Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 23. Jan. 2012 - 5 K 64/11

ECLI:ECLI:DE:FGSH:2012:0123.5K64.11.0A
bei uns veröffentlicht am23.01.2012

Tenor

Der Nachforderungsbescheid des Beklagten über Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für die Zeit von Dezember 2005 bis Juni 2010 vom 10. November 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. März 2011 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine unentgeltliche Mahlzeitengewährung an im Betrieb des Klägers angestellte Arbeitnehmer einen lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteil darstellt.

2

Der Kläger betrieb im streitigen Zeitraum von Dezember 2005 bis Juni 2010 als Einzelunternehmer das Kinderheim X. In dem Kinderheim werden vom Jugendamt zugewiesene Kinder aus problematischen familiären Situationen - ganz überwiegend im Alter zwischen 9 und 16 Jahren - betreut. Die Betreuung wird von angestellten Betreuern übernommen. Jeder Betreuer ist nach dem jeweils von ihm abgeschlossenen Arbeitsvertrag verpflichtet, die Kinder 40 Stunden pro Woche zu betreuen und zu begleiten. Durch den Anstellungsvertrag wird der Aufgabenbereich der Betreuer nach § 1 wie folgt konkretisiert:

3

„Der Arbeitnehmer wird als Erzieher im Kinderheim X eingestellt und mit einschlägigen Arbeiten nach näherer Weisung des Arbeitgebers beschäftigt. Die Tätigkeit beinhaltet insbesondere die Versorgung der Kinder und Jugendlichen in allen Bereichen, die Wahrnehmung von Elternabenden, Teilnahme an den Dienstbesprechungen, Arzt- und ähnliche Besuche mit den Kindern, Teilnahme an Ferienfreizeiten, Versorgung von Haushalt und Wäsche und anderen Arbeiten, die in einem Kinderheim täglich anfallen bzw. regelmäßig wiederkehren. Der Arbeitnehmer hat Anweisungen und Richtlinien des Arbeitgebers zu befolgen. Er ist insbesondere verpflichtet, im Bedarfsfall auch andere Arbeiten zu verrichten. Die Parteien sind sich darüber einig, dass Aufgabenbereich und Tätigkeitsort durch den Arbeitgeber geändert werden können…“

4

Im Rahmen der Betreuung der Kinder nehmen die Betreuer des Kinderheims auch an den täglichen Mahlzeiten teil. Diese Mahlzeiten werden den Betreuern unentgeltlich gewährt. Das Frühstück wird dabei in der Regel zwischen 6:30 Uhr und 8:00 Uhr eingenommen. An dem Frühstück nimmt immer derjenige Betreuer teil, der über Nacht zur Überwachung der Kinder im Haus verblieben ist. Die übrigen Betreuer - zumeist vier für die in den Streitjahren betreuten durchschnittlich ca. 17 Kinder - nehmen sodann am Mittagessen, das etwa gegen 13:00 Uhr stattfindet, sowie am Abendessen, das für jüngere Kinder um 18:00 Uhr und für ältere Kinder um 19:00 Uhr stattfindet, teil. Im Rahmen der Teilnahme an den Mahlzeiten wird von den Betreuern auch die Einhaltung bestimmter den Kindern übertragener Aufgaben (so genannte „Ämter“ wie bspw. Auf- und Abdecken des Tischs) überwacht.

5

Die derzeit bei dem Kläger angestellten Betreuer bestätigten eine bereits in den Streitjahren erteilte mündliche Weisung des Klägers zur verpflichtenden Teilnahme an den Mahlzeiten. Sie erklärten dazu Folgendes:

6

„Zu unseren Tätigkeiten gehört gemäß § 1 unserer Arbeitsverträge die Versorgung der Kinder und Jugendlichen in allen Bereichen. Hierzu zählt ausdrücklich die Teilnahme an den gemeinsamen Mahlzeiten in der Einrichtung während unserer Arbeitszeiten. Bei der dem Kinderheim X handelt es sich um ein familienorientiertes Kleinheim. Durch die Teilnahme an den Mahlzeiten wird sichergestellt, dass die angestrebten pädagogischen Ziele der Einrichtung, d. h. die Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit unter Beachtung der individuellen Bedürfnisse und Lebensgeschichten der anvertrauten jungen Menschen, konsequent verfolgt werden.“

7

Vom 16. September bis 25. Oktober 2010 fand bei dem Kläger betreffend den Prüfungszeitraum 1. Dezember 2005 bis 30. Juni 2010 eine Lohnsteueraußenprüfung statt. Im Rahmen dieser Prüfung gelangte der Lohnsteueraußenprüfer zu der Auffassung, dass die seitens des Klägers den angestellten Betreuern gewährten unentgeltlichen Mahlzeiten einen geldwerten Vorteil darstellten und daher als Arbeitslohn der Lohnsteuer zu unterwerfen seien.

8

Nachdem der Kläger einen Antrag auf Pauschalierung gestellt hatte, ermittelte der Lohnsteueraußenprüfer für den in Rede stehenden Zeitraum einen zusätzlich der Lohnsteuer zu unterwerfenden Betrag für 2006 von 5.187,00 €, für 2007 von 5.250,00 €, für 2008 von 5.250,00 €, für 2009 von 5.376,00 € sowie für den Zeitraum bis 30. Juni 2010 von 3.840,00 €.

9

Dabei ging er für das Frühstück von folgenden Wertansätzen aus:

10

2006: 44,30 € monatlich pro Person

2007: 45,00 € monatlich pro Person

2008: 45,00 € monatlich pro Person

2009: 46,00 € monatlich pro Person

und 1 - 6 2010: 46,00 € monatlich pro Person.

11

Den Wert für das Mittag-/Abendessen setzte der Prüfer wie folgt an:

12

2006: 79,20 € monatlich pro Person

2007: 80,00 € monatlich pro Person

2008: 80,00 € monatlich pro Person

2009: 82,00 € monatlich pro Person

und 1 - 6 2010: 82,00 € monatlich pro Person.

13

In den Jahren 2006 bis 2009 legte der Lohnsteueraußenprüfer seinen Ermittlungen unter Berücksichtigung von Abwesenheitszeiten (Urlaub, Krankheit etc.) jeweils 10,5 Monate der Gewährung von Mahlzeiten für durchschnittlich 4 Arbeitnehmer zu Grunde. Im Zeitraum Januar bis Juni 2010 setzte er 6 Monate für durchschnittlich 5 Arbeitnehmer an. Auf dieser Grundlage ermittelte er unter Berücksichtigung eines Steuersatzes von 25 % eine nachzuzahlende Lohnsteuer von 6.275,75 €, einen Solidaritätszuschlag von 342,40, €, eine evangelische Kirchensteuer von 317,49 € und eine römisch-katholische Kirchensteuer von 56,02 €. Ergänzend wird insoweit auf den Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung vom 26. Oktober 2010 Bezug genommen.

14

Dem folgend setzte der Beklagte mit Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom 10. November 2011 für die Zeit von Dezember 2005 bis Juni 2010 entsprechende Lohnsteuernachforderungsbeträge fest.

15

Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch vom 18. November 2010, mit dem er im Wesentlichen geltend macht:

16

Nach ständiger BFH-Rechtsprechung liege ein Arbeitslohn nicht vor, wenn der Arbeitgeber Zuwendungen in ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse leiste. Wenn sich der zugewendete Vorteil bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweise, liege kein Arbeitslohn vor. Ein solches überwiegend eigenbetriebliches Interesse sei dann gegeben, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils ergebe, dass die betriebliche Zielsetzung ganz im Vordergrund stehe. Ausgehend von diesen Kriterien liege im Streitfall ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse vor. Um die dem Heim anvertrauten Kinder und Jugendlichen in ein „Miteinander Leben“ zu integrieren, seien diverse Leistungen der Mitarbeiter erforderlich. Dazu gehöre auch die notwendige Aufsicht und Betreuung bei der gemeinsamen Einnahme der täglichen Mahlzeiten. Anders als bspw. bei der verpflichtenden Gemeinschaftsverpflegung von Polizeianwärtern oder Haus-, Hotel- und Krankenhausangestellten komme es hier nicht zu einer ungestörten Mahlzeiteneinnahme. Denn die Erzieher seien mit der Überwachung der Mahlzeiten beauftragt, müssten also ggf. auch eingreifen, wenn es zu Streitigkeiten komme oder ein Kind nicht essen wolle. Nur die jeweils tätigen Erzieher oder Erzieherinnen würden aus pädagogischen Gründen an den Mahlzeiten teilnehmen. Weitere Angestellte wie Köchinnen, Reinigungspersonal oder Hausmeister würden, da die pädagogische Notwendigkeit nicht gegeben sei, nicht an unentgeltlichen Mahlzeiten teilnehmen. Das Essen müsse von den Erziehern auch gemeinsam mit den Kindern während der Mahlzeiten eingenommen werden. Es gäbe eine entsprechende Verpflichtung durch Weisung des Arbeitgebers.

17

Mit Einspruchsentscheidung vom 3. März 2011 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass nicht in Abrede gestellt werde, dass die Einnahme der Mahlzeiten zusammen mit den betreuten Kindern auch im eigenbetrieblichen Interesse des Klägers geschehe. Es läge allerdings kein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers vor, das den Vorteil, der für die Betreuer mit der kostenlosen Essensgewährung verbunden sei, überdecke. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass bspw. eine alternative Verpflegung in Restaurants oder Cafeterien mit erheblichen Kosten verbunden sei. Es sei somit ein nicht unbedeutender Vorteil, wenn die Arbeitnehmer die Verpflegung entgeltlich erhielten.

18

Der Kläger hat am 4. April 2011 beim Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht Klage erhoben.

19

In Ergänzung seines bisherigen Vortrags macht der Kläger geltend:

20

Das gemeinsame Mittag- oder Abendessen der Betreuer mit den Kindern des Kinderheims sei wegen der pädagogischen Vorgabe als betriebliche Maßnahme des Arbeitgebers anzusehen. Die Mitarbeiter könnten sich dem Essen nicht nur wegen der Anweisung des Arbeitgebers zur Teilnahme an den gemeinsamen Mahlzeiten nicht entziehen sondern würden damit auch den im Vordergrund stehenden Erziehungsaspekt der sozialen Integration gefährden. Wie in dem vom BFH entschiedenen Fall der Betreuer in Ferienlagern erfolge im Streitfall aus Gründen der Überwachung der Kinder und aus anderen pädagogischen Gründen eine gemeinsame Einnahme der Mahlzeiten durch Kinder und Mitarbeiter. Dies ergebe sich aus den arbeitsvertraglichen Aufgaben einschließlich der Nebenpflichten der Mitarbeiter. Ziel der Weisung des Klägers sei es auch, dass die Kinder Tischsitten über Vorbild und Nachahmung der Betreuer erlernten. Vor diesem Hintergrund trete das private Interesse der Arbeitnehmer an der Einnahme von Mahlzeiten in den Hintergrund.

21

Der Kläger beantragt,

1. den Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für die Zeit von Dezember 2005 bis Juni 2010 vom 10. November 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. März 2011 insoweit aufzuheben, als der Beklagte die unentgeltliche Essensgewährung durch das Kinderheim X als geldwerten Vorteil und somit als steuerpflichtigen Arbeitslohn qualifiziert.

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

22

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

23

Er bezieht sich im Wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Einspruchsentscheidung und ist nach wie vor der Auffassung, dass ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse, das den Vorteil, der für die Betreuer mit der kostenlosen Essensgewährung verbunden sei, überdecke, nicht vorhanden sei.

24

Der Berichterstatter hat am 30. November 2011 vor Ort in der Einrichtung X einen Ortstermin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. Insoweit wird auf das Protokoll vom 30. November 2011 und die darin enthaltene informatorische Befragung des Klägers Bezug genommen.

25

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogenen Steuerakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26

I. Da der von dem Kläger angefochtene Lohnsteuernachforderungsbescheid vom 10. November 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. März 2011 ausschließlich im Hinblick auf die Qualifizierung der unentgeltlichen Essensgewährung an die Betreuer als Arbeitslohn ergangen ist, wird der Klagantrag des Klägers, diesen Bescheid „insoweit aufzuheben, wie der Beklagte die unentgeltliche Essensgewährung durch das Kinderheim X als geldwerten Vorteil und somit als steuerpflichtigen Arbeitslohn qualifiziert“, dahingehend ausgelegt, dass die Aufhebung des angefochtenen Bescheides insgesamt begehrt wird.

II.

27

Die so verstandene Klage ist zulässig und begründet.

28

Der Lohnsteuernachforderungsbescheid des Beklagten vom 10. November 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. März 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Zu Unrecht hat der Beklagte die Gewährung von Mahlzeiten an die von dem Kläger beschäftigten Betreuer als lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn angesehen.

29

Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder geldwerte Vorteile) zufließen, die „für seine Arbeitsleistung gewährt werden (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Diesem Tatbestandsmerkmal ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für die zur Verfügung stellende Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Demgegenüber sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen (vgl. BFH, Urteil vom 11. März 2010 VI R 7/08 m.w.N. zur Rechtsprechung). Der Arbeitslohncharakter kann dann verneint werden, wenn der Vorteil in ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt wird. Da eine betriebliche Veranlassung jeder Art von Lohnzahlung zu Grunde liegt, muss sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und insbesondere Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergeben, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesses des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, deshalb vernachlässigt werden kann. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers. Je höher aus Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist, desto geringer zählt das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse (vgl. BFH, Urteil vom 11. April 2006 VI R 60/02, BFHE, 212, 574, BStBl II 2006, 691, vom 11. März 2010 VI R 7/08, BFHE 228, 505, BStBl II 2010, 763).

30

Ob sich eine unentgeltliche oder verbilligt überlassene Sachzuwendung als geldwerter Vorteil oder als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung des Arbeitgebers erweist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ergibt die Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, dass die Zuwendung ausschließlich oder ganz überwiegend der Entlohnung des Arbeitnehmers dient, ist der geldwerte Vorteil in voller Höhe Arbeitslohn. Ergibt die Würdigung demgegenüber, dass sich die Zuwendung nahezu ausschließlich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweist, liegt insgesamt kein steuerpflichtiger Arbeitslohn vor. Dies gilt auch, wenn die Zuwendung für den Arbeitnehmer mit angenehmen Begleitumständen verbunden ist (vgl. BFH, Urteil vom 11. März 2010 VI R 7/08, BFHE 228, 505, BStBl II 2010 763). In diesem Zusammenhang ist bspw. die ehrenamtlichen Helfern von Wohlfahrtsverbänden, die Kinder und Jugendliche auf Ferienreisen betreuen, unentgeltlich gewährte Unterkunft und Verpflegung nicht als steuerpflichtiger Sachbezug angesehen worden, wenn eine der wesentlichen Aufgaben der Helfer in der Überwachung der Teilnehmer während des Essens und Schlafens besteht und diese Tätigkeit während der gesamten Dauer des Aufenthalts ausgeübt werden muss (vgl. BFH, Urteil vom 28. Februar 1975 VI R 28/73, BFHE 115, 342, BStBl II 1976, 134). Demgegenüber wird in der Gewährung von Verpflegungsleistungen an Haus-, Hotel- oder Krankenhausangestellte in der Regel steuerpflichtiger Arbeitslohn gesehen (vgl. BFH, Urteil vom 28. Februar 1975 VI R 28/73, BFHE 115, 342, BStBl II 1976, 134).

31

Hiervon ausgehend hat der Beklagte zu Unrecht in der unentgeltlichen Gewährung der Mahlzeiten an die Betreuer einen lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteil erblickt. Nach Würdigung der Gesamtumstände ist vielmehr anzunehmen, dass im Streitfall der in der unentgeltlichen Essensabgabe liegende Vorteil für die Betreuer nahezu ausschließlich eine notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung ist.

32

Wie auch in dem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall der Gewährung unentgeltlicher Verpflegung von Betreuern in einem von einem Wohlfahrtsverband ausgerichteten Ferienlager (vgl. Urteil vom 28. Februar 1975 VI R 28/73, BFHE 15, 342, BStBl II 1976, 134) steht auch im Streitfall die betriebsfunktionale Zielsetzung der unentgeltlichen Verpflegung der Betreuer bei der gemeinsamen Einnahme der Mahlzeiten im Vordergrund. Diese gemeinsame Mahlzeiteneinnahme erfolgt - wie der Vortrag des Kläger und dessen Befragung im Rahmen des durchgeführten Ortstermins ergeben hat - zum einen aus Gründen der Überwachung der Kinder, zum anderen wird mit dieser Maßnahme auch eine pädagogische Zielsetzung verfolgt.

33

Durch die Teilnahme der Betreuer an den Mahlzeiten werden die Kinder auch während der Mahlzeiten beaufsichtigt und überwacht. Es soll gewährleistet werden, dass die Kinder ausreichend Nahrung aufnehmen, dass Verhaltensregeln bei den Mahlzeiten eingehalten werden und bei eventuellem Streit auch schlichtend eingegriffen werden kann. Daneben wird durch die Betreuer auch überwacht, ob die Kinder die ihnen übertragenen Aufgaben - so genannte „Ämter“ wie bspw. das Auf- und Abdecken des Tisches - erledigen. Darüber hinaus sollen den zumeist im Alter zwischen 6 und 16 Jahren befindlichen Kindern auch durch Vorbild und Nachahmung der Betreuer Tischsitten nahegebracht werden.

34

Daneben hat die gemeinsame Einnahme von Mahlzeiten aber auch noch eine wichtige pädagogische Funktion, die sich als ein Baustein in das pädagogische Konzept des Kinderheims einfügt. Wie der Kläger im Ortstermin überzeugend ausgeführt hat, ist es sein Bestreben, den in das Kinderheim aufgenommenen, häufig in ihren Familien vernachlässigten Kindern im Kinderheim Verhältnisse zu bieten, die möglichst nahe an familiäre  Alltagsstrukturen heranreichen. Dazu gehört auch die gemeinsame Einnahme von Mahlzeiten, die einerseits der Strukturierung des Alltags dient, zum anderen einen institutionalisierten Rahmen zum Austausch der Alltagerlebnisse bietet. Diese Funktion kann nur durch die gemeinsame Einnahme der Mahlzeiten erreicht werden.

35

Demgegenüber tritt der durch die unentgeltliche Zuwendung der Mahlzeiten bei dem jeweiligen Arbeitnehmer eintretende Vorteil und dessen Interesse an der unentgeltlichen Mahlzeitengewährung in den Hintergrund. Wie sich aus den glaubhaften und im Übrigen auch von dem Beklagten nicht bestrittenen Ausführungen des Klägers ergibt, die auch von den Betreuern schriftlich bestätigt wurden, besteht und bestand auch in den Streitjahren eine Weisung des Klägers als Arbeitgeber zur verpflichtenden Teilnahme aller Dienst habenden Betreuer an den gemeinsamen Mahlzeiten. Damit wurde die sich aus § 1 der Arbeitsverträge der Betreuer ergebende arbeitsvertragliche Pflicht „zur Versorgung der Kinder und Jugendlichen in allen Bereichen“ näher konkretisiert. Da sich die Betreuer mithin aufgrund dieser arbeitsvertraglichen Pflicht den gemeinsamen Mahlzeiten nicht entziehen konnten, lag allenfalls eine aufgedrängte Bereicherung vor (vgl. Nds. FG, Urteil vom 19. Februar 2009 11 K 384/07, DStRE 2010, 1162). Gegenüber dem vom Niedersächsischen Finanzgericht in seiner Entscheidung vom 19. Februar 2009 (Az 11 K 384/07) entschiedenen Fall der unentgeltlichen Gewährung von Verpflegung an pädagogische Mitarbeiter in einem Kindergarten geht der Berichterstatter zwar davon aus, dass es sich bei den hier in Rede stehenden Mahlzeiten um vollwertige, auch für den Ernährungsbedarf eines Erwachsenen ausreichende Mahlzeiten handelte. Dies allein kann jedoch - auch unter Berücksichtigung des eher geringeren Werts des in der Essensgewährung liegenden Vorteils - nicht das aus den o. g. Gründen anzunehmende Überwiegen der betriebsfunktionalen Zielsetzung in Frage stellen. Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch noch zu berücksichtigen, dass die unentgeltliche Essensgewährung ausschließlich an die Betreuer der Kinder, nicht jedoch an anderes Personal des Kinderheims (wie bspw. die Köchin oder das Reinigungspersonal etc.) erfolgte. Auch dies spricht dafür, dass die betriebsfunktionale Zielsetzung der Maßnahme - nämlich die Überwachung der Mahlzeiten durch die Betreuer verbunden mit der pädagogischen Funktion, durch gemeinsames Essen eine familienähnliche Alltagstrukturierung zu erreichen - eindeutig im Vordergrund stand.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO. Im Hinblick auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage war die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären.

37

Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.


Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 23. Jan. 2012 - 5 K 64/11

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Sonderzahlungen des Arbeitgebers sind insbesondere Zahlungen an eine Pensionskasse anlässlich
a)
seines Ausscheidens aus einer nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung oder
b)
des Wechsels von einer nicht im Wege der Kapitaldeckung zu einer anderen nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung.
3Von Sonderzahlungen im Sinne des Satzes 2 zweiter Halbsatz Buchstabe b ist bei laufenden und wiederkehrenden Zahlungen entsprechend dem periodischen Bedarf nur auszugehen, soweit die Bemessung der Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers in das Versorgungssystem nach dem Wechsel die Bemessung der Zahlungsverpflichtung zum Zeitpunkt des Wechsels übersteigt.4Sanierungsgelder sind Sonderzahlungen des Arbeitgebers an eine Pensionskasse anlässlich der Systemumstellung einer nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung auf der Finanzierungs- oder Leistungsseite, die der Finanzierung der zum Zeitpunkt der Umstellung bestehenden Versorgungsverpflichtungen oder Versorgungsanwartschaften dienen; bei laufenden und wiederkehrenden Zahlungen entsprechend dem periodischen Bedarf ist nur von Sanierungsgeldern auszugehen, soweit die Bemessung der Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers in das Versorgungssystem nach der Systemumstellung die Bemessung der Zahlungsverpflichtung zum Zeitpunkt der Systemumstellung übersteigt.
2Es ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt und ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht.

(2)1Von Versorgungsbezügen bleiben ein nach einem Prozentsatz ermittelter, auf einen Höchstbetrag begrenzter Betrag (Versorgungsfreibetrag) und ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag steuerfrei.2Versorgungsbezüge sind

1.
das Ruhegehalt, Witwen- oder Waisengeld, der Unterhaltsbeitrag oder ein gleichartiger Bezug
a)
auf Grund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften,
b)
nach beamtenrechtlichen Grundsätzen von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlichen Verbänden von Körperschaften
oder
2.
in anderen Fällen Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze, verminderter Erwerbsfähigkeit oder Hinterbliebenenbezüge; Bezüge wegen Erreichens einer Altersgrenze gelten erst dann als Versorgungsbezüge, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr oder, wenn er schwerbehindert ist, das 60. Lebensjahr vollendet hat.
3Der maßgebende Prozentsatz, der Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen:

Jahr des
Versorgungs-
beginns
VersorgungsfreibetragZuschlag zum
Versorgungs-
freibetrag
in Euro
in % der
Versorgungs-
bezüge
Höchstbetrag
in Euro
bis 200540,03 000900
ab 200638,42 880864
200736,82 760828
200835,22 640792
200933,62 520756
201032,02 400720
201130,42 280684
201228,82 160648
201327,22 040612
201425,61 920576
201524,01 800540
201622,41 680504
201720,81 560468
201819,21 440432
201917,61 320396
202016,01 200360
202115,21 140342
202214,41 080324
202313,61 020306
202412,8960288
202512,0900270
202611,2840252
202710,4780234
20289,6720216
20298,8660198
20308,0600180
20317,2540162
20326,4480144
20335,6420126
20344,8360108
20354,030090
20363,224072
20372,418054
20381,612036
20390,86018
20400,000


4Bemessungsgrundlage für den Versorgungsfreibetrag ist
a)
bei Versorgungsbeginn vor 2005das Zwölffache des Versorgungsbezugs für Januar 2005,
b)
bei Versorgungsbeginn ab 2005das Zwölffache des Versorgungsbezugs für den ersten vollen Monat,
jeweils zuzüglich voraussichtlicher Sonderzahlungen im Kalenderjahr, auf die zu diesem Zeitpunkt ein Rechtsanspruch besteht.5Der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag darf nur bis zur Höhe der um den Versorgungsfreibetrag geminderten Bemessungsgrundlage berücksichtigt werden.6Bei mehreren Versorgungsbezügen mit unterschiedlichem Bezugsbeginn bestimmen sich der insgesamt berücksichtigungsfähige Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag nach dem Jahr des Beginns des ersten Versorgungsbezugs.7Folgt ein Hinterbliebenenbezug einem Versorgungsbezug, bestimmen sich der Prozentsatz, der Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag für den Hinterbliebenenbezug nach dem Jahr des Beginns des Versorgungsbezugs.8Der nach den Sätzen 3 bis 7 berechnete Versorgungsfreibetrag und Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag gelten für die gesamte Laufzeit des Versorgungsbezugs.9Regelmäßige Anpassungen des Versorgungsbezugs führen nicht zu einer Neuberechnung.10Abweichend hiervon sind der Versorgungsfreibetrag und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag neu zu berechnen, wenn sich der Versorgungsbezug wegen Anwendung von Anrechnungs-, Ruhens-, Erhöhungs- oder Kürzungsregelungen erhöht oder vermindert.11In diesen Fällen sind die Sätze 3 bis 7 mit dem geänderten Versorgungsbezug als Bemessungsgrundlage im Sinne des Satzes 4 anzuwenden; im Kalenderjahr der Änderung sind der höchste Versorgungsfreibetrag und Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag maßgebend.12Für jeden vollen Kalendermonat, für den keine Versorgungsbezüge gezahlt werden, ermäßigen sich der Versorgungsfreibetrag und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag in diesem Kalenderjahr um je ein Zwölftel.

(3)1Die Energiepreispauschale nach dem Versorgungsrechtlichen Energiepreispauschalen-Gewährungsgesetz oder vergleichbare Leistungen zum Ausgleich gestiegener Energiepreise nach Landesrecht sind als Einnahmen nach Absatz 2 zu berücksichtigen.2Sie gelten nicht als Sonderzahlung im Sinne von Absatz 2 Satz 4, jedoch als regelmäßige Anpassung des Versorgungsbezugs im Sinne von Absatz 2 Satz 9.3Im Lohnsteuerabzugsverfahren sind die Energiepreispauschale und vergleichbare Leistungen bei der Berechnung einer Vorsorgepauschale nach § 39b Absatz 2 Satz 5 Nummer 3 Buchstabe b und c nicht zu berücksichtigen.4In den Fällen des Satzes 1 sind die §§ 3 und 24a nicht anzuwenden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Aufwendungen der Finanzbehörden sind nicht zu erstatten.

(3) Gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistands, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind stets erstattungsfähig. Aufwendungen für einen Bevollmächtigten oder Beistand, für den Gebühren und Auslagen gesetzlich nicht vorgesehen sind, können bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte erstattet werden. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind die Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Steht der Bevollmächtigte oder Beistand in einem Angestelltenverhältnis zu einem Beteiligten, so werden die durch seine Zuziehung entstandenen Gebühren nicht erstattet.

(4) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.