch nicht gegen ihn richte. Der vorläufige Verwalter habe wie ein starker Verwalter gehandelt und ihm faktisch die Geschäftsführung entzogen. Der vorläufige Verwalter habe seine insolvenzrechtlichen Befugnisse überschritten und Arbeitskräfte beschäftigt. Er habe eigene operative Geschäftsentscheidungen getroffen. Es hätte im Verfahren vor dem FG eine Beweisaufnahme durchgeführt werden müssen. Mit Schreiben vom 29. Juli 2002 habe der vorläufige Insolvenzverwalter die an die GmbH vermieteten Räume freigegeben, so dass zumindest zu diesem Zeitpunkt die wirtschaftliche Eingliederung entfallen sei. Es sei im Übrigen auch nicht zwischen starker und schwacher vorläufiger Insolvenzverwaltung zu differenzieren. Schließlich sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) fraglich, ob der Ausschluss einer abweichenden Willensbildung in der GmbH für eine organisatorische Eingliederung ausreiche.

16

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG und den Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 11. November 2003, geändert durch den Bescheid vom 2. Januar 2006, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2007 aufzuheben und Umsatzsteuer in Höhe von 1.571,19 € festzusetzen.

17

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

18

Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH sei von einem Fortbestand der Organschaft auszugehen. Der Kläger habe sich nicht mehr um die Geschäftsführung der GmbH gekümmert. Er hätte auf eine Änderung des vom Insolvenzgericht gefassten Beschlusses hinwirken können. Von einer Zeugeneinvernahme des Insolvenzverwalters habe das FG zu Recht abgesehen.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die organisatorische Eingliederung einer GmbH in das Unternehmen des Organträgers endet, wenn das Insolvenzgericht für die GmbH einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und dabei gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 der Insolvenzordnung (InsO) anordnet, dass Verfügungen der GmbH nur noch mit seiner Zustimmung wirksam sind.

20

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

21

Unionsrechtlich beruhte diese Vorschrift im Streitjahr auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

22

Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG führt die Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu einer "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019 Rdnr. 19; zur Behandlung mehrerer Personen als einen Steuerpflichtigen vgl. auch EuGH-Urteile vom 9. April 2013 C-85/11, Kommission/ Irland, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 418 Rdnrn. 35 ff., und vom 25. April 2013 C-480/10, Kommission/Schweden, UR 2013, 423 Rdnrn. 33 ff.), für die nach ständiger BFH-Rechtsprechung ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen einer Organgesellschaft als "untergeordneter Person" und dem sog. Organträger vorliegen muss (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa; vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b aa, und zuletzt vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.1.).

23

2. Die Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dienen der Feststellung, ob das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis besteht. Dabei kommt es insbesondere auf die finanzielle und die organisatorische Eingliederung an.

24

a) Finanziell muss der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2., und in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.2.a). Aufgrund des Erfordernisses eines zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft bestehenden Über- und Unterordnungsverhältnisses hat der Senat seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der eine Organschaft auch zwischen Schwestergesellschaften bestehen konnte (Senatsurteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b aa, und dem folgend BFH-Urteil in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.3.d).

25

b) Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.2.; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.f aa; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.b, und die bisherige Rechtsprechung zusammenfassend vom 28. Oktober 2010 V R 7/10, BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2., m.w.N.).

26

Hiervon ist z.B. dann auszugehen, wenn bei zwei GmbHs eine Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen besteht (BFH-Urteile vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.1.c bb; in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.3.; ebenso nunmehr Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 2 des Umsatzsteueranwendungserlasses --UStAE-- in der Fassung des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 7. März 2013, BStBl I 2013, 333). Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt und zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist (BFH-Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.a aa; ebenso Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 8 UStAE).

27

3. Der erkennende Senat ist in seiner bisherigen Rechtsprechung insbesondere zur Bestellung von Verwaltern im Vorfeld einer Konkurs- oder Insolvenzeröffnung davon ausgegangen, dass sich die organisatorische Eingliederung --ohne Möglichkeit zur Willensdurchsetzung-- auch daraus ergeben kann, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (so erstmals Senatsurteil vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a bb; zur sog. Sicherungssequestration unter der Geltung der Konkursordnung Senatsurteile vom 13. März 1997 V R 96/96, BFHE 182, 426, BStBl II 1997, 580, unter II.2.; vom 28. Januar 1999 V R 32/98, BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.1. und 2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.3., und zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt Senatsurteil vom 1. April 2004 V R 24/03, BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905, unter II.2.). Der Senat, der in seinem Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.b ausdrücklich offengelassen hat, ob diese Rechtsprechung fortzuführen ist, hält hieran nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht fest.

28

a) Die "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" aufgrund der Organschaft (s. oben II.1.) hat zur Folge, dass der Organträger als Steuerpflichtiger für alle Organgesellschaften "öffentliche Gelder" als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen hat, wie der EuGH ausdrücklich entschieden hat (EuGH-Urteile vom 20. Oktober 1993 C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105 Rdnr. 25, und vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, Slg. 2008, I-771 Rdnr. 21). Dies erfordert, dass zwischen Organträger und Organgesellschaft ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht (s. oben II.1.), durch das der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung auch rechtlich wahrnehmen kann. Nicht ausreichend ist, dass der Organträger bei der Organgesellschaft lediglich eine von seinem Willen abweichende Willensbildung ausschließen kann, da ein derartiges Vetorecht es dem Organträger nicht ermöglicht, die Aufgabe des "Steuereinnehmers" für die Organgesellschaft zu erfüllen.

29

Eine organisatorische Eingliederung aufgrund eines bloßen Ausschlusses einer vom Willen des Organträgers abweichenden Willensbildung in der Organgesellschaft lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass für eine Organschaft die Eingliederungsvoraussetzungen nicht gleichermaßen stark ausgeprägt sein müssen (vgl. Senatsurteile in BFH/NV 1993, 133, unter II.a aa; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.2.; in BFH/NV 2002, 223, unter II.3., und in BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905, unter II.2.; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a, und vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II.1.b). Denn eine weniger starke Ausprägung einer einzelnen Eingliederungsvoraussetzung rechtfertigt nicht den Verzicht auf das Erfordernis einer Willensdurchsetzung. Daher setzt die finanzielle Eingliederung stets eine Mehrheitsbeteiligung (s. oben II.2.a) voraus, so dass eine nur ein bloßes Vetorecht vermittelnde Sperrminorität von z.B. 50 % der Stimmrechte nicht ausreicht.

30

b) Kommt es für die organisatorische Eingliederung auf die Möglichkeit zur Willensdurchsetzung an und reicht die Verhinderung einer abweichenden Willensbildung nicht aus, entfällt --selbst wenn der bisherige Organträger einziger Geschäftsführer der GmbH bleibt-- die organisatorische Eingliederung, wenn für die GmbH ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit allgemeinen Zustimmungsvorbehalt bestellt wird. Da der vorläufige Insolvenzverwalter nicht nur befugt, sondern insolvenzrechtlich sogar verpflichtet ist, Zahlungen der GmbH an den bisherigen Organträger zu verhindern, entfällt für den Organträger die Möglichkeit, die GmbH zu beherrschen und die Steuer für die Umsätze aus der Tätigkeit der bisherigen Organgesellschaft als Steuerschuldner und damit als "Steuereinnehmer" zu entrichten.

31

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bewirkt der Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO, dass der vorläufige Insolvenzverwalter wirksame rechtsgeschäftliche Verfügungen des Schuldners verhindern kann. Der Zustimmungsvorbehalt berechtigt den vorläufigen Insolvenzverwalter zwar nicht dazu, den Schuldner gegen dessen Willen zu Handlungen anzuhalten. Der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt kann aber auf die Vertragsabwicklung durch den Schuldner dadurch Einfluss nehmen, dass er Vermögensverringerungen des Schuldners durch die Erfüllung von Verbindlichkeiten im Interesse der Gleichbehandlung aller Gläubiger verhindert (BGH-Urteil vom 18. Juli 2002 IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353, unter III.2.c bb).

32

Wie der BGH weiter entschieden hat, hat sich der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt am Ziel zu orientieren, die Forderungen einzelner Gläubiger nur zu erfüllen --und somit das Schuldnervermögen nur zu vermindern--, wenn dies im Einzelfall zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben, etwa zur Fortführung des Schuldnerunternehmens, im Interesse der Gläubigergesamtheit erforderlich oder wenigstens zweckmäßig erscheint. Auch der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt muss die künftige Masse sichern und erhalten. Es ist daher insbesondere nicht seine Aufgabe, einer Erfüllungshandlung des Schuldners durch seine Zustimmung Wirksamkeit zu verleihen, falls dies nicht im Interesse aller Gläubiger liegt. Vielmehr darf er die Rechtsfolge des § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO durch einen Widerspruch oder die Verweigerung der Zustimmung zu einer Genehmigung des Schuldners vorwegnehmen (BGH-Urteil vom 4. November 2004 IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49, unter II.3.b bb (1)).

33

Der BGH hat an dieser Rechtsprechung in der Folgezeit festgehalten und bestätigt, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter im Hinblick auf den schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung mehr Rechte zustehen als dem Schuldner, dass der vorläufige Insolvenzverwalter zweifelsfrei nicht verpflichtet sei, einen Gläubigeranspruch zu erfüllen, der im Insolvenzverfahren lediglich eine einfache Insolvenzforderung darstelle, weil er einer nicht insolvenzgesicherten Forderung keine Vorzugsstellung gegenüber ranggleichen Forderungen einräumen dürfe und dass dies auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gelte (BGH-Urteil vom 25. Oktober 2007 IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84, unter II.1.e).

34

bb) Nach dieser BGH-Rechtsprechung kann der Organträger den ihm nach § 426 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches zustehenden Anspruch gegen die Organgesellschaft auf Zahlung der Umsatzsteuer, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Organgesellschaft verursacht ist (BGH-Urteil vom 29. Januar 2013 II ZR 91/11, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht --WM-- 2013, 468, unter II.2.b), nicht mehr durchsetzen. Denn hat der vorläufige Insolvenzverwalter die Pflicht zur Massesicherung, ist er berechtigt, seine Zustimmung zur Weiterleitung einer von der Organgesellschaft für Ausgangsleistungen vereinnahmten Umsatzsteuer an den Organträger zu verweigern. Dies steht der Annahme, dass der Organträger aufgrund einer Verschmelzung zu einem Steuerpflichtigen (s. oben II.1.) Steuereinnehmer auch für das Unternehmen der --ohne die Organschaft umsatzsteuerrechtlich selbständigen-- Organgesellschaft sein kann (s. oben II.3.a), entgegen.

35

c) Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Auch der XI. Senat des BFH verlangt für die finanzielle Eingliederung, dass der Organträger über die Mehrheit der Stimmrechte bei der abhängigen juristischen Person verfügt und dass ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht (BFH-Urteil in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2.). Es besteht darüber hinaus kein Widerspruch zum Urteil des XI. Senats vom 14. März 2012 XI R 28/09 (BFH/NV 2012, 1493), das nicht zum Fortbestand der Organschaft bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, sondern zur Frage ergangen ist, ob bei einem unterstellten Fortbestand der Organschaft zugunsten des Organträgers ein Anspruch auf Billigkeitserlass nach § 163 AO besteht. Eine Abweichung liegt nach ständiger BFH-Rechtsprechung nur bei einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage (vgl. z.B. zuletzt BFH-Urteil vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFH/NV 2013, 1138, unter II.4.d) und daher nur dann vor, wenn eine "Rechtsfrage unter dieselbe Rechtsvorschrift zu subsumieren ist" (BFH-Urteil vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569, unter II.6.a), so dass in dem den Streitfall betreffenden Festsetzungsverfahren nicht von einer Entscheidung zum Billigkeitsverfahren nach § 163 AO abgewichen werden kann, zumal in diesem Billigkeitsverfahren gemäß § 102 FGO eine nur eingeschränkte Überprüfung einer vom FA getroffenen Ermessensentscheidung erfolgt (BFH-Urteil vom 20. September 2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518, BFH/NV 2013, 103, unter II.1.b). Soweit der XI. Senat des BFH schließlich die Frage des Fortbestehens einer Organschaft als nicht grundsätzlich bedeutsam i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO angesehen hat (BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 2008 XI B 224/07, juris; vom 11. November 2008 XI B 65/08, BFH/NV 2009, 235, und vom 10. März 2009 XI B 66/08, BFH/NV 2009, 977), handelt es sich um Beschwerdeentscheidungen über die Zulassung der Revision, die nicht zu einer entscheidungserheblichen Divergenz führen. Denn im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision entscheidet der BFH im Rahmen einer auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Nichtzulassungsbeschwerde nicht über die der Beschwerde zugrunde liegende materielle Rechtsfrage (vgl. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 11 FGO Rz 29; ebenso zur fehlenden Abweichung von Beschlüssen im Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung BFH-Urteil vom 22. April 2008 VII R 21/07, BFHE 220, 319, BStBl II 2008, 735, unter II.2.).

36

4. Im Streitfall ist danach das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

37

a) Die GmbH war zunächst in das Unternehmen des Klägers organisatorisch eingegliedert, da der Kläger einziger Geschäftsführer der GmbH war. Entgegen dem Urteil des FG entfiel die organisatorische Eingliederung aber mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters für die GmbH, zu dessen Gunsten das Insolvenzgericht den Zustimmungsvorbehalt i.S. von § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO angeordnet hatte. Ob und welche weiter gehenden Rechte das Insolvenzgericht dem vorläufigen schwachen Verwalter einräumte, ist unerheblich. Ohne Bedeutung ist deshalb, ob sich der vorläufige schwache Verwalter wie ein starker, allgemein geschäftsführungsbefugter vorläufiger Verwalter gerierte, welche weiteren Befugnisse ihm zustanden und ob zu einem späteren Zeitpunkt auch die wirtschaftliche Eingliederung entfallen ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger beim Insolvenzgericht auf eine Änderung der nach § 21 InsO getroffenen Anordnungen hätte drängen können.

38

b) Die Sache ist nicht spruchreif. Da die Organschaft im Streitfall bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt endete, hat der Kläger die im Anschluss an diese Bestellung ausgeführten Umsätze der GmbH nicht zu versteuern. Diese sind im zweiten Rechtsgang der Höhe nach festzustellen.

39

c) In Bezug auf den vom FA gegen den Kläger geltend gemachten Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG wird im zweiten Rechtsgang zu beachten sein, dass die Organschaft zwar bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Verwalters mit Zustimmungsvorbehalt geendet hat, dass die nach dieser Vorschrift erforderliche Uneinbringlichkeit im selben Zeitpunkt --und damit vor einem möglichen Entfallen der wirtschaftlichen Eingliederung-- eingetreten ist, so dass die Organschaft noch im Zeitpunkt des Eintritts der Uneinbringlichkeit bestand und sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch daher gegen den Kläger als Organträger richtete (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 2002 V R 22/01, BFH/NV 2002, 1352, unter II.2.).

40

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Vorsteuerberichtigungsanspruch spätestens "im Augenblick" der Insolvenzeröffnung begründet (vgl. BFH-Urteile vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, unter II.2.c, und vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.b). Uneinbringlichkeit kann aber auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Leistungsempfänger zahlungsunfähig wird (BFH-Beschluss vom 10. März 1983 V B 46/80, BFHE 138, 107, BStBl II 1983, 389, unter 3.).

41

bb) Weder die Stellung eines Insolvenzantrags noch die bloße Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters reicht für sich allein zur Annahme der Uneinbringlichkeit aus (BGH-Urteil vom 19. Juli 2007 IX ZR 81/06, WM 2007, 1708, unter II.2.b bb).

42

Anders ist es, wenn das Insolvenzgericht sich nicht darauf beschränkt, einen vorläufigen Insolvenzverwalter nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO zu bestellen, sondern darüber hinaus gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt oder --wie im Streitfall-- allgemein anordnet, dass seine Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam sind (zur Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, zu dessen Gunsten weder ein allgemeines Verfügungsverbot noch ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt besteht, vgl. Haarmeyer, in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage 2013, § 22 Rz 128). Im Hinblick auf die Pflicht des vorläufigen Verwalters zur Massesicherung und dem sich hieraus ergebenden Verbot, die Gläubigeransprüche zu erfüllen, die vor seiner Bestellung begründet wurden und die im Insolvenzverfahren lediglich Insolvenzforderungen sind (s. oben II.3.b aa), haben beide Arten der Verfügungsbeschränkung nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO und damit auch die Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts zur Folge, dass der Gläubiger seinen Entgeltanspruch --selbst wenn es nachfolgend zu keiner Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, sondern diese z.B. mangels Masse unterbleibt-- zumindest für die Dauer des Eröffnungsverfahrens und damit im Regelfall über einen längeren Zeitraum von ungewisser Dauer (BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 49/10, BFH/NV 2012, 1665, unter II.2.a) nicht mehr durchsetzen kann. Dies gilt unabhängig davon, welche weiteren Befugnisse für den vorläufigen Insolvenzverwalter im jeweiligen Einzelfall bestehen. Dementsprechend ist im Streitfall bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt von einer Uneinbringlichkeit auszugehen.

43

5. Auf die Verfahrensrüge kam es nicht mehr an.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob eine GmbH als --umsatzsteuerrechtlich unselbständige-- Organgesellschaft in das Unternehmen einer anderen GmbH eingegliedert war.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) firmierte im Streitjahr 1996 unter F-GmbH. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war --der im Streitjahr selbst nicht unternehmerisch tätige-- X, der auch alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Verwaltungs-GmbH war.

3

Durch "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" vom 15. Dezember 1995 hatte die F-GmbH die Leitung ihres Unternehmens der Verwaltungs-GmbH unterstellt. Nach dem Vertrag war die Verwaltungs-GmbH berechtigt, den Geschäftsführern der F-GmbH alle ihr zweckdienlich erscheinenden Weisungen zu erteilen (§ 2 Abs. 1 des Vertrages). Die F-GmbH war verpflichtet, den gesamten nach den maßgeblichen handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Gewinn abzüglich eines evtl. Verlustvortrages aus dem Vorjahr an die Verwaltungs-GmbH abzuführen (§ 4 Abs. 1 des Vertrages). Die Verwaltungs-GmbH hatte einen während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen (§ 4 Abs. 4 des Vertrages). Die Vereinbarung sollte bezüglich der Verpflichtung zur Gewinnabführung und Verlustübernahme (§ 4 des Vertrages) rückwirkend ab 1. Januar 1995 gelten und war unkündbar bis zum 31. Dezember 2000.

4

Einen gleichlautenden "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" hat die Verwaltungs-GmbH am 15. Dezember 1995 mit der B-GmbH geschlossen, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls X war.

5

Die F-GmbH hatte mit Notarvertrag vom 15. März 1995 von der D-GmbH i.L. unter Beteiligung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) als gesetzlicher Vertreter nach § 21 Abs. 1 Satz 1 des Investitionsvorranggesetzes einen mit einer stillgelegten Malzfabrik bebauten Grundbesitz für 1 DM erworben und sich u.a. verpflichtet, die auf dem Grundbesitz befindlichen Gebäude (mit Ausnahme der Kultur- und Wohngebäude) vollständig abzubrechen und den anfallenden Abraum bis spätestens zum 30. Juni 1998 fachgerecht zu entsorgen (§ 9 Abs. 1 des Vertrages).

6

Zur Gewährleistung des Abbruchs einschließlich der fachgerechten Entsorgung des anfallenden Abraums verpflichteten sich sowohl die D-GmbH i.L. als auch die BvS, der F-GmbH für nach Wirksamwerden des Vertrages vorgenommene Abbrucharbeiten einen "Investitionszuschuss" bis zu max. je 1 Mio. DM, insgesamt max. 2 Mio. DM, zu gewähren, und zwar in acht Tranchen im Umfang von bis zu max. 250.000 DM entsprechend dem Fortschritt der Abbrucharbeiten für bereits erbrachte Fremdleistungen oder Eigenleistungen der F-GmbH (§ 10 des Vertrages).

7

Am 15. April 1996 erteilte die F-GmbH der B-GmbH eine Rechnung über die Gestellung von Personal "für Vorbereitungsarbeiten im Zusammenhang mit dem Abriss ..." über 81.300,56 DM "zzgl. 15 % MwSt 12.195,08 DM".

8

Am 16. April 1996 stellte die F-GmbH eine Rechnung an die D-GmbH i.L. über den "Abriss ..." in Höhe von 851.707,43 DM "zzgl. 15 % MwSt 127.756,11 DM" aus, die sie nebst Anlagen bei der BvS zur Abforderung des vertraglich vereinbarten Investitionszuschusses einreichte.

9

Aufgrund einer Fahndungsprüfung in den Jahren 2001 bis 2003 änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) mit Bescheid vom 16. März 2004 die Umsatzsteuerfestsetzung für 1996 gegenüber der F-GmbH.

10

Einspruch und Klage, mit der die Klägerin insbesondere geltend gemacht hatte, sie schulde die in den Rechnungen der F-GmbH vom 15. und 16. April 1996 ausgewiesene Umsatzsteuer nicht, weil die F-GmbH zu diesem Zeitpunkt Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen sei, blieben ohne Erfolg.

11

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, die Klägerin schulde den von der F-GmbH in der Rechnung vom 16. April 1996 an die D-GmbH i.L. ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag jedenfalls nach § 14 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG); die von der F-GmbH unter dem 15. April 1996 gegenüber der B-GmbH abgerechnete Personalgestellung unterliege nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG der Umsatzsteuer.

12

Die F-GmbH sei im Streitjahr 1996 nicht Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen. Es fehle an der finanziellen Eingliederung, weil die Verwaltungs-GmbH selbst keine Anteile an der F-GmbH besessen habe (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441). Der BFH nehme eine finanzielle Eingliederung bei einer mittelbaren Beteiligung in der Weise, dass die/der Gesellschafter der Organträgergesellschaft die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte in der Organgesellschaft hielten/halte, nur in den Fällen an, in denen Organträgergesellschaft eine Personengesellschaft sei (Hinweis u.a. auf das BFH-Urteil vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136). Diese Differenzierung sei nicht zu beanstanden.

13

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 879 veröffentlicht.

14

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen Rechts (§ 60 Abs. 3, § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 UStG).

15

Dazu macht sie im Wesentlichen geltend, der Senat habe in dem Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, auf das sich das FG zur Begründung bezogen habe, entschieden, wenn eine juristische Person (Kapitalgesellschaft) Organträgerin sein solle, setze dies "regelmäßig" deren unmittelbare, jedenfalls nicht unwesentliche Beteiligung an der Organgesellschaft voraus. Hier liege aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 ein Ausnahmefall im Sinne dieser Rechtsprechung vor, der dazu führe, dass das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis nach der Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Verhältnisse vorliege.

16

In diesem Zusammenhang habe das FG unter Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO die in § 4 Abs. 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt. Aus dieser Regelung ergebe sich aber, dass der F-GmbH das unternehmerische Risiko durch die Verwaltungs-GmbH vollständig abgenommen werde, ein Umstand aus dem sich ihre Unterordnung unter die Verwaltungs-GmbH geradezu aufdränge.

17

Zudem verstoße die Rechtsauffassung des FG gegen die europarechtlichen Grundsätze der Rechtsformunabhängigkeit und der steuerlichen Neutralität. Diese Grundsätze sprächen dafür, die Entscheidung, ob eine Organgesellschaft mittelbar finanziell in einen Organträger eingegliedert sei, nicht davon abhängig zu machen, ob der Organträger eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft sei.

18

Die übrigen Voraussetzungen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft (organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung) lägen vor.

19

Die Klägerin rügt ferner, dass das FG entgegen § 60 Abs. 3 FGO die Verwaltungs-GmbH nicht beigeladen habe.

20

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung des FA vom 1. März 2005 die Umsatzsteuer für 1996 unter Änderung des Bescheids vom 16. März 2004 um insgesamt ... DM herabzusetzen,

hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorzulegen:

21

"Sind Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der ... Richtlinie 77/388/EWG ... in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtsformunabhängigkeit und dem Neutralitätsprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegenstehen, die eine Anerkennung einer Organschaft und damit nur eines Steuerpflichtigen im Sinne der Richtlinie ablehnt, wenn der alleinige 100%ige Gesellschafter-Geschäftsführer der zum Organkreis gehörenden Kapitalgesellschaften alle Anteile zwar im Privatvermögen hält, aber als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaften in die Verwaltung eingreift und durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag eine Kapitalgesellschaft zur Organträgerin bestimmt, die das unternehmerische Risiko der übrigen Gesellschaften trägt?",

"höchsthilfsweise", die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

22

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

23

Es tritt dem Revisionsvorbringen entgegen und verweist darauf, dass es im Streitfall außer an einer finanziellen Eingliederung auch an einer wirtschaftlichen Eingliederung der F-GmbH in das Unternehmen der Verwaltungs-GmbH fehle.

Entscheidungsgründe

24

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

25

Das FG hat zutreffend entschieden, dass die F-GmbH nicht i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in die Verwaltungs-GmbH finanziell eingegliedert war. Die von der Klägerin gerügten Verstöße gegen § 60 Abs. 3 und § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegen nicht vor.

26

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

27

Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Danach steht es (vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie 77/388/EWG) jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln.

28

2. Eine finanzielle Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt nach der Rechtsprechung des BFH voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Erforderlich ist die Stimmenmehrheit, also mehr als 50 % der Stimmen an der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581, unter II.2.).

29

Die Stimmenmehrheit an einer Organgesellschaft kann auch durch eine mittelbare Beteiligung des Organträgers in der Weise erreicht werden, dass der Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft in direkter Linie über eine unmittelbare Mehrheitsbeteiligung (als Gesellschafter) an einer (Tochter-)Gesellschaft erreicht, die ihrerseits unmittelbar mit Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft (sog. Enkelgesellschaft) beteiligt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a ee).

30

a) Im Streitfall war die Verwaltungs-GmbH nicht unmittelbar an der F-GmbH beteiligt. Die Verwaltungs-GmbH war auch nicht über eine oder mehrere Tochtergesellschaften mittelbar an der F-GmbH beteiligt.

31

Dass X alleiniger Gesellschafter sowohl der Verwaltungs-GmbH als auch der F-GmbH war, reicht nicht aus. Denn dadurch ist keine der beiden Gesellschaften in das andere Unternehmen eingeordnet. Es handelt sich um gleichgeordnete Schwestergesellschaften, zwischen denen, würde nicht auf das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis abgestellt werden, wechselseitige und jeweils austauschbare Organverhältnisse denkbar wären (vgl. Senatsurteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441).

32

b) Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15. Dezember 1995 --insbesondere die darin vorgesehene Verpflichtung der Verwaltungs-GmbH zur Übernahme der Verluste der F-GmbH-- führt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu einer finanziellen Eingliederung der F-GmbH in die Verwaltungs-GmbH. Denn aus der Notwendigkeit einer Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft folgt auch, dass eine fehlende Beteiligung nicht durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden kann.

33

Das Merkmal der finanziellen Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG betrifft --wie dargelegt-- die Beteiligungsverhältnisse (vgl. auch Lippross, Umsatzsteuer, 22. Aufl., S. 338). Gewinnabführungsverträge haben darauf aber keinen Einfluss. Dasselbe gilt für die in dem Vertrag vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Übernahme etwaiger Verluste der F-GmbH durch die Verwaltungs-GmbH.

34

Darüber hinaus steht im Streitfall auch nicht fest, ob und wann der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15. Dezember 1995 zwischen der Verwaltungs-GmbH und der F-GmbH wirksam wurde. Ein derartiger Vertrag wird erst mit seiner Eintragung in das Handelsregister gemäß § 294 Abs. 2 des Aktiengesetzes zivilrechtlich (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Oktober 1988 II ZB 7/88, BGHZ 105, 324) und steuerrechtlich (vgl. BFH-Entscheidungen vom 22. Oktober 2008 I R 66/07, BFHE 223, 162, BStBl II 2009, 972, unter II.2.; vom 3. September 2009 IV R 38/07, BFHE 226, 283, BStBl II 2010, 60, unter II.2., m.w.N.) wirksam. Dazu hat das FG keine Feststellungen getroffen.

35

c) Soweit die Klägerin darauf verweist, der EuGH habe in den Urteilen vom 25. Juli 1991 Rs. C-202/90 --Ayuntamiento de Sevilla-- (Slg. 1991, I-4247, Umsatzsteuer-Rundschau --UR--- 1993, 122, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1993, 214, Rz 13) und vom 18. Oktober 2007 Rs. C-355/06 --van der Steen-- (Slg. 2007, I-8863, UR 2007, 889, HFR 2008, 87, Rz 24) ausgeführt, "dass ein Unterordnungsverhältnis dann nicht besteht, wenn die Betroffenen das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit tragen", hat der EuGH dies entgegen der Darstellung der Klägerin nicht "für die Organgesellschaft" festgestellt.

36

Die bezeichnete Aussage in den EuGH-Urteilen betrifft nicht die vorliegend relevanten Voraussetzungen einer Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen i.S. von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, sondern die --anderweitige--- Frage der Selbständigkeit (Verhältnis der Unterordnung i.S. des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) eines spanischen Steuereinnehmers (--Ayuntamiento de Sevilla-- in Slg. 1991, I-4247, UR 1993, 122, HFR 1993, 214) und eines Arbeitnehmers, der zugleich einziger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH war (--van der Steen-- in Slg. 2007, I-8863, UR 2007, 889, HFR 2008, 87).

37

3. Das Erfordernis der Stimmenmehrheit einer GmbH als Organträger an einer Organgesellschaft verstößt nicht gegen den Grundsatz der Rechtsformneutralität der Umsatzsteuer. Denn auch eine Personengesellschaft kann nur dann Organträger sein, wenn sie (selbst) an einer Organgesellschaft mit Stimmenmehrheit beteiligt ist. An seiner anderslautenden Rechtsprechung in dem Urteil in BFH/NV 1999, 1136 hält der Senat nicht mehr fest.

38

a) Der BFH hatte bei einer Personengesellschaft als Organträger --anders als bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger-- für eine finanzielle Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG eine Beteiligung der Personengesellschaft an der Organgesellschaft nicht vorausgesetzt; ausreichend war, dass die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgergesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Stimmrechte verfügten und damit die Personengesellschaft mittelbar ihren Willen in der Organgesellschaft durchsetzen konnte (grundlegend BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136, unter II.2., m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a ee; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.e).

39

b) Dieser Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung (vgl. Abschn. 21 Abs. 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008) und die herrschende Meinung in der Literatur zugestimmt (vgl. Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 44 Rz 261; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 2 Rz 112; Flückiger in Plückebaum/Malitzky/Widman, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 2 Abs. 2 Rz 280/1, 282/1; Heidner in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 2 Rz 118; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, § 2 UStG Rz 74; zustimmend nur für den Fall der sog. Betriebsaufspaltung: Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 689; kritisch Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 2 Rz 111, und Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 393 f.).

40

c) Nunmehr hat der V. Senat des BFH aber eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft verneint, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und einer GmbH verfügen (vgl. Urteil in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581).

41

d) Der erkennende Senat gibt seine Rechtsprechung in dem Urteil in BFH/NV 1999, 1136 auf. Die bisherige unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Unternehmen in Abhängigkeit von ihrer Rechtsform verstößt gegen den durch die Rechtsprechung des EuGH ausgeprägten unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtsformneutralität, weil sie nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.

42

aa) Der Grundsatz der Steuerneutralität (vgl. zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG: EuGH-Urteil vom 22. Mai 2008 Rs. C-162/07 --Ampliscientifica und Amplifin--, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217, HFR 2008, 878, UR 2008, 534, Rz 25, m.w.N.) verlangt in seiner Ausprägung der Rechtsformneutralität (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteil vom 10. September 2002 Rs. C-141/00 --Kügler--, Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, HFR 2002, 1146, UR 2002, 513, Rz 30, m.w.N.; BFH-Urteil vom 14. Mai 2008 XI R 70/07, BFHE 221, 517, BStBl II 2008, 912, unter II.1.a aa, m.w.N.), dass die Rechtsform des Steuerpflichtigen im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich unerheblich ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26. September 2007 V R 54/05, BFHE 219, 241, BStBl II 2008, 262, unter II.1.b, m.w.N.; Birkenfeld, UR 2008, 2, 5, m.w.N.) und gebietet eine weitgehende Gleichbehandlung von Kapital- und Personengesellschaften (vgl. BFH-Urteil vom 6. September 2007 V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710, unter II.3.).

43

bb) Der Senat hat seinerzeit zur Begründung dafür, dass eine Verflechtung aufgrund der Beteiligung von Gesellschaftern einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft für deren finanzielle Eingliederung ausreichend sein kann, darauf abgestellt, bei Vorliegen vor allem der wirtschaftlichen Eingliederung der Untergesellschaft könnten diese Beteiligungen im Rahmen der Obergesellschaft als notwendiges (Sonder-)Betriebsvermögen auszuweisen sein (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, UR 1996, 334, GmbH-Rundschau 1996, 950, unter III.).

44

Dieses Argument vermag aber eine unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Organträger nicht zu rechtfertigen (zutreffend Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 2 Rz 111). Denn die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen bewirkt nicht, dass das Eigentum an den GmbH-Anteilen und damit die Stimmrechte des Gesellschafters der GmbH auf die Personengesellschaft übergehen.

45

Dass die jeweils beide Gesellschaften beherrschende natürliche Person rein tatsächlich in der Lage ist, ihren Willen in beiden Gesellschaften durchzusetzen, reicht für die Annahme einer finanziellen Eingliederung der einen Gesellschaft in die andere (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG) nicht aus.

46

Vielmehr muss die Personengesellschaft selbst --ggf. auch mittelbar über eine weitere (Tochter-)Gesellschaft-- über die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft verfügen (vgl. Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 2 Rz 111), wie dies auch bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger erforderlich ist (s. oben unter II.2.).

47

e) Der Senat hat beim V. Senat des BFH angefragt, ob dieser in der vorliegenden Entscheidung eine Abweichung von seiner Rechtsprechung sieht und ob er bejahendenfalls dieser Abweichung zustimmt.

48

Der V. Senat hat mitgeteilt, dass er in der Annahme einer fehlenden mittelbaren finanziellen Eingliederung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) zwischen einer Personen- und einer Kapitalgesellschaft auch für den Fall, dass nur ein Gesellschafter über Mehrheitsbeteiligungen an beiden Gesellschaften verfügt, keine Abweichung von seinem Urteil in BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581 sieht.

49

4. Weitere materielle Rechtsfehler hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

50

5. Die von ihr gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

51

a) Das FG hat entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dadurch gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, dass es die in § 4 Abs. 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt hat.

52

Denn darauf kam es nach der für die Prüfung eines Verfahrensfehlers maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 III R 63/98, BFH/NV 2001, 1028, unter II.1.a) nicht an. Das FG hat für die Frage der finanziellen Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG --zutreffend-- auf die Beteiligungsverhältnisse abgestellt (Urteil, S. 9).

53

b) Die weitere Rüge der Klägerin, das FG habe es unterlassen, die Verwaltungs-GmbH zum Verfahren beizuladen und dadurch gegen § 60 Abs. 3 FGO verstoßen, hat ebenfalls keinen Erfolg.

54

Das FG musste die Verwaltungs-GmbH nicht gemäß § 60 Abs. 3 FGO beiladen. Denn sie ist an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Bei einem Streit darüber, ob eine Gesellschaft in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist, ist zwar eine Beiladung des Organträgers nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO möglich (vgl. BFH-Beschluss vom 27. August 1990 V B 14/97, BFH/NV 1998, 148), aber nicht i.S. von § 60 Abs. 3 FGO notwendig (vgl. BFH-Beschluss vom 4. August 2006 V B 98/04, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris; Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 60 Rz 107; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz 74).

55

Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt die Rechtsprechung im Beschluss des BFH vom 4. August 2006 V B 98/04 (n.v., juris) nicht nur für die Beiladung eines Insolvenzverwalters, sondern generell für die Beiladung eines möglichen Organträgers. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme des Beschlusses auf den --eine Einschränkung nicht enthaltenden-- Beschluss in BFH/NV 1998, 148.

56

6. Für die von der Klägerin hilfsweise beantragte Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH sieht der Senat keinen Anlass.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 12. Februar 2013  15 K 4005/11 U,AO wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, als Organgesellschaft nichtsteuerbare Leistungen an die A-GmbH & Co. KG (A-KG) als Organträger erbracht hat.

2

Gesellschafter der Klägerin waren in den Streitjahren D und ihre Tochter B mit einer Beteiligung von jeweils 50 %. D und B hatten eine Stimmbindungsvereinbarung geschlossen, in der sich beide verpflichteten, ihr Stimmrecht als Gesellschafter nur einheitlich auszuüben, wobei B ihr Stimmverhalten an der Stimmabgabe durch D auszurichten hatte. Alleinige Geschäftsführerin der Klägerin war B.

3

D war darüber hinaus alleinige Kommanditistin der A-KG und Alleingesellschafterin der V-GmbH, die Komplementärin der A-KG war. D war zudem bis zum 23. Oktober 2007 einzige Geschäftsführerin der V-GmbH. Seitdem ist B weitere einzelvertretungsbefugte Geschäftsführerin der V-GmbH. Die A-KG betrieb ein sog. Seniorenzentrum als Wohn- und Pflegeheim. Sie sah die von ihr erbrachten Pflegeleistungen gemäß § 4 Nr. 16 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) als steuerfrei an.

4

Die Klägerin erbrachte in den Streitjahren 2003 bis 2008 auf der Grundlage eines im Juni 1998 abgeschlossenen Vertrags entgeltliche Leistungen im Bereich der Speisenversorgung an die A-KG, die die KG in der von ihr betriebenen Altenhilfeeinrichtung verwendete. Nach dem Vertrag hatte die Klägerin "die komplette Verpflegung von zur Zeit 334 Bewohnern mit Speisen und Getränken nach Anweisung und in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Auftraggebers" zu übernehmen. Die KG teilte der Klägerin "die Anzahl der täglich zu liefernden Portionen und ggf. die vom behandelnden Arzt vorgegebenen Ernährungskriterien der einzelnen Bewohner mit". Die Verpflegung war in einem "Tablettsystem" zusammenzustellen und auf Transportwagen zu laden, die vom Hol- und Bringdienst der A-KG auf die Wohnbereiche des Seniorenzentrums gebracht und später wieder abgeholt wurden. Weitere Leistungen erbrachte die Klägerin aufgrund eines gleichfalls im Juni 1998 abgeschlossenen "Wäscherei-Full-Servicevertrags" und eines "Hausreinigungs-Full-Servicevertrags". Darüber hinaus war die Klägerin bei der Bewirtschaftung eines Kiosks, einer Cafeteria und in der Personalkantine für die A-KG gegen Entgelt tätig.

5

Die Klägerin ging in ihren Umsatzsteuerjahreserklärungen 2003 bis 2007 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen 2008 davon aus, dass sie steuerpflichtige Leistungen erbracht habe, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

6

Im Anschluss an eine Außenprüfung und an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung war der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass der Regelsteuersatz anzuwenden sei und erließ am 6. Juli 2009 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Umsatzsteuerjahresbescheide 2003 bis 2007 sowie einen erstmaligen Umsatzsteuerjahresbescheid 2008. Einem Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gab das FA nicht statt.

7

Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1344 veröffentlichten Urteil des FG liegt eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, die die Klägerin erstmals nach der Sonderprüfung im Einspruchsverfahren geltend gemacht hatte, nicht vor. Auf die daher steuerpflichtigen Leistungen sei der Regelsteuersatz anzuwenden. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen.

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage der Organschaft und die hierfür zu berücksichtigende Bedeutung des Unionsrechts (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG-- und ab dem Streitjahr 2007 Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 --MwStSystRL--) hat der Senat mit Beschluss vom 30. Juli 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der verbundenen Rechtssache Larentia + Minerva C-108/14 und Marenave Schifffahrt C-109/14 --EU:C:2015:496-- (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

9

Mit Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache zur Auslegung der unionsrechtlichen Grundlagen der Organschaft wie folgt entschieden:

"2.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

3.

Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

10

Die Klägerin macht hierzu geltend, dass unionsrechtliche Erfordernisse bei der Auslegung des nationalen Rechts trotz der fehlenden Berufbarkeit zu berücksichtigen seien. Die Gefahr eines Rechtsmissbrauchs oder die Möglichkeit einer Steuerhinterziehung sprächen nicht gegen eine Rückkehr zur früheren Rechtsprechung, nach der eine mittelbare finanzielle Eingliederung über gemeinsame Gesellschafter möglich war. Rechtsmissbrauch und Steuerhinterziehung seien zudem für die bisherige BFH-Rechtsprechung zur Organschaft ohne Bedeutung gewesen. Die finanzielle Eingliederung sei erst aufgrund einer geänderten Beurteilung durch die Rechtsprechung des BFH entfallen. Eine Beherrschung der Klägerin durch die A-KG ergebe sich aus der beiden Gesellschaften übergeordneten Struktur. Die A-KG habe der Klägerin Anweisungen für die tägliche Arbeit erteilt. Die Klägerin sei in den Räumlichkeiten der A-KG tätig geworden. Bei der Klägerin habe es sich um die Ausgliederung eines zuvor von der A-KG selbst wahrgenommenen Arbeitsbereichs gehandelt. Gleichwohl habe die A-KG bei der Klägerin durchregieren können. Die nach dem Unionsrecht enge Verbindung liege vor. Zu ihren Gunsten sei zumindest eine Übergangsregelung der Finanzverwaltung anzuwenden. Auch in Bezug auf die Frage des anwendbaren Steuersatzes sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

11

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2008 vom 6. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2011 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer nach Maßgabe der im Einspruchsverfahren eingereichten geänderten Umsatzsteuererklärungen festgesetzt wird,
hilfsweise, das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 31. August 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2012 zu verpflichten, die Umsatzsteuerbescheide vom 6. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2011 aus Billigkeitsgründen entsprechend der im Einspruchsverfahren eingereichten Umsatzsteuererklärungen festzusetzen.

12

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

13

Bei dem sich aus dem nationalen Recht ergebenden Erfordernis der Eingliederung handele es sich um eine geeignete und erforderliche Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung. Das Erfordernis der Überordnung diene auch der Rechtssicherheit. Das nationale Recht verstoße daher nicht gegen das Unionsrecht. Zudem knüpfe das nationale Recht zur Organschaft nicht an den Unternehmerbegriff des § 2 Abs. 1 UStG, sondern an das Merkmal der Selbständigkeit an. Damit habe der nationale Gesetzgeber eine andere Regelungstechnik gewählt als der Richtliniengeber, der am Begriff des Steuerpflichtigen ansetze. Aufgrund des Verlustes der Selbständigkeit gingen die steuerlichen Verpflichtungen wie etwa die Abgabe von Steuererklärungen auf den Organträger über. Im Hinblick auf diesen Übergang komme dem Gebot der Rechtssicherheit große Bedeutung zu. Ohne Über- und Unterordnung entstünden Abgrenzungsschwierigkeiten, die zu einer Verschleierung der für den Organkreis verantwortlichen Person führen könnten. Es drohe die Gefahr der Steuerhinterziehung und -umgehung. Zudem fehle es auch an einer organisatorischen Eingliederung. Alleinige Geschäftsführerin der Klägerin sei B gewesen, während D bis zum Oktober 2007 alleinige Geschäftsführerin bei der Komplementär-GmbH der A-KG gewesen sei. Es seien keine Standardspeisen abgegeben worden.

14

Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten und macht geltend, dass hinsichtlich der Beschränkung auf juristische Personen keine Möglichkeit bestehe, das nationale Recht unionsrechtskonform auszulegen. Am Erfordernis des Unterordnungsverhältnisses sei festzuhalten. Das Erfordernis der Mehrheitsbeteiligung entspreche den unionsrechtlichen Vorgaben. Das Gebot der Rechtssicherheit sei zu beachten. Zu berücksichtigen sei auch die Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Auch unter Berücksichtigung der zum Unionsrecht ergangenen EuGH-Rechtsprechung gehört die Klägerin mangels finanzieller und organisatorischer Eingliederung weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht einer mit der A-KG bestehenden Organschaft an, so dass das FG zu Recht entschieden hat, dass die Klägerin Leistungen erbracht hat, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Es ist auch kein Billigkeitserlass zu gewähren.

16

1. Die Klägerin ist nicht finanziell in das Unternehmen der A-KG eingegliedert.

17

a) Die finanzielle Eingliederung setzt nach nationalem Recht eine eigene Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an einer juristischen Person voraus.

18

aa) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Organschaft dient der   Verwaltungsvereinfachung   (vgl. BTDrucks V/48, § 2, BTDrucks IV/1590, S. 36, zum gesetzlichen Festhalten an der vorkonstitutionellen Organschaft des UStG 1934, RStBl 1934, 1549 ff.; zum Vereinfachungszweck vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 784, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 41) und führt zu einer Zusammenfassung zu einem Unternehmen beim Organträger. Der Organträger ist entsprechend dem Vereinfachungszweck Steuerschuldner auch für die aufgrund der Organschaft unselbständig tätige Person. Die Rechtsfolgen der Organschaft treten von Gesetzes wegen ein. Hinsichtlich der Voraussetzungen der Organschaft ist nicht danach zu differenzieren, ob ein Steuerschuldner --hier die Klägerin-- oder der Steuergläubiger Rechtsfolgen aus der Organschaft zu seinen Gunsten ableitet.

19

bb) Da sich die mit der Organschaft verbundene Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger finanziell belastend auswirken kann, müssen die Voraussetzungen der Organschaft rechtssicher bestimmbar sein (BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb(1), m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH). Dementsprechend erfordert die finanzielle Eingliederung eine Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der juristischen Person (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFHE II 2013, 873, unter II.2.b aa; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2., und vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.2.a).

20

cc) Der Organträger muss zudem über eine eigene Mehrheitsbeteiligung an der juristischen Person verfügen. Diese kann sich entweder aus einer unmittelbaren Beteiligung oder mittelbar aus einer über eine Tochtergesellschaft gehaltenen Beteiligung ergeben. Demgegenüber ist bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz der Gesellschafter zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb (2)). Darüber hinaus ist die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft nach dem BFH-Urteil des XI. Senats in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, Leitsatz 1 auch dann zu verneinen, wenn nur ein Gesellschafter über die Stimmenmehrheit an den beiden Schwestergesellschaften verfügt.

21

dd) Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung zur rechtssicheren wie auch einfachen Bestimmung der Voraussetzungen der Organschaft fest:

22

(1) Das nationale Recht sieht weder einen Antrag noch ein besonderes Verfahren zur Feststellung der Voraussetzungen der Organschaft vor. Da es dementsprechend an einem Grundlagenbescheid fehlt, ist es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht möglich, für die Organschaft anstelle einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auf das unbestimmte wie auch unpräzise Merkmal einer lediglich engen finanziellen Verbindung zwischen mehreren Personen abzustellen. Eine derartige Verbindung ermöglicht es nicht, die Person rechtssicher zu bestimmen, die die steuerrechtlichen Verpflichtungen für den Organkreis als Organträger und damit als einzige Steuerschuldnerin zu erfüllen hat. So könnte z.B. ohne Erfordernis einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auch eine mittelbare finanzielle Eingliederung zwischen zwei Schwesterkapitalgesellschaften bestehen, bei der dann mangels eines besonderen Feststellungsverfahrens die Person des Organträgers und die der Organgesellschaft nicht bestimmt werden könnte.

23

Ebenso ist es im Grundsatz im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihrer Schwesterpersonengesellschaft. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der erkennende Senat § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aus Gründen der Rechtsformneutralität erweiternd auch auf einzelne eingegliederte Personengesellschaften anwendet. Zu den Voraussetzungen hierfür verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13 (BFHE 251, 534, unter II.2.c).

24

(2) Bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen ist auch der mit der Organschaft verfolgte   Vereinfachungszweck   zu berücksichtigen. Dieser erfordert, dass die Organschaft auch für den Organträger als Steuerschuldner für die organschaftlich zusammengefassten Unternehmen einfach anzuwenden ist. Ohne Antrags- und ohne Feststellungsverfahren muss es dem Organträger daher aufgrund der Eingliederung möglich sein, die --nach § 370 AO strafbewährte-- Verantwortung für die Umsatztätigkeit der mit ihm verbundenen juristischen Person zu übernehmen. Dies setzt in Form der Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Durchgriffsmöglichkeiten voraus, aufgrund derer der Organträger --ähnlich wie bei unselbständigen Betriebsabteilungen im Unternehmeneiner Person-- die für die Abgabe von Steueranmeldungen und Steuererklärungen notwendigen Informationsansprüche wie auch die zur Erfüllung von Steueransprüchen notwendigen Ausgleichsansprüche (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, unter II.3.a) gegen die Organgesellschaft durchsetzen kann (vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Anm. 913).

25

b) Im Streitfall ist die Klägerin nach nationalem Recht nicht Organgesellschaft der A-KG. Die finanzielle Eingliederung der Klägerin in die A-KG scheitert bereits daran, dass die A-KG keine eigene Mehrheitsbeteiligung an der Klägerin in ihrem Gesamthandsvermögen hielt, sondern nur über ihre Gesellschafterin D mit der Klägerin verbunden war. Ohne eigene Mehrheitsbeteiligung ist die Person des Organträgers im Verhältnis zwischen der Klägerin, einer GmbH, und ihrer Schwester-KG nicht eindeutig bestimmbar. Es bestehen keine rechtsverbindlichen Regelungen zur Zusammenrechnung eines mehreren Gesellschaftern zustehenden Anteilsbesitzes. Dies gilt auch für den Fall einer familiären Verbundenheit mehrerer Gesellschafter. Der von D mit ihrer Tochter getroffenen Stimmbindungsvereinbarung kommt keine Bedeutung zu, da diese nicht in der Satzung der Klägerin vereinbart war. Der Senat verweist auch insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13, unter II.1.c cc (1).

26

Mangels eigener Mehrheitsbeteiligung standen der A-KG somit keine eigenen Durchgriffsrechte zu. Ihr, wie auch der für sie organschaftlich handelnden Komplementär-GmbH, war es nicht möglich, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die A-KG Umsätze der Klägerin gegenüber Dritten ordnungsgemäß versteuert, oder dafür verantwortlich zu sein, dass derartige Umsätze nicht vorliegen.

27

c) Das Unionsrecht führt nicht zu einer gegenüber der bisherigen BFH-Rechtsprechung geänderten Beurteilung.

28

aa) Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Diese Regelung dient der "Verwaltungsvereinfachung" und der "Verhinderung bestimmter Missbräuche (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schifffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40).

29

bb) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

30

(1) Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50 f.).

31

(2) Entscheiden sich Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dafür, Regelungen zur Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen zu schaffen, haben sie bei der Ausübung der ihnen zustehenden Präzisierungsbefugnis die hierfür unionsrechtlich bestehenden Anforderungen zu berücksichtigen.

32

(a) Die Mitgliedstaaten haben zu beachten, dass sie die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG mögliche Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen nicht von weiteren als den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen abhängig machen dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 38) und dass das Unionsrecht die Regelung zur Mehrwertsteuergruppe nicht allein den Einheiten vorbehält, die sich in einem Verhältnis der Unterordnung zum Organträger befinden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 44). Auf eine Unterordnung darf nur ausnahmsweise abgestellt werden, etwa wenn diese Bedingung "in einem bestimmten nationalen Kontext" zur "Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen" erforderlich und geeignet ist (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 45). Hierüber hat das nationale Gericht zu entscheiden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 46).

33

(b) Die auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG getroffenen Regelungen haben --wie stets-- den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beachten. Danach müssen "die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig sein" und ihre Anwendung muss für die Betroffenen vorhersehbar sein, "wobei dieses Gebot der Rechtssicherheit in besonderem Maß gilt, wenn es sich um Vorschriften handelt, die finanzielle Konsequenzen haben können, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch diese Vorschriften auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen". Zudem "müssen die Rechtsnormen der Mitgliedstaaten auf den vom Unionsrecht erfassten Gebieten eindeutig formuliert sein, so dass den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht wird, und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt werden, deren Einhaltung sicherzustellen" (EuGH-Urteil Tomoiaga vom 9. Juli 2015 C-144/14, EU:C:2015:452, Rz 35, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Bei der Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger handelt es sich aufgrund der damit verbundenen Verlagerung der Steuerschuld von der Organgesellschaft auf den Organträger "um Vorschriften ..., die finanzielle Konsequenzen haben können".

34

cc) Für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrechten i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG besteht eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht.

35

(1) Obwohl sich die Voraussetzung eines Antrags nicht aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergibt, der die Bedingungen für die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen abschließend aufzählt (s. oben II.1.c bb(2)(a)), haben einzelne Mitgliedstaaten diese Zusammenfassung antragsabhängig ausgestaltet (vgl. z.B. zu dem in der Republik Irland für die Gruppenbesteuerung bestehenden Antragserfordernis EuGH-Urteil Kommission/Irland vom 9. April 2013 C-85/11, EU:C:2013:217, Rz 8), ohne dass der EuGH dies beanstandet (vgl. EuGH-Urteil Kommission/Irland, EU:C:2013:217; vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2, Anm. 816).

36

Der erkennende Senat versteht dies dahingehend, dass das Erfordernis einer rechtssicheren Präzisierung von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG Sonderbedingungen wie ein von der Richtlinie nicht vorgesehenes Antragserfordernis rechtfertigt, bei dem es sich um ein bloßes Verfahrenserfordernis oder auch um ein materiell-rechtliches Wahlrecht handeln kann. Im   Kontext des nationalen Rechts,   in dem es an einem besonderen Verfahren und einem Grundlagenbescheid zur Feststellung der Organschaft und damit an einer für alle am Organkreis Beteiligten verbindlichen Festlegung, ob eine Organschaft besteht und wer Steuerschuldner für diese ist, fehlt, kann   nur   anhand des Merkmals der Eingliederung die Person bestimmt werden, die die Verantwortung dafür zu tragen hat, dass die Umsätze des im Organkreis zusammengefassten Unternehmens ordnungsgemäß versteuert werden (s. oben II.1.a bb). Daher können die Mitgliedstaaten das Erfordernis der Rechtssicherheit auch bei der ihnen obliegenden Präzisierung (s. oben II.1.c bb(1)) des "konkreten Umfangs" der erforderlichen Verbindungen berücksichtigen. Dies rechtfertigt ein Abstellen auf eine Eingliederung mit Durchgriffsrechten, da sich hieraus die Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger rechtssicher ergibt (s. oben II.1.a dd). Damit wird dem Vereinfachungszweck der Zusammenfassung Rechnung getragen, da Beurteilungsschwierigkeiten, die sich auf der Grundlage einer bloßen engen Verbindung, aus der sich aufgrund ihrer Präzisierungsbedürftigkeit keine verbindlichen Voraussetzungen ergeben, entfallen.

37

Der Senat berücksichtigt dabei auch, dass die Finanzverwaltung berechtigt ist, das Bestehen einer z.B. zunächst rechtsfehlerhaft unerkannt gebliebenen Organschaft mit Wirkung für die Vergangenheit geltend zu machen. Unterschiedliche Anforderungen an die Organschaft, die sich danach richten, ob der Steuerpflichtige --zur Vermeidung nicht abziehbarer Vorsteuerbeträge wie im Streitfall-- oder die Finanzverwaltung aus Insolvenz- oder Vollstreckungsgründen ein Interesse am Bestehen der Organschaft hat, sind weder mit dem nationalen Recht noch mit dem Unionsrecht zu vereinbaren.

38

(2) Dient die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen trotz rechtlicher Selbständigkeit dazu, "Missbräuche zu verhindern wie z.B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen" (EuGH-Urteile Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40, und Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 47), können die Mitgliedstaaten bei Ausübung der ihnen unionsrechtlich zur Missbrauchsbekämpfung zustehenden Regelungsbefugnis (s. oben II.1.c bb(2)(a)) berücksichtigen, dass die Zusammenfassung zu nichtsteuerbaren Leistungen zwischen den zusammengefassten Personen führt. Durch diese Nichtsteuerbarkeit von Innenleistungen könnte es bei einem fehlenden Recht zum Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nach § 15 Abs. 2 UStG (Art. 17 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG) zu einer Umgehung des insoweit bestehenden Abzugsverbots kommen (zu den sich aus einer Organschaft insoweit ergebenden "Gestaltungswirkungen" vgl. z.B. Grune/Mönckedieck, Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 541; Heintzen, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 1799; Leonard, DStR 2010, 721). Die Gestaltungswirkung, die auch von der Klägerin mit der Organschaft erstrebt wird, besteht darin, den --ohne Organschaft-- eintretenden Nachteil einer Steuerentstehung ohne Recht auf Vorsteuerabzug zu vermeiden. Diese Folge ist mit dem Vereinfachungszweck der Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen nicht zu vereinbaren und rechtfertigt eine Beschränkung der Organschaft auf die Fälle, in denen die organschaftlichen Unternehmensteile aufgrund einer Eingliederung ebenso eng wie Betriebsabteilungen eines Einheitsunternehmens miteinander verbunden sind. Die Eingliederung bewirkt somit, dass derartige Vorteile nur den Organschaften zugutekommen, deren Unternehmen ähnlich eng   wie bei einem rechtlichen Einheitsunternehmen   miteinander verbunden sind.

39

dd) Durch den Übergang von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu dem ab 2007 geltenden Art. 11 MwStSystRL ist es nicht zu inhaltlichen Änderungen des Unionsrechts gekommen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 36 und 42).

40

ee) Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Der erkennende Senat hat bereits in der Vergangenheit maßgeblich auf das Erfordernis der Rechtssicherheit abgestellt (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597). Hiermit nicht vereinbar ist es, für die Organschaft auf die Entstehungsgeschichte der miteinander verbundenen Unternehmen abzustellen.

41

2. Bis zum Oktober 2007 fehlte es zudem an der erforderlichen organisatorischen Eingliederung.

42

a) Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die organisatorische Eingliederung voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss. Hiervon ist z.B. dann auszugehen, wenn bei zwei GmbHs eine Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen besteht. Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt und zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist. Nicht ausreichend ist demgegenüber, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (BFH-Urteil in BFHE 242, 433, unter II.2.b und 3.).

43

Soweit der Senat hierfür in einem Einzelfall auf eine "institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeit in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung" (BFH-Urteil vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.) abgestellt hat, folgt hieraus nichts anderes, als dass im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der juristischen Person als Organgesellschaft bestehen muss. Nicht ausreichend sind Weisungsrechte, Berichtspflichten (BFH-Urteil in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.) oder ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung oder zugunsten des Mehrheitsgesellschafters (BFH-Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.a cc).

44

b) Gegen diese Anforderungen bestehen auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015, 496) keine Bedenken in unionsrechtlicher Hinsicht. Auch das Erfordernis einer in organisatorischer Hinsicht bestehenden Durchgriffsmöglichkeit dient insbesondere der rechtssicheren Bestimmung der Eingliederungsvoraussetzungen, der Verwaltungsvereinfachung und der Missbrauchsverhinderung (vgl. oben II.1.c cc).

45

c) Damit fehlt es bis zum Oktober 2007 auch an einer organisatorischen Eingliederung der Klägerin in die A-KG. Denn bis dahin bestand eine organisatorische Trennung zwischen der Klägerin, deren einzige Geschäftsführerin B war, und der A-KG, die organschaftlich durch ihre Komplementär-GmbH vertreten wurde, bei der D einzige Geschäftsführerin war. Zu der im Sinne des BFH-Urteils in BFHE 242, 433, unter II.2.b und 3. erforderlichen organisatorischen Verflechtung über das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Klägerin kam es erst dadurch, dass die Geschäftsführerin der Klägerin auch zur Geschäftsführerin bei der Komplementär-GmbH der A-AG bestellt wurde.

46

3. Die mangels Organschaft steuerbaren Leistungen der Klägerin unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz.

47

Das FG hat insoweit zutreffend entschieden, dass es für die Anwendung der Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG an der dort vorausgesetzten Lieferung von in der Anlage bezeichneten Gegenständen fehlt und sich hierfür zu Recht auf die BFH-Rechtsprechung bezogen, nach der die in einer Großküche eines Altenwohnheims und Pflegeheims zur Verpflegung der Bewohner zubereiteten Speisen keine "Standardspeisen" als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge nach Art eines Imbissstandes sind, so dass deren Abgabe zu festen Zeitpunkten in Warmhaltebehältern keine Lieferung, sondern eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung ist (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2011 V R 66/09, BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250). Ebenso wie in diesem Fall hat auch die Klägerin entgeltliche Leistungen zur Versorgung der in einem Heim vollstationär untergebrachten Personen mit Speisen und Getränken erbracht, wobei Speiseplanvorgaben einzuhalten waren. Es ist auch im Streitfall davon auszugehen, dass sich die Tätigkeit bei der Speisenversorgung nicht auf die Abgabe von Standardspeisen als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungen nach Art eines z.B. Imbissstandes beschränkte.

48

4. Dem Erlass der Änderungsbescheide steht auch nicht § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO entgegen.

49

Nach dieser Vorschrift darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist.

50

a) Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert bereits daran, dass die Klägerin das Bestehen einer Organschaft erstmals im Einspruchsverfahren und damit nach Erlass der hier streitigen Steuerbescheide geltend gemacht hat. Damit lag den Steuerbescheiden vor Erlass der angefochtenen Änderungsbescheide keine BFH-Rechtsprechung zur Organschaft zugrunde, so dass die Rechtsauffassung vor der Rechtsprechungsänderung durch das BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597 ohne Bedeutung war.

51

b) In Bezug auf die Frage der Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen ergibt sich für die Klägerin ein Anspruch auf Vertrauensschutz auch nicht daraus, dass der erkennende Senat mit seinem Urteil in BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250 die Rechtsprechung "fortentwickelt" hat. Denn unabhängig hiervon hatte sich der BFH vor diesem Urteil zur Frage der Speisenversorgung in Altenwohnheimen und Pflegeheimen nicht unmittelbar geäußert.

52

5. Das FG hat den von der Klägerin geltend gemachten Erlass aus Billigkeitsgründen zutreffend abgelehnt.

53

a) Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre.

54

Die nach § 163 AO zu treffende Billigkeitsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§ 102, § 121 FGO). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BStBl II 1972, 603; BFH-Urteile vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297; vom 10. Oktober 2001 XI R 52/00, BFHE 196, 572, BStBl II 2002, 201; vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; vom 6. September 2011 VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269).

55

b) Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; vom 18. Dezember 2007 VI R 13/05, BFH/NV 2008, 794; in BFH/NV 2011, 865). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 12. September 2007 X B 18/03, BFH/NV 2008, 102, m.w.N.).

56

c) Rechtsfehlerfrei hat das FG erkannt, dass das FA die Voraussetzungen einer sachlichen oder persönlichen Unbilligkeit zutreffend verneint hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass für einen über § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO hinausgehenden Vertrauensschutz im Fall einer Änderung der Rechtsprechung im Allgemeinen keine Notwendigkeit besteht, wenn sich der Steuerpflichtige die vom BFH aufgegebene Rechtsprechung erst in einem Einspruchsverfahren zu eigen macht. Zudem hat das FG zutreffend berücksichtigt, dass Verwaltungsanweisungen, zu denen auch dort getroffene Übergangsregelungen gehören, nicht wie Gesetze auslegungsfähig sind, sondern im Allgemeinen entsprechend dem Verständnis der Finanzverwaltung anzuwenden sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 43/09, BFHE 233, 58, BStBl II 2011, 610, zur "Vertretbarkeit" der von einer Finanzbehörde vorgenommenen Auslegung einer von der Finanzverwaltung getroffenen Übergangsregelung). Im Hinblick auf die Vermögenssituation der Klägerin konnte das FG auch persönliche Billigkeitsgründe verneinen.

57

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 13. März 2013  3 K 235/10 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht München zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, als Organträger --ebenso wie eine andere Tochtergesellschaft-- nichtsteuerbare Leistungen an zwei Tochter-Kommanditgesellschaften (KGs) als Organgesellschaften erbracht hat.

2

Die Klägerin war im Streitjahr 2001 Alleingesellschafterin der O-GmbH und der VuB-GmbH, die ab 1. Februar 2001 als B-GmbH firmierte. Die O-GmbH erbrachte als Servicegesellschaft Catering- und Reinigungsleistungen.

3

Geschäftsführer der O-GmbH war Herr K. K war zudem vertretungsbefugter Generalbevollmächtigter der Klägerin. Geschäftsführer der B-GmbH war Herr S. S war bei der Klägerin angestellt.

4

Die Klägerin war darüber hinaus Kommanditistin mit einem Kapitalanteil von 100 % bei der Kb-KG und der Gf-KG. Komplementär ohne Geschäftsanteil war jeweils die B-GmbH. Die Kb-KG war im Vorjahr aus einer formwechselnden Umwandlung der Kb-GmbH entstanden. Ebenso war es bei der Gf-KG, die Rechtsnachfolgerin der Gf-GmbH war.

5

Beide KGs betrieben Altenheime und erbrachten dabei Leistungen, die sie als umsatzsteuerfrei ansahen. Die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft O-GmbH erbrachten Leistungen gegen Entgelt an beide KGs.

6

Durch Gesellschafterbeschlüsse vom 1. Februar 2001 brachte die Klägerin ihre Anteile an beiden KGs in die B-GmbH ein, wodurch es zu einer sog. Anwachsung des Gesellschaftsvermögens beider KGs bei der B-GmbH kam.

7

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Klägerin und die mit ihr organschaftlich nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verbundene O-GmbH umsatzsteuerpflichtige Leistungen an die beiden KGs erbracht haben. Aufgrund der im Vorjahr erfolgten formwechselnden Umwandlungen seien die KGs --anders als die jeweilige GmbH vor der Umwandlung-- nicht mehr als Organgesellschaften anzusehen. Daher lägen umsatzsteuerpflichtige Leistungen der Klägerin und ihrer Organgesellschaft, der O-GmbH, an die beiden KGs vor. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

8

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1434 veröffentlichten Urteil der Klage statt. In Bezug auf die beiden KGs lägen die Eingliederungsvoraussetzungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht vor. Dass die Organgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG juristische Person sein müsse, sei unbeachtlich, da diese Vorschrift unionsrechtskonform dahingehend zu erweitern sei, dass es sich bei der Organgesellschaft auch um eine Personengesellschaft in der hier vorliegenden Rechtsform der GmbH & Co. KG handeln könne. Es sei mit dem Grundsatz der Rechtsformneutralität in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nicht vereinbar, die Wirkung der Organschaft auf juristische Personen als Organgesellschaft zu beschränken. Eine derartige Differenzierung sei auch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) unzulässig.

9

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Nach nationalem Recht seien die Voraussetzungen einer Organschaft nicht erfüllt. Die Einschränkung des Kreises der Organgesellschaften auf juristische Personen sei auch nicht unionsrechtswidrig. Der nationale Gesetzgeber dürfe Typisierungen vornehmen.

10

Der Senat hat mit Beschluss vom 23. April 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des EuGH in der verbundenen Rechtssache C-108/14 Larentia + Minerva und C-109/14 Marenave Schiffahrt (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

11

Mit Urteil vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache wie folgt entschieden:

12

"2.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

 3.

Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

13

Das FA macht geltend, der Begriff der juristischen Person sei nicht auslegungsfähig. Das FG habe sich nicht mit der Frage befasst, ob eine Gleichstellung mit einer juristischen Person möglich sei, sondern sich damit begnügt, dass eine KG eingliederungsfähig sei. Die Beschränkung auf juristische Personen diene der Vermeidung der Steuerhinterziehung und der Steuerumgehung. Erforderlich seien Durchgriffsmöglichkeiten. Die steuerlich für die Organschaft verantwortliche Person müsse in der Lage sein, die Geschäfte der Gruppe zu steuern.

14

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

16

Die Einbeziehung der Tochterpersonenhandelsgesellschaft sei insbesondere aus Gründen des Unionsrechts und unter Berücksichtigung des Neutralitätsgrundsatzes geboten. Das nationale Recht sei richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass eine Differenzierung zwischen juristischer Person und sonstigen Einheiten nicht möglich sei. Maßgeblich seien die kapitalistische Struktur der GmbH & Co. KG und deren Nähe zur juristischen Person. Der Wortlaut setze der richtlinienkonformen Auslegung keine Grenzen. Dabei sei auch der Begriff des Zusammenschlusses in § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift sei auf Personengesellschaften anwendbar. Auf eine richtlinienkonforme Extension oder eine Gesetzesanalogie komme es insoweit nicht an. Die GmbH & Co. KG sei im Rahmen von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG einer juristischen Person gleichzusetzen. Der Gesetzgeber habe das Ziel der Gleichbehandlung nicht aus dem Blick verloren. Gleiches ergebe sich unter den Gesichtspunkten einer Rechtsfortbildung oder einer Analogie. Vorzugswürdig sei eine Gesamtanalogie zu beiden Alternativen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die hierfür erforderliche planwidrige Regelungslücke ergebe sich aus der unzureichenden Umsetzung des Unionsrechts. Dem stehe das Rechtsstaatsprinzip nicht entgegen, da es sich um eine den Steuerpflichtigen begünstigende Regelung handele. Eine teleologische Extension spreche für ihre Rechtsauffassung. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erweitere denn Begriff der juristischen Person. Die Beschränkung auf juristische Personen verhindere weder missbräuchliche Praktiken noch Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung. Dass eine Unterordnung diesen Zielen diene, sei nicht ersichtlich. Eine enge Verbundenheit reiche aus. Diese Verbundenheit liege vor. Sie sei einzige Gesellschafterin bei allen Gesellschaften gewesen und habe sich bei diesen in den Gesellschafterversammlungen jederzeit durchsetzen können.

Entscheidungsgründe

17

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG beschränkt die Organschaft auf die Eingliederung juristischer Personen. Dies ist wegen des bei Personengesellschaften grundsätzlich bestehenden Einstimmigkeitsprinzips auch sachlich gerechtfertigt. Eine aus Gründen der Rechtsformneutralität erforderliche Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist mit Blick auf die mit dieser Vorschrift getroffene gesetzgeberische Grundentscheidung nur in engem Umfang und deshalb lediglich bei den Personengesellschaften möglich, bei denen Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Unionsrecht. Im zweiten Rechtsgang sind weitere Feststellungen zum Gesellschafterkreis der Personengesellschaften zu treffen.

18

1. Die Organschaft setzt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Eingliederung einer juristischen Person voraus und schließt damit die Personengesellschaft aus dem Kreis der eingliederbaren Personen aus.

19

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

20

Die Organschaft dient der  Verwaltungsvereinfachung  (BTDrucks V/48 § 2; BTDrucks IV/1590, S. 36; zum gesetzlichen Festhalten an der vorkonstitutionellen Organschaft des UStG 1934, RStBl 1934, 1549 ff.; zum Vereinfachungszweck vgl. Stadie, in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz 784, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, Rz 41). Da anhand der Organschaft über die Person des Steuerschuldners zu entscheiden ist, müssen die Voraussetzungen hierfür rechtssicher ausgestaltet sein (BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Tomoiagă vom 9. Juli 2015, C-144/14, EU:C:2015:452, Rz 34 f.). Das verhindert rechtliche Irrtümer und damit verbundene Steuerumgehungen (vgl. allgemein EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 41).

21

b) § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG definiert den Begriff der juristischen Person nicht.

22

aa) Mangels eigenständiger steuerrechtlicher Begriffsbildung ist das zivil- und gesellschaftsrechtliche Verständnis der juristischen Person maßgeblich. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verwendet mit der "juristischen Person" eine im Zivilrecht geläufige Terminologie und nimmt den darin ausgedrückten Tatbestand auf (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27. Dezember 1991  2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, unter 1.a cc)). Juristische Person ist daher eine Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, wie etwa eine GmbH (vgl. § 13 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) oder eine Aktiengesellschaft (§ 1 Abs. 1 des Aktiengesetzes --AktG--).

23

bb) Nicht zu den juristischen Personen gehören Personenhandelsgesellschaften wie OHG oder KG. Diese können zwar unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (§§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs --HGB--), begründen diese aber nicht aufgrund einer eigenen Rechtspersönlichkeit (vgl. § 1 Abs. 1 AktG).

24

Hieran hat sich durch das gewandelte Verständnis zur Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft nichts geändert. Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der die Personenhandelsgesellschaft kein gegenüber ihren Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt war, so dass "Träger der im Namen der Gesellschaft begründeten Rechte und Pflichten" die "gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter" waren (so z.B. noch BGH-Urteil vom 24. Januar 1990 IV ZR 270/88, BGHZ 110, 127). Demgegenüber erkennt der BGH nunmehr die Rechtsfähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts an, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (BGH-Urteil vom 29. Januar 2001 II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, Leitsatz; vgl. zur Personenhandelsgesellschaft BGH-Urteil vom 5. März 2008 IV ZR 89/07, BGHZ 175, 374, unter II.2.a(3)). Wie der BGH aber zugleich ausdrücklich klargestellt hat, wird die Personengesellschaft durch die Anerkennung dieser Rechtsfähigkeit nicht zur juristischen Person (BGH-Urteil in BGHZ 146, 341, unter A.I.4., Rz 13; vgl. auch EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 37).

25

c) Die Eingliederung einer Personengesellschaft kommt nicht entsprechend früherer BFH-Rechtsprechung aufgrund eines organschaftsähnlichen Verhältnisses in Betracht.

26

aa) Der BFH ist in seiner Rechtsprechung zunächst davon ausgegangen, dass zwischen einem Gesellschafter und seiner Personenhandelsgesellschaft ein sog. organschaftsähnliches Verhältnis bestehen könne. Die sich hieraus ergebende Unselbständigkeit beruhte auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wobei sich der BFH für die Bestimmung der Unselbständigkeit an § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG und damit an den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung orientierte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. November 1964 V 245/61 S, BFHE 81, 506, BStBl III 1965, 182).

27

bb) Diese Rechtsprechung hat der erkennende Senat später aufgegeben und entschieden, dass eine Personengesellschaft des Handelsrechts nicht i.S. von § 2 Abs. 2 UStG unselbständig sein kann (BFH-Urteil vom 8. Februar 1979 V R 101/78, BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362). Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Erwägungsgründe des historischen Gesetzgebers, nach denen der "Begriff der Organschaft ... nur noch bei juristischen Personen anwendbar" ist, entschied der Senat, dass eine Ausdehnung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auf "nichtrechtsfähige Personenvereinigungen" dem Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers widerspricht.

28

cc) Der erkennende Senat hält an seinem Urteil in BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362 im Interesse einer einfachen und rechtssicheren Bestimmung des Steuerschuldners für den Organträger im Grundsatz weiter fest (vgl. auch zu § 13b UStG BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, unter II.3.a):

29

(1) Einfach und rechtssicher kann über die finanzielle Eingliederung als Voraussetzung für die Organschaft entschieden werden, wenn der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. zuletzt BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, unter II.2.a, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Maßgeblich ist im Regelfall die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter, so dass eine Beteiligung von mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft ausreicht, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2., m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Weicht die kapitalmäßige Beteiligung von den Stimmrechten ab (z.B. aufgrund "stimmrechtsloser Geschäftsanteile" bei der GmbH oder aufgrund von "Vorzugsaktien" ohne Stimmrecht bei der Aktiengesellschaft), ist auf das Verhältnis der gesellschaftsrechtlichen Stimmrechte abzustellen. Im Interesse der Rechtsklarheit sind Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten dabei grundsätzlich ohne Bedeutung. Dementsprechend hat der BFH eine finanzielle Eingliederung auf der Grundlage derartiger Rechtsgeschäfte in der Vergangenheit nicht bejaht (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.b, und vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BStBl II 2013, 873, unter II.2.b cc). "Stimmbindungsvereinbarungen" und "Stimmrechtsvollmachten" können bei der Prüfung der finanziellen Eingliederung somit nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ("Geschäftsanteil mit Mehrstimmrecht") ergeben.

30

(2) Während über die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person rechtssicher, einfach und ohne Nachweisschwierigkeiten entschieden werden kann, trifft dies auf die Personengesellschaft nicht zu:

31

(a) Das gesellschaftsrechtliche Stimmrecht beruht bei juristischen Personen auf den Regelungen der notariell zu beurkundenden Satzung (vgl. zur GmbH § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG und zur Aktiengesellschaft § 23 und §§ 8 ff., insbesondere § 12 AktG). Die den Gesellschaftern obliegenden Entscheidungen sind bei den juristischen Personen nach dem Mehrheitsprinzip zu treffen (§ 47 Abs. 1 GmbHG und § 133 Abs. 1 AktG). Daher ist es dem Gesellschafter, der über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, möglich, seinen Willen in der Gesellschaft durchzusetzen.

32

Die Übertragung von Geschäftsanteil und Aktie und des mit ihnen verbundenen Stimmrechts ist zudem rechtssicher nachvollziehbar (vgl. bei der GmbH § 15 Abs. 3 GmbHG und bei der Aktiengesellschaft § 67 AktG und die Inhaberschaft am Wertpapier). Zudem bestehen für Mehrheitsbeteiligungen Meldepflichten (vgl. § 20 Abs. 4 AktG).

33

(b) Demgegenüber gilt bei den Personengesellschaften das Einstimmigkeitsprinzip (vgl. § 709 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- zur GbR, § 119 Abs. 1 HGB zur OHG und § 161 Abs. 2 HGB zur KG). Ein hiervon abweichendes Mehrheitsprinzip steht einer Mehrheitsentscheidung durch nur einen Gesellschafter entgegen, da dann im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu entscheiden sein soll (vgl. § 709 Abs. 2 BGB, § 119 Abs. 2 HGB). Selbst wenn aufgrund darüber hinaus abweichender Regelungen ein Gesellschafter Mehrheitsentscheidungen durchsetzen kann, bestehen zumindest Nachweisschwierigkeiten. Denn abgesehen von Sonderfällen wie etwa der Einbringung von Grundstücken in eine Gesamthand (vgl. § 311b BGB) besteht für den Abschluss und die Änderung von Gesellschaftsverträgen bei Personengesellschaften keinerlei Formzwang. Gesellschaftsvertragliche Stimmrechtsvereinbarungen, die von den §§ 709 BGB und 119 HGB abweichen, können daher auch mündlich getroffen und geändert werden (zur formlosen Änderung trotz Schriftformklausel vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 I R 115/95, BFHE 181, 281, BStBl II 1997, 138, Leitsätze 1 und 2).

34

Im  Kontext des nationalen Rechts,  in dem über die Organschaft ohne besonderes Feststellungsverfahren mit Rückwirkung für alle unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung) stehenden Besteuerungszeiträume der Vergangenheit in jedem Stadium des Besteuerungs- oder Rechtsbehelfsverfahrens neu entschieden werden kann, besteht damit bei Personengesellschaften im Allgemeinen keine hinreichende Grundlage, um die Person des Steuerschuldners einfach und rechtssicher bestimmen zu können (vgl. auch die Grundsatzentscheidung des Senats vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, von der ein anonymisierter Abdruck beiliegt). Über die Organschaft und die mit ihr --wie im Streitfall-- erstrebten günstigen Rechtsfolgen kann auch aus Gründen der allgemeinen Missbrauchsprävention nicht mit Wirkung für die Vergangenheit nach Maßgabe von Vereinbarungen entschieden werden, die nahestehende Personen z.B. mündlich getroffen haben (wollen). Unbeschadet ihrer zivilrechtlichen Wirksamkeit folgt daraus nicht, dass sie auch Grundlage für die Besteuerung sein müssen.

35

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass an die --aufgrund der Organschaft vom Zivilrecht abweichende-- Feststellung des Steuerschuldners höhere Anforderungen zu stellen sind, als bei der bloßen Prüfung, ob z.B. Leistungen gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt werden. Denn das nationale Recht (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) und das Unionsrecht (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG; Art. 11 MwStSystRL) behandeln die verbundenen Personen zusammen als einen Steuerpflichtigen, wobei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Steuerpflicht ausschließlich auf den Organträger verlagert, indem die juristische Person gegenüber dem Organträger als unselbständig angesehen wird.

36

2. Trotz des vom nationalen Gesetzgeber grundsätzlich vorgesehenen Ausschlusses der Personengesellschaft aus dem Kreis der eingliederungsfähigen Personen, kann die Personengesellschaft ausnahmsweise auf der Grundlage einer teleologischen Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wie eine juristische Person als eingegliedert angesehen werden. Erforderlich ist, dass die finanzielle Eingliederung wie bei einer juristischen Person zu bejahen ist. Dies setzt voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei --der stets möglichen-- Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist.

37

a) "Teleologische Extension" (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 V R 38/08, BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.) setzt eine Regelungslücke voraus. Die Norm muss gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig sein. Ihre Ergänzung darf nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widersprechen. Dass eine gesetzliche Regelung rechtspolitisch als verbesserungsbedürftig anzusehen ist ("rechtspolitische Fehler"), reicht nicht aus. Ihre Unvollständigkeit erschließt sich vielmehr aus dem gesetzesimmanenten Zweck und kann auch bei einem eindeutigen Wortlaut vorliegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.5.a, und vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529, unter II.4.b bb, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Die Gesetzeslücke ist in einer dem Gesetzeszweck, der Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik entsprechenden Weise durch Analogie, teleologische Extension oder Reduktion zu schließen (BFH-Urteil in BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.5.a). Dies ist Aufgabe der Fachgerichte (vgl. z.B. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 1990  1 BvR 1186/89, BVerfGE 82, 6, Neue Juristische Wochenschrift 1990, 1593, unter C.I.1.).

38

b) Die teleologische Extension einer umsatzsteuerrechtlichen Norm kann auch aus Gründen des Verfassungsrechts notwendig sein.

39

aa) Nach der Rechtsprechung des BVerfG wie auch des erkennenden Senats ist die Bindung an die Grundrechte des Grundgesetzes (GG) auch im Bereich der unionsrechtlich harmonisierten Umsatzbesteuerung zu beachten, soweit das Unionsrecht "den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum einräumt" (BVerfG-Beschluss vom 20. März 2013  1 BvR 3063/10, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 468, unter III.1.; BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 4/09, BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.4.e).

40

Daher sind im Bereich der Organschaft auch verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten. Zwar beruht die Organschaft unionsrechtlich auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Nach der Rechtsprechung des EuGH bedarf die sich aus der Richtlinie ergebende Voraussetzung der engen Verbindungen aber einer Präzisierung auf nationaler Ebene durch nationale Rechtsvorschriften, die den konkreten Umfang solcher Verbindungen bestimmen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50).

41

Übt der nationale Gesetzgeber daher die sich aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergebende Regelungsermächtigung aus, hat er somit im Rahmen der zu seinen Gunsten bestehenden Regelungs- und Präzisierungsbefugnisse die allgemeinen verfassungsrechtlichen Bindungen zu beachten.

42

bb) Zielt der "umsatzsteuerrechtliche Belastungsgrund ... auf die umsatzsteuerliche Erfassung jedes Unternehmers, mag dieser in der Rechtsform einer juristischen Person, in der Rechtsform einer gewerblichen Personengesellschaft oder als freiberuflich Tätiger Umsätze erbringen (...)" (BVerfG-Beschluss in UR 2013, 468, unter III.2.a aa), so ist es gleichwohl mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn z.B. nur Freiberufler-Personenunternehmen, die weder buchführungspflichtig sind noch freiwillig Bücher führen, nicht aber auch buchführungspflichtige Freiberufler-Kapitalgesellschaften die Vorteile der Ist-Besteuerung in Anspruch nehmen können. Denn deren Anwendungsbereich beruht nicht auf "einer allein rechtsformbezogenen Differenzierung", sondern hängt nach § 20 Satz 1 UStG maßgebend davon ab, ob die Unternehmen Bücher führen (BVerfG-Beschluss in UR 2013, 468, unter III.3. zum Senatsurteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.3.b cc 4., in Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 22. Juli 1999 V R 51/98, BFHE 189, 211, BStBl II 1999, 630).

43

So wie das Gebot einer rechtsformneutralen Besteuerung unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Gesetzeszwecks den Anwendungsbereich einer gesetzlichen Vorschrift einzuschränken vermag (vgl. das Senatsurteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.3.b cc (4), zur Einschränkung von § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG a.F. auf die Unternehmer, die auch freiwillig keine Bücher führen), kann es --umgekehrt-- den Regelungsbereich einer nach ihrem Gesetzeswortlaut zu eng gefassten Norm erweitern.

44

c) Danach ist § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG teleologisch erweiternd auszulegen:

45

aa) § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG stellt mit dem Erfordernis der Eingliederung einer juristischen Person nur vordergründig auf ein rechtsformbezogenes Merkmal ab, das aber nach dem Normzweck dieser Regelung dazu dient, die Voraussetzungen der Organschaft leicht und einfach festzustellen und damit zu der mit der Organschaft angestrebten Verwaltungsvereinfachung und Missbrauchsvermeidung (s. oben unter II.1.c cc (2) (b)) beiträgt. Dementsprechend trifft das Gesetz in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG grundsätzlich eine sachlich vertretbare Unterscheidung danach, ob die einzugliedernde Gesellschaft eine juristische Person ist und verstößt deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

46

Erlauben die mit § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verfolgten Regelungsziele unter Berücksichtigung der Besonderheiten des nationalen Gesellschaftsrechts im Allgemeinen die Begrenzung auf eingegliederte juristische Personen und damit einen Ausschluss der Personengesellschaft (s. oben II.1.c cc (2) (b)), rechtfertigt dies nicht den Ausschluss der Personengesellschaften, bei denen das dort grundsätzlich bestehende Einstimmungsprinzip (s. oben II.1.c cc (2) (b)) von vornherein ohne Bedeutung ist und daher bereits abstrakt einer finanziellen Eingliederung nicht entgegenstehen kann. Ein Ausschluss auch derartiger Personengesellschaften ist mit dem --auf die Beschränkung juristischer Personen verfolgten-- Regelungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht zu vereinbaren. Damit liegt eine Regelungslücke vor, da ein bestimmter Sachbereich zwar gesetzlich geregelt ist, aber keine Vorschrift für die Fälle enthält, die nach dem Grundgedanken und dem System des Gesetzes hätten mitgeregelt werden müssen. Es handelt sich daher um eine Regelung, die gemessen an ihrem Zweck unvollständig und ergänzungsbedürftig ist.

47

bb) Die bei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehende Gesetzeslücke ist entsprechend dem Gesetzeszweck in der Weise zu schließen, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erweiternd auch auf die Personengesellschaft anzuwenden ist, bei der neben dem Organträger Gesellschafter nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (Änderung der Rechtsprechung). Trifft dies auf alle Gesellschafter der Personengesellschaft zu, kann der Organträger seinen Willen durchsetzen, so dass dem allgemeinen Einstimmigkeitsprinzip bei der Personengesellschaft (s. oben II.1.c cc (2) (b)) von vornherein keine Bedeutung zukommt. Denn sind die Mitgesellschafter bei der Personengesellschaft finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert, ist das bei der Personengesellschaft grundsätzlich bestehende Einstimmigkeitserfordernis allgemein ungeeignet, einer Willensdurchsetzung des Organträgers bei der Organgesellschaft entgegenzustehen. Ist neben dem Organträger z.B. eine Personengesellschaft Mitgesellschafter, kommt es dementsprechend darauf an, dass auch in Bezug auf deren Gesellschafter eine finanzielle Eingliederung ausnahmslos --in einer bis zum Organträger reichenden Organkette-- zu bejahen ist.

48

Dies steht nicht im Widerspruch zu der vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung der Organschaft auf bestimmte Tatbestände, sondern erweitert den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur unter strikter Beachtung der dieser Vorschrift zugrunde liegenden Wertungen der Rechtssicherheit, Verwaltungsvereinfachung und Missbrauchsvermeidung.

49

cc) Der erkennende Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Soweit dieser in seinen Vorlagebeschlüssen in BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428 davon ausgegangen ist, dass eine Personengesellschaft nicht Organgesellschaft sein kann, haben diese Entscheidungen, denen kein abschließender Charakter zukommt, keine Bindungswirkung (vgl. z.B. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 28a; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 4). Dies gilt jedenfalls dann, wenn es um die Beurteilung im Anschluss an das auf die BFH-Vorlage ergangene EuGH-Urteil geht.

50

3. Eine weitergehende Organschaft, die allgemein eine Eingliederung von Personengesellschaften ermöglichen würde, ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht.

51

a) Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Diese Regelung dient der "Verwaltungsvereinfachung" und der "Verhinderung bestimmter Missbräuche" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40).

52

b) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

53

aa) Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50 f.).

54

bb) Entscheiden sich Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dafür, Regelungen zur Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen zu schaffen, haben sie bei der Ausübung der ihnen zustehenden Präzisierungsbefugnis die hierfür unionsrechtlich bestehenden Anforderungen zu berücksichtigen.

55

(1) Die Mitgliedstaaten haben zu beachten, dass sie die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG mögliche Zusammenfassung zu einem Steuerpflichten nicht von weiteren als den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen abhängig machen dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 38) und dass das Unionsrecht die Regelung zur Mehrwertsteuergruppe nicht allein den Einheiten vorbehält, die juristische Person sind (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Leitsatz 2). Auf eine Unterordnung darf nur ausnahmsweise abgestellt werden, etwa wenn dies zur z.B. "Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen" erforderlich und geeignet ist (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 39 ff.). Hierüber hat das nationale Gericht zu entscheiden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 43).

56

(2) Die auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG getroffenen Regelungen haben --wie stets-- den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beachten. Danach müssen "die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig sein" und ihre Anwendung muss für die Betroffenen vorhersehbar sein, "wobei dieses Gebot der Rechtssicherheit in besonderem Maß gilt, wenn es sich um Vorschriften handelt, die finanzielle Konsequenzen haben können, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch diese Vorschriften auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen". Zudem "müssen die Rechtsnormen der Mitgliedstaaten auf den vom Unionsrecht erfassten Gebieten eindeutig formuliert sein, so dass den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht wird, und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt werden, deren Einhaltung sicherzustellen" (EuGH-Urteil Tomoiagă, EU:C:2015:452, Rz 35, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Bei der Regelung zur Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen handelt es sich aufgrund der damit verbundenen Verlagerung der Steuerschuld von der Organgesellschaft auf den Organträger "um Vorschriften ..., die finanzielle Konsequenzen haben können".

57

c) Unter Berücksichtigung dieser Erfordernisse besteht für den nationalen Gesetzgeber eine hinreichende unionsrechtliche Grundlage, die Regelung zur Organschaft im Grundsatz auf die Eingliederung juristischer Personen zu beschränken.

58

aa) Die Einschränkung der Organschaft auf die Eingliederung juristischer Personen dient nicht dazu, die Umsatzbesteuerung rechtsformabhängig auszugestalten, sondern soll den unionsrechtlich auch vom EuGH anerkannten Präzisierungsvorbehalt rechtssicher ausfüllen (s. oben unter II.1.c cc).

59

bb) Kann aufgrund der Besonderheiten des nationalen Gesellschaftsrechts im Regelfall nur bei juristischen Personen mit der erforderlichen Klarheit und damit rechtssicher über die Eingliederungsvoraussetzungen entschieden werden (s. oben II.1.c cc), rechtfertigt dies die grundsätzliche Einschränkung auf eine Eingliederung juristischer Personen. Zudem trägt der erkennende Senat den Erfordernissen des Unionsrechts, insbesondere dem Ziel einer im Grundsatz rechtsformneutralen Besteuerung (s. oben II.2.c), dadurch Rechnung, dass er in Sonderfällen, in denen die Eingliederungsvoraussetzungen auch in Bezug auf Tochterpersonengesellschaften zweifelsfrei vorliegen, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG teleologisch erweiternd auslegt (s. oben II.2.c).

60

4. Danach hat das FG im Streitfall die Eingliederung der beiden KGs zu Unrecht aufgrund einer allgemeinen Gleichstellung von juristischen Personen und Personengesellschaften bejaht. Beide KGs sind indes nur dann Organgesellschaften der Klägerin, wenn z.B. neben der Klägerin als mögliche Organträgerin nur die B-GmbH als Gesellschafterin an den beiden KGs beteiligt gewesen wäre und in Bezug auf die B-GmbH eine finanzielle Eingliederung in das Unternehmen der Klägerin besteht. Zwar erscheint dies nach Aktenlage möglich, jedoch bestehen noch Unklarheiten in Bezug auf die zahlreichen Umwandlungsvorgänge. Daher sind ausdrückliche Feststellungen zum Gesellschafterkreis der beiden KGs und der finanziellen Eingliederung dieser Gesellschafter in das Unternehmen der Klägerin nachzuholen.

61

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft (KG), vermietete im Streitjahr 2001 ein Grundstück an ihre Komplementärin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), und stellte dieser entgeltlich Personal und Inventar für die von der GmbH betriebenen Alten- und Pflegeheime zur Verfügung. Die Klägerin erledigte darüber hinaus Verwaltungsaufgaben und erbrachte Hausmeisterserviceleistungen für die GmbH.

2

Gesellschafter der Klägerin und der GmbH waren A, B und C zu jeweils einem Drittel. Die GmbH war zwar Komplementärin der Klägerin, jedoch ohne an der Klägerin kapitalmäßig beteiligt zu sein. Geschäftsführer der GmbH war A.

3

Die Klägerin ging davon aus, dass zwischen ihr und der GmbH eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) bestehe und lediglich nicht steuerbare Innenleistungen zwischen der KG und GmbH erbracht würden. Sie gab daher keine Umsatzsteuererklärungen ab. Im Anschluss an eine Außenprüfung war der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass keine Organschaft vorliege und die Klägerin steuerbare und steuerpflichtige Leistungen an die GmbH erbracht habe. Der gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 10. Mai 2004 eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Klägerin sei Organträger der GmbH, da die GmbH über die Gesellschafter A, B und C in die Klägerin mittelbar finanziell eingegliedert sei, sich die organisatorische Eingliederung aus der Stellung der GmbH als Komplementärin der Klägerin und daher aus einer Personal- und Organidentität ergebe und die wirtschaftliche Eingliederung auf den durch die Klägerin an die GmbH erbrachten Leistungen beruhe. Unerheblich sei, dass nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Dezember 1978 V R 85/74 (BFHE 127, 75, BStBl II 1979, 288) eine Komplementär-GmbH nicht in eine KG eingegliedert sein könne, da dieses Urteil aufgrund der späteren BFH-Rechtsprechung zur mittelbaren finanziellen Eingliederung überholt sei. Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2009, 792 veröffentlicht.

5

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Aufgrund des Erfordernisses eines Über- und Unterordnungsverhältnisses liege keine Organschaft vor. Es fehlten auch die finanzielle und organisatorische Eingliederung.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Die Klägerin trägt vor, das FG habe zutreffend entschieden, dass eine Organschaft bestehe. Es liege eine Betriebsaufspaltung vor. Die GmbH sei von ihr nach dem maßgeblichen Gesamtbild der Verhältnisse völlig abhängig gewesen, da sie der GmbH nahezu das gesamte für ihre Betätigung erforderliche Betriebsvermögen überlassen habe. Die Tatsache, dass ihre Kommanditisten in gleicher Weise auch an der GmbH beteiligt gewesen seien, zeige, dass sie und die GmbH als Einheit anzusehen seien. Es sei völlig unwahrscheinlich gewesen, dass die Kommanditisten in der GmbH anders entscheiden würden als bei ihr, der KG. Für die Organschaft spreche auch, dass die GmbH-Anteile als Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei ihr, der Klägerin, anzusehen seien, da es sich bei dem Sonderbetriebsvermögen und der Organschaft jeweils um "eine rein steuerrechtliche Konstruktion" handele. Für das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses spreche weiter die Einheit des Steuerrechts sowie die Entstehungsgeschichte der Firmenkonstruktion. Die finanzielle Eingliederung ergebe sich auch aus der Vinkulierung der Gesellschaftsanteile und der engen familiären Verbundenheit der Gesellschaftergruppe. Wie das FG zu Recht ausgeführt habe, könne die GmbH zumindest teilweise --beim Betrieb der Alten- und Pflegeheime und damit neben ihrer Geschäftsführungstätigkeit für sie, die Klägerin,-- in sie eingegliedert sein. Die GmbH sei auch organisatorisch in sie eingegliedert gewesen, da ihre Geschäftsführung mit derjenigen der GmbH verflochten gewesen sei. Eine Eingliederung einer Komplementär-GmbH in sie, die Klägerin, sei zumindest insoweit möglich, als der Komplementär neben der Geschäftsführung der KG eine weitere unternehmerische Tätigkeit ausübe. Zumindest sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist im Ergebnis begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vom FG und der Klägerin angenommene Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG scheitert am Erfordernis der finanziellen Eingliederung.

10

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

11

Neben den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung kommt es für die Organschaft weder nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG noch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG auf einen Antrag des Unternehmers an (BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, Leitsatz 2). Bei der Ausübung der nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG bestehenden Ermächtigung sind allerdings die allgemein bei der Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG zu beachtenden Rechtsprinzipien wie z.B. die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Steuerneutralität zu beachten (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217 Rdnrn. 24 ff.). Dies gilt auch für die Auslegung der nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehenden Eingliederungsvoraussetzungen.

12

2. Nach der Rechtsprechung setzt die finanzielle Eingliederung voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd). Bei der finanziellen Eingliederung handelt es sich um eine rechtlich zu erfüllende Voraussetzung, für die es im Regelfall auf die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter ankommt. Ausreichend ist daher eine Beteiligung, die mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft gewährt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd).

13

Eine unmittelbare finanzielle Eingliederung der GmbH in die Klägerin lag im Streitfall nicht vor, da die Klägerin nicht Gesellschafterin der GmbH war. Die Klägerin war auch nicht über eigene Tochtergesellschaften mittelbar an der GmbH beteiligt.

14

3. Eine finanzielle Eingliederung ergibt sich nicht daraus, dass die drei Gesellschafter der Klägerin über die Anteilsmehrheit in der GmbH verfügten. Denn die finanzielle Eingliederung kann grundsätzlich nicht mittelbar über mehrere Gesellschafter des Organträgers erfolgen (Reiß in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, § 2 Rz 111; Wäger in Festschrift für Harald Schaumburg, 2009, 1189 ff., 1199 f.).

15

a) Nach dem BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 123/68 (BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505, unter 2.a) konnte eine GmbH als juristische Person in das Unternehmen eines Organträgers finanziell eingegliedert sein, wenn sich sämtliche Anteile an der GmbH und dem Organträger in einer Hand befanden.

16

Der BFH hat diese Rechtsprechung später für die finanzielle Eingliederung zwischen zwei GmbHs über einen gemeinsamen Gesellschafter aufgegeben und dies insbesondere mit dem bei einer nur mittelbaren Beteiligung fehlenden Über- und Unterordnungsverhältnis begründet. Keine der beiden Gesellschaften sei in das Gefüge des anderen Unternehmens eingeordnet (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1., und die Abweichungsanfrage durch den BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1996, 950, unter II.).

17

Der BFH hielt aber an der finanziellen Eingliederung zwischen der GmbH als Organgesellschaft und der Personengesellschaft als Organträger fest, wenn die Mehrheit der Anteile an der GmbH von den Gesellschaftern einer Personengesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte verfügten (BFH-Urteile vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136, unter II.2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.2.; in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.1.a, und vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365). Dabei bejahte der BFH die finanzielle Eingliederung über einen gemeinsamen Gesellschafter, der in GmbH und Personengesellschaft über eine Anteilsmehrheit von jeweils mindestens 95 v.H. verfügte und auch Geschäftsführer der GmbH war (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136) ebenso wie über zwei Gesellschafter, denen gemeinsam eine Anteilsmehrheit in beiden Gesellschaften zustand (BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 223, und in BFH/NV 2008, 1365). Diese Rechtsprechung beruhte u.a. auf der ertragsteuerrechtlichen Überlegung, dass es sich bei der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft für die Gesellschafter der Organträger-Personengesellschaft um Sonderbetriebsvermögen handele (BFH-Beschluss in GmbHR 1996, 950, unter III.). Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft lehnte die Rechtsprechung aber dann ab, wenn den Gesellschaftern zwar an der GmbH eine Mehrheitsbeteiligung zustand, sie aber in der Personengesellschaft Minderheitsgesellschafter waren. Dies galt selbst dann, wenn die GmbH über eine Anteilsmehrheit an der Personengesellschaft verfügte (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.b aa).

18

b) Für den Fall, dass nur mehreren Gesellschaftern gemeinsam eine Mehrheitsbeteiligung an GmbH und Personengesellschaft zusteht, hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung nicht fest.

19

aa) Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft liegt im Hinblick auf das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter, die nur gemeinsam über eine Anteilsmehrheit an beiden Gesellschaften verfügen, nicht vor.

20

Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen setzt ein Verhältnis der Über- und Unterordnung der beteiligten Gesellschaften voraus (BFH-Urteile in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa, und vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH führt die Gruppenbesteuerung gemäß Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu einer Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen mit den diesem Steuerpflichtigen "untergeordneten Personen" (vgl. EuGH-Urteil Ampliscientifica und Amplifin in Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217).

21

Kommt es danach auf ein Über- und Unterordnungsverhältnis an, gilt dies nicht nur im Verhältnis zwischen mehreren GmbHs als juristischen Personen, sondern gleichermaßen im Verhältnis zwischen GmbH und Personengesellschaft, selbst wenn an diesen Gesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Denn eine Personengesellschaft, deren Gesellschafter eine Mehrheitsbeteiligung an der GmbH halten, verfügt gegenüber dieser GmbH über keine größeren Einwirkungsmöglichkeiten als sie zwischen zwei Schwester-GmbHs bestehen. Einwirkungsmöglichkeiten stehen in beiden Fällen gleichermaßen nur den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern zu. Die bisherige Bejahung einer finanziellen Eingliederung aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter trägt auch nicht dem rechtlichen Charakter der finanziellen Eingliederung (s. oben II.2.) Rechnung. Kommt es für die finanzielle Eingliederung auf rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten an, müssen diese dem Organträger selbst zustehen. Hiermit ist eine Zurechnung der Durchsetzungsmöglichkeiten aus fremdem Beteiligungsbesitz nicht vereinbar.

22

Demgegenüber kann eine Enkelgesellschaft mittelbar über eine oder mehrere eigene Tochtergesellschaften des Organträgers finanziell in dessen Unternehmen eingegliedert sein (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (1)), sofern der Organträger dann aufgrund der ihm in der Beteiligungskette zustehenden Gesellschaftsrechte in der Lage ist, seinen Willen in der Enkelgesellschaft durchzusetzen.

23

bb) Im Hinblick auf die bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen zu beachtenden allgemeinen Rechtsprinzipien der Richtlinie 77/388/EWG (s. oben II.1.), spricht auch der Grundsatz der Rechtssicherheit dagegen, von einer finanziellen Eingliederung zwischen Schwestergesellschaften über gemeinsame Gesellschafter auszugehen.

24

(1) Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit müssen die Betroffenen bei Regelungen, die sich finanziell belastend auswirken können, in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen (EuGH-Urteile vom 15. Dezember 1987 C-326/85, Niederlande/Kommission, Slg. 1987, 5091 Rdnr. 24; vom 29. April 2004 C-17/01, Sudholz, Slg. 2004, I-4243 Rdnr. 34). Dies müssen auch die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Richtlinie einräumt, beachten (EuGH-Urteile vom 26. April 2005 C-376/02, Goed Wonen, Slg. 2005, I-3445 Rdnr. 32; vom 16. September 2008 C-288/07, Isle of Wright, Umsatzsteuer-Rundschau 2008, 816 Rdnrn. 47 f.). Dies ist auch bei der Auslegung der nationalen Vorschriften zu beachten, die der Umsetzung von Richtlinienbestimmungen dienen.

25

Aufgrund der sich aus der Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger ergebenden finanziellen Auswirkungen kommt dem Grundsatz der Rechtssicherheit bei der Auslegung der Organschaftsvoraussetzungen besondere Bedeutung zu. Da die Organschaft nicht von einem Antrag des Organträgers abhängt (s. oben II.1.), muss der Organträger in der Lage sein, anhand der Eingliederungsvoraussetzungen das Bestehen einer Organschaft rechtssicher feststellen zu können.

26

(2) Bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften ist nicht rechtssicher bestimmbar, ob und unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz einer unter Umständen großen unbestimmten Anzahl von Gesellschaftern zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen. Die bloße Anteilsmehrheit mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften reicht hierfür nicht aus, da diese Gesellschafter die ihnen zustehenden Stimmrechte nicht einheitlich ausüben müssen. Auch nur familiäre Beziehungen zwischen mehreren Gesellschaftern sind kein hinreichendes Indiz für eine Zusammenfassung des ihnen zustehenden Beteiligungsbesitzes. Im Übrigen ist auch nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen mehrere Gesellschafter gleichgerichtete oder widerstreitende Interessen verfolgen. Da die Organschaft mit der Verwirklichung ihrer Voraussetzungen beginnt und mit deren Entfallen von Gesetzes wegen endet (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a cc), kann es für die Organschaft und den Eintritt der mit ihr verbundenen Rechtsfolgen (wie z.B. Umsatzzurechnung und Nichtbesteuerung von Innenumsätzen) darüber hinaus nicht darauf ankommen, für welche Zeiträume z.B. mehrere Familiengesellschafter gleichgerichtete Interessen verfolgen und für welche Zeiträume dies aufgrund von Meinungsverschiedenheiten oder Familienstreitigkeiten nicht der Fall ist. Ob im konkreten Einzelfall von einem Fehlen widerstreitender Interessen auszugehen sein kann, ist daher entgegen der Auffassung der Klägerin unerheblich.

27

cc) Nach den Verhältnissen des Streitfalles hat der Senat nicht zu entscheiden, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist, wenn zwischen zwei Schwestergesellschaften z.B. ein Beherrschungsvertrag besteht oder zugunsten einer Schwestergesellschaft Stimmbindungsverträge vorliegen. Offenbleiben kann auch, ob eine Organschaft vorliegt, wenn nur ein Gesellschafter über eine Anteilsmehrheit an GmbH und Personengesellschaft verfügt und zugleich als Gesellschafter für die Personengesellschaft und als Geschäftsführer der GmbH für beide Gesellschaften geschäftsführungsbefugt ist (so das Urteil des XI. Senats des BFH in BFH/NV 1999, 1136), wobei dann allerdings fraglich erscheint, welche der beiden Schwestergesellschaften als herrschende und welche als abhängige Gesellschaft anzusehen ist. Im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung ist schließlich nicht mehr zu entscheiden, ob die bisherige Annahme einer finanziellen Eingliederung durch mehrere gemeinsame Gesellschafter von GmbH und Personengesellschaft --anders als bei mehreren gemeinsamen Gesellschaftern verschiedener GmbHs-- zu einer gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Differenzierung nach der Rechtsform des Organträgers führt.

28

4. Die weiteren Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.

29

a) Die Klägerin kann sich gegen die Änderung der Senatsrechtsprechung nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Voraussetzungen des § 176 der Abgabenordnung liegen nicht vor, da es sich bei dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid nicht um einen Änderungsbescheid, sondern um einen Erstbescheid handelt. Ein allgemeiner Schutz gegenüber den sich aus einer geänderten Rechtsprechung ergebenden Urteilsfolgen ist weder dem nationalen Recht noch dem Gemeinschaftsrecht zu entnehmen. Es ist auch kein sonstiger Vertrauenstatbestand ersichtlich, auf den sich die Klägerin berufen könnte.

30

b) Auch aus dem von der Klägerin betonten Gesamtbild der Verhältnisse und der nach Auffassung der Klägerin besonders stark ausgeprägten wirtschaftlichen Eingliederung ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Zwar kann im Hinblick auf die gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG "nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse" vorzunehmenden Beurteilung eine Organgesellschaft auch dann unselbständig sein, wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete nicht vollkommen ausgeprägt ist. Nicht ausreichend ist jedoch, dass die Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei Eingliederungsmerkmale besteht (BFH-Urteile vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a). Daher kann von der wirtschaftlichen nicht auf die finanzielle Eingliederung geschlossen werden (BFH-Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.) und das völlige Fehlen einer eigenen Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft kann daher nicht durch andere Eingliederungsmerkmale ersetzt werden.

31

c) Dass die Beteiligung an einer juristischen Person ertragsteuerrechtlich Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei seiner Personengesellschaft sein kann, ist für das umsatzsteuerrechtlich maßgebliche Über- und Unterordnungsverhältnis nicht entscheidend und vermag die Annahme der finanziellen Eingliederung über die Gesellschafter des Organträgers nicht zu begründen. Denn die Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen ist für die maßgebliche Willensbildung durch Mehrheitsbeschlüsse unerheblich. Auch die Entstehungsgeschichte der Gesellschaften, die Vinkulierung von Gesellschaftsanteilen und die Einheit des Steuerrechts rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

32

5. Das Urteil des FG entspricht nicht diesen Grundsätzen und war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

33

Die Klage ist abzuweisen, da die GmbH nicht finanziell in die Klägerin eingegliedert ist. Eine finanzielle Eingliederung der GmbH über die drei Gesellschafter der Klägerin in die Klägerin reicht nicht aus. Weiter kommt die Annahme einer nur partiellen Eingliederung der GmbH --für den Bereich des Betriebs der Alten- und Pflegeheime, nicht aber hinsichtlich der Geschäftsführung der Klägerin-- nach der Rechtsprechung des Senats nicht in Betracht (BFH-Urteil in BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (3)).

(1) Die Geschäftsanteile sind veräußerlich und vererblich.

(2) Erwirbt ein Gesellschafter zu seinem ursprünglichen Geschäftsanteil weitere Geschäftsanteile, so behalten dieselben ihre Selbständigkeit.

(3) Zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter bedarf es eines in notarieller Form geschlossenen Vertrags.

(4) Der notariellen Form bedarf auch eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet wird. Eine ohne diese Form getroffene Vereinbarung wird jedoch durch den nach Maßgabe des vorigen Absatzes geschlossenen Abtretungsvertrag gültig.

(5) Durch den Gesellschaftsvertrag kann die Abtretung der Geschäftsanteile an weitere Voraussetzungen geknüpft, insbesondere von der Genehmigung der Gesellschaft abhängig gemacht werden.

(1) Steht ein Geschäftsanteil mehreren Mitberechtigten ungeteilt zu, so können sie die Rechte aus demselben nur gemeinschaftlich ausüben.

(2) Für die auf den Geschäftsanteil zu bewirkenden Leistungen haften sie der Gesellschaft solidarisch.

(3) Rechtshandlungen, welche die Gesellschaft gegenüber dem Inhaber des Anteils vorzunehmen hat, sind, sofern nicht ein gemeinsamer Vertreter der Mitberechtigten vorhanden ist, wirksam, wenn sie auch nur gegenüber einem Mitberechtigten vorgenommen werden. Gegenüber mehreren Erben eines Gesellschafters findet diese Bestimmung nur in bezug auf Rechtshandlungen Anwendung, welche nach Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft vorgenommen werden.

Durch das Vermächtnis wird für den Bedachten das Recht begründet, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstands zu fordern.

(1) Die Verwaltung des Nachlasses steht den Erben gemeinschaftlich zu. Jeder Miterbe ist den anderen gegenüber verpflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich sind; die zur Erhaltung notwendigen Maßregeln kann jeder Miterbe ohne Mitwirkung der anderen treffen.

(2) Die Vorschriften der §§ 743, 745, 746, 748 finden Anwendung. Die Teilung der Früchte erfolgt erst bei der Auseinandersetzung. Ist die Auseinandersetzung auf längere Zeit als ein Jahr ausgeschlossen, so kann jeder Miterbe am Schluss jedes Jahres die Teilung des Reinertrags verlangen.

(1) Jedem Teilhaber gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte.

(2) Jeder Teilhaber ist zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstands insoweit befugt, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird.

(1) Durch Stimmenmehrheit kann eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung beschlossen werden. Die Stimmenmehrheit ist nach der Größe der Anteile zu berechnen.

(2) Jeder Teilhaber kann, sofern nicht die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist, eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen.

(3) Eine wesentliche Veränderung des Gegenstands kann nicht beschlossen oder verlangt werden. Das Recht des einzelnen Teilhabers auf einen seinem Anteil entsprechenden Bruchteil der Nutzungen kann nicht ohne seine Zustimmung beeinträchtigt werden.

Haben die Teilhaber die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstands geregelt, so wirkt die getroffene Bestimmung auch für und gegen die Sondernachfolger.

(1) Durch Stimmenmehrheit kann eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung beschlossen werden. Die Stimmenmehrheit ist nach der Größe der Anteile zu berechnen.

(2) Jeder Teilhaber kann, sofern nicht die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist, eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen.

(3) Eine wesentliche Veränderung des Gegenstands kann nicht beschlossen oder verlangt werden. Das Recht des einzelnen Teilhabers auf einen seinem Anteil entsprechenden Bruchteil der Nutzungen kann nicht ohne seine Zustimmung beeinträchtigt werden.

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 16.09.2013, 24 O 146/12 im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte hat durch ihre Geschäftsführerin der Erbengemeinschaft nach Frau K.W. geborene G.

bestehend aus:

- den Antragstellern 1 bis 5

- den Miterben D. l St. und I. St. (geb. 13.01.1997)

letztere gesetzlich vertreten durch ihre Eltern U. und P. St.,

1. zu den Angelegenheiten der Antragsgegnerin über Folgendes Auskunft zu geben:

a. über sämtliche geschäftsführenden Maßnahmen seit dem 24.12.2011 und aller seither getätigten Einnahmen und Ausgaben, Forderungen und Außenständen,

b. über alle seit dem 24.12.2011 unterhaltenen Bankverbindungen unter Angabe der Adresse, Bankleitzahl, Kontonummer und Kontostand zum 24.12.2011

c. über den jeweiligen Stand sämtlicher bei der Antragsgegnerin geführten

- Kapitalkonten,

- Rücklagenkonten und

- Darlehenskonten zum 24.12.2011 und seitdem jeweils zum 31.12. eines jeden Jahres

2. Einsichtnahme,

- für die Erbengemeinschaft, durch Rechtsanwältin …- in die Handelsbücher und Geschäftsunterlagen der Gesellschaft einschließlich der Korrespondenz und Buchungsbelegung zum und seit dem 24.12.2011 zu gewähren und ihr die Anfertigung von Fotokopien auf ihre Kosten zu gestatten.

2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Der Geschäftswert der Beschwerde wird auf EUR 10.000 festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Parteien streiten über Auskunfts- und Einsichtsrechte nach § 51a GmbHG.
Am 24.12.2011 verstarb die im badischen H. wohnhafte S. W. verwitwet und kinderlos. Sie hatte einen Neffen und zwei Nichten. Die 3 Kinder der Nichte S.W. sind die Antragsteller zu 1 bis 3, die zwei Kinder des Neffen G.M. sind die Antragsteller zu 4 und 5. Neben diesen 5 Großnichten und Großneffen setzte die Erblasserin auch die beiden Kinder der weiteren Nichte U. St. zu Erben ein.
Ende 2003 hatte die Erblasserin vor einem Notar in Gotha eine GmbH und eine GmbH & Co. KG gegründet. In die GmbH brachte sie ihr Wohnhaus in H. ein. Die in Erfurt lebenden Nichte U. St. und sie selbst wurden Geschäftsführerinnen der GmbH, die die jetzige Antragsgegnerin ist. Gemeinsam mit dieser als Geschäftsführerin handelnden Nichte gründete sie zeitgleich eine GmbH & Co KG., auf die sie ihre zweite Immobilie übertrug. Beide Immobilien zusammen stellten das wesentliche Vermögen der Erblasserin dar.
In ihrem Testament bestimmte die Erblasserin eine Erbteilung nach 1/3 für jeden Stamm ihrer Schwesterkinder. Den Kindern der Nichte U. St. wendete sie das Wohnhaus bzw. die Geschäftsanteile der GmbH als Vorausvermächtnis zu. U. St. sollte am Wohnhaus bzw. den Geschäftsanteilen an der GmbH einen Nießbrauch bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres ihrer Kinder haben. Die 2. Immobilie bzw. die Kommanditanteile an der GmbH & Co. KG sollten auf die 7 Großneffen und -nichten verteilt werden, wobei der Neffe und die beiden Nichten wiederum den Nießbrauch an den Anteilen ihrer Kinder bis zu deren 28. Lebensjahr erhalten sollten.
Nach dem Tod der Erblasserin vertraten die Nichte U. St. und ihre Kinder die Ansicht, der Kommanditanteil sei nicht vererblich und daher der GmbH angewachsen, so dass diese beide Immobilien besäße, und verlangte für ihre Kinder die GmbH-Anteile als Vermächtnis.
Mit dem vorliegenden Antrag haben die 5 antragstellenden Miterben Auskunft über die Angelegenheiten der Antragsgegnerin und Einsichtnahme in deren Handelsbücher und Geschäftsunterlagen zu leisten an die Erbengemeinschaft gefordert. Das Landgericht, auf dessen Entscheidung verwiesen wird, hat mit dem angefochtenen Beschluss diese Anträge abgelehnt. Es hat hierzu ausgeführt, nach § 18 Abs. 1 GmbHG könnten die Rechte aus einem Geschäftsanteil nur gemeinschaftlich ausgeübt werden. Sofern keine Einstimmigkeit, wie vorliegend, erzielt werden könne, habe die Ausübung des Rechtes zu unterbleiben. § 2039 S. 1 BGB erlaube kein unabgestimmtes Vorgehen. Zudem gehöre das Informationsrecht nach § 51a GmbHG nicht unmittelbar zum Nachlass im Sinne des § 2039 S. 1 BGB. Zwar werde von der Pflicht zum gemeinschaftlichen Handeln für notwendige Erhaltungsmaßnahmen durch den Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 12. Juni 1989, II ZR 296/88, BGHZ 108, 21, 30) eine Ausnahme gemacht. Eine notwendige Erhaltungsmaßnahme nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB liege aber nicht vor.
Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit ihrer zugelassenen Beschwerde, mit der sie ihren ursprünglichen Antrag weiterverfolgen.
Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
10 
Sie ist statthaft, nachdem das Landgericht sie zugelassen hat (§ 51b S.1 GmbHG i.V.m. § 132 Abs. 3 S. 2 AktG, § 70 Abs. 2 FamFG). Sie ist form- und fristgerecht, nach Zustellung vom 30.09.2013 am 18.10.2013 und damit binnen der in § 33 FamFG bestimmten Monatsfrist eingegangen.
11 
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
12 
Dem Auskunftserzwingungsverfahren nach §§ § 51a, b GmbHG, § 132 AktG war stattzugeben.
13 
a) Die Antragsteller sind antragsberechtigt. Dies ist gemäß § 51a Abs. 1, § 51b S. 2 GmbHG jeder Gesellschafter, dem die verlangte Auskunft nicht gegeben oder die verlangte Einsicht nicht gestattet worden ist.
14 
Unstreitig steht den 7 Erben das Vermögen der Erblasserin in ungeteilter Erbengemeinschaft zur gesamten Hand zu (§§ 1922, 2033 BGB). Damit sind sie an dem Geschäftsanteil jeder mitberechtigt zur gesamten Hand, so dass sie alle selbst Gesellschafter sind (Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, 5. Aufl. § 18 Rn 5). Als solche sind sie aber ungeteilt mitberechtigt am Geschäftsanteil im Sinne des § 18 Abs. 1 GmbHG und können daher ihre Rechte nur gemeinschaftlich ausüben. Zu diesen aus der Gesellschafterstellung erwachsenden Rechten gehört auch das Informationsrecht nach § 51a GmbHG.
15 
aa) Entgegen einer Mindermeinung (Scholz/Seibt, GmbHG, 11. Aufl. § 18 Rn 20; Baumbach Hueck/Zöllner, GmbHG, 20. Aufl. § 47 Rn 38; vgl. Nachweise Lange, GmbHR 2013, 115 Fn. 17) folgt aus dem Gebot des § 18 Abs. 1 GmbHG nicht, dass alle Mitberechtigten einheitlich handeln müssten (unmittelbar einheitliche Rechtsausübung). Vielmehr richtet sich die Frage, wann von einer gemeinschaftlichen Ausübung eines Rechts auszugehen ist, nach dem Recht der jeweiligen Mitberechtigung (mittelbare einheitliche Rechtsausübung; BGH, Urt. v. 12. Juni 1989 – II ZR 246/88 –, BGHZ 108, 21, 30; OLG Karlsruhe, Urt. v. 15. April 1994, 15 U 143/93, NJW-RR 1995, 1189; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, 5. Aufl. § 18 Rn 7; Baumbach Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl. § 18 Rn 4; MünchKomm-GmbHG/Reichert/Weller, § 18 Rn. 59f.; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, 18. Aufl. § 18 Rn 3; Lange GmbHR 2013, 115 jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
16 
Die Mindermeinung stützt sich auf den Wortlaut des § 18 Abs. 1 GmbHG und sieht den Zweck der Norm darin, die Gesellschaft vor Unsicherheit über die Berechtigung und Wirksamkeit des Handelns der vermeintlich Berechtigten zu schützen. Die herrschende Ansicht hält dem entgegen, die Mindermeinung erlaube den Überstimmten die Blockade von in der jeweiligen Gemeinschaft vollwirksam getroffenen Entscheidungen. § 18 Abs. 1 GmbHG diene nicht dem Minderheitenschutz in der jeweiligen Gemeinschaft, sondern regele nur das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und der Rechtsgemeinschaft, das aber nicht tangiert werde, wenn ein Teil der Mitberechtigten für alle wirksam handeln könne. § 18 Abs. 1 GmbHG solle nur verhindern, dass die einzelnen Mitberechtigten ihre Rechte unterschiedlich ausübten (BGH, Urt. v. 14.12.1967, II ZR 30/67, BGHZ 49, 183, 191). Dieser zweiten Ansicht ist zu folgen. Dass § 18 Abs. 1 GmbHG ausschließlich das Verhältnis der Mitberechtigten zur Gesellschaft betrifft, aber ihr Verhältnis untereinander unberührt lässt, zeigt auch § 18 Abs. 2 GmbHG. Er ordnet gegenüber der Gesellschaft eine Gesamtschuld der Mitberechtigten für Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft an, ohne dass - wie auch die Mindermeinung sieht (Scholz/Seibt, aaO Rn 32) - der Ausgleich im Innenverhältnis zwischen den Mitberechtigten mitgeregelt wäre. Soweit die Mindermeinung weiter vertritt, die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters könne demgegenüber durch Mehrheitsbeschluss erfolgen (Scholz/Seibt aaO Rn 21), ist nicht erkennbar, wieso die Ausübung des gesellschaftsrechtlichen Verwaltungsrechts durch die Mitberechtigten selbst dem Gebot einstimmigen Handelns unterliegen sollte, die Übertragung eben dieser Rechtsmacht auf einen Dritten aber nicht. Der herrschenden Auffassung steht auch nicht die Auslegung des in seinem Wortlaut ähnlichen § 1502 Abs. 2 Satz 2 BGB entgegen, nach dem die Abkömmlinge bei einer aufgehobenen fortgesetzten Gütergemeinschaft ein ihnen zustehendes Übernahmerecht nur gemeinschaftlich ausüben können. Für diese Bestimmung wird zwar überwiegend vertreten, dass ein Mehrheitsbeschluss nicht genügt und § 2038 nicht entsprechend gilt (Staudinger/Thiele, BGB (2007), § 1502 Rn 17 mwN auch zur MM). Eine vergleichbar wesentliche Veränderung des Zustehenden würde aber auch nach § 2038 BGB nicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung zählen, die einen Mehrheitsbeschluss zuließe, sondern müsste einstimmig gefasst werden. Schließlich zeigt auch der in seiner Zielrichtung parallele § 69 AktG, dass es nur um das Verhältnis der Gesellschaft zur Gruppe der Mitberechtigten geht. Nach dieser Bestimmung können Mitberechtigte an einer Aktie ihre Rechte nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben, der aber nach dem jeweiligen Recht der Gemeinschaften auch durch Mehrheitsbeschluss bestellt werden kann (MünchKomm-AktG/Bayer, § 69 Rn 20 mwN). Auch sie werden daher nur mit einer einheitlichen Willensäußerung gehört, unabhängig davon, wie diese intern zustande kommen kann.
17 
Vorliegend sind daher die erbrechtlichen Bestimmungen für die Verwaltung des ungeteilten Nachlasses nach §§ 2038ff. GmbHG maßgeblich.
18 
bb) Die Antragsteller konnten gemäß § 2038 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 i.V.m. § 745 Abs. 1 S. 1 BGB mehrheitlich beschließen, die Informationsrechte des § 51a GmbHG auszuüben.
19 
Die Verwaltung des ungeteilten Nachlasses obliegt nach § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB den Erben gemeinschaftlich, so dass sie zusammen das handlungsfähige Organ des Sondervermögens Nachlass darstellen. Gemäß § 2038 Abs. 2 S. 1 BGB finden die Vorschriften der §§ 743, 745, 746 BGB Anwendung. Nach § 745 Abs. 1 S. 1 BGB kann durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstandes entsprechende (ordnungsgemäße) Verwaltung und Benutzung beschlossen werden.
20 
(1) Zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehören alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, die auf Erhaltung, Verwahrung, Sicherung, Nutzung und Mehrung des Nachlassvermögens gerichtet sind (BGH, Urt. v. 22.02.1965, III ZR 208/63, FamRZ 1965, 267; BGH, Urt. v. 28. September 2005, IV ZR 82/04, BGHZ 164, 181). Damit erstreckt sie sich nicht auf bloße Erhaltungshandlungen (wie Inbesitznahme der Nachlasssachen und Ausübung des Besitzes, Einziehung von Forderungen), Sicherung und Verwahrung des Nachlasses, sondern auch auf solche Maßnahmen, die der Nutzung und Mehrung des Nachlasses dienen, zB Weiterführung eines Handelsgeschäftes (BGH, Urt. v. 24. September 1959, II ZR 46/59, BGHZ 30, 391). Nicht erfasst sind Maßnahmen die eine wesentliche Veränderung des Nachlasses zur Folge haben (Palandt/Weidlich, BGB, 72. Auf., § 2038 Rn 6). Handlungen, die der Auseinandersetzung oder der Auflösung des Nachlasses dienen, sind keine Verwaltungshandlungen i.S.d. § 2038 (Staudinger/Werner, BGB (2010), § 2038 Rn 5).
21 
(2) Ausgehend hiervon gehört das Informationsrecht nach § 51a GmbHG zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses. So dient es der „Erhaltung des Nachlasses“, wenn sich die Erben in den Stand setzen, ihre mitgliedschaftlichen Rechte in der GmbH auszuüben. Eine solche sachgerechte Wahrnehmung der Gesellschafterinteressen soll aber das Informationsrecht aus § 51a GmbHG ermöglichen. Auch für die Fortführung der GmbH ist die Information der Gesellschafter über deren Verhältnisse erforderlich. Auswirkungen auf die Gestalt des Nachlasses hat das ausgeübte Informationsrecht nicht, so dass die Grenze einer ordnungsgemäßen Verwaltung, die in der wesentlichen Veränderung des Gegenstandes, hier des Geschäftsanteils, läge (§ 745 Abs. 2 S. 1 BGB), nicht tangiert ist.
22 
Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsteller mitgeteilt haben, die Erbengemeinschaft bedürfe im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verflechtungen innerhalb der GmbH & Co KG zunächst umfassende Kenntnis über die Zusammensetzung des Nachlasses und die sich aus der bisherigen Geschäftsführung der GmbH ergebenden Forderungen und Verpflichtungen in Bezug auf die Erbengemeinschaft und ohne die Bestandsaufnahme sei eine sinnvolle Abwicklung und Auseinandersetzung des Nachlasses nicht möglich. Damit wird zwar auch deutlich, dass die über den hier streitgegenständlichen Antrag erhaltenen Informationen in der erbrechtlichen Auseinandersetzung der Parteien verwendet werden sollen, das primäre Ziel ist aber Einblick in die Verhältnisse der GmbH zu gewinnen. Daraus, dass der ungeteilte Nachlass für die entstehenden Erbschaftssteuern haftet (§ 20 Abs. 3 ErbStG) und das Finanzamt von jedem Erben eine Steuererklärung über den gesamten Nachlass verlangen kann, in der auch die Werte der einzelnen Vermögensgegenstände im Einzelnen anzugeben sind (§ 31 Abs. 1, 2 ErbStG), wird deutlich, dass es zur ordnungsgemäßen Verwaltung eines Nachlasses gehört, sich über den Wert und die Rechte und Pflichten aus einem zum Nachlass gehörenden Geschäftsanteil Klarheit zu verschaffen. Im Übrigen haben die Nichte U. St. und ihr Mann die im Testament vorgesehene Testamentsvollstreckung ausgeschlagen, weil sie von einer längerfristigen streitigen Auseinandersetzung und damit einem nicht ganz vorübergehenden Bestehen der Erbengemeinschaft ausgegangen sind.
23 
cc) Einen solchen Mehrheitsbeschluss nach § 745 Abs. 1 S. 1 BGB haben die Antragsteller gefasst. Er kann formlos gefasst werden und liegt hier in dem Auskunftsverlangen von fünf der sieben Erben vor. Zwar sind die nicht am Verfahren beteiligten Kinder der Nichte U. St. aufgrund des Vorausvermächtnisses des Wohnhauses beziehungsweise der GmbH-Anteile wertmäßig ungleich höher am Nachlass beteiligt. Auch entscheidet über die Mehrheitsverhältnisse die Größe der Bruchteile. Vorliegend sind die Bruchteile aller 7 Erben aber gleich. Die Bevorzugung der am hiesigen Verfahren nicht beteiligten Erben erfolgte über ein alle Erben gemeinschaftlich und in gleicher Weise belastendes Vermächtnis und beeinflusst ihre Erbenstellung nicht. Selbst wenn die Antragsteller sich zur Ausübung des Informationsrechts entschlossen haben sollten, ohne die anderen beiden Erben zuvor anzuhören, wäre der Beschluss nicht unwirksam (Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., § 745 Rn 1). Jedenfalls bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens wussten die anderen beiden Erben im Übrigen von dem Verlangen der restlichen Erben und waren damit angehört und überstimmt.
24 
dd) Im Ergebnis ist daher die erbrechtlich zulässigerweise getroffene Mehrheitsentscheidung eine einheitliche im Sinne des § 18 Abs. 1 GmbHG. Die Mehrheit der Erben ist für diesen Beschluss auch im Außenverhältnis vertretungsbefugt (MünchKomm-GmbHG/Reichert/Weller, § 18 Rn 63; Scholz/Seibt, GmbHG, 11. Aufl. § 18 Rn 8 mwN).
25 
b) Der formfrei mögliche Antrag, der entgegen dem Wortlaut des § 51a GmbHG nicht an die Geschäftsführerin, sondern die informationsverpflichtete Gesellschaft zu richten war (Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG § 51a Rn 5), wurde so gestellt und blieb erfolglos.
26 
c) Es ist nicht erkennbar, dass die Geschäftsführerin nach § 51a Abs. 2 S. 1 GmbHG zur Verweigerung der Informationen berechtigt wäre. Ein nach § 51a Abs. 2 S. 2 GmbHG erforderlicher Gesellschafterbeschluss liegt ohnehin nicht vor.
27 
d) Das Auskunftsersuchen ist nicht rechtmissbräuchlich. Zwar steht das Informationsrecht als Eingriffsrecht unter dem Verbot rechtsmissbräuchlicher Ausübung (vgl. BGH, Beschluss v. 06. März 1997, II ZB 4/96, BGHZ 135, 48, 50; BayOLG, Beschluss v. 15. Oktober 1999, 3Z BR 239/99, GmbHR 1999, 1296 mwN).
28 
aa) Der Rechtsmissbrauch ergibt sich aber entgegen der Ansicht der Antraggegnerin nicht daraus, dass die Geschäftsanteile letztlich nicht den antragstellenden Miterben zukommen sollen, sondern den Kindern von U. St. aufgrund des Vorausvermächtnisses. Bereits die genannten steuerlichen Pflichten der Erbengemeinschaft (§ 20 Abs. 3 ErbStG) und der einzelnen Erben (§ 31 ErbStG), die nicht in den Genuss der Geschäftsanteile gelangen, zeigen, dass ein Auskunftsersuchen nicht rechtsmissbräuchlich ist, sondern ein Informationsbedürfnis auch der nicht begünstigten Erben besteht. Zwar verweist die Beklagte insoweit auf eine Literaturansicht, wonach der Missbrauchsgedanke helfen kann, wenn ein Dritter einen Geschäftsanteil nur ganz vorübergehend erworben hat, um Informationen zu erlangen (Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 10.Aufl. § 51a Rn 37). Davon kann aber im streitgegenständlichen Fall ohnehin nicht ausgegangen werden, weil der Geschäftsanteil im Erbgang und nicht aus einem Informationsbedürfnis heraus erworben wurde.
29 
bb) Der Beklagten ist jedoch zuzugeben, dass das Auskunftsersuchen der Antragsteller zu weit gefasst ist. Sie wollen umfassende Kenntnis der Verhältnisse der GmbH und ihrer sämtlichen geschäftlichen Aktivitäten seit ihrer Gründung und damit auch für den Zeitraum erlangen, in dem die Erblasserin einzige Gesellschafterin und zugleich Geschäftsführerin der GmbH war. Es ist daher davon auszugehen, dass sie zu Lebzeiten alle Informationen über die GmbH besaß und die Geschäfte mit ihrem Willen betrieben wurden, zumal sie in dem einzigen Vermögensgegenstand der GmbH selbst wohnte. Zum anderen muss die Erbengemeinschaft die GmbH-Anteile als Vorausvermächtnis an die hier unbeteiligten Erben übertragen, so dass sie nur auf ihre Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem abzuwickelnden Nachlass beschränkte Interessen und Informationsbedürfnisse hat. Der Antrag ist daher in rechtlich nicht nachvollziehbarem Umfang weit gefasst und soll offensichtlich Informationen verschaffen helfen, die nur in der allgemeinen Auseinandersetzung der zerstrittenen Parteien von Bedeutung sein können. Da das gesellschaftsrechtliche Antragsrecht dem nicht dienen soll, wird es insoweit vorgeschoben und damit treuwidrig genutzt. Ihm war daher nur in reduziertem Umfang stattzugeben.
30 
(1) Danach hat der Antrag Ziffer 1a Erfolg. Es besteht ein Bedürfnis der Erbengemeinschaft, die ab dem Tod der alten Gesellschafterin und Geschäftsführerin vorgenommenen Geschäftsführungsmaßnahmen zu erfahren.
31 
(2) Der Antrag Ziffer 1b hat teilweise Erfolg. Die Mitteilung aller gegenwärtigen Bankverbindungen ist nötig, um sich ein Bild über die Vermögensverhältnisse der GmbH machen zu können. Ein Bedürfnis an der Mitteilung der ehemaligen Bankverbindungen ist nicht ersichtlich.
32 
(3) Ein Informationsbedürfnis, alle Änderungen des Gesellschaftsvertrages, zu erfahren, besteht schon deshalb nicht, weil sie in das Handelsregister eingetragen werden und dort von der Erbengemeinschaft erfragt werden können.
33 
(4) Über Gesellschafterbeschlüsse der verstorbenen Gesellschafterin kann die Geschäftsführerin nur Auskunft erteilen, soweit sie ihr bekannt wären, ein Informationsbedürfnis der Erbengemeinschaft ist aber nicht erkennbar. Falls nach dem Tod Gesellschaftsbeschlüsse gefasst wurden, sind sie bekannt.
34 
(5) Die Erben haben Anspruch auf Mitteilung der Kapitalkonten, Rücklagenkonten und Darlehenskonten für die Zeit seit dem Tod.
35 
(6) Ob die Erben in die Gesellschafterliste eingetragen sind, können sie beim Handelsregister einsehen.
36 
(7) Das Einsichtsrecht kann vorliegend neben dem Auskunftsrecht verlangt werden. Beide Rechte stehen kumulativ nebeneinander und haben unterschiedliche Funktionen. (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 08. Februar 1984,15 W 42/83, GmbHR 1985, 59). Das Einsichtsrecht umfasst das Recht, Kopien auf eigene Kosten zu fertigen (OLG München, Urt. v. 12. Januar 2005, 7 U 3691/04, GmbHR 2004, 624). Es kann auch durch Bevollmächtigte, wie hier beantragt, ausgeübt werden (Scholz/Schneider/Schneider/Hohenstatt, GmbHG, § 51a Rn 27).
37 
3. Angesichts der unberechtigten Weigerung der Antragsgegnerin und andererseits dem zu weit gefassten Antrag der Antragsteller entspricht es billigem Ermessen, dass die Kosten des Verfahrens beider Instanzen gegeneinander aufgehoben werden (§ 51b S. 1 GmbHG, § 132 Abs. 3 S. 1, § 99 Abs. 1 AktG, §§ 80, 81 FamFG).
38 
4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird, wie erstinstanzlich erfolgt, auf EUR 10.000 festgesetzt (§ 51b S. 1 GmbHG, § 132 Abs. 5 S. 5 und 6 AktG i.V.m. § 30 KostO).
39 
5. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Zwar betrifft das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Juni 1989 (II ZR 246/88; BGHZ 108, 21-32) notwendige Erhaltungsmaßnahmen nach § 2038 Abs. 1 S. 2 2. Hs. BGB und nicht Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung § 2038 Abs. 1 S. 2 1. Hs BGB. Der Bundesgerichtshof hat aber seine Ansicht zum Verhältnis von § 18 GmbHG zu den entsprechenden Normen der Mitberechtigungen allgemein und eindeutig im Sinne der hiesigen Entscheidung formuliert (§ 51b S. 1 GmbHG, § 132 Abs. 3 S. 1, § 99 Abs. 1 AktG, § 70 FamFG).

(1) Steht ein Geschäftsanteil mehreren Mitberechtigten ungeteilt zu, so können sie die Rechte aus demselben nur gemeinschaftlich ausüben.

(2) Für die auf den Geschäftsanteil zu bewirkenden Leistungen haften sie der Gesellschaft solidarisch.

(3) Rechtshandlungen, welche die Gesellschaft gegenüber dem Inhaber des Anteils vorzunehmen hat, sind, sofern nicht ein gemeinsamer Vertreter der Mitberechtigten vorhanden ist, wirksam, wenn sie auch nur gegenüber einem Mitberechtigten vorgenommen werden. Gegenüber mehreren Erben eines Gesellschafters findet diese Bestimmung nur in bezug auf Rechtshandlungen Anwendung, welche nach Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft vorgenommen werden.

(1) Durch Stimmenmehrheit kann eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung beschlossen werden. Die Stimmenmehrheit ist nach der Größe der Anteile zu berechnen.

(2) Jeder Teilhaber kann, sofern nicht die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist, eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen.

(3) Eine wesentliche Veränderung des Gegenstands kann nicht beschlossen oder verlangt werden. Das Recht des einzelnen Teilhabers auf einen seinem Anteil entsprechenden Bruchteil der Nutzungen kann nicht ohne seine Zustimmung beeinträchtigt werden.

Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Endurteil des Landgerichts Amberg vom 29. Oktober 2012, Az.: 41 HKO 1227/11 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 14. Oktober 2011 festgestellte Beschluss, „dem Geschäftsführer I. wird für die Geschäftsjahre 2007/2008, 2008/2009 und 2009/2010 Entlastung erteilt“, wird für nichtig erklärt. Die Widerklage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 100.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses der beklagten GmbH, mit welchem dem Geschäftsführer Entlastung erteilt wurde.

1. Die beklagte GmbH wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 9. Februar 1946 gegründet und am 3. April 1946 in das Handelsregister eingetragen. Geschäftsgegenstand ist die Herstellung und der Vertrieb von Maschinenelementen. Das Geschäftsjahr der Beklagten läuft vom 1. Juli eines Jahres bis zum 30. Juni des nächsten Jahres. Das Stammkapital der Beklagten betrug 960.000 DM.

Die am 15. Mai 1961 geborene Klägerin zu 1., der am 13. Juni 1966 geborene Kläger zu 2. und die am 10. Januar 1970 geborene J. sind die Kinder und die Erben des am 15. November 1986 verstorbenen H. (im Folgenden: Erblasser). Die Klägerin zu 3. ist die Schwester des Erblassers. Der Erblasser hatte im Testament vom 8. November 1970 (Anlage K2) seine drei Kinder zu Erben eingesetzt und mit einer Testamentsänderung vom 6. März 1986 (Anlage K3) seine Schwägerin K. zur Testamentsvollstreckerin ernannt.

Zum Nachlass gehörte unter anderem ein Geschäftsanteil des Erblassers an der Beklagten in Höhe von 150.000 DM. Ferner hielt die Klägerin zu 3. einen Geschäftsanteil in Höhe von 150.000 DM. Geschäftsanteile in Höhe von jeweils 220.000 DM hielten die Geschwister L.O., M.O. und N., geborene O. Nach mehreren Rechtsstreitigkeiten schied der Gesellschafterstamm O sukzessive aus und es erhöhten sich im Zuge dessen die Gesellschaftsanteile der Klägerin zu 3. und der Erbengemeinschaft nach H. auf jeweils insgesamt 480.000 DM.

Am 14. Juli 2000 hielten die Klägerin zu 3. und die Testamentsvollstreckerin K. ohne Kenntnis der Erben eine Gesellschafterversammlung der Beklagten ab und beschlossen eine Kapitalerhöhung um 36.000 DM auf insgesamt 996.000 DM (Anlage B7). Zur Übernahme der Kapitalerhöhung wurde nur die Klägerin zu 3. zugelassen. Die Klägerin zu 3. übernahm den weiteren Geschäftsanteil in Höhe von 36.000,00 DM und hält seitdem Geschäftsanteile in Höhe von insgesamt 516.000,00 DM (ca. 52% der Geschäftsanteile). Die Kapitalerhöhung wurde am 11. August 2000 in das Handelsregister eingetragen. In einem beim Landgericht Amberg anhängigen Verfahren (Az.: 41 HKO 833/09) streiten die Parteien darüber, ob die Kapitalerhöhung wirksam erfolgt ist (im Folgenden: Verfahren „Kapitalerhöhung“).

Mit Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Amberg vom 14. März 2001 (Anlage K8) wurde auf Antrag der Erben Frau K. als Testamentsvollstreckerin mit der Begründung entlassen, ihr Verhalten als Testamentsvollstreckerin rechtfertige in vielfacher Weise Misstrauen der Erben. Seitdem verwalten die Erben den Nachlass selbst. Mit weiterem Beschluss vom 3. September 2001 wurde der den Klägern zu 1. und 2. erteilte Erbschein, der den Vermerk „Testamentsvollstreckung ist angeordnet“ enthielt, für kraftlos erklärt. Am 20. November 2001 erteilte das Nachlassgericht den Klägern zu 1. und 2. und J. einen unbeschränkten Erbschein (Anlage K9).

Mit Erbteilskaufvertrag vom 22. Oktober 2010 (Anlage K21) und Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 13,0 Mio. € im Februar 2011 erwarb die Klägerin zu 3. den Erbteil von J. am Nachlass nach H. von 1/3. Damit wurde die Klägerin zu 3. Mitglied der nach wie vor ungeteilten Erbengemeinschaft nach H..

Am 1. April 2011 fand eine Versammlung der Erbengemeinschaft statt, an der auch die Klägerin zu 3. als Erbteilskäuferin teilnahm (vgl. Anlage K29). Die Erbengemeinschaft beschloss dabei gegen die Stimme der Klägerin zu 3., dass der Kläger zu 2. zum gemeinsamen Vertreter im Sinne des § 18 Abs. 3 GmbHG insbesondere zur Ausübung der Stimmrechte in Gesellschafterversammlungen der beklagten Gesellschaft bestellt wurde. Mit Beschluss der Erbengemeinschaft vom 11. Juli 2011 (Anlage K30) wurde der Kläger zu 2. damit beauftragt, alle der Erbengemeinschaft aus ihrem Geschäftsanteil an der Beklagten zustehenden Rechte auszuüben und die Kanzlei D. (im Folgenden: „Kanzlei D.“) mit der Beratung und Vertretung des gemeinsamen Vertreters und der Erbengemeinschaft in diesem Zusammenhang zu beauftragen.

4. Die Beklagte beauftragte Anfang des Jahres 2007 die Kanzlei P. (im Folgenden: „Kanzlei P.“) mit ihrer ständigen laufenden Beratung und Vertretung. Daneben vertrat die Kanzlei Q., federführend durch Herrn Rechtsanwalt R., auch die Klägerin zu 3. unter anderem in dem vor dem Landgericht Amberg geführten Verfahren „Kapitalerhöhung“.

Im Zeitraum 1. Juni 2008 bis 30. Juni 2010 stellte die Kanzlei Q. der Beklagten für erbrachte Anwaltstätigkeiten für jeweils zwei Monate Zeitvergütungen in Rechnung (vgl. Anlage K31). Die Berechnungen waren jeweils wie folgt aufgebaut:

„Für unsere Tätigkeiten in der Angelegenheit

F. GmbH

wg. laufender Beratung und Vertretung

erlauben wir uns im Zeitraum vom (…) bis (…) zu berechnen: (…)“

Vermerkt ist lediglich eine Gesamtzahl aller Stunden mit einem Stundensatz und ein Gesamtbetrag. Weitere Erläuterungen fehlten. Insbesondere fehlt eine Zuordnung zu einzelnen Bearbeitungstagen und Angelegenheiten. Den Rechnungen waren auch keine Zeitaufzeichnungen (sog. Time-Sheets) beigefügt, welche die Kanzlei Q. für jeden Mitarbeiter führt. Für das Geschäftsjahr 2008/2009 rechnete die Kanzlei Q. insgesamt Leistungen in Höhe von 109.941,36 € und für das Geschäftsjahr 2009/2010 in Höhe von insgesamt 272.330,35 € ab.

Auf ein Auskunftsersuchen der Erben nach §§ 51a, 51b GmbHG wurde die Beklagte durch Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31. März 2011 (Anlage K24) unter anderem zur Einsicht in alle Unterlagen hinsichtlich der in den Jahresabschlüssen 2008/2009 und 2009/2010 berücksichtigten Rechts- und Beratungskosten verpflichtet. Es fand daraufhin am 20. Juni 2011 ein Einsichtstermin statt, an dem für die Kläger zu 1. und 2. deren anwaltlicher Vertreter teilnahm. Dieser wies darauf hin, dass es sich bei den fehlenden Zeitaufzeichnungen um „Belege“ zu Rechnungen handle, die nach dem Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31. März 2011 der Einsichtnahme unterlägen. Die Beklagte erklärte hierauf, derartige Aufzeichnungen lägen ihr nicht vor.

Daraufhin beantragten die Kläger zu 1. und 2. mit Schriftsatz vom 11. August 2011 (Anlage K25) die Beklagte nach §§ 51a, 51b GmbHG zur weiteren Auskunftserteilung unter anderem auch über „Art und Umfang“ der von der Kanzlei Q. in den Geschäftsjahren 2008/2009 und 2009/2010 abgerechneten Anwaltsleistungen zu verpflichten (im Folgenden: „drittes Auskunftsverfahren“).

5. Noch vor einer Entscheidung über das Auskunftsbegehren vom 11. August 2011 fand am 14. Oktober 2011 eine Gesellschafterversammlung der beklagten GmbH statt. Der Kläger zu 2. trat dabei als gemeinsamer Vertreter der Erbengemeinschaft nach H. auf und übte das Stimmrecht aus der Beteiligung des Nachlasses in Höhe von 480.000 DM (Geschäftsanteil Nr. 2) aus. Die Klägerin zu 3. stimmte ab aufgrund ihrer Beteiligung über 480.000 DM (Geschäftsanteil Nr. 1) sowie ihrer Beteiligung über 36.000 DM (Geschäftsanteil Nr. 3) sowie aufgrund ihrer Beteiligung als „Erbteilsinhaberin in Höhe 1/3 des Nachlasses nach H.“. Zur Abstimmung wurde dabei unter anderem folgender Antrag gestellt (vgl. Protokoll, Anlage K27):

„TOP 6B Dem Geschäftsführer I. wird für die Geschäftsjahre 2007/2008, 2008/2009 und 2009/2010 Entlastung erteilt.“

Für den Antrag stimmte die Klägerin zu 3, dagegen der Kläger zu 2. Der Versammlungsleiter I. stellte daraufhin die Annahme des Beschlussantrags fest.

Bei einer weiteren Gesellschafterversammlung am 17. Oktober 2011 teilte der Geschäftsführer I. mit, dass bezüglich der Rechts- und Beratungskosten des Geschäftsjahrs 2009/2010 eine schriftliche Stellungnahme der Abschlussprüferin, Frau Dipl.-BW (FH) S., erholt werde (vgl. Anlage B27). Die Gesellschafter waren hiermit einverstanden. Mit Schreiben vom 24. November 2011 (Anlage B28) teilte die Wirtschaftsprüferin S. der Beklagten mit, dass ihre Überprüfungen zu keinen Einwendungen geführt hätten.

Mit Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 22. Dezember 2011 - 1 HK O 6776/11 (Anlage B26) wurde die Beklagte zur Erteilung der im dritten Auskunftsverfahren begehrten Auskünfte und zur begehrten Einsichtnahme verpflichtet.

6. Am 13. Dezember 2011 beschloss die Erbengemeinschaft mit Mehrheitsbeschluss (Anlage K44) gegen die Stimme der Klägerin zu 3., dass der Kläger zu 2. berechtigt ist, Gesellschafterrechte im Hinblick auf die Beschlussfassung über die Entlastung des Geschäftsführers I. für die Geschäftsjahre 2007/2008 bis 2009/2010 in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 14. Oktober 2011 (Top 6 B) auszuüben, insbesondere gegen diesen Beschluss Anfechtungs- und/oder (Nichtigkeits-) Feststellungsklage zu erheben und in diesem Zusammenhang die Kanzlei D. zu beauftragen.

Mit am 19. Dezember 2011 der Beklagten zugestelltem Schriftsatz vom 12. Dezember 2011 erhob die Erbengemeinschaft nach H., vertreten durch den Kläger zu 2. als gemeinsamen Vertreter, dieser vertreten durch die Kanzlei D., Klage gegen den Gesellschafterbeschluss vom 14. Oktober 2011 über die Entlastung des Geschäftsführers I.

Am 16. Februar 2012 fand dann im Hinblick auf den im dritten Auskunftsverfahren erlassenen Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth ein Termin zur Einsichtnahme und Auskunftserteilung bei der Beklagten statt. Dabei wurden dem Klägervertreter unter anderem ein Schreiben vom 15. Februar 2012 (Anlage K46) und Time-Sheets der Kanzlei Q. (vgl. auch Anlage B29) übergeben.

Der Kläger zu 2. meint, dass die Kläger als Miterben (im Fall der Klägerin zur 3 als Rechtsnachfolgerin in der vermögensrechtlichen Position eines Miterben) des zum Nachlass nach H. gehörenden Geschäftsanteils an der Beklagten prozessführungsbefugt seien, da die angeordnete Testamentsvollstreckung beendet sei. Der Erblasser habe keine Dauertestamentsvollstreckung, sondern eine Abwicklungsvollstreckung angeordnet. Mit der gerichtlichen Entlassungsverfügung im Jahr 2001 habe das Amt von Frau K. als Testamentsvollstreckerin geendet. Die Bedingung für den Einsatz der zwei Ersatztestamentsvollstrecker sei nicht eingetreten. Überdies sei nicht davon auszugehen, dass der Erblasser noch 25 Jahre nach seinem Tod für die inzwischen erwachsen gewordenen Kinder eine Ersatztestamentsvollstreckung gewollt hätte.

Der Kläger zu 2. trägt weiter vor, der Geschäftsanteil an der Beklagten wäre darüber hinaus auch nicht mehr Gegenstand einer unterstellten fortbestehenden Testamentsvollstreckung, weil die Erben bereits im Jahr 1993 endgültig und unwiderruflich den Ausschluss der Erbenauseinandersetzung für ihren Anteil an der Beklagten vereinbart hätten, was sie mit Schreiben vom 2. März 1993 (Anlage K4) der Testamentsvollstreckerin mitgeteilt hätten.

Der Kläger zu 2. ist auch der Auffassung, dass er aufgrund seiner wirksamen Bestellung zum gemeinsamen Vertreter im Sinne des § 18 Abs. 3 GmbHG zur Geltendmachung von Anfechtungsrechten für alle Gemeinschafter und damit auch für die Klägerin zu 3. berechtigt sei.

Der Kläger zu 2. ist weiter der Ansicht, dass der Gesellschafterbeschluss vom 14. Oktober 2011 nichtig sei. Die Klägerin zu 3. habe schon nicht die erforderliche Stimmenmehrheit gehabt, weil sie den Geschäftsanteil Nr. 3 über 36.000 DM nicht wirksam erworben habe. Darüber hinaus sei die Ausübung des der Klägerin zu 3. zustehenden Stimmrechts aufgrund des Geschäftsanteils Nr. 1 über 480.000 DM treuwidrig gewesen. Der seit ca. 25 Jahren für die Klägerin zu 3. tätige Rechtsanwalt R... sei im Auftrag bzw. mit Duldung des Geschäftsführers I. auch für die Beklagte tätig. I. verletze durch diese Interessenvermischung fortwährend seine Geschäftsführerpflichten. Ferner habe der Geschäftsführer dadurch gegen die ihm obliegenden Geschäftsführerpflichten verstoßen, indem er offensichtlich mangelhafte Honorarabrechnungen der Kanzlei Q. kritiklos akzeptiert und diese ohne entsprechende Nachweise über Art und Umfang der geleisteten Tätigkeiten beglichen habe. Der Entlastungsbeschluss sei auch deshalb anfechtbar, weil die Beklagte die Informationsrechte der Kläger zu 1. und 2. verletzt habe. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung hätten ihnen nicht sämtliche zur Beurteilung des Verhaltens des Geschäftsführers I. erforderlichen Informationen vorgelegen. Sie hätten zur Aufklärung schon vor der Gesellschafterversammlung am 14. Oktober 2011 ein weiteres Auskunftsverfahren nach §§ 51a, 51b GmbHG eingeleitet, dessen Ausgang nicht einmal abgewartet worden sei.

Der Kläger zu 2. hat erstinstanzlich im Namen der Erbengemeinschaft nach H. beantragt:

Der in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 14. Oktober 2011 festgestellte Beschluss „dem Geschäftsführer I. wird für die Geschäftsjahre 2007/2008, 2008/2009 und 2009/2010 Entlastung erteilt“ wird für nichtig erklärt.

Die Beklagte hat beantragt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Es wird festgestellt, dass die als Klägerin zu 3. genannte Frau C. nicht Partei dieses Rechtsstreits ist.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin zu 3. schon nicht Partei des Rechtsstreits sei. Die Klägerin zu 3. sei mit der Klage nicht einverstanden und habe der Kanzlei D. auch keine Vollmacht erteilt.

Weiter meint die Beklagte, die Kläger seien zudem nicht prozessführungsbefugt, weil die Testamentsvollstreckung auch nach Abberufung der Testamentsvollstreckerin K. im Jahr 2001 noch fortbestehe. Selbst für den Fall, dass die vom Erblasser benannten Ersatztestamentsvollstrecker (Frau C. und Herr T.) das Testamentsvollstreckeramt nicht ausüben könnten, wäre dadurch die Testamentsvollstreckung nicht beendet. Die Auslegung der letztwilligen Verfügungen des Erblassers ergebe nämlich, dass er in jedem Fall eine Auseinandersetzung seines Nachlasses durch einen Testamentsvollstecker gewollt habe. Das Testament enthalte für diesen Fall die konkludente Anordnung, dass das Nachlassgericht ersucht werden solle, einen Testamentsvollstrecker zu bestimmen.

Die Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen, die Testamentsvollstreckung bestehe auch für den zum Nachlass gehörenden Geschäftsanteil an der Beklagten. Sie hat hierzu erstinstanzlich behauptet, es gebe keinen Erbenbeschluss, weder aus dem Jahr 1993 noch zu einem sonstigen Zeitpunkt, der einen unwiderruflichen Ausschluss der Erbenauseinandersetzung bezüglich des Anteils an der Beklagten zum Gegenstand habe. Falls aber ein solcher Beschluss gefasst worden wäre, wäre der Ausschluss der Auseinandersetzung nach dem Schreiben des anwaltlichen Vertreters der Erben vom 24. Mai 1993 (Anlage B3) nur „in stets widerruflicher Weise“ und damit unverbindlich erfolgt.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Klageerhebung durch den Kläger zu 2. als vermeintlichem gemeinsamen Vertreter der Erbengemeinschaft auch deshalb unzulässig sei, weil hierfür nach § 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB ein gemeinschaftlich gefasster Beschluss erforderlich wäre, der aber nicht gefasst worden sei. Die Anmaßung einer Stellung des Klägers zu 2. als gemeinsamer Vertreter bei dem wichtigsten Vermögensstück des Nachlasses entspreche nicht einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Sie diene ausschließlich dazu, die Klägerin zu 3. rechtlos zu stellen.

Weiter meint die Beklagte, dass darüber hinaus der angegriffene Gesellschafterbeschluss, mit welchem dem Geschäftsführer I. Entlastung erteilt worden sei, wirksam sei. Der Beschluss sei mit der Stimmenmehrheit der Klägerin zu 3. als Mehrheitsgesellschafterin gefasst worden. Die Stimmabgabe der Klägerin zu 3. sei auch nicht treuwidrig. Ferner liege keine Interessenvermischung vor. Die Mandate der Beklagten einerseits und der Klägerin zu 3. andererseits würden in der Kanzlei Q. strikt getrennt. Die Geschäftsführung der Beklagten habe die Rechnungen der Kanzlei Q. nach Eingang einer Rechnung insbesondere hinsichtlich ihrer Angemessenheit überprüft. Es sei zwar richtig, dass den Kostennoten der Kanzlei Q. für das Mandat „laufende Beratung und Vertretung“ regelmäßig keine Time-Sheets oder sonstige Nachweise über die jeweils abgerechneten Stunden beigefügt seien. Damit seien die Kostennoten aber keinesfalls mangelhaft. Die Abrechnungen seien ferner zeitnah zu den erbrachten Leistungen erfolgt. Der Geschäftsführer I. habe in Anbetracht der von ihm erteilten einzelnen Aufträge und der an ihn übermittelten Arbeitsergebnisse bei jeder einzelnen Honorarrechnung überprüft, ob der jeweils abgerechnete Zeitaufwand angemessen gewesen sei. Nur wenn I. von der Angemessenheit der abgerechneten Stunden überzeugt gewesen sei, habe er die Kostennoten der Kanzlei Q. zur Zahlung freigegeben. Wären dem Geschäftsführer I. bei Überprüfung einer Honorarabrechnung Zweifel an der Angemessenheit gekommen, so hätte er die Zeitnachweise bei der Kanzlei Q. anfordern können und diese wäre ihm selbstverständlich umgehend übermittelt worden.

Das Erstgericht hat die Klage mit Endurteil vom 29. Oktober 2012 (Bl. 279 ff. d. A.) abgewiesen. Die Klageabweisung hat es damit begründet, dass der Kläger zu 2. zwar prozessführungsbefugt für die Erbengemeinschaft sei, da eine Testamentsvollstreckung nicht mehr bestehe und er gemeinsamer Vertreter der Erbengemeinschaft im Sinne des § 18 Abs. 3 GmbHG sei. Der Gesellschaftsbeschluss vom 14. Oktober 2011 sei aber rechtmäßig zustande gekommen. Insbesondere könne eine Treuwidrigkeit durch das Abstimmungsverhalten der Klägerin zu 3. nicht festgestellt werden. Es gebe keine rechtliche Verpflichtung, den anwaltlichen Kostennoten Stundenaufzeichnungen beizufügen. Dem Geschäftsführer I. sei es aufgrund der zeitnahen Abrechnungen anhand seiner Kenntnisse zu den erbrachten Anwaltsdienstleistungen möglich gewesen, die Angemessenheit der Rechnungen zu überprüfen. Das Abstimmungsverhalten der Klägerin zu 3. sei auch nicht deshalb treuwidrig, weil der Geschäftsführer der Beklagten zu einem Zeitpunkt entlastet worden sei, als bereits ein Auskunftsersuchen nach §§ 51a, 51b GmbHG wegen der Rechnungen der Kanzlei Q. eingeleitet gewesen sei. Denn die Gesellschafter hätten sich bei einer nachfolgenden Gesellschafterversammlung am 17. Oktober 2010 darauf verständigt, die Rechtmäßigkeit der Rechnungen der von der Beklagten beauftragten Kanzlei durch einen Wirtschaftsprüfer überprüfen zu lassen. Die Überprüfung habe aber keine Beanstandungen ergeben.

Hiergegen richtet sich die vom Kläger zu 2. im Namen der Erbengemeinschaft nach H. eingelegte Berufung. Die Berufung greift insbesondere die Feststellung des Erstgerichts an, es sei dem Geschäftsführer I. möglich gewesen „aufgrund der zeitnahen Abrechnungen anhand seiner Kenntnisse zu den erbrachten Anwaltsdienstleistungen die Angemessenheit der Rechnungen zu überprüfen“. Die Rechnungen seien schon nicht zeitnah erstellt worden. Überdies erschließe sich aus dem Urteil nicht, welche „Kenntnisse zu den erbrachten Anwaltsdienstleistungen“ der Geschäftsführer I. gehabt haben solle. Das Erstgericht habe die bestrittenen Behauptungen des Geschäftsführers im Rahmen seiner formlosen Anhörung unkritisch übernommen. Es habe auch unberücksichtigt gelassen, dass der Geschäftsführer anhand der pauschalen Rechnungen deren Angemessenheit gar nicht überprüfen habe können. Zudem stünden die Angaben von I. im Widerspruch zum eigenen Parteivortrag. Die Beklagte habe schriftsätzlich vorgetragen, dass für das Mandat „laufende Beratung und Verträge“ regelmäßig keine Time-Sheets oder sonstige Nachweise für die jeweils abgerechneten Stunden beigefügt würden. Erst in der mündlichen Verhandlung am 4. September 2012 habe der Geschäftsführer I. die Behauptung aufgestellt, ihm hätten „teilweise“ auch Zeitaufzeichnungen zur Verfügung gestanden, als er die Rechnungen angewiesen habe.

Der Kläger zu 2. beantragt namens der Erbengemeinschaft nach H.:

1. Das Endurteil des Landgerichts Amberg vom 29. Oktober 2012, Az.: 41 HKO 1227/11 wird in Ziffer 1 und 3 aufgehoben.

7. Der in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 14. Oktober 2011 festgestellte Beschluss, „dem Geschäftsführer I. wird für die Geschäftsjahre 2007/2008, 2008/2009 und 2009/2010 Entlastung erteilt“, wird für nichtig erklärt.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte verteidigt das Ersturteil. Das Erstgericht habe zu Recht angenommen, dass der angegriffene Gesellschaftsbeschluss über die Entlastung des Geschäftsführers I. wirksam sei. Herr Rechtsanwalt R. sei seit Jahrzehnten für die Beklagte tätig, ohne dass seine Gebührenrechnungen auch nur irgendeinen Anlass zur Beanstandung durch den Geschäftsführer gegeben hätten. Vor diesem Hintergrund hätten sich für ihn nur dann Zweifel ergeben müssen, wenn die Abrechnungen offenkundig fehlerhaft erschienen wären. Es sei richtig, dass den Kostennoten der Kanzlei Q. für das Mandat „laufende Beratung und Vertretung“ regelmäßig keine Time-Sheets oder sonstige Nachweise über die jeweils abgerechneten Stunden beigefügt seien. Dies entspreche der gängigen anwaltschaftlichen Praxis. Die Beifügung von Stundenaufzeichnungen, die auch die Dokumentationen anderer Mandate enthielten, würde zudem die anwaltliche Geheimhaltungsverpflichtung unterlaufen.

Die Beklagte bestreitet im Berufungsverfahren die Existenz des Erbenbeschlusses aus dem Jahr 1993 „hilfsweise“ nicht mehr (vgl. Schriftsatz vom 13. Mai 2014, S. 2 = Bl. 487 d. A.). Die Vereinbarung sei dahingehend zu verstehen, dass die Erben den Anteil an der Beklagten künftig gemeinschaftlich verwalten hätten wollen. Mangels damit erforderlicher Einstimmigkeit seien die Erbenbeschlüsse vom 13. Dezember 2011 (Anlage K44) und vom 1. April 2011 (Anlage K29) sowie vom 14. Oktober 2011 (Anlage K30) nicht wirksam zustande gekommen.

Mit Schriftsatz vom 5. Februar 2014 (Bl. 467 f. d. A.) haben sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 3. angezeigt und für diese vorsorglich die Rücknahme der Klage erklärt. Die Klägerin zu 3. meint allerdings, sie sei schon zu keinem Zeitpunkt Partei des Rechtsstreits geworden, insbesondere sei sie nicht ordnungsgemäß vertreten worden. Da die Erbengemeinschaft keine eigene Rechtspersönlichkeit besitze, hätte der Prozessbevollmächtigte der Kläger zu 1. und 2. auch von der Klägerin zu 3. gesondert bevollmächtigt werden müssen.

Ferner haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 3. den Mangel der Vollmacht des Prozessbevollmächtigten der Kläger zu 1. und 2. für die Klägerin zu 3. gerügt (vgl. Protokoll vom 21. Mai 2014, S. 2 = Bl. 509 d. A.).

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

B.

I.

Die Klägerin zu 3. ist im Rechtsstreit ordnungsgemäß durch die Kanzlei D. vertreten.

1. Eine Vollmachtsprüfung erfolgt bei einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt - in jeder Lage des Rechtsstreits - auf unverzichtbare Rüge des Gegners, der vertretenen Partei selbst oder ihres Vertreters (BGH, NJW 2007, 3640, 3644; OLG Köln, NJW-RR 1992, 1162).

2. Die Klägerin zu 3. war nach diesen Grundsätzen als vertretene Partei zur Erhebung einer Vollmachtsrüge berechtigt. Die Kanzlei D. hat aber den Nachweis geführt, dass sie die Klägerin zu 3. sowohl in erster Instanz als auch im Berufungsverfahren ordnungsgemäß vertreten hat bzw. vertritt:

a) Eine Prozessvollmacht nach § 80 ZPO kann von einer Partei, einem Nebenintervenienten und von einem am Prozess beteiligten Dritten erteilt werden (Musielak/Weth, ZPO, 11. Aufl., § 80 ZPO Rdnr. 6). Bei der Erteilung ist dabei auch eine Stellvertretung möglich (Musielak/Weth, a. a. O.).

b) Im Streitfall wurde der Kanzlei D. zwar keine Prozessvollmacht von der Klägerin zu 3. selbst erteilt. Der Kläger zu 2. hat aber der Kanzlei D. als gemeinsamer Vertreter im Sinne des § 18 Abs. 3 GmbHG (auch) als Vertreter der Klägerin zu 3. für diese wirksam eine Prozessvollmacht zur Erhebung einer gesellschaftsrechtlichen Nichtigkeits- und Anfechtungsklage erteilt.

aa) Nach § 18 Abs. 1 GmbHG können Mitberechtigte die Rechte aus einem Gesellschaftsanteil nur gemeinschaftlich ausüben. Dies gilt auch für gesellschaftsrechtliche Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen (Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 11. Aufl., § 45 GmbHG Rdnr. 128; Wertenbruch, in: MünchKomm-GmbHG, 2012, Anh. zu § 47 GmbHG Rdnr. 173; Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 18 GmbHG Rdnr. 4). Die Mitberechtigten klagen dann in notwendiger Streitgenossenschaft nach § 62 ZPO und zwar auf materiell-rechtlicher Grundlage (Wertenbruch, in: MünchKomm-GmbHG, a. a. O.; Scholz/Karsten Schmidt, a. a. O.). Für die Prozessführung haben sie einen gemeinschaftlichen Vertreter zu bestellen (Scholz/Karsten Schmidt, a. a. O.). Dieser kann für die Berechtigten die Anfechtungsrechte ausüben (vgl. auch Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., Anh. § 47 GmbHG Rdnr. 139). Prozesspartei sind dann alle Gesellschafter; für eine gewillkürte Prozessstandschaft, bei der ein Anteils-Mitinhaber von dem anderen ermächtigt wird und dann teils aus eigenem, teils aus fremdem Anfechtungsrecht in eigenem Namen klagt, besteht daher kein Bedürfnis (Scholz/Karsten Schmidt, a. a. O.).

Die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters erfolgt nach den Vorschriften des jeweiligen Gemeinschaftsverhältnisses, also ggf. auch aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses (Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 18 GmbHG Rdnr. 5; Reichert/Weller, in: MünchKomm-GmbHG, § 18 GmbHG Rdnr. 76). Für die interne Willensbildung einer Erbengemeinschaft ist grundsätzlich § 2038 Abs. 2 Satz 1, § 745 Abs. 1 Satz 1 BGB maßgebend, da die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters zur ordnungsgemäßen Verwaltung eines Geschäftsanteils gehört, so dass für die Bestellung ein Mehrheitsbeschluss ausreicht (vgl. BGH, NJW 1968, 743, 745).

Ein nach § 2038 Abs. 2 Satz 1, § 745 Abs. 1 BGB ergangener Mehrheitsbeschluss gibt den die Stimmenmehrheit vertretenden Erben Vertretungsmacht zur Durchführung des Mehrheitsbeschlusses (Staudinger/Werner, BGB, Neubearbeitung 2010, § 2038 BGB Rdnr. 40; Gergen, in: MünchKomm-BGB, 6. Aufl., § 2038 BGB Rdnr. 51). Er kann jedenfalls dann ohne weiteres von der Mehrheit ausgeführt werden, wenn sonst vollendete Tatsachen entständen (BGH, NJW 1968, 743, 745). Dies kann bei einer gesellschaftsrechtlichen Anfechtungsklage der Fall sein. Denn nur durch deren rechtzeitige Erhebung kann die Wirksamkeit eines rechtswidrigen Beschlusses beseitigt werden (vgl. BGH, NJW 1989, 2694, 2697 zur Begründung einer Notgeschäftsführungsmaßnahme im Sinne des § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB).

bb) Die Erbengemeinschaft hat den Kläger zu 2. nach diesen Grundsätzen wirksam zum gemeinsamen Vertreter im Sinne des § 18 Abs. 3 GmbHG bestellt und ihn zur Erhebung einer Anfechtungsklage im Namen aller Gemeinschafter bevollmächtigt.

(1) Der erstmals im Berufungsverfahren geäußerten Ansicht der Beklagten, die Mehrheitsbeschlüsse der Erbengemeinschaft vom 1. April 2011 (Anlage K29), 14. Oktober 2011 (Anlage K30) und 13. Dezember 2011 seien unwirksam, weil die Erben im Jahr 1993 den Beschluss gefasst hätten, den Nachlass endgültig nicht auseinanderzusetzen und den Geschäftsanteil an der Beklagten gemeinschaftlich zu verwalten, kann nicht gefolgt werden. Es liegen schon keine zureichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Erben bei der Beschlussfassung im Jahr 1993 den Willen hatten, dass Erbenbeschlüsse abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 2038 Abs. 2, § 745 Abs. 1 BGB stets einstimmig gefasst werden sollten. Welchen genauen Inhalt der Erbenbeschluss aus dem Jahr 1993 hatte und welche gemeinsamen Vorstellungen der Erben diesem zugrunde lagen, haben die Parteien nicht dargetan. Ein schriftlicher Beschluss wurde nicht vorgelegt. Die Parteien haben nur das Schreiben der Erben vom 2. März 1993 (Anlage K4) an die Testamentsvollstreckerin K. und einen Schriftsatz des anwaltlichen Vertreters der Erben vom 24. Mai 1993 (Anlage B3) vorgelegt, in denen lediglich über bereits getroffene Beschlüsse der Erbengemeinschaft berichtet wird. Im Schreiben vom 24. Mai 1993 lassen die Erben der Testamentsvollstreckerin K. mitteilen, sie hätten am „Wochenende“ (also am 23. oder 24. Mai 1993) beschlossen, die Gesellschaftsanteile an der F. GmbH in stets widerruflicher Weise bis auf weiteres in ungeteilter Erbengemeinschaft fortzuführen Solange diese Absicht nicht widerrufen werde, entfalle die durch die Testamentsvollstreckerin zu veranlassende Aufteilung der Gesellschaftsanteile. Die Erbengemeinschaft werde den Anteil künftig gemeinschaftlich verwalten. Nach dieser Mitteilung hätten die Erben also am 23. oder 24. Mai 1993 vereinbart, die Auseinandersetzung für ihren Anteil an der Beklagten zu unterlassen und die Erbengemeinschaft insofern fortzusetzen. Die gesetzlichen Regelungen über die Verwaltung der Erbengemeinschaft sehen zwar nach § 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich eine gemeinschaftliche Verwaltung vor. Bei Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung lässt § 2038 Abs. 2 Satz 1, § 745 Abs. 1 BGB aber auch Mehrheitsentscheidungen zu. Der Mitteilung der Erben lässt sich ein gemeinsamer Parteiwille dahingehend, dass sie die (teilweise) Fortführung der Erbengemeinschaft abweichend von der gesetzlichen Regelung unter Ausschluss von Mehrheitsentscheidungen im Rahmen von Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung vereinbaren wollten, nicht einmal andeutungsweise entnehmen. Überdies hat die damalige Miterbin J. die getroffene Vereinbarung über den Ausschluss der Auseinandersetzung des Geschäftsanteils mit Anwaltsschriftsatz vom 30. August 2010 (Anlage B4) widerrufen. Der Widerruf ist auch wirksam, weil die Erben nach der Mitteilung des anwaltlichen Vertreters der Erben vom 24. Mai 1993 die Fortführung der Erbengemeinschaft „in stets widerruflicher Weise bis auf weiteres“ beschlossen haben sollen. Entgegen der Ansicht des Klägers zu 2. lässt sich dem im zeitlich früheren Schreiben der Erben vom 2. März 1993 (Ablage K4) nicht entnehmen, dass die Erben den Ausschluss der Erbauseinandersetzung hinsichtlich des Geschäftsanteils endgültig und unwiderruflich beschlossen haben. Die Erben haben in diesem Schreiben im Kern nur mitgeteilt, sie hätten beschlossen, hinsichtlich des Geschäftsanteils die Auseinandersetzung auszuschließen und diesen Anteil als Erbengemeinschaft gemeinschaftlich zu verwalten. Diese dürftige Mitteilung reicht zur Annahme eines unwiderruflichen Ausschlusses der Auseinandersetzung hinsichtlich des Geschäftsanteils an der Beklagten nicht aus. Aber selbst wenn die Erben einen unwiderruflichen Ausschluss der Auseinandersetzung vor oder im März 1993 beschlossen hätten, hätten sie auch eine solche Vereinbarung durch den nachfolgenden Beschluss, der im Schriftsatz ihres anwaltlichen Vertreters vom 24. Mai 1993 erwähnt wird („die Erbengemeinschaft hat am Wochenende beschlossen (…)“), wirksam abgeändert (actus contrarius). Der erklärte Widerruf wäre daher nach den getroffenen Vereinbarungen der Erben berechtigterweise erfolgt. Jeder Gemeinschafter kann daher nunmehr zwar nach § 2042 BGB eine Auseinandersetzung verlangen. Da eine solche aber unstreitig noch nicht erfolgt ist, besteht die nach dem Erbfall entstandene Gemeinschaft zur gesamten Hand fort (vgl. Palandt/Weidlich, a. a. O., § 2042 BGB Rdnr. 1).

Die fortbestehende Erbengemeinschaft ist folglich grundsätzlich berechtigt, auch hinsichtlich des gemeinsamen Geschäftsanteils unter den Voraussetzungen des § 2038 Abs. 2 Satz 1, § 745 Abs. 1 BGB bei Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung Mehrheitsbeschlüsse zu fassen.

(2) Die Erbengemeinschaft hat den Kläger zu 2. mit Mehrheitsbeschluss vom 1. April 2011 (Anlage K29) wirksam zum gemeinsamen Vertreter „insbesondere“ hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts in Gesellschafterversammlungen bestellt. Der Mehrheitsbeschluss ist entgegen der Ansicht der Beklagten wirksam zustande gekommen, da es sich bei der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters um eine dem Anteilsrecht entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung (§ 2038 Abs. 2 Satz 1, § 745 Abs. 1 BGB) handelt (BGH, NJW 1968, 743; Scholz/Seibt, a. a. O., § 18 GmbHG Rdnr. 8; Reichert/Weller, in: MünchKomm-GmbHG, a. a. O., § 18 GmbHG Rdnr. 77). Ob schon dieser Beschluss zur Erhebung einer Anfechtungsklage durch den Kläger zu 2. als gemeinsamen Vertreter der Gemeinschafter berechtigte, was eine Auslegungsfrage ist (vgl. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, a. a. O., Anh. § 47 GmbHG Rdnr. 139), kann dahinstehen. Denn die Erbengemeinschaft hat am 13. Dezember 2011 mit ebenfalls gemäß § 2038 Abs. 2 Satz 1, § 745 Abs. 1 BGB zulässigem Mehrheitsbeschluss ausdrücklich beschlossen, dass der Kläger zu 2. berechtigt ist, Gesellschafterrechte im Hinblick auf die Beschlussfassung über die Entlastung des Geschäftsführers Herberg für die Geschäftsjahre 2007/2008 bis 2009/2010 in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 14. Oktober 2011 (Top 6 B) auszuüben, insbesondere gegen diesen Beschluss Anfechtungs- und/oder (Nichtigkeits-) Feststellungsklage zu erheben und in diesem Zusammenhang die Kanzlei D. zu beauftragen (vgl. Anlage K44). Der Beschluss konnte vom Kläger zu 2. auch unmittelbar ausgeführt werden. Hätten die Kläger zu 1. und 2. die überstimmte Klägerin zu 3. nämlich erst auf Zustimmung zur Erhebung einer Anfechtungsklage verklagen müssen, wären vollendete Tatsachen entstanden. Die Wirksamkeit des als rechtswidrig angegriffenen Gesellschaftsbeschlusses konnte nur durch die rechtzeitige Erhebung einer Anfechtungsklage beseitigt werden. Ob die Kläger zu 1. und 2. auch zu einer Klageerhebung im Rahmen einer Notverwaltungsmaßnahme nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB ohne Mitwirkung der Klägerin zu 3. berechtigt gewesen wären, kann dahinstehen. Nach der Gesetzessystematik sind solche Einzelmaßnahmen gegenüber dem Zustimmungsverfahren schon nicht vorrangig. Vielmehr sind die Grenzen des Notverwaltungsrechts im Zweifel eng auszulegen, da eine Alleinentscheidungs- und Handlungsbefugnis an und für sich mit der Gesamthandsstruktur der Miterbengemeinschaft nicht zu vereinbaren ist (Gergen, in: MünchKomm-BGB, a. a. O., § 2038 BGB Rdnr. 55). Es bestehen im Streitfall auch erhebliche Zweifel, ob es sich überhaupt um eine unaufschiebbare Notverwaltungsmaßnahme im Sinne des § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB gehandelt hätte, da noch ausreichend Zeit bestand, um - wie geschehen - einen Beschluss der Erbengemeinschaft über die Erhebung einer gesellschaftsrechtlichen Anfechtungsklage zu erholen.

Der Kläger zu 2. war daher aufgrund der Mehrheitsbeschlüsse ohne weiteres bevollmächtigt, der Kanzlei D. (auch) im Namen der Klägerin zu 3. eine Prozessvollmacht zur Erhebung einer Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage gegen den streitgegenständlichen Gesellschaftsbeschluss zu erteilen. Die vom Kläger zu 2. erteilte Prozessvollmacht (Bl. 513 d. A., Anlage K63), mit der dieser der Kanzlei D. schlüssig Vollmacht (auch) zur Vertretung der Klägerin zu 3. im hiesigen Rechtsstreit erteilt hat, ist daher wirksam und genügte zum Nachweis der ordnungsgemäßen Vertretung der Klägerin zu 3. durch die Kanzlei D.

II.

Die von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 3. (vorsorglich) erklärte Klagerücknahme ist wirkungslos. Steht ein Geschäftsanteil - wie hier - mehreren Mitberechtigten ungeteilt zu, so kann - wie ausgeführt - das Anfechtungsrecht gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG nur gemeinschaftlich ausgeübt werden (Wertenbruch, in: MünchKomm-GmbHG, a. a. O., Anh. § 47 GmbHG Rdnr. 173). In prozessualer Hinsicht liegt daher eine notwendige Streitgenossenschaft auf materiell-rechtlicher Grundlage im Sinne des § 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO vor (Wertenbruch, in: MünchKomm-GmbHG, a. a. O.). Entgegen der Ansicht der Klägerin zu 3. lässt sich die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22. September 2008 - II ZB 11/08 (BeckRS 2008, 21617), wonach bei einer notwendigen Streitgenossenschaft jeder Streitgenosse seine Klage selbstständig zurücknehmen kann, auf den vorliegenden Streitfall nicht übertragen, da diese eine notwendige Streitgenossenschaft aus prozessualen Gründen betraf. Bei einer notwendigen Streitgenossenschaft auf materiell-rechtlicher Grundlage schließt hingegen nach überzeugender Ansicht der Zwang zur gemeinsamen Klage eine einseitige Rücknahme durch einen Streitgenossen aus (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 62 ZPO Rdnr. 25 m. w. N.; RGZ 78, 104). Die Gegenansicht hält dagegen auch bei der notwendigen Streitgenossenschaft aus materiell-rechtlichen Gründen eine Klagerücknahme durch einen Streitgenossen für möglich, weil die Rücknahme zwar zur Unzulässigkeit der anderen Klagen, aber nicht zu einer widersprüchlichen Sachentscheidung führe (Musielak/Weth, ZPO, 11. Aufl., § 62 ZPO Rdnr. 18 m. w. N.). Der Senat hält diese Ansicht jedoch nicht für überzeugend, weil sie es einem einzelnen Streitgenossen ermöglicht, durch seine Klagerücknahme auch den übrigen Klagen die gemeinsame Prozessführungsbefugnis nach Rechtshängigkeit zu entziehen. Die Bindung des prozesswilligen Streitgenossen an den „prozessmüden“ widerspricht aber dem Vertretungsprinzip bei Säumnis und Rechtsmitteleinlegung (Zöller/Vollkommer, a. a. O.).

Der Meinungsstreit kann im Streitfall aber letztlich dahinstehen, weil der Klägerin zu 3. darüber hinaus auch die prozessuale Befugnis zur Klagerücknahme fehlt. Der Klägerin zu 3. wurde durch den ohne weiteres vollziehbaren Mehrheitsbeschluss der Erbengemeinschaft, wodurch der Kläger zu 2. zur Erhebung einer Nichtigkeits- und Anfechtungsklage im Namen aller Gemeinschafter beauftragt und bevollmächtigt wurde, insofern die prozessuale Verfügungsbefugnis für ihren Anteil entzogen wurde.

Darüber hinaus wäre die Klagerücknahme als rechtsmissbräuchlich und damit als unbeachtlich anzusehen. Dem prozessualen Missbrauchsverbot unterfällt auch die Vereitelung von Rechten des Gegners, die Umgehung gesetzlicher Vorschriften und die Erschleichung günstiger Rechtspositionen (Zöller/Vollkommer, a. a. O., Einl. Rdnr. 57). Da die Klage eines oder nicht aller Mitberechtigten unbegründet ist (vgl. auch Scholz/Seibt, a. a. O., § 18 GmbHG Rdnr. 22), hätte eine Klagerücknahme der Klägerin zu 3. bei unterstellter Wirksamkeit zur Folge, dass die Klagen der übrigen Kläger unbegründet würden. Die Klägerin würde somit unter grober Missachtung ihrer Mitwirkungspflichten aus dem Gemeinschaftsverhältnis (§ 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB) die mehrheitlich beschlossene Ausübung des Anfechtungsrechts vereiteln. Auch eine fristgerechte Erhebung einer Anfechtungsklage im Rahmen einer Notgeschäftsführung nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB wäre im Zeitpunkt der erklärten Klagerücknahme nicht mehr möglich. Die erklärte Klagerücknahme wäre daher auch als missbräuchlich anzusehen.

C.

Die Berufung ist in der Sache begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind die Kläger prozessführungsbefugt.

1. Prozessführungsbefugnis ist das Recht, über das behauptete (streitige) Recht einen Prozess als die richtige Partei im eigenen Namen zu führen, ohne dass eine (eigene) materiell-rechtliche Beziehung zum Streitgegenstand vorzuliegen (behauptet zu werden) braucht (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., vor § 50 ZPO Rdnr. 18). Die Prozessführungsbefugnis ist Voraussetzung der Zulässigkeit der Klage und von Amts wegen zu prüfen (Zöller/Vollkommer, a. a. O.). Die Prozessführungsbefugnis steht bei angeordneter Testamentsvollstreckung dem Testamentsvollstrecker zu (BGH, NJW 1989, 2694, 2695). Auch zum Nachlass gehörende Gesellschafterrechte in einer GmbH unterliegen der Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers nach § 2205 BGB (vgl. BGH, a. a. O.). Dem Testamentsvollstrecker steht damit, soweit seine Verwaltungsbefugnis reicht, auch das Recht zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen zu (BGH, a. a. O.). Eine Anfechtungsklage der Erben ist dann mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig (BGH, a. a. O.).

2. Die Auslegung des Testaments vom 8. November 1970 (Anlage K2) und der Testamentsänderung vom 6. März 1986 (Anlage K3) ergibt aber, dass die angeordnete Testamentsvollstreckung jedenfalls jetzt, im Jahr 2014, nach dem mutmaßlichen Erblasserwillen nicht mehr bestehen sollte. Die Mitglieder der Erbengemeinschaft sind daher zur Geltendmachung des streitgegenständlichen Anfechtungsrechts befugt.

a) Zur Ermittlung des Inhalts letztwilliger Verfügungen ist der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Testaments heranzuziehen und zu würdigen (Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2084 BGB Rdnr. 2). Bei der Anordnung einer Testamentsvollstreckung können insbesondere die Gründe, die den Erblasser zu deren Anordnung bestimmt haben, aufschlussreich sein (BayObLG, NJW-RR 1988, 387; FamRZ 1988, 325). Hat der Erblasser Veränderungen, die nach der Testamentserrichtung eingetreten und für den Inhalt seiner Verfügung wesentlich sind, nicht erwogen, so ist zu ermitteln, was im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments als von ihm gewollt anzusehen sein würde, sofern er diese Entwicklung bedacht hätte (vgl. BGHZ 22, 357; BGH, NJW 1957, 421; BayObLG, NJW-RR 1995, 330).

b) Nach Überzeugung des Senats sind nach der Testamentsänderung am 6. März 1986 mehrere wesentliche Veränderungen eingetreten, bei deren Kenntnis der Erblasser mutmaßlich jedenfalls im jetzigen Zeitpunkt, also nach 28 Jahren, keine Fortdauer der Testamentsvollstreckung mehr gewollt hätte:

aa) Die Auslegung des Testaments ergibt zunächst, dass der Erblasser keine vorübergehende oder dauerhafte Verwaltung des Nachlasses (§ 2209 BGB), sondern die Auseinandersetzung unter den Miterben (§ 2204 BGB) anordnen wollte (vgl. Hinweis des Senats vom 8. März 2010 - 12 U 2235/09). Die Abwicklungsvollstreckung erachtet das Gesetz als Regelfall der §§ 2203 ff. BGB (Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2203 BGB Rdnr. 1). Die Dauervollstreckung ist die Ausnahme. Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung ohne nähere Angaben ist daher als ausführende anzusehen (Palandt/Weidlich, a. a. O.). Im Streitfall spricht die Formulierung in Nr. 1 des Testaments „ (…) soll in drei gleiche geteilt [Hervorh. d. Senat] werden, sodass jedes Kind einen gleichen Anteil erhält“ und in Nr. 4 der Testamentsergänzung „(…) da die Abwicklung [Hervorh. d. Senat] meines Testaments sicher sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird“ sogar positiv für den Willen des Erblassers, eine Abwicklungsvollstreckung anzuordnen (vgl. Hinweis des Senats, a. a. O.). Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser den Nachlass auf Dauer im Vermögen der Familie behalten und deshalb eine Dauervollstreckung anordnen wollte, können dem Testament auch nicht andeutungsweise entnommen werden.

bb) Der Umstand alleine, dass die vom Erblasser bestimmte Testamentsvollstreckerin K. mit Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 14. März 2001 aus wichtigem Grund entlassen wurde, führt nicht zur Beendigung der Testamentsvollstreckung insgesamt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der erklärte oder durch Auslegung festgestellte Wille des Erblassers dahin gehen würde, dass sie danach nicht weitergeführt werden soll (Palandt/Edenhofer, a. a. O., § 2225 BGB Rdnr. 1). Vorliegend kann ein solcher Wille für den vom Erblasser vorhersehbaren Lauf der Dinge nicht angenommen werden, weil er in der Testamentsänderung vom 31. März 1986 für den Fall, dass die Testamentsvollstreckerin K. „nicht mehr unter den Lebenden weilen“ sollte, seinen Vetter T. und seine Schwester, die Klägerin zu 3., zu Ersatztestamentsvollstreckern ernannt hat. Der Erblasser hat zwar andere Ausscheidensgründe nicht genannt. Nach Überzeugung des Senats handelt es sich hierbei aber um eine unbewusste Regelungslücke. Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser ganz bewusst ausschließlich für den Todesfall der Testamentsvollstreckerin K. die beiden Ersatztestamentsvollstrecker ernennen wollte, sind nicht ersichtlich. Eine solche Differenzierung nach dem Ausscheidensgrund erscheint bei verständiger Würdigung der letztwilligen Verfügungen wenig plausibel. Denn der vom Erblasser für den bedachten Ausscheidensfall gegebene Anlass für die Anordnung einer Ersatztestamentsvollstreckung besteht auch in sonstigen Fällen des Ausscheidens. Es ist daher von einer unbewussten Regelungslücke auszugehen. Dem mutmaßlichen Erblasserwillen würde es entsprechen, dass die getroffene Regelung auch dann eingreift, wenn die Testamentsvollstreckerin K. aus anderen Gründen ausscheidet.

cc) Die Erbengemeinschaft ist zwar unstreitig noch nicht auseinandergesetzt, so dass die Aufgaben für eine Testamentsvollstreckung durch die ernannten Ersatztestamentsvollstrecker nicht entfallen sind. Es sind aber inzwischen für den Erblasser nicht vorhersehbare, erhebliche Veränderungen eingetreten. Nicht vorhersehbar war für den Erblasser bereits, dass die von ihm offenbar als besonders vertrauenswürdig angesehene Testamentsvollstreckerin K. mit Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 14. März 2001 aus wichtigem Grund entlassen wurde und die Erben seitdem den Nachlass selbst verwaltet haben. Für den Erblasser war auch nicht absehbar, dass die von ihm zur Mitersatztestamentsvollstreckerin ernannte Klägerin zu 3. durch den Erbteilskauf inzwischen selbst Mitglied der Erbengemeinschaft geworden ist, so dass ihr die für die Ausübung des Amts einer Testamentsvollstreckerin erforderliche Unparteilichkeit fehlt. Hinzukommt, dass die Kläger seit vielen Jahren immer wieder Rechtsstreitigkeiten gegeneinander geführt haben und sich wechselseitig unlauteres Verhalten vorwerfen. Das persönliche Verhältnis zwischen der Klägerin zu 3. und den Klägern zu 1. und 2. ist offenkundig empfindlich gestört. Wenn dem Erblasser diese Umstände bekannt gewesen wären, hätte er die Klägerin zu 3. nach Überzeugung des Senats sicherlich nicht gemeinsam mit seinem Vetter T. zur Ersatztestamentsvollstreckerin ernannt.

Ob der Erblasser gewollt hätte, dass bei dieser Sachlage sein Vetter T. alleine Ersatztestamentsvollstrecker sein sollte, und ob dieser hierzu gesundheitlich in der Lage ist, kann dahinstehen. Ebenso kann offenbleiben, ob der Erblasser, wie die Beklagte meint, die Ernennung eines Ersatztestamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht gewollt hätte. Denn die dem Testament zu entnehmenden Beweggründe, welchen den Erblasser zur Anordnung einer Testaments- und Ersatztestamentsvollstreckung veranlasst haben, sind jedenfalls im Zeitpunkt der letzten mündlichen Berufungsverhandlung entfallen. Bei Errichtung des Testaments vom 18. November 1970 war A. erst 9 Jahre, B. 4 Jahre und J. erst 10 Monate alt. Es ist daher naheliegend, dass den Erblasser besonders die Minderjährigkeit seiner Kinder zur Anordnung der Testamentsvollstreckung bewegt hat. Hierfür spricht auch, dass der Erblasser in Nr. 5 des Testaments eine Vermögensverwaltung des Vermögens seiner Kinder nur bis zum 21. Lebensjahr, dem damaligen Volljährigkeitsalter, angeordnet hat. Gegen die Maßgeblichkeit des Alters seiner Kinder für die Anordnung der Testamentsvollstreckung spricht auch nicht, dass der Erblasser in der Testamentsergänzung vom 31. März 1986 diese mit Änderungen aufrechterhalten hat. Denn zu diesem Zeitpunkt waren nur A. und B. bereits volljährig, während J. erst 16 Jahre alt war. Der Erblasser hat zwar, was der Testamentsergänzung vom 31. März 1986 zu entnehmen ist, erkannt, dass die Erbauseinandersetzung „sehr viel Zeit“ in Anspruch nehmen würde. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass er eine gewisse Fortdauer der Testamentsvollstreckung auch nach Erreichen des Volljährigkeitsalters seines Kindes J. in Betracht gezogen und gewollt hat. Zum jetzigen Zeitpunkt bestehen die für die Anordnung der Testamentsvollstreckung maßgeblichen Beweggründe nach Überzeugung des Senats aber nicht mehr. Inzwischen ist nämlich J. schon nicht mehr Mitglied der Erbengemeinschaft. Die Kinder A. und B. sind inzwischen 53 bzw. 48 Jahre und können daher den Nachlass selbst auseinandersetzen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Erben seit der Entlassung der Testamentsvollstreckerin K. im Jahr 2001 den Nachlass selbst verwalten. Ferner haben die Erben, was die Beklagte im Berufungsverfahren nicht mehr bestreitet, im Jahr 1993 beschlossen, den Geschäftsanteil an der Beklagten nicht auseinanderzusetzen und gemeinschaftlich zu verwalten. Diese Vereinbarung hat der anwaltliche Vertreter von J. erst mit Schriftsatz vom 30. August 2010 (Anlage B4) widerrufen bzw. gekündigt. Der Geschäftsanteil an der Beklagten unterlag aufgrund der Vereinbarung über den Ausschluss der Erbauseinandersetzung bis zu deren Widerruf ohnehin nicht der Testamentsvollstreckung (vgl. auch Hinweis des Senats vom 8. März 2010 - 12 U 2235/09; Palandt/Weidlich, a. a. O., § 2204 Rdnr. 2). Hätte der Erblasser diese gesamte Entwicklung vorausgesehen, hätte er nach Überzeugung des Senats nicht gewollt, dass die Testamentsvollstreckung heute noch weiterführt wird bzw. hinsichtlich des Geschäftsanteils an der Beklagten wiederauflebt und jetzt - 28 Jahre nach der Testamentsänderung vom 31. März 1986 - ein neuer Ersatztestamentsvollstrecker ernannt wird, der den Nachlass auseinandersetzt.

D.

Die Anfechtungsklage ist entgegen der Ansicht des Erstgerichts auch begründet, weil der streitgegenständliche Gesellschafterbeschluss, dem Geschäftsführer I. für die streitgegenständlichen Geschäftsjahre Entlastung zu erteilen, nicht wirksam zustande gekommen ist.

I.

Die Anfechtungsfrist, die nach § 15 der Satzung (Anlage K1) der Beklagten zwei Monate nach Beschlussfassung beträgt, ist eingehalten.

II.

Der Gesellschafterbeschluss ist anfechtbar, weil die Stimmabgabe der Klägerin zu 3. treuwidrig ist.

1. Die Gesellschafter billigen, wenn sie die Geschäftsführer entlasten, deren Amtsführung für die Dauer der zurückliegenden Entlastungsperiode und sprechen ihnen gleichzeitig für die künftige Geschäftsführung ihr Vertrauen aus (BGH, NJW 1986, 129). Im Recht der GmbH hat die Entlastung ferner zur Folge, dass die GmbH mit Ersatzansprüchen und Kündigungsgründen ausgeschlossen ist, die der Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und Berichte erkennbar sind oder von denen alle Gesellschafter privat Kenntnis haben (BGH, NJW 1986, 129, 130; NJW 1959, 192; NJW 1969, 131). Die Gesellschafter haben bei der Entlastung einen weiten Ermessensspielraum (BGH, NZG 2009, 1307, 1308; NJW 1986, 129; Liebscher, in: MünchKomm-GmbHG, a. a. O., § 46 GmbHG Rdnr. 143). Da die Gesellschafter jedoch an das Gesellschaftsinteresse gebunden sind, sind Entlastungsentscheidungen, die dem Gesellschaftsinteresse zuwider laufen, treuwidrig und somit ermessenfehlerhaft (Liebscher, in: MünchKomm-GmbHG, a. a. O.). Ein Entlastungsbeschluss ist daher anfechtbar, wenn keine andere Entscheidung als die Versagung denkbar ist und die Entlastung missbräuchlich ist (BGH, NZG 2009, 1307, 1308). Das ist insbesondere der Fall, wenn dem Geschäftsführer schwere Pflichtverletzungen vorzuwerfen sind und der Gesellschaft ein erheblicher Schaden zugefügt wurde (BGH, a. a. O.). Wegen der Verzichtswirkung ist eine Entlastungsentscheidung auch dann treuwidrig, wenn sie zu einem Zeitpunkt getroffen wird, zu dem die Gesellschafter von der Pflichtverletzung erfahren haben, aber noch nicht in der Lage sind, zu beurteilen, ob der Gesellschaft ein Schaden zugefügt wurde, und sie nur dazu dient, den Geschäftsführer der Verantwortung für sein Verhalten zu entziehen und eine weitere Untersuchung zu verhindern (BGH, a. a. O.).

2. Im Streitfall ist die Entlastungsentscheidung schon deshalb treuwidrig und daher anfechtbar, weil sie zu einem Zeitpunkt erzwungen wurde, zu dem die Gesellschafter zwar von einer Pflichtverletzung erfahren hatten, aber noch nicht in der Lage waren zu beurteilen, ob der Gesellschaft durch diese ein Schaden entstanden ist. Ferner diente sie nach Überzeugung des Senats nur dazu, den Geschäftsführer I. der Verantwortung für sein Verhalten zu entziehen und eine weitere Untersuchung zu verhindern.

a) Der Geschäftsführer I. hat gegen die ihm gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG obliegenden Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Geschäftsmanns verstoßen, indem er im streitgegenständlichen Zeitraum die abgerechneten Zeitvergütungen der Kanzlei RWE in nicht nur unerheblicher Höhe trotz fehlender überprüfbarer Berechnung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 RVG) akzeptiert und zur Zahlung freigegeben hat.

aa) Die Sorgfalt, die der Geschäftsführer einer GmbH zu beachten hat, ist zu bemessen an der Sorgfalt eines selbstständigen, treuhänderischen Verwalters fremder Vermögensinteressen in verantwortlicher leitender Position (Scholz/Schneider, a. a. O., § 43 GmbHG Rdnr. 33; RGZ 64, 257; OLG Koblenz, GmbHR 1991, 417; OLG Zweibrücken, GmbHR 1999, 715; OLG Bremen, GmbHR 1964, 8). Ein treuhänderischer Verwalter ist insbesondere verpflichtet, seine Entscheidungen danach auszurichten, wie die Person, deren Vermögensinteressen er wahrnimmt, bei verantwortungsbewusstem Verhalten selbst gehandelt hätte (OLG Brandenburg, Urteil vom 21. Februar 2002 - 7 U 99/97, BeckRS 2001, 301). Der Geschäftsführer ist deshalb bei Bezahlung von Rechnungen gegenüber einem Vertragspartner der GmbH als Treugeber zur Prüfung verpflichtet, ob der Treugeber nach den Vereinbarungen mit dem Vertragspartner zur Zahlung verpflichtet ist (OLG Brandenburg, a. a. O.; Baumbach/Hueck, a. a. O., § 43 GmbHG Rdnr. 24). Er darf grundsätzlich erst dann zahlen, wenn eine solche Verpflichtung besteht (OLG Brandenburg, a. a. O.).

bb) Nach diesen Grundsätzen durfte der Geschäftsführer I. als treuhänderischer Verwalter der Vermögensinteressen der beklagten GmbH die abgerechneten Zeitvergütungen der Kanzlei Q. grundsätzlich erst nach Prüfung zur Zahlung freigeben, ob die geltend gemachten Stunden tatsächlich angefallen und für Mandate der Beklagten geleistet wurden. Der Senat verkennt nicht, dass der Geschäftsführer bei Abrechnungen eines Rechtsanwalts, also einem unabhängigen Organ der Rechtspflege, grundsätzlich in höherem Maß auf deren Richtigkeit vertrauen darf, als dies sonst im Geschäftsverkehr der Fall ist. Es können deshalb bei einer laufenden Beratung und gefestigtem Vertrauensverhältnis unter Umständen auch stichprobenartige Prüfungen ausreichend sein. Vorliegend bestand aber die Besonderheit, dass die von der beklagten GmbH beauftragte Kanzlei Q. auch für die Klägerin zu 3. in gesellschaftsrechtlichen Rechtsstreitigkeit zwischen dieser und den Klägern zu 1. und 2. tätig wurde. Bei dieser Sachlage ist es mit den Neutralitätspflichten eines Geschäftsführers schwer vereinbar, wenn dieser die für eine Gesellschafterseite tätige Rechtsanwaltskanzlei mit der Wahrnehmung der Interessen der GmbH beauftragt. Der Geschäftsführer musste zumindest besonders sorgfältig prüfen, ob die von der Kanzlei Q. abgerechneten Stunden tatsächlich für Mandate der GmbH und nicht für solche der Klägerin zu 3. als deren Gesellschafterin erbracht wurden.

cc) Die dem Geschäftsführer obliegende Prüfung konnte er nur anhand einer den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG entsprechenden Berechnung der Zeitvergütungen vornehmen. Der Rechtsanwalt kann nach § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG die Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern. Die Berechnung muss dem Mandanten eine Überprüfung ermöglichen (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - IX ZR 37/10, BeckRS 2010, 28750). Bei Vereinbarung eines Zeithonorars schuldet der Anwalt eine transparente und präzise Abrechnung (vgl. Busse, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 21. Oktober 2010, DStR 2011, 833, 834). Eine solche liegt nicht vor, wenn lediglich die Gesamt-Stundenzahl ohne Zuordnung zu den einzelnen Tagen angegeben ist (vgl. BGH, a. a. O.). Die Abrechnung muss deshalb zumindest Angaben darüber enthalten, an welchen Bearbeitungstagen der abgerechnete Zeitaufwand angefallen ist und auf welche zu bearbeitenden Angelegenheiten er sich im Einzelnen bezieht. Ferner sind Leistungsnachweise beizufügen, aus denen sich ergibt, wer welche Zeit für welche Tätigkeit aufgewendet hat (Gerold/Schmidt/v. Eiken/Madert/Müller-Raabe, RVG, 17. Aufl., § 10 RVG Rdnr. 11).

dd) Die vorgelegten Berechnungen der Kanzlei Q. sind entgegen den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG nicht überprüfbar und boten daher auch keine Grundlage zur Prüfung deren Richtigkeit durch den Geschäftsführer I.. In den im Wesentlichen gleich aufgebauten Vergütungsberechnungen wird jeweils nur die Gesamtzahl der im gesamten Zweimonatszeitraum geleisteten Stunden, der Stundensatz und der Rechnungsbetrag angegeben. Es fehlt sogar jegliche Darstellung, wie sich der abgerechnete Zeitaufwand auf einzelne Bearbeitungstage verteilt und für welche Angelegenheiten er angefallen sein soll. Die Berechnungen versetzten den Geschäftsführer I. somit objektiv nicht in die Lage, eine Überprüfung der abgerechneten Stunden vorzunehmen.

Darüber hinaus hätte es dem Geschäftsführer Herberg im Rahmen seiner Prüfungspflichten oblegen, die Kanzlei Q. zur Vorlage ihrer Zeitaufzeichnungen aufzufordern. Die Abrechnung des Anwaltshonorars nach Zeit setzt ein auch für den Mandaten überzeugendes System der Zeitaufzeichnung voraus (Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., § 3a RVG Rdnr. 160). Ob ein solches überhaupt geführt wird und die abgerechneten Stunden angefallen sind, kann aber nur durch Einsichtnahme in die vom Rechtsanwalt geführten Zeitaufzeichnungen überprüft werden.

ee) Entgegen der Ansicht des Erstgerichts hat der Geschäftsführer I. gegen die ihm gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG obliegenden Sorgfaltsanforderungen, die ein Geschäftsführer einer GmbH im vorliegenden Fall zu beachten hatte, verstoßen, indem er die abgerechneten Beträge zur Zahlung freigegeben hat, obwohl ihm weder überprüfbare Abrechnungen noch Zeitaufzeichnungen der Kanzlei Q. zur Rechnungsprüfung vorlagen.

Im Berufungsverfahren ist es schon als unstreitig anzusehen, dass dem Geschäftsführer I. vor Freigabe der Zahlungen keine Zeitaufzeichnungen der Kanzlei Q. vorlagen. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren ausdrücklich vorgetragen, der Geschäftsführer Herberg habe Time-Sheets der Kanzlei Q. zur Überprüfung der Angemessenheit der jeweiligen Kostennoten nicht benötigt; wären I. bei Überprüfung einer Honorarrechnung Zweifel an der Angemessenheit gekommen, hätte er die Zeitnachweise bei der Kanzlei Q. anfordern können und diese wären ihm selbstverständlich übermittelt worden (vgl. Berufungserwiderung, S. 10 = Bl. 226 d. A.). Überdies hält der Senat die Angabe des Geschäftsführers I. im Rahmen seiner informatorischen Anhörung, ihm hätten „teilweise“ Zeitaufzeichnungen zur Verfügung gestanden (vgl. Protokoll vom 24. September 2012, S. 2 = Bl. 271 d. A.), nicht für glaubhaft. Denn die Angabe steht in erheblichem Widerspruch zum eigenen schriftsätzlichen Vorbringen sowohl in erster als auch in zweiter Instanz. Die Beklagte hat schon in erster Instanz vorgetragen, es sei richtig, dass den Kostennoten der Kanzlei Q. für das Mandat „laufende Beratung und Vertretung“ regelmäßig keine Time-Sheets oder sonstigen Nachweise über die jeweils abgerechneten Stunden beigefügt seien (vgl. Schriftsatz vom 15. Februar 2012, S. 54 = Bl. 113 d. A.). Die Erklärung würde überdies zur (sekundären) Darlegung einer ausreichenden Rechnungsprüfung nicht genügen. Der substanzlosen Äußerung des Geschäftsführers I. kann schon nicht entnommen werden, wann und bei welchen Abrechnungen ihm Zeitaufzeichnungen der Kanzlei Q. vorgelegen sein sollen.

Mit der Äußerung des Geschäftsführers I., die Rechnungsstellung sei so zeitnah erfolgt, dass es für ihn kein Problem gewesen sei, aufgrund der vorher eingereichten Schriftsätze die Rechnungen jeweils zuzuordnen; im Zweifel habe er telefoniert, hat die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast ebenfalls nicht aufgezeigt, dass der Geschäftsführer I. seine Pflicht zur Prüfung der Berechtigung der abgerechneten Zeithonorare erfüllt hat. Die Kanzlei Q. hat für jeweils zwei Monate eine nicht nur geringe Anzahl von Gesamtstunden, sondern teils sogar über 100 bis zu 223 Gesamtstunden abgerechnet. Die rudimentären Abrechnungen der Kanzlei Q. ließen ohne Zuordnung zu einzelnen Bearbeitungstagen und bearbeiteten Angelegenheiten auch bei zeitnaher Erstellung eine verlässliche Überprüfung durch den Geschäftsführer I. objektiv nicht zu. Der Geschäftsführer I. hat auch nicht schlüssig aufgezeigt, wie er trotz des Fehlens einer überprüfbaren Berechnung und Zeitnachweisen in der Lage gewesen sein will, die abgerechneten Gesamtstunden bestimmten Angelegenheiten zuzuordnen und die Anzahl der abgerechneten Stunden zu überprüfen.

b) Die Kläger zu 1. und 2. hatten wenige Monate vor der Gesellschafterversammlung am 14. Oktober 2011 Kenntnis von den Tatsachen erlangt, welche den Rückschluss auf die Verletzung der dem Geschäftsführer I. gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG obliegenden Sorgfaltspflichten bei der Überprüfung der Rechnungen der Kanzlei Q. zuließen. Erst aus den beim Einsichtstermin am 20. Juni 2011 übergebenen Kostennoten der Kanzlei Q. und der Erklärung der Beklagten, Zeitaufzeichnungen zu den Rechnungen lägen nicht vor, konnten die Kläger zu 1. und 2. den Schluss ziehen, dass der Geschäftsführer I. nicht überprüfbare Berechnungen der Kanzlei Q. akzeptiert und zur Zahlung freigegeben hat.

c) Der Beschluss über die Entlastung des Geschäftsführers I. wurde zu einem Zeitpunkt erzwungen, zu dem die Kläger zu 1. und 2. die zur Beurteilung der Frage, ob der beklagten GmbH durch die Pflichtverletzungen des Geschäftsführers I. ein Schaden entstanden ist, notwendigen Informationen nicht besaßen. Hierfür hätte die Beklagte den Klägern zu 1. und. 2. zunächst - ggf. nach Anforderung bei der Kanzlei Q. - eine den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG entsprechende, überprüfbare Berechnung der bezahlten Zeitvergütungen vorlegen müssen. Ferner lagen den Klägern zu 1. und 2. die zur Überprüfung erforderlichen Zeitaufzeichnungen nicht vor. Dass die Kläger zu 1. und 2. die zur Beurteilung notwendigen Informationen nicht hatten, zeigt sich überdies daran, dass die Gesellschafter in der folgenden Versammlung einer Prüfung der Rechts- und Beratungskosten zumindest für das Geschäftsjahr 2009/2010 durch eine Wirtschaftsprüferin zugestimmt haben. Die Kläger zu 1. und 2. waren im maßgebenden Zeitpunkt des erzwungenen Beschlusses nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Geschäftsführer I. der Gesellschaft durch die pflichtwidrig unterlassenen Rechnungsprüfungen Schaden zugefügt hat.

d) Ferner diente die Entlastungsentscheidung nach Überzeugung des Senats nur dazu, den Geschäftsführer I. der Verantwortung für sein Verhalten zu entziehen und eine weitere Untersuchung zu verhindern. Dies zeigt sich besonders deutlich daran, dass der Beschluss zu einem Zeitpunkt erzwungen wurde, als über das bereits anhängige „dritte Auskunftsverfahren“, in dem die Kläger zu 1. und 2. gerade auch über „Art und Umfang“ der bezahlten Anwaltsleistungen begehrten, noch nicht entschieden war. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wie die Beklagte meint, aus dem Umstand, dass nach dem Entlastungsbeschluss eine Stellungnahme bezüglich der Rechts- und Beratungskosten für das Geschäftsjahr 2009/2010 durch die Wirtschaftsprüferin S. erholt wurde. Aus dem Sinnzusammenhang der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. Mai 2009 - II ZR 169/07 (NZG 2009, 1307) ergibt sich, dass die Verhinderung solcher Untersuchungen gemeint ist, welche der Feststellung eines Ersatzanspruchs der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer dienen und Grundlage deren erfolgreicher Geltendmachung sein können. Durch die Beschlussfassung am 14. Oktober 2001 wurden erfolgversprechende Untersuchungen vereitelt. Bei unterstellter Wirksamkeit der Entlastungsentscheidung wären wegen deren Verzichtswirkung etwaige Ersatzansprüche der Beklagten gegen ihren Geschäftsführer bereits ausgeschlossen. Die erst nachträglich angeordnete Untersuchung hätte dann nicht mehr Grundlage einer erfolgreichen Schadensersatzklage gegen den Geschäftsführer I. sein können. Der Senat ist daher überzeugt davon, dass die Entlastungsentscheidung dazu diente, eine rechtzeitige Untersuchung und eine etwaige Inanspruchnahme des Geschäftsführers I. zu verhindern.

Die Entlastungsentscheidung ist daher bereits aus diesen Gründen als treuwidrig anzusehen. Ob die weiteren geltend gemachten Anfechtungsgründe vorliegen, kann somit dahinstehen.

E.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.

2. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Im Vordergrund stehen tatrichterliche Fragen der Beweiswürdigung im Einzelfall. Soweit Rechtsfragen entscheidungserheblich sind, folgt der Senat der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung.

(1) Die Geschäftsanteile sind veräußerlich und vererblich.

(2) Erwirbt ein Gesellschafter zu seinem ursprünglichen Geschäftsanteil weitere Geschäftsanteile, so behalten dieselben ihre Selbständigkeit.

(3) Zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter bedarf es eines in notarieller Form geschlossenen Vertrags.

(4) Der notariellen Form bedarf auch eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet wird. Eine ohne diese Form getroffene Vereinbarung wird jedoch durch den nach Maßgabe des vorigen Absatzes geschlossenen Abtretungsvertrag gültig.

(5) Durch den Gesellschaftsvertrag kann die Abtretung der Geschäftsanteile an weitere Voraussetzungen geknüpft, insbesondere von der Genehmigung der Gesellschaft abhängig gemacht werden.

(1) Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so wächst sein Anteil am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern zu. Diese sind verpflichtet, dem Ausscheidenden die Gegenstände, die er der Gesellschaft zur Benutzung überlassen hat, nach Maßgabe des § 732 zurückzugeben, ihn von den gemeinschaftlichen Schulden zu befreien und ihm dasjenige zu zahlen, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Sind gemeinschaftliche Schulden noch nicht fällig, so können die übrigen Gesellschafter dem Ausscheidenden, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.

(2) Der Wert des Gesellschaftsvermögens ist, soweit erforderlich, im Wege der Schätzung zu ermitteln.

Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 12. Februar 2013  15 K 4005/11 U,AO wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, als Organgesellschaft nichtsteuerbare Leistungen an die A-GmbH & Co. KG (A-KG) als Organträger erbracht hat.

2

Gesellschafter der Klägerin waren in den Streitjahren D und ihre Tochter B mit einer Beteiligung von jeweils 50 %. D und B hatten eine Stimmbindungsvereinbarung geschlossen, in der sich beide verpflichteten, ihr Stimmrecht als Gesellschafter nur einheitlich auszuüben, wobei B ihr Stimmverhalten an der Stimmabgabe durch D auszurichten hatte. Alleinige Geschäftsführerin der Klägerin war B.

3

D war darüber hinaus alleinige Kommanditistin der A-KG und Alleingesellschafterin der V-GmbH, die Komplementärin der A-KG war. D war zudem bis zum 23. Oktober 2007 einzige Geschäftsführerin der V-GmbH. Seitdem ist B weitere einzelvertretungsbefugte Geschäftsführerin der V-GmbH. Die A-KG betrieb ein sog. Seniorenzentrum als Wohn- und Pflegeheim. Sie sah die von ihr erbrachten Pflegeleistungen gemäß § 4 Nr. 16 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) als steuerfrei an.

4

Die Klägerin erbrachte in den Streitjahren 2003 bis 2008 auf der Grundlage eines im Juni 1998 abgeschlossenen Vertrags entgeltliche Leistungen im Bereich der Speisenversorgung an die A-KG, die die KG in der von ihr betriebenen Altenhilfeeinrichtung verwendete. Nach dem Vertrag hatte die Klägerin "die komplette Verpflegung von zur Zeit 334 Bewohnern mit Speisen und Getränken nach Anweisung und in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Auftraggebers" zu übernehmen. Die KG teilte der Klägerin "die Anzahl der täglich zu liefernden Portionen und ggf. die vom behandelnden Arzt vorgegebenen Ernährungskriterien der einzelnen Bewohner mit". Die Verpflegung war in einem "Tablettsystem" zusammenzustellen und auf Transportwagen zu laden, die vom Hol- und Bringdienst der A-KG auf die Wohnbereiche des Seniorenzentrums gebracht und später wieder abgeholt wurden. Weitere Leistungen erbrachte die Klägerin aufgrund eines gleichfalls im Juni 1998 abgeschlossenen "Wäscherei-Full-Servicevertrags" und eines "Hausreinigungs-Full-Servicevertrags". Darüber hinaus war die Klägerin bei der Bewirtschaftung eines Kiosks, einer Cafeteria und in der Personalkantine für die A-KG gegen Entgelt tätig.

5

Die Klägerin ging in ihren Umsatzsteuerjahreserklärungen 2003 bis 2007 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen 2008 davon aus, dass sie steuerpflichtige Leistungen erbracht habe, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

6

Im Anschluss an eine Außenprüfung und an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung war der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass der Regelsteuersatz anzuwenden sei und erließ am 6. Juli 2009 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Umsatzsteuerjahresbescheide 2003 bis 2007 sowie einen erstmaligen Umsatzsteuerjahresbescheid 2008. Einem Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gab das FA nicht statt.

7

Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1344 veröffentlichten Urteil des FG liegt eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, die die Klägerin erstmals nach der Sonderprüfung im Einspruchsverfahren geltend gemacht hatte, nicht vor. Auf die daher steuerpflichtigen Leistungen sei der Regelsteuersatz anzuwenden. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen.

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage der Organschaft und die hierfür zu berücksichtigende Bedeutung des Unionsrechts (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG-- und ab dem Streitjahr 2007 Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 --MwStSystRL--) hat der Senat mit Beschluss vom 30. Juli 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der verbundenen Rechtssache Larentia + Minerva C-108/14 und Marenave Schifffahrt C-109/14 --EU:C:2015:496-- (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

9

Mit Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache zur Auslegung der unionsrechtlichen Grundlagen der Organschaft wie folgt entschieden:

"2.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

3.

Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

10

Die Klägerin macht hierzu geltend, dass unionsrechtliche Erfordernisse bei der Auslegung des nationalen Rechts trotz der fehlenden Berufbarkeit zu berücksichtigen seien. Die Gefahr eines Rechtsmissbrauchs oder die Möglichkeit einer Steuerhinterziehung sprächen nicht gegen eine Rückkehr zur früheren Rechtsprechung, nach der eine mittelbare finanzielle Eingliederung über gemeinsame Gesellschafter möglich war. Rechtsmissbrauch und Steuerhinterziehung seien zudem für die bisherige BFH-Rechtsprechung zur Organschaft ohne Bedeutung gewesen. Die finanzielle Eingliederung sei erst aufgrund einer geänderten Beurteilung durch die Rechtsprechung des BFH entfallen. Eine Beherrschung der Klägerin durch die A-KG ergebe sich aus der beiden Gesellschaften übergeordneten Struktur. Die A-KG habe der Klägerin Anweisungen für die tägliche Arbeit erteilt. Die Klägerin sei in den Räumlichkeiten der A-KG tätig geworden. Bei der Klägerin habe es sich um die Ausgliederung eines zuvor von der A-KG selbst wahrgenommenen Arbeitsbereichs gehandelt. Gleichwohl habe die A-KG bei der Klägerin durchregieren können. Die nach dem Unionsrecht enge Verbindung liege vor. Zu ihren Gunsten sei zumindest eine Übergangsregelung der Finanzverwaltung anzuwenden. Auch in Bezug auf die Frage des anwendbaren Steuersatzes sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

11

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2008 vom 6. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2011 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer nach Maßgabe der im Einspruchsverfahren eingereichten geänderten Umsatzsteuererklärungen festgesetzt wird,
hilfsweise, das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 31. August 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2012 zu verpflichten, die Umsatzsteuerbescheide vom 6. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2011 aus Billigkeitsgründen entsprechend der im Einspruchsverfahren eingereichten Umsatzsteuererklärungen festzusetzen.

12

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

13

Bei dem sich aus dem nationalen Recht ergebenden Erfordernis der Eingliederung handele es sich um eine geeignete und erforderliche Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung. Das Erfordernis der Überordnung diene auch der Rechtssicherheit. Das nationale Recht verstoße daher nicht gegen das Unionsrecht. Zudem knüpfe das nationale Recht zur Organschaft nicht an den Unternehmerbegriff des § 2 Abs. 1 UStG, sondern an das Merkmal der Selbständigkeit an. Damit habe der nationale Gesetzgeber eine andere Regelungstechnik gewählt als der Richtliniengeber, der am Begriff des Steuerpflichtigen ansetze. Aufgrund des Verlustes der Selbständigkeit gingen die steuerlichen Verpflichtungen wie etwa die Abgabe von Steuererklärungen auf den Organträger über. Im Hinblick auf diesen Übergang komme dem Gebot der Rechtssicherheit große Bedeutung zu. Ohne Über- und Unterordnung entstünden Abgrenzungsschwierigkeiten, die zu einer Verschleierung der für den Organkreis verantwortlichen Person führen könnten. Es drohe die Gefahr der Steuerhinterziehung und -umgehung. Zudem fehle es auch an einer organisatorischen Eingliederung. Alleinige Geschäftsführerin der Klägerin sei B gewesen, während D bis zum Oktober 2007 alleinige Geschäftsführerin bei der Komplementär-GmbH der A-KG gewesen sei. Es seien keine Standardspeisen abgegeben worden.

14

Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten und macht geltend, dass hinsichtlich der Beschränkung auf juristische Personen keine Möglichkeit bestehe, das nationale Recht unionsrechtskonform auszulegen. Am Erfordernis des Unterordnungsverhältnisses sei festzuhalten. Das Erfordernis der Mehrheitsbeteiligung entspreche den unionsrechtlichen Vorgaben. Das Gebot der Rechtssicherheit sei zu beachten. Zu berücksichtigen sei auch die Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Auch unter Berücksichtigung der zum Unionsrecht ergangenen EuGH-Rechtsprechung gehört die Klägerin mangels finanzieller und organisatorischer Eingliederung weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht einer mit der A-KG bestehenden Organschaft an, so dass das FG zu Recht entschieden hat, dass die Klägerin Leistungen erbracht hat, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Es ist auch kein Billigkeitserlass zu gewähren.

16

1. Die Klägerin ist nicht finanziell in das Unternehmen der A-KG eingegliedert.

17

a) Die finanzielle Eingliederung setzt nach nationalem Recht eine eigene Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an einer juristischen Person voraus.

18

aa) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Organschaft dient der   Verwaltungsvereinfachung   (vgl. BTDrucks V/48, § 2, BTDrucks IV/1590, S. 36, zum gesetzlichen Festhalten an der vorkonstitutionellen Organschaft des UStG 1934, RStBl 1934, 1549 ff.; zum Vereinfachungszweck vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 784, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 41) und führt zu einer Zusammenfassung zu einem Unternehmen beim Organträger. Der Organträger ist entsprechend dem Vereinfachungszweck Steuerschuldner auch für die aufgrund der Organschaft unselbständig tätige Person. Die Rechtsfolgen der Organschaft treten von Gesetzes wegen ein. Hinsichtlich der Voraussetzungen der Organschaft ist nicht danach zu differenzieren, ob ein Steuerschuldner --hier die Klägerin-- oder der Steuergläubiger Rechtsfolgen aus der Organschaft zu seinen Gunsten ableitet.

19

bb) Da sich die mit der Organschaft verbundene Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger finanziell belastend auswirken kann, müssen die Voraussetzungen der Organschaft rechtssicher bestimmbar sein (BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb(1), m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH). Dementsprechend erfordert die finanzielle Eingliederung eine Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der juristischen Person (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFHE II 2013, 873, unter II.2.b aa; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2., und vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.2.a).

20

cc) Der Organträger muss zudem über eine eigene Mehrheitsbeteiligung an der juristischen Person verfügen. Diese kann sich entweder aus einer unmittelbaren Beteiligung oder mittelbar aus einer über eine Tochtergesellschaft gehaltenen Beteiligung ergeben. Demgegenüber ist bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz der Gesellschafter zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb (2)). Darüber hinaus ist die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft nach dem BFH-Urteil des XI. Senats in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, Leitsatz 1 auch dann zu verneinen, wenn nur ein Gesellschafter über die Stimmenmehrheit an den beiden Schwestergesellschaften verfügt.

21

dd) Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung zur rechtssicheren wie auch einfachen Bestimmung der Voraussetzungen der Organschaft fest:

22

(1) Das nationale Recht sieht weder einen Antrag noch ein besonderes Verfahren zur Feststellung der Voraussetzungen der Organschaft vor. Da es dementsprechend an einem Grundlagenbescheid fehlt, ist es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht möglich, für die Organschaft anstelle einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auf das unbestimmte wie auch unpräzise Merkmal einer lediglich engen finanziellen Verbindung zwischen mehreren Personen abzustellen. Eine derartige Verbindung ermöglicht es nicht, die Person rechtssicher zu bestimmen, die die steuerrechtlichen Verpflichtungen für den Organkreis als Organträger und damit als einzige Steuerschuldnerin zu erfüllen hat. So könnte z.B. ohne Erfordernis einer eigenen Mehrheitsbeteiligung auch eine mittelbare finanzielle Eingliederung zwischen zwei Schwesterkapitalgesellschaften bestehen, bei der dann mangels eines besonderen Feststellungsverfahrens die Person des Organträgers und die der Organgesellschaft nicht bestimmt werden könnte.

23

Ebenso ist es im Grundsatz im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihrer Schwesterpersonengesellschaft. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der erkennende Senat § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aus Gründen der Rechtsformneutralität erweiternd auch auf einzelne eingegliederte Personengesellschaften anwendet. Zu den Voraussetzungen hierfür verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13 (BFHE 251, 534, unter II.2.c).

24

(2) Bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen ist auch der mit der Organschaft verfolgte   Vereinfachungszweck   zu berücksichtigen. Dieser erfordert, dass die Organschaft auch für den Organträger als Steuerschuldner für die organschaftlich zusammengefassten Unternehmen einfach anzuwenden ist. Ohne Antrags- und ohne Feststellungsverfahren muss es dem Organträger daher aufgrund der Eingliederung möglich sein, die --nach § 370 AO strafbewährte-- Verantwortung für die Umsatztätigkeit der mit ihm verbundenen juristischen Person zu übernehmen. Dies setzt in Form der Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Durchgriffsmöglichkeiten voraus, aufgrund derer der Organträger --ähnlich wie bei unselbständigen Betriebsabteilungen im Unternehmeneiner Person-- die für die Abgabe von Steueranmeldungen und Steuererklärungen notwendigen Informationsansprüche wie auch die zur Erfüllung von Steueransprüchen notwendigen Ausgleichsansprüche (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, unter II.3.a) gegen die Organgesellschaft durchsetzen kann (vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Anm. 913).

25

b) Im Streitfall ist die Klägerin nach nationalem Recht nicht Organgesellschaft der A-KG. Die finanzielle Eingliederung der Klägerin in die A-KG scheitert bereits daran, dass die A-KG keine eigene Mehrheitsbeteiligung an der Klägerin in ihrem Gesamthandsvermögen hielt, sondern nur über ihre Gesellschafterin D mit der Klägerin verbunden war. Ohne eigene Mehrheitsbeteiligung ist die Person des Organträgers im Verhältnis zwischen der Klägerin, einer GmbH, und ihrer Schwester-KG nicht eindeutig bestimmbar. Es bestehen keine rechtsverbindlichen Regelungen zur Zusammenrechnung eines mehreren Gesellschaftern zustehenden Anteilsbesitzes. Dies gilt auch für den Fall einer familiären Verbundenheit mehrerer Gesellschafter. Der von D mit ihrer Tochter getroffenen Stimmbindungsvereinbarung kommt keine Bedeutung zu, da diese nicht in der Satzung der Klägerin vereinbart war. Der Senat verweist auch insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 25/13, unter II.1.c cc (1).

26

Mangels eigener Mehrheitsbeteiligung standen der A-KG somit keine eigenen Durchgriffsrechte zu. Ihr, wie auch der für sie organschaftlich handelnden Komplementär-GmbH, war es nicht möglich, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die A-KG Umsätze der Klägerin gegenüber Dritten ordnungsgemäß versteuert, oder dafür verantwortlich zu sein, dass derartige Umsätze nicht vorliegen.

27

c) Das Unionsrecht führt nicht zu einer gegenüber der bisherigen BFH-Rechtsprechung geänderten Beurteilung.

28

aa) Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Diese Regelung dient der "Verwaltungsvereinfachung" und der "Verhinderung bestimmter Missbräuche (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schifffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40).

29

bb) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

30

(1) Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50 f.).

31

(2) Entscheiden sich Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dafür, Regelungen zur Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen zu schaffen, haben sie bei der Ausübung der ihnen zustehenden Präzisierungsbefugnis die hierfür unionsrechtlich bestehenden Anforderungen zu berücksichtigen.

32

(a) Die Mitgliedstaaten haben zu beachten, dass sie die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG mögliche Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen nicht von weiteren als den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen abhängig machen dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 38) und dass das Unionsrecht die Regelung zur Mehrwertsteuergruppe nicht allein den Einheiten vorbehält, die sich in einem Verhältnis der Unterordnung zum Organträger befinden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 44). Auf eine Unterordnung darf nur ausnahmsweise abgestellt werden, etwa wenn diese Bedingung "in einem bestimmten nationalen Kontext" zur "Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen" erforderlich und geeignet ist (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 45). Hierüber hat das nationale Gericht zu entscheiden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 46).

33

(b) Die auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG getroffenen Regelungen haben --wie stets-- den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beachten. Danach müssen "die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig sein" und ihre Anwendung muss für die Betroffenen vorhersehbar sein, "wobei dieses Gebot der Rechtssicherheit in besonderem Maß gilt, wenn es sich um Vorschriften handelt, die finanzielle Konsequenzen haben können, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch diese Vorschriften auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen". Zudem "müssen die Rechtsnormen der Mitgliedstaaten auf den vom Unionsrecht erfassten Gebieten eindeutig formuliert sein, so dass den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht wird, und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt werden, deren Einhaltung sicherzustellen" (EuGH-Urteil Tomoiaga vom 9. Juli 2015 C-144/14, EU:C:2015:452, Rz 35, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Bei der Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger handelt es sich aufgrund der damit verbundenen Verlagerung der Steuerschuld von der Organgesellschaft auf den Organträger "um Vorschriften ..., die finanzielle Konsequenzen haben können".

34

cc) Für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrechten i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG besteht eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht.

35

(1) Obwohl sich die Voraussetzung eines Antrags nicht aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergibt, der die Bedingungen für die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen abschließend aufzählt (s. oben II.1.c bb(2)(a)), haben einzelne Mitgliedstaaten diese Zusammenfassung antragsabhängig ausgestaltet (vgl. z.B. zu dem in der Republik Irland für die Gruppenbesteuerung bestehenden Antragserfordernis EuGH-Urteil Kommission/Irland vom 9. April 2013 C-85/11, EU:C:2013:217, Rz 8), ohne dass der EuGH dies beanstandet (vgl. EuGH-Urteil Kommission/Irland, EU:C:2013:217; vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2, Anm. 816).

36

Der erkennende Senat versteht dies dahingehend, dass das Erfordernis einer rechtssicheren Präzisierung von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG Sonderbedingungen wie ein von der Richtlinie nicht vorgesehenes Antragserfordernis rechtfertigt, bei dem es sich um ein bloßes Verfahrenserfordernis oder auch um ein materiell-rechtliches Wahlrecht handeln kann. Im   Kontext des nationalen Rechts,   in dem es an einem besonderen Verfahren und einem Grundlagenbescheid zur Feststellung der Organschaft und damit an einer für alle am Organkreis Beteiligten verbindlichen Festlegung, ob eine Organschaft besteht und wer Steuerschuldner für diese ist, fehlt, kann   nur   anhand des Merkmals der Eingliederung die Person bestimmt werden, die die Verantwortung dafür zu tragen hat, dass die Umsätze des im Organkreis zusammengefassten Unternehmens ordnungsgemäß versteuert werden (s. oben II.1.a bb). Daher können die Mitgliedstaaten das Erfordernis der Rechtssicherheit auch bei der ihnen obliegenden Präzisierung (s. oben II.1.c bb(1)) des "konkreten Umfangs" der erforderlichen Verbindungen berücksichtigen. Dies rechtfertigt ein Abstellen auf eine Eingliederung mit Durchgriffsrechten, da sich hieraus die Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger rechtssicher ergibt (s. oben II.1.a dd). Damit wird dem Vereinfachungszweck der Zusammenfassung Rechnung getragen, da Beurteilungsschwierigkeiten, die sich auf der Grundlage einer bloßen engen Verbindung, aus der sich aufgrund ihrer Präzisierungsbedürftigkeit keine verbindlichen Voraussetzungen ergeben, entfallen.

37

Der Senat berücksichtigt dabei auch, dass die Finanzverwaltung berechtigt ist, das Bestehen einer z.B. zunächst rechtsfehlerhaft unerkannt gebliebenen Organschaft mit Wirkung für die Vergangenheit geltend zu machen. Unterschiedliche Anforderungen an die Organschaft, die sich danach richten, ob der Steuerpflichtige --zur Vermeidung nicht abziehbarer Vorsteuerbeträge wie im Streitfall-- oder die Finanzverwaltung aus Insolvenz- oder Vollstreckungsgründen ein Interesse am Bestehen der Organschaft hat, sind weder mit dem nationalen Recht noch mit dem Unionsrecht zu vereinbaren.

38

(2) Dient die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen trotz rechtlicher Selbständigkeit dazu, "Missbräuche zu verhindern wie z.B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen" (EuGH-Urteile Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40, und Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz 47), können die Mitgliedstaaten bei Ausübung der ihnen unionsrechtlich zur Missbrauchsbekämpfung zustehenden Regelungsbefugnis (s. oben II.1.c bb(2)(a)) berücksichtigen, dass die Zusammenfassung zu nichtsteuerbaren Leistungen zwischen den zusammengefassten Personen führt. Durch diese Nichtsteuerbarkeit von Innenleistungen könnte es bei einem fehlenden Recht zum Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nach § 15 Abs. 2 UStG (Art. 17 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG) zu einer Umgehung des insoweit bestehenden Abzugsverbots kommen (zu den sich aus einer Organschaft insoweit ergebenden "Gestaltungswirkungen" vgl. z.B. Grune/Mönckedieck, Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 541; Heintzen, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 1799; Leonard, DStR 2010, 721). Die Gestaltungswirkung, die auch von der Klägerin mit der Organschaft erstrebt wird, besteht darin, den --ohne Organschaft-- eintretenden Nachteil einer Steuerentstehung ohne Recht auf Vorsteuerabzug zu vermeiden. Diese Folge ist mit dem Vereinfachungszweck der Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen nicht zu vereinbaren und rechtfertigt eine Beschränkung der Organschaft auf die Fälle, in denen die organschaftlichen Unternehmensteile aufgrund einer Eingliederung ebenso eng wie Betriebsabteilungen eines Einheitsunternehmens miteinander verbunden sind. Die Eingliederung bewirkt somit, dass derartige Vorteile nur den Organschaften zugutekommen, deren Unternehmen ähnlich eng   wie bei einem rechtlichen Einheitsunternehmen   miteinander verbunden sind.

39

dd) Durch den Übergang von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu dem ab 2007 geltenden Art. 11 MwStSystRL ist es nicht zu inhaltlichen Änderungen des Unionsrechts gekommen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 36 und 42).

40

ee) Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Der erkennende Senat hat bereits in der Vergangenheit maßgeblich auf das Erfordernis der Rechtssicherheit abgestellt (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597). Hiermit nicht vereinbar ist es, für die Organschaft auf die Entstehungsgeschichte der miteinander verbundenen Unternehmen abzustellen.

41

2. Bis zum Oktober 2007 fehlte es zudem an der erforderlichen organisatorischen Eingliederung.

42

a) Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die organisatorische Eingliederung voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss. Hiervon ist z.B. dann auszugehen, wenn bei zwei GmbHs eine Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen besteht. Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt und zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist. Nicht ausreichend ist demgegenüber, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (BFH-Urteil in BFHE 242, 433, unter II.2.b und 3.).

43

Soweit der Senat hierfür in einem Einzelfall auf eine "institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeit in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung" (BFH-Urteil vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.) abgestellt hat, folgt hieraus nichts anderes, als dass im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der juristischen Person als Organgesellschaft bestehen muss. Nicht ausreichend sind Weisungsrechte, Berichtspflichten (BFH-Urteil in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.4.) oder ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung oder zugunsten des Mehrheitsgesellschafters (BFH-Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.a cc).

44

b) Gegen diese Anforderungen bestehen auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (EU:C:2015, 496) keine Bedenken in unionsrechtlicher Hinsicht. Auch das Erfordernis einer in organisatorischer Hinsicht bestehenden Durchgriffsmöglichkeit dient insbesondere der rechtssicheren Bestimmung der Eingliederungsvoraussetzungen, der Verwaltungsvereinfachung und der Missbrauchsverhinderung (vgl. oben II.1.c cc).

45

c) Damit fehlt es bis zum Oktober 2007 auch an einer organisatorischen Eingliederung der Klägerin in die A-KG. Denn bis dahin bestand eine organisatorische Trennung zwischen der Klägerin, deren einzige Geschäftsführerin B war, und der A-KG, die organschaftlich durch ihre Komplementär-GmbH vertreten wurde, bei der D einzige Geschäftsführerin war. Zu der im Sinne des BFH-Urteils in BFHE 242, 433, unter II.2.b und 3. erforderlichen organisatorischen Verflechtung über das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Klägerin kam es erst dadurch, dass die Geschäftsführerin der Klägerin auch zur Geschäftsführerin bei der Komplementär-GmbH der A-AG bestellt wurde.

46

3. Die mangels Organschaft steuerbaren Leistungen der Klägerin unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz.

47

Das FG hat insoweit zutreffend entschieden, dass es für die Anwendung der Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG an der dort vorausgesetzten Lieferung von in der Anlage bezeichneten Gegenständen fehlt und sich hierfür zu Recht auf die BFH-Rechtsprechung bezogen, nach der die in einer Großküche eines Altenwohnheims und Pflegeheims zur Verpflegung der Bewohner zubereiteten Speisen keine "Standardspeisen" als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge nach Art eines Imbissstandes sind, so dass deren Abgabe zu festen Zeitpunkten in Warmhaltebehältern keine Lieferung, sondern eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung ist (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2011 V R 66/09, BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250). Ebenso wie in diesem Fall hat auch die Klägerin entgeltliche Leistungen zur Versorgung der in einem Heim vollstationär untergebrachten Personen mit Speisen und Getränken erbracht, wobei Speiseplanvorgaben einzuhalten waren. Es ist auch im Streitfall davon auszugehen, dass sich die Tätigkeit bei der Speisenversorgung nicht auf die Abgabe von Standardspeisen als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungen nach Art eines z.B. Imbissstandes beschränkte.

48

4. Dem Erlass der Änderungsbescheide steht auch nicht § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO entgegen.

49

Nach dieser Vorschrift darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist.

50

a) Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert bereits daran, dass die Klägerin das Bestehen einer Organschaft erstmals im Einspruchsverfahren und damit nach Erlass der hier streitigen Steuerbescheide geltend gemacht hat. Damit lag den Steuerbescheiden vor Erlass der angefochtenen Änderungsbescheide keine BFH-Rechtsprechung zur Organschaft zugrunde, so dass die Rechtsauffassung vor der Rechtsprechungsänderung durch das BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597 ohne Bedeutung war.

51

b) In Bezug auf die Frage der Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen ergibt sich für die Klägerin ein Anspruch auf Vertrauensschutz auch nicht daraus, dass der erkennende Senat mit seinem Urteil in BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250 die Rechtsprechung "fortentwickelt" hat. Denn unabhängig hiervon hatte sich der BFH vor diesem Urteil zur Frage der Speisenversorgung in Altenwohnheimen und Pflegeheimen nicht unmittelbar geäußert.

52

5. Das FG hat den von der Klägerin geltend gemachten Erlass aus Billigkeitsgründen zutreffend abgelehnt.

53

a) Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre.

54

Die nach § 163 AO zu treffende Billigkeitsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§ 102, § 121 FGO). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BStBl II 1972, 603; BFH-Urteile vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297; vom 10. Oktober 2001 XI R 52/00, BFHE 196, 572, BStBl II 2002, 201; vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; vom 6. September 2011 VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269).

55

b) Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; vom 18. Dezember 2007 VI R 13/05, BFH/NV 2008, 794; in BFH/NV 2011, 865). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 12. September 2007 X B 18/03, BFH/NV 2008, 102, m.w.N.).

56

c) Rechtsfehlerfrei hat das FG erkannt, dass das FA die Voraussetzungen einer sachlichen oder persönlichen Unbilligkeit zutreffend verneint hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass für einen über § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO hinausgehenden Vertrauensschutz im Fall einer Änderung der Rechtsprechung im Allgemeinen keine Notwendigkeit besteht, wenn sich der Steuerpflichtige die vom BFH aufgegebene Rechtsprechung erst in einem Einspruchsverfahren zu eigen macht. Zudem hat das FG zutreffend berücksichtigt, dass Verwaltungsanweisungen, zu denen auch dort getroffene Übergangsregelungen gehören, nicht wie Gesetze auslegungsfähig sind, sondern im Allgemeinen entsprechend dem Verständnis der Finanzverwaltung anzuwenden sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 43/09, BFHE 233, 58, BStBl II 2011, 610, zur "Vertretbarkeit" der von einer Finanzbehörde vorgenommenen Auslegung einer von der Finanzverwaltung getroffenen Übergangsregelung). Im Hinblick auf die Vermögenssituation der Klägerin konnte das FG auch persönliche Billigkeitsgründe verneinen.

57

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 13. März 2013  3 K 235/10 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht München zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, als Organträger --ebenso wie eine andere Tochtergesellschaft-- nichtsteuerbare Leistungen an zwei Tochter-Kommanditgesellschaften (KGs) als Organgesellschaften erbracht hat.

2

Die Klägerin war im Streitjahr 2001 Alleingesellschafterin der O-GmbH und der VuB-GmbH, die ab 1. Februar 2001 als B-GmbH firmierte. Die O-GmbH erbrachte als Servicegesellschaft Catering- und Reinigungsleistungen.

3

Geschäftsführer der O-GmbH war Herr K. K war zudem vertretungsbefugter Generalbevollmächtigter der Klägerin. Geschäftsführer der B-GmbH war Herr S. S war bei der Klägerin angestellt.

4

Die Klägerin war darüber hinaus Kommanditistin mit einem Kapitalanteil von 100 % bei der Kb-KG und der Gf-KG. Komplementär ohne Geschäftsanteil war jeweils die B-GmbH. Die Kb-KG war im Vorjahr aus einer formwechselnden Umwandlung der Kb-GmbH entstanden. Ebenso war es bei der Gf-KG, die Rechtsnachfolgerin der Gf-GmbH war.

5

Beide KGs betrieben Altenheime und erbrachten dabei Leistungen, die sie als umsatzsteuerfrei ansahen. Die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft O-GmbH erbrachten Leistungen gegen Entgelt an beide KGs.

6

Durch Gesellschafterbeschlüsse vom 1. Februar 2001 brachte die Klägerin ihre Anteile an beiden KGs in die B-GmbH ein, wodurch es zu einer sog. Anwachsung des Gesellschaftsvermögens beider KGs bei der B-GmbH kam.

7

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Klägerin und die mit ihr organschaftlich nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verbundene O-GmbH umsatzsteuerpflichtige Leistungen an die beiden KGs erbracht haben. Aufgrund der im Vorjahr erfolgten formwechselnden Umwandlungen seien die KGs --anders als die jeweilige GmbH vor der Umwandlung-- nicht mehr als Organgesellschaften anzusehen. Daher lägen umsatzsteuerpflichtige Leistungen der Klägerin und ihrer Organgesellschaft, der O-GmbH, an die beiden KGs vor. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

8

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1434 veröffentlichten Urteil der Klage statt. In Bezug auf die beiden KGs lägen die Eingliederungsvoraussetzungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht vor. Dass die Organgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG juristische Person sein müsse, sei unbeachtlich, da diese Vorschrift unionsrechtskonform dahingehend zu erweitern sei, dass es sich bei der Organgesellschaft auch um eine Personengesellschaft in der hier vorliegenden Rechtsform der GmbH & Co. KG handeln könne. Es sei mit dem Grundsatz der Rechtsformneutralität in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nicht vereinbar, die Wirkung der Organschaft auf juristische Personen als Organgesellschaft zu beschränken. Eine derartige Differenzierung sei auch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) unzulässig.

9

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Nach nationalem Recht seien die Voraussetzungen einer Organschaft nicht erfüllt. Die Einschränkung des Kreises der Organgesellschaften auf juristische Personen sei auch nicht unionsrechtswidrig. Der nationale Gesetzgeber dürfe Typisierungen vornehmen.

10

Der Senat hat mit Beschluss vom 23. April 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des EuGH in der verbundenen Rechtssache C-108/14 Larentia + Minerva und C-109/14 Marenave Schiffahrt (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

11

Mit Urteil vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache wie folgt entschieden:

12

"2.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

 3.

Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

13

Das FA macht geltend, der Begriff der juristischen Person sei nicht auslegungsfähig. Das FG habe sich nicht mit der Frage befasst, ob eine Gleichstellung mit einer juristischen Person möglich sei, sondern sich damit begnügt, dass eine KG eingliederungsfähig sei. Die Beschränkung auf juristische Personen diene der Vermeidung der Steuerhinterziehung und der Steuerumgehung. Erforderlich seien Durchgriffsmöglichkeiten. Die steuerlich für die Organschaft verantwortliche Person müsse in der Lage sein, die Geschäfte der Gruppe zu steuern.

14

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

16

Die Einbeziehung der Tochterpersonenhandelsgesellschaft sei insbesondere aus Gründen des Unionsrechts und unter Berücksichtigung des Neutralitätsgrundsatzes geboten. Das nationale Recht sei richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass eine Differenzierung zwischen juristischer Person und sonstigen Einheiten nicht möglich sei. Maßgeblich seien die kapitalistische Struktur der GmbH & Co. KG und deren Nähe zur juristischen Person. Der Wortlaut setze der richtlinienkonformen Auslegung keine Grenzen. Dabei sei auch der Begriff des Zusammenschlusses in § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift sei auf Personengesellschaften anwendbar. Auf eine richtlinienkonforme Extension oder eine Gesetzesanalogie komme es insoweit nicht an. Die GmbH & Co. KG sei im Rahmen von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG einer juristischen Person gleichzusetzen. Der Gesetzgeber habe das Ziel der Gleichbehandlung nicht aus dem Blick verloren. Gleiches ergebe sich unter den Gesichtspunkten einer Rechtsfortbildung oder einer Analogie. Vorzugswürdig sei eine Gesamtanalogie zu beiden Alternativen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die hierfür erforderliche planwidrige Regelungslücke ergebe sich aus der unzureichenden Umsetzung des Unionsrechts. Dem stehe das Rechtsstaatsprinzip nicht entgegen, da es sich um eine den Steuerpflichtigen begünstigende Regelung handele. Eine teleologische Extension spreche für ihre Rechtsauffassung. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erweitere denn Begriff der juristischen Person. Die Beschränkung auf juristische Personen verhindere weder missbräuchliche Praktiken noch Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung. Dass eine Unterordnung diesen Zielen diene, sei nicht ersichtlich. Eine enge Verbundenheit reiche aus. Diese Verbundenheit liege vor. Sie sei einzige Gesellschafterin bei allen Gesellschaften gewesen und habe sich bei diesen in den Gesellschafterversammlungen jederzeit durchsetzen können.

Entscheidungsgründe

17

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG beschränkt die Organschaft auf die Eingliederung juristischer Personen. Dies ist wegen des bei Personengesellschaften grundsätzlich bestehenden Einstimmigkeitsprinzips auch sachlich gerechtfertigt. Eine aus Gründen der Rechtsformneutralität erforderliche Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist mit Blick auf die mit dieser Vorschrift getroffene gesetzgeberische Grundentscheidung nur in engem Umfang und deshalb lediglich bei den Personengesellschaften möglich, bei denen Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Unionsrecht. Im zweiten Rechtsgang sind weitere Feststellungen zum Gesellschafterkreis der Personengesellschaften zu treffen.

18

1. Die Organschaft setzt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Eingliederung einer juristischen Person voraus und schließt damit die Personengesellschaft aus dem Kreis der eingliederbaren Personen aus.

19

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

20

Die Organschaft dient der  Verwaltungsvereinfachung  (BTDrucks V/48 § 2; BTDrucks IV/1590, S. 36; zum gesetzlichen Festhalten an der vorkonstitutionellen Organschaft des UStG 1934, RStBl 1934, 1549 ff.; zum Vereinfachungszweck vgl. Stadie, in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz 784, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, Rz 41). Da anhand der Organschaft über die Person des Steuerschuldners zu entscheiden ist, müssen die Voraussetzungen hierfür rechtssicher ausgestaltet sein (BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Tomoiagă vom 9. Juli 2015, C-144/14, EU:C:2015:452, Rz 34 f.). Das verhindert rechtliche Irrtümer und damit verbundene Steuerumgehungen (vgl. allgemein EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 41).

21

b) § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG definiert den Begriff der juristischen Person nicht.

22

aa) Mangels eigenständiger steuerrechtlicher Begriffsbildung ist das zivil- und gesellschaftsrechtliche Verständnis der juristischen Person maßgeblich. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verwendet mit der "juristischen Person" eine im Zivilrecht geläufige Terminologie und nimmt den darin ausgedrückten Tatbestand auf (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27. Dezember 1991  2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, unter 1.a cc)). Juristische Person ist daher eine Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, wie etwa eine GmbH (vgl. § 13 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) oder eine Aktiengesellschaft (§ 1 Abs. 1 des Aktiengesetzes --AktG--).

23

bb) Nicht zu den juristischen Personen gehören Personenhandelsgesellschaften wie OHG oder KG. Diese können zwar unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (§§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs --HGB--), begründen diese aber nicht aufgrund einer eigenen Rechtspersönlichkeit (vgl. § 1 Abs. 1 AktG).

24

Hieran hat sich durch das gewandelte Verständnis zur Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft nichts geändert. Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der die Personenhandelsgesellschaft kein gegenüber ihren Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt war, so dass "Träger der im Namen der Gesellschaft begründeten Rechte und Pflichten" die "gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter" waren (so z.B. noch BGH-Urteil vom 24. Januar 1990 IV ZR 270/88, BGHZ 110, 127). Demgegenüber erkennt der BGH nunmehr die Rechtsfähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts an, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (BGH-Urteil vom 29. Januar 2001 II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, Leitsatz; vgl. zur Personenhandelsgesellschaft BGH-Urteil vom 5. März 2008 IV ZR 89/07, BGHZ 175, 374, unter II.2.a(3)). Wie der BGH aber zugleich ausdrücklich klargestellt hat, wird die Personengesellschaft durch die Anerkennung dieser Rechtsfähigkeit nicht zur juristischen Person (BGH-Urteil in BGHZ 146, 341, unter A.I.4., Rz 13; vgl. auch EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 37).

25

c) Die Eingliederung einer Personengesellschaft kommt nicht entsprechend früherer BFH-Rechtsprechung aufgrund eines organschaftsähnlichen Verhältnisses in Betracht.

26

aa) Der BFH ist in seiner Rechtsprechung zunächst davon ausgegangen, dass zwischen einem Gesellschafter und seiner Personenhandelsgesellschaft ein sog. organschaftsähnliches Verhältnis bestehen könne. Die sich hieraus ergebende Unselbständigkeit beruhte auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wobei sich der BFH für die Bestimmung der Unselbständigkeit an § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG und damit an den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung orientierte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. November 1964 V 245/61 S, BFHE 81, 506, BStBl III 1965, 182).

27

bb) Diese Rechtsprechung hat der erkennende Senat später aufgegeben und entschieden, dass eine Personengesellschaft des Handelsrechts nicht i.S. von § 2 Abs. 2 UStG unselbständig sein kann (BFH-Urteil vom 8. Februar 1979 V R 101/78, BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362). Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Erwägungsgründe des historischen Gesetzgebers, nach denen der "Begriff der Organschaft ... nur noch bei juristischen Personen anwendbar" ist, entschied der Senat, dass eine Ausdehnung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auf "nichtrechtsfähige Personenvereinigungen" dem Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers widerspricht.

28

cc) Der erkennende Senat hält an seinem Urteil in BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362 im Interesse einer einfachen und rechtssicheren Bestimmung des Steuerschuldners für den Organträger im Grundsatz weiter fest (vgl. auch zu § 13b UStG BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, unter II.3.a):

29

(1) Einfach und rechtssicher kann über die finanzielle Eingliederung als Voraussetzung für die Organschaft entschieden werden, wenn der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. zuletzt BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, unter II.2.a, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Maßgeblich ist im Regelfall die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter, so dass eine Beteiligung von mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft ausreicht, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2., m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Weicht die kapitalmäßige Beteiligung von den Stimmrechten ab (z.B. aufgrund "stimmrechtsloser Geschäftsanteile" bei der GmbH oder aufgrund von "Vorzugsaktien" ohne Stimmrecht bei der Aktiengesellschaft), ist auf das Verhältnis der gesellschaftsrechtlichen Stimmrechte abzustellen. Im Interesse der Rechtsklarheit sind Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten dabei grundsätzlich ohne Bedeutung. Dementsprechend hat der BFH eine finanzielle Eingliederung auf der Grundlage derartiger Rechtsgeschäfte in der Vergangenheit nicht bejaht (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.b, und vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BStBl II 2013, 873, unter II.2.b cc). "Stimmbindungsvereinbarungen" und "Stimmrechtsvollmachten" können bei der Prüfung der finanziellen Eingliederung somit nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ("Geschäftsanteil mit Mehrstimmrecht") ergeben.

30

(2) Während über die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person rechtssicher, einfach und ohne Nachweisschwierigkeiten entschieden werden kann, trifft dies auf die Personengesellschaft nicht zu:

31

(a) Das gesellschaftsrechtliche Stimmrecht beruht bei juristischen Personen auf den Regelungen der notariell zu beurkundenden Satzung (vgl. zur GmbH § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG und zur Aktiengesellschaft § 23 und §§ 8 ff., insbesondere § 12 AktG). Die den Gesellschaftern obliegenden Entscheidungen sind bei den juristischen Personen nach dem Mehrheitsprinzip zu treffen (§ 47 Abs. 1 GmbHG und § 133 Abs. 1 AktG). Daher ist es dem Gesellschafter, der über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, möglich, seinen Willen in der Gesellschaft durchzusetzen.

32

Die Übertragung von Geschäftsanteil und Aktie und des mit ihnen verbundenen Stimmrechts ist zudem rechtssicher nachvollziehbar (vgl. bei der GmbH § 15 Abs. 3 GmbHG und bei der Aktiengesellschaft § 67 AktG und die Inhaberschaft am Wertpapier). Zudem bestehen für Mehrheitsbeteiligungen Meldepflichten (vgl. § 20 Abs. 4 AktG).

33

(b) Demgegenüber gilt bei den Personengesellschaften das Einstimmigkeitsprinzip (vgl. § 709 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- zur GbR, § 119 Abs. 1 HGB zur OHG und § 161 Abs. 2 HGB zur KG). Ein hiervon abweichendes Mehrheitsprinzip steht einer Mehrheitsentscheidung durch nur einen Gesellschafter entgegen, da dann im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu entscheiden sein soll (vgl. § 709 Abs. 2 BGB, § 119 Abs. 2 HGB). Selbst wenn aufgrund darüber hinaus abweichender Regelungen ein Gesellschafter Mehrheitsentscheidungen durchsetzen kann, bestehen zumindest Nachweisschwierigkeiten. Denn abgesehen von Sonderfällen wie etwa der Einbringung von Grundstücken in eine Gesamthand (vgl. § 311b BGB) besteht für den Abschluss und die Änderung von Gesellschaftsverträgen bei Personengesellschaften keinerlei Formzwang. Gesellschaftsvertragliche Stimmrechtsvereinbarungen, die von den §§ 709 BGB und 119 HGB abweichen, können daher auch mündlich getroffen und geändert werden (zur formlosen Änderung trotz Schriftformklausel vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 I R 115/95, BFHE 181, 281, BStBl II 1997, 138, Leitsätze 1 und 2).

34

Im  Kontext des nationalen Rechts,  in dem über die Organschaft ohne besonderes Feststellungsverfahren mit Rückwirkung für alle unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung) stehenden Besteuerungszeiträume der Vergangenheit in jedem Stadium des Besteuerungs- oder Rechtsbehelfsverfahrens neu entschieden werden kann, besteht damit bei Personengesellschaften im Allgemeinen keine hinreichende Grundlage, um die Person des Steuerschuldners einfach und rechtssicher bestimmen zu können (vgl. auch die Grundsatzentscheidung des Senats vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, von der ein anonymisierter Abdruck beiliegt). Über die Organschaft und die mit ihr --wie im Streitfall-- erstrebten günstigen Rechtsfolgen kann auch aus Gründen der allgemeinen Missbrauchsprävention nicht mit Wirkung für die Vergangenheit nach Maßgabe von Vereinbarungen entschieden werden, die nahestehende Personen z.B. mündlich getroffen haben (wollen). Unbeschadet ihrer zivilrechtlichen Wirksamkeit folgt daraus nicht, dass sie auch Grundlage für die Besteuerung sein müssen.

35

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass an die --aufgrund der Organschaft vom Zivilrecht abweichende-- Feststellung des Steuerschuldners höhere Anforderungen zu stellen sind, als bei der bloßen Prüfung, ob z.B. Leistungen gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt werden. Denn das nationale Recht (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) und das Unionsrecht (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG; Art. 11 MwStSystRL) behandeln die verbundenen Personen zusammen als einen Steuerpflichtigen, wobei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Steuerpflicht ausschließlich auf den Organträger verlagert, indem die juristische Person gegenüber dem Organträger als unselbständig angesehen wird.

36

2. Trotz des vom nationalen Gesetzgeber grundsätzlich vorgesehenen Ausschlusses der Personengesellschaft aus dem Kreis der eingliederungsfähigen Personen, kann die Personengesellschaft ausnahmsweise auf der Grundlage einer teleologischen Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wie eine juristische Person als eingegliedert angesehen werden. Erforderlich ist, dass die finanzielle Eingliederung wie bei einer juristischen Person zu bejahen ist. Dies setzt voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei --der stets möglichen-- Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist.

37

a) "Teleologische Extension" (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 V R 38/08, BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.) setzt eine Regelungslücke voraus. Die Norm muss gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig sein. Ihre Ergänzung darf nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widersprechen. Dass eine gesetzliche Regelung rechtspolitisch als verbesserungsbedürftig anzusehen ist ("rechtspolitische Fehler"), reicht nicht aus. Ihre Unvollständigkeit erschließt sich vielmehr aus dem gesetzesimmanenten Zweck und kann auch bei einem eindeutigen Wortlaut vorliegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.5.a, und vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529, unter II.4.b bb, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Die Gesetzeslücke ist in einer dem Gesetzeszweck, der Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik entsprechenden Weise durch Analogie, teleologische Extension oder Reduktion zu schließen (BFH-Urteil in BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.5.a). Dies ist Aufgabe der Fachgerichte (vgl. z.B. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 1990  1 BvR 1186/89, BVerfGE 82, 6, Neue Juristische Wochenschrift 1990, 1593, unter C.I.1.).

38

b) Die teleologische Extension einer umsatzsteuerrechtlichen Norm kann auch aus Gründen des Verfassungsrechts notwendig sein.

39

aa) Nach der Rechtsprechung des BVerfG wie auch des erkennenden Senats ist die Bindung an die Grundrechte des Grundgesetzes (GG) auch im Bereich der unionsrechtlich harmonisierten Umsatzbesteuerung zu beachten, soweit das Unionsrecht "den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum einräumt" (BVerfG-Beschluss vom 20. März 2013  1 BvR 3063/10, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 468, unter III.1.; BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 4/09, BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.4.e).

40

Daher sind im Bereich der Organschaft auch verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten. Zwar beruht die Organschaft unionsrechtlich auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Nach der Rechtsprechung des EuGH bedarf die sich aus der Richtlinie ergebende Voraussetzung der engen Verbindungen aber einer Präzisierung auf nationaler Ebene durch nationale Rechtsvorschriften, die den konkreten Umfang solcher Verbindungen bestimmen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50).

41

Übt der nationale Gesetzgeber daher die sich aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergebende Regelungsermächtigung aus, hat er somit im Rahmen der zu seinen Gunsten bestehenden Regelungs- und Präzisierungsbefugnisse die allgemeinen verfassungsrechtlichen Bindungen zu beachten.

42

bb) Zielt der "umsatzsteuerrechtliche Belastungsgrund ... auf die umsatzsteuerliche Erfassung jedes Unternehmers, mag dieser in der Rechtsform einer juristischen Person, in der Rechtsform einer gewerblichen Personengesellschaft oder als freiberuflich Tätiger Umsätze erbringen (...)" (BVerfG-Beschluss in UR 2013, 468, unter III.2.a aa), so ist es gleichwohl mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn z.B. nur Freiberufler-Personenunternehmen, die weder buchführungspflichtig sind noch freiwillig Bücher führen, nicht aber auch buchführungspflichtige Freiberufler-Kapitalgesellschaften die Vorteile der Ist-Besteuerung in Anspruch nehmen können. Denn deren Anwendungsbereich beruht nicht auf "einer allein rechtsformbezogenen Differenzierung", sondern hängt nach § 20 Satz 1 UStG maßgebend davon ab, ob die Unternehmen Bücher führen (BVerfG-Beschluss in UR 2013, 468, unter III.3. zum Senatsurteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.3.b cc 4., in Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 22. Juli 1999 V R 51/98, BFHE 189, 211, BStBl II 1999, 630).

43

So wie das Gebot einer rechtsformneutralen Besteuerung unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Gesetzeszwecks den Anwendungsbereich einer gesetzlichen Vorschrift einzuschränken vermag (vgl. das Senatsurteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.3.b cc (4), zur Einschränkung von § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG a.F. auf die Unternehmer, die auch freiwillig keine Bücher führen), kann es --umgekehrt-- den Regelungsbereich einer nach ihrem Gesetzeswortlaut zu eng gefassten Norm erweitern.

44

c) Danach ist § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG teleologisch erweiternd auszulegen:

45

aa) § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG stellt mit dem Erfordernis der Eingliederung einer juristischen Person nur vordergründig auf ein rechtsformbezogenes Merkmal ab, das aber nach dem Normzweck dieser Regelung dazu dient, die Voraussetzungen der Organschaft leicht und einfach festzustellen und damit zu der mit der Organschaft angestrebten Verwaltungsvereinfachung und Missbrauchsvermeidung (s. oben unter II.1.c cc (2) (b)) beiträgt. Dementsprechend trifft das Gesetz in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG grundsätzlich eine sachlich vertretbare Unterscheidung danach, ob die einzugliedernde Gesellschaft eine juristische Person ist und verstößt deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

46

Erlauben die mit § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verfolgten Regelungsziele unter Berücksichtigung der Besonderheiten des nationalen Gesellschaftsrechts im Allgemeinen die Begrenzung auf eingegliederte juristische Personen und damit einen Ausschluss der Personengesellschaft (s. oben II.1.c cc (2) (b)), rechtfertigt dies nicht den Ausschluss der Personengesellschaften, bei denen das dort grundsätzlich bestehende Einstimmungsprinzip (s. oben II.1.c cc (2) (b)) von vornherein ohne Bedeutung ist und daher bereits abstrakt einer finanziellen Eingliederung nicht entgegenstehen kann. Ein Ausschluss auch derartiger Personengesellschaften ist mit dem --auf die Beschränkung juristischer Personen verfolgten-- Regelungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht zu vereinbaren. Damit liegt eine Regelungslücke vor, da ein bestimmter Sachbereich zwar gesetzlich geregelt ist, aber keine Vorschrift für die Fälle enthält, die nach dem Grundgedanken und dem System des Gesetzes hätten mitgeregelt werden müssen. Es handelt sich daher um eine Regelung, die gemessen an ihrem Zweck unvollständig und ergänzungsbedürftig ist.

47

bb) Die bei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehende Gesetzeslücke ist entsprechend dem Gesetzeszweck in der Weise zu schließen, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erweiternd auch auf die Personengesellschaft anzuwenden ist, bei der neben dem Organträger Gesellschafter nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (Änderung der Rechtsprechung). Trifft dies auf alle Gesellschafter der Personengesellschaft zu, kann der Organträger seinen Willen durchsetzen, so dass dem allgemeinen Einstimmigkeitsprinzip bei der Personengesellschaft (s. oben II.1.c cc (2) (b)) von vornherein keine Bedeutung zukommt. Denn sind die Mitgesellschafter bei der Personengesellschaft finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert, ist das bei der Personengesellschaft grundsätzlich bestehende Einstimmigkeitserfordernis allgemein ungeeignet, einer Willensdurchsetzung des Organträgers bei der Organgesellschaft entgegenzustehen. Ist neben dem Organträger z.B. eine Personengesellschaft Mitgesellschafter, kommt es dementsprechend darauf an, dass auch in Bezug auf deren Gesellschafter eine finanzielle Eingliederung ausnahmslos --in einer bis zum Organträger reichenden Organkette-- zu bejahen ist.

48

Dies steht nicht im Widerspruch zu der vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung der Organschaft auf bestimmte Tatbestände, sondern erweitert den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur unter strikter Beachtung der dieser Vorschrift zugrunde liegenden Wertungen der Rechtssicherheit, Verwaltungsvereinfachung und Missbrauchsvermeidung.

49

cc) Der erkennende Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Soweit dieser in seinen Vorlagebeschlüssen in BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428 davon ausgegangen ist, dass eine Personengesellschaft nicht Organgesellschaft sein kann, haben diese Entscheidungen, denen kein abschließender Charakter zukommt, keine Bindungswirkung (vgl. z.B. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 28a; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 4). Dies gilt jedenfalls dann, wenn es um die Beurteilung im Anschluss an das auf die BFH-Vorlage ergangene EuGH-Urteil geht.

50

3. Eine weitergehende Organschaft, die allgemein eine Eingliederung von Personengesellschaften ermöglichen würde, ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht.

51

a) Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Diese Regelung dient der "Verwaltungsvereinfachung" und der "Verhinderung bestimmter Missbräuche" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40).

52

b) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

53

aa) Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50 f.).

54

bb) Entscheiden sich Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dafür, Regelungen zur Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen zu schaffen, haben sie bei der Ausübung der ihnen zustehenden Präzisierungsbefugnis die hierfür unionsrechtlich bestehenden Anforderungen zu berücksichtigen.

55

(1) Die Mitgliedstaaten haben zu beachten, dass sie die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG mögliche Zusammenfassung zu einem Steuerpflichten nicht von weiteren als den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen abhängig machen dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 38) und dass das Unionsrecht die Regelung zur Mehrwertsteuergruppe nicht allein den Einheiten vorbehält, die juristische Person sind (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Leitsatz 2). Auf eine Unterordnung darf nur ausnahmsweise abgestellt werden, etwa wenn dies zur z.B. "Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen" erforderlich und geeignet ist (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 39 ff.). Hierüber hat das nationale Gericht zu entscheiden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 43).

56

(2) Die auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG getroffenen Regelungen haben --wie stets-- den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beachten. Danach müssen "die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig sein" und ihre Anwendung muss für die Betroffenen vorhersehbar sein, "wobei dieses Gebot der Rechtssicherheit in besonderem Maß gilt, wenn es sich um Vorschriften handelt, die finanzielle Konsequenzen haben können, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch diese Vorschriften auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen". Zudem "müssen die Rechtsnormen der Mitgliedstaaten auf den vom Unionsrecht erfassten Gebieten eindeutig formuliert sein, so dass den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht wird, und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt werden, deren Einhaltung sicherzustellen" (EuGH-Urteil Tomoiagă, EU:C:2015:452, Rz 35, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Bei der Regelung zur Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen handelt es sich aufgrund der damit verbundenen Verlagerung der Steuerschuld von der Organgesellschaft auf den Organträger "um Vorschriften ..., die finanzielle Konsequenzen haben können".

57

c) Unter Berücksichtigung dieser Erfordernisse besteht für den nationalen Gesetzgeber eine hinreichende unionsrechtliche Grundlage, die Regelung zur Organschaft im Grundsatz auf die Eingliederung juristischer Personen zu beschränken.

58

aa) Die Einschränkung der Organschaft auf die Eingliederung juristischer Personen dient nicht dazu, die Umsatzbesteuerung rechtsformabhängig auszugestalten, sondern soll den unionsrechtlich auch vom EuGH anerkannten Präzisierungsvorbehalt rechtssicher ausfüllen (s. oben unter II.1.c cc).

59

bb) Kann aufgrund der Besonderheiten des nationalen Gesellschaftsrechts im Regelfall nur bei juristischen Personen mit der erforderlichen Klarheit und damit rechtssicher über die Eingliederungsvoraussetzungen entschieden werden (s. oben II.1.c cc), rechtfertigt dies die grundsätzliche Einschränkung auf eine Eingliederung juristischer Personen. Zudem trägt der erkennende Senat den Erfordernissen des Unionsrechts, insbesondere dem Ziel einer im Grundsatz rechtsformneutralen Besteuerung (s. oben II.2.c), dadurch Rechnung, dass er in Sonderfällen, in denen die Eingliederungsvoraussetzungen auch in Bezug auf Tochterpersonengesellschaften zweifelsfrei vorliegen, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG teleologisch erweiternd auslegt (s. oben II.2.c).

60

4. Danach hat das FG im Streitfall die Eingliederung der beiden KGs zu Unrecht aufgrund einer allgemeinen Gleichstellung von juristischen Personen und Personengesellschaften bejaht. Beide KGs sind indes nur dann Organgesellschaften der Klägerin, wenn z.B. neben der Klägerin als mögliche Organträgerin nur die B-GmbH als Gesellschafterin an den beiden KGs beteiligt gewesen wäre und in Bezug auf die B-GmbH eine finanzielle Eingliederung in das Unternehmen der Klägerin besteht. Zwar erscheint dies nach Aktenlage möglich, jedoch bestehen noch Unklarheiten in Bezug auf die zahlreichen Umwandlungsvorgänge. Daher sind ausdrückliche Feststellungen zum Gesellschafterkreis der beiden KGs und der finanziellen Eingliederung dieser Gesellschafter in das Unternehmen der Klägerin nachzuholen.

61

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft (KG), vermietete im Streitjahr 2001 ein Grundstück an ihre Komplementärin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), und stellte dieser entgeltlich Personal und Inventar für die von der GmbH betriebenen Alten- und Pflegeheime zur Verfügung. Die Klägerin erledigte darüber hinaus Verwaltungsaufgaben und erbrachte Hausmeisterserviceleistungen für die GmbH.

2

Gesellschafter der Klägerin und der GmbH waren A, B und C zu jeweils einem Drittel. Die GmbH war zwar Komplementärin der Klägerin, jedoch ohne an der Klägerin kapitalmäßig beteiligt zu sein. Geschäftsführer der GmbH war A.

3

Die Klägerin ging davon aus, dass zwischen ihr und der GmbH eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) bestehe und lediglich nicht steuerbare Innenleistungen zwischen der KG und GmbH erbracht würden. Sie gab daher keine Umsatzsteuererklärungen ab. Im Anschluss an eine Außenprüfung war der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass keine Organschaft vorliege und die Klägerin steuerbare und steuerpflichtige Leistungen an die GmbH erbracht habe. Der gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 10. Mai 2004 eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Klägerin sei Organträger der GmbH, da die GmbH über die Gesellschafter A, B und C in die Klägerin mittelbar finanziell eingegliedert sei, sich die organisatorische Eingliederung aus der Stellung der GmbH als Komplementärin der Klägerin und daher aus einer Personal- und Organidentität ergebe und die wirtschaftliche Eingliederung auf den durch die Klägerin an die GmbH erbrachten Leistungen beruhe. Unerheblich sei, dass nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Dezember 1978 V R 85/74 (BFHE 127, 75, BStBl II 1979, 288) eine Komplementär-GmbH nicht in eine KG eingegliedert sein könne, da dieses Urteil aufgrund der späteren BFH-Rechtsprechung zur mittelbaren finanziellen Eingliederung überholt sei. Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2009, 792 veröffentlicht.

5

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Aufgrund des Erfordernisses eines Über- und Unterordnungsverhältnisses liege keine Organschaft vor. Es fehlten auch die finanzielle und organisatorische Eingliederung.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Die Klägerin trägt vor, das FG habe zutreffend entschieden, dass eine Organschaft bestehe. Es liege eine Betriebsaufspaltung vor. Die GmbH sei von ihr nach dem maßgeblichen Gesamtbild der Verhältnisse völlig abhängig gewesen, da sie der GmbH nahezu das gesamte für ihre Betätigung erforderliche Betriebsvermögen überlassen habe. Die Tatsache, dass ihre Kommanditisten in gleicher Weise auch an der GmbH beteiligt gewesen seien, zeige, dass sie und die GmbH als Einheit anzusehen seien. Es sei völlig unwahrscheinlich gewesen, dass die Kommanditisten in der GmbH anders entscheiden würden als bei ihr, der KG. Für die Organschaft spreche auch, dass die GmbH-Anteile als Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei ihr, der Klägerin, anzusehen seien, da es sich bei dem Sonderbetriebsvermögen und der Organschaft jeweils um "eine rein steuerrechtliche Konstruktion" handele. Für das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses spreche weiter die Einheit des Steuerrechts sowie die Entstehungsgeschichte der Firmenkonstruktion. Die finanzielle Eingliederung ergebe sich auch aus der Vinkulierung der Gesellschaftsanteile und der engen familiären Verbundenheit der Gesellschaftergruppe. Wie das FG zu Recht ausgeführt habe, könne die GmbH zumindest teilweise --beim Betrieb der Alten- und Pflegeheime und damit neben ihrer Geschäftsführungstätigkeit für sie, die Klägerin,-- in sie eingegliedert sein. Die GmbH sei auch organisatorisch in sie eingegliedert gewesen, da ihre Geschäftsführung mit derjenigen der GmbH verflochten gewesen sei. Eine Eingliederung einer Komplementär-GmbH in sie, die Klägerin, sei zumindest insoweit möglich, als der Komplementär neben der Geschäftsführung der KG eine weitere unternehmerische Tätigkeit ausübe. Zumindest sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist im Ergebnis begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vom FG und der Klägerin angenommene Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG scheitert am Erfordernis der finanziellen Eingliederung.

10

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft). Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

11

Neben den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung kommt es für die Organschaft weder nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG noch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG auf einen Antrag des Unternehmers an (BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, Leitsatz 2). Bei der Ausübung der nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG bestehenden Ermächtigung sind allerdings die allgemein bei der Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG zu beachtenden Rechtsprinzipien wie z.B. die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Steuerneutralität zu beachten (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217 Rdnrn. 24 ff.). Dies gilt auch für die Auslegung der nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehenden Eingliederungsvoraussetzungen.

12

2. Nach der Rechtsprechung setzt die finanzielle Eingliederung voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd). Bei der finanziellen Eingliederung handelt es sich um eine rechtlich zu erfüllende Voraussetzung, für die es im Regelfall auf die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter ankommt. Ausreichend ist daher eine Beteiligung, die mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft gewährt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteile in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a, und in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd).

13

Eine unmittelbare finanzielle Eingliederung der GmbH in die Klägerin lag im Streitfall nicht vor, da die Klägerin nicht Gesellschafterin der GmbH war. Die Klägerin war auch nicht über eigene Tochtergesellschaften mittelbar an der GmbH beteiligt.

14

3. Eine finanzielle Eingliederung ergibt sich nicht daraus, dass die drei Gesellschafter der Klägerin über die Anteilsmehrheit in der GmbH verfügten. Denn die finanzielle Eingliederung kann grundsätzlich nicht mittelbar über mehrere Gesellschafter des Organträgers erfolgen (Reiß in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, § 2 Rz 111; Wäger in Festschrift für Harald Schaumburg, 2009, 1189 ff., 1199 f.).

15

a) Nach dem BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 123/68 (BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505, unter 2.a) konnte eine GmbH als juristische Person in das Unternehmen eines Organträgers finanziell eingegliedert sein, wenn sich sämtliche Anteile an der GmbH und dem Organträger in einer Hand befanden.

16

Der BFH hat diese Rechtsprechung später für die finanzielle Eingliederung zwischen zwei GmbHs über einen gemeinsamen Gesellschafter aufgegeben und dies insbesondere mit dem bei einer nur mittelbaren Beteiligung fehlenden Über- und Unterordnungsverhältnis begründet. Keine der beiden Gesellschaften sei in das Gefüge des anderen Unternehmens eingeordnet (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1., und die Abweichungsanfrage durch den BFH-Beschluss vom 28. Februar 1996 XI R 25/94, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1996, 950, unter II.).

17

Der BFH hielt aber an der finanziellen Eingliederung zwischen der GmbH als Organgesellschaft und der Personengesellschaft als Organträger fest, wenn die Mehrheit der Anteile an der GmbH von den Gesellschaftern einer Personengesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte verfügten (BFH-Urteile vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136, unter II.2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.2.; in BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.1.a, und vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365). Dabei bejahte der BFH die finanzielle Eingliederung über einen gemeinsamen Gesellschafter, der in GmbH und Personengesellschaft über eine Anteilsmehrheit von jeweils mindestens 95 v.H. verfügte und auch Geschäftsführer der GmbH war (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1136) ebenso wie über zwei Gesellschafter, denen gemeinsam eine Anteilsmehrheit in beiden Gesellschaften zustand (BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 223, und in BFH/NV 2008, 1365). Diese Rechtsprechung beruhte u.a. auf der ertragsteuerrechtlichen Überlegung, dass es sich bei der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft für die Gesellschafter der Organträger-Personengesellschaft um Sonderbetriebsvermögen handele (BFH-Beschluss in GmbHR 1996, 950, unter III.). Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft lehnte die Rechtsprechung aber dann ab, wenn den Gesellschaftern zwar an der GmbH eine Mehrheitsbeteiligung zustand, sie aber in der Personengesellschaft Minderheitsgesellschafter waren. Dies galt selbst dann, wenn die GmbH über eine Anteilsmehrheit an der Personengesellschaft verfügte (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.b aa).

18

b) Für den Fall, dass nur mehreren Gesellschaftern gemeinsam eine Mehrheitsbeteiligung an GmbH und Personengesellschaft zusteht, hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung nicht fest.

19

aa) Eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft liegt im Hinblick auf das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter, die nur gemeinsam über eine Anteilsmehrheit an beiden Gesellschaften verfügen, nicht vor.

20

Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen setzt ein Verhältnis der Über- und Unterordnung der beteiligten Gesellschaften voraus (BFH-Urteile in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa, und vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH führt die Gruppenbesteuerung gemäß Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu einer Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen mit den diesem Steuerpflichtigen "untergeordneten Personen" (vgl. EuGH-Urteil Ampliscientifica und Amplifin in Slg. 2008, I-4019, BFH/NV Beilage 2008, 217).

21

Kommt es danach auf ein Über- und Unterordnungsverhältnis an, gilt dies nicht nur im Verhältnis zwischen mehreren GmbHs als juristischen Personen, sondern gleichermaßen im Verhältnis zwischen GmbH und Personengesellschaft, selbst wenn an diesen Gesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Denn eine Personengesellschaft, deren Gesellschafter eine Mehrheitsbeteiligung an der GmbH halten, verfügt gegenüber dieser GmbH über keine größeren Einwirkungsmöglichkeiten als sie zwischen zwei Schwester-GmbHs bestehen. Einwirkungsmöglichkeiten stehen in beiden Fällen gleichermaßen nur den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern zu. Die bisherige Bejahung einer finanziellen Eingliederung aufgrund einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter trägt auch nicht dem rechtlichen Charakter der finanziellen Eingliederung (s. oben II.2.) Rechnung. Kommt es für die finanzielle Eingliederung auf rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten an, müssen diese dem Organträger selbst zustehen. Hiermit ist eine Zurechnung der Durchsetzungsmöglichkeiten aus fremdem Beteiligungsbesitz nicht vereinbar.

22

Demgegenüber kann eine Enkelgesellschaft mittelbar über eine oder mehrere eigene Tochtergesellschaften des Organträgers finanziell in dessen Unternehmen eingegliedert sein (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (1)), sofern der Organträger dann aufgrund der ihm in der Beteiligungskette zustehenden Gesellschaftsrechte in der Lage ist, seinen Willen in der Enkelgesellschaft durchzusetzen.

23

bb) Im Hinblick auf die bei der Auslegung der Eingliederungsvoraussetzungen zu beachtenden allgemeinen Rechtsprinzipien der Richtlinie 77/388/EWG (s. oben II.1.), spricht auch der Grundsatz der Rechtssicherheit dagegen, von einer finanziellen Eingliederung zwischen Schwestergesellschaften über gemeinsame Gesellschafter auszugehen.

24

(1) Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit müssen die Betroffenen bei Regelungen, die sich finanziell belastend auswirken können, in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen (EuGH-Urteile vom 15. Dezember 1987 C-326/85, Niederlande/Kommission, Slg. 1987, 5091 Rdnr. 24; vom 29. April 2004 C-17/01, Sudholz, Slg. 2004, I-4243 Rdnr. 34). Dies müssen auch die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Richtlinie einräumt, beachten (EuGH-Urteile vom 26. April 2005 C-376/02, Goed Wonen, Slg. 2005, I-3445 Rdnr. 32; vom 16. September 2008 C-288/07, Isle of Wright, Umsatzsteuer-Rundschau 2008, 816 Rdnrn. 47 f.). Dies ist auch bei der Auslegung der nationalen Vorschriften zu beachten, die der Umsetzung von Richtlinienbestimmungen dienen.

25

Aufgrund der sich aus der Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger ergebenden finanziellen Auswirkungen kommt dem Grundsatz der Rechtssicherheit bei der Auslegung der Organschaftsvoraussetzungen besondere Bedeutung zu. Da die Organschaft nicht von einem Antrag des Organträgers abhängt (s. oben II.1.), muss der Organträger in der Lage sein, anhand der Eingliederungsvoraussetzungen das Bestehen einer Organschaft rechtssicher feststellen zu können.

26

(2) Bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften ist nicht rechtssicher bestimmbar, ob und unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz einer unter Umständen großen unbestimmten Anzahl von Gesellschaftern zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen. Die bloße Anteilsmehrheit mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften reicht hierfür nicht aus, da diese Gesellschafter die ihnen zustehenden Stimmrechte nicht einheitlich ausüben müssen. Auch nur familiäre Beziehungen zwischen mehreren Gesellschaftern sind kein hinreichendes Indiz für eine Zusammenfassung des ihnen zustehenden Beteiligungsbesitzes. Im Übrigen ist auch nicht rechtssicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen mehrere Gesellschafter gleichgerichtete oder widerstreitende Interessen verfolgen. Da die Organschaft mit der Verwirklichung ihrer Voraussetzungen beginnt und mit deren Entfallen von Gesetzes wegen endet (BFH-Urteil in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a cc), kann es für die Organschaft und den Eintritt der mit ihr verbundenen Rechtsfolgen (wie z.B. Umsatzzurechnung und Nichtbesteuerung von Innenumsätzen) darüber hinaus nicht darauf ankommen, für welche Zeiträume z.B. mehrere Familiengesellschafter gleichgerichtete Interessen verfolgen und für welche Zeiträume dies aufgrund von Meinungsverschiedenheiten oder Familienstreitigkeiten nicht der Fall ist. Ob im konkreten Einzelfall von einem Fehlen widerstreitender Interessen auszugehen sein kann, ist daher entgegen der Auffassung der Klägerin unerheblich.

27

cc) Nach den Verhältnissen des Streitfalles hat der Senat nicht zu entscheiden, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist, wenn zwischen zwei Schwestergesellschaften z.B. ein Beherrschungsvertrag besteht oder zugunsten einer Schwestergesellschaft Stimmbindungsverträge vorliegen. Offenbleiben kann auch, ob eine Organschaft vorliegt, wenn nur ein Gesellschafter über eine Anteilsmehrheit an GmbH und Personengesellschaft verfügt und zugleich als Gesellschafter für die Personengesellschaft und als Geschäftsführer der GmbH für beide Gesellschaften geschäftsführungsbefugt ist (so das Urteil des XI. Senats des BFH in BFH/NV 1999, 1136), wobei dann allerdings fraglich erscheint, welche der beiden Schwestergesellschaften als herrschende und welche als abhängige Gesellschaft anzusehen ist. Im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung ist schließlich nicht mehr zu entscheiden, ob die bisherige Annahme einer finanziellen Eingliederung durch mehrere gemeinsame Gesellschafter von GmbH und Personengesellschaft --anders als bei mehreren gemeinsamen Gesellschaftern verschiedener GmbHs-- zu einer gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Differenzierung nach der Rechtsform des Organträgers führt.

28

4. Die weiteren Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.

29

a) Die Klägerin kann sich gegen die Änderung der Senatsrechtsprechung nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Voraussetzungen des § 176 der Abgabenordnung liegen nicht vor, da es sich bei dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid nicht um einen Änderungsbescheid, sondern um einen Erstbescheid handelt. Ein allgemeiner Schutz gegenüber den sich aus einer geänderten Rechtsprechung ergebenden Urteilsfolgen ist weder dem nationalen Recht noch dem Gemeinschaftsrecht zu entnehmen. Es ist auch kein sonstiger Vertrauenstatbestand ersichtlich, auf den sich die Klägerin berufen könnte.

30

b) Auch aus dem von der Klägerin betonten Gesamtbild der Verhältnisse und der nach Auffassung der Klägerin besonders stark ausgeprägten wirtschaftlichen Eingliederung ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Zwar kann im Hinblick auf die gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG "nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse" vorzunehmenden Beurteilung eine Organgesellschaft auch dann unselbständig sein, wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete nicht vollkommen ausgeprägt ist. Nicht ausreichend ist jedoch, dass die Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei Eingliederungsmerkmale besteht (BFH-Urteile vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a). Daher kann von der wirtschaftlichen nicht auf die finanzielle Eingliederung geschlossen werden (BFH-Urteil in BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.) und das völlige Fehlen einer eigenen Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft kann daher nicht durch andere Eingliederungsmerkmale ersetzt werden.

31

c) Dass die Beteiligung an einer juristischen Person ertragsteuerrechtlich Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei seiner Personengesellschaft sein kann, ist für das umsatzsteuerrechtlich maßgebliche Über- und Unterordnungsverhältnis nicht entscheidend und vermag die Annahme der finanziellen Eingliederung über die Gesellschafter des Organträgers nicht zu begründen. Denn die Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen ist für die maßgebliche Willensbildung durch Mehrheitsbeschlüsse unerheblich. Auch die Entstehungsgeschichte der Gesellschaften, die Vinkulierung von Gesellschaftsanteilen und die Einheit des Steuerrechts rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

32

5. Das Urteil des FG entspricht nicht diesen Grundsätzen und war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

33

Die Klage ist abzuweisen, da die GmbH nicht finanziell in die Klägerin eingegliedert ist. Eine finanzielle Eingliederung der GmbH über die drei Gesellschafter der Klägerin in die Klägerin reicht nicht aus. Weiter kommt die Annahme einer nur partiellen Eingliederung der GmbH --für den Bereich des Betriebs der Alten- und Pflegeheime, nicht aber hinsichtlich der Geschäftsführung der Klägerin-- nach der Rechtsprechung des Senats nicht in Betracht (BFH-Urteil in BFHE 226, 465, BFH/NV 2009, 2080, unter II.2.c ee (3)).

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 13. März 2013  3 K 235/10 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht München zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, als Organträger --ebenso wie eine andere Tochtergesellschaft-- nichtsteuerbare Leistungen an zwei Tochter-Kommanditgesellschaften (KGs) als Organgesellschaften erbracht hat.

2

Die Klägerin war im Streitjahr 2001 Alleingesellschafterin der O-GmbH und der VuB-GmbH, die ab 1. Februar 2001 als B-GmbH firmierte. Die O-GmbH erbrachte als Servicegesellschaft Catering- und Reinigungsleistungen.

3

Geschäftsführer der O-GmbH war Herr K. K war zudem vertretungsbefugter Generalbevollmächtigter der Klägerin. Geschäftsführer der B-GmbH war Herr S. S war bei der Klägerin angestellt.

4

Die Klägerin war darüber hinaus Kommanditistin mit einem Kapitalanteil von 100 % bei der Kb-KG und der Gf-KG. Komplementär ohne Geschäftsanteil war jeweils die B-GmbH. Die Kb-KG war im Vorjahr aus einer formwechselnden Umwandlung der Kb-GmbH entstanden. Ebenso war es bei der Gf-KG, die Rechtsnachfolgerin der Gf-GmbH war.

5

Beide KGs betrieben Altenheime und erbrachten dabei Leistungen, die sie als umsatzsteuerfrei ansahen. Die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft O-GmbH erbrachten Leistungen gegen Entgelt an beide KGs.

6

Durch Gesellschafterbeschlüsse vom 1. Februar 2001 brachte die Klägerin ihre Anteile an beiden KGs in die B-GmbH ein, wodurch es zu einer sog. Anwachsung des Gesellschaftsvermögens beider KGs bei der B-GmbH kam.

7

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Klägerin und die mit ihr organschaftlich nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verbundene O-GmbH umsatzsteuerpflichtige Leistungen an die beiden KGs erbracht haben. Aufgrund der im Vorjahr erfolgten formwechselnden Umwandlungen seien die KGs --anders als die jeweilige GmbH vor der Umwandlung-- nicht mehr als Organgesellschaften anzusehen. Daher lägen umsatzsteuerpflichtige Leistungen der Klägerin und ihrer Organgesellschaft, der O-GmbH, an die beiden KGs vor. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

8

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1434 veröffentlichten Urteil der Klage statt. In Bezug auf die beiden KGs lägen die Eingliederungsvoraussetzungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht vor. Dass die Organgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG juristische Person sein müsse, sei unbeachtlich, da diese Vorschrift unionsrechtskonform dahingehend zu erweitern sei, dass es sich bei der Organgesellschaft auch um eine Personengesellschaft in der hier vorliegenden Rechtsform der GmbH & Co. KG handeln könne. Es sei mit dem Grundsatz der Rechtsformneutralität in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nicht vereinbar, die Wirkung der Organschaft auf juristische Personen als Organgesellschaft zu beschränken. Eine derartige Differenzierung sei auch nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) unzulässig.

9

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Nach nationalem Recht seien die Voraussetzungen einer Organschaft nicht erfüllt. Die Einschränkung des Kreises der Organgesellschaften auf juristische Personen sei auch nicht unionsrechtswidrig. Der nationale Gesetzgeber dürfe Typisierungen vornehmen.

10

Der Senat hat mit Beschluss vom 23. April 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des EuGH in der verbundenen Rechtssache C-108/14 Larentia + Minerva und C-109/14 Marenave Schiffahrt (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.

11

Mit Urteil vom 16. Juli 2015 (EU:C:2015:496) hat der EuGH in dieser verbundenen Rechtssache wie folgt entschieden:

12

"2.

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

 3.

Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten."

13

Das FA macht geltend, der Begriff der juristischen Person sei nicht auslegungsfähig. Das FG habe sich nicht mit der Frage befasst, ob eine Gleichstellung mit einer juristischen Person möglich sei, sondern sich damit begnügt, dass eine KG eingliederungsfähig sei. Die Beschränkung auf juristische Personen diene der Vermeidung der Steuerhinterziehung und der Steuerumgehung. Erforderlich seien Durchgriffsmöglichkeiten. Die steuerlich für die Organschaft verantwortliche Person müsse in der Lage sein, die Geschäfte der Gruppe zu steuern.

14

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

16

Die Einbeziehung der Tochterpersonenhandelsgesellschaft sei insbesondere aus Gründen des Unionsrechts und unter Berücksichtigung des Neutralitätsgrundsatzes geboten. Das nationale Recht sei richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass eine Differenzierung zwischen juristischer Person und sonstigen Einheiten nicht möglich sei. Maßgeblich seien die kapitalistische Struktur der GmbH & Co. KG und deren Nähe zur juristischen Person. Der Wortlaut setze der richtlinienkonformen Auslegung keine Grenzen. Dabei sei auch der Begriff des Zusammenschlusses in § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift sei auf Personengesellschaften anwendbar. Auf eine richtlinienkonforme Extension oder eine Gesetzesanalogie komme es insoweit nicht an. Die GmbH & Co. KG sei im Rahmen von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG einer juristischen Person gleichzusetzen. Der Gesetzgeber habe das Ziel der Gleichbehandlung nicht aus dem Blick verloren. Gleiches ergebe sich unter den Gesichtspunkten einer Rechtsfortbildung oder einer Analogie. Vorzugswürdig sei eine Gesamtanalogie zu beiden Alternativen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die hierfür erforderliche planwidrige Regelungslücke ergebe sich aus der unzureichenden Umsetzung des Unionsrechts. Dem stehe das Rechtsstaatsprinzip nicht entgegen, da es sich um eine den Steuerpflichtigen begünstigende Regelung handele. Eine teleologische Extension spreche für ihre Rechtsauffassung. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erweitere denn Begriff der juristischen Person. Die Beschränkung auf juristische Personen verhindere weder missbräuchliche Praktiken noch Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung. Dass eine Unterordnung diesen Zielen diene, sei nicht ersichtlich. Eine enge Verbundenheit reiche aus. Diese Verbundenheit liege vor. Sie sei einzige Gesellschafterin bei allen Gesellschaften gewesen und habe sich bei diesen in den Gesellschafterversammlungen jederzeit durchsetzen können.

Entscheidungsgründe

17

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG beschränkt die Organschaft auf die Eingliederung juristischer Personen. Dies ist wegen des bei Personengesellschaften grundsätzlich bestehenden Einstimmigkeitsprinzips auch sachlich gerechtfertigt. Eine aus Gründen der Rechtsformneutralität erforderliche Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist mit Blick auf die mit dieser Vorschrift getroffene gesetzgeberische Grundentscheidung nur in engem Umfang und deshalb lediglich bei den Personengesellschaften möglich, bei denen Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Unionsrecht. Im zweiten Rechtsgang sind weitere Feststellungen zum Gesellschafterkreis der Personengesellschaften zu treffen.

18

1. Die Organschaft setzt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Eingliederung einer juristischen Person voraus und schließt damit die Personengesellschaft aus dem Kreis der eingliederbaren Personen aus.

19

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

20

Die Organschaft dient der  Verwaltungsvereinfachung  (BTDrucks V/48 § 2; BTDrucks IV/1590, S. 36; zum gesetzlichen Festhalten an der vorkonstitutionellen Organschaft des UStG 1934, RStBl 1934, 1549 ff.; zum Vereinfachungszweck vgl. Stadie, in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz 784, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, Rz 41). Da anhand der Organschaft über die Person des Steuerschuldners zu entscheiden ist, müssen die Voraussetzungen hierfür rechtssicher ausgestaltet sein (BFH-Urteil vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b bb, und zum Unionsrecht EuGH-Urteil Tomoiagă vom 9. Juli 2015, C-144/14, EU:C:2015:452, Rz 34 f.). Das verhindert rechtliche Irrtümer und damit verbundene Steuerumgehungen (vgl. allgemein EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 41).

21

b) § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG definiert den Begriff der juristischen Person nicht.

22

aa) Mangels eigenständiger steuerrechtlicher Begriffsbildung ist das zivil- und gesellschaftsrechtliche Verständnis der juristischen Person maßgeblich. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verwendet mit der "juristischen Person" eine im Zivilrecht geläufige Terminologie und nimmt den darin ausgedrückten Tatbestand auf (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27. Dezember 1991  2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, unter 1.a cc)). Juristische Person ist daher eine Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, wie etwa eine GmbH (vgl. § 13 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) oder eine Aktiengesellschaft (§ 1 Abs. 1 des Aktiengesetzes --AktG--).

23

bb) Nicht zu den juristischen Personen gehören Personenhandelsgesellschaften wie OHG oder KG. Diese können zwar unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (§§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs --HGB--), begründen diese aber nicht aufgrund einer eigenen Rechtspersönlichkeit (vgl. § 1 Abs. 1 AktG).

24

Hieran hat sich durch das gewandelte Verständnis zur Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft nichts geändert. Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der die Personenhandelsgesellschaft kein gegenüber ihren Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt war, so dass "Träger der im Namen der Gesellschaft begründeten Rechte und Pflichten" die "gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter" waren (so z.B. noch BGH-Urteil vom 24. Januar 1990 IV ZR 270/88, BGHZ 110, 127). Demgegenüber erkennt der BGH nunmehr die Rechtsfähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts an, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (BGH-Urteil vom 29. Januar 2001 II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, Leitsatz; vgl. zur Personenhandelsgesellschaft BGH-Urteil vom 5. März 2008 IV ZR 89/07, BGHZ 175, 374, unter II.2.a(3)). Wie der BGH aber zugleich ausdrücklich klargestellt hat, wird die Personengesellschaft durch die Anerkennung dieser Rechtsfähigkeit nicht zur juristischen Person (BGH-Urteil in BGHZ 146, 341, unter A.I.4., Rz 13; vgl. auch EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, Rz 37).

25

c) Die Eingliederung einer Personengesellschaft kommt nicht entsprechend früherer BFH-Rechtsprechung aufgrund eines organschaftsähnlichen Verhältnisses in Betracht.

26

aa) Der BFH ist in seiner Rechtsprechung zunächst davon ausgegangen, dass zwischen einem Gesellschafter und seiner Personenhandelsgesellschaft ein sog. organschaftsähnliches Verhältnis bestehen könne. Die sich hieraus ergebende Unselbständigkeit beruhte auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wobei sich der BFH für die Bestimmung der Unselbständigkeit an § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG und damit an den Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung orientierte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. November 1964 V 245/61 S, BFHE 81, 506, BStBl III 1965, 182).

27

bb) Diese Rechtsprechung hat der erkennende Senat später aufgegeben und entschieden, dass eine Personengesellschaft des Handelsrechts nicht i.S. von § 2 Abs. 2 UStG unselbständig sein kann (BFH-Urteil vom 8. Februar 1979 V R 101/78, BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362). Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Erwägungsgründe des historischen Gesetzgebers, nach denen der "Begriff der Organschaft ... nur noch bei juristischen Personen anwendbar" ist, entschied der Senat, dass eine Ausdehnung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auf "nichtrechtsfähige Personenvereinigungen" dem Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers widerspricht.

28

cc) Der erkennende Senat hält an seinem Urteil in BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362 im Interesse einer einfachen und rechtssicheren Bestimmung des Steuerschuldners für den Organträger im Grundsatz weiter fest (vgl. auch zu § 13b UStG BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, unter II.3.a):

29

(1) Einfach und rechtssicher kann über die finanzielle Eingliederung als Voraussetzung für die Organschaft entschieden werden, wenn der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. zuletzt BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, unter II.2.a, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Maßgeblich ist im Regelfall die einfache Stimmenmehrheit bei der Beschlussfassung der Gesellschafter, so dass eine Beteiligung von mehr als 50 v.H. der Stimmrechte in der Organgesellschaft ausreicht, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die allgemeine Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2., m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Weicht die kapitalmäßige Beteiligung von den Stimmrechten ab (z.B. aufgrund "stimmrechtsloser Geschäftsanteile" bei der GmbH oder aufgrund von "Vorzugsaktien" ohne Stimmrecht bei der Aktiengesellschaft), ist auf das Verhältnis der gesellschaftsrechtlichen Stimmrechte abzustellen. Im Interesse der Rechtsklarheit sind Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten dabei grundsätzlich ohne Bedeutung. Dementsprechend hat der BFH eine finanzielle Eingliederung auf der Grundlage derartiger Rechtsgeschäfte in der Vergangenheit nicht bejaht (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.b, und vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BStBl II 2013, 873, unter II.2.b cc). "Stimmbindungsvereinbarungen" und "Stimmrechtsvollmachten" können bei der Prüfung der finanziellen Eingliederung somit nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ("Geschäftsanteil mit Mehrstimmrecht") ergeben.

30

(2) Während über die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person rechtssicher, einfach und ohne Nachweisschwierigkeiten entschieden werden kann, trifft dies auf die Personengesellschaft nicht zu:

31

(a) Das gesellschaftsrechtliche Stimmrecht beruht bei juristischen Personen auf den Regelungen der notariell zu beurkundenden Satzung (vgl. zur GmbH § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG und zur Aktiengesellschaft § 23 und §§ 8 ff., insbesondere § 12 AktG). Die den Gesellschaftern obliegenden Entscheidungen sind bei den juristischen Personen nach dem Mehrheitsprinzip zu treffen (§ 47 Abs. 1 GmbHG und § 133 Abs. 1 AktG). Daher ist es dem Gesellschafter, der über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, möglich, seinen Willen in der Gesellschaft durchzusetzen.

32

Die Übertragung von Geschäftsanteil und Aktie und des mit ihnen verbundenen Stimmrechts ist zudem rechtssicher nachvollziehbar (vgl. bei der GmbH § 15 Abs. 3 GmbHG und bei der Aktiengesellschaft § 67 AktG und die Inhaberschaft am Wertpapier). Zudem bestehen für Mehrheitsbeteiligungen Meldepflichten (vgl. § 20 Abs. 4 AktG).

33

(b) Demgegenüber gilt bei den Personengesellschaften das Einstimmigkeitsprinzip (vgl. § 709 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- zur GbR, § 119 Abs. 1 HGB zur OHG und § 161 Abs. 2 HGB zur KG). Ein hiervon abweichendes Mehrheitsprinzip steht einer Mehrheitsentscheidung durch nur einen Gesellschafter entgegen, da dann im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu entscheiden sein soll (vgl. § 709 Abs. 2 BGB, § 119 Abs. 2 HGB). Selbst wenn aufgrund darüber hinaus abweichender Regelungen ein Gesellschafter Mehrheitsentscheidungen durchsetzen kann, bestehen zumindest Nachweisschwierigkeiten. Denn abgesehen von Sonderfällen wie etwa der Einbringung von Grundstücken in eine Gesamthand (vgl. § 311b BGB) besteht für den Abschluss und die Änderung von Gesellschaftsverträgen bei Personengesellschaften keinerlei Formzwang. Gesellschaftsvertragliche Stimmrechtsvereinbarungen, die von den §§ 709 BGB und 119 HGB abweichen, können daher auch mündlich getroffen und geändert werden (zur formlosen Änderung trotz Schriftformklausel vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 I R 115/95, BFHE 181, 281, BStBl II 1997, 138, Leitsätze 1 und 2).

34

Im  Kontext des nationalen Rechts,  in dem über die Organschaft ohne besonderes Feststellungsverfahren mit Rückwirkung für alle unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung) stehenden Besteuerungszeiträume der Vergangenheit in jedem Stadium des Besteuerungs- oder Rechtsbehelfsverfahrens neu entschieden werden kann, besteht damit bei Personengesellschaften im Allgemeinen keine hinreichende Grundlage, um die Person des Steuerschuldners einfach und rechtssicher bestimmen zu können (vgl. auch die Grundsatzentscheidung des Senats vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, von der ein anonymisierter Abdruck beiliegt). Über die Organschaft und die mit ihr --wie im Streitfall-- erstrebten günstigen Rechtsfolgen kann auch aus Gründen der allgemeinen Missbrauchsprävention nicht mit Wirkung für die Vergangenheit nach Maßgabe von Vereinbarungen entschieden werden, die nahestehende Personen z.B. mündlich getroffen haben (wollen). Unbeschadet ihrer zivilrechtlichen Wirksamkeit folgt daraus nicht, dass sie auch Grundlage für die Besteuerung sein müssen.

35

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass an die --aufgrund der Organschaft vom Zivilrecht abweichende-- Feststellung des Steuerschuldners höhere Anforderungen zu stellen sind, als bei der bloßen Prüfung, ob z.B. Leistungen gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt werden. Denn das nationale Recht (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) und das Unionsrecht (Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG; Art. 11 MwStSystRL) behandeln die verbundenen Personen zusammen als einen Steuerpflichtigen, wobei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Steuerpflicht ausschließlich auf den Organträger verlagert, indem die juristische Person gegenüber dem Organträger als unselbständig angesehen wird.

36

2. Trotz des vom nationalen Gesetzgeber grundsätzlich vorgesehenen Ausschlusses der Personengesellschaft aus dem Kreis der eingliederungsfähigen Personen, kann die Personengesellschaft ausnahmsweise auf der Grundlage einer teleologischen Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wie eine juristische Person als eingegliedert angesehen werden. Erforderlich ist, dass die finanzielle Eingliederung wie bei einer juristischen Person zu bejahen ist. Dies setzt voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei --der stets möglichen-- Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist.

37

a) "Teleologische Extension" (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 V R 38/08, BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.) setzt eine Regelungslücke voraus. Die Norm muss gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig sein. Ihre Ergänzung darf nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widersprechen. Dass eine gesetzliche Regelung rechtspolitisch als verbesserungsbedürftig anzusehen ist ("rechtspolitische Fehler"), reicht nicht aus. Ihre Unvollständigkeit erschließt sich vielmehr aus dem gesetzesimmanenten Zweck und kann auch bei einem eindeutigen Wortlaut vorliegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.5.a, und vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529, unter II.4.b bb, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Die Gesetzeslücke ist in einer dem Gesetzeszweck, der Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik entsprechenden Weise durch Analogie, teleologische Extension oder Reduktion zu schließen (BFH-Urteil in BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, unter II.5.a). Dies ist Aufgabe der Fachgerichte (vgl. z.B. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 1990  1 BvR 1186/89, BVerfGE 82, 6, Neue Juristische Wochenschrift 1990, 1593, unter C.I.1.).

38

b) Die teleologische Extension einer umsatzsteuerrechtlichen Norm kann auch aus Gründen des Verfassungsrechts notwendig sein.

39

aa) Nach der Rechtsprechung des BVerfG wie auch des erkennenden Senats ist die Bindung an die Grundrechte des Grundgesetzes (GG) auch im Bereich der unionsrechtlich harmonisierten Umsatzbesteuerung zu beachten, soweit das Unionsrecht "den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum einräumt" (BVerfG-Beschluss vom 20. März 2013  1 BvR 3063/10, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 468, unter III.1.; BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 4/09, BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.4.e).

40

Daher sind im Bereich der Organschaft auch verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten. Zwar beruht die Organschaft unionsrechtlich auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Nach der Rechtsprechung des EuGH bedarf die sich aus der Richtlinie ergebende Voraussetzung der engen Verbindungen aber einer Präzisierung auf nationaler Ebene durch nationale Rechtsvorschriften, die den konkreten Umfang solcher Verbindungen bestimmen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50).

41

Übt der nationale Gesetzgeber daher die sich aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergebende Regelungsermächtigung aus, hat er somit im Rahmen der zu seinen Gunsten bestehenden Regelungs- und Präzisierungsbefugnisse die allgemeinen verfassungsrechtlichen Bindungen zu beachten.

42

bb) Zielt der "umsatzsteuerrechtliche Belastungsgrund ... auf die umsatzsteuerliche Erfassung jedes Unternehmers, mag dieser in der Rechtsform einer juristischen Person, in der Rechtsform einer gewerblichen Personengesellschaft oder als freiberuflich Tätiger Umsätze erbringen (...)" (BVerfG-Beschluss in UR 2013, 468, unter III.2.a aa), so ist es gleichwohl mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn z.B. nur Freiberufler-Personenunternehmen, die weder buchführungspflichtig sind noch freiwillig Bücher führen, nicht aber auch buchführungspflichtige Freiberufler-Kapitalgesellschaften die Vorteile der Ist-Besteuerung in Anspruch nehmen können. Denn deren Anwendungsbereich beruht nicht auf "einer allein rechtsformbezogenen Differenzierung", sondern hängt nach § 20 Satz 1 UStG maßgebend davon ab, ob die Unternehmen Bücher führen (BVerfG-Beschluss in UR 2013, 468, unter III.3. zum Senatsurteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.3.b cc 4., in Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 22. Juli 1999 V R 51/98, BFHE 189, 211, BStBl II 1999, 630).

43

So wie das Gebot einer rechtsformneutralen Besteuerung unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Gesetzeszwecks den Anwendungsbereich einer gesetzlichen Vorschrift einzuschränken vermag (vgl. das Senatsurteil in BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, unter II.3.b cc (4), zur Einschränkung von § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG a.F. auf die Unternehmer, die auch freiwillig keine Bücher führen), kann es --umgekehrt-- den Regelungsbereich einer nach ihrem Gesetzeswortlaut zu eng gefassten Norm erweitern.

44

c) Danach ist § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG teleologisch erweiternd auszulegen:

45

aa) § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG stellt mit dem Erfordernis der Eingliederung einer juristischen Person nur vordergründig auf ein rechtsformbezogenes Merkmal ab, das aber nach dem Normzweck dieser Regelung dazu dient, die Voraussetzungen der Organschaft leicht und einfach festzustellen und damit zu der mit der Organschaft angestrebten Verwaltungsvereinfachung und Missbrauchsvermeidung (s. oben unter II.1.c cc (2) (b)) beiträgt. Dementsprechend trifft das Gesetz in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG grundsätzlich eine sachlich vertretbare Unterscheidung danach, ob die einzugliedernde Gesellschaft eine juristische Person ist und verstößt deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

46

Erlauben die mit § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verfolgten Regelungsziele unter Berücksichtigung der Besonderheiten des nationalen Gesellschaftsrechts im Allgemeinen die Begrenzung auf eingegliederte juristische Personen und damit einen Ausschluss der Personengesellschaft (s. oben II.1.c cc (2) (b)), rechtfertigt dies nicht den Ausschluss der Personengesellschaften, bei denen das dort grundsätzlich bestehende Einstimmungsprinzip (s. oben II.1.c cc (2) (b)) von vornherein ohne Bedeutung ist und daher bereits abstrakt einer finanziellen Eingliederung nicht entgegenstehen kann. Ein Ausschluss auch derartiger Personengesellschaften ist mit dem --auf die Beschränkung juristischer Personen verfolgten-- Regelungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht zu vereinbaren. Damit liegt eine Regelungslücke vor, da ein bestimmter Sachbereich zwar gesetzlich geregelt ist, aber keine Vorschrift für die Fälle enthält, die nach dem Grundgedanken und dem System des Gesetzes hätten mitgeregelt werden müssen. Es handelt sich daher um eine Regelung, die gemessen an ihrem Zweck unvollständig und ergänzungsbedürftig ist.

47

bb) Die bei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestehende Gesetzeslücke ist entsprechend dem Gesetzeszweck in der Weise zu schließen, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erweiternd auch auf die Personengesellschaft anzuwenden ist, bei der neben dem Organträger Gesellschafter nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (Änderung der Rechtsprechung). Trifft dies auf alle Gesellschafter der Personengesellschaft zu, kann der Organträger seinen Willen durchsetzen, so dass dem allgemeinen Einstimmigkeitsprinzip bei der Personengesellschaft (s. oben II.1.c cc (2) (b)) von vornherein keine Bedeutung zukommt. Denn sind die Mitgesellschafter bei der Personengesellschaft finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert, ist das bei der Personengesellschaft grundsätzlich bestehende Einstimmigkeitserfordernis allgemein ungeeignet, einer Willensdurchsetzung des Organträgers bei der Organgesellschaft entgegenzustehen. Ist neben dem Organträger z.B. eine Personengesellschaft Mitgesellschafter, kommt es dementsprechend darauf an, dass auch in Bezug auf deren Gesellschafter eine finanzielle Eingliederung ausnahmslos --in einer bis zum Organträger reichenden Organkette-- zu bejahen ist.

48

Dies steht nicht im Widerspruch zu der vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung der Organschaft auf bestimmte Tatbestände, sondern erweitert den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur unter strikter Beachtung der dieser Vorschrift zugrunde liegenden Wertungen der Rechtssicherheit, Verwaltungsvereinfachung und Missbrauchsvermeidung.

49

cc) Der erkennende Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Soweit dieser in seinen Vorlagebeschlüssen in BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428 davon ausgegangen ist, dass eine Personengesellschaft nicht Organgesellschaft sein kann, haben diese Entscheidungen, denen kein abschließender Charakter zukommt, keine Bindungswirkung (vgl. z.B. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 28a; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 4). Dies gilt jedenfalls dann, wenn es um die Beurteilung im Anschluss an das auf die BFH-Vorlage ergangene EuGH-Urteil geht.

50

3. Eine weitergehende Organschaft, die allgemein eine Eingliederung von Personengesellschaften ermöglichen würde, ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht.

51

a) Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Diese Regelung dient der "Verwaltungsvereinfachung" und der "Verhinderung bestimmter Missbräuche" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 40).

52

b) Der Steuerpflichtige kann sich gegenüber dem nationalen Recht nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

53

aa) Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG erfüllt "nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten", sondern hat nur "bedingten Charakter". Dies beruht darauf, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene enge Verbindung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht einer "Präzisierung auf nationaler Ebene" bedarf und die "Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang dieser Verbindungen bestimmen" (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 50 f.).

54

bb) Entscheiden sich Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dafür, Regelungen zur Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen zu schaffen, haben sie bei der Ausübung der ihnen zustehenden Präzisierungsbefugnis die hierfür unionsrechtlich bestehenden Anforderungen zu berücksichtigen.

55

(1) Die Mitgliedstaaten haben zu beachten, dass sie die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG mögliche Zusammenfassung zu einem Steuerpflichten nicht von weiteren als den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen abhängig machen dürfen (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 38) und dass das Unionsrecht die Regelung zur Mehrwertsteuergruppe nicht allein den Einheiten vorbehält, die juristische Person sind (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Leitsatz 2). Auf eine Unterordnung darf nur ausnahmsweise abgestellt werden, etwa wenn dies zur z.B. "Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen" erforderlich und geeignet ist (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 39 ff.). Hierüber hat das nationale Gericht zu entscheiden (EuGH-Urteil Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz 43).

56

(2) Die auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG getroffenen Regelungen haben --wie stets-- den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beachten. Danach müssen "die Vorschriften des Unionsrechts eindeutig sein" und ihre Anwendung muss für die Betroffenen vorhersehbar sein, "wobei dieses Gebot der Rechtssicherheit in besonderem Maß gilt, wenn es sich um Vorschriften handelt, die finanzielle Konsequenzen haben können, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch diese Vorschriften auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen". Zudem "müssen die Rechtsnormen der Mitgliedstaaten auf den vom Unionsrecht erfassten Gebieten eindeutig formuliert sein, so dass den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht wird, und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt werden, deren Einhaltung sicherzustellen" (EuGH-Urteil Tomoiagă, EU:C:2015:452, Rz 35, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Bei der Regelung zur Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen handelt es sich aufgrund der damit verbundenen Verlagerung der Steuerschuld von der Organgesellschaft auf den Organträger "um Vorschriften ..., die finanzielle Konsequenzen haben können".

57

c) Unter Berücksichtigung dieser Erfordernisse besteht für den nationalen Gesetzgeber eine hinreichende unionsrechtliche Grundlage, die Regelung zur Organschaft im Grundsatz auf die Eingliederung juristischer Personen zu beschränken.

58

aa) Die Einschränkung der Organschaft auf die Eingliederung juristischer Personen dient nicht dazu, die Umsatzbesteuerung rechtsformabhängig auszugestalten, sondern soll den unionsrechtlich auch vom EuGH anerkannten Präzisierungsvorbehalt rechtssicher ausfüllen (s. oben unter II.1.c cc).

59

bb) Kann aufgrund der Besonderheiten des nationalen Gesellschaftsrechts im Regelfall nur bei juristischen Personen mit der erforderlichen Klarheit und damit rechtssicher über die Eingliederungsvoraussetzungen entschieden werden (s. oben II.1.c cc), rechtfertigt dies die grundsätzliche Einschränkung auf eine Eingliederung juristischer Personen. Zudem trägt der erkennende Senat den Erfordernissen des Unionsrechts, insbesondere dem Ziel einer im Grundsatz rechtsformneutralen Besteuerung (s. oben II.2.c), dadurch Rechnung, dass er in Sonderfällen, in denen die Eingliederungsvoraussetzungen auch in Bezug auf Tochterpersonengesellschaften zweifelsfrei vorliegen, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG teleologisch erweiternd auslegt (s. oben II.2.c).

60

4. Danach hat das FG im Streitfall die Eingliederung der beiden KGs zu Unrecht aufgrund einer allgemeinen Gleichstellung von juristischen Personen und Personengesellschaften bejaht. Beide KGs sind indes nur dann Organgesellschaften der Klägerin, wenn z.B. neben der Klägerin als mögliche Organträgerin nur die B-GmbH als Gesellschafterin an den beiden KGs beteiligt gewesen wäre und in Bezug auf die B-GmbH eine finanzielle Eingliederung in das Unternehmen der Klägerin besteht. Zwar erscheint dies nach Aktenlage möglich, jedoch bestehen noch Unklarheiten in Bezug auf die zahlreichen Umwandlungsvorgänge. Daher sind ausdrückliche Feststellungen zum Gesellschafterkreis der beiden KGs und der finanziellen Eingliederung dieser Gesellschafter in das Unternehmen der Klägerin nachzuholen.

61

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die beim Einbau von Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär- und Klimaanlagen sowie im Trockenausbau steuerpflichtige Leistungen erbrachte. Der Kläger hatte Geschäftsräume an die GmbH vermietet. Er versteuerte die Umsätze der GmbH als deren Organträger nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes jeweils in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG).

2

Im März 2002 beantragte der Kläger für die GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Das zuständige Amtsgericht ordnete am 19. März 2002 Sicherungsmaßnahmen an und bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Der Beschluss hatte folgenden Wortlaut:

3

"1. Es wird gemäß § 21 Abs. 2 Ziffern 1 und 2 InsO die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Antragstellerin angeordnet.

4

2. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wird bestellt: Rechtsanwalt S ... .

5

3. Es wird angeordnet, dass Verfügungen der Antragstellerin nur noch mit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Ziffer 2, 2. Alt. InsO)

6

4. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Antragstellerin. Er wird ermächtigt, mit rechtlicher Wirkung für die Antragstellerin zu handeln, ist jedoch verpflichtet, diese Befugnis nur dann wahrzunehmen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgaben schon vor Verfahrenseröffnung dringend erforderlich ist. Der vorläufige Insolvenzverwalter soll insbesondere gemäß § 22 Abs. 2 InsO

7

a) das Vermögen der Antragstellerin sichern und erhalten;

8

b) prüfen, ob ein nach der Rechtsform der Antragstellerin maßgeblicher Eröffnungsgrund vorliegt, ob eine freie Vermögensmasse zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausreicht und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens der Antragstellerin bestehen.

9

Die Verfügungsbefugnis über bestehende Arbeitsverhältnisse obliegt weiterhin der Antragstellerin; die Begründung, Änderung und Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse bedürfen jedoch der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters.

10

5. Der Antragstellerin wird jegliche Verfügung über Bankkonten und damit zusammenhängende Kreditsicherheiten, Verträge und Rechtsgeschäfte untersagt und die Verfügungsbefugnis insoweit ausschließlich dem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen.

11

Den Schuldnern der Antragstellerin (Drittschuldnern) wird verboten, an die Antragstellerin zu leisten. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Bankguthaben, Zahlungseingänge auf Konten und sonstige Forderungen der Antragstellerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Drittschuldner werden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO). ..."

12

Während des Eröffnungsverfahrens wurden Bauvorhaben fortgeführt und Restarbeiten vorgenommen. Die GmbH stellte ihren Geschäftsbetrieb zum 31. März 2002 ein. Das Insolvenzgericht eröffnete mit Beschluss vom 20. August 2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH.

13

Der Kläger gab für das Streitjahr 2002 keine Umsatzsteuererklärung ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ am 11. November 2003 einen Schätzungsbescheid für das Streitjahr, der unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) erging. Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA davon aus, dass der von der GmbH in Anspruch genommene Vorsteuerabzug bei Insolvenzeröffnung insoweit wegen Uneinbringlichkeit gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen sei, als die GmbH Entgelte für die von ihr bezogenen Leistungen nicht entrichtet hatte. Das FA erließ am 2. Januar 2006 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid, in dem ein entsprechender Vorsteuerberichtigungsanspruch berücksichtigt wurde. Auch hiergegen erhob der Kläger Einspruch. In der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2007 erhöhte das FA im Einvernehmen mit dem Kläger die Umsatzsteuer für Ausgangsumsätze und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

14

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Die Organschaft habe nicht bereits mit der Bestellung des vorläufigen Verwalters geendet, sondern bis zur Insolvenzeröffnung bestanden, so dass sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch gegen den Kläger als Organträger gerichtet habe.

15

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Die für die Organschaft erforderliche organisatorische Eingliederung sei bereits mit der Bestellung des vorläufigen Verwalters entfallen, so dass sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch nicht gegen ihn richte. Der vorläufige Verwalter habe wie ein starker Verwalter gehandelt und ihm faktisch die Geschäftsführung entzogen. Der vorläufige Verwalter habe seine insolvenzrechtlichen Befugnisse überschritten und Arbeitskräfte beschäftigt. Er habe eigene operative Geschäftsentscheidungen getroffen. Es hätte im Verfahren vor dem FG eine Beweisaufnahme durchgeführt werden müssen. Mit Schreiben vom 29. Juli 2002 habe der vorläufige Insolvenzverwalter die an die GmbH vermieteten Räume freigegeben, so dass zumindest zu diesem Zeitpunkt die wirtschaftliche Eingliederung entfallen sei. Es sei im Übrigen auch nicht zwischen starker und schwacher vorläufiger Insolvenzverwaltung zu differenzieren. Schließlich sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) fraglich, ob der Ausschluss einer abweichenden Willensbildung in der GmbH für eine organisatorische Eingliederung ausreiche.

16

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG und den Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 11. November 2003, geändert durch den Bescheid vom 2. Januar 2006, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2007 aufzuheben und Umsatzsteuer in Höhe von 1.571,19 € festzusetzen.

17

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

18

Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH sei von einem Fortbestand der Organschaft auszugehen. Der Kläger habe sich nicht mehr um die Geschäftsführung der GmbH gekümmert. Er hätte auf eine Änderung des vom Insolvenzgericht gefassten Beschlusses hinwirken können. Von einer Zeugeneinvernahme des Insolvenzverwalters habe das FG zu Recht abgesehen.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die organisatorische Eingliederung einer GmbH in das Unternehmen des Organträgers endet, wenn das Insolvenzgericht für die GmbH einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und dabei gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 der Insolvenzordnung (InsO) anordnet, dass Verfügungen der GmbH nur noch mit seiner Zustimmung wirksam sind.

20

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

21

Unionsrechtlich beruhte diese Vorschrift im Streitjahr auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

22

Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG führt die Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu einer "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019 Rdnr. 19; zur Behandlung mehrerer Personen als einen Steuerpflichtigen vgl. auch EuGH-Urteile vom 9. April 2013 C-85/11, Kommission/ Irland, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 418 Rdnrn. 35 ff., und vom 25. April 2013 C-480/10, Kommission/Schweden, UR 2013, 423 Rdnrn. 33 ff.), für die nach ständiger BFH-Rechtsprechung ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen einer Organgesellschaft als "untergeordneter Person" und dem sog. Organträger vorliegen muss (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1.; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a aa; vom 3. April 2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.1.; vom 22. April 2010 V R 9/09, BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b aa, und zuletzt vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.1.).

23

2. Die Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dienen der Feststellung, ob das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis besteht. Dabei kommt es insbesondere auf die finanzielle und die organisatorische Eingliederung an.

24

a) Finanziell muss der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167, unter II.1.a; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a dd; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144, BFH/NV 2009, 1734, unter II.2.b aa; in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.2.; vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2., und in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.2.a). Aufgrund des Erfordernisses eines zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft bestehenden Über- und Unterordnungsverhältnisses hat der Senat seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der eine Organschaft auch zwischen Schwestergesellschaften bestehen konnte (Senatsurteil in BFHE 229, 433, BStBl II 2011, 597, unter II.3.b aa, und dem folgend BFH-Urteil in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.3.d).

25

b) Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.2.; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.f aa; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.b, und die bisherige Rechtsprechung zusammenfassend vom 28. Oktober 2010 V R 7/10, BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.2., m.w.N.).

26

Hiervon ist z.B. dann auszugehen, wenn bei zwei GmbHs eine Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen besteht (BFH-Urteile vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, unter II.1.c bb; in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.3.; ebenso nunmehr Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 2 des Umsatzsteueranwendungserlasses --UStAE-- in der Fassung des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 7. März 2013, BStBl I 2013, 333). Sind für die Organ-GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt und zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ-GmbH berechtigt ist (BFH-Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.a aa; ebenso Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 8 UStAE).

27

3. Der erkennende Senat ist in seiner bisherigen Rechtsprechung insbesondere zur Bestellung von Verwaltern im Vorfeld einer Konkurs- oder Insolvenzeröffnung davon ausgegangen, dass sich die organisatorische Eingliederung --ohne Möglichkeit zur Willensdurchsetzung-- auch daraus ergeben kann, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (so erstmals Senatsurteil vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, unter II.a bb; zur sog. Sicherungssequestration unter der Geltung der Konkursordnung Senatsurteile vom 13. März 1997 V R 96/96, BFHE 182, 426, BStBl II 1997, 580, unter II.2.; vom 28. Januar 1999 V R 32/98, BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.1. und 2.; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II.3., und zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt Senatsurteil vom 1. April 2004 V R 24/03, BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905, unter II.2.). Der Senat, der in seinem Urteil in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.3.b ausdrücklich offengelassen hat, ob diese Rechtsprechung fortzuführen ist, hält hieran nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht fest.

28

a) Die "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" aufgrund der Organschaft (s. oben II.1.) hat zur Folge, dass der Organträger als Steuerpflichtiger für alle Organgesellschaften "öffentliche Gelder" als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen hat, wie der EuGH ausdrücklich entschieden hat (EuGH-Urteile vom 20. Oktober 1993 C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105 Rdnr. 25, und vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, Slg. 2008, I-771 Rdnr. 21). Dies erfordert, dass zwischen Organträger und Organgesellschaft ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht (s. oben II.1.), durch das der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung auch rechtlich wahrnehmen kann. Nicht ausreichend ist, dass der Organträger bei der Organgesellschaft lediglich eine von seinem Willen abweichende Willensbildung ausschließen kann, da ein derartiges Vetorecht es dem Organträger nicht ermöglicht, die Aufgabe des "Steuereinnehmers" für die Organgesellschaft zu erfüllen.

29

Eine organisatorische Eingliederung aufgrund eines bloßen Ausschlusses einer vom Willen des Organträgers abweichenden Willensbildung in der Organgesellschaft lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass für eine Organschaft die Eingliederungsvoraussetzungen nicht gleichermaßen stark ausgeprägt sein müssen (vgl. Senatsurteile in BFH/NV 1993, 133, unter II.a aa; vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II.2.a; in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.2.; in BFH/NV 2002, 223, unter II.3., und in BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905, unter II.2.; in BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a bb; in BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b; in BFH/NV 2008, 1365, unter II.2.d; in BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a, und vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II.1.b). Denn eine weniger starke Ausprägung einer einzelnen Eingliederungsvoraussetzung rechtfertigt nicht den Verzicht auf das Erfordernis einer Willensdurchsetzung. Daher setzt die finanzielle Eingliederung stets eine Mehrheitsbeteiligung (s. oben II.2.a) voraus, so dass eine nur ein bloßes Vetorecht vermittelnde Sperrminorität von z.B. 50 % der Stimmrechte nicht ausreicht.

30

b) Kommt es für die organisatorische Eingliederung auf die Möglichkeit zur Willensdurchsetzung an und reicht die Verhinderung einer abweichenden Willensbildung nicht aus, entfällt --selbst wenn der bisherige Organträger einziger Geschäftsführer der GmbH bleibt-- die organisatorische Eingliederung, wenn für die GmbH ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit allgemeinen Zustimmungsvorbehalt bestellt wird. Da der vorläufige Insolvenzverwalter nicht nur befugt, sondern insolvenzrechtlich sogar verpflichtet ist, Zahlungen der GmbH an den bisherigen Organträger zu verhindern, entfällt für den Organträger die Möglichkeit, die GmbH zu beherrschen und die Steuer für die Umsätze aus der Tätigkeit der bisherigen Organgesellschaft als Steuerschuldner und damit als "Steuereinnehmer" zu entrichten.

31

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bewirkt der Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO, dass der vorläufige Insolvenzverwalter wirksame rechtsgeschäftliche Verfügungen des Schuldners verhindern kann. Der Zustimmungsvorbehalt berechtigt den vorläufigen Insolvenzverwalter zwar nicht dazu, den Schuldner gegen dessen Willen zu Handlungen anzuhalten. Der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt kann aber auf die Vertragsabwicklung durch den Schuldner dadurch Einfluss nehmen, dass er Vermögensverringerungen des Schuldners durch die Erfüllung von Verbindlichkeiten im Interesse der Gleichbehandlung aller Gläubiger verhindert (BGH-Urteil vom 18. Juli 2002 IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353, unter III.2.c bb).

32

Wie der BGH weiter entschieden hat, hat sich der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt am Ziel zu orientieren, die Forderungen einzelner Gläubiger nur zu erfüllen --und somit das Schuldnervermögen nur zu vermindern--, wenn dies im Einzelfall zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben, etwa zur Fortführung des Schuldnerunternehmens, im Interesse der Gläubigergesamtheit erforderlich oder wenigstens zweckmäßig erscheint. Auch der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt muss die künftige Masse sichern und erhalten. Es ist daher insbesondere nicht seine Aufgabe, einer Erfüllungshandlung des Schuldners durch seine Zustimmung Wirksamkeit zu verleihen, falls dies nicht im Interesse aller Gläubiger liegt. Vielmehr darf er die Rechtsfolge des § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO durch einen Widerspruch oder die Verweigerung der Zustimmung zu einer Genehmigung des Schuldners vorwegnehmen (BGH-Urteil vom 4. November 2004 IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49, unter II.3.b bb (1)).

33

Der BGH hat an dieser Rechtsprechung in der Folgezeit festgehalten und bestätigt, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter im Hinblick auf den schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung mehr Rechte zustehen als dem Schuldner, dass der vorläufige Insolvenzverwalter zweifelsfrei nicht verpflichtet sei, einen Gläubigeranspruch zu erfüllen, der im Insolvenzverfahren lediglich eine einfache Insolvenzforderung darstelle, weil er einer nicht insolvenzgesicherten Forderung keine Vorzugsstellung gegenüber ranggleichen Forderungen einräumen dürfe und dass dies auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gelte (BGH-Urteil vom 25. Oktober 2007 IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84, unter II.1.e).

34

bb) Nach dieser BGH-Rechtsprechung kann der Organträger den ihm nach § 426 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches zustehenden Anspruch gegen die Organgesellschaft auf Zahlung der Umsatzsteuer, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Organgesellschaft verursacht ist (BGH-Urteil vom 29. Januar 2013 II ZR 91/11, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht --WM-- 2013, 468, unter II.2.b), nicht mehr durchsetzen. Denn hat der vorläufige Insolvenzverwalter die Pflicht zur Massesicherung, ist er berechtigt, seine Zustimmung zur Weiterleitung einer von der Organgesellschaft für Ausgangsleistungen vereinnahmten Umsatzsteuer an den Organträger zu verweigern. Dies steht der Annahme, dass der Organträger aufgrund einer Verschmelzung zu einem Steuerpflichtigen (s. oben II.1.) Steuereinnehmer auch für das Unternehmen der --ohne die Organschaft umsatzsteuerrechtlich selbständigen-- Organgesellschaft sein kann (s. oben II.3.a), entgegen.

35

c) Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH ab. Auch der XI. Senat des BFH verlangt für die finanzielle Eingliederung, dass der Organträger über die Mehrheit der Stimmrechte bei der abhängigen juristischen Person verfügt und dass ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht (BFH-Urteil in BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, unter II.2.). Es besteht darüber hinaus kein Widerspruch zum Urteil des XI. Senats vom 14. März 2012 XI R 28/09 (BFH/NV 2012, 1493), das nicht zum Fortbestand der Organschaft bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, sondern zur Frage ergangen ist, ob bei einem unterstellten Fortbestand der Organschaft zugunsten des Organträgers ein Anspruch auf Billigkeitserlass nach § 163 AO besteht. Eine Abweichung liegt nach ständiger BFH-Rechtsprechung nur bei einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage (vgl. z.B. zuletzt BFH-Urteil vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFH/NV 2013, 1138, unter II.4.d) und daher nur dann vor, wenn eine "Rechtsfrage unter dieselbe Rechtsvorschrift zu subsumieren ist" (BFH-Urteil vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569, unter II.6.a), so dass in dem den Streitfall betreffenden Festsetzungsverfahren nicht von einer Entscheidung zum Billigkeitsverfahren nach § 163 AO abgewichen werden kann, zumal in diesem Billigkeitsverfahren gemäß § 102 FGO eine nur eingeschränkte Überprüfung einer vom FA getroffenen Ermessensentscheidung erfolgt (BFH-Urteil vom 20. September 2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518, BFH/NV 2013, 103, unter II.1.b). Soweit der XI. Senat des BFH schließlich die Frage des Fortbestehens einer Organschaft als nicht grundsätzlich bedeutsam i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO angesehen hat (BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 2008 XI B 224/07, juris; vom 11. November 2008 XI B 65/08, BFH/NV 2009, 235, und vom 10. März 2009 XI B 66/08, BFH/NV 2009, 977), handelt es sich um Beschwerdeentscheidungen über die Zulassung der Revision, die nicht zu einer entscheidungserheblichen Divergenz führen. Denn im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision entscheidet der BFH im Rahmen einer auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Nichtzulassungsbeschwerde nicht über die der Beschwerde zugrunde liegende materielle Rechtsfrage (vgl. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 11 FGO Rz 29; ebenso zur fehlenden Abweichung von Beschlüssen im Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung BFH-Urteil vom 22. April 2008 VII R 21/07, BFHE 220, 319, BStBl II 2008, 735, unter II.2.).

36

4. Im Streitfall ist danach das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

37

a) Die GmbH war zunächst in das Unternehmen des Klägers organisatorisch eingegliedert, da der Kläger einziger Geschäftsführer der GmbH war. Entgegen dem Urteil des FG entfiel die organisatorische Eingliederung aber mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters für die GmbH, zu dessen Gunsten das Insolvenzgericht den Zustimmungsvorbehalt i.S. von § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO angeordnet hatte. Ob und welche weiter gehenden Rechte das Insolvenzgericht dem vorläufigen schwachen Verwalter einräumte, ist unerheblich. Ohne Bedeutung ist deshalb, ob sich der vorläufige schwache Verwalter wie ein starker, allgemein geschäftsführungsbefugter vorläufiger Verwalter gerierte, welche weiteren Befugnisse ihm zustanden und ob zu einem späteren Zeitpunkt auch die wirtschaftliche Eingliederung entfallen ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger beim Insolvenzgericht auf eine Änderung der nach § 21 InsO getroffenen Anordnungen hätte drängen können.

38

b) Die Sache ist nicht spruchreif. Da die Organschaft im Streitfall bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt endete, hat der Kläger die im Anschluss an diese Bestellung ausgeführten Umsätze der GmbH nicht zu versteuern. Diese sind im zweiten Rechtsgang der Höhe nach festzustellen.

39

c) In Bezug auf den vom FA gegen den Kläger geltend gemachten Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG wird im zweiten Rechtsgang zu beachten sein, dass die Organschaft zwar bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Verwalters mit Zustimmungsvorbehalt geendet hat, dass die nach dieser Vorschrift erforderliche Uneinbringlichkeit im selben Zeitpunkt --und damit vor einem möglichen Entfallen der wirtschaftlichen Eingliederung-- eingetreten ist, so dass die Organschaft noch im Zeitpunkt des Eintritts der Uneinbringlichkeit bestand und sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch daher gegen den Kläger als Organträger richtete (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 2002 V R 22/01, BFH/NV 2002, 1352, unter II.2.).

40

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Vorsteuerberichtigungsanspruch spätestens "im Augenblick" der Insolvenzeröffnung begründet (vgl. BFH-Urteile vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, unter II.2.c, und vom 9. Dezember 2010 V R 22/10, BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II.3.b). Uneinbringlichkeit kann aber auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Leistungsempfänger zahlungsunfähig wird (BFH-Beschluss vom 10. März 1983 V B 46/80, BFHE 138, 107, BStBl II 1983, 389, unter 3.).

41

bb) Weder die Stellung eines Insolvenzantrags noch die bloße Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters reicht für sich allein zur Annahme der Uneinbringlichkeit aus (BGH-Urteil vom 19. Juli 2007 IX ZR 81/06, WM 2007, 1708, unter II.2.b bb).

42

Anders ist es, wenn das Insolvenzgericht sich nicht darauf beschränkt, einen vorläufigen Insolvenzverwalter nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO zu bestellen, sondern darüber hinaus gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt oder --wie im Streitfall-- allgemein anordnet, dass seine Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam sind (zur Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, zu dessen Gunsten weder ein allgemeines Verfügungsverbot noch ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt besteht, vgl. Haarmeyer, in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage 2013, § 22 Rz 128). Im Hinblick auf die Pflicht des vorläufigen Verwalters zur Massesicherung und dem sich hieraus ergebenden Verbot, die Gläubigeransprüche zu erfüllen, die vor seiner Bestellung begründet wurden und die im Insolvenzverfahren lediglich Insolvenzforderungen sind (s. oben II.3.b aa), haben beide Arten der Verfügungsbeschränkung nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO und damit auch die Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts zur Folge, dass der Gläubiger seinen Entgeltanspruch --selbst wenn es nachfolgend zu keiner Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, sondern diese z.B. mangels Masse unterbleibt-- zumindest für die Dauer des Eröffnungsverfahrens und damit im Regelfall über einen längeren Zeitraum von ungewisser Dauer (BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 49/10, BFH/NV 2012, 1665, unter II.2.a) nicht mehr durchsetzen kann. Dies gilt unabhängig davon, welche weiteren Befugnisse für den vorläufigen Insolvenzverwalter im jeweiligen Einzelfall bestehen. Dementsprechend ist im Streitfall bereits aufgrund der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt von einer Uneinbringlichkeit auszugehen.

43

5. Auf die Verfahrensrüge kam es nicht mehr an.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Das Gericht kann in geeigneten Fällen ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides mündliche Verhandlung beantragen. Hat das Finanzgericht in dem Gerichtsbescheid die Revision zugelassen, können sie auch Revision einlegen. Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Aufwendungen der Finanzbehörden sind nicht zu erstatten.

(3) Gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistands, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind stets erstattungsfähig. Aufwendungen für einen Bevollmächtigten oder Beistand, für den Gebühren und Auslagen gesetzlich nicht vorgesehen sind, können bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte erstattet werden. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind die Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Steht der Bevollmächtigte oder Beistand in einem Angestelltenverhältnis zu einem Beteiligten, so werden die durch seine Zuziehung entstandenen Gebühren nicht erstattet.

(4) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.