Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 31. Juli 2014 - 15 Sa 1123/13
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. Juni 2011 - 6 Ca 7591/10 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Änderungskündigung.
3Die Beklagte unterhält in der Bundesrepublik Deutschland mehrere Schulen, darunter eine staatlich anerkannte Ergänzungsschule in E.. Die von der Beklagten in E. unterhaltenen Schulen werden von ihr allein finanziert.
4Die Klägerin ist seit 1985 bei der Beklagten beschäftigt. Ihr Einsatz erfolgte zuletzt an der Ergänzungsschule in E.. Ihr Bruttomonatsgehalt betrug 2.980,51 Euro.
5Im Arbeitsvertrag vom 31. Oktober 1985 heißt es:
6"...
7§ IV
8Die Einstellung erfolgt nach dem Deutschen BAT und Ihre Vergütung wird wie folgt sein: ...
9..."
10Mit Schreiben vom 9. November 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos und bot der Klägerin die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen an. In dem Kündigungsschreiben heißt es:
11" … zur Überwindung der Wirtschaftskrise und zur Anwendung des unterstützenden Mechanismus der griechischen Wirtschaft von den Mitgliedstaaten der Eurozone und des Internationalen Währungsfonds beschloss der griechische Staat die Kürzung der Gehälter aller Beschäftigten / von ihm Besoldeten (G 3833/2010 und G 3845/2010). Für Arbeitsverträge wie Ihren wurde eine Kürzung des monatlichen Bruttoeinkommens von 7 % und 3 % vorgenommen, d. h. 250,87 Euro monatlich, sowie die Abschaffung der Jahressonderzahlung. Die Minderung von 7 % erfolgte ab dem 01.01.2010 und die Minderung von 3 % erfolgte ab dem 01.06.2010. Aus den o. g. Gründen und der Anweisung der Direktion für das Auslandswesen interkultureller Bildung Prot.-Nr. 821/2930E/130071/Z 1 vom 15.10.2010 kündigen wir den bestehenden Arbeitsvertrag aus wichtigem Grund sofort und ohne jegliche Frist. Gleichzeitig bitten wir Ihnen einen neuen Arbeitsvertrag mit den folgenden Bedingungen: |
1. | Minderung des monatlichen Bruttoeinkommens um 250,87 Euro, | |
2. | Abschaffung der besonderen Jahressonderzahlung. |
Zusätzlich setzen wir Sie in Kenntnis, dass zukünftig keine automatischen Lohnerhöhungen gemäß TV-L bezahlt werden, sondern nach Entscheidung Ihres Arbeitgebers, nämlich entsprechend der Einsparungspolitik des griechischen Staates. Alle anderen Bedingungen bleiben unverändert. Aus den o. g. Gründen werden Sie gebeten, nach Erhalt der vorliegenden Änderungskündigung innerhalb von drei Wochen zu erklären, ob Sie diese Änderungen akzeptieren. …" |
Wegen des Inhaltes der im Kündigungsschreiben in Bezug genommenen Gesetze Nr. 3833/10 und Nr. 3845/10 wird auf die von der Beklagten vorgelegten Übersetzungen Bezug genommen ( Bl. 199 ff. d.A.; Bl.273 ff. d.A.).
17Die Klägerin nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt an. Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat sie sich gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen gewandt. Sie hat gemeint, die Änderungskündigung sei bereits deshalb unwirksam, weil das Änderungsangebot nicht hinreichend bestimmt sei. Sie sei zudem unverhältnismäßig, weil die Beklagte ihre wirtschaftliche Lage und ihre Sanierungsplanung nicht nachvollziehbar dargelegt habe.
18Die Klägerin hat beantragt,
19festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 9. November 2010 rechtsunwirksam ist.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie hat geltend gemacht, die deutsche Gerichtsbarkeit sei nach § 20 Abs. 2 GVG nicht gegeben. Ein angestellter Lehrer unterstehe den Weisungen ihres Konsuls in Düsseldorf und übe sowohl nach deutschem als auch nach ihrem - griechischen - Recht hoheitliche Aufgaben aus. Die Änderung der Arbeitsbedingungen sei im Übrigen gerechtfertigt. Sie sei Ende Februar/Anfang März 2010 finanziell nicht in der Lage gewesen, die Gehälter und Renten ihrer etwa eine Million Beschäftigten aufzubringen. Um weitere zwingend erforderliche Kredite zu erhalten und damit eine Insolvenz zu vermeiden, in deren Folge sie aus der europäischen Währungsunion würde austreten müssen, habe sie Verhandlungen mit den Geberländern aufgenommen. Danach habe sie nur die Möglichkeit gehabt, entweder ca. 250.000 Bedienstete zu entlassen oder die Gehälter und Renten ausnahmslos aller Bediensteten durch Parlamentsgesetz radikal zu kürzen. Sie habe sich für letztere Möglichkeit entschieden und nach den Vorgaben der Geberländer die Gesetze 3833/2010 "Schutz der nationalen Wirtschaft - Notstandsmaßnahmen zur Bekämpfung der Finanzkrise" (Kürzung jeder Art regulärer Bezüge um 7 % mit Wirkung ab 1. Januar 2010) und 3845/2010 "Maßnahmen zur Anwendung des Unterstützungsmechanismus der griechischen Wirtschaft von den EU-Mitgliedsländern der Eurozone und vom Internationalen Währungsfonds" (Kürzung um weitere 3 % sowie Kürzung bzw. Streichung von Weihnachtsgeld, Ostergeld und Urlaubsgeld mit Wirkung ab 1. Juni 2010) erlassen.
23Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, die deutsche Gerichtsbarkeit sei nicht gegeben. Auf die zugelassene Revision hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 25.04.2013 - 2 AZR 46/12 - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17.11.2011 - 15 Sa 1027/11- aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision zurückverwiesen. Es hat die Zulässigkeit der Klage bejaht und ausgeführt, das Landesarbeitsgericht habe bei Prüfung der materiellen Rechtslage davon auszugehen, dass sich die Wirksamkeit der Änderungskündigung nach deutschem Recht richte, da die Parteien konkludent die Anwendung deutschen Rechts vereinbart hätten. Es habe weiter der Frage nachzugehen, welche Rechtsqualität die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 hätten und ob diese die Beklagte angesichts ihrer drohenden Insolvenz und der Auflagen der Geberländer völkerrechtlich berechtigten, unmittelbar korrigierend auch in Arbeitsverhältnisse einzugreifen, die außerhalb des Staatsgebietes vollzogen würden. Insoweit sei unter Umständen ein völker- und staatsrechtliches Gutachten einzuholen. Sollte danach die Änderungskündigung nicht "überflüssig" sein, sei davon auszugehen, dass das Änderungsangebot ausreichend bestimmt sei. Das Landesarbeitsgericht habe gegebenenfalls zudem den Fragen nachzugehen, ob - unter Berücksichtigung einer dem ausländischen Parlament zuzugestehenden Einschätzungsprärogative - ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die Erklärung einer fristlosen Kündigung gegeben sei, ob die Beklagte eine Auslauffrist hätte einhalten müssen und ob sie die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt habe. Gegebenenfalls habe es bei Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung und die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zu prüfen.
24Wegen der Einzelheiten des Urteils des Bundesarbeitsgerichts wird auf Blatt 176 ff. der Akte Bezug genommen.
25Die Beklagte führt nunmehr ergänzend aus:
26Die beschlossenen Kürzungen der Gehälter und Löhne hätten wegen der Zahlungsunfähigkeit der Beklagten nicht vorübergehender Natur sein sollen und können. Sinn und Zweck der beschlossenen Gesetze sei die Neustrukturierung der Besoldung der Staatsbediensteten der Beklagten gewesen. Grund hierfür sei gewesen, dass nach allgemeiner unstreitiger Feststellung die Probleme der Wirtschaft der Beklagten auf eine nicht effiziente öffentliche Verwaltung, welche unverhältnismäßig hohe Kosten produzierte, zurückzuführen waren. Die Geberländer der Eurozone und der Internationale Währungsfond hätten daher ausdrücklich darauf bestanden und hätten die zu leistende Wirtschaftshilfe von der Verabschiedung konkreter Kürzungen der Löhne der Bediensteten der öffentlichen Hand abhängig gemacht. Die von den Geberländern geleistete finanzielle Hilfe sei der Beklagten in Raten gewährt worden. Dies, weil sichergestellt werden sollte, dass die Beklagte die per Gesetz beschlossenen Kürzungen auch durchsetzen würde. Zu den Kürzungen sei auch die Einführung einer den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beklagten angepasste einheitliche Besoldungsordnung gefordert und vereinbart worden. Die Kürzungen von 7 % und 3 % seien zunächst als Haushaltspolitik für das Jahr 2010 aufgenommen worden, weil noch nicht festgestanden hätte, ob diese Kürzungen ausreichen würden, oder ob es zu weiteren umfangreichen Kürzungen der Ausgaben, d.h. der Löhne der Bediensteten der Beklagten kommen würde. Den Kürzungen und Entlassungen sollte ein einheitliches Besoldungssystem folgen. Dieses konnte nicht kurzfristig festgelegt werden, weil nicht bekannt gewesen sei, wie viele Bedienstete zu welchen Konditionen von der Beklagten beschäftigt gewesen seien. Als Ende des Jahres 2010 festgestanden hätte, dass ein einheitliches Besoldungssystem nicht verabschiedet werden könnte, sei mit einer Regelung Art.3 des Gesetzes 3899/11 beschlossen worden, dass die Kürzungen, welche für das Haushaltsjahr 2010 beschlossen worden seien, auch für das Haushaltjahr 2011 gelten sollten. Die erklärte Änderungskündigung sei somit wirksam. Der Beklagten sei gar nichts anderes übrig geblieben, als die Löhne/Gehälter ihrer Bediensteten, so wie von den Geberländern gefordert, mit sofortiger Wirkung zu kürzen, andernfalls die Geberländer die versprochenen Kredite nicht ausgezahlt hätten.
27Durch das Gesetz 4024/2011 sei die Vergütung von Lehrern neu festgesetzt worden.
28Die Beklagte beantragt,
29das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
30Die Klägerin beantragt,
31die Berufung der Beklagten vom 08.08.2011 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 30.06.2011, Az. 6 Ca 7591/10, zurückzuweisen.
32Die Klägerin verweist darauf, dass zwischenzeitlich durch das LAG Hamm und München entschieden worden sei, dass die griechischen Gesetze keine unmittelbare Wirkung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien hätten. Das Gesetz Nr. 3833 sei (insgesamt) auf das Jahr 2010 befristet gewesen und erst nach Ausspruch der Änderungskündigung durch das Gesetz Nr. 3899 auf das Kalenderjahr 2011 ausgedehnt worden. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, eine unbefristete Änderungskündigung auszusprechen. Es bestehe keine Berechtigung, das Entgelt der Mitarbeiter dauerhaft abzusenken.
33Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
34E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
35Die Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
36I.
37Der Feststellungsantrag ist unbegründet, weshalb die Klage abzuweisen war.
381.Mit dem Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 25.04.2013 geht auch die erkennende Kammer davon aus, dass die Parteien im Streitfall konkludent die Anwendung deutschen Rechts vereinbart haben und die auf diese Weise getroffene Rechtswahl im Ergebnis der Regelung des hier noch anwendbaren Art.30 Abs.2 Nr.1 EGBGB entspricht (vgl. dazu Ziff. II. 1. c) der Entscheidungsgründe).
39Art.30 Abs.2 2. Halbsatz EBGBG steht dem nicht entgegen.
40Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 7.7.2014 die Ansicht vertreten hat, dass die Änderung der Vertragsbedingungen bereits unabhängig von der ausgesprochenen Änderungskündigung eingetreten sei aufgrund der hier einschlägigen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 und insoweit u.a. darauf verweist, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse nur die griechische Staatsangehörigkeit besessen habe und ihr Universitätsabschluss sie nur zum Unterricht an griechischen Schulen berechtige, soll damit wohl die Ausnahmeklausel des Art.30 Abs.2 2. Halbsatz EGBGB angesprochen sein. Im Ergebnis kann dieser Verweis der Beklagten jedoch nicht zum Erfolg verhelfen. Selbst dann nämlich, wenn hier wegen der engeren Verbindung des Arbeitsverhältnisses zum griechischen Staat - wovon bislang noch keine der Parteien ausgegangen war - nach der vorhergenannten Bestimmung griechisches Recht anzuwenden sein sollte, wäre nach Art.30 Abs.1 EGBGB die Anwendung deutschen Kündigungsschutzrechts nämlich nicht ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung darf die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Art.30 Abs.2 EGBGB mangels Rechtswahl anzuwenden wäre. Ob dem Arbeitnehmer durch das gewählte Recht der Schutz der zwingenden arbeitsrechtlichen Bestimmung des nach Abs.2 maßgeblichen Rechts entzogen wird, ist durch Vergleich der beiden Rechtsordnungen zu ermitteln; dabei ist jeweils auf die Ergebnisse abzustellen, zu denen diese Rechte in dem betreffenden Teilbereich, z.B. Kündigungsschutz, im Einzelfall gelangen. Soweit das gewählte Recht mit seinen zwingenden Vorschriften den Arbeitnehmer im Ergebnis genauso oder besser schützt als das bei Fehlen einer Rechtswahl berufene Recht, hat es bei der Anwendung jener Vorschriften sein Bewenden (Palandt-Heldrich, BGB 62. Aufl. Art.30 EGBB Rdnr.4 m.w.N.).
41Im vorliegenden Fall ist die Klägerin bei Anwendung des gewählten, also deutschen Rechts besser geschützt als bei einer ausschließlichen Maßgeblichkeit der im Streitfall einschlägigen griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 und deren unmittelbaren Anwendung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien im Hinblick auf die hier streitgegenständlichen Änderungen der Arbeitsvertragsbedingungen. Oder anders ausgedrückt: Hätte man auf griechisches Recht und damit im hier gegebenen Streitfall auf die insoweit maßgeblichen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 abzustellen und diese mit unmittelbarer Wirkung auch auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden, würde den davon betroffenen Arbeitnehmern derjenige Schutz entzogen, der ihnen das deutsche Recht im Streitfall bietet, nämlich der (Änderungs)Kündigungsschutz, welcher vorliegend auch nicht aufgrund sonstiger (internationaler) Normen verdrängt wird (dazu im Folgenden unter 2. a). Damit hat es hier bei der Anwendung deutschen Kündigungsschutzrechtes - wie so schon vom Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 25.04.2013 als maßgeblich zugrunde gelegt - zu verbleiben.
422.Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die hier streitgegenständliche Änderungskündigung ist wirksam erfolgt.
43a)Der Änderungsschutzantrag ist nicht bereits deshalb unbegründet, weil eine Änderung der Vertragsbedingungen bereits unabhängig von der ausgesprochenen Änderungskündigung eingetreten war. Letzteres ist hier zu verneinen.
44aa)Mit dem Landesarbeitsgericht Nürnberg (Urteil vom 25.09.2013 - 2 Sa 172/12 -) und dem Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 03.04.2014 - 17 Sa 1387/13 - Rz. 127 ff.) geht auch die erkennende Kammer davon aus, dass die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 den Inhalt der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nicht geändert haben und ihnen keine unmittelbare Wirkung in Bezug auf den Arbeitsvertrag der Parteien zukommt. Da auf das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der von ihnen getroffenen Rechtswahl (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) deutsches Recht Anwendung findet , welches auch durch die Ausnahmeklausel des Art.30 Abs.2 2. Halbsatz EGBGB i.V.m. Art.30 Abs.1 EGBGB - wie vorstehend dargelegt- nicht "verdrängt" wird, sind Eingriffsnormen einer nicht maßgebenden Rechtsordnung eines dritten Staates - wie hier die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 - regelmäßig unbeachtlich (vgl. dazu Prof. Dr. Siehr unter B I. 3. des Gutachtens). Irgendwelche Vorschriften, aus denen sich vorliegend eine unmittelbare Anwendbarkeit der griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 ergeben könnte, bestehen nicht. Solches lässt sich insbesondere auch nicht dem Art. 9 Abs. 3 ROM-I-VO - wäre er überhaupt auf den hier streitgegenständlichen Sachverhalt anwendbar - und auch den Bestimmungen der Art. 27 ff. EGBGB nicht entnehmen.
45Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 7.7.2014 den hier streitgegenständlichen Gesetzen angesichts ihrer Entstehungsgeschichte quasi den Charakter eines internationalen Abkommens bzw. Vertrages hat beilegen wollen - was auch immer für den Streitfall dann daraus zu folgern wäre - kann ihr nicht gefolgt werden. Dass es sich insoweit nicht um einen internationalen Vertrag handelt, hat - wie von der Beklagten selbst erwähnt - der Oberste Verwaltungsgerichtshof Griechenlands mit Urteil vom 21.06.2011 bereits entschieden. Eine davon abweichende Beurteilung steht der Kammer nicht zu. Der deutsche Richter hat ausländisches Recht so anzuwenden, wie es der Richter des betreffenden Landes auslegt und anwendet (BGH vom 23.06.2003 - II ZR 305/01; Zöller-Geimer ZPO 29.Aufl. § 293 Rdnr. 24). Ohne Relevanz ist auch die Zwecksetzung der hier streitgegenständlichen griechischen Gesetze, wie u.a. etwa die Erfüllung bzw. Umsetzung vormals aufgrund internationaler Abkommen eingegangener Verpflichtungen bzw. diesbezüglich zu erreichender Ziele. Eine solche Zwecksetzung nimmt den hier streitgegenständlichen Normen nicht die rechtliche Qualität eines (Parlaments-)Gesetzes - und zwar das eines ausländischen Staates (vom Blickwinkel des vorliegenden Rechtstreits aus betrachtet). Diese Rechtsqualität ist dann auch zu Grunde zu legen, soweit es um die zuvor aufgeworfene, hier im Ergebnis zu verneinende Frage geht, ob eine derartige Rechtsnorm eines ausländischen Staates bei grundsätzlicher Geltung inländischen Rechts, wie hier deutschen Rechts, unmittelbare Geltung beanspruchen bzw. unmittelbare Wirkung entfalten kann.
46Allerdings erlauben das europäische und das deutsche IPR es, drittstaatlichen (hier: griechischen) Eingriffsnormen indirekt über das deutsche Vertragsstatut Wirkung zu verleihen, sofern das deutsche Zivilrecht durch Normen mit offenen Tatbeständen (z. B. Unmöglichkeit, Sittenwidrigkeit, Treu und Glauben, Wegfall der Geschäftsgrundlage etc.) genügend Spielraum für eine solche Berücksichtigung lässt (vgl. dazu Prof. Dr. Siehr unter B III. 4. und IV. 8. des Gutachtens; LAG Hamm, a.a.O. Rz. 130).
47bb)Irgendeine Regelung im deutschen Recht, die dazu führen könnte, dass die hier streitgegenständlichen Änderungen "per se", d.h. auch ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung Geltung beanspruchen könnten, ist nicht ersichtlich (vgl. dazu auch LAG Hamm, a.a.O., Rz.137 - 139). Insbesondere ergibt sich eine solche nicht aus den Regeln über die Störung bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Nach deutschem Recht ist das Kündigungsrecht bei Arbeitsverträgen gegenüber einer Anpassung nach § 313 BGB lex specialis (BAG vom 20.06.2013 - 2 AZR 396/12 - Rz. 14; BAG vom 08.10.2009 - 2 AZR 235/08 - Rz. 32 m.w.N.). Das bedeutet indes nicht, dass Tatbestände, die für eine Störung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage herangezogen werden könnten, in kündigungsrechtlicher Hinsicht außer Betracht bleiben müssten. Derartige Sachverhalte sind im Rahmen der §§ 2, 1 KSchG oder § 626 BGB zu würdigen (BAG vom 08.10.2009, a.a.O.).
48cc)Die Änderungskündigung war auch nicht bereits deshalb überflüssig, weil ohnedies ein Anspruch klägerseits auf Lohn in der zuletzt gezahlten Höhe bzw. kein Anspruch auf die bislang gezahlte tarifliche Sonderzahlung und auch kein Anspruch auf die Teilnahme an den Gehaltserhöhungen gemäß TV-L bestand. Die diesbezüglichen Ansprüche ergeben sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag und der dort geregelten Inbezugnahme des BAT. Streitig ist insofern zwischen den Parteien die Reichweite der im Arbeitsvertrag erfolgten Bezugnahme auf den BAT. Die im Arbeitsvertrag der Parteien enthaltene Verweisung auf den BAT ist als dynamische Verweisung auszulegen. Einer ausdrücklichen diesbezüglichen Formulierung im Arbeitsvertrag bedarf es dafür nicht. Die Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag ist auch ohne eine ausdrückliche Regelung als dynamische Bezugnahme zu verstehen (vgl. BAG vom 13.02.2013 - 5 AZR 2/12 -; BAG vom 05.04.2006 - 4 AZR 390/05 - Rz. 43; BAG vom 14.03.2007 - 5 AZR 630/06 - Rz. 29; BAG vom 09.11.2005 - 5 AZR 128/05 -). Nimmt eine arbeitsvertragliche Vergütungsregelung, wie vorliegend, auf die Vergütung des Bundesangestelltentarifvertrages Bezug, ist infolge der Ablösung des BAT durch den TVöD und den TV-L eine Regelungslücke entstanden, die durch ergänzende Vertragsauslegung und Anwendung der dem Bundesangestelltentarifvertrag nachfolgenden Tarifwerke zu schließen ist (BAG vom 18.05.2011 - 5 AZR 213/09 -). An der nunmehr bestehenden Geltung des TV-L kann danach vorliegend ebenso wenig ein Zweifel bestehen, wie an der Dynamisierung der danach bestehenden Entgeltansprüche entsprechend der jeweiligen Tarifabschlüsse.
49b)Mit dem Bundesarbeitsgericht geht auch die erkennende Kammer davon aus, dass das Änderungsangebot im Streitfall nur zukunftsbezogen und hinreichend bestimmt ist, soweit es um die einleitenden Erläuterungen im Änderungskündigungsschreiben und den dort genannten Kürzungsbetrag geht. Auch bezüglich der Abschaffung der Jahressonderzahlung bestehen im Hinblick auf die Bestimmtheit des diesbezüglichen Angebots keine Bedenken. Insoweit kann auf die Entscheidungsgründe des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 25.04.2013 (Rz. 32 ff.) Bezug genommen werden.
50Zweifelhaft könnte nach Auffassung der Kammer allein die Bestimmtheit des die künftigen automatischen Lohnerhöhungen gemäß TV-L betreffenden Passus sein - dies im Hinblick auf die Frage, ob dieser Passus überhaupt noch Teil des Änderungsangebotes ist. Dagegen könnte sprechen, dass bezüglich dieses Passus keine Durchnummerierung erfolgte, d.h. keine Ziffer 3 vor diesen Passus gesetzt wurde; sowie, dass er mit den Worten "Zusätzlich setzen wir Sie in Kenntnis" beginnt. Demgegenüber spricht für die Annahme, dass auch dieser Passus Teil des Änderungsangebotes sein sollte, dass es sich bei der in diesem Passus angekündigten Einstellung automatischer Lohnerhöhungszahlungen unbestreitbar um eine Änderung handelt, da dem Kläger auch über den 01.11.2006 hinaus bislang Gehaltserhöhungen entsprechend den Lohnerhöhungen nach dem TV-L gewährt wurden und dies künftig nicht mehr der Fall sein soll. Zu beachten ist des Weiteren, dass sich (erst!) diesem Passus der Satz anschließt "Die übrigen Bedingungen bleiben unverändert", was im Umkehrschluss nur bedeuten kann, dass die vorstehend genannten Punkte eine Änderung erfahren sollen, d. h. die geänderten Bedingungen des neuen Arbeitsvertrages darstellen. Schließlich wird im anschließenden Satz gebeten, innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung zu erklären, "ob sie mit den Änderungen einverstanden sind" bzw. "ob sie die Änderung akzeptieren". Warum davon nicht auch die Änderung bezüglich einer dynamischen Wirkung in Bezug genommener Tarifverträge, d.h. die Abschaffung einer Tarifautomatik erfasst sein sollte, erschließt sich nicht - dies umso weniger, als gerade eine arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Gehaltsanpassung/-erhöhung in Anbindung an die tarifliche Lohn- und Gehaltsentwicklung im deutschen öffentlichen Dienst der gesetzgeberischen Intension zur Kosteneinsparung durch Gehaltskürzungen zuwider läuft. Soweit das Landesarbeitsgericht Hamm in seinem Urteil vom 03.04.2014 (14 Sa 1387/11- Rz. 149) die Ansicht vertreten hat, der hier streitgegenständliche Passus enthalte nur eine Klarstellung der beklagtenseits auch im Prozess vertretenen Auffassung, "dass die Bezugnahme auf den TV-L keine Dynamik enthält und deshalb kein Automatismus zur Gehaltserhöhung besteht.", folgt die erkennende Kammer dem nicht. Zwar hat die Beklagte auch im vorliegenden Verfahren die Auffassung vertreten, dass der Klägerin nach dem 01.11.2006 nur versehentlich Lohnerhöhungen nach dem TV-L gewährt worden seien und ein diesbezüglicher Anspruch ihrerseits nicht bestehe. Indes wollte sie mit der Erwähnung des künftig entfallenen Automatismus bei Lohnerhöhungen als Teil derjenigen Bedingungen, die nicht unverändert bleiben sollten, im Hinblick auf das auch diesbezüglich den Arbeitnehmern im Rahmen der Änderungskündigung abverlangte Einverständnis hier erkennbar doch zumindest sicherstellen, dass sie an eine Verpflichtung zu automatischer Lohnerhöhung, so sie im Einzelfall denn bestehen sollte, künftig jedenfalls nicht mehr gebunden ist. Das diesbezügliche Einverständnis der betroffenen Arbeitnehmer wurde insofern vorsorglich eingeholt.
51Nach alledem hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass der hier streitgegenständliche Passus als Angebot zur Abschaffung einer arbeitsvertraglich vereinbarten Tarifautomatik bzw. zum Entfallen einer bislang gegebenen dynamischen Wirkung der Bezugnahmeklausel auszulegen ist. Auf dieser Linie scheint auch das BAG zu liegen, wenn es im Urteil vom 25.04.2013 ausführt, "soweit die Beklagte im Rahmen des Änderungsangebotes ergänzend mitteilt, dass zukünftig Gehaltserhöhungen nicht automatisch gemäß dem Tarifvertrag (TV-L), sondern nach Entscheidung des Arbeitgebers erfolgen sollen, ist das Angebot ebenfalls hinreichend bestimmt." Hätte das Bundesarbeitsgericht die Ansicht vertreten wollen, dass der hier streitgegenständliche Passus zu den Tariflohnerhöhungen nicht Teil des Änderungsangebotes sei, hätte es im letzten Teil des Satzes formulieren müssen "macht dies das Angebot nicht unbestimmt." Sodann hätte eine Begründung dafür folgen müssen, warum der hier streitgegenständliche Passus zur Tariflohnerhöhung unzweifelhaft nicht als Teil des gesamten Änderungsangebotes angesehen werden kann. Statt einer solchen Begründung verweist das BAG demgegenüber darauf, dass hinreichend deutlich werde, dass der neue Arbeitsvertrag (Unterstreichung durch die Kammer) nach der Vorstellung der Beklagten keinen Automatismus zu Gehaltserhöhungen (mehr) enthält. Lediglich der Hinweis auf mögliche künftige Gehaltserhöhungen aufgrund einzelner Entscheidungen beklagtenseits sollte nach Auffassung des BAG (nach dem Verständnis der erkennenden Kammer) nur mitteilenden Charakter haben.
523.Nach Auffassung der Kammer rechtfertigt der vorliegende Sachverhalt den Ausspruch einer außerordentlichen Änderungskündigung aus wichtigem Grund nach § 626 Abs. 1 BGB.
53a)Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine außerordentliche Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung selbst bei tarifvertraglichem Ausschluss der Kündbarkeit - wie er im Falle der Klägerin anzunehmen ist - nicht von vornherein und grundsätzlich ausgeschlossen. Allerdings sind die Anforderungen, die an die Wirksamkeit einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung gestellt werden, sehr hoch. Als zulässig wird sie nur in extremen Ausnahmefällen angesehen, so z. B. wenn der Ausspruch einer außerordentlichen Änderungskündigung zur Abwendung einer konkret insolvenzbedrohten Lage und einer insoweit drohenden Betriebsschließung unvermeidbar war. Entsprechend hoch sind auch die Anforderungen, die an den Sachvortrag des Arbeitgebers gestellt werden, wenn er sich auf betriebsbedingte Gründe zum Ausspruch einer Änderungskündigung stützen will (vgl. z. B. BAG vom 01.03.2007 - 2 AZR 580/05 - m.w.N.).
54b)Diese Anforderungen lassen sich auf den streitgegenständlichen Sachverhalt aufgrund seiner (so noch nie dagewesenen) Besonderheiten nicht vollständig übertragen. Vorliegend geht es nicht um die finanziellen Probleme eines Wirtschaftsunternehmens oder um Umorganisationen bzw. Schließungen von Teilbereichen im öffentlichen Dienst, sondern um einen ganzen Staat, der von der Insolvenz bedroht ist, sowie darum, dass sich die Beklagte zur Verhinderung des Staatsbankrottes an die Auflagen der Darlehensgeber bzw. Gläubigerländer halten und diese (durch Parlamentsgesetz) umsetzen musste. Dabei ging es insbesondere auch um die sofortige Umsetzung der Einsparmaßnahmen, wovon grundsätzlich alle Zahlungen und alle Bediensteten des Staates betroffen waren. Diesbezüglich hat bereits das LAG Hamm in seinem Urteil vom 03.04.2014 (17 Sa 1387/13) zutreffend auf Folgendes hingewiesen:
55"Aus der Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Eurozone vom 11.04.2010 (Anhang II zu dem Gesetz 3845/2010) folgt, dass sie bereits am 23.03.2010 mit ihr die Bedingungen für eine Finanzhilfe vereinbart haben, um ihr im Bedarfsfall zu ermöglichen, zur Sicherung der Finanzstabilität im Euro-Währungsgebiet in diesem zu verbleiben. In der Erklärung wurde vereinbart, dass eine Kommission am 12.04.2010 zusammen mit dem IWF und den griechischen Behörden die Arbeit an einem gemeinsamen Programm aufnehmen sollte, das u.a. Beiträge der Beklagten und Auflagen an sie beinhalten sollte.
56Dass erhebliche Anstrengungen der Beklagten zur Meisterung der finanzpolitischen und strukturellen Herausforderungen Teil des Stabilitätsprogramms waren, folgt aus der Erklärung, die Eurogruppe begrüße die entschlossenen Anstrengungen der griechischen Behörden und der europäischen Partner zur Krisenbewältigung und stelle fest, dass die Haushaltsführung der ersten Monate des Jahres 2010, die bereits ergriffenen Maßnahmen Früchte trügen.
57Das Memorandum vom 03.05.2010 zur Verständigung auf konkrete wirtschaftspolitische Voraussetzungen (Anhang IV des Gesetzes 3845/2010) zeigt den europäischen Druck auf die Beklagte, quantitative Leistungskriterien einzuhalten. Die griechischen Behörden haben sich verpflichtet, mit dem Memorandum nicht in Einklang stehende Maßnahmen mit der europäischen Kommission, der EZB und dem IWF zu beraten und alle erforderlichen Informationen zur Überwachung der Fortschritte bei der Umsetzung des Programms und zur wirtschaftlichen und finanziellen Situation zur Verfügung zu stellen. Anschließend sind in 1) i) die Maßnahmen beschrieben, die durch die erste Überprüfung veranlasst wurden und bis zum Ende des zweiten Quartals 2010 abgeschlossen sein mussten. Dazu gehörte auch die Senkung der Lohnkosten im öffentlichen Sektor."
58Weiter erwähnt das LAG Hamm in seinem Urteil vom 03.04.2014 zutreffend:
59"Der Oberste Verwaltungsgerichtshof Griechenlands hat das Moratorium (Gesetz 3845/2010) einer Überprüfung unterzogen und mit Urteil vom 21.06.2011 entschieden, dass es weder die griechische Verfassung noch das europäische Menschenrechtsabkommen noch andere internationale Abkommen verletzt. Er hat das Gesetz auch im Hinblick auf Artikel 17 der griechischen Verfassung (Schutz des Eigentums) unter dem Gesichtspunkt der Lohnkürzung und im Hinblick auf Artikel 25 (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) geprüft und darauf hingewiesen, dass das Gesetz 3845/2010 Teil des allgemeinen Programms zur volkswirtschaftlichen Konsolidierung und Durchsetzung struktureller Reformen ist und dass es durch ernsthafte Gründe volkswirtschaftlichen Interesses gerechtfertigt ist, die Gründe auch gemeinsamen Interessen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union entsprechen (Quelle: Griechenland-Blog unter Bezugnahme auf in.gr.). …"
60c)Bei der Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes zur Rechtfertigung der hier streitgegenständlichen Änderungskündigung ist somit nicht nur die zuvor erwähnte, insbesondere auch durch die Anhänge zum Gesetz Nr. 3845/2010 dokumentierte Ausgangssituation zu berücksichtigen, sondern auch die einem ausländischen Parlament zuzugestehende Einschätzungsprärogative, wie so bereits das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 25.04.2013 betont hat. Die Einsparungsmaßnahmen, so wie sie vom griechischen Parlament in den hier streitgegenständlichen Gesetzen beschlossen wurden, sind deshalb grundsätzlich hinzunehmen. Bei den darauf fußenden Änderungskündigungen lässt sich mithin nicht mit alternativen Maßnahmen argumentieren, die man anstelle der vorgenommenen Entgeltkürzungen hätte treffen können. Auch kann nicht darauf verwiesen werden, dass man den Kreis der von Einsparungsmaßnahmen betroffenen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes anders hätte bestimmen und so insbesondere z. B. die im Ausland im Angestelltenverhältnis beschäftigten Mitarbeiter hätte ausnehmen können (vgl. insoweit auch BAG vom 26.06.2008 - 2 AZR 139/07 -).
61Dabei geht die erkennende Kammer nicht davon aus, dass die Geberländer und/oder der griechische Gesetzgeber zur Realisierung des Gesetzeszweckes und der Kosteneinsparungen alles bis in alle Einzelheiten selbst vorgegeben hätten. Soweit die vorgesehenen Änderungen nicht unmittelbar durch die hier streitgegenständlichen Gesetze Wirksamkeit erlangt haben, wie im Streitfall zugrunde zu legen ist, sondern entsprechender Umsetzungsmaßnahmen, wie vorliegend, bedurften, war die Beklagte in ihrer Funktion als Arbeitgeber (des öffentlichen Dienstes) dazu aufgerufen, die entsprechenden Entscheidungen und erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wobei sie in dieser Funktion dem Inhalt und der Zwecksetzung der hier streitgegenständlichen Gesetze zwar Rechnung tragen, bei "ausfüllungsbedürftigen" Tatbeständen insoweit jedoch selbst noch die entsprechenden Entscheidungen jeweils treffen musste. Soweit insoweit nicht jede Einzelfrage, die sich im Rahmen der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben ergeben konnte, bis ins Detail vom Gesetzgeber selbst geregelt worden war, bedeutet dies deshalb nicht - und schon gar nicht zwangsläufig -, dass die im Einzelfall getroffenen Entscheidungen bzw. die Vornahme arbeitsvertraglicher Maßnahmen deswegen gesetzeswidrig bzw. unrechtmäßig wären, wie es so nach der klägerischen Argumentation teilweise anklingt.
62Bei der hier in Rede stehenden Belastung aller in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis stehenden Bediensteten im Hinblick auf die beschlossenen Einsparungen war es so z. B. zutreffend, dass die Beklagte als öffentlicher Arbeitgeber die (von ihr allein finanzierten) Klägerin als eine im Ausland beschäftigte Angestellte - mangels sachlicher Rechtfertigung einer Besserstellung und ansonsten auch im Einklang mit der gesetzlichen Zwecksetzung und der bestehenden Einsparungsnotwendigkeiten - von den gesetzlich angeordneten Gehaltskürzungen nicht ausgenommen hat, obwohl die im Ausland beschäftigten Angestellten im Gesetz insoweit keine ausdrückliche Erwähnung gefunden haben.
63d)Bei Ausspruch der hier streitgegenständlichen Änderungskündigung hat sich die Beklagte (in ihrer Funktion als Arbeitgeber) im Hinblick auf die vorgeschlagenen Änderungen in dem gesetzlich vorgegebenen Rahmen gehalten, d. h. diese gehen über die gesetzlichen Vorgaben nicht hinaus.
64aa)Nach Art. 1 § 4 des Gesetzes 3833/2010 wird das Gehalt von Bediensteten mit privatrechtlichen Verträgen, die wie die Klägerin keine Zulagen, Vergütungen und Honorare im Sinne des Art. 1 § 2 Abs. 1 erhalten, um 7 % gekürzt. Nach Art. 3 § 3 Satz 2 des Gesetzes 3845/2010 beträgt der weitere Kürzungsbetrag 3 %. Soweit der von der Beklagten nominell angebotene Kürzungsbetrag geringer ist als der sich aus den gesetzlichen Vorgaben tatsächlich errechnende Kürzungsbetrag, ist dies unter kündigungsschutzrechtlichen Gesichtspunkten unschädlich.
65bb)Auch das Angebot der Streichung der Jahressonderzahlung ist nach der griechischen Gesetzeslage gerechtfertigt. Gemäß Art. 3 § 6 Satz 2 des Gesetzes 3845/2010 erhalten Beschäftigte, die unter Berücksichtigung aller ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen innerhalb eines Kalenderjahres mehr als 3.000,00 € monatlich verdienen, keine Weihnachts-, Oster- und Urlaubszuwendung, bei darunter liegender Vergütung nur bis zur Grenze dieser 3.000,00 €. Für die Zahlung einer Weihnachts-, Oster- oder Urlaubszulage ist danach jeweils eine kalenderjahresbezogene Feststellung des monatlichen Verdienstes im Einzelfall erforderlich. Dieser Vorgabe würde es - dem Grunde und der Höhe nach - zuwiderlaufen, wenn eine Verpflichtung zur Zahlung von Jahressonderzahlungen, wie vorliegend, in einer bestimmten Höhe bestünde. Dabei ist die von der Beklagten als Arbeitgeberin getroffene, die gesetzlichen Vorgaben insoweit ausfüllende Entscheidung, die Beibehaltung der Gewährung tariflicher Sonderzahlungen als einen der vorgenannten gesetzlichen Regelungen zuwiderlaufenden Tatbestand zu sehen, nicht zu beanstanden, sind diese nach der Zwecksetzung den vom griechischen Gesetz erfassten Zuwendungen doch vergleichbar (so auch LAG Hamm, Urteil vom 03.04.2014 - 17 Sa 1387/13 -Rz186).
66cc)Schließlich bewegt sich auch die auf Abschaffung automatischer Tariflohnerhöhungen gerichtete Änderung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und der der Beklagten von den Geberländern abverlangten Einsparungspolitik. Insoweit wäre es bereits widersinnig, Ausgabeneinsparungen durch Gehaltskürzungen vornehmen zu wollen, wenn dieses Einsparungspotenzial alsbald wieder von automatischen Lohnerhöhungen - zumal auf dem Niveau deutscher Tarifanpassungen im öffentlichen Dienst - aufgezehrt werden würde. Die Abschaffung automatischer Gehaltserhöhungen, deren Höhe sich zudem dem Willen und dem Einfluss der Beklagten entzieht, ist als flankierende Maßnahme zu Entgeltabsenkungen zwecks Einsparung entsprechender Kosten geradezu geboten. Entsprechend wurde dann auch im Gesetz Nr. 3833/2010 Art. 3 § 5 normiert, dass Bestimmungen des Gesetzes oder Bestimmungen, Bedingungen oder Klauseln von Tarifverträgen, Schiedssprüchen, Ministerialbeschlüssen oder Verwaltungsakten jeder Art und Bedingungen individueller Arbeitsverträge oder Vereinbarungen, die im Widerspruch zu den Bestimmungen dieser Bestimmungen oder der vorhergehenden Artikel stehen, aufgehoben werden - wobei zu den vorhergehenden Artikeln eben auch jene gehören, die eine Gehaltskürzung vorsehen, wie der hier interessierende Art. 1 § 4 mit der dort angeordneten Bezügekürzung um 7 %.
67Vorliegend geht es jedoch nicht nur um die effektive Umsetzung des Kürzungsgebotes aus Art. 1 des Gesetzes Nr. 3833/2010, vielmehr geht es auch darum, dass der Gesetzgeber nunmehr ausschließlich selbst über die Höhe der Bezüge der Beschäftigten im öffentlichen Dienst entscheiden wollte bzw. nach den Vorgaben der Geberländer auch entscheiden musste, was sich insbesondere mit einer automatischen Bezügeerhöhung aufgrund entsprechender arbeitsvertraglicher Vereinbarungen nicht verträgt. Artikel 3 § 5 des Gesetzes Nr. 3833/2010 gibt damit der Republik Griechenland als Vertragspartei eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses quasi die Anweisung zur Aufhebung derartiger arbeitsvertraglicher Regelungen (so im Hinblick auf die Gehaltskürzung nach Art. 1 § 2 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 3833/2010 LAG München vom 23.01.2014 - 3 Sa 676/12 - Rz. 98). Die Beklagte in ihrer Funktion als Arbeitgeber war mithin gehalten, im Falle der Notwendigkeit einer Änderungskündigung als Umsetzungsakt gegenüber den mit privatrechtlichem Arbeitsverhältnis Beschäftigten eine etwaig bestehende Vereinbarung über einen Tariferhöhungsautomatismus abzuschaffen - dies hier mit dem zutreffenden Hinweis darauf, dass über Gehaltserhöhungen nunmehr der griechische Staat unter Beachtung der Einsparungspolitik entscheiden wird.
68d)Mit dem Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 03.04.2014 - 17 Sa 1387/13 - Rz. 197 ff) geht auch die erkennende Kammer davon aus, dass die Beklagte das verschlechternde Angebot nicht hätte befristen müssen. Soweit klägerseits darauf verwiesen wurde, dass nach der Rechtsprechung des BAG (vgl. so z. B. BAG vom 01.03.2007 - 2 AZR 580/05 - Rz. 40) bei einem vorübergehenden finanziellen Engpass keine Berechtigung besteht, das Entgelt der Mitarbeiter dauerhaft abzusenken, kann vom Vorliegen eines derartigen Falles hier nicht die Rede sein. Dabei kommt es nach Auffassung der Kammer vorliegend weniger darauf an, ob bei Ausspruch der Kündigung ein Ende der Wirtschaftskrise absehbar war. Im Streitfall geht es nicht um einen kurz- oder mittelfristigen Liquiditätsengpass, der vorübergehend - während der Dauer seines Bestehens- eine (Weiter-)Zahlung der Personalkosten in bisheriger Höhe nicht erlaubt, sondern um einen (hochgradig) sanierungsbedürftigen (Staats-)Haus-halt, dem liquide Mittel nur um den Preis nachhaltiger Konsolidierungsbemühungen zur Verfügung gestellt werden. So hatte die Beklagte bereits von Anbeginn an darauf hingewiesen, dass bei den Verhandlungen mit den Gläubigern und den in Betracht kommenden Darlehensgebern sich unstreitig ergeben habe, dass die miserable wirtschaftliche Situation der Beklagten u. a. auch auf die große Anzahl der Bediensteten im öffentlichen Sektor und deren überhöhter Löhne zurückzuführen gewesen sei. Im Rahmen der Vereinbarungen - Moratorium - mit den Geldgeberländern habe die Beklagte zwischen zwei Möglichkeiten zu entscheiden gehabt: Entweder die sofortige Entlassung von 250.000 Bediensteten oder die radikale Kürzung der Löhne/Gehälter. Auf diesen Vortrag waren die Parteien ausdrücklich noch einmal durch gerichtliches Schreiben vom 27.01.2014 hingewiesen worden. Mit Schriftsatz vom 10.04.2014 hat die Beklagte sodann nochmals darauf hingewiesen, dass Sinn und Zweck der verabschiedeten Gesetze die Neustrukturierung der Besoldung der Staatsbediensteten der Beklagten gewesen sei, aufgrund der unstreitigen Tatsache, dass die Probleme der Wirtschaft der Beklagten auf eine nicht effiziente öffentliche Verwaltung, welche unverhältnismäßig hohe Kosten produziert habe, zurückzuführen gewesen sei. Die Geberländer der Eurozone und der Internationale Währungsfond hätten deshalb die zu leistende Wirtschaftshilfe von der Verabschiedung konkreter Kürzungen der Löhne der Bediensteten der öffentlichen Hand abhängig gemacht. Zu den Kürzungen sei auch die Einführung einer den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beklagten angepassten einheitlichen Besoldungsordnung gefordert und vereinbart worden. Klägerseits ist diesem Vortrag nicht widersprochen worden.
69Die hier in Rede stehende Sanierungs- und Konsolidierungsnotwendigkeit der Beklagten insbesondere auch bei den Ausgaben für Löhne und Gehälter bedeutet, dass eine Rückkehr zu den früheren Verhältnissen bzw. ein Rückfall in dieselben gerade vermieden werden sollte. Als vorläufig könnte die hier in Rede stehende Entgeltabsenkung deshalb allenfalls insofern bezeichnet werden, als mit den Gesetzen aus 2010 in einem ersten Schritt die dringlichsten Einsparungsmaßnahmen angeordnet werden sollten im Sinne einer dauerhaften "Mindesteinsparungsquote" mit der damals noch offenen Option, in den Folgejahren weitergehende Einsparungen und Kürzungen vorzunehmen. Auf diesen Umstand hat die Beklagte im Übrigen zuletzt auch nochmals mit Schriftsatz vom 7.7.2014 hingewiesen.
70Aus diesem Grund, aber auch von Gesetzes wegen, war die Beklagte in ihrer Funktion als Arbeitgeber nicht gehalten, die in einem ersten Schritt notwendigerweise zur Erreichung der gesetzlich vorgesehenen Mindesteinsparungen vorzunehmenden Vertragsänderungen auf das Haushaltsjahr 2010 zu beschränken. Die in den Gesetzen aus 2010 enthaltenen Regelungen sind nur insoweit als befristet anzusehen, als dies dort auch ausdrücklich bestimmt ist. Bei diesen Gesetzen geht es nämlich nicht nur darum, die Ausgaben für ein bestimmtes Haushaltsjahr - hier das Haushaltsjahr 2010 - festzuschreiben. Bereits die Überschrift zu Kapitel A des Gesetzes 3833/2010 verweist auf ein doppeltes Regelungsziel, nämlich "Maßnahmen zur Minderung der Haushaltsdefizite" einerseits und "Einkommenspolitik für das Jahr 2010" andererseits. Der Regelungsgegenstand "Einkommenspolitik des Jahres 2010" findet sich unter der nämlichen Überschrift dann in Art. 3 des Gesetzes 3833/2010. Die dort getroffenen Regelungen zur Frage der Bezügeerhöhungen sind in der Tat bis zum 31.12.2010 befristet worden, und bedurften von daher auch einer Verlängerungsregelung, wollte man die dort getroffenen Bestimmungen auch im Jahr 2011 beibehalten. Letzteres ist mit dem am 17.12.2010 verabschiedeten Gesetz Nr. 3899 geschehen, mit dem in Art. 3 des Gesetzes 3833/2010 ein § 6 hinzugefügt wurde, der die Regelungen der vorangegangenen Paragraphen für die Einkommenspolitik des Jahres 2010 auch für die Haushaltspolitik für das Jahr 2011 für anwendbar erklärt.
71e)Nach Auffassung der Kammer ist hier mithin im Ergebnis zugrunde zu legen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen, wie sie vorliegend in Rede stehen, für die Beklagte unabweisbar und notwendig war und dies als wichtiger Grund den Ausspruch der hier streitgegenständlichen fristlosen Änderungskündigung rechtfertigte - und dies nach Auffassung der Kammer auch ohne Einhaltung einer Kündigungs- bzw. Auslauffrist.
72aa)Zwar soll eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich nicht möglich sein, da sie voraussetzt, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist, und dies bei betriebsbedingten Kündigungen regelmäßig nicht der Fall sei (vgl. so z. B. BAG vom 22.11.2012 - 2 AZR 673/11 - Rz. 13 m.w.N.). Nach Auffassung der Kammer ist vorliegend jedoch der (ganz seltene) Ausnahmefall gegeben, bei dem die Berechtigung zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB aus betriebsbedingten Gründen auch gegenüber einem an sich noch ordentlich kündbaren Arbeitnehmer zu bejahen ist. Wie dringlich dem Gesetzgeber nicht nur eine alsbaldige, sondern eine sofortige Umsetzung der mit dem Gesetz vom 11.03.2010 beschlossenen Einsparungsmaßnahmen war, zeigt Art. 1 § 9 dieses Gesetzes: Danach reichten dem Gesetzgeber nicht einmal die Einsparungen, die ab Inkrafttreten dieses Gesetzes mit sofortiger Wirkung zu erzielen waren, es sollten nach dieser Bestimmung auch die Beträge, die sich aus der in diesem Artikel vorgesehenen Herabsetzung ergeben werden und dem Zeitrahmen vom 01.01.2010 bis zur Umsetzung dieses Gesetzes entsprechen, in den Folgemonaten nach einer näher festgelegten Staffel einbehalten werden. Abgesehen davon, dass einem ausländischen Parlament, wie hier dem griechischen, eine Einschätzungsprärogative auch insoweit zuzugestehen ist, als es um den Zeitpunkt geht, zu dem von ihm beschlossene Maßnahmen umgesetzt werden sollen, hat die Beklagte zuletzt auch noch einmal mit Schriftsatz vom 10.04.2014 - insoweit klägerseits unwidersprochen geblieben - darauf hingewiesen, dass sie zum damaligen Zeitpunkt zahlungsunfähig war und selbst die gekürzten Löhne und Gehälter nur hätte zahlen können, wenn die Kredit gebenden Länder finanzielle Mittel zur Verfügung stellen würden. Ein Zuwarten mit der Umsetzung der beschlossenen Einsparungsmaßnahmen zwecks Einhaltung von Kündigungsfristen kann von daher vorliegend nicht mehr als zumutbar angesehen werden. Wäre im vorliegenden Fall eine Kündigungs- bzw. Auslauffrist einzuhalten, ergäbe sich im Übrigen gegenüber denjenigen Angestellten und Beamten, bei denen die gesetzlich vorgesehenen Einsparungen unmittelbar, automatisch und nicht nur mit sofortiger Wirkung, sondern sogar rückwirkend ab 01.01.2010 vorgenommen wurden, eine erhebliche Ungleichbehandlung und ein entsprechender Wertungswiderspruch, von dem Umstand einmal abgesehen, dass im Falle der Klägerpartei bei Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist bzw. Auslauffrist ein "Sanierungsbeitrag" in Form der Gehaltskürzung und der Streichung der Jahressonderzahlung für das Haushaltsjahr 2010 selbst bei einer zeitnah zur Verkündung der hier in Rede stehenden Gesetze ausgesprochenen Änderungskündigung nicht oder jedenfalls nicht mehr in nennenswertem Umfang hätte erreicht werden können.
73Der hier bejahten Möglichkeit, ausnahmsweise eine fristlose (Änderungs-)Kün-digung nach § 626 BGB auch auf betriebsbedingte Gründe stützen zu können, lässt sich nach Auffassung der Kammer mit dem Argument, dass grundsätzlich einmal geschlossene Verträge einzuhalten sind und das Geldmangel den Schuldner nicht entlastet ("Geld hat man zu haben") nicht begegnen. Dieses Argument macht bei Dauerschuldverhältnissen, die über Jahre oder gar Jahrzehnte laufen und bei deren Abschluss die künftige konjunkturelle bzw. wirtschaftliche Entwicklung noch gar nicht absehbar ist, nicht unbedingt einen Sinn, kann einem Arbeitgeber doch nicht vorgeworfen werden, dass er - z. B. in Zeiten von Hochkonjunktur und blühender Wirtschaftslage seines Unternehmens - den Arbeitnehmer zu entsprechend günstigen Konditionen einstellt und beschäftigt und dieselben dann einer später veränderten, schlechteren Wirtschaftslage anzupassen versucht. Gerade die unveränderte Beibehaltung an sich so nicht mehr tragbarer bzw. finanzierbarer Konditionen kann zum Ruin eines Unternehmens bzw. - wie hier - sogar eines ganzen Staates führen. Genaugenommen stellt sich bei Dauerschuldverhältnissen und so insbesondere auch bei Arbeitsverhältnissen nur die Frage der (angemessenen) Risikoverteilung, wobei gerade im Insolvenzfall die Faktizität des nicht mehr vorhandenen Geldes zeigt, dass Zahlungen der insoweit einzuhaltenden Kündigungsfrist nur in dem Umfang zu erwarten sind, wie noch Mittel im Insolvenzverfahren zur Verteilung zur Verfügung stehen, und die notwendigen Mittel zur Begleichung von Lohnforderungen im Übrigen vielfach auch nicht durch den Arbeitgeber, sondern durch den Staat aufgebracht werden, wie z. B. die Zahlung des Insolvenzausfallgeldes zeigt.
74bb)Auch die Interessenabwägung kann hier nicht zu Gunsten des Interesses der Klägerin an der Beibehaltung ihrer bisherigen ungekürzten Bezüge während der Dauer einer Kündigungs- bzw. Auslauffrist den Ausschlag geben angesichts der damaligen prikären finanziellen Situation der Beklagten, welche die Bezahlung eines jeden Bediensteten des öffentlichen Dienstes - und dies nicht nur teilweise, sondern gänzlich - in Frage stellte, und erst die sofortige Reduzierung der Einkünfte bei allen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes es möglich machte, dass überhaupt, wenn auch nur in reduziertem Umfang die Bezahlung von Löhnen und Gehältern möglich wurde, weshalb es hier nach Auffassung der Kammer keine unzumutbare Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin bedeuten kann, wenn sie ihrerseits in nämlichem Umfang den ihr abverlangten Sanierungsbeitrag zu leisten hat.
75Die Einhaltung einer Kündigungs- bzw. Auslauffrist kann von der Beklagten auch nicht deshalb verlangt werden, weil sie selbst bis zum Ausspruch der Änderungskündigung erhebliche Zeit seit Verabschiedung der hier streitgegenständlichen Gesetze hat verstreichen lassen. Diese Tatsache ist nämlich nicht dem Umstand geschuldet, dass die Beklagte die Klägerin ganz oder zumindest zeitweise von den gesetzlich beschlossenen Einsparungsmaßnahmen verschonen bzw. diesbezüglich in ihrem Falle noch zuwarten wollte. Durch Gehaltskürzungen und Lohneinbehalte hat sie derartige Einsparungsmaßnahmen - und dies zeitnah - tatsächlich auch vorgenommen, wozu sie sich auch ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung berechtigt glaubte. Das (alsbaldige) "Ob" der Umsetzung der Einsparungsmaßnahmen auch im Falle der Klägerin stand somit nie in Frage, sondern nur das "Wie", welches angesichts der besonderen rechtlichen Probleme des vorliegenden Falles im Übrigen auch nicht so ganz einfach zu beantworten war bzw. auch jetzt noch nicht abschließend geklärt ist.
76cc)Die Nichteinhaltung der zweiwöchigen Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB steht der Wirksamkeit der vorliegenden Kündigung nicht entgegen. Bei den hier streitgegenständlichen Einsparungsnotwendigkeiten und den diesbezüglich gesetzlich vorgegebenen Einsparungsmaßnahmen sowie im Hinblick auf die Unzumutbarkeit für die Beklagte, die Klägerpartei - und sei es auch nur für den Zeitraum der Kündigungsfrist - zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen, handelt es sich um einen "Dauertatbestand", bei dem die Frist stets von Neuem beginnt (vgl. dazu BAG vom 20.6.2013 - 2 AZR 379/12 Rdr.32; BAG vom 22.11.2012 - 2 AZR 673/11 - Rdnr. 28 m.w.N.).
77Der Berufung der Beklagten konnte nach alledem der Erfolg nicht versagt bleiben.
78II.
79Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs.6 ArbGG, 91 ZPO, die Entscheidung über die Zulassung der Revision aus § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG.
80RECHTSMITTELBELEHRUNG
81Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
82R E V I S I O N
83eingelegt werden.
84Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
85Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
86Bundesarbeitsgericht
87Hugo-Preuß-Platz 1
8899084 Erfurt
89Fax: 0361-2636 2000
90eingelegt werden.
91Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
92Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
931.Rechtsanwälte,
942.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
953.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
96In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
97Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
98Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
99* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
100Dr. StoltenbergHoffmannKrause
Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 31. Juli 2014 - 15 Sa 1123/13
Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 31. Juli 2014 - 15 Sa 1123/13
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 31. Juli 2014 - 15 Sa 1123/13 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).
(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.
(2) Im übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.
Tenor
-
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17. November 2011 - 15 Sa 1027/11 - aufgehoben.
-
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Änderungskündigung.
- 2
-
Die beklagte Republik unterhält in der Bundesrepublik Deutschland mehrere Schulen, darunter eine staatlich anerkannte Ergänzungsschule in D.
- 3
-
Die Klägerin ist seit 1985 bei der Beklagten beschäftigt. Ihr Einsatz erfolgte zuletzt an der Ergänzungsschule in D. Ihr Bruttomonatsgehalt betrug 2.980,51 Euro.
- 4
-
Im Arbeitsvertrag vom 31. Oktober 1985 heißt es:
-
„…
§ IV
Die Einstellung erfolgt nach dem Deutschen BAT und Ihre Vergütung wird wie folgt sein: …
…“
- 5
-
Mit Schreiben vom 9. November 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos und bot der Klägerin die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen an. In dem Kündigungsschreiben heißt es:
-
„… zur Überwindung der Wirtschaftskrise und zur Anwendung des unterstützenden Mechanismus der griechischen Wirtschaft von den Mitgliedsstaaten der Eurozone und des Internationalen Währungsfonds, beschloss der griechische Staat die Kürzung der Gehälter aller Beschäftigten / von ihm Besoldeten (G 3833/2010 und G 3845/2010). Für Arbeitsverträge wie Ihren wurde eine Kürzung des monatlichen Bruttoeinkommens von 7 % und 3 % vorgenommen, d. h. 250,87 Euro monatlich, sowie die Abschaffung der Jahressonderzahlung. Die Minderung von 7 % erfolgte ab dem 01.01.2010 und die Minderung von 3 % erfolgte ab dem 01.06.2010.
Aus den o. g. Gründen und der Anweisung der Direktion für das Auslandswesen interkultureller Bildung Prot. Nr. 821/2930E/130071/Z 1 vom 15.10.2010, kündigen wir den bestehenden Arbeitsvertrag aus wichtigem Grunde sofort und ohne jegliche Frist. Gleichzeitig bieten wir Ihnen einen neuen Arbeitsvertrag zu folgenden Bedingungen an:
1.
Minderung des monatlichen Bruttoeinkommens um 250,87 Euro
2.
Abschaffung der Jahressonderzahlung
Zusätzlich setzen wir Sie in Kenntnis, dass zukünftig keine automatischen Lohnerhöhungen gemäß TV-L bezahlt werden, sondern nach Entscheidung Ihres Arbeitgebers, nämlich entsprechend der Einsparpolitik des griechischen Staates.
Alle anderen Bedingungen bleiben unverändert. …“
- 6
-
Die Klägerin nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt an. Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat sie sich gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen gewandt. Das Änderungsangebot sei unbestimmt. Die Änderungskündigung sei auch unverhältnismäßig, weil die Beklagte ihre wirtschaftliche Lage und ihre Sanierungsplanung nicht nachvollziehbar dargelegt habe.
- 7
-
Die Klägerin hat beantragt
-
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 9. November 2010 rechtsunwirksam ist.
- 8
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die deutsche Gerichtsbarkeit sei nach § 20 Abs. 2 GVG nicht gegeben. Ein angestellter Lehrer unterstehe den Weisungen ihres Konsuls in D und übe sowohl nach deutschem als auch nach ihrem - griechischen - Recht hoheitliche Aufgaben aus. Die Änderung der Arbeitsbedingungen sei im Übrigen gerechtfertigt. Sie sei Ende Februar/Anfang März 2010 finanziell nicht in der Lage gewesen, die Gehälter und Renten ihrer etwa eine Million Beschäftigten aufzubringen. Um weitere zwingend erforderliche Kredite zu erhalten und damit eine Insolvenz zu vermeiden, in deren Folge sie aus der europäischen Währungsunion würde austreten müssen, habe sie Verhandlungen mit den Geberländern aufgenommen. Danach habe sie nur die Möglichkeit gehabt, entweder ca. 250.000 Bedienstete zu entlassen oder die Gehälter und Renten ausnahmslos aller Bediensteten durch Parlamentsgesetz radikal zu kürzen. Sie habe sich für letztere Möglichkeit entschieden und nach den Vorgaben der Geberländer die Gesetze 3833/2010 „Schutz der nationalen Wirtschaft - Notstandsmaßnahmen zur Bekämpfung der Finanzkrise“ (Kürzung jeder Art regulärer Bezüge um 7 % mit Wirkung ab 1. Januar 2010) und 3845/2010 „Maßnahmen zur Anwendung des Unterstützungsmechanismus der griechischen Wirtschaft von den EU-Mitgliedsländern der Eurozone und vom Internationalen Währungsfonds“ (Kürzung um weitere 3 % sowie Kürzung bzw. Streichung von Weihnachtsgeld, Ostergeld und Urlaubsgeld mit Wirkung ab 1. Juni 2010) erlassen.
- 9
-
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, die deutsche Gerichtsbarkeit sei nicht gegeben. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht durfte die Klage nicht als unzulässig abweisen. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben. Die Beklagte ist nicht nach § 20 Abs. 2 GVG von ihr befreit. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).
- 11
-
I. Die Klage ist zulässig.
- 12
-
1. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben.
- 13
-
a) Nach § 20 Abs. 2 GVG iVm. dem Allgemeinen Völkergewohnheitsrecht als Bestandteil des Bundesrechts (Art. 25 GG) sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten insoweit nicht unterworfen, wie ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist. Es ist mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus abgeleiteten Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht zu vereinbaren, dass ein deutsches Gericht hoheitliches Handeln eines anderen Staates rechtlich überprüft (vgl. BVerfG 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03 - Rn. 34, BVerfGE 117, 141; BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -; 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 14 mwN).
- 14
-
aa) Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nach dem rechtlichen Charakter des konkreten staatlichen Handelns oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt oder wie eine Privatperson tätig geworden ist. Geht es - wie hier - um eine Streitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis, ist maßgebend, ob die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben ihrer Art nach hoheitlich oder nicht-hoheitlich sind. Entscheidend sind der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit (BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -; 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 17, jeweils mwN) sowie ihr - bestehender oder nicht bestehender - Zusammenhang mit den diplomatischen und konsularischen Aufgaben (BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 13).
- 15
-
bb) Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist diese Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht am Sitz des entscheidenden Gerichts vorzunehmen. Ungeachtet seiner ist stets hoheitlich nur das staatliche Handeln, das dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen ist. Zu ihm gehören die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -; 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 15 f. mwN).
- 16
-
b) Danach ist die Beklagte im Streitfall nicht wegen ihrer Immunität von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Die Klägerin nimmt keine hoheitlichen Aufgaben wahr.
- 17
-
aa) Die Tätigkeit der Klägerin gehört nicht zum Kernbereich der Staatsgewalt. Die Beurteilung, ob es sich um dennoch hoheitliche Tätigkeit handelt, richtet sich daher nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland.
- 18
-
bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Tätigkeit der Klägerin nicht deshalb hoheitlich, weil die Unterhaltung des Schulwesens - sowohl nach griechischem als auch nach deutschem Recht - eine staatliche Aufgabe ist. Der Staat handelt bei Wahrnehmung seiner vielfältigen Aufgaben nicht stets und notwendig hoheitlich. Die Charakterisierung einer Aufgabe als staatliche ist deshalb für die Abgrenzung von hoheitlichem und nicht-hoheitlichem Handeln nicht maßgebend (vgl. BAG 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 15). Es kommt vielmehr auf die dem Arbeitnehmer übertragene Tätigkeit an. Diese ist bei Lehrern an einer allgemeinbildenden staatlichen oder staatlich anerkannten Schule nicht iSv. § 20 Abs. 2 GVG hoheitlich geprägt. Die Tätigkeit von Lehrern an einer solchen Schule ist nicht Ausdruck der Souveränität des Staates nach innen oder außen in einem für diese Bestimmung maßgebenden Sinne. Sie steht in keinem funktionalen Zusammenhang mit diplomatischen oder konsularischen Aufgaben und ist auch nicht die Ausübung einer hoheitsrechtlichen Befugnis, die mit Blick auf Art. 33 Abs. 4 GG in der Regel Beamten zu übertragen wäre(vgl. BVerfG 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - Rn. 63 ff., BVerfGE 119, 247; BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -; 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12 - Rn. 20).
- 19
-
2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar. Die deutschen Gerichte sind auch international zuständig.
- 20
-
a) Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Der für ihre Anwendung erforderliche Auslandsbezug (vgl. dazu EuGH 17. November 2011 - C-327/10 - [Lindner] Rn. 29; BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 21) ist gegeben. Die Beklagte ist ein ausländischer Staat ohne „Sitz“ im Inland iSv. Art. 19 EuGVVO(vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -).
- 21
-
b) Nach Art. 18 Abs. 1, Art. 19 Nr. 2 Buchst. a EuGVVO kann ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, an dem Ort in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Dieser Ort - der gewöhnliche Arbeitsort - liegt im Streitfall in D.
- 22
-
II. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Ob die Klage begründet ist, vermag der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die materielle Wirksamkeit der Änderungskündigung nicht geprüft und entsprechende Feststellungen nicht getroffen. Dies wird es unter Beachtung der nachstehenden Erwägungen nachzuholen haben.
- 23
-
1. Die Wirksamkeit der Änderungskündigung richtet sich nach deutschem materiellen Recht.
- 24
-
a) Die Bestimmung des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren materiellen Rechts ist nach Art. 27 ff. EGBGB (aF) vorzunehmen. Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) findet gem. ihrem Art. 28 auf den Streitfall noch keine Anwendung. Der Arbeitsvertrag der Parteien wurde vor dem 17. Dezember 2009 geschlossen.
- 25
-
b) Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB(aF) unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich auch aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falls ergeben. Bei Arbeitsverträgen können Gerichtsstandsklauseln, die Vereinbarung eines für beide Parteien gemeinsamen Erfüllungsorts oder die Bezugnahme auf Tarifverträge typische Hinweise auf eine stillschweigende Rechtswahl enthalten (vgl. BAG 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 - Rn. 28; 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - Rn. 32, BAGE 125, 24).
- 26
-
c) Danach haben die Parteien im Streitfall konkludent die Anwendung deutschen Rechts vereinbart. Sie haben arbeitsvertraglich einen deutschen Tarifvertrag in Bezug genommen. Die auf diese Weise getroffene Rechtswahl entspricht im Ergebnis der Regelung des Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB(aF). Danach unterliegen Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse bei Fehlen einer Rechtswahl dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Dies ist hier Deutschland.
- 27
-
2. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb zu prüfen haben, ob nach dem anwendbaren deutschen Recht die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung wirksam erfolgt ist.
- 28
-
a) Dabei wird das Landesarbeitsgericht - ggf. nach weiterem Sachvortrag der Parteien und uU auf der Grundlage eines völker- und staatsrechtlichen Gutachtens - zunächst der Frage nachgehen müssen, welche Rechtsqualität die im bisherigen Prozessverlauf nicht umfassend vorgelegten griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 haben und ob diese die Beklagte angesichts ihrer drohenden Insolvenz und der Auflagen der Geberländer völkerrechtlich berechtigen, unmittelbar korrigierend auch in solche Arbeitsverhältnisse einzugreifen, die außerhalb ihres Staatsgebiets vollzogen werden (vgl. dazu BAG 10. April 2013 - 5 AZR 78/12 -).
- 29
-
b) Sollte danach die Änderung der Vertragsbedingungen bereits unabhängig von der ausgesprochenen Änderungskündigung eingetreten sein, könnte der Änderungsschutzantrag allein deshalb unbegründet sein. Die Begründetheit einer nach Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt erhobenen Änderungsschutzklage iSv. § 4 Satz 2 KSchG setzt voraus, dass in dem Zeitpunkt, zu welchem die angebotene Vertragsänderung wirksam werden soll, das Arbeitsverhältnis nicht ohnehin zu den Bedingungen besteht, die dem Arbeitnehmer mit der Kündigung angetragen wurden. Zielt eine Änderungskündigung ausschließlich auf die Herbeiführung von Vertragsbedingungen, die auch ohne sie für das Arbeitsverhältnis gelten, ist die Kündigung zwar „überflüssig“ und wegen der mit ihr einhergehenden Bestandsgefährdung unverhältnismäßig. Nach Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt seiner sozialen Rechtfertigung steht deren Wirksamkeit aber nicht (mehr) im Streit. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen. Die Feststellung, dass die dem Arbeitnehmer mit der Änderungskündigung angetragenen Vertragsbedingungen sozial ungerechtfertigt sind, kann das Gericht nicht treffen, wenn sich das Arbeitsverhältnis bei Kündigungsausspruch schon aus anderen Gründen nach diesen Bedingungen richtet (BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 14, BAGE 140, 328; 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 14). Die Wirksamkeit der Kündigung steht allenfalls dann weiterhin im Streit, wenn der Arbeitnehmer die Annahme des Änderungsangebots unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG mit dem weiteren Vorbehalt verbunden haben sollte, dass die Änderungskündigung nicht „überflüssig“ ist.
- 30
-
c) Für den Fall, dass eine Änderung der Arbeitsbedingungen nicht unmittelbar durch die griechischen Gesetze herbeigeführt worden ist, wird das Landesarbeitsgericht davon auszugehen haben, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht bereits deshalb unwirksam ist, weil es an einem hinreichend bestimmten Änderungsangebot fehlte.
- 31
-
aa) Ein mit der - ordentlichen oder außerordentlichen - Kündigung unterbreitetes Änderungsangebot muss eindeutig bestimmt, zumindest bestimmbar sein (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 29; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 18). Ihm muss - ggf. nach Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB - zweifelsfrei zu entnehmen sein, welche Arbeitsbedingungen künftig gelten sollen. Der Inhalt des Änderungsangebots muss zudem nach § 623 BGB im Kündigungsschreiben zumindest hinreichenden Anklang gefunden haben(BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 31; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 18). Nur so kann der Arbeitnehmer eine abgewogene Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Unklarheiten gehen zulasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 29; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 15 mwN, BAGE 132, 78).
- 32
-
bb) Im Streitfall ist das Änderungsangebot hinreichend bestimmt. Es genügt auch dem Schriftformerfordernis nach § 623 BGB.
- 33
-
(1) Das Änderungsangebot ist - anders als die Klägerin gemeint hat - nicht in sich widersprüchlich und deshalb unbestimmt, weil das Schreiben zunächst von einer Kürzung der Bezüge schon ab dem 1. Januar und dem 1. Juni 2010 ausgeht. Bei diesen einleitenden Ausführungen handelt es sich ersichtlich nicht bereits um das mit der Änderungskündigung verbundene Vertragsangebot selbst, sondern nur um die Erläuterung des Anlasses für deren Ausspruch. Die Kündigung als einseitige Willenserklärung wird erst im Anschluss an diese Erläuterung erklärt. Danach „kündigt“ die Beklagte den Arbeitsvertrag „aus wichtigem Grunde sofort und ohne jegliche Frist“. Daraus folgt hinreichend deutlich, dass die Kündigung nur mit Wirkung für die Zukunft und nicht auch rückwirkend erfolgen sollte.
- 34
-
(2) Das Änderungsangebot ist auch der Höhe nach hinreichend bestimmt. Der Umfang der monatlichen Kürzung des Gehalts ist mit 250,87 Euro exakt angegeben. Ob dieser Betrag den gesetzlichen Vorgaben rechnerisch entspricht und ob sich die Beklagte tatsächlich auf eine Gehaltskürzung in dieser Höhe beschränkt hat, ist für die Bestimmtheit des Änderungsangebots unerheblich.
- 35
-
(3) Es mag unklar sein, ob für das Jahr 2010 noch eine Jahressonderzahlung zu leisten ist. Dies steht der Bestimmtheit des Änderungsangebots nicht entgegen. Nach dem - eindeutigen - Wortlaut des Änderungsangebots soll zukünftig eine Jahressonderzahlung nicht mehr geleistet werden. Ein Anspruch auf eine - zumindest anteilige - Jahressonderzahlung für das Jahr 2010 kann sich allenfalls aus dem alten, nicht aber aus dem neuen Vertrag ergeben.
- 36
-
(4) Soweit die Beklagte im Rahmen des Änderungsangebots ergänzend mitteilt, dass zukünftig Gehaltserhöhungen nicht automatisch gemäß dem Tarifvertrag (TV-L), sondern nach Entscheidung des Arbeitgebers erfolgen sollen, ist das Angebot ebenfalls hinreichend bestimmt. Die Beklagte stellt auf diese Weise klar, dass die Bezugnahme auf den TV-L künftig nicht (mehr) dynamisch wirken soll. Daraus wird hinreichend deutlich, dass der neue Arbeitsvertrag nach der Vorstellung der Beklagten keinen Automatismus zu Gehaltserhöhungen (mehr) enthält. Der Hinweis auf mögliche künftige Gehaltserhöhungen aufgrund einzelner Entscheidungen ihrerseits hat lediglich mitteilenden Charakter.
- 37
-
d) Das Landesarbeitsgericht wird ggf. zudem den Fragen nachzugehen haben, ob - unter Berücksichtigung einer dem ausländischen Parlament zuzugestehenden Einschätzungsprärogative - ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB für die Erklärung einer fristlosen Kündigung gegeben war, ob die Beklagte eine Auslauffrist hätte einhalten müssen(vgl. dazu zuletzt BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 14 mwN) und ob sie die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt hat. Im Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung kommt deren Umdeutung in eine ordentliche Kündigung nur in Betracht, wenn die Klägerin nicht aufgrund der bestehenden arbeitsvertraglichen Regelungen (bereits) ordentlich unkündbar war. Falls die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses noch möglich und eine Umdeutung geboten ist, hat das Landesarbeitsgericht zu prüfen, ob das Kündigungsschutzgesetz gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 seiner Regelungen Anwendung findet und die Kündigung auch dann rechtswirksam ist.
-
Kreft
Rachor
Rinck
Eulen
Bartz
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 04.05.2011 – 6 Ca 2937/10 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die außerordentliche, fristlose Änderungskündigung der Beklagten vom 21.10.2010, zugegangen am 12.11.2010, unwirksam ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens trägt jede Partei zu 50 %.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen Änderungskündigung.
3Der am 1959 geborene Kläger ist seit dem 17.01.1994 an der griechischen Grundschule der Beklagten in C als Studienrat mit einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 4.164 € tätig. Das Grundgehalt aus der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 TV-L betrug im Januar und Februar 2010 3.590,17 €. Zum 01.03.2010 wurde es auf 3.635,45 € erhöht.
4Der Kläger absolvierte in Deutschland ein Magisterstudium in Germanistik, das von der Beklagten anerkannt wurde. Er unterrichtet das Fach Deutsch.
5Bei seiner Einstellung war er griechischer Staatsbürger. Inzwischen verfügt er über eine doppelte Staatsbürgerschaft.
6Sein Gehalt wird in Griechenland besteuert. Er unterliegt dem deutschen Sozialversicherungssystem.
7Die Beklagte betreibt in C neben der Grundschule noch ein Lyzeum. Insgesamt beschäftigt sie an diesem Standort drei Lehrer und Lehrerinnen im Angestelltenverhältnis und mehr als zwölf Beamte.
8In Deutschland bestehen weitere griechische Schulen.
9Dem Arbeitsverhältnis liegen Arbeitsverträge vom 01.03.1994 (Bl. 3, 4 d.A.), vom 20.09.1994 (Bl. 5, 6 d.A.), vom 01.09.2001 (Bl. 7 bis 9 d.A.) und vom 02.01.2008 (Bl. 10 d.A.) zugrunde. In dem Änderungsvertrag vom 02.01.2008 heißt es unter Nr. 2 wie folgt:
10Die Regelung des Arbeitsverhältnisses erfolgt nach dem deutschen Bundestarifvertrag der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte und des deutschen öffentlichen Dienstes vom 07.05.1992 mit rückwirkender Gültigkeit zum 01.01.1992.
11Gemäß den obigen Ausführungen, den Änderungen der Beiträge des deutschen Versicherungsträgers und der Anpassung des BAT am TV-L, gestaltet sich sein Gehalt wie folgt:
12Wegen der Einzelheiten der Gehaltsdarstellung für den Zeitraum ab Januar 2008 wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegte Kopie des Vertrages (Bl. 10 d.A.) verwiesen.
13Die Arbeitsverträge waren in griechischer und deutscher Sprache abgefasst. Die Gehaltsabrechnungen wurden dem Kläger in griechischer Sprache erteilt.
14Erhöhte sich das Gehalt nach den Vergütungsverträgen zum BAT bzw. den Tabellen zum TV-L, erhielt auch der Kläger einer Gehaltserhöhung, zuletzt zum 01.03.2010.
15Unter Nr. 2 C des Änderungsvertrages vom 01.09.2001 wies die Beklagte das Weihnachtsgeld 2001 unter Zugrundelegung der Vergütungsgruppe IV a BAT, des Alters des Klägers von 41 Jahren und einer Kinderzahl von drei Kindern aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegte Kopie des Vertrages (Bl. 8 d.A.) verwiesen.
16Mit Wirkung zum 01.01.2010 trat Artikel 1 des griechischen Gesetzes 3833/2010 – Schutz der nationalen Wirtschaft – dringende Maßnahmen zur Überwindung der Finanzkrise – in Kraft. Der Auftrag zur Veröffentlichung des Gesetzes und zu dessen Ausführung als Gesetz datiert vom 11.03.2010. Dem Gericht wurde eine von dem Beklagtenvertreter gefertigte Übersetzung in die deutsche Sprache vorgelegt. Der Beklagtenvertreter ist durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Köln ermächtigter und beeidigter Dolmetscher für die griechische Sprache. Die Richtigkeit seiner Übersetzung ist zwischen den Parteien unstreitig. Artikel 1 § 4 des Gesetzes 3833/2010 lautet wie folgt:
174. Bedienstete mit privatrechtlichen Arbeitsverhältnis gem. Paragraph 2, für die die Bestimmungen von Gesetz 3205/2003 nicht gelten, werden von der Absenkung des Paragraphen 2 jene Zulagen ausgenommen, die mit dem Familienstand oder der dienstlichen Entwicklung zusammenhängen, ebenso die mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Berufen oder einem Zusatzstudium verbundenen Zulagen. Wenn den o.g. Bediensteten keine Zulagen, Vergütungen oder Honorare im Sinne des ersten Absatzes von Paragraph 2 dieses Artikels gezahlt werden, dann werden die Bezüge aller Art um sieben Prozent (7 %) herabgesetzt.
18Artikel 3 des Gesetzes betrifft die Einkommenspolitik des Jahres 2010. Nach Artikel 3 § 1 sind ab Inkrafttreten des Artikels bis zum 31.12.2010 Abschluss und Gewährung von Erhöhungen auf die Gehälter und Bezüge unter anderem der Angestellten im öffentlichen Dienst im Allgemeinen nicht gestattet.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesetzes wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 14.11.2013 vorgelegte Kopie (Bl. 170 – 181 der Akte) Bezug genommen.
20Mit Wirkung zum 01.06.2010 trat Artikel 3 des Gesetzes 3845/2010 in Kraft, das am 06.05.2010 mit Auftrag zur Veröffentlichung und Ausführung unterzeichnet wurde.
21Artikel 3 § 3 des Gesetzes lautet wie folgt:
223. Bei Bediensteten mit Arbeitsverträgen des Privatrechts gem. Par. 2 Art. 1 Ges. 3833/2010, die den Bestimmungen von Gesetz 3205/2010 nicht unterliegen, sind von der Kürzung des Paragraphen 1a die Zulagen ausgenommen, die vom Familienstand oder der dienstlichen Entwicklung zusammenhängen, ebenso die mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Berufen oder einem Zusatzstudium verbundenen Zulagen. Wenn den o.g. Bediensteten keine Zulagen, Vergütungen oder Honorare im Sinne von Paragraph 1 gezahlt werden, dann werden die Bezüge aller Art um drei Prozent (3 %) herabgesetzt.
23Artikel 3 § 6 enthält folgende Regelung:
246. Die Weihnachts-, Oster- und Urlaubszulagen, welche von jeglichen Allgemein- oder Sonderbestimmung und Tarifklauseln, Arbeitsverträgen, Schiedssprüchen, und Einzelverträgen oder Schiedssprüchen für die Bediensteten im Anwendungsbereich der Paragraphen 1 bis 4 einschließlich, ebenso für die Bediensteten im Anwendungsbereich des Paragraphen 5 werden wie folgt festgelegt:
25a) Die Weihnachtszulage auf fünfhundert (500) Euro.
26b) Die Osterzulage auf zweihundertfünfzig (250) Euro.
27c) Die Urlaubszulage auf zweihundertfünfzig (250) Euro.
28Die oben erwähnten Zulagen werden entrichtet, wenn alle ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen, einschließlich der Zulagen des vorangegangenen Absatzes, innerhalb eines Kalenderjahres den Betrag von insgesamt dreitausend (3.000) Euro pro Monat nicht übersteigt.
29Wenn mit der Entrichtung der Zulagen des ersten Absatzes dieses Paragraphen die ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen aller Art diesen Betrag übersteigen, denn werden sie bei entsprechender Kürzung bis zur Grenze der dreitausend (3.000) Euro pro Monat entrichtet.
30Aus Artikel 3 § 8 ergibt sich, dass die Bestimmungen der vorangegangenen Paragraphen alle Allgemein- oder Sonderbestimmungen und Tarifklauseln, Arbeitsverträge, Schiedssprüche und Einzelverträge überwiegen.
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesetzes und seiner Anhänge wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 25.11.2013 überreichte Übersetzung ihres Prozessbevollmächtigten (Bl. 191 – 198 der Akte) verwiesen. Der Kläger bestreitet die Richtigkeit der Übersetzung nicht.
32Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 24.03.2014 Übersetzungen der Gesetzes 3899/2010 vom 17.12.2010 (Bl. 275 d.A.) und 4024/2011 vom 27.10.2011 (Bl. 276 d. A.) vorgelegt.
33Mit Schreiben vom 15.06.2010 erklärte ihm die Beklagte, sie werde in den folgenden Monaten die unter Zugrundelegung der Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 in den Monaten Januar bis Mai 2010 geleisteten Entgeltüberzahlungen einbehalten.
34Tatsächlich ergaben sich für die Monate ab Juni 2010 Entgeltdifferenzen, die der Kläger in dem vor dem Landesarbeitsgericht Hamm unter dem Aktenzeichen 17 Sa 999/13 geführten Rechtsstreit geltend macht. Die Beklagte leistete für 2010 keine Jahressonderzahlung.
35Mit Schreiben vom 21.10.2010, das dem Kläger am 12.11.2010 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos und bot dem Kläger die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen an. In dem Kündigungsschreiben heißt es wie folgt:
36… Im Hinblick auf die Bewältigung der Wirtschaftskrise und die Anwendung des Unterstützungsmechanismus der griechischen Wirtschaft durch die Mitgliedsstaaten der Eurozone sowie durch den Internationalen Währungsfonds hat der griechische Staat Gehaltskürzungen veranlasst bei allen Beschäftigten/Gehaltsempfängern des griechischen Staates (Gesetze 3833/2010 und 3845/2010). Bei Verträgen der Art wie Ihrem wurde eine Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 7 % und 3 % beschlossen, d.h. 310,64 € monatlich sowie die Einstellung der Jahressonderzahlung, die an Stelle des Weihnachts- und Urlaubsgeldes gezahlt wurde. Der Einbehalt der Kürzung Ihrer Bezüge um 7 % erfolgte ab dem 01.01.2010 und um 3 % am dem 01.06.2010.
37Aufgrund des oben Gesagten kündigen wir hiermit den mit Ihnen bestehenden Arbeitsvertrag aus wichtigem Grund, unmittelbar und ohne Wahrung der Kündigungsfrist. Gleichzeitig bieten wir Ihnen den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit den folgenden Bedingungen an:
38- 39
1. Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 310,63 € monatlich.
- 2.40
Einstellung der Jahressonderzahlung.
Ergänzend teilen wir Ihnen mit, dass zukünftig die Gehaltserhöhungen nicht automatisch gemäß dem deutschen Tarifvertrag (TV-L) geleistet werden, sondern nach Beschluss Ihres Arbeitgebers, d. h. gemäß der Einkommenspolitik des griechischen Staates.
42Die übrigen Bedingungen des bestehenden Vertrages bleiben unverändert.
43Der Kläger nahm das Änderungsangebot mit Schreiben vom 16.11.2010 (Bl. 12 der Akte) unter Vorbehalt an.
44Mit seiner am 29.11.2010 bei dem Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Klage wendet er sich gegen die Rechtswirksamkeit der Kündigung.
45Er hat ausgeführt:
46Auf das Arbeitsverhältnis finde deutsches Arbeitsrecht Anwendung.
47Die Beklagte habe nicht allen Beschäftigten im öffentlichen Dienst das Gehalt gekürzt. Ihm seien Arbeitskollegen und –kolleginnen in anderen Städten bekannt, die noch keine Änderungskündigung erhalten hätten.
48Die Kündigungserklärung sei inhaltlich unklar, unschlüssig und nicht ausreichend bestimmt. Der angegebene Kürzungsbetrag von 310,63 € sei nicht nachvollziehbar.
49Die Kündigung sei auch unverhältnismäßig, da die Beklagte sich auf Geldmangel allein nicht berufen könne.
50Er hat beantragt
51festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 21.10.2010, ihm zugegangen am 12.11.2010, sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam ist.
52Die Beklagte hat beantragt,
53die Klage abzuweisen.
54Sie hat vorgetragen:
55Aufgrund ihrer miserablen wirtschaftlichen Lage habe sie gemäß den Vereinbarungen mit den Darlehn gewährenden Ländern durch Gesetze unter anderem die Herabsetzung aller Löhne um 7 % ab dem 01.01.2010 und um weitere 3 % ab dem 01.06.2010 sowie die Herabsetzung bzw. Abschaffung aller Gratifikationen beschlossen. Die Gesetze beträffen alle im öffentlichen Dienst Beschäftigten gleichermaßen, unabhängig von ihrem Status als Beamte oder Angestellte. Sie habe ihre Beschäftigten im Ausland von den Regelungen nicht ausnehmen können.
56Die Änderung der Arbeitsbedingungen sei aufgrund der wirtschaftlichen Probleme unabweisbar und rechtfertige die außerordentliche Kündigung gegenüber einem ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmer wie dem Kläger, und zwar ohne Einhaltung einer sozialen Auslauffrist.
57Mit Urteil vom 04.05.2011 hat das Arbeitsgericht Bielefeld festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 21.10.2010 unwirksam ist. Es hat erkannt, dass die Kündigung unter Berücksichtigung der ordentlichen Unkündbarkeit des Klägers unverhältnismäßig sei und die Voraussetzungen des § 626 BGB nicht erfülle.
58Wegen des erstinstanzlichen Urteils im Einzelnen wird auf Bl. 38 – 50 der Akte Bezug genommen.
59Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 24.11.2011 – 17 Sa 1065/11 – das Urteil abgeändert und die Klage als unzulässig abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, der Klage stehe ein Verfahrenshindernis entgegen, da die deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben sei.
60Auf die zugelassene Revision des Klägers hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 25.04.2013 – 2 AZR 77/12 – das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24.11.2011 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision zurückverwiesen. Es hat die Zulässigkeit der Klage bejaht und ausgeführt, das Landesarbeitsgericht habe bei Prüfung der materiellen Rechtslage davon auszugehen, dass sich die Wirksamkeit der Änderungskündigung nach deutschem Recht richte, da die Parteien konkludent die Anwendung deutschen Rechts vereinbart hätten. Es habe weiter der Frage nachzugehen, welche Rechtsqualität die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 hätten und ob diese die Beklagte angesichts ihrer drohenden Insolvenz und der Auflagen der Geberländer völkerrechtlich berechtigten, unmittelbar korrigierend auch in Arbeitsverhältnisse einzugreifen, die außerhalb des Staatsgebietes vollzogen würden. Insoweit sei unter Umständen ein völker- und staatsrechtliches Gutachten einzuholen. Sollte danach die Änderungskündigung nicht „überflüssig“ sein, sei davon auszugehen, dass das Änderungsangebot ausreichend bestimmt sei. Das Landesarbeitsgericht habe gegebenenfalls zudem den Fragen nachzugehen, ob – unter Berücksichtigung einer dem ausländischen Parlament zuzugestehenden Einschätzungsprärogative – ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die Erklärung einer fristlosen Kündigung gegeben sei, ob die Beklagte eine Auslauffrist hätte einhalten müssen und ob sie die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt habe. Gegebenenfalls habe es bei Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eine Umdeutung in eine or-dentliche Kündigung und die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zu prüfen.
61Wegen der Einzelheiten des Urteils des Bundesarbeitsgerichts wird auf Blatt 154 – 159 der Akte Bezug genommen.
62Die Beklagte führt nunmehr aus:
63Die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 beanspruchten internationale Geltung. Sie seien nicht auf griechische Tarifverträge oder Verträge beschränkt. Sie unterhalte überall in der Welt Schulen, Kulturinstitute und Konsulate, an denen sie nicht nur Beamte sondern auch Ortskräfte beschäftige. Die mit den Ortskräften geschlossenen Verträge richteten sich nach verschiedenen Tarifverträgen bzw. unterschiedlichen Rechtsordnungen.
64Sie sei nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen.
65Die Parteien hätten auch nicht die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart. Nach Artikel 30 Abs. 2 EGBGB unterliege ein Arbeitsvertrag dann nicht den Regeln des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichte, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergebe, dass der Arbeitsvertrag eine engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweise. Das sei hier gegeben. Das Arbeitsverhältnis des Klägers weise eine enge Beziehung zu Griechenland auf. Seine Muttersprache sei Griechisch. Bei Einstellung habe er nur über die griechische Staatsbürgerschaft verfügt. Er habe griechische Eltern und ein griechisches Abitur abgelegt. Als Lehrer an der griechischen Schule in C unterrichte er ausschließlich griechische bzw. griechischstämmige Schüler. Ohne Vorliegen dieser persönlichen Voraussetzungen hätte sie ihn nicht eingestellt. Die griechische Schule werde aus griechischen Haushaltsmitteln finanziert. Sie erfülle mit der Einrichtung der Schulen ihren Bildungsauftrag gegenüber den in Deutschland lebenden griechischen und griechischstämmigen Kindern. Die Stellenausschreibung und die mit dem Kläger geschlossenen Arbeitsverträge seien in griechischer Sprache abgefasst worden. Zu berücksichtigen sei auch die Besteuerung in Griechenland. Die Art der Tätigkeit und der Wohnsitz des Klägers seien demgegenüber nachrangig.
66Die Anwendung der griechischen Gesetze sei auch nicht mit deutschen Rechtsgrundsätzen unvereinbar. Sie stellten Eingriffsnormen im Sinne der deutschen Rechtsordnung dar.
67Die dem Kläger mit Ausspruch der Kündigung angebotenen Vertragsänderungen hätten dauerhaften Charakter. Sie habe eine endgültige Regelung angestrebt, da nicht abzusehen sei, wann sie wieder finanziell in der Lage sein werde, ihre Angestellten wie vor der Krise zu vergüten. Deshalb habe sie insbesondere die Sonderzahlungen, das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld, endgültig neu regeln wollen. Sie habe insgesamt den Vertrag unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen ihren wirtschaftlichen Bedingungen anpassen wollen. Sie habe auch die automatische Vergütungsanpassung nach deutschen Tarifverträgen ausschließen wollen. Aus Artikel 3 § 5 des Gesetzes 3833/2010 ergebe sich eine Aufhebung der Verweisungsklausel auf deutsche Tarifverträge. Auch in Griechenland habe es Tarifverträge zwischen den öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern und den Arbeitnehmervertretungen gegeben. Diese seien im April 2010 ausgelaufen.
68Durch das Gesetz 4024/2011 sei die Vergütung von Lehrern neu festgesetzt worden.
69Zu berücksichtigen sei ferner, dass ihre Haushaltsgesetze Geschäftsgrundlage für den mit dem Kläger geschlossenen Arbeitsvertrag seien. Ende Februar/Anfang März 2010 sei sie finanziell nicht mehr in der Lage gewesen, die Löhne für ihre Bediensteten aufzubringen. Sie sei dringend auf fremde Hilfe angewiesen gewesen, um eine Insolvenz und den Austritt aus der Währungsunion zu verhindern. Die Gläubigerländer, zu denen auch die Bundesrepublik Deutschland gehöre, hätten Hilfeleistungen von Bedingungen abhängig gemacht, unter anderem von der Bedingung, die Gehälter der öffentlichen Bediensteten zu kürzen. Diese Vorgaben habe sie mit den vorgelegten Gesetzen umgesetzt. Sie habe kein anderes Mittel gehabt, die Ausgaben erheblich zu senken. Entsprechend sei auch der Arbeitsvertrag der neuen Geschäftsgrundlage anzupassen.
70Aufgrund der Dringlichkeit der Lohnsenkung habe sie keine fristgemäße Kündigung aussprechen können, zumal das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht ordentlich gekündigt werden könne.
71Das erstinstanzliche Gericht habe auch verkannt, dass sich der Kläger wegen seiner Gehaltsentwicklung nicht auf die Regelungen des TV-L berufen könne. Der letzte mit ihm geschlossene Arbeitsvertrag verweise statisch auf den BAT vom 07.05.1992. Nach Ablösung des BAT durch den TV-L seien dem Kläger zwar Entgelterhöhungen nach den Tarifverträgen der Länder gewährt worden. Sie habe diese Erhöhungen jedoch irrtümlich geleistet.
72Die Beklagte beantragt,
73unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 04.05.2011 – 6 Ca 2937/10 – die Klage abzuweisen.
74Der Kläger beantragt,
75die Berufung zurückzuweisen.
76Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt unter Hinweis auf einen von dem Gericht den Parteien vorgelegten Aufsatz des Prof. Dr. Dr. h.c. Kurt Siehr (Prof.em. der Universität Zürich und freier Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg) aus:
77Auf das Arbeitsverhältnis sei deutsches Recht anwendbar.
78Den griechischen Gesetzen sei weder nach europäischem noch deutschem Internationalen Privatrecht unmittelbare Wirkung für sein Arbeitsverhältnis zu verleihen.
79Artikel 9 Rom I – VO sei nicht anwendbar. Es gehe nicht um Eingriffsnormen des Erfüllungsortes, der in Deutschland liege.
80Zu berücksichtigen sei auch, dass vom Vertragsstatut abweichende Normen nach den Vorschriften des IPR nur dann Geltung beanspruchen könnten, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger seien.
81Die griechischen Gesetze beanspruchten keine internationale Geltung.
82Die ausgesprochene Änderungskündigung sei unter Anwendung des deutschen Kündigungsrechts zu prüfen.
83Die Beklagte beschäftige auch die nach § 23 Abs. 1 KSchG vorausgesetzte Arbeitnehmerzahl. Allein in Nordrhein-Westfalen betreibe sie sieben griechische Schulen mit dem entsprechenden Personal, das Teil ihrer Verwaltung sei.
84Unabhängig davon, ob die Beklagte mit Ausspruch der Kündigung auch die Ablösung der Dynamik in der tariflichen Entgeltvereinbarungen zum TV-L habe ablösen wollen, sei ihr Angebot insgesamt unverhältnismäßig, da sie dauerhafte Einschnitte in die Gehaltsstruktur angeboten habe, die durch eine vorübergehende Krise nicht gerechtfertigt werden könnten. Insbesondere werde ihm die nach dem TV-L zu leistende Sonderzahlung dauerhaft entzogen ohne Rücksicht darauf, ob griechisches Recht Sonderzahlungen wieder zulasse. Insgesamt sei davon auszugehen, dass die vorgelegten Gesetze nur Geltung für die Dauer der Finanzkrise beanspruchten.
85Der Änderungskündigung könne keine Rückwirkung beigelegt werden. Der Beklagten sei es auch nicht unzumutbar gewesen, eine soziale Auslauffrist einzuhalten.
86Sie habe die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt, da sie mit dem Ausspruch der Änderungskündigung mehr als sechs Monate nach Inkrafttreten der Gesetze zugewartet habe.
87Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
88Entscheidungsgründe
89A.
90Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.
91I.
92Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.04.2013 (2 AZR 77/12) bestehen keine Bedenken mehr gegen die Zulässigkeit der Klage unter dem Gesichtspunkt der Staatenimmunität.
93Die gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21.10.2010 gerichtete Klage begegnet auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken.
94Der Kläger hat zu Recht einen dem Wort des § 4 Satz 2 KSchG entsprechenden Antrag gestellt, obwohl § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG keine Verweisung auf die das Änderungsschutzverfahren bei ordentlichen Änderungskündigungen regelnde Vorschrift des § 4 Satz 2 KSchG enthält. Der Zweck des § 2 KSchG, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz zu erhalten und trotzdem die Überprüfung der Kündigung zu ermöglichen, erfordert jedoch die entsprechende Anwendung der Vorschrift (BAG 19.06.1986 – 2 AZR 565/85 – Rnr. 21, 22, DB 1986, 2604; 17.05.1984 – 2 AZR 161/83 – Rnr. 50 ff., AP BAT § 55 Nr. 3).
95II.
96Die Klage ist teilweise begründet.
971. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt aufgrund ihrer Rechtswahl dem deutschen Recht, wie das Bundesarbeitsgericht bereits am 25.04.2013 angemerkt hat (Rnr. 24 – 26).
98Die Berufung der Beklagten auf Artikel 30 Abs. 2 2. Halbsatz EGBGB führt zu keinem anderen Ergebnis.
99a) Die Kammer ist an einer Prüfung nicht deshalb gehindert, weil das Revisionsgericht in seinen Erwägungen von der Anwendung deutschen Rechts ausgegangen ist. Gemäß §§ 72 Abs. 5 ArbGG, 563 Abs. 2 ZPO ist das Berufungsgericht im Fall der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückweisung der Sache an das Berufungsgericht an die rechtliche Beurteilung gebunden, die zu der Aufhebung des Urteils geführt hat. Die Bindungswirkung beschränkt sich auf die Punkte, wegen derer die Aufhebung als solche unmittelbar erfolgt ist. Im Übrigen ist das Gericht frei (BGH 06.11.1951 – I ZR 61/51 – Rnr. 10, BGHZ 3, 321; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Auflage, § 563 ZPO Rnr. 3 a; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 563 ZPO Rnr. 11). Die Richtlinien des Revisionsgerichts für das neue Verfahren und die neue Entscheidung nehmen an der Bindungswirkung nicht teil (Zöller/Heßler, a.a.O., § 563 ZPO Rnr. 3 a).
100Die Feststellung des Revisionsgerichts, es sei deutsches Recht anwendbar, gehört zu seinen Erwägungen, aber nicht zu den Gründen, die unmittelbar zur Aufhebung des Berufungsurteils vom 24.11.2011 geführt haben.
101b) Gemäß Art. 30 Abs. 1 EGBGB darf die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB mangels Rechtswahl anzuwenden wäre.
102Hätten die Parteien nicht die Anwendung deutschen Rechts konkludent vereinbart, wäre es nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB gleichwohl anwendbar, da der Kläger seine Arbeitspflicht ausschließlich in Deutschland zu erfüllen hat (BAG 25.04.2013, Rnr. 28).
103Etwas andere gilt allerdings dann, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist. In diesem Fall ist das Recht des anderen Staates anzuwenden, Artikel 30 Abs. 2 2. Halbsatz EGBGB. Die Ausnahmeklausel greift auch ein, wenn die Parteien eine Rechtswahl nach Artikel 30 Abs. 1 EGBGB getroffen haben (Palandt-Heldrich, BGB, 67. Aufl., Art. 30 EGBGB Rnr. 4).
104Das Arbeitsverhältnis der Parteien weist keine engere Bindung zu dem Recht der Beklagten auf. Maßgeblich für die Beantwortung dieser Frage ist die Gesamtheit der Umstände. Primäre Anknüpfungspunkte sind der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers, die Staatsangehörigkeit beider Vertragsparteien. Diese Kriterien beschreiben die räumliche Dimension des Arbeitsverhältnisses. Ergänzend sind die Vertragsdimensionen, Vertragssprache und Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, zu berücksichtigen und gegebenenfalls weitere vertragswesentliche Gesichtspunkte heranzuziehen, die in ihrer Gesamtheit hinreichendes Gewicht haben, um die Bedeutung der Regelanknüpfung zu überwinden. Das von der Regelanknüpfung berufene Recht wird nur verdrängt, wenn die Gesamtheit wichtiger und nicht nur nebensächlicher Anknüpfungsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führt. Die ausdrückliche oder hier konkludente Rechtswahl als solche kann nicht herangezogen werden, da es gerade auf das ohne Rechtswahl maßgebliche Recht ankommt (BAG 11.12.2003 – 2 AZR 627/02 – Rnr. 43, BB 2004, 1393; 24.08.1989 – 2 AZR 3/89 – Rnr. 43, DB 1990, 1666). Indiz für das anwendbare Recht kann auch die Unterwerfung des Vertrages unter das deutsche Sozialversicherungssystem sein (BAG 11.12.2003, a.a.O., Rnr. 46).
105Hier spricht für die Anwendung griechischen Rechts, dass der Kläger neben der deutschen Staatsbürgerschaft auch die griechische Staatsangehörigkeit besitzt. Die gemeinsame Staatsangehörigkeit kann Rückschlüsse auf einen den Parteien gemeinsamen Rechtshorizont zulassen (BAG 11.12.2003, a.a.O., Rnr. 47).
106Die Vertragssprache der Parteien ist dagegen nicht ausschließlich Griechisch. Die Gehaltsabrechnungen sind – soweit aus den von dem Kläger in dem Rechtsstreit der Parteien – 17 Sa 999/13 – für 2010 vorgelegten Abrechnungen (Bl. 22, 23 der Akte 17 Sa 999/13) erkennbar, in griechischer Sprache abgefasst worden. Unstreitig wurden die Arbeitsverträge sowohl in griechischer als auch in deutscher Sprache geschlossen. Die Arbeitsverträge vom 01.03.1994 und 20.09.1994 hat der Kläger in deutscher Sprache unterzeichnet, die letzten beiden Arbeitsverträge offenkundig in der griechischen Fassung, da dem Gericht Übersetzungen der Verträge ohne Unterschriften der Parteien vorgelegt wurden. Zugunsten der Auffassung der Beklagten kann auch berücksichtigt werden, dass der Kläger griechischstämmige Schüler in einer griechischen Schule unterrichtet, aus griechischen Haushaltsmitteln vergütet wird und in Griechenland Steuern entrichtet. Die Entrichtung von Steuern in Griechenland ist jedoch kein wesentlicher Gesichtspunkt. Sie folgt aus Artikel X Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem damaligen Königreich Griechenland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern von Einkommen und Vermögen sowie der Gewerbesteuer vom 18.04.1966. Danach können Vergütungen, die aus öffentlichen Kassen des damaligen Königreichs Griechenland oder einer seiner Gebietskörperschaften für gegenwärtig erbrachte Dienste gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Zahlung an einen deutschen Staatsangehörigen geleistet wird, der nicht zugleich Staatsangehöriger des Königreichs Griechenland, jetzt der Beklagten ist.
107Trotz der aufgezeigten Indiztatsachen besteht kein engerer Bezug zu dem griechischen Recht, da wichtige Vertragsfaktoren für die Anwendung des deutschen Rechtes sprechen. Die Arbeitsverträge wurden mit der Beklagten, vertreten durch die griechischen Generalkonsulate in Dortmund bzw. Düsseldorf, geschlossen. Wie ausgeführt, wurden sie auch in deutscher Sprache erstellt. Bis zur Währungsumstellung wurde das Gehalt in DM ausgewiesen. Die Parteien haben deutsches Tarifrecht für anwendbar erklärt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers unterliegt deutschem Sozialversicherungsrecht.
108Er hat seine vertraglichen Leistungen ausschließlich in Deutschland in der nach deutschem Recht anerkannten Ergänzungsschule in C zu erbringen. Er unterrichtet dort als Studienrat der deutschen Sprache, wie sich aus den Arbeitsverträgen vom 01.09.2001 und 02.01.2008 ergibt. Nach seinen biografischen Daten steht er eher dem deutschen Rechtskreis näher als dem griechischen. Er ist in Deutschland geboren, hat hier sein Magisterstudium der Germanistik absolviert und hat seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland.
1092. Die Änderungsschutzklage ist nicht schon deshalb unbegründet, weil die Änderungen bereits unabhängig von dem Ausspruch der Kündigung eingetreten sind.
110Wie das Bundesarbeitsgericht in seinen Erwägungen (25.04.2013, a.a.O., Rnr. 29) unter Hinweis auf seine Entscheidungen vom 26.01.2012 (2 AZR 102/11 – Rnr. 14, BAGE 140, 328) und vom 29.09.2011 (2 AZR 523/10 – Rnr. 14) ausgeführt hat, setzt die Begründetheit einer nach Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt erhobenen Änderungsschutzklage im Sinne des § 4 Satz 2 KSchG voraus, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Änderungen wirksam werden, das Arbeitsverhältnis nicht ohnehin zu den Bedingungen besteht, die dem Arbeitnehmer mit der Kündigung angetragen werden, es sei denn, der Arbeitnehmer hat die Annahme des Änderungsangebots unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG mit dem weiteren Vorbehalt verbunden, dass die Änderungskündigung nicht „überflüssig“ ist.
111Unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist die Änderungskündigung nicht „überflüssig“, weil die von der Beklagten erstrebten Änderungen nicht unmittelbar, insbesondere durch Geltung der Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 eingetreten sind.
112a) Der Kläger hat die Annahme unter Vorbehalt nicht mit dem weiteren Vorbehalt verbunden, dass die Änderungen nicht bereits eingetreten sind.
113b) aa) Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag vom 02.01.2008 richtet sich seine monatliche Vergütung nach der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 des TV-L.
114(1) Die Beklagte hat zwar zunächst unter Nr. 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages auf die Anwendung der Regelungen des BAT vom 07.05.1992 verwiesen. Einen Zusatz, der auf die Anwendbarkeit des BAT dynamisch hinweist, gibt es nicht.
115Der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT ist nicht fortgeschrieben worden, sondern gemäß der Anlage 1 Teil B zum TVÜ-L ersetzt worden. In Kenntnis dieser Tatsache ist in Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags das Gehalt des Klägers ausdrücklich „unter Anpassung des BAT am TV-L“ festgesetzt worden. Die Gehaltsdarstellung für die Zeit ab Januar 2008 verweist entsprechend auf die Entgeltgruppen der Anlage 2 Teil B zum TVÜ-L. Die Vergütung des Klägers erfolgte nicht mehr aus der Vergütungsgruppe IV a BAT, sondern aus der Entgeltgruppe 10.
116(2) Das Gehalt nach dem TV-L ist dynamisch gestaltet.
117Das ergibt sich allerdings nicht aus dem Wortlaut der Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags. Die Gehaltsdarstellung bezieht sich nur auf die Zeit ab Januar 2008 unter Zugrundelegung der in 2008 geltenden tariflichen Vergütung bei Angabe eines festen Entgeltbetrags. Die Erläuterung „gemäß … der Anpassung des BAT am TV-L“ lässt nicht klar erkennen, ob die Anpassung auch die zukünftige tarifliche Gehaltsentwicklung erfasst, schließt dieses Verständnis aber nicht aus.
118Die Parteierklärung ist jedoch gemäß §§ 133, 157 BGB im Sinne einer dynamischen Gehaltsentwicklung entsprechend den Entgelttabellen zum TV-L auszulegen.
119Die Beklagte hat Nr. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.01.2008 nach der gesamten Vertragsgestaltung im Sinne des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB vorformuliert und mindestens einmal gegenüber dem Kläger verwendet, ohne dass dieser Einfluss auf den Inhalt nehmen konnte. Ob es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingung handelt, kann dahinstehen.
120Der Arbeitsvertrag ist Verbrauchervertrag.
121Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden können, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BAG 13.02.2013 – 5 AZR 2/12 – Rnr. 15, DB 2013, 2030).
122Die Erklärung der Beklagten, das Gehalt gestalte sich in Anpassung des BAT an den TV-L, beinhaltet das Angebot auf Zahlung eines Tarifgehaltes. Damit hat sie dem Kläger als Klauselverwenderin verdeutlicht, sie vergüte nach Tarif, zumal sie auch entsprechend § 5 Abs. 2 TVÜ-L den Ortszuschlag bei der Bemessung des Entgelts berücksichtigt hat. Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf eine derartige Verknüpfung eines festen Euro-Betrags mit der Bezeichnung als Tarifentgelt – hier durch den Hinweis auf die Entgeltgruppe des TV-L – redlicherweise so verstehen, dass der in der Klausel festgehaltene Eurobetrag nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern sich entsprechend den Tariferhöhungen entwickeln soll. Ein redlicher Arbeitgeber würde, wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte, Bezeichnungen unterlassen, die auf ein tarifliches Entgelt hinweisen, und klar und deutlich zum Ausdruck bringen, dass er nicht „nach Tarif“ zahlt und sich das Gehalt nur durch Parteivereinbarung erhöhen wird (BAG 13.02.2013, a.a.O., Rnr. 17).
123Auch die Arbeitsverträge vom 01.03.1994, 20.09.1994 und 01.09.2001 verweisen auf eine tarifliche Vergütungsgruppe. Aus dem Arbeitsvertrag vom 01.09.2001 ergibt sich im Übrigen, dass das Tarifgehalt ab dem 01.09.2001 dynamisch unter Berücksichtigung von Änderungen im Familienstand und Alter des Klägers festgesetzt wurde.
124Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte tatsächlich das Entgelt entsprechend den jeweils gültigen Vergütungstarifverträgen bzw. Anlagen zum TV-L festgesetzt hat. Zuletzt hat sie sein Gehalt zum 01.03.2010 auf 3.635,45 Euro erhöht, wobei sich allerdings aus der Entgelttabelle für das Tarifgebiet West für die Entgeltgruppe 10 Stufe 5 ein Tarifentgelt von 3.669,11 Euro ergibt. Dass der Festsetzung vom 01.03.2010 eine individuelle, von der Zahlung eines tariflichen Entgelts abrückende Vereinbarung zugrunde lag, behauptet die Beklagte jedoch nicht.
125Ihren Einwand, sie habe Tariferhöhungen irrtümlich an den Kläger weitergegeben, hat sie nicht näher begründet.
126bb) Der Kläger hat nach der Ausgestaltung der Arbeitsverträge auch einen Anspruch aus § 20 TV-L auf Zahlung einer Jahressondervergütung.
127Unstreitig ist, dass ihm die tarifliche Sonderzahlung bis 2009 stets gewährt wurde. In dem Arbeitsvertrag vom 01.09.2001 wurden unter Nr. 2 C ausdrücklich ein Weihnachtsgeld, unter Nr. 2 F ein Urlaubsgeld nach der Vergütungsgruppe IV a BAT ausgewiesen.
128Nach Ablösung der Tarifverträge über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 und über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16.03.1977 bestimmt sich der Anspruch unter Berücksichtigung des in Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 02.01.2008 geäußerten Parteiwillens, das Gehalt dem TV-L anzupassen, nach § 20 TV-L. Hätte die Beklagte die tarifliche Sonderzahlung von den Vergütungsregelungen ausnehmen wollen, hätte sie dies für den Kläger als Verbraucher klar erkennbar äußern müssen.
129Der Anspruch auf Zahlung der Jahressonderzahlung steht entgegen der Auffassung der Beklagten unter keinem Freiwilligkeitsvorbehalt. Dieser ist in keinem der geschlossenen Arbeitsverträge vereinbart worden. Die Beklagte hat sich auch keinen Widerruf vorbehalten.
130c) Die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 haben den Inhalt der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nicht unmittelbar geändert. Dazu bedurfte es im vorliegenden Fall nicht der Einholung eines völker- und staatsrechtlichen Rechtsgutachtens, wie vom Bundesarbeitsgericht für erwägenswert gehalten (25.04.2013, a.a.O., Rnr. 28).
131aa) Die Kammer folgt der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg (25.09.2013 – 2 Sa 253/12 – Rnr. 113), dass sich in Fällen mit Auslandsberührung die anwendbaren Rechtsnormen nach den Regeln des Internationalen Privatrechts (IPR) bestimmen. § 293 ZPO ermöglicht es nicht, sich die Kenntnis über das deutsche IPR durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu verschaffen, dessen Kosten die unterlegene Partei zu tragen hätte (Zöller/Geimer, a.a.O., § 293 ZPO, Rnr. 1). Anderes gilt nur für die Ermittlung ausländischen Rechts, hier des griechischen Rechts. Die einschlägigen griechischen Gesetze sind dem Gericht jedoch vorgelegt worden. Über die Richtigkeit ihrer Übersetzung in die deutsche Sprache besteht kein Streit.
132bb) (1) Die griechischen Gesetze sind keine internationalen Verträge, wie der Oberste VerwaltungsgerichtshofGriechenlands in seinem Urteil vom 21.06.2011 festgestellt hat (zitiert nach Griechenland-Blog unter Bezugnahme auf in.gr.).
133(2) Die unmittelbare Anwendung der griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 rechtfertigt sich nicht aus Artikel 9 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Rom I – VO. Danach kann Eingriffsnormen des Staates, in dem die vertraglichen Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, Wirkung verliehen werden, soweit diese Eingriffsnormen die Erfüllung des Vertrages unrechtmäßig werden lassen. Gemäß Artikel 28 Rom I – VO finden die Vorschriften der gesamten Verordnung jedoch keine Anwendung, da der letzte Arbeitsvertrag des Klägers vor dem 17.12.2009 geschlossen wurde (BAG 25.04.2013, a.a.O, Rnr. 24; LAG Nürnberg, 25.09.2013, a.a.O., Rnr. 116; MünchKomm/Martiny, BGB, 5. Aufl., Art. 28 Rom I-VO, Rnr. 3; a. A., Siehr a.a.O., S. 8, 9). Außerdem geht es nicht um Eingriffsnormen des Erfüllungsortes.
134(3) Das Arbeitsverhältnis wird auch nicht im Sinne des Artikel 30 Abs. 1 EGBGB dem Schutz entzogen, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Abs. 2 anzuwenden wäre. Gemäß Artikel 30 Abs. 2 EGBGB wäre – wie bereits dargestellt – ebenfalls deutsches Recht anwendbar.
135(4) Eingriffsnormen eines Staates, die weder aus dem Vertragsstatut – hier dem deutschen Recht – noch aus dem Recht am Sitz des angerufenen Gerichts folgen –, sogenannten drittstaatlichen Eingriffsnormen (Siehr a.a.O., S. 6) kann gemäß Artikel 7 Abs. 1 EVÜ bei der Anwendung des Rechts eines bestimmten Staates Wirkung verliehen werden, soweit diese Bestimmungen nach dem Recht hier des griechischen Staates ohne Rücksicht darauf anzuwenden sind, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Diese Vorschrift hat die Bundesrepublik Deutschland jedoch nicht in das EGBGB übernommen, sondern hat den Vorbehalt nach Art. 22 Abs. 1 a EVÜ bezüglich Art. 7 EVÜ erklärt (Siehr a.a.O., S. 7; Palandt/Heldrich a.a.O., Art. 34 EGBGB, Rnr. 1).
136cc) Drittstaatliche Eingriffsnormen sind deshalb nur über das Vertragsstatut zu berücksichtigen (BGH 17.11.1994 – III ZR 70/93 – Rnr. 43, BGHZ 128, 41; OLG Frankfurt 09.05.2011 – 23 U 34/10 – Rnr. 34; LAG Nürnberg 25.09.2013, a.a.O., Rnr. 120; Palandt-Heldrich, a.a.O., Art. 34 EGBGB, Rnr. 5). Anstelle ihrer unmittelbaren Anwendung kommt bei einer entsprechend engen Beziehung zu einer ausländischen Rechtsordnung ihre faktische Berücksichtigung im Rahmen der §§ 138, 313, 275, 826 BGB in Betracht (LAG Nürnberg, a.a.O., Rnr. 120; BGH 08.05.1985 – IV a ZR 138/83 – Rnr. 20, 22, BGHZ 94,268; 08.02.1984 – VIII ZR 254/82 – Rnr. 18, NJW 1984, 1746; 22.06.1972 – II ZR 113/70 – Rnr. 13, NJW 1972, 1575; Palandt-Heldrich a.a.O., § 34 EGBGB, Rnr. 5; Siehr a.a.O., S. 15).
137(1) Eine enge Beziehung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zu der griechischen Rechtsordnung – wie sie in den Gesetzen 3833/2010 und 3845/2010 zum Ausdruck kommt – ist zu bejahen. Die Kürzungen der Gehälter sollen zwingend auch international durchgesetzt werden.
138Die Kammer geht davon aus, dass diese Gesetze alle Bediensteten der Beklagten erfassen, auch wenn sie – wie der Kläger – im Ausland beschäftigt sind (so auch Siehr a.a.O., S. 16).
139Artikel 1 § 4 des Gesetzes 3833/2010 betrifft nach seinem Wortlaut alle Bediensteten in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis. Das folgt auch aus der Regelung in Artikel 3 § 1 des Gesetzes. Danach ist im Jahr 2010 die Erhöhung von Gehältern der Angestellten im öffentlichen Dienst im Allgemeinen, sogar der Angestellten von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die dem Staat gehören oder regelmäßig aus dem staatlichen Haushalt finanziert werden, uneingeschränkt untersagt. Selbiges ergibt sich aus Artikel 3 § 2 b des Gesetzes. Danach gilt die Untersagung der Gehaltserhöhungen ausnahmslos für alle mit einem Vertrag des privaten Rechts beschäftigten Bediensteten der Organisationen nach Artikel 3 § 1. Anhaltspunkte für den Ausschluss von im Ausland beschäftigten Arbeitnehmern des griechischen Staates finden sich nicht.
140Auch das Gesetz 3845/2010 beansprucht Geltung gegenüber den im Ausland Beschäftigten. Artikel 3 § 3 nimmt Bezug auf Artikel 1 § 2 des Gesetzes 3833/2010 und bestimmt uneingeschränkt eine Gehaltskürzung von 3 % für alle Bediensteten mit Arbeitsverhältnissen des Privatrechts ohne Anspruch auf Zulagen. Eine Einschränkung des Geltungsbereichs des Gesetzes folgt auch nicht aus Artikel 3 § 6 des Gesetzes 3845/2010.
141Sinn und Zweck der Gesetze sprechen ebenfalls dafür, dass die genannten gesetzlichen Regelungen Eingriffsnormen sind. Das Gesetz 3833/2010 trägt den Titel „Schutz der internationalen Wirtschaft – dringende Maßnahmen zur Überwindung der Finanzkrise“, das Gesetz 3845/2010 den Titel „Maßnahmen zur Aktivierung des Stützmechanismus für die griechische Wirtschaft von den EU-Staaten der Eurozone und dem internationalen Währungsfonds“. Beide Gesetze bezwecken, der katastrophalen Finanzkrise des griechischen Staates entgegenzutreten und die Vorgaben der Staats- und Regierungschefs der Eurozone in den Erklärungen vom 25.03.2010 und 11.04.2010 (Anhang I, II des Gesetzes 3845/2010) nachzukommen. Die restriktive Haushaltsführung des griechischen Staates in den ersten Monaten des Jahres 2010 wurde ausdrücklich begrüßt. Zu Recht ist der Kläger deshalb dem Vortrag der Beklagten nicht entgegengetreten, dass die gesetzlichen Maßnahmen den Staatsbankrott verhindern sollten, unter anderem durch Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst (so auch: Siehr Seite 17).
142Zu berücksichtigen ist ferner, dass die griechische Ergänzungsschule in C allein von der Beklagten finanziert wird. Die Kammer teilt die Auffassung des LAG Nürnberg (25.09.2013, a.a.O., Rnr. 121), dass die streitgegenständlichen Gesetze auch im Interesse Deutschlands als Mitglied der Europäischen Union liegen.
143(2) Die griechischen Eingriffsnormen mit der Folge von Entgeltkürzungen führen nicht gemäß § 134 BGB zu einer Teilnichtigkeit der Vergütungsabrede, da die griechischen Gesetze keine unmittelbar geltenden Verbotsnormen darstellen. § 134 BGB ist unanwendbar (LAG Nürnberg 25.09.2013, a.a.O., Rnr. 123; Palandt-Heldrich a.a.O., Art. 34 EGBGB, Rnr. 5).
144(3) Ihnen kann auch nicht über § 138 BGB Geltung verschafft werden. Es ist kein Gesichtspunkt ersichtlich, der die vertragliche Regelung zum Entgelt sittenwidrig erscheinen lässt, wenn die gesetzlichen Kürzungen nicht durchgesetzt werden (zur Sittenwidrigkeit bei Verstoß gegen ausländische Gesetzesnormen, die Korruption verbieten, BGH 08.05.1985, a.a.O., Rnr. 22).
145(4) Das griechische Recht wirkt auch nicht über § 275 Abs. 1, Abs. 3 BGB auf das Entgelt des Klägers ein. Die Norm ist auf Entgeltforderungen nicht anwendbar, da ein Schuldner eine Einstandspflicht für seine finanzielle Leistungsfähigkeit hat (Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl. a.a.O., § 275 BGB Rnr. 3). Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg (25.09.2013, a.a.O., Rnr. 125) darauf hingewiesen, dass dem Kläger bei Anwendung des § 275 BGB Gegenrechte wie das Zurückbehaltungsrecht, die Kündigung zustehen könnten, an deren Ausübung die Beklagte kein Interesse hat.
146(5) Dahinstehen kann, ob die gesetzlich verfügten Gehaltskürzungen dazu geführt haben, dass die Geschäftsgrundlage für die bisherige Vergütungshöhe entfallen ist.
147§ 313 BGB ist ausgeschlossen, denn das Kündigungsrecht nach §§ 1 Abs. 2, 2 KSchG, 626 BGB ist gegenüber § 313 BGB lex specialis (BAG 20.06.2013 – 2 AZR 396/12 – Rnr. 14, NZA 2013, 1409; 29.09.2011 – 2 AZR 523/10 – Rnr. 26, NZA 2012, 628; 08.10.2009 – 2 AZR 235/08 – Rnr. 32, DB 2010, 509). Der Sachverhalt, der im Rahmen des § 313 BGB zu berücksichtigen wäre, ist im Rahmen des Kündigungsschutzes zu würdigen (BAG 08.10.2009, a.a.O., Rnr. 32).
1483. Die Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.
149Zwar ist das Gesetz 3833/2010 bereits am 01.01.2010, das Gesetz 3845/2010 am 01.06.2010 in Kraft getreten. Die Änderungskündigung ist dem Kläger erst am 12.11.2010 zugegangen.
150Die Verpflichtung der Beklagten, entgegen den Vorgaben der streitgegenständlichen Gesetze ein ungekürztes Gehalt zu zahlen, die damit verbundene Belastung ihres Haushalts ist wie der dauerhafte Wegfall des Arbeitsplatzes ein Dauertatbestand, der sich jeden Monat neu realisiert. Die Frist beginnt deshalb stets von neuem (BAG 20.06.2013 – 2 AZR 379/12 – Rnr. 32, DB 2014, 63; 22.11.2012 – 2 AZR 673/11 – Rnr. 28, DB 2013, 1301; 05.02.1998 – 2 AZR 227/97 – Rnr. 33, BAGE 88, 10).
1514. Die außerordentliche Änderungskündigung ist ausnahmsweise unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende wirksam.
152a) Der Kläger hat sie mit Schreiben vom 16.11.2010 unverzüglich unter Vorbehalt angenommen (zum Gebot der unverzüglichen Annahme BAG 19.06.1986, a.a.O., Rnr. 23).
153b) Die außerordentliche Kündigung ist nicht schon deshalb unwirksam, weil es an einem hinreichend bestimmten Änderungsangebot fehlt.
154Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 25.04.2013 (a.a.O., Rnr. 31 bis 35) ausgeführt, dass die Beklagte dem Kläger ausreichend bestimmend angeboten hat, das Gehalt monatlich ab Zugang der Kündigungserklärung um 310,63 Euro zu reduzieren und für die Zukunft keine Jahressonderzahlung mehr zu leisten.
155Die Kammer hat das Bundesarbeitsgericht dahin verstanden, dass es entgegen der Auffassung der Beklagten in Abs. 3 des Kündigungsschreibens in der zwischen den Parteien unstreitigen Übersetzung „Zusätzlich machen wir ihnen bekannt, dass zukünftig die Erhöhungen ihrer Vergütung nicht automatisch gemäß dem deutschen Tarifvertrag TV-L gezahlt werden, sondern nach Beschluss des Arbeitgebers, d. h. gemäß der Einkommenspolitik des griechischen Staates“ nicht als selbständigen Teil des Änderungsangebots, sondern als Klarstellung der auch im Prozess vertretenen Auffassung der Beklagten ansieht, dass die Bezugnahme auf den TV-L keine Dynamik enthält und deshalb kein Automatismus zur Gehaltserhöhung besteht.
156Die Kammer ist zwar nicht gemäß §§ 72 Abs. 5 ArbGG, 563 Abs. 2 ZPO an die die Aufhebung nicht tragenden Erwägungen zur Bestimmtheit des Änderungsangebots gebunden, teilt sie aber uneingeschränkt.
157Die Auslegung des Angebots nach §§ 133, 157 BGB ergibt, dass die zusätzliche Bekanntmachung, dass zukünftig Tariferhöhungen des TV-L nicht automatisch an den Kläger weitergegeben werden, nicht Teil des Angebots ist.
158Das folgt schon aus Wortlaut und Aufbau des Kündigungsschreibens.
159Absatz 1 enthält einleitende Ausführungen zur Gesetzeslage und zu dem Anlass für den Kündigungsausspruch (BAG 25.04.2013, a.a.O., Rnr. 33).
160Absatz 2 enthält die Erklärung einer Kündigung aus wichtigem Grund ohne Wahrung der Kündigungsfrist mit dem Zusatz, dass dem Kläger gleichzeitig der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags mit „folgenden Bedingungen“ angeboten wird. Die Bedingungen sind sowohl in der griechischen als auch in der deutschen Fassung des Kündigungsschreibens durch Fettdruck und Nummerierung gekennzeichnet und optisch abgesetzt. Damit ist nach dem Eindruck eines verständigen Empfängers, der alle ihm erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit prüft (Palandt-Ellenberger, BGB, 73. Aufl., a.a.O., § 133 BGB Rnr. 9), der Angebotsteil abgeschlossen.
161Entsprechend schließt sich die Erklärung zum Ausschluss des Automatismus bei Tarifentgelterhöhungen nicht unter Kennzeichnung als Nr. 3, sondern in einem eigenen Absatz an, der mit den Worten eingeleitet wird, „Zusätzlich machen wir bekannt“. Das bedeutet, die Beklagte hat über das konkret bezeichnete Angebot hinaus eine Information gegeben, einen Rechtsstandpunkt dargestellt.
162Die zusätzliche Bekanntmachung ist auch nicht deshalb als Teil des Änderungsangebots anzusehen, weil in Absatz 3 die weitere Erklärung folgt, dass „die übrigen Bedingungen des bestehenden Vertrags ….. unverändert“ bleiben. Vor dem Hintergrund der Auffassung der Beklagten, die mit dem Kläger getroffene Vereinbarung beinhalte keine Dynamik der Lohnentwicklung, bedurfte es keiner Änderung, nur der Loslösung von den nach ihrer Auffassung in der Vergangenheit rechtsirrtümlich erbrachten Entgelterhöhungen für die Zukunft.
163Vor dem Hintergrund dieses Auslegungsergebnisses war die Kammer nicht gehalten, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 Abs.1 ZPO wiederzueröffnen, da das Vorbringen der Beklagten zu nach Kündigungsausspruch erlassenen Gesetzen unerheblich ist.
164c. Der Kläger ist nur noch aus wichtigem Grund kündbar.
165aa. Angesichts der Vereinbarung der statischen Geltung des BAT und der Bezugnahme auf den TV-L nur bezüglich der Vergütung geht die Kammer davon aus, dass nicht § 34 Abs. 2 TV-L, sondern die Tarifbestimmungen der §§ 53 Abs. 2, 55 BAT Anwendung finden.
166bb. Gemäß § 53 Abs. 3 BAT ist der Angestellte nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren nach Vollendung des 40. Lebensjahres unkündbar. Der Kläger war bei Ausspruch der Änderungskündigung 51 Jahre alt und über 16 Jahre bei der Beklagten tätig.
167Gemäß § 55 Abs. 1 BAT kann dem unkündbaren Angestellten aus in seiner Person oder seinem Verhalten liegenden Gründen fristlos gekündigt werden. Die Beklagte beruft sich jedoch nicht auf personen- oder verhaltensbedingte Kündigungsgründe.
168Nach § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 BAT berechtigen andere wichtige Gründe, insbesondere dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Angestellten entgegenstehen, nicht zur Kündigung, jedoch zur Änderungskündigung zwecks Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe, wenn die Beschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen nachweislich nicht möglich ist. Auch dieser Fall ist nicht gegeben. Die Beklagte hat die Kündigung nicht zur Herabgruppierung des Klägers ausgesprochen. Seine tatsächliche Beschäftigung ist unverändert möglich.
169Es liegt auch kein Fall des § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT vor. Der Kläger ist nicht leistungsgemindert.
170cc. Auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 BAT kann jedoch eine betriebsbedingte außerordentliche Änderungskündigung mit Auslauffrist zum Zwecke der Reduzierung des Entgelts ausnahmsweise zulässig sein.
171Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schließt die Tarifnorm die außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen nicht für jeden denkbaren Fall aus, auch wenn eine außerordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer tariflich nicht möglich ist. Es sind Ausnahmefälle denkbar, in denen im Rahmen des § 55 BAT eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit notwendiger Auslauffrist nach § 626 BGB in Betracht kommen kann (BAG 01.03.2007 – 2 AZR 580/05 – Rnr. 21, BAGE 121, 347). In Extremfällen kann auch eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zum Zwecke der Entgeltreduzierung nach §§ 626 BGB, 54 Abs. 1 BAT zulässig sein (BAG 28.05.2009 – 2 AZR 844/07 – Rnr. 14, BAGE 131, 78; 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 28). Allerdings sind die materiellen Anforderungen an den wichtigen Grund für eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Änderungskündigung hoch anzusetzen. Mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit geht der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eine besondere Verpflichtung nicht nur hinsichtlich des Bestandes, sondern auch in Bezug auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses ein (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 23). Bereits eine betriebsbedingte ordentliche Änderungskündigung kann nur dann wirksam sein, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Ob er eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Die Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen als für die Erreichung des angestrebten Zieles erforderlich (BAG 01.03.2007 Rnr. 24).
172Besteht die vom Arbeitgeber angebotene Vertragsänderung allein in einer Absenkung der Vergütung, so ist erforderlich, dass durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebs oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind. Nicht erforderlich ist, dass ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung der Ruin unmittelbar bevorsteht (BAG 01.07.2007 Rnr. 26). Die betrieblichen Erfordernisse müssen dringend sein. Grundsätzlich sind einmal geschlossene Verträge einzuhalten. Geldmangel entlastet den Schuldner nicht. Die Dringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in das Leistungs-/Lohngefüge, wie es die Änderungskündigung zur Durchsetzung einer erheblichen Lohnsenkung darstellt, ist deshalb nur dann begründet, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen. Deshalb setzt eine solche Situation regelmäßig einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 27).
173Angesichts der hohen Voraussetzungen bereits für ordentliche Änderungskündigungen zur Entgeltsenkung müssen für die in Extremfällen nach § 55 Abs. 2 BAT zulässige außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung mit Auslauffrist zum Zweck der Entgeltreduzierung noch erheblich schärfere Anforderungen erfüllt sein. Andernfalls bliebe der Ausschluss der ordentlichen Kündigung wirkungslos. Der Arbeitgeber ist mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit eine weitreichende Verpflichtung und damit ein hohes Risiko eingegangen. Dieser Bindung muss er insbesondere bei der Prüfung der Frage, welche Vertragsänderungen er dem Arbeitnehmer zumuten kann, gerecht werden. Ein zum Ausspruch einer außerordentlichen Änderungskündigung berechtigender wichtiger Grund liegt nur dann vor, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen für den Arbeitgeber unabweisbar notwendig ist. Das ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen das Ziel hat, der konkreten Gefahr einer Betriebsschließung wegen Insolvenz zu begegnen (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 28, 29). Zu fordern ist stets, dass mildere Mittel ausgeschöpft sind (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 29).
174Ausgehend von diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für eine außerordentliche Änderungskündigung aus wichtigem Grund gegeben. Die dem Kläger angebotenen neuen arbeitsvertraglichen Bedingungen waren für die Beklagte unabweisbar notwendig und ihm zumutbar.
175(1)
176Die Beklagte befand sich im Jahre 2010 in einer wirtschaftlichen Extremsituation. Aus der Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Eurozone vom 11.04.2010 (Anhang II zu dem Gesetz 3845/2010) folgt, dass sie bereits am 23.03.2010 mit ihr die Bedingungen für eine Finanzhilfe vereinbart haben, um ihr im Bedarfsfall zu ermöglichen, zur Sicherung der Finanzstabilität im Euro-Währungsgebiet in diesem zu verbleiben. In der Erklärung wurde vereinbart, dass eine Kommission am 12.04.2010 zusammen mit dem IWF und den griechischen Behörden die Arbeit an einem gemeinsamen Programm aufnehmen sollte, das u.a. Beiträge der Beklagten und Auflagen an sie beinhalten sollte.
177Dass erhebliche Anstrengungen der Beklagten zur Meisterung der finanzpolitischen und strukturellen Herausforderungen Teil des Stabilitätsprogramms waren, folgt aus der Erklärung, die Eurogruppe begrüße die entschlossenen Anstrengungen der griechischen Behörden und der europäischen Partner zur Krisenbewältigung und stelle fest, dass die Haushaltsführung der ersten Monate des Jahres 2010, die bereits ergriffenen Maßnahmen Früchte trügen.
178Das Memorandum vom 03.05.2010 zur Verständigung auf konkrete wirtschaftspolitische Voraussetzungen (Anhang IV des Gesetzes 3845/2010) zeigt den europäischen Druck auf die Beklagte, quantitative Leistungskriterien einzuhalten. Die griechischen Behörden haben sich verpflichtet, mit dem Memorandum nicht in Einklang stehende Maßnahmen mit der europäischen Kommission, der EZB und dem IWF zu beraten und alle erforderlichen Informationen zur Überwachung der Fortschritte bei der Umsetzung des Programms und zur wirtschaftlichen und finanziellen Situation zur Verfügung zu stellen. Anschließend sind in 1) i) die Maßnahmen beschrieben, die durch die erste Überprüfung veranlasst wurden und bis zum Ende des zweiten Quartals 2010 abgeschlossen sein mussten. Dazu gehörte auch die Senkung der Lohnkosten im öffentlichen Sektor.
179Die Beklagte stand einem Wirtschaftsunternehmen vergleichbar vor dem Ruin und hatte zur Erlangung von internationalen Finanzhilfen ein Programm unter Aufsicht vereinbart, das einem Sanierungsplan vergleichbar ist. Teil des „Sanierungsplanes“ war auch die Senkung der Lohnkosten im öffentlichen Dienst, wie sich aus dem Memorandum und der Tabelle 1 „Griechenland – im Programm beinhaltete fiskalische Maßnahmen“ ergibt (Anhang II Tabelle 1 des Gesetzes 3845/2010).
180(2)
181Die Beklagte hat die ihr gestellten fiskalischen Vorgaben durch die Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 umgesetzt.
182(a)
183Dem Gericht steht es nicht zu, die Sinnhaftigkeit der Maßnahme, ihre zwingende Erforderlichkeit zu überprüfen. Insoweit besteht eine Einschätzungsprärogative des griechischen Parlaments.
184Auch nach deutschem Recht können Eingriffe des Gesetzgebers in Grundrechte gerechtfertigt sein, wenn diese verhältnismäßig sind, das heißt einen verfassungslegitimen Zweck verfolgen, zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich sind und bei einer Gesamtabwägung der Schwere des Eingriffs und des Gewichts der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenzen des Zumutbaren gewahrt sind. Dabei kommt auch dem deutschen Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des eingesetzten Mittels zu. Er verfügt über das Recht, von mehreren unsicheren empirischen Sätzen einen auszuwählen und als Prämisse festzusetzen. Er hat einen Entscheidungs-, Prognose- und Gestaltungsspielraum (BVerfG 03.04.2001 – 1 BvL 32/97 – Rnr. 51, BVerfGE 103, 293; Neumann, Legislative Einschätzungsprärogative und gerichtliche Kontrolle bei Eingriffen in die Tarifautonomie, RdA 2007, 71,74).
185Der Oberste Verwaltungsgerichtshof Griechenlands hat das Moratorium (Gesetz 3845/2010) einer Überprüfung unterzogen und mit Urteil vom 21.06.2011 entschieden, dass es weder die griechische Verfassung noch das europäische Menschenrechtsabkommen noch andere internationale Abkommen verletzt. Er hat das Gesetz auch im Hinblick auf Artikel 17 der griechischen Verfassung (Schutz des Eigentums) unter dem Gesichtspunkt der Lohnkürzung und im Hinblick auf Artikel 25 (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) geprüft und darauf hingewiesen, dass das Gesetz 3845/2010 Teil des allgemeinen Programms zur volkswirtschaftlichen Konsolidierung und Durchsetzung struktureller Reformen ist und dass es durch ernsthafte Gründe volkswirtschaftlichen Interesses gerechtfertigt ist, die Gründe auch gemeinsamen Interessen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union entsprechen (Quelle: Griechenland-Blog unter Bezugnahme auf in.gr.). Die Parteien sind auf das Urteil hingewiesen worden und haben keine weiteren Ausführungen gemacht.
186(b)
187Die dem Kläger angebotenen Vertragsänderungen entsprechen den Vorgaben der Gesetze 3833/2010 und 3845/2010.
188(aa)
189Dass diese Gesetze ihn als Bediensteten der Beklagten mit einem privatrechtlichen Vertrag erfassen, ist schon begründet worden.
190(bb)
191Aus den dem Notstand der Beklagten Rechnung tragenden gesetzlichen Regelungen folgt, dass die angebotenen Bedingungen unabweisbar notwendig sind.
192(aaa)
193Nach Artikel 1 § 4 des Gesetzes 3833/2010 wird das Gehalt von Bediensteten mit privatrechtlichen Verträgen, die wie der Kläger keine Zulagen, Vergütungen und Honorare im Sinne des Artikel 1 § 2 Abs. 1 erhalten, um 7 % gekürzt. Nach Artikel 3 § 3 Satz 2 des Gesetzes 3845/2010 beträgt der weitere Kürzungsbetrag 3 %.
194Der von der Beklagten angebotene Kürzungsbetrag von 310,63 € ist geringer als der sich aus den gesetzlichen Vorgaben tatsächlich ergebende Kürzungsbetrag. Die Beklagte hat das klägerische Gehalt im Jahre 2010 tatsächlich um 355,91 € gekürzt.
195(bbb)
196Auch das Angebot auf Streichung der Jahressonderzahlung rechtfertigt sich aus der griechischen Gesetzeslage.
197Gemäß Artikel 3 § 6 Satz 2 des Gesetzes 3845/2010 erhalten Beschäftigte, die unter Berücksichtigung aller ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen innerhalb eines Kalenderjahres mehr als 3.000 € monatlich verdienen, keine Weihnachts-, Oster- und Urlaubszuwendung.
198Der Kläger erzielt auch nach Kürzung seines Entgeltes noch mehr als 3.000 € monatlich.
199Die Jahressonderzahlung nach § 20 TV-L steht einer Weihnachts- und Urlaubszuwendung im Sinne des Artikel 3 § 6 des Gesetzes 3845/2010 gleich.
200Die Neuordnung des tariflichen Systems im öffentlichen Dienst haben die Tarifvertragsparteien zum Anlass genommen, die Zuwendung nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte, die gemäß § 4 Abs. 1 dieses Tarifvertrags zum 01.12. des Jahres gezahlt wurde, und das Urlaubsgeld nach dem Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte, das gemäß § 4 des Tarifvertrags im Juli des Jahres fällig war, abzulösen (Sponer/Steinherr, TVöD, § 20 TVöD Rnr. 2). Die Jahressonderzahlung stellt zwar ein aliud gegenüber dem Weihnachts- und Urlaubsgeld dar, ist aber nach der Zwecksetzung den von dem griechischen Gesetz erfassten Zuwendungen vergleichbar.
201Die Jahressonderzahlung nach § 20 TV-L ist einerseits Entgelt, gleichzeitig aber auch Honorierung der Betriebstreue und Motivation für die Zukunft (BAG 12.12.2012 – 10 AZR 922/11 – Rnr. 20, NZA 2013, 384), ist demnach nicht nur Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung. Aus den Begriffen Weihnachts- und Urlaubszulagen in dem Gesetz 3845/2010 folgt, dass diese zusätzlichen Leistungen anlässlich bestimmter Ereignisse nicht unmittelbar Vergütung der geleisteten Arbeit sind. Artikel 3 §§ 3, 4 des Gesetzes betreffen die Gegenleistung des Arbeitgebers für die erbrachte Arbeitsleistung, bezeichnet als „Bezüge, als ordentlicher Bezug, Zulagen, Vergütungen oder Honorare im allgemeinen“.
202(ccc)
203Für die Streichungen und Kürzungen der Entgelte und der Sonderzuwendungen der Bediensteten mit privatrechtlichen Verträgen ist ihre Rechtsgrundlage nach der griechischen Gesetzeslage unerheblich. Nach Artikel 1 § 5 des Gesetzes 3833/2010 und Artikel 3 § 8 des Gesetzes 3845/2010 gelten die Kürzungen unabhängig davon, ob die Ansprüche u.a. auf Tarifverträgen oder arbeitsvertraglichen Vereinbarungen beruhen. Nach der Entscheidung des griechischen Gesetzgebers erfordert die Sanierung der Staatsfinanzen Entgeltreduzierungen im öffentlichen Dienst unabhängig von der Rechtsgrundlage der Ansprüche. Auch die arbeitsvertragliche Verweisung auf tarifliche Ansprüche ist nicht vor Eingriffen geschützt.
204(ddd)
205Auch im Hinblick auf die ordentliche Unkündbarkeit des Klägers war der angebotene Eingriff in die Entgeltstruktur unabweisbar.
206Der Arbeitgeber darf zumindest dann auch gegenüber ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern außerordentliche Änderungskündigungen nach §§ 55, 54 BAT, 626 BGB aussprechen, wenn dies zur Sanierung des konkret insolvenzbedrohten Betriebs notwendig ist, weil sonstige Maßnahmen einschließlich der Änderungskündigungen gegenüber Mitarbeitern ohne Alterskündigungsschutz nicht ausreichen (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 35).
207Angesichts der dargestellten Krisensituation, der Anforderungen der internationalen Geldgeber liegt es für die Kammer auf der Hand, dass jeder im griechischen öffentlichen Dienst Beschäftigte zum Gelingen der Konsolidierung einen Sanierungsbeitrag durch Entgeltreduzierung leisten muss.
208(2) Gemessen an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind die Entgeltkürzungen und die Streichung der Jahressonderzahlung dem Kläger zumutbar. Die Beklagte hat ihm nur solche Änderungen vorgeschlagen, die er billigerweise hinnehmen muss.
209Stehen dem Arbeitgeber mehrere Möglichkeiten der Änderung der Arbeitsbedingungen zur Verfügung, so fordert es der für das gesamte Kündigungsschutzrecht geltende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diejenige auch ihm zumutbare Änderung anbietet, die den Gekündigten am wenigsten belastet (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 39; 17.03.2005 – 2 ABR 2/04 – Rnr. 21, NZA 2005, 949).
210(a)
211Hier stand dem griechischen Gesetzgeber – wie dargestellt – eine Einschätzungsprärogative zu. Er hat entschieden, dass die Konsolidierungsanstrengungen auch Lohnkürzungen erfordern.
212Nach dem Änderungsangebot büßt der Kläger bei Wirksamkeit der Änderungskündigung monatlich 310,63 € zuzüglich der Jahressonderzuwendung ein. Ausgehend von einem Bruttomonatsentgelt für 3.635,45 € und einer Jahressonderzahlung von 2.908,36 € (80 % von 3.635,45 €) verfügte er ohne die Kürzungen über ein Jahresbruttoeinkommen von 46.497,53 €. Unter Berücksichtigung der Kürzungen beträgt es nur noch 39.897,84 €, 86 % des ursprünglichen Einkommens. Die Kammer verkennt nicht, dass es sich um eine spürbare Einkommensminderung handelt, die dem Kläger angesichts der massiven Krisensituation jedoch noch zugemutet werden kann.
213(b)
214Entsprechend wendet er sich auch nicht im Wesentlichen gegen die Höhe der angebotenen Gehaltsminderung, sondern gegen ihre uneingeschränkte zukünftige Wirkung.
215Die Kammer teilt nicht seine Auffassung, die Beklagte hätte das verschlechternde Angebot befristen müssen.
216Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer zwar nicht hinnehmen, dass sein Einkommen durch eine Änderungskündigung auf Dauer abgesenkt wird, wenn die Entgeltkürzung nur mit vorübergehenden wirtschaftlichen Verlusten begründet wird (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 40).
217Bei Ausspruch der Kündigung war jedoch ein Ende der Wirtschaftskrise nach Vortrag der Beklagten nicht absehbar. Nach Angaben des Auswärtigen Amts hat sich die Haushaltslage Griechenlands zwar seit 2010 verbessert. Das Haushaltsdefizit sank von minus 9,4 % 2011 auf minus 6,3 % in 2012. Für 2013 werden noch minus 4,1 % erwartet bei einem nach wie vor bestehenden Schuldenstand von 175,5 % des Bruttoinlandsprodukts. Vor diesem Hintergrund enthalten die beiden Gesetze aus 2010 keine zeitlichen Beschränkungen für die Kürzungsmaßnahmen. Der Gesetzgeber hat eine Absenkung der Vergütungen im öffentlichen Dienst als auf Dauer unabdingbar erachtet. Zeitliche Beschränkungen ergeben sich weder aus Artikel 1 § 4 des Gesetzes 3833/2010 noch aus Artikel 3 § 3 des Gesetzes 3845/2010. In Artikel 3 des Gesetzes 3833/2010 hat der Gesetzgeber die Einkommenspolitik für 2010 beschrieben. Aus der Regelung folgt nicht, dass die in Artikel 1 § 4 verfügten Einschnitte in die Vergütungsstruktur beschränkt sind auf das Haushaltsjahr 2010. Aus Artikel 3 § 1 folgt lediglich, dass vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 Gehaltserhöhungen des öffentlichen Dienstes ausgeschlossen sind. Die untersagten Entgelterhöhungen werden in Artikel 3 § 2 näher konkretisiert. Artikel 3 § 3 enthält eine Ausnahmeregelung für den Fall, dass durch Gesetz, Verordnung, Tarifabkommen, Schiedsspruch oder Satzung Erhöhungen bereits beschlossen waren.
218Wie krisenhaft die Gesamtlage und wie hoch der Zwang sind, dauerhaft Personalausgaben zu reduzieren, zeigt die Tatsache, dass das griechische Parlament in den Jahren 2011 und 2012 weitere Gesetze zur Entgeltreduzierung erlassen hat, wie der Kammer bereits vor dem nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten aufgrund von Presseveröffentlichungen bekannt war. Auf den konkreten Inhalt der nachfolgenden Gesetze kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
219(dd)
220Die außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung zur Entgeltsenkung ist jedoch nicht als fristlose Kündigung wirksam. Dem Kläger ist eine Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende gemäß §§ 55 Abs. 2 Unterabs. 3, 53 Abs. 2 BAT einzuräumen.
221Betriebsverfassungsrechtliche Gründe stehen nicht entgegen, da kein Betriebsrat besteht, der gemäß § 102 BetrVG wie bei Ausspruch einer ordentlichen Änderungskündigung zu beteiligen gewesen wäre.
222Bei Prüfung der Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Änderungskündigung hat das Bundesarbeitsgericht durchgehend betont, dass eine Auslauffrist notwendig, gar zwingend ist (BAG 22.11.2012 – 2 AZR 673/11 – Rnr. 14, BB 2013, 533; 21.06.2012 – 2 AZR 343/11 – Rnr. 18, NZA 2013, 224; 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 22; 06.10.2005 – 2 AZR 362/04 – Rnr. 28, ZTR 206, 437).
223Zu bedenken ist, dass der Arbeitgeber – wie bereits ausgeführt – mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündigung eine weitreichende Verpflichtung und damit einhergehend ein hohes Risiko eingegangen ist. Die Einhaltung der Ausschlussfrist ist auch geboten, um eine Benachteiligung der durch den Ausschluss der ordentlichen Kündigung gerade geschützten Arbeitnehmer zu vermeiden (BAG 21.06.2012 a.a.O. Rnr. 18).
224Die Kammer sieht keinen Grund, im vorliegenden Fall von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abzuweichen.
225Artikel 1 des Gesetzes 3833/2010 ist schon zum 01.01.2010, Artikel 3 des Gesetzes 3845/2010 zum 01.06.2010 in Kraft getreten. Das Gesetz 3833/2010 wurde am 11.03.2010, das Gesetz 3845/2010 am 06.05.2010 erlassen. Auch wenn der Beklagten zuzugestehen ist, dass die Entgeltkürzungen bereits den Haushalt 2010 entlasten sollten, dass die Umsetzung in arbeitsrechtliche Maßnahmen einer gewissen Vorbereitungszeit bedurfte, so ist gleichzeitig zu bedenken, dass sie bereits mit Schreiben vom 15.06.2010 gegenüber dem Kläger erklärt hat, die ihrer Auffassung nach in der Zeit von Januar 2010 bis Mai 2010 erfolgten Überzahlungen durch Lohnabzug in den Folgemonaten realisieren zu wollen. Sie hat es unterlassen, den Arbeitsvertrag des Klägers zeitnah mit dem Ergebnis zu prüfen, dass jedenfalls vorsorglich der Ausspruch einer außerordentlichen Änderungskündigung geboten war.
226Dass sie nicht die erforderliche Eile zur Wahrung ihrer Interessen gezeigt hat, ist auch der Tatsache zu entnehmen, dass der Kläger das von dem griechischen Generalkonsul in Hannover unterzeichnete Kündigungsschreiben vom 21.10.2010 erst am 12.11.2010 erhalten hat. Die von der Beklagten dargestellte und von der Kammer der Prüfung zugrunde gelegte wirtschaftliche Extremsituation hat sie selbst nicht zu einer zügigen Umsetzung der Kürzungen in das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger veranlasst. Der von ihr für zwingend erforderlich gehaltene Entlastungseffekt wird bei Einhaltung der sozialen Auslauffrist im Haushaltsjahr 2011 eintreten.
227B.
228Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs.6, 92 ZPO, die Zulassung der Revision aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger nehmen den Beklagten auf Schadensersatz wegen eines Unfalls in Anspruch, bei dem ihre damals 25-jährige Tochter am 2. Februar 1990 in P., Thailand, getötet wurde. Der Beklagte und die Tochter der Kläger waren mit gemieteten Jet-Ski auf dem Meer vor P. zusammengestoßen. Der Beklagte ist der Auffassung, daß nicht ein Fahrfehler seinerseits, sondern die Fahrweise der Tochter der Kläger den Unfall verursacht habe, etwaige Ansprüche der Kläger im übrigen aber verjährt seien.
Die Kläger verlangen, soweit es für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, Ersatz aufgewendeter Bestattungskosten (5.044,00 DM) sowie eine monatliche Unterhaltsrente von 970,00 DM für die Zeit vom 1. März 1990 bis einschließlich Juli 1995 (63.050,00 DM). Das Landgericht hat die Klage nach Einholung von Gutachten zum thailändischen Recht hinsichtlich beider Forderungen wegen Verjährung abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Erstattung der Beerdigungskosten und Zahlung der Unterhaltsrente weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht geht auf der Grundlage der schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. W. vom 10. März 1997 und 13. August 1999 davon aus, daß sich der Ersatzanspruch der Kläger hinsichtlich der Bestattungskosten und der Unterhaltsrente nach thailändischem Recht beurteile und nach diesem Recht verjährt sei. Für die Verjährungsfrist sei die Vorschrift des Art. 308 thail. SchiffahrtsG maßgebend, wonach Ansprüche aus einem Zusammenstoß von Wasserfahrzeugen, zu denen Jet-Ski zu rechnen seien, in sechs Monaten ab Kenntnis von dem Zusammenstoß verjährten. Es handele sich bei Art. 308 thail. SchiffahrtsG um eine Spezialvorschrift, die andere Verjährungsregelungen verdränge. Die Verjährung sei nicht unterbrochen worden. Zur Unterbrechung habe es des Anhängigmachens eines Strafverfahrens bedurft, was neben der von den Klägern behaupteten Einreichung einer Anklageschrift gegen den Beklagten bei Gericht am 19. März 1990 die Annah-
me dieser Anklage durch das Gericht vorausgesetzt hätte. Die Kläger hätten die Annahme der Anklageschrift jedoch nicht dargelegt.
Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nur teilweise stand.
II. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß sich die Forderungen der Kläger auf Unterhalt und Ersatz der Beerdigungskosten nach thailändischem Recht beurteilen. Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung, wie sie die Kläger gegen den Beklagten geltend machen, ist nach dem zur Tatzeit gewohnheitsrechtlich geltenden, nunmehr in Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB kodifizierten Tatortgrundsatz das Recht des Staates maßgebend, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Der nach der Behauptung der Kläger vom Beklagten verschuldete Unfall ihrer Tochter hat sich in Thailand ereignet. Dort trat als Folge des Unfalls der Tod der Tochter ein.
2. Das Berufungsgericht ist der ihm nach § 293 ZPO obliegenden Pflicht zur Ermittlung des anzuwendenden thailändischen Rechts jedoch nur unzureichend nachgekommen, wie die Revision mit Recht rügt.
a) Die Frage, ob das Berufungsgericht das thailändische Recht zutreffend angewandt und ausgelegt hat, ist revisionsrechtlicher Nachprüfung entzogen , da ausländisches Recht nach §§ 549 Abs. 1, 562 ZPO a.F. nicht revisibel ist. Einer Überprüfung zugänglich ist jedoch das Verfahren des Berufungsgerichts , das als deutsches Gericht deutsches Verfahrensrecht anzuwenden hatte.
Nach § 293 ZPO hat der Tatrichter das ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln (st.Rspr., vgl. Sen.Urt. v. 29. Juni 1987 - II ZR 6/87, NJW 1988, 647 m.w.N.). Wie er sich diese Kenntnis verschafft, liegt in seinem
pflichtgemäßen Ermessen, jedoch darf sich die Ermittlung des fremden Rechts nicht auf die Heranziehung der Rechtsquellen beschränken, sondern muß auch die konkrete Ausgestaltung des Rechts in der ausländischen Rechtspraxis, insbesondere die ausländische Rechtsprechung, berücksichtigen (BGH, Urt. v. 24. März 1987 - VI ZR 112/86, NJW 1988, 648): der Tatrichter ist gehalten, das Recht als Ganzes zu ermitteln, wie es sich in Lehre und Rechtsprechung entwickelt hat, er muß dabei die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausschöpfen (vgl. Sen.Urt. v. 21. Januar 1991 - II ZR 49/90, NJW-RR 1991, 1211, 1212).
b) Mit der Beschränkung auf die Gutachten des Sachverständigen Dr. W. vom 10. März 1997 und 13. August 1999 ist das Oberlandesgericht seinen Pflichten aus § 293 ZPO nicht gerecht geworden.
Beide Gutachten stützen sich hinsichtlich der Verjährungsfrage sowohl, was die maßgebliche Frist angeht, als auch hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Unterbrechung allein auf die gesetzlichen Vorschriften; sie beziehen weder Rechtslehre noch Rechtsprechung Thailands ein. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 13. August 1999, das sich vertieft mit der Verjährungsproblematik auseinandersetzt, sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er von Deutschland aus keine Aussagen zur praktischen Handhabung des Verhältnisses der Verjährungsvorschrift des Art. 308 thail. SchiffahrtsG (sechs Monate ) zu den entsprechenden Bestimmungen des Art. 448 thail. ZHGB (ein Jahr ab Kenntnis von Handlung und Ersatzpflicht oder 10 Jahre von der Begehung der unerlaubten Handlung an, im Falle fahrlässiger Tötung sogar 15 Jahre) in der thailändischen Rechtsprechung und Rechtsliteratur machen könne. Unter diesen Umständen hätten die Ausführungen Dr. W. das Berufungsgericht veranlassen müssen, von Amts wegen weitere Ermittlungen in bezug
auf die tatsächliche Handhabung der von dem Sachverständigen geschilderten Verjährungsvorschriften anzustellen.
Weitere Ermittlungen waren außerdem auch deshalb geboten, weil die Kläger, worauf die Revision mit Recht hinweist, unter Beweisantritt vorgetragen hatten, daß die von dem Sachverständigen Dr. W. aus den einschlägigen Gesetzen abgeleitete Rechtsauffassung zur Verjährungsproblematik unrichtig sei: Art. 308 thail. SchiffahrtsG sei gegenüber Art. 448 thail. ZHGB nicht lex specialis; die Einreichung einer Anklageschrift durch den Staatsanwalt führe nach thailändischem Recht automatisch zur Eröffnung des Strafverfahrens, einer Annahme der Anklage durch das Gericht bedürfe es entgegen der Ansicht des Sachverständigen nicht.
Bei sachgerechter Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens hätte das Berufungsgericht daher das Gutachten eines anderen Sachverständigen, der Zugang zur thailändischen Rechtslehre und Rechtspraxis hat, einholen
müssen. Da nicht auszuschließen ist, daß es dann zu einer den Klägern günstigen Entscheidung gelangt wäre, kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben.
Röhricht Goette Kurzwelly
Münke Graf
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
Tenor
-
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Februar 2012 - 13 Sa 2089/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung.
- 2
-
Die Beklagte führt bundesweit in mehreren Niederlassungen „Transportdienstleistungen“ durch. Sie beschäftigt weitaus mehr als zehn Arbeitnehmer. Der Kläger ist bei ihr am Standort Schwedt/Oder als Kraftfahrer für Gefahrgut tätig. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Formulararbeitsvertrag vom 21. Dezember 1998 zugrunde, in dem es ua. heißt:
-
„…
-
1. Vertragsgrundlagen
-
sind die jeweils zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Organisationen gültigen Lohn- und Manteltarifverträge. …
-
…
-
6. Tätigkeit
-
[Der Kläger] wird als Kraftfahrer für alle Verkehre [der Beklagten] eingestellt, das schließt auch eine flexible Arbeitszeit ein. …
-
7. Arbeitsentgeld
-
a) für eine monatliche Arbeitszeit bis zu 260 Stunden, exklusive gesetzlicher Pause
-
b) der monatliche Brutto-Lohn beträgt DM 3.600,00
-
c) Einsatzstunden (ab 261) werden mit gesetzlichen und/oder tariflichen Zuschlägen vergütet
-
d) Sonderzeiten (z. B. Sonn- oder Feiertage von 0 bis 22 Uhr) werden gesondert bezahlt mit den gesetzlichen und/oder tariflichen Aufschlägen.
-
…“
- 3
-
Im April 2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe dessen Bruttomonatslohn rückwirkend zum 1. April auf „DM 4.000,00 = 2.045,17 Euro“ „festgesetzt“.
- 4
-
Im Jahr 2009 wechselte die Geschäftsführung der Beklagten. Die neue Geschäftsleitung gelangte nach Überprüfung der Arbeitsverträge zu dem Ergebnis, die bestehenden Regelungen verstießen gegen Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes. Sie beschloss, das bestehende „Arbeitsvertragssystem“ zu ändern. Dazu bot sie dem Kläger zunächst einen neuen Arbeitsvertrag an, der ein geringeres Festentgelt vorsah. Der Kläger nahm das Angebot nicht an. Ab August 2010 leistete die Beklagte gleichwohl nur noch das verminderte Entgelt. Der Kläger erhob - erfolgreich - Klage auf Zahlung der Differenzvergütung.
- 5
-
Mit Schreiben vom 8. April 2011 unterrichtete die Beklagte den zuständigen Betriebsrat über ihre Absicht, gegenüber dem Kläger eine Änderungskündigung zu erklären. Mit Schreiben vom 19. April 2011 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. Juli 2011 verbunden mit dem Angebot, es bei Vereinbarung eines Bruttostundenentgelts von 7,87 Euro und einer wöchentlichen Regelarbeitszeit von 40 Stunden (173 Stunden im Monat) fortzusetzen. Darüber hinausgehende „Arbeits- und Bereitschaftszeitstunden“ sollten mit „dem tariflich bestimmten“ Zuschlag von 25 vH vergütet werden. Für den Fall, dass sich das Angebot mit Blick auf den Umfang der regelmäßigen Arbeitszeit als sozial ungerechtfertigt erweisen sollte, bot sie dem Kläger - sofern er dies wünsche - die Fortführung des Arbeitsverhältnisses mit monatlich 208 „garantierten Einsatzstunden“ an; darüber hinaus geleistete „Bereitschaftsstunden“ sollten zuschlagspflichtig sein.
- 6
-
Der Kläger nahm „das Angebot“ unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG an und hat - fristgerecht - die vorliegende Änderungsschutzklage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, für das Bestreben der Beklagten, sich von ihrer Pflicht zur Leistung von 2.045,17 Euro für monatlich „bis zu 260 Stunden“ zu lösen, gebe es kein dringendes betriebliches Erfordernis. Auch habe die Beklagte keine ordnungsgemäße soziale Auswahl getroffen. Sie habe nicht gegenüber allen Arbeitnehmern, die mit der Änderung ihrer Arbeitsbedingungen nicht einverstanden gewesen seien, eine Änderungskündigung ausgesprochen. Das Änderungsangebot sei überdies zu unbestimmt. Zudem sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Ihm sei das konkrete Änderungsangebot nicht mitgeteilt worden.
- 7
-
Der Kläger hat beantragt
-
festzustellen, dass die Änderung seiner Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 19. April 2011 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.
- 8
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, es sei ihr wirtschaftlich nicht möglich, die mit dem Kläger vereinbarte Vergütung unabhängig davon zu zahlen, ob die Überstunden, die mit diesem Betrag abgegolten würden, anfielen oder nicht. Sie wolle deshalb von der vereinbarten Pauschalabgeltung auf eine genaue Abrechnung der Überstunden „umstellen“. Monatlich 173 Stunden seien die höchste Arbeitszeit, die sie einseitig festlegen könne. Hilfsweise habe sie dem Kläger das rechtlich höchstzulässige Arbeitszeitvolumen angeboten. Der vorgesehene Stundenlohn ergebe sich aus der bisherigen monatlichen Höchstarbeitszeit und dem für sie gezahlten Monatslohn. Mit der beabsichtigten Änderung sei deshalb nicht eine Entgeltabsenkung, sondern lediglich die Anpassung der Arbeitszeit an die rechtlichen Vorgaben verbunden.
- 9
-
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Änderungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Die dem Kläger mit der Kündigung vom 19. April 2011 angetragene Änderung der Arbeitsbedingungen ist sozial ungerechtfertigt iSd. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Darauf, ob die angestrebte Änderung auch aus anderen Gründen unwirksam ist, kommt es nicht an.
- 11
-
I. Die Voraussetzungen für eine Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes nach § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG liegen vor. Das Landesarbeitsgericht geht davon aus, dass in dem Betrieb, dem der Kläger im Kündigungszeitpunkt angehörte, regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt waren. Die Beklagte stellt dies nicht in Abrede.
- 12
-
II. Das mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot ist nicht „überflüssig“ (vgl. dazu BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 25/11 - Rn. 18 ff.; 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 12, BAGE 140, 328). Nach den Vereinbarungen im Arbeitsvertrag war die Beklagte verpflichtet, dem Kläger das vereinbarte monatliche Bruttogehalt auch dann zu zahlen, wenn sie ihn weniger als 260 Stunden im Monat beschäftigt hatte. Hiervon konnte sie nicht einseitig abweichen.
- 13
-
1. Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in dem zwischen den Parteien geführten Vorprozess darauf erkannt, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, einseitig in die vereinbarte Entgeltstruktur einzugreifen. Auch eine ergänzende Vertragsauslegung scheide aus. Der Arbeitsvertrag enthalte keine unvorhergesehene Regelungslücke. Die Regelungen unter Ziff. 7 seien nicht gemäß § 134 BGB nichtig. Diese Vereinbarungen, bei denen es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB)handele, seien weder intransparent noch aus anderen Gründen rechtswidrig. Sie könnten nicht dahin verstanden werden, dass dem Kläger das monatliche Bruttoentgelt nur zustehe, wenn er tatsächlich eine Arbeitsleistung von 260 Stunden im Monat erbringe (BAG 17. Oktober 2012 - 5 AZR 127/12 - Rn. 9 ff.).
- 14
-
2. Diesen Wertungen schließt sich der Senat an. Besonderheiten, die sich daraus ergeben könnten, dass sich die Entscheidung des Fünften Senats auf den Zeitraum von August 2010 bis November 2010 bezieht, während die Beklagte im Streitfall Änderungen für die Zeit nach dem 31. Juli 2011 anstrebt, sind nicht ersichtlich. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil die Beklagte die Änderungen nunmehr mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage für eine Abrede zur Pauschalvergütung von Überstunden begründet. Das Kündigungsrecht ist gegenüber § 313 BGB lex specialis(BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 26; 8. Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 32).
- 15
-
III. Die Voraussetzungen für eine Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß §§ 2, 1 KSchG liegen nicht vor.
- 16
-
1. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung iSv. § 2 KSchG ist sozial nur gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG vorliegen. Dabei ist die soziale Rechtfertigung einer Änderung der bestehenden Vertragsbedingungen zu überprüfen. Das Änderungsangebot des Arbeitgebers ist daran zu messen, ob es durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist und sich darauf beschränkt, solche Änderungen vorzusehen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss(BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 44/11 - Rn. 34; 29. September 2011 - 2 AZR 451/10 - Rn. 17). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder - wie im Streitfall - unter Vorbehalt angenommen hat (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 44/11 - aaO; 26. November 2009 - 2 AZR 658/08 - Rn. 16).
- 17
-
2. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise akzeptieren muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu prüfen. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle vorgesehenen Änderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich von deren Inhalt nicht weiter entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 15; 27. September 2001 - 2 AZR 246/00 - zu I 2 b der Gründe).
- 18
-
3. Das mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot muss konkret gefasst, dh. eindeutig bestimmt, zumindest bestimmbar sein (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 29; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 15, BAGE 132, 78). Für den Arbeitnehmer muss ohne Weiteres klar sein, welche Vertragsbedingungen zukünftig gelten sollen. Nur so kann er eine abgewogene Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Der Arbeitnehmer muss von Gesetzes wegen innerhalb einer recht kurzen Frist auf das Vertragsangebot des Arbeitgebers reagieren und sich entscheiden, ob er es ablehnt, ob er es mit oder ob er es ohne Vorbehalt annimmt. Schon im Interesse der Rechtssicherheit muss deshalb das Änderungsangebot zweifelsfrei klarstellen, zu welchen Vertragsbedingungen das Arbeitsverhältnis künftig fortbestehen soll. Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - aaO, mwN).
- 19
-
4. Es ist zumindest fraglich, ob die Beklagte ein in diesem Sinne bestimmtes und damit annahmefähiges Änderungsangebot unterbreitet hat.
- 20
-
a) Das dem Kläger mit der Kündigung angetragene Änderungsangebot enthält zwei Alternativen, die erkennbar in einem Haupt- und Hilfsverhältnis zueinander stehen. Die Beklagte will das Arbeitsverhältnis primär auf der Basis einer „garantierten“ Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden/173 Monatsstunden bei einem Bruttostundenlohn von 7,87 Euro fortsetzen. „Vorsorglich“ für den Fall, dass sich die Änderung des Umfangs der Arbeitszeit als sozial ungerechtfertigt erweist, und falls der Kläger „dies wünscht“, will sie ihn regelmäßig 208 Stunden monatlich einsetzen. In beiden Varianten sollen für zusätzliche Arbeits-/Bereitschaftsstunden Zuschläge gezahlt werden.
- 21
-
b) Der Inhalt der beiden Alternativen ist - je für sich betrachtet - hinreichend klar. Der Kläger konnte das Angebot nur so verstehen, dass die angestrebten Änderungen nicht vor dem 1. August 2011 wirksam werden sollten und dass die Beklagte ihm auch bei einem Einsatz im Umfang von 208 Stunden die im ersten Angebotsteil ausgewiesene Stundenvergütung zahlen wollte - zzgl. etwaiger Vergütung für tatsächlich geleistete Mehrarbeit. Problematisch erscheint dagegen die Bedingtheit des Alternativangebots. Dies vorrangig deshalb, weil unklar bleibt, ob ein möglicher Vorbehalt auch dieses sollte erfassen können oder ob - weil das Angebot an einen entsprechenden „Wunsch“ des Klägers gebunden war - insoweit nur eine vorbehaltslose Annahme möglich sein sollte. Ebenso wenig ist klar, ob der Kläger auf die gestaffelten Alternativen differenziert hätte reagieren können - etwa mit einer vorbehaltslosen Ablehnung des „Hauptangebots“ und einer Annahme des nachrangigen Angebots unter einem Vorbehalt des § 2 KSchG. Diese Unklarheiten zu vermeiden ist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers.
- 22
-
5. Wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass ein annahmefähiges Änderungsangebot vorliegt, so sind die Änderungen der Vertragsbedingungen doch nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt. Sie sind aus diesem Grund unwirksam. Das gilt für beide angebotenen Alternativen.
- 23
-
a) Die Änderung der Vertragsbedingungen war nicht deshalb geboten, weil der Kläger aufgrund der Vereinbarungen in Ziff. 7 des Arbeitsvertrags verpflichtet gewesen wäre, regelmäßig eine Arbeitszeit von 260 Stunden monatlich zu leisten und diese Abrede wegen Verstoßes gegen § 3 ArbZG nichtig wäre. Ziff. 7 des Arbeitsvertrags betrifft allein die Vergütung, ohne zugleich mehr als den Höchstumfang der dafür geschuldeten Arbeitszeit zu regeln. Die Beklagte schuldet das monatliche Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 2.045,17 Euro bis zur Grenze von 260 Stunden gerade unabhängig von der abgerufenen und tatsächlich geleisteten Arbeitszeit (so auch BAG 17. Oktober 2012 - 5 AZR 127/12 - Rn. 15 ff.).
- 24
-
b) Es kann dahinstehen, welche regelmäßige Arbeitszeit des Klägers die Parteien vereinbart haben. Die Beklagte hat weder dargetan noch ist sonst ersichtlich, dass sie Abreden getroffen haben, die den Kläger zu Arbeitsleistungen über das gesetzlich zulässige Maß hinaus verpflichtet oder die in Widerspruch zu Regelungen eines auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrags gestanden hätten.
- 25
-
c) Die Beklagte kann sich für die angestrebten Änderungen der Vertragsbedingungen nicht auf die Rechtsprechung des Senats zu Änderungskündigungen mit dem Ziel der Anpassung vertraglicher Nebenabreden an veränderte Umstände berufen. Die dafür notwendigen Voraussetzungen liegen nicht vor.
- 26
-
aa) Ein dringendes betriebliches Änderungserfordernis iSd. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG kommt in Betracht, wenn die Parteien Nebenleistungen vereinbart haben, deren Gewährung an Umstände anknüpft, die nicht notwendig während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses vorliegen. So kann ein Mietzuschuss, der ursprünglich die Preisdifferenz zwischen einer billigen Werkwohnung und einer Wohnung auf dem freien Markt ausgleichen sollte, wegen veränderter Umstände sachlich ungerechtfertigt werden (vgl. BAG 28. April 1982 - 7 AZR 1139/79 - BAGE 38, 348). Das gleiche kann für die Zusage einer kostenlosen Beförderung zum Betriebshof gelten (vgl. BAG 27. März 2003 - 2 AZR 74/02 - BAGE 105, 371). Ein Arbeitgeber, der sich in solchen Fällen auf eine wesentliche Änderung der maßgebenden äußeren Verhältnisse beruft, stützt sich auf Umstände, die außerhalb von §§ 1, 2 KSchG als möglicher Wegfall oder als mögliche Störung der Geschäftsgrundlage geprüft werden. Derartige Umstände können das Beharren auf der vereinbarten Leistung als unbillig und unberechtigt erscheinen lassen und geeignet sein, eine Änderung sozial zu rechtfertigen (BAG 8. Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 31 ff.; 27. März 2003 - 2 AZR 74/02 - zu II 2 c der Gründe, aaO).
- 27
-
bb) Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Änderungskündigung gerechtfertigt sein kann, wenn sich der Arbeitgeber von einer Abrede über die pauschalierte Abgeltung von Überstunden lösen will (vgl. dazu BAG 23. November 2000 - 2 AZR 547/99 - zu II 1 a der Gründe), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.
- 28
-
(1) Die Änderungskündigung vom 19. April 2011 zielt nicht auf die Änderung einer vertraglichen Nebenabrede zur pauschalen Abgeltung von Überstunden. Die Regelung in Ziff. 7 c) des Arbeitsvertrags unterscheidet nicht zwischen einem Grundgehalt und einer Pauschale für etwa zusätzlich anfallende „Überstunden“. Die Beklagte strebt vielmehr eine Änderung des regulären Gehalts des Klägers an, das sie unabhängig von der Erbringung einer (Mindest-)Arbeitszeit vertraglich schuldet. Sie will die getroffenen Vereinbarungen zugunsten einer von der tatsächlich erbrachten Arbeitszeit abhängigen Vergütung umgestalten. Bei einer derartigen Sachlage kann keine Rede davon sein, dass die angestrebten Änderungen nur einen Randbereich der vertraglichen Vereinbarungen beträfen.
- 29
-
(2) Abgesehen davon hat die Beklagte nicht dargelegt, inwiefern sich Umstände, die für den Abschluss der Vergütungsabrede bestimmend gewesen sein mögen, im Nachhinein wesentlich geändert hätten. Ihr Vorbringen, „Überstunden“ fielen in dem bei Begründung des Arbeitsverhältnisses beiderseits vorausgesetzten Umfang nicht (mehr) an, ist unsubstantiiert. Es lässt nicht erkennen, bei welcher Gelegenheit die Parteien auf der Grundlage welcher regelmäßigen Arbeitszeit welche Anzahl durchschnittlich anfallender Überstunden ins Auge gefasst hätten. Die Regelung in Ziff. 7 a) des Arbeitsvertrags gibt dafür nichts her. Ihr kann lediglich entnommen werden, dass das dem Kläger zugesagte monatliche Bruttogehalt einen Einsatz von „bis zu 260“ Stunden abdecken sollte, nicht aber, von welchen regelmäßig zu erwartenden Einsatzzeiten die Parteien ausgegangen sind.
- 30
-
d) Ein dringendes betriebliches Änderungserfordernis iSd. § 1 Abs. 2 KSchG liegt auch nicht mit Blick auf die wirtschaftliche Lage der Beklagten vor.
- 31
-
aa) Der Eingriff in das arbeitsvertraglich vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ist allenfalls gerechtfertigt, wenn bei dessen Beibehaltung betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstünden, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen müssten. Regelmäßig bedarf es zur Rechtfertigung eines solchen Eingriffs eines umfassenden Sanierungsplans, der alle im Vergleich mit der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ebenfalls ausschöpft (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 25, BAGE 132, 78; 1. Juli 1999 - 2 AZR 826/98 - zu II 1 c der Gründe). Vom Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang zu verlangen, dass er die Finanzlage des Betriebs, den Anteil der Personalkosten und die Auswirkung der erstrebten Kostensenkungen für den Betrieb und für die Arbeitnehmer darstellt und darlegt, warum andere Maßnahmen nicht ausreichen oder nicht in Betracht kommen (BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 139/07 - Rn. 20).
- 32
-
bb) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe die in diesem Zusammenhang relevanten Tatsachen nicht vorgetragen. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Ein Rechtsfehler ist insoweit auch objektiv nicht erkennbar. Die Rüge der Beklagten, das Gericht habe es versäumt, Beweis darüber zu erheben, ob dem Betriebsrat ihre wirtschaftliche Lage bekannt war, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Sie ist nicht entscheidungserheblich. Sie richtet sich gegen die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, ihr - der Beklagten - sei es mangels ausreichender Unterrichtung des Betriebsrats verwehrt, sich auf wirtschaftliche Gründe zur Rechtfertigung der Kündigung zu berufen. Dies ist nur eine von zwei die Entscheidung selbstständig tragenden Begründungen des Landesarbeitsgerichts. Außer auf sie und zuvörderst hat das Landesarbeitsgericht darauf abgestellt, dass das Vorbringen der Beklagten zum Vorliegen dringender betrieblicher Änderungsbedürfnisse unsubstantiiert sei. Da schon die Erstbegründung des Landesarbeitsgerichts seine Entscheidung trägt, ist der mit Blick auf die Zweitbegründung behauptete Verfahrensmangel nicht entscheidungserheblich.
- 33
-
IV. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
-
Kreft
Rachor
Berger
Krichel
Grimberg
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.
(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn
- 1.
in Betrieben des privaten Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat, - 2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.
(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Tenor
-
I. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 30. November 2011 - 5 Sa 49/10 - wird zurückgewiesen.
-
II. Auf die Revision des Klägers wird unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 30. November 2011 - 5 Sa 49/10 - auf die Berufung des Klägers unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 4. Mai 2010 - 21 Ca 35/10 - die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 675,73 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 116,00 Euro seit dem 1. November 2008, 1. Dezember 2008, 1. Januar 2009, 1. Februar 2009 und 1. März 2009 sowie aus 95,73 Euro seit dem 1. April 2009 zu zahlen.
-
III. Im Übrigen werden die Berufung und die Revision des Klägers zurückgewiesen.
-
IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Auslegung einer einzelvertraglichen Vergütungsabrede.
- 2
-
Der 1979 geborene Kläger ist seit August 2003 bei der Beklagten, die mit Schreibwaren und Kommunikationsartikeln handelt, in H als Verkäufer beschäftigt, zunächst in Teilzeit mit jahresdurchschnittlich 25 Wochenstunden, ab Juli 2004 in Vollzeit mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 37,5 Wochenstunden. Seither erhält der Kläger eine Vergütung von 1.458,00 Euro brutto monatlich.
-
Zur Vergütung heißt es im Anstellungsvertrag vom 1. August 2003:
-
„3.2
In Anlehnung an den Tarifvertrag erhält der Mitarbeiter ein Bruttogehalt von
Tarifentgelt:
954,75
Übertarifliche Zulage:
0,00
Monatsentgelt insgesamt:
954,75.
3.3
Das Monatsentgelt wird jeweils nachträglich am Monatsende gezahlt. Die Zahlung erfolgt bargeldlos.“
- 4
-
Der Betrag von 954,75 Euro entsprach zum damaligen Zeitpunkt 25/37,5 des Tarifgehalts nach der Gehaltsgruppe 2a, 1. und 2. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel.
-
Die Vergütungsregelung in der Fassung der von der Beklagten vorformulierten Vertragsänderung vom 16. Juli 2004 (fortan: Vertragsänderung) lautet:
-
„3.2
Für seine Tätigkeit erhält der Mitarbeiter ein monatliches Bruttogehalt von
Tarifentgelt:
€ 1.458,00
Übertarifliche Zulage:
€ 0,00
Monatsentgelt insgesamt:
€ 1.458,00“
- 6
-
Der Betrag von 1.458,00 Euro entsprach dem seinerzeitigen Entgelt nach der Gehaltsgruppe 2a, 1. und 2. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel.
- 7
-
Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger zuletzt für den Zeitraum Oktober 2008 bis März 2009 die Differenz zwischen der von der Beklagten gezahlten Vergütung und dem nach dem Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel vom 12. September 2008 in Gehaltsgruppe 2a nach dem 5. Berufsjahr vorgesehenen Betrag von 2.066,00 Euro brutto verlangt und die Auffassung vertreten, die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede enthalte eine dynamische Bezugnahme auf den einschlägigen Gehaltstarifvertrag.
-
Der Kläger hat beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.648,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.
- 9
-
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Vergütungsabrede der Parteien sei nicht dynamisch ausgestaltet.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage nach ergebnisloser Durchführung eines Mediationsverfahrens iHv. 2.952,00 Euro brutto nebst Zinsen stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Zahlungsantrag weiter, die Beklagte begehrt die vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
- 11
-
Die Revision der Beklagten ist unbegründet, die des Klägers im Wesentlichen begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung mit dem nach der Gehaltsgruppe 2a nach dem 5. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel vom 12. September 2008 (im Folgenden: GTV) vorgesehenen Betrag. Das ergibt die Auslegung der Vergütungsabrede der Parteien.
- 12
-
I. Die für den Streitzeitraum maßgebende Vergütungsabrede in der Fassung der Vertragsänderung ist nicht eindeutig. Die Verknüpfung eines festen Euro-Betrags mit dem Begriff „Tarifentgelt“ lässt mehrere Deutungen zu. Es könnte damit ein fester und statischer Euro-Betrag vereinbart sein. Der Bezeichnung „Tarifentgelt“ käme nur die Funktion eines Hinweises darauf zu, wie der in der Vereinbarung festgehaltene Euro-Betrag gefunden wurde. Die Verknüpfung von festem Euro-Betrag mit der Bezeichnung „Tarifentgelt“ kann aber - ohne dass es auf die von der Beklagten vermisste Bezugnahme auf einen Tarifvertrag in dessen Gänze und jeweiligen Fassung ankäme - auch bedeuten, es solle zwar ein bestimmter Euro-Betrag vereinbart, dieser aber dynamisch gestaltet sein. Dabei sind verschiedene Arten der Dynamisierung denkbar, etwa eine Erhöhung des in der Vergütungsabrede festgehaltenen Euro-Betrags entsprechend den einschlägigen jeweiligen Tariferhöhungen oder die Vereinbarung einer Vergütung nach einer bestimmten tariflichen Vergütungsgruppe und damit eine Dynamik innerhalb und außerhalb der Vergütungsgruppe.
- 13
-
II. Die Auslegung der Vergütungsabrede ergibt, dass in Ziff. 3.2 Arbeitsvertrag in der Fassung der Vertragsänderung eine Vergütung nach der Gehaltsgruppe 2a des jeweils geltenden Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel vereinbart ist.
- 14
-
1. Die Vergütungsabrede ist wie eine Allgemeine Geschäftsbedingung anhand von § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen. Die Beklagte hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sowohl den Arbeitsvertrag als auch die Vertragsänderung vorformuliert, dem Kläger in dieser Form angeboten und damit im Rechtssinne gestellt. Ob es sich dabei um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen handelte (§ 305 Abs. 1 BGB), bedarf keiner weiteren Aufklärung, denn der Arbeitsvertrag ist ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB(vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 20 ff., AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10; 27. Juni 2012 - 5 AZR 530/11 - Rn. 14, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 14). Auf die vorformulierte Vergütungsregelung konnte der Kläger keinen Einfluss nehmen.
- 15
-
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei unterliegt die Auslegung der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (st. Rspr., vgl. BAG 14. Dezember 2011 - 5 AZR 457/10 - Rn. 14 mwN, EzA TzBfG § 4 Nr. 22; 17. Oktober 2012 - 5 AZR 697/11 - Rn. 15).
- 16
-
2. Danach beschränkt sich die Vergütungsabrede nicht auf die Vereinbarung eines festen und statischen Euro-Betrags, sondern enthält zumindest eine Dynamik entsprechend den Tariferhöhungen für den Hamburger Einzelhandel.
- 17
-
a) Nach dem Wortlaut der Klausel erhält der Mitarbeiter nicht nur einen festen Euro-Betrag, vielmehr soll dieser ein „Tarifentgelt“ sein. Damit sendet die Beklagte entgegen ihrer Auffassung nicht nur ein Signal, sie zahle ein „seinerzeit marktübliches“ Gehalt. Vielmehr verdeutlicht die Beklagte als Klauselverwenderin - zumal sie in der Klausel zwischen Tarifentgelt und übertariflicher Zulage differenziert -, sie vergüte „nach Tarif“. Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf eine derartige Verknüpfung von festem Euro-Betrag und dessen Bezeichnung als Tarifentgelt redlicherweise so verstehen, dass der in der Klausel festgehaltene Euro-Betrag nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern sich entsprechend den Tariferhöhungen entwickeln soll. Ein redlicher Arbeitgeber würde - wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte - die Bezeichnung als Tarifentgelt unterlassen, um klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), dass er nicht „nach Tarif“ zahlt und sich das vereinbarte Gehalt nur durch Parteivereinbarung erhöhen wird.
- 18
-
Die in der ursprünglichen Fassung des Arbeitsvertrags enthaltene Formulierung „in Anlehnung an den Tarifvertrag“ enthält keine Einschränkung, sondern verdeutlicht nur zusätzlich, dass die Beklagte als nicht tarifgebundene Arbeitgeberin auf ein intern von ihr praktiziertes System verweist (vgl. BAG 17. November 2011 - 5 AZR 409/10 - Rn. 16 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 96).
- 19
-
b) Auch wenn die Klausel nicht angibt, welches Tarifentgelt der Arbeitnehmer erhalten soll, darf dieser redlicherweise annehmen, es solle das Tarifentgelt des für den Betrieb des Arbeitgebers räumlich und fachlich sowie für den Arbeitnehmer persönlich einschlägigen Tarifvertrags vereinbart sein, und zwar nach der Entgeltgruppe, der der in der Klausel festgehaltene Euro-Betrag zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspricht. Das war unstreitig das Tarifentgelt nach der Gehaltsgruppe 2a, 1. und 2. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel in der damals geltenden Fassung vom 17. Juli 2003.
- 20
-
3. Mit der Vergütungsabrede der Parteien wird auch die „Dynamik“ innerhalb der nach verschiedenen Stufen aufgebauten Gehaltsgruppe 2a nachvollzogen.
- 21
-
a) Dagegen spricht zwar, dass die Vergütungsabrede der Parteien - anders etwa als die der Entscheidung des Senats vom 9. November 2005 (- 5 AZR 128/05 - Rn. 2, BAGE 116, 185) zugrunde liegende Klausel - weder eine bestimmte Gehaltsgruppe, noch eine bestimmte Stufe innerhalb einer Gehaltsgruppe nennt. Der Kläger hat auch keinen Sachvortrag zu einer seine Auslegung stützenden Vergütungspraxis der Beklagten gehalten. Ersichtlich hat diese jedenfalls bei ihm die Stufung innerhalb der Gehaltsgruppe 2a GTV nicht nachvollzogen. Überdies ist weder vorgetragen noch festgestellt, die „Einstufung“ sei zutreffend gewesen, weil der Kläger sich bei der Einstellung trotz eines Alters von fast 24 Jahren im 1. oder 2. Berufsjahr befunden hätte.
- 22
-
b) Für die Vereinbarung einer Dynamik auch innerhalb einer bestimmten Vergütungsgruppe spricht aber, dass die Beklagte mit ihrer Klausel nicht auf irgendein Tarifentgelt, sondern zumindest auf die nach ihren fachlichen Anforderungen (Angestellte mit einfacher Tätigkeit, Beispiel Verkäufer/innen, auch wenn sie kassieren) zutreffende Gehaltsgruppe zurückgegriffen und mit der Klauselformulierung insgesamt den Eindruck erweckt hat, „nach Tarif“ zahlen zu wollen.
- 23
-
c) Beide Auslegungsmöglichkeiten sind rechtlich vertretbar, keine verdient den eindeutigen Vorzug. Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB führt deshalb zu einer Auslegung zu Lasten der Beklagten(vgl. BAG 9. November 2005 - 5 AZR 128/05 - Rn. 22 mwN, BAGE 116, 185; 19. März 2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 29, BAGE 126, 198).
- 24
-
III. Die Höhe der monatlichen Vergütungsdifferenz hat der Kläger zutreffend berechnet, allerdings bei der Klageforderung seine ab dem 16. Februar 2009 über den Streitzeitraum hinaus andauernde Arbeitsunfähigkeit außer Betracht gelassen.
- 25
-
1. Das Monatsgehalt nach Gehaltsgruppe 2a nach dem 5. Berufsjahr GTV betrug im Streitzeitraum 2.066,00 Euro brutto. Zu den von der Beklagten gezahlten 1.458,00 Euro brutto verbleibt eine Differenz von 608,00 Euro brutto monatlich. In dieser Höhe hat die Beklagte den Vergütungsanspruch des Klägers aus § 611 Abs. 1 BGB bzw. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EFZG nicht erfüllt.
- 26
-
2. Jedoch kann der Kläger für den Monat März 2009 nicht die volle Differenz verlangen. Er war unstreitig seit dem 16. Februar 2009 arbeitsunfähig krank und bezog seit dem 30. März 2009 keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle mehr. Der Kläger hat deshalb für den Monat März 2009 nur 29/30 der Vergütungsdifferenz, mithin 587,73 Euro brutto zu beanspruchen (zur Berechnungsmethode siehe BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 22 ff., EzA BGB 2002 § 615 Nr. 37). In Höhe der Differenz von 20,27 Euro brutto ist die Klage unbegründet.
- 27
-
IV. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 in Verb. mit § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Das Monatsentgelt wurde nach Ziff. 3.3 Arbeitsvertrag in Übereinstimmung mit § 64 HGB am letzten Tag eines jeden Monats fällig.
-
V. Die Beklagte hat gemäß § 92 Abs. 2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
-
Müller-Glöge
Laux
Biebl
Buschmann
Jungbluth
Tenor
-
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 5. März 2009 - 17 Sa 1093/08 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben.
-
2. Der Tenor des Urteils des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 5. März 2009 - 17 Sa 1093/08 - wird aus Gründen der Klarstellung wie folgt neu gefasst:
-
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 592,96 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Dezember 2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 16. Mai 2008 - 1 Ca 2741/07 - zurückgewiesen.
-
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über Einmalzahlungen.
- 2
-
Der Kläger ist bei der nicht tarifgebundenen Beklagten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, beschäftigt.
-
Der von der Beklagten vorformulierte Arbeitsvertrag regelt ua.:
-
„§ 2
Herr D erhält eine monatliche Vergütung in Anlehnung an die Vergütungsgruppe IVb des Bundesangestelltentarifvertrages für den Bereich des Bundes/Tarifgemeinschaft der Länder (BAT) auf der Basis der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 15 BAT.
Die Dauer des Erholungsurlaubs bemißt sich ebenfalls in Anlehnung an § 48 BAT mit der Maßgabe, daß der Urlaub in den schulungsfreien Zeiten des Jahres geschlossen zu nehmen ist.
Im übrigen findet der BAT auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.
…
§ 4
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 38,5 Stunden.“
- 4
-
Die Beklagte erhöhte die Vergütung des Klägers stets entsprechend der im Bereich des BAT Bund/Länder geltenden tarifrechtlichen Regelungen. Am 7. Juli 2005 teilte sie ihren Beschäftigten zum Tarifabschluss im öffentlichen Dienst mit, dass die Gehälter nach dem bisherigen BAT weitergezahlt würden.
- 5
-
Am 1. November 2006 trat der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) in Kraft. § 2 des Tarifvertrags über Einmalzahlungen für die Jahre 2006 und 2007 vom 8. Juni 2006 (TV EZ-L) sah für Beschäftigte aus dem Geltungsbereich des BAT bzw. ab dem 1. November 2006 des TV-L drei Einmalzahlungen vor. Danach erhielten Beschäftigte in der VergGr. IVb der Anlage 1a zum BAT mit den Bezügen für Juli 2006 100,00 Euro, Beschäftigte in den Entgeltgruppen 9 bis 12 für Januar 2007 210,00 Euro und für September 2007 weitere 300,00 Euro.
- 6
-
Mit der Klage hat der Kläger die Leistungen aus dem TV EZ-L für die Jahre 2006 und 2007 geltend gemacht. Der Arbeitsvertrag enthalte eine dynamische Verweisung auf die Tarifverträge der Länder.
-
Der Kläger hat beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 610,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 8
-
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Arbeitsvertrag verweise allein auf den BAT, der fortgelte. Der TV EZ-L gelte nicht wegen ergänzender Vertragsauslegung, denn der Arbeitsvertrag lasse nicht erkennen, ob die Tarifverträge des Bundes oder der Länder Anwendung fänden.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Zurückweisung der Berufung.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die Revision der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet.
- 11
-
I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die geltend gemachten Einmalzahlungen für die Jahre 2006 und 2007 nach dem TV EZ-L bejaht. Das ergibt eine ergänzende Auslegung von § 2 des Arbeitsvertrags. Der Anspruch besteht allerdings nicht in der geltend gemachten Höhe. Außerdem hat der Kläger Anspruch auf Prozesszinsen erst ab dem 4. Dezember 2007.
- 12
-
1. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags erfolgt die Vergütung „in Anlehnung an die Vergütungsgruppe IVb des Bundesangestelltentarifvertrages für den Bereich des Bundes/Tarifgemeinschaft der Länder(BAT) auf der Basis der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 15 BAT“. Diese Vereinbarung enthält nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des Berufungsgerichts eine kleine dynamische Bezugnahme.
- 13
-
2. In § 2 des Arbeitsvertrags knüpfen die Parteien die Vergütung pauschal und ohne Nennung fester Beträge an die für den öffentlichen Dienst des Bundes und der Länder im Angestelltenbereich tariflich vereinbarten Regelungen an und gestalten sie dynamisch. Das ergibt sich deutlich aus dem Wortlaut der Vereinbarung. Damit haben die Parteien einen einzelvertraglichen Entgeltanspruch nach dieser Vergütungsgruppe begründet. Die Formulierung „in Anlehnung an“ stellt keine Einschränkung dar, sondern ist als Hinweis der Beklagten auf ein von ihr praktiziertes Vergütungssystem zu verstehen. Danach hat der Angestellte Anspruch auf Vergütung nach der vertraglich vereinbarten Vergütungsgruppe, und zwar dynamisch. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Bezugnahmen im Arbeitsvertrag auf anderweite normative Regelungen in der Regel dynamisch zu verstehen sind (BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 14, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44; 10. November 2010 - 5 AZR 633/09 - Rn. 13, ZTR 2011,150). Die Parteien haben den Begriff der Vergütung im Übrigen nicht selbst definiert oder näher konkretisiert. Damit sind alle finanziellen Leistungen des Arbeitgebers erfasst, die das in Bezug genommene tarifliche Regelungswerk als Gegenleistung für die vom Angestellten erbrachte Arbeitsleistung vorsieht (BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 41, aaO; 10. November 2010 - 5 AZR 633/09 - Rn. 14, aaO).
- 14
-
3. Allerdings trägt der Wortlaut der Bezugnahmeklausel keine Erstreckung auf den TV-L und TV EZ-L. Beide Tarifverträge werden nicht von der vertraglichen Verweisung auf den BAT erfasst, denn § 2 des Arbeitsvertrags ist zeit- und nicht inhaltsdynamisch ausgestaltet(vgl. BAG 10. Juni 2009 - 4 AZR 194/08 - Rn. 38, AP BGB § 157 Nr. 38).
- 15
-
4. Dass sich die Vergütung des Klägers nach den Nachfolgetarifverträgen des BAT richtet, ergibt eine ergänzende Auslegung des Arbeitsvertrags.
- 16
-
a) Es ist nachträglich eine Regelungslücke entstanden. Der BAT in der für den Bund und die Länder geltenden Fassung wurde für den Bereich des Bundes zum 1. Oktober 2005 durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (TVöD) ersetzt (§ 2 Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts vom 13. September 2005 [TVÜ-Bund]), für den Bereich der Länder zum 1. November 2006 durch den TV-L (§ 2 TVÜ-Länder). Bei der im öffentlichen Dienst erfolgten Ablösung des BAT durch den TVöD und den TV-L handelt es sich um eine Tarifsukzession: Gewerkschaft und Arbeitgeberseite ersetzten übereinstimmend ein Tarifwerk durch ein anderes Tarifwerk. Dadurch ist die zeitdynamisch ausgestaltete Bezugnahme auf den BAT im Arbeitsvertrag zur statischen geworden, weil das Objekt der Bezugnahme von den Tarifvertragsparteien nicht mehr weiterentwickelt wird (BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 19, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44; 10. November 2010 - 5 AZR 633/09 - Rn. 17, ZTR 2011, 150).
- 17
-
b) Die mit der Tarifsukzession entstandene nachträgliche Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen.
- 18
-
aa) Die Vertragsergänzung muss für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Es ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unvollständigkeit ihrer Regelung bekannt gewesen wäre (BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 22, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44; 10. November 2010 - 5 AZR 633/09 - Rn. 19, ZTR 2011, 150).
- 19
-
bb) Aus der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme auf das tarifliche Regelungswerk ergibt sich zum einen der Wille der Parteien, die Vergütung nicht in einer bestimmten Höhe bis zu einer Vertragsänderung festzuschreiben, sondern sie - dynamisch - an der jeweiligen Höhe der Vergütung der Angestellten im öffentlichen Dienst auszurichten. Deshalb hätten die Parteien redlicherweise für den Fall einer Tarifsukzession das dem im Arbeitsvertrag benannten tariflichen Regelungswerk nachfolgende tarifliche Regelungswerk vereinbart, weil ein „Einfrieren“ der Vergütung auf den Zeitpunkt der Tarifsukzession nicht ihren Interessen entsprach (vgl. BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 23, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44; 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 32, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 10. November 2010 - 5 AZR 633/09 - Rn. 20, ZTR 2011, 150).
- 20
-
cc) Zum anderen haben sich die Parteien mit der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme auf das tarifliche Regelungswerk für die Zukunft der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes anvertraut. Die mit der Tarifsukzession verbundene Änderung der Tarifwerke wirkt nicht anders auf den Arbeitsvertrag ein als eine (tiefgreifende) inhaltliche Änderung des im Arbeitsvertrag benannten Tarifvertrags. Mit dem Nachvollziehen der Tarifsukzession auf arbeitsvertraglicher Ebene werden die Parteien nicht anders gestellt, als sie stünden, wenn die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes den BAT reformiert und ihm einen neuen Inhalt gegeben hätten. Dabei ist es entgegen der Auffassung der Beklagten unerheblich, ob der BAT insgesamt arbeitsvertraglich in Bezug genommen worden ist oder ob sich die Inbezugnahme auf die Vergütung beschränkt. Einer ergänzenden Auslegung der Vergütungsvereinbarung steht auch nicht entgegen, dass die Parteien in § 2 des Arbeitsvertrags die Vergütung „auf der Basis der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 15 BAT“ bestimmten und zugleich in § 4 des Vertrags einzelvertraglich eine Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden festgelegt haben. Der einzelvertraglich festgelegte Umfang der Arbeitszeit in Abweichung zu der tariflichen Arbeitszeit ist ein Teil des Regelungsplans der Parteien, der nur bei der Höhe des Anspruchs zu berücksichtigen ist.
- 21
-
c) Wegen der Aufspaltung der bis zum 30. September 2005 gleichlautenden Regelungen für die Angestellten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Ländern ist durch ergänzende Vertragsauslegung weiter zu bestimmen, welche Nachfolgeregelung für die Vergütung des Klägers nach § 2 des Arbeitsvertrags maßgebend sein soll. Es ist zu fragen, welches der dem BAT nachfolgenden Tarifwerke die Parteien in Bezug genommen hätten, wenn sie eine Tarifsukzession bedacht hätten.
- 22
-
aa) Auszugehen ist dabei von der Bezugnahmeklausel. Lässt sich aus dieser nicht zweifelsfrei feststellen, welches der dem BAT nachfolgenden Tarifwerke nunmehr Anwendung finden soll, ist dieses nach Sinn und Zweck einer Vereinbarung unternehmensfremder tariflicher Regelungen zu ermitteln. Der Zweck dynamischer Inbezugnahmen von Vergütungsregelungen des öffentlichen Dienstes ist es zunächst, eine am öffentlichen Dienst orientierte Vergütungsstruktur zu schaffen, um eine Gleichstellung der Angestellten des Arbeitgebers mit Angestellten des öffentlichen Dienstes zu erreichen. Zugleich weist eine solche Klausel auf ein Interesse des Arbeitgebers hin, aus Wettbewerbs- und Arbeitsmarktgründen dasjenige Vergütungssystem zur Geltung zu bringen, das typischerweise gelten würde, wenn die ausgeübten Tätigkeiten innerhalb des öffentlichen Dienstes erbracht würden (BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 26, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44; 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 39, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 25. August 2010 - 4 AZR 14/09 - Rn. 30, ZTR 2011, 152).
- 23
-
bb) Die ergänzende Auslegung des Landesarbeitsgerichts, wonach der TV EZ-L auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
- 24
-
Nach § 87 Handwerksordnung hat die Kreishandwerkerschaft die Aufgabe, die Gesamtinteressen des selbständigen Handwerks sowie die gemeinsamen Interessen der Handwerksinnungen ihres Bezirks wahrzunehmen. Diese Aufgaben schließen es zunächst aus, den TVöD als Regelung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer des Bundes heranzuziehen. Im Übrigen haben sich die Vertragsparteien mit der Verweisungsklausel, wonach der Kläger eine Vergütung in Anlehnung an die VergGr. IVb BAT für den Bereich des Bundes/Tarifgemeinschaft der Länder bezieht, ausdrücklich nicht an kommunalen, sondern an den für die Länder geltenden Tarifregelungen des öffentlichen Dienstes orientiert (vgl. auch BAG 16. Juni 2010 - 4 AZR 924/08 - Rn. 27, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 79).
- 25
-
5. Der Anspruch auf die geltend gemachten Einmalzahlungen ergibt sich aus § 2 des Arbeitsvertrags iVm. § 2 Abs. 1 Buchst. a TV EZ-L.
- 26
-
a) Die Einmalzahlungen sind Vergütung iSd. des Arbeitsvertrags. Die zeitdynamische Verweisung umfasst auch tarifliche „Einmalzahlungen“, die an die Stelle einer (prozentualen) Erhöhung der im Arbeitsvertrag genannten Vergütungsbestandteile treten. Bei den Einmalzahlungen handelt es sich um pauschalierte Vergütungserhöhungen, die die in den Jahren 2006 und 2007 ausgebliebene Erhöhung der Vergütungs- bzw. Entgelttabellen kompensieren sollten und die keine von einem unmittelbaren Gegenleistungsbezug unabhängige Sonderzahlung sind (BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 32, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44).
- 27
-
b) Dem Kläger steht die im Juli 2006 fällig gewordene Einmalzahlung iHv. 100,00 Euro in voller Höhe zu. Der TV EZ-L ist, soweit er in § 2 Abs. 1 Buchst. a eine im Juli 2006 fällige Einmalzahlung vorsieht, ein Vergütungstarifvertrag zum BAT und von der Bezugnahmeklausel erfasst, ohne dass es einer ergänzenden Vertragsauslegung bedarf. § 2 Abs. 1 Buchst. a TV EZ-L bezieht sich auf die Vergütung, die hinsichtlich der dort genannten ersten Einmalzahlung noch auf der Grundlage des BAT und auf der Basis der nach dem BAT geltenden Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden zu zahlen war (vgl. BAG 10. Juni 2009 - 4 AZR 194/08 - Rn. 57 ff., AP BGB § 157 Nr. 38).
- 28
-
c) Der Kläger hat Anspruch auf die weiteren Einmalzahlungen für 2006 und 2007, allerdings nicht in der geltend gemachten Höhe. Die Teilbeträge von 210,00 Euro für 2006 und 300,00 Euro für 2007 sind im Verhältnis des Umfangs der einzelvertraglich festgelegten Wochenarbeitszeit des Klägers von 38,5 Stunden zu der regelmäßigen Arbeitszeit nach dem TV-L zu kürzen.
- 29
-
Die VergGr. IVb BAT, nach der der Kläger vergütet wurde, entspricht der Entgeltgruppe 9 des TV-L (vgl. TVÜ-Länder Anlage 2). Nach dem TV EZ-L bestand am 31. Januar 2007 für Arbeitnehmer der Entgeltgruppe 9 mit der tariflichen Vollarbeitszeit ein Anspruch auf Zahlung von 210,00 Euro und am 30. September 2007 ein Anspruch auf Zahlung von weiteren 300,00 Euro. Der Kläger kann die Einmalzahlung nicht in voller Höhe verlangen, denn er leistete nicht die im Bereich des TV-L für das Land Nordrhein-Westfalen geschuldete tarifliche Arbeitszeit von 39 Stunden 50 Minuten (§ 6 Abs. 1a TV-L). Angesichts der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden hat der Kläger deshalb nur Anspruch auf 96,66 % von 510,00 Euro, somit auf 492,96 Euro brutto.
- 30
-
6. Die Ansprüche des Klägers sind nicht verfallen. Aufgrund der vertraglich eingeschränkten Bezugnahme sind tarifliche Ausschlussfristen nicht anwendbar. Die vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist hält einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand. Sie entfällt ersatzlos (vgl. BAG 28. November 2007 - 5 AZR 992/06 - Rn. 25, AP BGB § 307 Nr. 33 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 30).
- 31
-
II. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Prozesszinsen ist gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB begründet, allerdings erst ab dem 4. Dezember 2007 (vgl. BAG 19. Dezember 2007 - 5 AZR 1008/06 - Rn. 35, EzA BGB 2002 § 306 Nr. 3).
-
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO(vgl. BAG 23. September 2010 - 6 AZR 174/09 - Rn. 26 ).
-
Müller-Glöge
Laux
Biebl
Heyn
Mandrossa
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 04.05.2011 – 6 Ca 2937/10 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die außerordentliche, fristlose Änderungskündigung der Beklagten vom 21.10.2010, zugegangen am 12.11.2010, unwirksam ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens trägt jede Partei zu 50 %.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen Änderungskündigung.
3Der am 1959 geborene Kläger ist seit dem 17.01.1994 an der griechischen Grundschule der Beklagten in C als Studienrat mit einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 4.164 € tätig. Das Grundgehalt aus der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 TV-L betrug im Januar und Februar 2010 3.590,17 €. Zum 01.03.2010 wurde es auf 3.635,45 € erhöht.
4Der Kläger absolvierte in Deutschland ein Magisterstudium in Germanistik, das von der Beklagten anerkannt wurde. Er unterrichtet das Fach Deutsch.
5Bei seiner Einstellung war er griechischer Staatsbürger. Inzwischen verfügt er über eine doppelte Staatsbürgerschaft.
6Sein Gehalt wird in Griechenland besteuert. Er unterliegt dem deutschen Sozialversicherungssystem.
7Die Beklagte betreibt in C neben der Grundschule noch ein Lyzeum. Insgesamt beschäftigt sie an diesem Standort drei Lehrer und Lehrerinnen im Angestelltenverhältnis und mehr als zwölf Beamte.
8In Deutschland bestehen weitere griechische Schulen.
9Dem Arbeitsverhältnis liegen Arbeitsverträge vom 01.03.1994 (Bl. 3, 4 d.A.), vom 20.09.1994 (Bl. 5, 6 d.A.), vom 01.09.2001 (Bl. 7 bis 9 d.A.) und vom 02.01.2008 (Bl. 10 d.A.) zugrunde. In dem Änderungsvertrag vom 02.01.2008 heißt es unter Nr. 2 wie folgt:
10Die Regelung des Arbeitsverhältnisses erfolgt nach dem deutschen Bundestarifvertrag der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte und des deutschen öffentlichen Dienstes vom 07.05.1992 mit rückwirkender Gültigkeit zum 01.01.1992.
11Gemäß den obigen Ausführungen, den Änderungen der Beiträge des deutschen Versicherungsträgers und der Anpassung des BAT am TV-L, gestaltet sich sein Gehalt wie folgt:
12Wegen der Einzelheiten der Gehaltsdarstellung für den Zeitraum ab Januar 2008 wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegte Kopie des Vertrages (Bl. 10 d.A.) verwiesen.
13Die Arbeitsverträge waren in griechischer und deutscher Sprache abgefasst. Die Gehaltsabrechnungen wurden dem Kläger in griechischer Sprache erteilt.
14Erhöhte sich das Gehalt nach den Vergütungsverträgen zum BAT bzw. den Tabellen zum TV-L, erhielt auch der Kläger einer Gehaltserhöhung, zuletzt zum 01.03.2010.
15Unter Nr. 2 C des Änderungsvertrages vom 01.09.2001 wies die Beklagte das Weihnachtsgeld 2001 unter Zugrundelegung der Vergütungsgruppe IV a BAT, des Alters des Klägers von 41 Jahren und einer Kinderzahl von drei Kindern aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegte Kopie des Vertrages (Bl. 8 d.A.) verwiesen.
16Mit Wirkung zum 01.01.2010 trat Artikel 1 des griechischen Gesetzes 3833/2010 – Schutz der nationalen Wirtschaft – dringende Maßnahmen zur Überwindung der Finanzkrise – in Kraft. Der Auftrag zur Veröffentlichung des Gesetzes und zu dessen Ausführung als Gesetz datiert vom 11.03.2010. Dem Gericht wurde eine von dem Beklagtenvertreter gefertigte Übersetzung in die deutsche Sprache vorgelegt. Der Beklagtenvertreter ist durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Köln ermächtigter und beeidigter Dolmetscher für die griechische Sprache. Die Richtigkeit seiner Übersetzung ist zwischen den Parteien unstreitig. Artikel 1 § 4 des Gesetzes 3833/2010 lautet wie folgt:
174. Bedienstete mit privatrechtlichen Arbeitsverhältnis gem. Paragraph 2, für die die Bestimmungen von Gesetz 3205/2003 nicht gelten, werden von der Absenkung des Paragraphen 2 jene Zulagen ausgenommen, die mit dem Familienstand oder der dienstlichen Entwicklung zusammenhängen, ebenso die mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Berufen oder einem Zusatzstudium verbundenen Zulagen. Wenn den o.g. Bediensteten keine Zulagen, Vergütungen oder Honorare im Sinne des ersten Absatzes von Paragraph 2 dieses Artikels gezahlt werden, dann werden die Bezüge aller Art um sieben Prozent (7 %) herabgesetzt.
18Artikel 3 des Gesetzes betrifft die Einkommenspolitik des Jahres 2010. Nach Artikel 3 § 1 sind ab Inkrafttreten des Artikels bis zum 31.12.2010 Abschluss und Gewährung von Erhöhungen auf die Gehälter und Bezüge unter anderem der Angestellten im öffentlichen Dienst im Allgemeinen nicht gestattet.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesetzes wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 14.11.2013 vorgelegte Kopie (Bl. 170 – 181 der Akte) Bezug genommen.
20Mit Wirkung zum 01.06.2010 trat Artikel 3 des Gesetzes 3845/2010 in Kraft, das am 06.05.2010 mit Auftrag zur Veröffentlichung und Ausführung unterzeichnet wurde.
21Artikel 3 § 3 des Gesetzes lautet wie folgt:
223. Bei Bediensteten mit Arbeitsverträgen des Privatrechts gem. Par. 2 Art. 1 Ges. 3833/2010, die den Bestimmungen von Gesetz 3205/2010 nicht unterliegen, sind von der Kürzung des Paragraphen 1a die Zulagen ausgenommen, die vom Familienstand oder der dienstlichen Entwicklung zusammenhängen, ebenso die mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Berufen oder einem Zusatzstudium verbundenen Zulagen. Wenn den o.g. Bediensteten keine Zulagen, Vergütungen oder Honorare im Sinne von Paragraph 1 gezahlt werden, dann werden die Bezüge aller Art um drei Prozent (3 %) herabgesetzt.
23Artikel 3 § 6 enthält folgende Regelung:
246. Die Weihnachts-, Oster- und Urlaubszulagen, welche von jeglichen Allgemein- oder Sonderbestimmung und Tarifklauseln, Arbeitsverträgen, Schiedssprüchen, und Einzelverträgen oder Schiedssprüchen für die Bediensteten im Anwendungsbereich der Paragraphen 1 bis 4 einschließlich, ebenso für die Bediensteten im Anwendungsbereich des Paragraphen 5 werden wie folgt festgelegt:
25a) Die Weihnachtszulage auf fünfhundert (500) Euro.
26b) Die Osterzulage auf zweihundertfünfzig (250) Euro.
27c) Die Urlaubszulage auf zweihundertfünfzig (250) Euro.
28Die oben erwähnten Zulagen werden entrichtet, wenn alle ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen, einschließlich der Zulagen des vorangegangenen Absatzes, innerhalb eines Kalenderjahres den Betrag von insgesamt dreitausend (3.000) Euro pro Monat nicht übersteigt.
29Wenn mit der Entrichtung der Zulagen des ersten Absatzes dieses Paragraphen die ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen aller Art diesen Betrag übersteigen, denn werden sie bei entsprechender Kürzung bis zur Grenze der dreitausend (3.000) Euro pro Monat entrichtet.
30Aus Artikel 3 § 8 ergibt sich, dass die Bestimmungen der vorangegangenen Paragraphen alle Allgemein- oder Sonderbestimmungen und Tarifklauseln, Arbeitsverträge, Schiedssprüche und Einzelverträge überwiegen.
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesetzes und seiner Anhänge wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 25.11.2013 überreichte Übersetzung ihres Prozessbevollmächtigten (Bl. 191 – 198 der Akte) verwiesen. Der Kläger bestreitet die Richtigkeit der Übersetzung nicht.
32Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 24.03.2014 Übersetzungen der Gesetzes 3899/2010 vom 17.12.2010 (Bl. 275 d.A.) und 4024/2011 vom 27.10.2011 (Bl. 276 d. A.) vorgelegt.
33Mit Schreiben vom 15.06.2010 erklärte ihm die Beklagte, sie werde in den folgenden Monaten die unter Zugrundelegung der Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 in den Monaten Januar bis Mai 2010 geleisteten Entgeltüberzahlungen einbehalten.
34Tatsächlich ergaben sich für die Monate ab Juni 2010 Entgeltdifferenzen, die der Kläger in dem vor dem Landesarbeitsgericht Hamm unter dem Aktenzeichen 17 Sa 999/13 geführten Rechtsstreit geltend macht. Die Beklagte leistete für 2010 keine Jahressonderzahlung.
35Mit Schreiben vom 21.10.2010, das dem Kläger am 12.11.2010 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos und bot dem Kläger die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen an. In dem Kündigungsschreiben heißt es wie folgt:
36… Im Hinblick auf die Bewältigung der Wirtschaftskrise und die Anwendung des Unterstützungsmechanismus der griechischen Wirtschaft durch die Mitgliedsstaaten der Eurozone sowie durch den Internationalen Währungsfonds hat der griechische Staat Gehaltskürzungen veranlasst bei allen Beschäftigten/Gehaltsempfängern des griechischen Staates (Gesetze 3833/2010 und 3845/2010). Bei Verträgen der Art wie Ihrem wurde eine Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 7 % und 3 % beschlossen, d.h. 310,64 € monatlich sowie die Einstellung der Jahressonderzahlung, die an Stelle des Weihnachts- und Urlaubsgeldes gezahlt wurde. Der Einbehalt der Kürzung Ihrer Bezüge um 7 % erfolgte ab dem 01.01.2010 und um 3 % am dem 01.06.2010.
37Aufgrund des oben Gesagten kündigen wir hiermit den mit Ihnen bestehenden Arbeitsvertrag aus wichtigem Grund, unmittelbar und ohne Wahrung der Kündigungsfrist. Gleichzeitig bieten wir Ihnen den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit den folgenden Bedingungen an:
38- 39
1. Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 310,63 € monatlich.
- 2.40
Einstellung der Jahressonderzahlung.
Ergänzend teilen wir Ihnen mit, dass zukünftig die Gehaltserhöhungen nicht automatisch gemäß dem deutschen Tarifvertrag (TV-L) geleistet werden, sondern nach Beschluss Ihres Arbeitgebers, d. h. gemäß der Einkommenspolitik des griechischen Staates.
42Die übrigen Bedingungen des bestehenden Vertrages bleiben unverändert.
43Der Kläger nahm das Änderungsangebot mit Schreiben vom 16.11.2010 (Bl. 12 der Akte) unter Vorbehalt an.
44Mit seiner am 29.11.2010 bei dem Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Klage wendet er sich gegen die Rechtswirksamkeit der Kündigung.
45Er hat ausgeführt:
46Auf das Arbeitsverhältnis finde deutsches Arbeitsrecht Anwendung.
47Die Beklagte habe nicht allen Beschäftigten im öffentlichen Dienst das Gehalt gekürzt. Ihm seien Arbeitskollegen und –kolleginnen in anderen Städten bekannt, die noch keine Änderungskündigung erhalten hätten.
48Die Kündigungserklärung sei inhaltlich unklar, unschlüssig und nicht ausreichend bestimmt. Der angegebene Kürzungsbetrag von 310,63 € sei nicht nachvollziehbar.
49Die Kündigung sei auch unverhältnismäßig, da die Beklagte sich auf Geldmangel allein nicht berufen könne.
50Er hat beantragt
51festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 21.10.2010, ihm zugegangen am 12.11.2010, sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam ist.
52Die Beklagte hat beantragt,
53die Klage abzuweisen.
54Sie hat vorgetragen:
55Aufgrund ihrer miserablen wirtschaftlichen Lage habe sie gemäß den Vereinbarungen mit den Darlehn gewährenden Ländern durch Gesetze unter anderem die Herabsetzung aller Löhne um 7 % ab dem 01.01.2010 und um weitere 3 % ab dem 01.06.2010 sowie die Herabsetzung bzw. Abschaffung aller Gratifikationen beschlossen. Die Gesetze beträffen alle im öffentlichen Dienst Beschäftigten gleichermaßen, unabhängig von ihrem Status als Beamte oder Angestellte. Sie habe ihre Beschäftigten im Ausland von den Regelungen nicht ausnehmen können.
56Die Änderung der Arbeitsbedingungen sei aufgrund der wirtschaftlichen Probleme unabweisbar und rechtfertige die außerordentliche Kündigung gegenüber einem ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmer wie dem Kläger, und zwar ohne Einhaltung einer sozialen Auslauffrist.
57Mit Urteil vom 04.05.2011 hat das Arbeitsgericht Bielefeld festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 21.10.2010 unwirksam ist. Es hat erkannt, dass die Kündigung unter Berücksichtigung der ordentlichen Unkündbarkeit des Klägers unverhältnismäßig sei und die Voraussetzungen des § 626 BGB nicht erfülle.
58Wegen des erstinstanzlichen Urteils im Einzelnen wird auf Bl. 38 – 50 der Akte Bezug genommen.
59Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 24.11.2011 – 17 Sa 1065/11 – das Urteil abgeändert und die Klage als unzulässig abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, der Klage stehe ein Verfahrenshindernis entgegen, da die deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben sei.
60Auf die zugelassene Revision des Klägers hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 25.04.2013 – 2 AZR 77/12 – das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24.11.2011 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision zurückverwiesen. Es hat die Zulässigkeit der Klage bejaht und ausgeführt, das Landesarbeitsgericht habe bei Prüfung der materiellen Rechtslage davon auszugehen, dass sich die Wirksamkeit der Änderungskündigung nach deutschem Recht richte, da die Parteien konkludent die Anwendung deutschen Rechts vereinbart hätten. Es habe weiter der Frage nachzugehen, welche Rechtsqualität die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 hätten und ob diese die Beklagte angesichts ihrer drohenden Insolvenz und der Auflagen der Geberländer völkerrechtlich berechtigten, unmittelbar korrigierend auch in Arbeitsverhältnisse einzugreifen, die außerhalb des Staatsgebietes vollzogen würden. Insoweit sei unter Umständen ein völker- und staatsrechtliches Gutachten einzuholen. Sollte danach die Änderungskündigung nicht „überflüssig“ sein, sei davon auszugehen, dass das Änderungsangebot ausreichend bestimmt sei. Das Landesarbeitsgericht habe gegebenenfalls zudem den Fragen nachzugehen, ob – unter Berücksichtigung einer dem ausländischen Parlament zuzugestehenden Einschätzungsprärogative – ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die Erklärung einer fristlosen Kündigung gegeben sei, ob die Beklagte eine Auslauffrist hätte einhalten müssen und ob sie die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt habe. Gegebenenfalls habe es bei Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eine Umdeutung in eine or-dentliche Kündigung und die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zu prüfen.
61Wegen der Einzelheiten des Urteils des Bundesarbeitsgerichts wird auf Blatt 154 – 159 der Akte Bezug genommen.
62Die Beklagte führt nunmehr aus:
63Die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 beanspruchten internationale Geltung. Sie seien nicht auf griechische Tarifverträge oder Verträge beschränkt. Sie unterhalte überall in der Welt Schulen, Kulturinstitute und Konsulate, an denen sie nicht nur Beamte sondern auch Ortskräfte beschäftige. Die mit den Ortskräften geschlossenen Verträge richteten sich nach verschiedenen Tarifverträgen bzw. unterschiedlichen Rechtsordnungen.
64Sie sei nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen.
65Die Parteien hätten auch nicht die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart. Nach Artikel 30 Abs. 2 EGBGB unterliege ein Arbeitsvertrag dann nicht den Regeln des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichte, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergebe, dass der Arbeitsvertrag eine engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweise. Das sei hier gegeben. Das Arbeitsverhältnis des Klägers weise eine enge Beziehung zu Griechenland auf. Seine Muttersprache sei Griechisch. Bei Einstellung habe er nur über die griechische Staatsbürgerschaft verfügt. Er habe griechische Eltern und ein griechisches Abitur abgelegt. Als Lehrer an der griechischen Schule in C unterrichte er ausschließlich griechische bzw. griechischstämmige Schüler. Ohne Vorliegen dieser persönlichen Voraussetzungen hätte sie ihn nicht eingestellt. Die griechische Schule werde aus griechischen Haushaltsmitteln finanziert. Sie erfülle mit der Einrichtung der Schulen ihren Bildungsauftrag gegenüber den in Deutschland lebenden griechischen und griechischstämmigen Kindern. Die Stellenausschreibung und die mit dem Kläger geschlossenen Arbeitsverträge seien in griechischer Sprache abgefasst worden. Zu berücksichtigen sei auch die Besteuerung in Griechenland. Die Art der Tätigkeit und der Wohnsitz des Klägers seien demgegenüber nachrangig.
66Die Anwendung der griechischen Gesetze sei auch nicht mit deutschen Rechtsgrundsätzen unvereinbar. Sie stellten Eingriffsnormen im Sinne der deutschen Rechtsordnung dar.
67Die dem Kläger mit Ausspruch der Kündigung angebotenen Vertragsänderungen hätten dauerhaften Charakter. Sie habe eine endgültige Regelung angestrebt, da nicht abzusehen sei, wann sie wieder finanziell in der Lage sein werde, ihre Angestellten wie vor der Krise zu vergüten. Deshalb habe sie insbesondere die Sonderzahlungen, das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld, endgültig neu regeln wollen. Sie habe insgesamt den Vertrag unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen ihren wirtschaftlichen Bedingungen anpassen wollen. Sie habe auch die automatische Vergütungsanpassung nach deutschen Tarifverträgen ausschließen wollen. Aus Artikel 3 § 5 des Gesetzes 3833/2010 ergebe sich eine Aufhebung der Verweisungsklausel auf deutsche Tarifverträge. Auch in Griechenland habe es Tarifverträge zwischen den öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern und den Arbeitnehmervertretungen gegeben. Diese seien im April 2010 ausgelaufen.
68Durch das Gesetz 4024/2011 sei die Vergütung von Lehrern neu festgesetzt worden.
69Zu berücksichtigen sei ferner, dass ihre Haushaltsgesetze Geschäftsgrundlage für den mit dem Kläger geschlossenen Arbeitsvertrag seien. Ende Februar/Anfang März 2010 sei sie finanziell nicht mehr in der Lage gewesen, die Löhne für ihre Bediensteten aufzubringen. Sie sei dringend auf fremde Hilfe angewiesen gewesen, um eine Insolvenz und den Austritt aus der Währungsunion zu verhindern. Die Gläubigerländer, zu denen auch die Bundesrepublik Deutschland gehöre, hätten Hilfeleistungen von Bedingungen abhängig gemacht, unter anderem von der Bedingung, die Gehälter der öffentlichen Bediensteten zu kürzen. Diese Vorgaben habe sie mit den vorgelegten Gesetzen umgesetzt. Sie habe kein anderes Mittel gehabt, die Ausgaben erheblich zu senken. Entsprechend sei auch der Arbeitsvertrag der neuen Geschäftsgrundlage anzupassen.
70Aufgrund der Dringlichkeit der Lohnsenkung habe sie keine fristgemäße Kündigung aussprechen können, zumal das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht ordentlich gekündigt werden könne.
71Das erstinstanzliche Gericht habe auch verkannt, dass sich der Kläger wegen seiner Gehaltsentwicklung nicht auf die Regelungen des TV-L berufen könne. Der letzte mit ihm geschlossene Arbeitsvertrag verweise statisch auf den BAT vom 07.05.1992. Nach Ablösung des BAT durch den TV-L seien dem Kläger zwar Entgelterhöhungen nach den Tarifverträgen der Länder gewährt worden. Sie habe diese Erhöhungen jedoch irrtümlich geleistet.
72Die Beklagte beantragt,
73unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 04.05.2011 – 6 Ca 2937/10 – die Klage abzuweisen.
74Der Kläger beantragt,
75die Berufung zurückzuweisen.
76Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt unter Hinweis auf einen von dem Gericht den Parteien vorgelegten Aufsatz des Prof. Dr. Dr. h.c. Kurt Siehr (Prof.em. der Universität Zürich und freier Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg) aus:
77Auf das Arbeitsverhältnis sei deutsches Recht anwendbar.
78Den griechischen Gesetzen sei weder nach europäischem noch deutschem Internationalen Privatrecht unmittelbare Wirkung für sein Arbeitsverhältnis zu verleihen.
79Artikel 9 Rom I – VO sei nicht anwendbar. Es gehe nicht um Eingriffsnormen des Erfüllungsortes, der in Deutschland liege.
80Zu berücksichtigen sei auch, dass vom Vertragsstatut abweichende Normen nach den Vorschriften des IPR nur dann Geltung beanspruchen könnten, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger seien.
81Die griechischen Gesetze beanspruchten keine internationale Geltung.
82Die ausgesprochene Änderungskündigung sei unter Anwendung des deutschen Kündigungsrechts zu prüfen.
83Die Beklagte beschäftige auch die nach § 23 Abs. 1 KSchG vorausgesetzte Arbeitnehmerzahl. Allein in Nordrhein-Westfalen betreibe sie sieben griechische Schulen mit dem entsprechenden Personal, das Teil ihrer Verwaltung sei.
84Unabhängig davon, ob die Beklagte mit Ausspruch der Kündigung auch die Ablösung der Dynamik in der tariflichen Entgeltvereinbarungen zum TV-L habe ablösen wollen, sei ihr Angebot insgesamt unverhältnismäßig, da sie dauerhafte Einschnitte in die Gehaltsstruktur angeboten habe, die durch eine vorübergehende Krise nicht gerechtfertigt werden könnten. Insbesondere werde ihm die nach dem TV-L zu leistende Sonderzahlung dauerhaft entzogen ohne Rücksicht darauf, ob griechisches Recht Sonderzahlungen wieder zulasse. Insgesamt sei davon auszugehen, dass die vorgelegten Gesetze nur Geltung für die Dauer der Finanzkrise beanspruchten.
85Der Änderungskündigung könne keine Rückwirkung beigelegt werden. Der Beklagten sei es auch nicht unzumutbar gewesen, eine soziale Auslauffrist einzuhalten.
86Sie habe die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt, da sie mit dem Ausspruch der Änderungskündigung mehr als sechs Monate nach Inkrafttreten der Gesetze zugewartet habe.
87Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
88Entscheidungsgründe
89A.
90Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.
91I.
92Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.04.2013 (2 AZR 77/12) bestehen keine Bedenken mehr gegen die Zulässigkeit der Klage unter dem Gesichtspunkt der Staatenimmunität.
93Die gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21.10.2010 gerichtete Klage begegnet auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken.
94Der Kläger hat zu Recht einen dem Wort des § 4 Satz 2 KSchG entsprechenden Antrag gestellt, obwohl § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG keine Verweisung auf die das Änderungsschutzverfahren bei ordentlichen Änderungskündigungen regelnde Vorschrift des § 4 Satz 2 KSchG enthält. Der Zweck des § 2 KSchG, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz zu erhalten und trotzdem die Überprüfung der Kündigung zu ermöglichen, erfordert jedoch die entsprechende Anwendung der Vorschrift (BAG 19.06.1986 – 2 AZR 565/85 – Rnr. 21, 22, DB 1986, 2604; 17.05.1984 – 2 AZR 161/83 – Rnr. 50 ff., AP BAT § 55 Nr. 3).
95II.
96Die Klage ist teilweise begründet.
971. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt aufgrund ihrer Rechtswahl dem deutschen Recht, wie das Bundesarbeitsgericht bereits am 25.04.2013 angemerkt hat (Rnr. 24 – 26).
98Die Berufung der Beklagten auf Artikel 30 Abs. 2 2. Halbsatz EGBGB führt zu keinem anderen Ergebnis.
99a) Die Kammer ist an einer Prüfung nicht deshalb gehindert, weil das Revisionsgericht in seinen Erwägungen von der Anwendung deutschen Rechts ausgegangen ist. Gemäß §§ 72 Abs. 5 ArbGG, 563 Abs. 2 ZPO ist das Berufungsgericht im Fall der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückweisung der Sache an das Berufungsgericht an die rechtliche Beurteilung gebunden, die zu der Aufhebung des Urteils geführt hat. Die Bindungswirkung beschränkt sich auf die Punkte, wegen derer die Aufhebung als solche unmittelbar erfolgt ist. Im Übrigen ist das Gericht frei (BGH 06.11.1951 – I ZR 61/51 – Rnr. 10, BGHZ 3, 321; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Auflage, § 563 ZPO Rnr. 3 a; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 563 ZPO Rnr. 11). Die Richtlinien des Revisionsgerichts für das neue Verfahren und die neue Entscheidung nehmen an der Bindungswirkung nicht teil (Zöller/Heßler, a.a.O., § 563 ZPO Rnr. 3 a).
100Die Feststellung des Revisionsgerichts, es sei deutsches Recht anwendbar, gehört zu seinen Erwägungen, aber nicht zu den Gründen, die unmittelbar zur Aufhebung des Berufungsurteils vom 24.11.2011 geführt haben.
101b) Gemäß Art. 30 Abs. 1 EGBGB darf die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB mangels Rechtswahl anzuwenden wäre.
102Hätten die Parteien nicht die Anwendung deutschen Rechts konkludent vereinbart, wäre es nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB gleichwohl anwendbar, da der Kläger seine Arbeitspflicht ausschließlich in Deutschland zu erfüllen hat (BAG 25.04.2013, Rnr. 28).
103Etwas andere gilt allerdings dann, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist. In diesem Fall ist das Recht des anderen Staates anzuwenden, Artikel 30 Abs. 2 2. Halbsatz EGBGB. Die Ausnahmeklausel greift auch ein, wenn die Parteien eine Rechtswahl nach Artikel 30 Abs. 1 EGBGB getroffen haben (Palandt-Heldrich, BGB, 67. Aufl., Art. 30 EGBGB Rnr. 4).
104Das Arbeitsverhältnis der Parteien weist keine engere Bindung zu dem Recht der Beklagten auf. Maßgeblich für die Beantwortung dieser Frage ist die Gesamtheit der Umstände. Primäre Anknüpfungspunkte sind der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers, die Staatsangehörigkeit beider Vertragsparteien. Diese Kriterien beschreiben die räumliche Dimension des Arbeitsverhältnisses. Ergänzend sind die Vertragsdimensionen, Vertragssprache und Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, zu berücksichtigen und gegebenenfalls weitere vertragswesentliche Gesichtspunkte heranzuziehen, die in ihrer Gesamtheit hinreichendes Gewicht haben, um die Bedeutung der Regelanknüpfung zu überwinden. Das von der Regelanknüpfung berufene Recht wird nur verdrängt, wenn die Gesamtheit wichtiger und nicht nur nebensächlicher Anknüpfungsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führt. Die ausdrückliche oder hier konkludente Rechtswahl als solche kann nicht herangezogen werden, da es gerade auf das ohne Rechtswahl maßgebliche Recht ankommt (BAG 11.12.2003 – 2 AZR 627/02 – Rnr. 43, BB 2004, 1393; 24.08.1989 – 2 AZR 3/89 – Rnr. 43, DB 1990, 1666). Indiz für das anwendbare Recht kann auch die Unterwerfung des Vertrages unter das deutsche Sozialversicherungssystem sein (BAG 11.12.2003, a.a.O., Rnr. 46).
105Hier spricht für die Anwendung griechischen Rechts, dass der Kläger neben der deutschen Staatsbürgerschaft auch die griechische Staatsangehörigkeit besitzt. Die gemeinsame Staatsangehörigkeit kann Rückschlüsse auf einen den Parteien gemeinsamen Rechtshorizont zulassen (BAG 11.12.2003, a.a.O., Rnr. 47).
106Die Vertragssprache der Parteien ist dagegen nicht ausschließlich Griechisch. Die Gehaltsabrechnungen sind – soweit aus den von dem Kläger in dem Rechtsstreit der Parteien – 17 Sa 999/13 – für 2010 vorgelegten Abrechnungen (Bl. 22, 23 der Akte 17 Sa 999/13) erkennbar, in griechischer Sprache abgefasst worden. Unstreitig wurden die Arbeitsverträge sowohl in griechischer als auch in deutscher Sprache geschlossen. Die Arbeitsverträge vom 01.03.1994 und 20.09.1994 hat der Kläger in deutscher Sprache unterzeichnet, die letzten beiden Arbeitsverträge offenkundig in der griechischen Fassung, da dem Gericht Übersetzungen der Verträge ohne Unterschriften der Parteien vorgelegt wurden. Zugunsten der Auffassung der Beklagten kann auch berücksichtigt werden, dass der Kläger griechischstämmige Schüler in einer griechischen Schule unterrichtet, aus griechischen Haushaltsmitteln vergütet wird und in Griechenland Steuern entrichtet. Die Entrichtung von Steuern in Griechenland ist jedoch kein wesentlicher Gesichtspunkt. Sie folgt aus Artikel X Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem damaligen Königreich Griechenland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern von Einkommen und Vermögen sowie der Gewerbesteuer vom 18.04.1966. Danach können Vergütungen, die aus öffentlichen Kassen des damaligen Königreichs Griechenland oder einer seiner Gebietskörperschaften für gegenwärtig erbrachte Dienste gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Zahlung an einen deutschen Staatsangehörigen geleistet wird, der nicht zugleich Staatsangehöriger des Königreichs Griechenland, jetzt der Beklagten ist.
107Trotz der aufgezeigten Indiztatsachen besteht kein engerer Bezug zu dem griechischen Recht, da wichtige Vertragsfaktoren für die Anwendung des deutschen Rechtes sprechen. Die Arbeitsverträge wurden mit der Beklagten, vertreten durch die griechischen Generalkonsulate in Dortmund bzw. Düsseldorf, geschlossen. Wie ausgeführt, wurden sie auch in deutscher Sprache erstellt. Bis zur Währungsumstellung wurde das Gehalt in DM ausgewiesen. Die Parteien haben deutsches Tarifrecht für anwendbar erklärt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers unterliegt deutschem Sozialversicherungsrecht.
108Er hat seine vertraglichen Leistungen ausschließlich in Deutschland in der nach deutschem Recht anerkannten Ergänzungsschule in C zu erbringen. Er unterrichtet dort als Studienrat der deutschen Sprache, wie sich aus den Arbeitsverträgen vom 01.09.2001 und 02.01.2008 ergibt. Nach seinen biografischen Daten steht er eher dem deutschen Rechtskreis näher als dem griechischen. Er ist in Deutschland geboren, hat hier sein Magisterstudium der Germanistik absolviert und hat seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland.
1092. Die Änderungsschutzklage ist nicht schon deshalb unbegründet, weil die Änderungen bereits unabhängig von dem Ausspruch der Kündigung eingetreten sind.
110Wie das Bundesarbeitsgericht in seinen Erwägungen (25.04.2013, a.a.O., Rnr. 29) unter Hinweis auf seine Entscheidungen vom 26.01.2012 (2 AZR 102/11 – Rnr. 14, BAGE 140, 328) und vom 29.09.2011 (2 AZR 523/10 – Rnr. 14) ausgeführt hat, setzt die Begründetheit einer nach Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt erhobenen Änderungsschutzklage im Sinne des § 4 Satz 2 KSchG voraus, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Änderungen wirksam werden, das Arbeitsverhältnis nicht ohnehin zu den Bedingungen besteht, die dem Arbeitnehmer mit der Kündigung angetragen werden, es sei denn, der Arbeitnehmer hat die Annahme des Änderungsangebots unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG mit dem weiteren Vorbehalt verbunden, dass die Änderungskündigung nicht „überflüssig“ ist.
111Unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist die Änderungskündigung nicht „überflüssig“, weil die von der Beklagten erstrebten Änderungen nicht unmittelbar, insbesondere durch Geltung der Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 eingetreten sind.
112a) Der Kläger hat die Annahme unter Vorbehalt nicht mit dem weiteren Vorbehalt verbunden, dass die Änderungen nicht bereits eingetreten sind.
113b) aa) Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag vom 02.01.2008 richtet sich seine monatliche Vergütung nach der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 des TV-L.
114(1) Die Beklagte hat zwar zunächst unter Nr. 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages auf die Anwendung der Regelungen des BAT vom 07.05.1992 verwiesen. Einen Zusatz, der auf die Anwendbarkeit des BAT dynamisch hinweist, gibt es nicht.
115Der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT ist nicht fortgeschrieben worden, sondern gemäß der Anlage 1 Teil B zum TVÜ-L ersetzt worden. In Kenntnis dieser Tatsache ist in Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags das Gehalt des Klägers ausdrücklich „unter Anpassung des BAT am TV-L“ festgesetzt worden. Die Gehaltsdarstellung für die Zeit ab Januar 2008 verweist entsprechend auf die Entgeltgruppen der Anlage 2 Teil B zum TVÜ-L. Die Vergütung des Klägers erfolgte nicht mehr aus der Vergütungsgruppe IV a BAT, sondern aus der Entgeltgruppe 10.
116(2) Das Gehalt nach dem TV-L ist dynamisch gestaltet.
117Das ergibt sich allerdings nicht aus dem Wortlaut der Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags. Die Gehaltsdarstellung bezieht sich nur auf die Zeit ab Januar 2008 unter Zugrundelegung der in 2008 geltenden tariflichen Vergütung bei Angabe eines festen Entgeltbetrags. Die Erläuterung „gemäß … der Anpassung des BAT am TV-L“ lässt nicht klar erkennen, ob die Anpassung auch die zukünftige tarifliche Gehaltsentwicklung erfasst, schließt dieses Verständnis aber nicht aus.
118Die Parteierklärung ist jedoch gemäß §§ 133, 157 BGB im Sinne einer dynamischen Gehaltsentwicklung entsprechend den Entgelttabellen zum TV-L auszulegen.
119Die Beklagte hat Nr. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.01.2008 nach der gesamten Vertragsgestaltung im Sinne des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB vorformuliert und mindestens einmal gegenüber dem Kläger verwendet, ohne dass dieser Einfluss auf den Inhalt nehmen konnte. Ob es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingung handelt, kann dahinstehen.
120Der Arbeitsvertrag ist Verbrauchervertrag.
121Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden können, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BAG 13.02.2013 – 5 AZR 2/12 – Rnr. 15, DB 2013, 2030).
122Die Erklärung der Beklagten, das Gehalt gestalte sich in Anpassung des BAT an den TV-L, beinhaltet das Angebot auf Zahlung eines Tarifgehaltes. Damit hat sie dem Kläger als Klauselverwenderin verdeutlicht, sie vergüte nach Tarif, zumal sie auch entsprechend § 5 Abs. 2 TVÜ-L den Ortszuschlag bei der Bemessung des Entgelts berücksichtigt hat. Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf eine derartige Verknüpfung eines festen Euro-Betrags mit der Bezeichnung als Tarifentgelt – hier durch den Hinweis auf die Entgeltgruppe des TV-L – redlicherweise so verstehen, dass der in der Klausel festgehaltene Eurobetrag nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern sich entsprechend den Tariferhöhungen entwickeln soll. Ein redlicher Arbeitgeber würde, wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte, Bezeichnungen unterlassen, die auf ein tarifliches Entgelt hinweisen, und klar und deutlich zum Ausdruck bringen, dass er nicht „nach Tarif“ zahlt und sich das Gehalt nur durch Parteivereinbarung erhöhen wird (BAG 13.02.2013, a.a.O., Rnr. 17).
123Auch die Arbeitsverträge vom 01.03.1994, 20.09.1994 und 01.09.2001 verweisen auf eine tarifliche Vergütungsgruppe. Aus dem Arbeitsvertrag vom 01.09.2001 ergibt sich im Übrigen, dass das Tarifgehalt ab dem 01.09.2001 dynamisch unter Berücksichtigung von Änderungen im Familienstand und Alter des Klägers festgesetzt wurde.
124Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte tatsächlich das Entgelt entsprechend den jeweils gültigen Vergütungstarifverträgen bzw. Anlagen zum TV-L festgesetzt hat. Zuletzt hat sie sein Gehalt zum 01.03.2010 auf 3.635,45 Euro erhöht, wobei sich allerdings aus der Entgelttabelle für das Tarifgebiet West für die Entgeltgruppe 10 Stufe 5 ein Tarifentgelt von 3.669,11 Euro ergibt. Dass der Festsetzung vom 01.03.2010 eine individuelle, von der Zahlung eines tariflichen Entgelts abrückende Vereinbarung zugrunde lag, behauptet die Beklagte jedoch nicht.
125Ihren Einwand, sie habe Tariferhöhungen irrtümlich an den Kläger weitergegeben, hat sie nicht näher begründet.
126bb) Der Kläger hat nach der Ausgestaltung der Arbeitsverträge auch einen Anspruch aus § 20 TV-L auf Zahlung einer Jahressondervergütung.
127Unstreitig ist, dass ihm die tarifliche Sonderzahlung bis 2009 stets gewährt wurde. In dem Arbeitsvertrag vom 01.09.2001 wurden unter Nr. 2 C ausdrücklich ein Weihnachtsgeld, unter Nr. 2 F ein Urlaubsgeld nach der Vergütungsgruppe IV a BAT ausgewiesen.
128Nach Ablösung der Tarifverträge über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 und über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16.03.1977 bestimmt sich der Anspruch unter Berücksichtigung des in Nr. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 02.01.2008 geäußerten Parteiwillens, das Gehalt dem TV-L anzupassen, nach § 20 TV-L. Hätte die Beklagte die tarifliche Sonderzahlung von den Vergütungsregelungen ausnehmen wollen, hätte sie dies für den Kläger als Verbraucher klar erkennbar äußern müssen.
129Der Anspruch auf Zahlung der Jahressonderzahlung steht entgegen der Auffassung der Beklagten unter keinem Freiwilligkeitsvorbehalt. Dieser ist in keinem der geschlossenen Arbeitsverträge vereinbart worden. Die Beklagte hat sich auch keinen Widerruf vorbehalten.
130c) Die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 haben den Inhalt der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nicht unmittelbar geändert. Dazu bedurfte es im vorliegenden Fall nicht der Einholung eines völker- und staatsrechtlichen Rechtsgutachtens, wie vom Bundesarbeitsgericht für erwägenswert gehalten (25.04.2013, a.a.O., Rnr. 28).
131aa) Die Kammer folgt der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg (25.09.2013 – 2 Sa 253/12 – Rnr. 113), dass sich in Fällen mit Auslandsberührung die anwendbaren Rechtsnormen nach den Regeln des Internationalen Privatrechts (IPR) bestimmen. § 293 ZPO ermöglicht es nicht, sich die Kenntnis über das deutsche IPR durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu verschaffen, dessen Kosten die unterlegene Partei zu tragen hätte (Zöller/Geimer, a.a.O., § 293 ZPO, Rnr. 1). Anderes gilt nur für die Ermittlung ausländischen Rechts, hier des griechischen Rechts. Die einschlägigen griechischen Gesetze sind dem Gericht jedoch vorgelegt worden. Über die Richtigkeit ihrer Übersetzung in die deutsche Sprache besteht kein Streit.
132bb) (1) Die griechischen Gesetze sind keine internationalen Verträge, wie der Oberste VerwaltungsgerichtshofGriechenlands in seinem Urteil vom 21.06.2011 festgestellt hat (zitiert nach Griechenland-Blog unter Bezugnahme auf in.gr.).
133(2) Die unmittelbare Anwendung der griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 rechtfertigt sich nicht aus Artikel 9 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Rom I – VO. Danach kann Eingriffsnormen des Staates, in dem die vertraglichen Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, Wirkung verliehen werden, soweit diese Eingriffsnormen die Erfüllung des Vertrages unrechtmäßig werden lassen. Gemäß Artikel 28 Rom I – VO finden die Vorschriften der gesamten Verordnung jedoch keine Anwendung, da der letzte Arbeitsvertrag des Klägers vor dem 17.12.2009 geschlossen wurde (BAG 25.04.2013, a.a.O, Rnr. 24; LAG Nürnberg, 25.09.2013, a.a.O., Rnr. 116; MünchKomm/Martiny, BGB, 5. Aufl., Art. 28 Rom I-VO, Rnr. 3; a. A., Siehr a.a.O., S. 8, 9). Außerdem geht es nicht um Eingriffsnormen des Erfüllungsortes.
134(3) Das Arbeitsverhältnis wird auch nicht im Sinne des Artikel 30 Abs. 1 EGBGB dem Schutz entzogen, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Abs. 2 anzuwenden wäre. Gemäß Artikel 30 Abs. 2 EGBGB wäre – wie bereits dargestellt – ebenfalls deutsches Recht anwendbar.
135(4) Eingriffsnormen eines Staates, die weder aus dem Vertragsstatut – hier dem deutschen Recht – noch aus dem Recht am Sitz des angerufenen Gerichts folgen –, sogenannten drittstaatlichen Eingriffsnormen (Siehr a.a.O., S. 6) kann gemäß Artikel 7 Abs. 1 EVÜ bei der Anwendung des Rechts eines bestimmten Staates Wirkung verliehen werden, soweit diese Bestimmungen nach dem Recht hier des griechischen Staates ohne Rücksicht darauf anzuwenden sind, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Diese Vorschrift hat die Bundesrepublik Deutschland jedoch nicht in das EGBGB übernommen, sondern hat den Vorbehalt nach Art. 22 Abs. 1 a EVÜ bezüglich Art. 7 EVÜ erklärt (Siehr a.a.O., S. 7; Palandt/Heldrich a.a.O., Art. 34 EGBGB, Rnr. 1).
136cc) Drittstaatliche Eingriffsnormen sind deshalb nur über das Vertragsstatut zu berücksichtigen (BGH 17.11.1994 – III ZR 70/93 – Rnr. 43, BGHZ 128, 41; OLG Frankfurt 09.05.2011 – 23 U 34/10 – Rnr. 34; LAG Nürnberg 25.09.2013, a.a.O., Rnr. 120; Palandt-Heldrich, a.a.O., Art. 34 EGBGB, Rnr. 5). Anstelle ihrer unmittelbaren Anwendung kommt bei einer entsprechend engen Beziehung zu einer ausländischen Rechtsordnung ihre faktische Berücksichtigung im Rahmen der §§ 138, 313, 275, 826 BGB in Betracht (LAG Nürnberg, a.a.O., Rnr. 120; BGH 08.05.1985 – IV a ZR 138/83 – Rnr. 20, 22, BGHZ 94,268; 08.02.1984 – VIII ZR 254/82 – Rnr. 18, NJW 1984, 1746; 22.06.1972 – II ZR 113/70 – Rnr. 13, NJW 1972, 1575; Palandt-Heldrich a.a.O., § 34 EGBGB, Rnr. 5; Siehr a.a.O., S. 15).
137(1) Eine enge Beziehung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zu der griechischen Rechtsordnung – wie sie in den Gesetzen 3833/2010 und 3845/2010 zum Ausdruck kommt – ist zu bejahen. Die Kürzungen der Gehälter sollen zwingend auch international durchgesetzt werden.
138Die Kammer geht davon aus, dass diese Gesetze alle Bediensteten der Beklagten erfassen, auch wenn sie – wie der Kläger – im Ausland beschäftigt sind (so auch Siehr a.a.O., S. 16).
139Artikel 1 § 4 des Gesetzes 3833/2010 betrifft nach seinem Wortlaut alle Bediensteten in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis. Das folgt auch aus der Regelung in Artikel 3 § 1 des Gesetzes. Danach ist im Jahr 2010 die Erhöhung von Gehältern der Angestellten im öffentlichen Dienst im Allgemeinen, sogar der Angestellten von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die dem Staat gehören oder regelmäßig aus dem staatlichen Haushalt finanziert werden, uneingeschränkt untersagt. Selbiges ergibt sich aus Artikel 3 § 2 b des Gesetzes. Danach gilt die Untersagung der Gehaltserhöhungen ausnahmslos für alle mit einem Vertrag des privaten Rechts beschäftigten Bediensteten der Organisationen nach Artikel 3 § 1. Anhaltspunkte für den Ausschluss von im Ausland beschäftigten Arbeitnehmern des griechischen Staates finden sich nicht.
140Auch das Gesetz 3845/2010 beansprucht Geltung gegenüber den im Ausland Beschäftigten. Artikel 3 § 3 nimmt Bezug auf Artikel 1 § 2 des Gesetzes 3833/2010 und bestimmt uneingeschränkt eine Gehaltskürzung von 3 % für alle Bediensteten mit Arbeitsverhältnissen des Privatrechts ohne Anspruch auf Zulagen. Eine Einschränkung des Geltungsbereichs des Gesetzes folgt auch nicht aus Artikel 3 § 6 des Gesetzes 3845/2010.
141Sinn und Zweck der Gesetze sprechen ebenfalls dafür, dass die genannten gesetzlichen Regelungen Eingriffsnormen sind. Das Gesetz 3833/2010 trägt den Titel „Schutz der internationalen Wirtschaft – dringende Maßnahmen zur Überwindung der Finanzkrise“, das Gesetz 3845/2010 den Titel „Maßnahmen zur Aktivierung des Stützmechanismus für die griechische Wirtschaft von den EU-Staaten der Eurozone und dem internationalen Währungsfonds“. Beide Gesetze bezwecken, der katastrophalen Finanzkrise des griechischen Staates entgegenzutreten und die Vorgaben der Staats- und Regierungschefs der Eurozone in den Erklärungen vom 25.03.2010 und 11.04.2010 (Anhang I, II des Gesetzes 3845/2010) nachzukommen. Die restriktive Haushaltsführung des griechischen Staates in den ersten Monaten des Jahres 2010 wurde ausdrücklich begrüßt. Zu Recht ist der Kläger deshalb dem Vortrag der Beklagten nicht entgegengetreten, dass die gesetzlichen Maßnahmen den Staatsbankrott verhindern sollten, unter anderem durch Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst (so auch: Siehr Seite 17).
142Zu berücksichtigen ist ferner, dass die griechische Ergänzungsschule in C allein von der Beklagten finanziert wird. Die Kammer teilt die Auffassung des LAG Nürnberg (25.09.2013, a.a.O., Rnr. 121), dass die streitgegenständlichen Gesetze auch im Interesse Deutschlands als Mitglied der Europäischen Union liegen.
143(2) Die griechischen Eingriffsnormen mit der Folge von Entgeltkürzungen führen nicht gemäß § 134 BGB zu einer Teilnichtigkeit der Vergütungsabrede, da die griechischen Gesetze keine unmittelbar geltenden Verbotsnormen darstellen. § 134 BGB ist unanwendbar (LAG Nürnberg 25.09.2013, a.a.O., Rnr. 123; Palandt-Heldrich a.a.O., Art. 34 EGBGB, Rnr. 5).
144(3) Ihnen kann auch nicht über § 138 BGB Geltung verschafft werden. Es ist kein Gesichtspunkt ersichtlich, der die vertragliche Regelung zum Entgelt sittenwidrig erscheinen lässt, wenn die gesetzlichen Kürzungen nicht durchgesetzt werden (zur Sittenwidrigkeit bei Verstoß gegen ausländische Gesetzesnormen, die Korruption verbieten, BGH 08.05.1985, a.a.O., Rnr. 22).
145(4) Das griechische Recht wirkt auch nicht über § 275 Abs. 1, Abs. 3 BGB auf das Entgelt des Klägers ein. Die Norm ist auf Entgeltforderungen nicht anwendbar, da ein Schuldner eine Einstandspflicht für seine finanzielle Leistungsfähigkeit hat (Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl. a.a.O., § 275 BGB Rnr. 3). Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg (25.09.2013, a.a.O., Rnr. 125) darauf hingewiesen, dass dem Kläger bei Anwendung des § 275 BGB Gegenrechte wie das Zurückbehaltungsrecht, die Kündigung zustehen könnten, an deren Ausübung die Beklagte kein Interesse hat.
146(5) Dahinstehen kann, ob die gesetzlich verfügten Gehaltskürzungen dazu geführt haben, dass die Geschäftsgrundlage für die bisherige Vergütungshöhe entfallen ist.
147§ 313 BGB ist ausgeschlossen, denn das Kündigungsrecht nach §§ 1 Abs. 2, 2 KSchG, 626 BGB ist gegenüber § 313 BGB lex specialis (BAG 20.06.2013 – 2 AZR 396/12 – Rnr. 14, NZA 2013, 1409; 29.09.2011 – 2 AZR 523/10 – Rnr. 26, NZA 2012, 628; 08.10.2009 – 2 AZR 235/08 – Rnr. 32, DB 2010, 509). Der Sachverhalt, der im Rahmen des § 313 BGB zu berücksichtigen wäre, ist im Rahmen des Kündigungsschutzes zu würdigen (BAG 08.10.2009, a.a.O., Rnr. 32).
1483. Die Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.
149Zwar ist das Gesetz 3833/2010 bereits am 01.01.2010, das Gesetz 3845/2010 am 01.06.2010 in Kraft getreten. Die Änderungskündigung ist dem Kläger erst am 12.11.2010 zugegangen.
150Die Verpflichtung der Beklagten, entgegen den Vorgaben der streitgegenständlichen Gesetze ein ungekürztes Gehalt zu zahlen, die damit verbundene Belastung ihres Haushalts ist wie der dauerhafte Wegfall des Arbeitsplatzes ein Dauertatbestand, der sich jeden Monat neu realisiert. Die Frist beginnt deshalb stets von neuem (BAG 20.06.2013 – 2 AZR 379/12 – Rnr. 32, DB 2014, 63; 22.11.2012 – 2 AZR 673/11 – Rnr. 28, DB 2013, 1301; 05.02.1998 – 2 AZR 227/97 – Rnr. 33, BAGE 88, 10).
1514. Die außerordentliche Änderungskündigung ist ausnahmsweise unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende wirksam.
152a) Der Kläger hat sie mit Schreiben vom 16.11.2010 unverzüglich unter Vorbehalt angenommen (zum Gebot der unverzüglichen Annahme BAG 19.06.1986, a.a.O., Rnr. 23).
153b) Die außerordentliche Kündigung ist nicht schon deshalb unwirksam, weil es an einem hinreichend bestimmten Änderungsangebot fehlt.
154Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 25.04.2013 (a.a.O., Rnr. 31 bis 35) ausgeführt, dass die Beklagte dem Kläger ausreichend bestimmend angeboten hat, das Gehalt monatlich ab Zugang der Kündigungserklärung um 310,63 Euro zu reduzieren und für die Zukunft keine Jahressonderzahlung mehr zu leisten.
155Die Kammer hat das Bundesarbeitsgericht dahin verstanden, dass es entgegen der Auffassung der Beklagten in Abs. 3 des Kündigungsschreibens in der zwischen den Parteien unstreitigen Übersetzung „Zusätzlich machen wir ihnen bekannt, dass zukünftig die Erhöhungen ihrer Vergütung nicht automatisch gemäß dem deutschen Tarifvertrag TV-L gezahlt werden, sondern nach Beschluss des Arbeitgebers, d. h. gemäß der Einkommenspolitik des griechischen Staates“ nicht als selbständigen Teil des Änderungsangebots, sondern als Klarstellung der auch im Prozess vertretenen Auffassung der Beklagten ansieht, dass die Bezugnahme auf den TV-L keine Dynamik enthält und deshalb kein Automatismus zur Gehaltserhöhung besteht.
156Die Kammer ist zwar nicht gemäß §§ 72 Abs. 5 ArbGG, 563 Abs. 2 ZPO an die die Aufhebung nicht tragenden Erwägungen zur Bestimmtheit des Änderungsangebots gebunden, teilt sie aber uneingeschränkt.
157Die Auslegung des Angebots nach §§ 133, 157 BGB ergibt, dass die zusätzliche Bekanntmachung, dass zukünftig Tariferhöhungen des TV-L nicht automatisch an den Kläger weitergegeben werden, nicht Teil des Angebots ist.
158Das folgt schon aus Wortlaut und Aufbau des Kündigungsschreibens.
159Absatz 1 enthält einleitende Ausführungen zur Gesetzeslage und zu dem Anlass für den Kündigungsausspruch (BAG 25.04.2013, a.a.O., Rnr. 33).
160Absatz 2 enthält die Erklärung einer Kündigung aus wichtigem Grund ohne Wahrung der Kündigungsfrist mit dem Zusatz, dass dem Kläger gleichzeitig der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags mit „folgenden Bedingungen“ angeboten wird. Die Bedingungen sind sowohl in der griechischen als auch in der deutschen Fassung des Kündigungsschreibens durch Fettdruck und Nummerierung gekennzeichnet und optisch abgesetzt. Damit ist nach dem Eindruck eines verständigen Empfängers, der alle ihm erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit prüft (Palandt-Ellenberger, BGB, 73. Aufl., a.a.O., § 133 BGB Rnr. 9), der Angebotsteil abgeschlossen.
161Entsprechend schließt sich die Erklärung zum Ausschluss des Automatismus bei Tarifentgelterhöhungen nicht unter Kennzeichnung als Nr. 3, sondern in einem eigenen Absatz an, der mit den Worten eingeleitet wird, „Zusätzlich machen wir bekannt“. Das bedeutet, die Beklagte hat über das konkret bezeichnete Angebot hinaus eine Information gegeben, einen Rechtsstandpunkt dargestellt.
162Die zusätzliche Bekanntmachung ist auch nicht deshalb als Teil des Änderungsangebots anzusehen, weil in Absatz 3 die weitere Erklärung folgt, dass „die übrigen Bedingungen des bestehenden Vertrags ….. unverändert“ bleiben. Vor dem Hintergrund der Auffassung der Beklagten, die mit dem Kläger getroffene Vereinbarung beinhalte keine Dynamik der Lohnentwicklung, bedurfte es keiner Änderung, nur der Loslösung von den nach ihrer Auffassung in der Vergangenheit rechtsirrtümlich erbrachten Entgelterhöhungen für die Zukunft.
163Vor dem Hintergrund dieses Auslegungsergebnisses war die Kammer nicht gehalten, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 Abs.1 ZPO wiederzueröffnen, da das Vorbringen der Beklagten zu nach Kündigungsausspruch erlassenen Gesetzen unerheblich ist.
164c. Der Kläger ist nur noch aus wichtigem Grund kündbar.
165aa. Angesichts der Vereinbarung der statischen Geltung des BAT und der Bezugnahme auf den TV-L nur bezüglich der Vergütung geht die Kammer davon aus, dass nicht § 34 Abs. 2 TV-L, sondern die Tarifbestimmungen der §§ 53 Abs. 2, 55 BAT Anwendung finden.
166bb. Gemäß § 53 Abs. 3 BAT ist der Angestellte nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren nach Vollendung des 40. Lebensjahres unkündbar. Der Kläger war bei Ausspruch der Änderungskündigung 51 Jahre alt und über 16 Jahre bei der Beklagten tätig.
167Gemäß § 55 Abs. 1 BAT kann dem unkündbaren Angestellten aus in seiner Person oder seinem Verhalten liegenden Gründen fristlos gekündigt werden. Die Beklagte beruft sich jedoch nicht auf personen- oder verhaltensbedingte Kündigungsgründe.
168Nach § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 BAT berechtigen andere wichtige Gründe, insbesondere dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Angestellten entgegenstehen, nicht zur Kündigung, jedoch zur Änderungskündigung zwecks Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe, wenn die Beschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen nachweislich nicht möglich ist. Auch dieser Fall ist nicht gegeben. Die Beklagte hat die Kündigung nicht zur Herabgruppierung des Klägers ausgesprochen. Seine tatsächliche Beschäftigung ist unverändert möglich.
169Es liegt auch kein Fall des § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT vor. Der Kläger ist nicht leistungsgemindert.
170cc. Auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 BAT kann jedoch eine betriebsbedingte außerordentliche Änderungskündigung mit Auslauffrist zum Zwecke der Reduzierung des Entgelts ausnahmsweise zulässig sein.
171Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schließt die Tarifnorm die außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen nicht für jeden denkbaren Fall aus, auch wenn eine außerordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer tariflich nicht möglich ist. Es sind Ausnahmefälle denkbar, in denen im Rahmen des § 55 BAT eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit notwendiger Auslauffrist nach § 626 BGB in Betracht kommen kann (BAG 01.03.2007 – 2 AZR 580/05 – Rnr. 21, BAGE 121, 347). In Extremfällen kann auch eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zum Zwecke der Entgeltreduzierung nach §§ 626 BGB, 54 Abs. 1 BAT zulässig sein (BAG 28.05.2009 – 2 AZR 844/07 – Rnr. 14, BAGE 131, 78; 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 28). Allerdings sind die materiellen Anforderungen an den wichtigen Grund für eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Änderungskündigung hoch anzusetzen. Mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit geht der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eine besondere Verpflichtung nicht nur hinsichtlich des Bestandes, sondern auch in Bezug auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses ein (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 23). Bereits eine betriebsbedingte ordentliche Änderungskündigung kann nur dann wirksam sein, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Ob er eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Die Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen als für die Erreichung des angestrebten Zieles erforderlich (BAG 01.03.2007 Rnr. 24).
172Besteht die vom Arbeitgeber angebotene Vertragsänderung allein in einer Absenkung der Vergütung, so ist erforderlich, dass durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebs oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind. Nicht erforderlich ist, dass ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung der Ruin unmittelbar bevorsteht (BAG 01.07.2007 Rnr. 26). Die betrieblichen Erfordernisse müssen dringend sein. Grundsätzlich sind einmal geschlossene Verträge einzuhalten. Geldmangel entlastet den Schuldner nicht. Die Dringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in das Leistungs-/Lohngefüge, wie es die Änderungskündigung zur Durchsetzung einer erheblichen Lohnsenkung darstellt, ist deshalb nur dann begründet, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen. Deshalb setzt eine solche Situation regelmäßig einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 27).
173Angesichts der hohen Voraussetzungen bereits für ordentliche Änderungskündigungen zur Entgeltsenkung müssen für die in Extremfällen nach § 55 Abs. 2 BAT zulässige außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung mit Auslauffrist zum Zweck der Entgeltreduzierung noch erheblich schärfere Anforderungen erfüllt sein. Andernfalls bliebe der Ausschluss der ordentlichen Kündigung wirkungslos. Der Arbeitgeber ist mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit eine weitreichende Verpflichtung und damit ein hohes Risiko eingegangen. Dieser Bindung muss er insbesondere bei der Prüfung der Frage, welche Vertragsänderungen er dem Arbeitnehmer zumuten kann, gerecht werden. Ein zum Ausspruch einer außerordentlichen Änderungskündigung berechtigender wichtiger Grund liegt nur dann vor, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen für den Arbeitgeber unabweisbar notwendig ist. Das ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen das Ziel hat, der konkreten Gefahr einer Betriebsschließung wegen Insolvenz zu begegnen (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 28, 29). Zu fordern ist stets, dass mildere Mittel ausgeschöpft sind (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 29).
174Ausgehend von diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für eine außerordentliche Änderungskündigung aus wichtigem Grund gegeben. Die dem Kläger angebotenen neuen arbeitsvertraglichen Bedingungen waren für die Beklagte unabweisbar notwendig und ihm zumutbar.
175(1)
176Die Beklagte befand sich im Jahre 2010 in einer wirtschaftlichen Extremsituation. Aus der Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Eurozone vom 11.04.2010 (Anhang II zu dem Gesetz 3845/2010) folgt, dass sie bereits am 23.03.2010 mit ihr die Bedingungen für eine Finanzhilfe vereinbart haben, um ihr im Bedarfsfall zu ermöglichen, zur Sicherung der Finanzstabilität im Euro-Währungsgebiet in diesem zu verbleiben. In der Erklärung wurde vereinbart, dass eine Kommission am 12.04.2010 zusammen mit dem IWF und den griechischen Behörden die Arbeit an einem gemeinsamen Programm aufnehmen sollte, das u.a. Beiträge der Beklagten und Auflagen an sie beinhalten sollte.
177Dass erhebliche Anstrengungen der Beklagten zur Meisterung der finanzpolitischen und strukturellen Herausforderungen Teil des Stabilitätsprogramms waren, folgt aus der Erklärung, die Eurogruppe begrüße die entschlossenen Anstrengungen der griechischen Behörden und der europäischen Partner zur Krisenbewältigung und stelle fest, dass die Haushaltsführung der ersten Monate des Jahres 2010, die bereits ergriffenen Maßnahmen Früchte trügen.
178Das Memorandum vom 03.05.2010 zur Verständigung auf konkrete wirtschaftspolitische Voraussetzungen (Anhang IV des Gesetzes 3845/2010) zeigt den europäischen Druck auf die Beklagte, quantitative Leistungskriterien einzuhalten. Die griechischen Behörden haben sich verpflichtet, mit dem Memorandum nicht in Einklang stehende Maßnahmen mit der europäischen Kommission, der EZB und dem IWF zu beraten und alle erforderlichen Informationen zur Überwachung der Fortschritte bei der Umsetzung des Programms und zur wirtschaftlichen und finanziellen Situation zur Verfügung zu stellen. Anschließend sind in 1) i) die Maßnahmen beschrieben, die durch die erste Überprüfung veranlasst wurden und bis zum Ende des zweiten Quartals 2010 abgeschlossen sein mussten. Dazu gehörte auch die Senkung der Lohnkosten im öffentlichen Sektor.
179Die Beklagte stand einem Wirtschaftsunternehmen vergleichbar vor dem Ruin und hatte zur Erlangung von internationalen Finanzhilfen ein Programm unter Aufsicht vereinbart, das einem Sanierungsplan vergleichbar ist. Teil des „Sanierungsplanes“ war auch die Senkung der Lohnkosten im öffentlichen Dienst, wie sich aus dem Memorandum und der Tabelle 1 „Griechenland – im Programm beinhaltete fiskalische Maßnahmen“ ergibt (Anhang II Tabelle 1 des Gesetzes 3845/2010).
180(2)
181Die Beklagte hat die ihr gestellten fiskalischen Vorgaben durch die Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 umgesetzt.
182(a)
183Dem Gericht steht es nicht zu, die Sinnhaftigkeit der Maßnahme, ihre zwingende Erforderlichkeit zu überprüfen. Insoweit besteht eine Einschätzungsprärogative des griechischen Parlaments.
184Auch nach deutschem Recht können Eingriffe des Gesetzgebers in Grundrechte gerechtfertigt sein, wenn diese verhältnismäßig sind, das heißt einen verfassungslegitimen Zweck verfolgen, zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich sind und bei einer Gesamtabwägung der Schwere des Eingriffs und des Gewichts der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenzen des Zumutbaren gewahrt sind. Dabei kommt auch dem deutschen Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des eingesetzten Mittels zu. Er verfügt über das Recht, von mehreren unsicheren empirischen Sätzen einen auszuwählen und als Prämisse festzusetzen. Er hat einen Entscheidungs-, Prognose- und Gestaltungsspielraum (BVerfG 03.04.2001 – 1 BvL 32/97 – Rnr. 51, BVerfGE 103, 293; Neumann, Legislative Einschätzungsprärogative und gerichtliche Kontrolle bei Eingriffen in die Tarifautonomie, RdA 2007, 71,74).
185Der Oberste Verwaltungsgerichtshof Griechenlands hat das Moratorium (Gesetz 3845/2010) einer Überprüfung unterzogen und mit Urteil vom 21.06.2011 entschieden, dass es weder die griechische Verfassung noch das europäische Menschenrechtsabkommen noch andere internationale Abkommen verletzt. Er hat das Gesetz auch im Hinblick auf Artikel 17 der griechischen Verfassung (Schutz des Eigentums) unter dem Gesichtspunkt der Lohnkürzung und im Hinblick auf Artikel 25 (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) geprüft und darauf hingewiesen, dass das Gesetz 3845/2010 Teil des allgemeinen Programms zur volkswirtschaftlichen Konsolidierung und Durchsetzung struktureller Reformen ist und dass es durch ernsthafte Gründe volkswirtschaftlichen Interesses gerechtfertigt ist, die Gründe auch gemeinsamen Interessen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union entsprechen (Quelle: Griechenland-Blog unter Bezugnahme auf in.gr.). Die Parteien sind auf das Urteil hingewiesen worden und haben keine weiteren Ausführungen gemacht.
186(b)
187Die dem Kläger angebotenen Vertragsänderungen entsprechen den Vorgaben der Gesetze 3833/2010 und 3845/2010.
188(aa)
189Dass diese Gesetze ihn als Bediensteten der Beklagten mit einem privatrechtlichen Vertrag erfassen, ist schon begründet worden.
190(bb)
191Aus den dem Notstand der Beklagten Rechnung tragenden gesetzlichen Regelungen folgt, dass die angebotenen Bedingungen unabweisbar notwendig sind.
192(aaa)
193Nach Artikel 1 § 4 des Gesetzes 3833/2010 wird das Gehalt von Bediensteten mit privatrechtlichen Verträgen, die wie der Kläger keine Zulagen, Vergütungen und Honorare im Sinne des Artikel 1 § 2 Abs. 1 erhalten, um 7 % gekürzt. Nach Artikel 3 § 3 Satz 2 des Gesetzes 3845/2010 beträgt der weitere Kürzungsbetrag 3 %.
194Der von der Beklagten angebotene Kürzungsbetrag von 310,63 € ist geringer als der sich aus den gesetzlichen Vorgaben tatsächlich ergebende Kürzungsbetrag. Die Beklagte hat das klägerische Gehalt im Jahre 2010 tatsächlich um 355,91 € gekürzt.
195(bbb)
196Auch das Angebot auf Streichung der Jahressonderzahlung rechtfertigt sich aus der griechischen Gesetzeslage.
197Gemäß Artikel 3 § 6 Satz 2 des Gesetzes 3845/2010 erhalten Beschäftigte, die unter Berücksichtigung aller ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen innerhalb eines Kalenderjahres mehr als 3.000 € monatlich verdienen, keine Weihnachts-, Oster- und Urlaubszuwendung.
198Der Kläger erzielt auch nach Kürzung seines Entgeltes noch mehr als 3.000 € monatlich.
199Die Jahressonderzahlung nach § 20 TV-L steht einer Weihnachts- und Urlaubszuwendung im Sinne des Artikel 3 § 6 des Gesetzes 3845/2010 gleich.
200Die Neuordnung des tariflichen Systems im öffentlichen Dienst haben die Tarifvertragsparteien zum Anlass genommen, die Zuwendung nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte, die gemäß § 4 Abs. 1 dieses Tarifvertrags zum 01.12. des Jahres gezahlt wurde, und das Urlaubsgeld nach dem Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte, das gemäß § 4 des Tarifvertrags im Juli des Jahres fällig war, abzulösen (Sponer/Steinherr, TVöD, § 20 TVöD Rnr. 2). Die Jahressonderzahlung stellt zwar ein aliud gegenüber dem Weihnachts- und Urlaubsgeld dar, ist aber nach der Zwecksetzung den von dem griechischen Gesetz erfassten Zuwendungen vergleichbar.
201Die Jahressonderzahlung nach § 20 TV-L ist einerseits Entgelt, gleichzeitig aber auch Honorierung der Betriebstreue und Motivation für die Zukunft (BAG 12.12.2012 – 10 AZR 922/11 – Rnr. 20, NZA 2013, 384), ist demnach nicht nur Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung. Aus den Begriffen Weihnachts- und Urlaubszulagen in dem Gesetz 3845/2010 folgt, dass diese zusätzlichen Leistungen anlässlich bestimmter Ereignisse nicht unmittelbar Vergütung der geleisteten Arbeit sind. Artikel 3 §§ 3, 4 des Gesetzes betreffen die Gegenleistung des Arbeitgebers für die erbrachte Arbeitsleistung, bezeichnet als „Bezüge, als ordentlicher Bezug, Zulagen, Vergütungen oder Honorare im allgemeinen“.
202(ccc)
203Für die Streichungen und Kürzungen der Entgelte und der Sonderzuwendungen der Bediensteten mit privatrechtlichen Verträgen ist ihre Rechtsgrundlage nach der griechischen Gesetzeslage unerheblich. Nach Artikel 1 § 5 des Gesetzes 3833/2010 und Artikel 3 § 8 des Gesetzes 3845/2010 gelten die Kürzungen unabhängig davon, ob die Ansprüche u.a. auf Tarifverträgen oder arbeitsvertraglichen Vereinbarungen beruhen. Nach der Entscheidung des griechischen Gesetzgebers erfordert die Sanierung der Staatsfinanzen Entgeltreduzierungen im öffentlichen Dienst unabhängig von der Rechtsgrundlage der Ansprüche. Auch die arbeitsvertragliche Verweisung auf tarifliche Ansprüche ist nicht vor Eingriffen geschützt.
204(ddd)
205Auch im Hinblick auf die ordentliche Unkündbarkeit des Klägers war der angebotene Eingriff in die Entgeltstruktur unabweisbar.
206Der Arbeitgeber darf zumindest dann auch gegenüber ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern außerordentliche Änderungskündigungen nach §§ 55, 54 BAT, 626 BGB aussprechen, wenn dies zur Sanierung des konkret insolvenzbedrohten Betriebs notwendig ist, weil sonstige Maßnahmen einschließlich der Änderungskündigungen gegenüber Mitarbeitern ohne Alterskündigungsschutz nicht ausreichen (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 35).
207Angesichts der dargestellten Krisensituation, der Anforderungen der internationalen Geldgeber liegt es für die Kammer auf der Hand, dass jeder im griechischen öffentlichen Dienst Beschäftigte zum Gelingen der Konsolidierung einen Sanierungsbeitrag durch Entgeltreduzierung leisten muss.
208(2) Gemessen an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind die Entgeltkürzungen und die Streichung der Jahressonderzahlung dem Kläger zumutbar. Die Beklagte hat ihm nur solche Änderungen vorgeschlagen, die er billigerweise hinnehmen muss.
209Stehen dem Arbeitgeber mehrere Möglichkeiten der Änderung der Arbeitsbedingungen zur Verfügung, so fordert es der für das gesamte Kündigungsschutzrecht geltende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diejenige auch ihm zumutbare Änderung anbietet, die den Gekündigten am wenigsten belastet (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 39; 17.03.2005 – 2 ABR 2/04 – Rnr. 21, NZA 2005, 949).
210(a)
211Hier stand dem griechischen Gesetzgeber – wie dargestellt – eine Einschätzungsprärogative zu. Er hat entschieden, dass die Konsolidierungsanstrengungen auch Lohnkürzungen erfordern.
212Nach dem Änderungsangebot büßt der Kläger bei Wirksamkeit der Änderungskündigung monatlich 310,63 € zuzüglich der Jahressonderzuwendung ein. Ausgehend von einem Bruttomonatsentgelt für 3.635,45 € und einer Jahressonderzahlung von 2.908,36 € (80 % von 3.635,45 €) verfügte er ohne die Kürzungen über ein Jahresbruttoeinkommen von 46.497,53 €. Unter Berücksichtigung der Kürzungen beträgt es nur noch 39.897,84 €, 86 % des ursprünglichen Einkommens. Die Kammer verkennt nicht, dass es sich um eine spürbare Einkommensminderung handelt, die dem Kläger angesichts der massiven Krisensituation jedoch noch zugemutet werden kann.
213(b)
214Entsprechend wendet er sich auch nicht im Wesentlichen gegen die Höhe der angebotenen Gehaltsminderung, sondern gegen ihre uneingeschränkte zukünftige Wirkung.
215Die Kammer teilt nicht seine Auffassung, die Beklagte hätte das verschlechternde Angebot befristen müssen.
216Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer zwar nicht hinnehmen, dass sein Einkommen durch eine Änderungskündigung auf Dauer abgesenkt wird, wenn die Entgeltkürzung nur mit vorübergehenden wirtschaftlichen Verlusten begründet wird (BAG 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 40).
217Bei Ausspruch der Kündigung war jedoch ein Ende der Wirtschaftskrise nach Vortrag der Beklagten nicht absehbar. Nach Angaben des Auswärtigen Amts hat sich die Haushaltslage Griechenlands zwar seit 2010 verbessert. Das Haushaltsdefizit sank von minus 9,4 % 2011 auf minus 6,3 % in 2012. Für 2013 werden noch minus 4,1 % erwartet bei einem nach wie vor bestehenden Schuldenstand von 175,5 % des Bruttoinlandsprodukts. Vor diesem Hintergrund enthalten die beiden Gesetze aus 2010 keine zeitlichen Beschränkungen für die Kürzungsmaßnahmen. Der Gesetzgeber hat eine Absenkung der Vergütungen im öffentlichen Dienst als auf Dauer unabdingbar erachtet. Zeitliche Beschränkungen ergeben sich weder aus Artikel 1 § 4 des Gesetzes 3833/2010 noch aus Artikel 3 § 3 des Gesetzes 3845/2010. In Artikel 3 des Gesetzes 3833/2010 hat der Gesetzgeber die Einkommenspolitik für 2010 beschrieben. Aus der Regelung folgt nicht, dass die in Artikel 1 § 4 verfügten Einschnitte in die Vergütungsstruktur beschränkt sind auf das Haushaltsjahr 2010. Aus Artikel 3 § 1 folgt lediglich, dass vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 Gehaltserhöhungen des öffentlichen Dienstes ausgeschlossen sind. Die untersagten Entgelterhöhungen werden in Artikel 3 § 2 näher konkretisiert. Artikel 3 § 3 enthält eine Ausnahmeregelung für den Fall, dass durch Gesetz, Verordnung, Tarifabkommen, Schiedsspruch oder Satzung Erhöhungen bereits beschlossen waren.
218Wie krisenhaft die Gesamtlage und wie hoch der Zwang sind, dauerhaft Personalausgaben zu reduzieren, zeigt die Tatsache, dass das griechische Parlament in den Jahren 2011 und 2012 weitere Gesetze zur Entgeltreduzierung erlassen hat, wie der Kammer bereits vor dem nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten aufgrund von Presseveröffentlichungen bekannt war. Auf den konkreten Inhalt der nachfolgenden Gesetze kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
219(dd)
220Die außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung zur Entgeltsenkung ist jedoch nicht als fristlose Kündigung wirksam. Dem Kläger ist eine Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende gemäß §§ 55 Abs. 2 Unterabs. 3, 53 Abs. 2 BAT einzuräumen.
221Betriebsverfassungsrechtliche Gründe stehen nicht entgegen, da kein Betriebsrat besteht, der gemäß § 102 BetrVG wie bei Ausspruch einer ordentlichen Änderungskündigung zu beteiligen gewesen wäre.
222Bei Prüfung der Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Änderungskündigung hat das Bundesarbeitsgericht durchgehend betont, dass eine Auslauffrist notwendig, gar zwingend ist (BAG 22.11.2012 – 2 AZR 673/11 – Rnr. 14, BB 2013, 533; 21.06.2012 – 2 AZR 343/11 – Rnr. 18, NZA 2013, 224; 01.03.2007 a.a.O. Rnr. 22; 06.10.2005 – 2 AZR 362/04 – Rnr. 28, ZTR 206, 437).
223Zu bedenken ist, dass der Arbeitgeber – wie bereits ausgeführt – mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündigung eine weitreichende Verpflichtung und damit einhergehend ein hohes Risiko eingegangen ist. Die Einhaltung der Ausschlussfrist ist auch geboten, um eine Benachteiligung der durch den Ausschluss der ordentlichen Kündigung gerade geschützten Arbeitnehmer zu vermeiden (BAG 21.06.2012 a.a.O. Rnr. 18).
224Die Kammer sieht keinen Grund, im vorliegenden Fall von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abzuweichen.
225Artikel 1 des Gesetzes 3833/2010 ist schon zum 01.01.2010, Artikel 3 des Gesetzes 3845/2010 zum 01.06.2010 in Kraft getreten. Das Gesetz 3833/2010 wurde am 11.03.2010, das Gesetz 3845/2010 am 06.05.2010 erlassen. Auch wenn der Beklagten zuzugestehen ist, dass die Entgeltkürzungen bereits den Haushalt 2010 entlasten sollten, dass die Umsetzung in arbeitsrechtliche Maßnahmen einer gewissen Vorbereitungszeit bedurfte, so ist gleichzeitig zu bedenken, dass sie bereits mit Schreiben vom 15.06.2010 gegenüber dem Kläger erklärt hat, die ihrer Auffassung nach in der Zeit von Januar 2010 bis Mai 2010 erfolgten Überzahlungen durch Lohnabzug in den Folgemonaten realisieren zu wollen. Sie hat es unterlassen, den Arbeitsvertrag des Klägers zeitnah mit dem Ergebnis zu prüfen, dass jedenfalls vorsorglich der Ausspruch einer außerordentlichen Änderungskündigung geboten war.
226Dass sie nicht die erforderliche Eile zur Wahrung ihrer Interessen gezeigt hat, ist auch der Tatsache zu entnehmen, dass der Kläger das von dem griechischen Generalkonsul in Hannover unterzeichnete Kündigungsschreiben vom 21.10.2010 erst am 12.11.2010 erhalten hat. Die von der Beklagten dargestellte und von der Kammer der Prüfung zugrunde gelegte wirtschaftliche Extremsituation hat sie selbst nicht zu einer zügigen Umsetzung der Kürzungen in das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger veranlasst. Der von ihr für zwingend erforderlich gehaltene Entlastungseffekt wird bei Einhaltung der sozialen Auslauffrist im Haushaltsjahr 2011 eintreten.
227B.
228Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs.6, 92 ZPO, die Zulassung der Revision aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Tenor
-
1. Auf die Revision der Beklagten zu 1. wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. März 2011 - 5 Sa 373/10 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung der Beklagten zu 1. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 9. März 2010 - 2 Ca 1680/08 - zurückgewiesen hat.
-
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist. Der mit der ursprünglichen Beklagten zu 2. wegen eines Rückkehranspruchs geführte Rechtsstreit ist rechtskräftig zulasten des Klägers abgeschlossen.
- 2
-
Der Kläger war bei der Beklagten zu 1. (im Folgenden: Beklagte) und deren Rechtsvorgängerinnen seit 1999 unter Anrechnung der Zeit eines seit 1974 bestehenden Arbeitsverhältnisses beschäftigt. Er war zuletzt als Disponent tätig. Sein Einsatz erfolgte am Standort T.
- 3
-
Die Beklagte gehört einem Konzern an. Bei den ihm zugehörigen Unternehmen waren im Jahr 2008 über 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt, davon ca. 720 - unter ihnen der Kläger - im Bereich „Technical Operations/Netzinfrastruktur“. 45 % der in diesem Bereich tätigen Arbeitnehmer waren - wie der Kläger - tariflich nicht mehr ordentlich kündbar. Der Konzern ist in sechs Regionen aufgeteilt. Auf der Grundlage eines zwischen der Gewerkschaft ver.di auf der einen und drei Konzernunternehmen - darunter die Rechtsvorgängerin der Beklagten - auf der anderen Seite geschlossenen Zuordnungstarifvertrags ist in jeder Region ein einheitlicher, unternehmensübergreifender Betriebsrat gebildet.
- 4
-
Im Jahr 2008 beschloss die Beklagte, die Aufgaben der Servicetechniker zweier Tätigkeitsbereiche weitgehend an ein Drittunternehmen zu vergeben und ab dem 1. Juli 2009 nicht mehr durch eigene Mitarbeiter ausführen zu lassen. Dies führte zum Wegfall zahlreicher Arbeitsplätze, so auch sämtlicher Disponentenstellen am Standort T. Dazu vereinbarten die drei Gesellschaften am 12. November 2008 mit dem Konzernbetriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan.
- 5
-
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 kündigte die Beklagte nach Anhörung des zuständigen Betriebsrats das Arbeitsverhältnis der Parteien aus betrieblichen Gründen außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. Juli 2009.
- 6
-
Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, es fehle an einem wichtigen Grund. Die Beklagte habe die Arbeiten nicht an Dritte vergeben dürfen, weil hierdurch die Beschäftigungsmöglichkeiten für eine große Zahl ordentlich unkündbarer Mitarbeiter weggefallen seien. Er sei überdies ohne längere Einarbeitungszeit im Bereich „Planung“ und als Serviceteam-Manager einsetzbar. Im Übrigen habe die Beklagte die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten und den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.
-
Der Kläger hat, soweit noch von Belang, beantragt
-
1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 9. Dezember 2008 zum 31. Juli 2009 nicht beendet worden ist;
2.
für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Disponent weiterzubeschäftigen.
- 8
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Arbeitsplatz des Klägers sei weggefallen. Ihre Entscheidung, einen Teil der Arbeiten an ein Drittunternehmen zu vergeben, sei zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit erforderlich gewesen. Mit den betreffenden Dienstleistungen externe Anbieter zu betrauen, sei um 50 % günstiger als sie mit eigenen Arbeitnehmern auszuführen. Ihre Maßnahme sei auch mit Blick auf den hohen Anteil davon betroffener ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer nicht willkürlich. Andere Beschäftigungsmöglichkeiten habe es nicht gegeben. Der Kläger könne nicht als Planer eingesetzt werden. Die damit verbundenen Aufgaben könne er auch nach mehr als einem Jahr Einarbeitungszeit nicht erfüllen. Bei den Stellen der Serviceteam-Manager handele es sich um Beförderungsstellen.
-
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung nicht als unwirksam ansehen. Seine Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).
- 11
-
I. Die außerordentliche Kündigung vom 9. Dezember 2008 erweist sich aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht als unwirksam.
- 12
-
1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
- 13
-
a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).
- 14
-
b) Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 17, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - Rn. 25 mwN, BAGE 122, 264). Allerdings ist der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - aaO; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - aaO). Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen und Nachteilen für den gerade besonders geschützten Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber in diesem Fall zwingend eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 18 mwN).
- 15
-
c) Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB kann sich - ebenso wie ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG - aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher Maßnahmen ergeben.
- 16
-
aa) Die einer solchen betrieblichen Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfallen ist (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 189 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 166).
- 17
-
bb) Dies gilt auch in den Fällen, in denen von der fraglichen Maßnahme ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist (BAG 6. Oktober 2005 - 2 AZR 362/04 - zu B V 3 a der Gründe, AP BAT § 53 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 14; Kiel NZA Beil. 1/2005, 18, 22). Die Gestaltung des Betriebs, die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, ist Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31; 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 92, 61; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Der Arbeitgeber muss deshalb regelmäßig auch dann nicht von einer Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen wird (HaKo-Gallner/Mestwerdt 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 749; KR-Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 158; APS/Kiel 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 318d; ders., NZA Beil. 1/2005, 18, 22; aA - Outsourcing nur bei ansonsten unvermeidbarer Betriebsschließung - KDZ/Däubler 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 163; Däubler FS Heinze S. 121, 127).
- 18
-
cc) Der durch Art. 12 Abs. 1 GG gleichermaßen gewährleistete Schutz der betroffenen Arbeitnehmer steht dem nicht entgegen. Die Berufswahlfreiheit iSv. Art. 12 Abs. 1 GG bietet keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen. Allerdings strahlt das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Bestandsschutz auf die Auslegung und Anwendung der kündigungsrechtlichen Vorschriften aus. Daher haben die Gerichte von Verfassungs wegen zu prüfen, ob von deren Anwendung im Einzelfall Grundrechte des Arbeitnehmers berührt sind. Trifft das zu, haben sie die einfachgesetzlichen Vorschriften, soweit möglich, im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden (BVerfG 19. März 1998 - 1 BvR 10/97 - NZA 1998, 587; 8. Juli 1997 - 1 BvR 2111/94, 1 BvR 195/95, 1 BvR 2189/95 - BVerfGE 96, 171; BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 103, 31; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Dem entspricht es, dass die Darlegung der Kündigungsgründe umso detaillierter sein muss, je näher die fragliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss heranrückt (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 22, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165).
- 19
-
2. In Anwendung dieser Grundsätze durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, es liege bereits deshalb kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB vor, weil die Beklagte wegen des hohen Anteils ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer die Fremdvergabe der Tätigkeiten hätte unterlassen müssen. Die von ihr getroffene Organisationsentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
- 20
-
a) Die Beklagte hat geltend gemacht, ihre Entscheidung, einen Teil der Arbeiten an Dritte zu vergeben, sei erforderlich gewesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der „Einkauf“ der betreffenden Dienstleistungen bei externen Anbietern sei um 50 % günstiger als die Durchführung der Arbeiten mit eigenen Arbeitnehmern.
- 21
-
b) Diese Erwägungen sind weder sachfremd noch willkürlich. Ihre Umsetzung ist vom Grundrecht des Arbeitgebers nach Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, diesem eine „bessere“ oder „richtigere“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben und damit in seine Kostenkalkulation einzugreifen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31).
- 22
-
c) Die Entscheidung der Beklagten verstößt nicht gegen die Regelung des besonderen Kündigungsschutzes für ältere Arbeitnehmer in § 24 MTV Kabel Rheinland-Pfalz/Saarland GmbH & Co. KG vom 8. August 2002.
- 23
-
aa) Nach dem Vorbringen beider Parteien findet diese Bestimmung auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung. Zwar hat das Landesarbeitsgericht insoweit keine bindenden Feststellungen getroffen. Ihre Anwendbarkeit - oder die einer gleichlautenden tariflichen Regelung - kann aber zugunsten des Klägers unterstellt werden.
- 24
-
bb) Die Vorschrift beschränkt die Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers gegenüber den geschützten Arbeitnehmern zwar auf Fälle, in denen ein „wichtiger Grund“ gegeben ist. Darin liegt aber kein Verbot der Durchführung von Umstrukturierungsmaßnahmen. Der besondere tarifliche Kündigungsschutz schränkt nicht die Freiheit des Unternehmers ein, Umstrukturierungen vorzunehmen, mit denen der Verlust von Arbeitsplätzen verbunden ist, sondern erhöht die Anforderungen an seine Bemühungen, gleichwohl die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu ermöglichen. Dies gilt auch dann, wenn von der unternehmerischen Maßnahme ein hoher Prozentsatz ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist. Auch in diesem Fall ist nicht schon die unternehmerische Maßnahme als solche (tariflich) ausgeschlossen.
- 25
-
cc) Die entgegenstehende Ansicht des Landesarbeitsgerichts entbehrt der verfassungsrechtlichen und tariflichen Grundlage. Art. 12 Abs. 1 GG verlangt den Ausschluss der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht. Wird er tariflich vereinbart, lassen sich seine Rechtsfolgen deshalb nicht anhand von Art. 12 Abs. 1 GG bestimmen. Die Regelung in § 24 MTV selbst unterscheidet nicht danach, ob einem einzelnen, einigen wenigen oder einer Vielzahl von sondergeschützten Arbeitnehmern gekündigt werden soll. In allen Fällen ist eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich, in keinem Fall ist schon die sie auslösende unternehmerisch-organisatorische Maßnahme als solche tariflich ausgeschlossen.
- 26
-
d) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht dieses Ergebnis nicht im Widerspruch zu den Anforderungen an eine Änderungskündigung zum Zwecke der Entgeltreduzierung. Der vom Landesarbeitsgericht angesprochene vermeintliche Widerspruch ist dabei nicht auf die Fälle außerordentlicher betriebsbedingter Beendigungskündigungen aus Anlass von Restrukturierungsmaßnahmen beschränkt. Er wäre auch dann nicht aufgehoben, wenn nur ordentliche Beendigungskündigungen „leichter“ möglich wären als funktional äquivalente Änderungskündigungen zur Entgeltabsenkung (für die unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen, die daraus gezogen werden, vgl. einerseits Kühling AuR 2003, 92; Stein AuR 2003, 99, andererseits Reuter RdA 2004, 161). Der Widerspruch ist nur ein scheinbarer. Bei Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse ist auch eine Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung möglich (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 34, BAGE 132, 78). Diese Erfordernisse sind vom Arbeitgeber freilich schlüssig und substantiiert darzulegen. Sie sind etwa mit der bloßen Behauptung, eine wirtschaftliche Analyse habe ergeben, eine Entgeltabsenkung sei unabweisbar, nicht hinreichend dargetan. Einem solchen - unzureichenden - Vortrag entspräche bei der Beendigungskündigung das Vorbringen, der Arbeitgeber habe sich, da unabweisbar nötig, entschlossen, bestehende Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Ein solcher Vortrag wäre gleichermaßen unzureichend. Sowohl Änderungs- als auch Beendigungskündigungen bedürfen der Rechtfertigung durch „betriebliche“ Erfordernisse, dh. durch Erfordernisse außerhalb ihrer selbst. Dass die substantiierte Darlegung des Wegfalls von Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund des Entschlusses zur Betriebs(teil)schließung eine weniger komplexe Erläuterung erfordern mag als die Darlegung eines betrieblichen Erfordernisses zur Lohnabsenkung bei Fortbestand des Beschäftigungsbedürfnisses und gleicher Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, ist den objektiven Umständen und Unterschieden und nicht prinzipiell anderen Anforderungen an das Arbeitgebervorbringen geschuldet.
- 27
-
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar.
- 28
-
1. Die Kündigung ist nicht wegen Nichteinhaltens der zweiwöchigen Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die - von der Beklagten behauptete - Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers ist ein „Dauertatbestand“. Die Frist beginnt deshalb stets von Neuem (vgl. BAG 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 4 der Gründe, BAGE 88, 10).
- 29
-
2. Die Kündigung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 102 Abs. 1 Satz 1, 2 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat den zuständigen Betriebsrat angehört und ihm die Gründe für die Kündigung mitgeteilt.
- 30
-
a) An die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegung der Kündigungsgründe im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die die Kündigung aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26). Erst eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung führt zu einer fehlerhaften Anhörung (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20).
- 31
-
b) Im Rahmen von § 102 Abs. 1 BetrVG gilt eine abgestufte Darlegungslast(BAG 12. August 2010 - 2 AZR 104/09 - Rn. 28; 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12). Zunächst hat der Arbeitgeber auf einen entsprechenden Einwand des Arbeitnehmers hin im Einzelnen und nachvollziehbar darzulegen, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden ist. Sodann obliegt es dem Arbeitnehmer vorzutragen, in welchen Punkten er die Betriebsratsanhörung für fehlerhaft hält.
- 32
-
c) Danach ist die Betriebsratsanhörung im Streitfall wirksam erfolgt. Die Beklagte hat unter Vorlage des Anhörungsschreibens schlüssig vorgetragen, den zuständigen Betriebsrat Anfang Dezember 2008 zur beabsichtigten Kündigung angehört zu haben. Es wäre Aufgabe des Klägers gewesen, im Einzelnen darzulegen, inwieweit die Betriebsratsanhörung gleichwohl unvollständig und damit fehlerhaft gewesen sein soll. Einen solchen Vortrag hat er nicht gehalten.
- 33
-
III. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegeben war, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers auch nach Umsetzung ihrer Organisationsentscheidung noch möglich und zumutbar war. Dies wird es unter Beachtung der nachstehenden Erwägungen nachzuholen haben.
- 34
-
1. Die Anforderungen an die Bemühungen des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung eines vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers sind hoch. Es muss sichergestellt sein, dass eine Kündigung unumgänglich ist.
- 35
-
a) Bei der Prüfung, ob eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist gegenüber einem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer zulässig ist, ist zunächst die tarifliche Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes als solche zu berücksichtigen. Stellt schon die tarifliche Regelung selbst dem Arbeitgeber bestimmte Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich bei dringenden betrieblichen Gründen aus einem unzumutbar gewordenen vertraglichen Zustand zu lösen, so hat er zunächst von diesen Gebrauch zu machen. Erst wenn feststeht, dass auch sie versagen, kann eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer in Betracht kommen (BAG 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).
- 36
-
aa) Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass sich der besondere Kündigungsschutz des Klägers aus § 24 des zwischen der Kabel Rheinland-Pfalz/Saarland GmbH & Co. KG und ver.di am 8. August 2002 abgeschlossenen Manteltarifvertrags ergibt. Allerdings ist nicht erkennbar, ob dessen Anwendbarkeit auf beiderseitiger Tarifgebundenheit oder einzelvertraglicher Inbezugnahme beruht. Eine beiderseitige Tarifgebundenheit ist nicht festgestellt. Eine vertragliche Bezugnahme ist zwar in § 2 des „Vertrags zur Änderung des Arbeitsvertrages“ vom 31. Mai/19. Juni 2000 enthalten. Danach unterliegt das Arbeitsverhältnis „den für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung“. Es steht bislang aber nicht fest, dass dazu der genannte Tarifvertrag zählt. Das Landesarbeitsgericht wird den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben und entsprechende Feststellungen zu treffen haben.
- 37
-
bb) Sollte auf das Arbeitsverhältnis die von den Parteien für anwendbar gehaltene tarifliche Bestimmung oder doch eine ihr entsprechende Regelung anzuwenden sein, wäre darin beim Wegfall der Möglichkeit einer Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen die Möglichkeit einer ordentlichen Änderungskündigung vorgesehen. Dies hätte zur Folge, dass eine außerordentliche Beendigungskündigung gegenüber dem Kläger nur in Betracht kommt, wenn selbst eine ordentliche, nicht an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gebundene Änderungskündigung ausscheidet, um das Arbeitsverhältnis als solches zu beiderseits zumutbaren anderen Bedingungen aufrechterhalten zu können.
- 38
-
b) Das Landesarbeitsgericht wird bei der Prüfung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch Arbeitsplätze in Betracht zu ziehen haben, die zwar nicht bei der Beklagten selbst, wohl aber bei einem derjenigen Konzernunternehmen bestehen, die - oder deren Rechtsvorgänger - ebenfalls Parteien des am 12. November 2008 vereinbarten Interessenausgleichs waren.
- 39
-
aa) Das Kündigungsschutzgesetz ist zwar nicht konzernbezogen. Der Arbeitgeber ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem Betrieb eines anderen Unternehmens unterzubringen. Ausnahmsweise kann eine solche Pflicht jedoch bestehen (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 27 mwN, ZIP 2013, 330; grundlegend: 14. Oktober 1982 - 2 AZR 568/80 - BAGE 41, 72). Dies gilt etwa dann, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat oder wenn sich eine solche Verpflichtung aus einer vertraglichen Absprache oder einer in der Vergangenheit geübten Praxis ergibt (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 27, aaO). Weitere Voraussetzung ist, dass der Vertragsarbeitgeber auf die „Versetzung“ einen bestimmenden Einfluss hat. Die Entscheidung über sie darf grundsätzlich nicht dem zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten bleiben. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Möglichkeit der Einflussnahme aufgrund eindeutiger rechtlicher Regelungen oder nur faktisch besteht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - aaO; 26. Juni 2008 - 2 AZR 1109/06 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 180).
- 40
-
bb) Im Streitfall erstreckt sich die Pflicht der Beklagten, Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch außerhalb ihres Unternehmens zu suchen, jedenfalls auf diejenigen Konzernunternehmen, welche - ggf. in Person eines Rechtsvorgängers - Parteien des Interessenausgleichs vom 12. November 2008 sind. Dort haben sich die beteiligten Unternehmen verpflichtet, in jedem Einzelfall vor Ausspruch einer Beendigungskündigung zu überprüfen, „ob unter Berücksichtigung der Anforderungsprofile vorhandener, freier Arbeitsplätze sowie zumutbarer Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen bestehen …“. Als „das Unternehmen“ sind nach der Bezeichnung der Parteien im Interessenausgleich die beteiligten Unternehmen in ihrer Gesamtheit anzusehen.
- 41
-
2. Den hohen materiellrechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines aus betrieblichen Erfordernissen resultierenden wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB entsprechen die prozessualen Anforderungen an den Umfang der Darlegungen des Arbeitgebers(BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2). Der Arbeitgeber hat von sich aus darzutun, dass keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis - ggf. zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzusetzen. Anders als bei der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung reicht es nicht aus, dass er zunächst vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei infolge des Wegfalls seines Arbeitsplatzes nicht möglich, um sodann eine dem widersprechende Darlegung des Arbeitnehmers abzuwarten. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es ist deshalb vom Arbeitgeber darzulegen (BAG 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - aaO). Dass dies - wie die Beklagte meint - für einen „großen“ Arbeitgeber mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, vermag daran nichts zu ändern. Die höhere Darlegungslast ist die Folge des höheren tariflichen Bestandsschutzes.
- 42
-
IV. Die Zurückverweisung umfasst auch den Weiterbeschäftigungsantrag.
-
V. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.
-
Kreft
Berger
Rinck
Krichel
Nielebock
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Tenor
-
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Februar 2012 - 7 Sa 2164/11 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. August 2011 - 19 Ca 4676/11 - abgeändert und festgestellt hat, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 16. März 2011 beendet worden ist.
-
2. Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
-
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
- 2
-
Die Beklagte wurde als landeseigene Gesellschaft gegründet. Sie bietet Büro- und Gewerbeflächen zur Miete an und verwaltet diese. Im Jahre 2007 wurde sie an die O S.A. verkauft.
- 3
-
Die im Oktober 1964 geborene Klägerin war bei der Beklagten auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 30. August 1984 seit 24. Juli 1984 als Reinigungskraft beschäftigt. Sie war mit einem Grad von 30 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Nach den anwendbaren tariflichen Vorschriften war sie aufgrund ihres Alters und ihrer Beschäftigungszeit ordentlich nicht mehr kündbar.
- 4
-
Aufgrund einer negativen wirtschaftlichen Entwicklung entschloss sich die Beklagte zu Umstrukturierungsmaßnahmen. Sie vereinbarte mit dem Betriebsrat am 29. Juni 2010 einen Interessenausgleich. Dieser sah verschiedene Maßnahmen zur Reduzierung der Mitarbeiterkapazitäten vor. Unter anderem war beabsichtigt, einen Betriebsteil „Reinigungsdienste“ zu bilden, der im Wege des Betriebsteilübergangs auf einen neuen Inhaber übertragen werden sollte. Ende Juni 2010 entschied sich die Beklagte, die im Interessenausgleich vorgesehenen Maßnahmen umzusetzen. Sie schloss mit einem Unternehmen einen Vertrag über die Erbringung von Reinigungsdienstleistungen für die von der Klägerin und einer weiteren Reinigungskraft betreuten Objekte. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2010 unterrichtete sie die Klägerin über den geplanten Betriebsteilübergang. Die Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 28. Dezember 2010.
- 5
-
Mit Schreiben vom 1. März 2011 stellte die Beklagte die Klägerin bis auf Weiteres widerruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Nachdem Verhandlungen der Parteien über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei dem beauftragten Unternehmen erfolglos geblieben waren, hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 4. März 2011 zu der Absicht an, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Der Betriebsrat widersprach.
- 6
-
Das Integrationsamt erteilte der beabsichtigten Kündigung am 14. März 2011 seine Zustimmung. Mit Schreiben vom 16. März 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit einer Frist bis zum 30. September 2011, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Sie stellte die Klägerin am 24. März 2011 bis zum 31. März 2011 unwiderruflich, mit Wirkung ab 1. April 2011 widerruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 28. März 2011 bot sie der Klägerin als Vermittlerin einen befristeten Arbeitsvertrag bei dem beauftragten Reinigungsunternehmen an. Falls die Klägerin das Angebot annehme, werde sie ab dem 1. April 2011 unter Anrechnung des bei dem beauftragten Unternehmen erzielten Zwischenverdienstes unwiderruflich freigestellt. Die Klägerin nahm das Angebot an und arbeitete seit dem 1. April 2011 für das beauftragte Unternehmen.
- 7
-
Mit der vorliegenden Klage hat sich die Klägerin rechtzeitig gegen die Kündigung gewandt und Zahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung für den Zeitraum von April bis Juni 2011 verlangt. Sie hat gemeint, es fehle an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung. Die Entscheidung der Beklagten, die Reinigungstätigkeiten an ein Drittunternehmen zu vergeben, sei rechtsmissbräuchlich. Es hätten andere Möglichkeiten bestanden, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, etwa in Form der Personalgestellung bei dem beauftragten Reinigungs- oder einem Konzernunternehmen. Außerdem habe sie bei der Beklagten selbst im Bereich des Immobilienmanagements, der Buchhaltung oder des Sekretariats weiterbeschäftigt werden können. Dafür hätte es ausgereicht, wenn die Beklagte ihr Kenntnisse vermittelt hätte, die es ihr erlaubt hätten, ausgebildeten Kräften mit einfachen Tätigkeiten zuzuarbeiten. Ebenso gut sei sie als Hausmeisterin oder Hausmeisterassistentin einsetzbar und hätte nach einer Umorganisation mit Aufgaben im Bereich der Hausmeisterdienste betraut werden können. Auch könne sie als Reinigungskraft im Rahmen der Endreinigung nach der Beendigung von Mietverhältnissen, bei der Zwischenreinigung leerstehender Räume, bei der Anfangsreinigung von vermieteten Räumen und in den ausgelagerten Service-Centern tätig werden. Dort würden einfache Tätigkeiten überwiegend von Leiharbeitnehmern erbracht. Die Klägerin hat ferner die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten. Zudem hat sie gemeint, die vertraglich vereinbarte Vergütung stehe ihr auch für die Zeit ab April 2011 in voller Höhe zu. Der bei dem beauftragten Reinigungsunternehmen erzielte Zwischenverdienst sei nicht anzurechnen.
- 8
-
Die Klägerin hat beantragt
-
1.
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 16. März 2011 weder zum 30. September 2011 noch zum nächstmöglichen Termin beendet worden ist;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.549,69 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Juli 2011 zu zahlen.
- 9
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat ihre Entscheidung zur Fremdvergabe der Reinigungstätigkeiten ua. damit begründet, auf diese Weise Ausfälle bei Krankheit oder Urlaub leichter überbrücken zu können. Die Klägerin habe das Arbeitsverhältnis infolge des vorgesehenen Betriebsteilübergangs zu unveränderten Bedingungen bei einem solventen Unternehmen fortsetzen können. Beschäftigungsmöglichkeiten bei ihr bestünden nicht. Mangels der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten könne die Klägerin nicht als Sachbearbeiterin oder Sekretärin eingesetzt werden. Auch eine Tätigkeit als Hausmeisterin komme nicht in Betracht. In diesem Bereich könnten einzelne Arbeiten nicht sinnvoll aus dem gesamten Aufgabenspektrum herausgelöst werden, um sie der Klägerin zu übertragen. Ähnliches gelte für die übrigen Abteilungen. Die Hausmeister seien zudem in zahlreichen verschiedenen Höfen eingesetzt. Sie übten eine höherwertige Tätigkeit aus und seien dementsprechend höher als die Klägerin eingruppiert. Auch bei anderen Gesellschaften der Firmengruppe gebe es keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten. Diese beschäftigten keine Reinigungskräfte und andere geeignete Arbeitsplätze stünden bei ihnen nicht zur Verfügung. Eine Personalgestellung habe das beauftragte Reinigungsunternehmen abgelehnt.
- 10
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags und eines Teils des Zahlungsbegehrens stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
- 11
-
Die Revision hat teilweise Erfolg. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Kündigungsschutzklage nicht stattgeben. Ob die Kündigung der Beklagten wirksam ist, steht noch nicht fest. Soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung verurteilt hat, ist die Revision unbegründet.
- 12
-
I. Die außerordentliche Kündigung vom 16. März 2011 erweist sich auf Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht als unwirksam.
- 13
-
1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
- 14
-
a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 13; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 16 ).
- 15
-
b) Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 14; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 17 ). Allerdings ist der Arbeitgeber in diesem Fall wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - aaO).
- 16
-
aa) Eine infolge des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung zu erwartende, ggf. jahrelange Bindung des Arbeitgebers an ein Arbeitsverhältnis, in welchem er mangels sinnvoller Einsatzmöglichkeit keine werthaltige Gegenleistung mehr erhält, kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Darin liegt entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl. zuletzt Stein DB 2013, 1299, 1300) keine Kündigung aus „minderwichtigem Grund“ und keine Umgehung des vereinbarten Schutzes vor einer ordentlichen Kündigung. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund kann vielmehr auch durch eine (tarif-)vertragliche Vereinbarung zur ordentlichen Unkündbarkeit nicht beschränkt werden (vgl. BAG 11. Juli 1958 - 1 AZR 366/55 - zu 3 der Gründe, BAGE 6, 109; BGH 21. April 1975 - II ZR 2/73 - zu 2 a der Gründe). Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung begründet keinen absoluten Schutz vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betrieblichem Anlass, wenn denn die Voraussetzungen vorliegen, die an einen wichtigen Grund zu stellen sind.
- 17
-
bb) Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen und Nachteilen für den gerade besonders geschützten Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber bei einer auf betriebliche Gründe gestützten außerordentlichen Kündigung zwingend eine der - fiktiven - ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 14; 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 18 mwN). Eine Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung entsteht dadurch nicht. Dafür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Auch die analoge Anwendung von §§ 9, 10 KSchG(vgl. dazu Stein DB 2013, 1299, 1301) scheidet aus. Die Bestimmungen sehen lediglich für den Fall der gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Verurteilung zur Zahlung einer Abfindung vor. Mit der gerichtlichen Auflösung ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund erfolgreicher betriebsbedingter außerordentlicher Kündigung nicht zu vergleichen.
- 18
-
c) Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB kann sich - ebenso wie ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG - aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher, von äußeren Faktoren nicht „erzwungener“ Maßnahmen ergeben(BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 15).
- 19
-
aa) Die einer betrieblich-organisatorischen Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfallen ist (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 16; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21 ).
- 20
-
bb) Dies gilt einmal in Fällen ordentlicher Kündigungen iSv. § 1 KSchG. Auf eine in Teilen des Schrifttums für erforderlich gehaltene Abwägung der wirtschaftlichen Vorteile, die der Arbeitgeber durch seine Maßnahme erlangt, gegen die Nachteile, die der Arbeitnehmer durch den Arbeitsplatzverlust erleidet (Däubler Die Unternehmerfreiheit im Arbeitsrecht S. 32, 44; Stein AuR 2013, 243, 248), kommt es de lege lata nicht an. Soweit hierfür auf die Ausfüllungsbedürftigkeit des Merkmals der „Dringlichkeit“ iSv. § 1 Abs. 2 KSchG abgestellt wird, wird möglicherweise übersehen, dass nicht die unternehmerisch-wirtschaftlichen Erfordernisse dringend sein müssen, sondern die betrieblichen(ebenso Krause in vHH/L 15. Aufl. § 1 Rn. 758 mwN). Führt die Umsetzung einer unternehmerischen Organisationsentscheidung auf betrieblicher Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für einen Arbeitnehmer und kann dieser auch nicht anderweit weiterbeschäftigt werden, bestehen „dringende betriebliche Erfordernisse“, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen und die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses bedingen können. Für die Bewertung der betrieblichen Erfordernisse als „dringend“ kommt es nicht darauf an, in welchem Ausmaß für das Unternehmen wirtschaftliche Vorteile durch die Maßnahme zu erwarten sind. Die unternehmerische Entscheidung zur Umorganisation ist mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG bis zur Grenze der offensichtlichen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür frei. Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen - wirtschaftlichen - Gründen getroffen wurde, Rechtsmissbrauch also die Ausnahme ist (BAG 29. März 2007 - 2 AZR 31/06 - Rn. 24; 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 31; 24. Oktober 1979 - 2 AZR 940/77 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 32, 150). Darauf, ob die Maßnahme für den Bestand des Unternehmens notwendig, gar zwingend notwendig ist, kommt es ebenso wenig an, wie darauf, ob eine „hohe Zahl von Insolvenzen“ im Nachhinein für Fehleinschätzungen sprechen kann (so aber Stein AuR 2013, 243, 247) oder sich der Arbeitgeber auf einen „Dialog über Alternativen“ eingelassen hat (Stein aaO). Es ist nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG dem Arbeitgeber überlassen, wie er sein Unternehmen führt, ob er es überhaupt weiterführt und ob er seine Betätigungsfelder einschränkt. Er kann grundsätzlich Umstrukturierungen allein zum Zwecke der Ertragssteigerung vornehmen. Es kann unter Geltung von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ohnehin nicht darum gehen, ihm die fragliche organisatorische Maßnahme als solche gerichtlich zu untersagen, sondern nur darum, ob ihre tatsächliche Umsetzung eine Kündigung rechtfertigt(so auch Däubler aaO S. 44). Deren Wirksamkeit wiederum kann nach der Konzeption des Kündigungsschutzgesetzes nicht etwa davon abhängen, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Zahlung einer Abfindung anbietet (so aber Däubler aaO).
- 21
-
cc) Dies gilt gleichermaßen in Fällen, in denen von der fraglichen Maßnahme ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist, dessen Arbeitsverhältnis nur außerordentlich nach § 626 BGB gekündigt werden kann(BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 17; 6. Oktober 2005 - 2 AZR 362/04 - zu B V 3 a der Gründe). Die Gestaltung des Betriebs, die Antwort auf die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, sind Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Der Arbeitgeber muss deshalb regelmäßig auch dann nicht von einer Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen wird ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO ; HaKo/Gallner/Mestwerdt 4. Aufl. § 1 Rn. 749; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 158; APS/Kiel 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 318d; aA - Outsourcing nur bei ansonsten unvermeidbarer Betriebsschließung - Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler KSchR 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 163; Däubler FS Heinze S. 121, 127). Ob ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gegeben ist, hängt in diesen Fällen davon ab, ob jedwede Möglichkeit ausgeschlossen ist, den Arbeitnehmer anderweit sinnvoll einzusetzen, und der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung für erhebliche Zeiträume an ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis gebunden und aus diesem zur Vergütung verpflichtet wäre. Der in Tarifverträgen an eine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit und ein bestimmtes Lebensalter geknüpfte Ausschluss der ordentlichen Kündigung ist regelmäßig nicht dahin zu verstehen, dass damit die Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung generell - auch als außerordentliche - zumindest für die Fälle ausgeschlossen sein soll, in denen der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses auf wirtschaftlich nicht zwingend notwendigen unternehmerischen Organisationsentscheidungen beruht. Dass eine solche mittelbare Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit - unbeschadet ihrer Rechtswirksamkeit - gewollt wäre, lässt sich tariflichen Regelungen, nach denen der besondere Kündigungsschutz allein vom Lebensalter und der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängt, ohne besondere Anhaltspunkte nicht entnehmen. Etwas anderes kann gelten, wenn der tarifliche oder einzelvertragliche Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen die Gegenleistung des Arbeitgebers für einen Verzicht auf bestimmte Rechtsansprüche durch die Arbeitnehmer darstellt. Auch dann ist der Arbeitgeber zwar rechtlich nicht gehindert, bestimmte, wirtschaftlich nicht zwingend notwendige Organisationsentscheidungen zu treffen, die zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses für geschützte Arbeitnehmer führen, und ist ein Verzicht des Arbeitgebers auf die Möglichkeit der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung als solcher wegen Verstoßes gegen § 626 Abs. 1 BGB rechtlich ausgeschlossen. Eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer bis zum zeitlich vorgesehenen Ende des - in aller Regel befristeten - Kündigungsausschlusses wird aber in dieser Situation nur im Extremfall anzunehmen sein.
- 22
-
dd) Insofern besteht auch kein Widerspruch zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Oktober 2002 (- II ZR 353/00 -), in welcher dieser auf die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines Geschäftsführerdienstvertrags wegen des auf geschäftspolitischen Gründen beruhenden Beschlusses der Muttergesellschaft, den Betrieb ihrer Tochtergesellschaft einzustellen, erkannt hat (eine Divergenz bejahend aber Stein DB 2013, 1299, 1301). Dort war eine ordentliche Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags nicht dauerhaft, sondern im Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung nur noch für gut ein Jahr ausgeschlossen.
- 23
-
ee) Die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Berufswahlfreiheit der betroffenen Arbeitnehmer bietet keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen. Allerdings strahlt das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Bestandsschutz auf die Auslegung und Anwendung der kündigungsrechtlichen Vorschriften aus. Daher haben die Gerichte von Verfassungs wegen zu prüfen, ob von deren Anwendung im Einzelfall Grundrechte des Arbeitnehmers berührt sind. Trifft das zu, haben sie die einfachgesetzlichen Vorschriften, soweit möglich, im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden (BVerfG 19. März 1998 - 1 BvR 10/97 -; 8. Juli 1997 - 1 BvR 2111/94 , 1 BvR 195/95, 1 BvR 2189/95 - BVerfGE 96, 171 ; BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 18; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 103, 31; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Dem entspricht es, dass die Darlegung der Kündigungsgründe umso detaillierter sein muss, je näher die fragliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss heranrückt (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 22 ).
- 24
-
2. In Anwendung dieser Grundsätze mangelte es im Streitfall nicht bereits deshalb an einem wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB, weil die von der Beklagten getroffene Organisationsentscheidung rechtlich zu beanstanden wäre.
- 25
-
a) Nach den bisherigen Feststellungen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte rechtsmissbräuchlich entschieden hätte, mit den Reinigungsarbeiten ein anderes Unternehmen zu beauftragen. Die Beklagte hat ua. geltend gemacht, die Fremdvergabe ermögliche es ihr, Ausfälle bei Krankheit oder Urlaub leichter zu überbrücken. Diese Erwägungen sind weder sachfremd noch willkürlich. Ihre Umsetzung ist von Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, der Beklagten eine „bessere“ oder „richtige“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben und damit in ihre wirtschaftliche Kalkulation einzugreifen (vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 21; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31 ).
- 26
-
b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bedurfte es auch angesichts der ordentlichen Unkündbarkeit der Klägerin keiner besonderen Umstände - wie etwa der Notwendigkeit einer Änderung der Produktpalette oder einer angespannten betriebswirtschaftlichen Situation -, die die durchgeführte Umstrukturierung als unumgänglich ausgewiesen hätten. Zwar hat der Senat in den Entscheidungen vom 26. März 2009 (- 2 AZR 879/07 -) und 2. März 2006 (- 2 AZR 64/05 -) - bezogen auf eine Änderungskündigung - angenommen, der Arbeitgeber müsse bereits bei Erstellung seines unternehmerischen Konzepts geltende Kündigungsbeschränkungen berücksichtigen (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 56; 2. März 2006 - 2 AZR 64/05 - Rn. 28), und hat daraus gefolgert, dies wirke sich im Prozess bei der Darlegungslast aus; aus dem Vorbringen des Arbeitgebers müsse erkennbar sein, dass er auch angesichts der bestehenden Kündigungsbeschränkungen alles Zumutbare unternommen habe, um die durch sein Konzept notwendig werdenden Anpassungen der Vertragsbedingungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 57; 2. März 2006 - 2 AZR 64/05 - Rn. 29). Die unternehmerische Entscheidung selbst unterliegt aber nicht deshalb einer weiter reichenden gerichtlichen Kontrolle, weil vom Arbeitsplatzabbau (auch) ordentlich unkündbare Arbeitnehmer betroffen sind. Vom Arbeitgeber im Einzelnen darzulegen und von den Gerichten zu überprüfen ist hingegen, dass bzw. ob das fragliche unternehmerische Konzept eine (Änderungs-)Kündigung tatsächlich erzwingt.
- 27
-
c) Der Ausschluss der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung erforderte es auch nicht, dass die Beklagte Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin neu schüfe. Es kommt allein darauf an, ob andere Beschäftigungsmöglichkeiten tatsächlich bestanden. Die Beklagte hat detailliert dazu vorzutragen, weshalb dies nicht der Fall gewesen sein soll. Unter diesem Gesichtspunkt hat das Landesarbeitsgericht ihr Vorbringen bisher nicht gewürdigt.
- 28
-
aa) Anders als in dem Fall, der der vom Landesarbeitsgericht angeführten Entscheidung des Senats vom 26. September 2002 (- 2 AZR 636/01 - BAGE 103, 31) zugrunde lag, bestand hier ein Beschäftigungsbedürfnis nicht etwa deshalb fort, weil in den betrieblichen Abläufen faktisch keine Änderung eingetreten wäre. Die Reinigungsarbeiten sollten an das beauftragte Unternehmen zur selbständigen Erledigung vergeben und nicht durch eine in das Unternehmen der Arbeitgeberin voll eingegliederte Organgesellschaft verrichtet werden. Ein Beschäftigungsbedarf bei der Beklagten bestand gerade nicht fort. Nach deren Vorbringen lag stattdessen ein Betriebsteilübergang vor. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wäre danach gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf das beauftragte Unternehmen übergegangen, hätte diese dem nicht widersprochen.
- 29
-
bb) Ebenso wenig steht bislang fest, dass zum Zeitpunkt der Kündigung Arbeitsplätze frei gewesen wären, die die Beklagte der Klägerin wegen des Vorrangs der Änderungskündigung hätte anbieten müssen (vgl. dazu BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 25 und 27).
- 30
-
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar.
- 31
-
1. Eine außerordentliche Kündigung schied nach dem festgestellten Sachverhalt nicht schon deshalb aus, weil die Beklagte nur noch für eine nicht erhebliche Zeit an ein ggf. sinnentleertes Arbeitsverhältnis mit der Klägerin gebunden gewesen wäre. Die Klägerin war bei Ablauf der Auslauffrist am 30. September 2011 46 Jahre alt und damit weit entfernt von einer tariflichen Altersgrenze.
- 32
-
2. Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte die zweiwöchige Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten hätte. Der - unterstellte - Wegfall des Beschäftigungsbedarfs ist ein „Dauertatbestand“. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt deshalb stets von Neuem(vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 28; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 4 der Gründe, BAGE 88, 10 ).
- 33
-
3. Die Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen nicht gem. § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Die Klägerin hat eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung zwar bestritten. Das Landesarbeitsgericht hat aber festgestellt, dass der Betriebsrat mit Schreiben vom 4. März 2011 zu der beabsichtigten Kündigung angehört worden ist, und hat dazu auf den Inhalt des Anhörungsschreibens Bezug genommen. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat hinreichend über die Gründe für die Kündigung unterrichtet. Inwiefern dessen Anhörung gleichwohl fehlerhaft gewesen sei, hat die Klägerin nicht dargelegt.
- 34
-
III. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist aufzuheben, soweit es der Kündigungsschutzklage stattgegeben hat. In diesem Umfang ist die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegeben war, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht hat - wie ausgeführt und aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin trotz Umsetzung ihrer Organisationsentscheidung möglich und zumutbar war. Dies wird es unter Beachtung der nachstehenden Erwägungen nachzuholen haben.
- 35
-
1. Die Anforderungen an die Bemühungen des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung eines vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers sind hoch. Es muss sichergestellt sein, dass eine Kündigung unumgänglich ist ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 34). Bei der Prüfung, ob eine außerordentliche Kündigung - mit notwendiger Auslauffrist - gegenüber einem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer berechtigt ist, ist zunächst die tarifliche Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes als solche zu berücksichtigen. Stellt schon die tarifliche Regelung selbst dem Arbeitgeber bestimmte Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich bei dringenden betrieblichen Gründen aus einem unzumutbar gewordenen vertraglichen Zustand zu lösen, so hat er in erster Linie von diesen Gebrauch zu machen. Erst wenn feststeht, dass auch sie versagen, kann eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer in Betracht kommen (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 35; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 c der Gründe). Aufgrund welcher tarifvertraglichen Vorschriften die Klägerin im Streitfall ordentlich unkündbar war, ist vom Landesarbeitsgericht bisher nicht festgestellt.
- 36
-
2. Den hohen materiellrechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines aus betrieblichen Erfordernissen resultierenden wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB entsprechen die prozessualen Anforderungen an den Umfang der Darlegungen des Arbeitgebers(BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 41; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 21 ). Der Arbeitgeber hat von sich aus darzutun, dass keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis - ggf. zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzusetzen. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichenbetriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es ist deshalb vom Arbeitgeber darzulegen ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO ; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 d der Gründe ).
- 37
-
IV. Die Revision ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von Vergütung für die Monate April bis Juni 2011 in Höhe von 421,90 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt hat.
- 38
-
1. Der Anspruch der Klägerin folgt aus einem Annahmeverzug der Beklagten gem. § 611 Abs. 1 iVm. § 615 Satz 1, §§ 293 ff. BGB.
- 39
-
a) Im fraglichen Zeitraum bestand das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fort.
- 40
-
aa) Auch wenn der Betriebsteil „Reinigungsdienste“ auf das beauftragte Reinigungsunternehmen übergegangen sein mag, ist dieses nicht gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit der Klägerin eingetreten. Die Klägerin hatte dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses gem. § 613a Abs. 6 BGB widersprochen.
- 41
-
bb) Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestand in den Monaten April bis Juni 2011 unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigung vom 16. März 2011. Die Kündigung war zwar außerordentlich, aber erst zum 30. September 2011 ausgesprochen worden.
- 42
-
b) Die Beklagte befand sich mit der Annahme der Leistung der Klägerin in Verzug (§ 615 Satz 1 iVm. §§ 293 ff. BGB). Sie hatte durch die Freistellung der Klägerin eine Annahme von deren Arbeitsleistung generell abgelehnt. Damit geriet sie, ohne dass es noch eines tatsächlichen oder wörtlichen Angebots der Klägerin bedurft hätte, gem. § 296 Satz 1 BGB in Gläubigerverzug(vgl. ErfK/Preis 13. Aufl. § 611 BGB Rn. 571).
- 43
-
c) § 297 BGB steht dem nicht entgegen. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, die Klägerin sei im fraglichen Zeitraum nicht leistungswillig und damit iSv. § 297 BGB zur Leistung außerstande gewesen, hat sie hierfür keine hinreichenden Umstände dargelegt. Die Klägerin hatte zwar mit Wirkung ab April 2011 auf Vermittlung der Beklagten einen befristeten Arbeitsvertrag mit dem beauftragten Unternehmen geschlossen. Die Beklagte hatte sie aber für den Fall der Annahme des Angebots unwiderruflich von der Arbeitsleistung ihr gegenüber freigestellt und mit ihr lediglich die Anrechenbarkeit des Zwischenverdienstes vereinbart. Dies rechtfertigt es nicht, die Klägerin im Verhältnis zur Beklagten als nicht leistungswillig anzusehen.
- 44
-
2. Die Klägerin kann jedenfalls den vom Landesarbeitsgericht titulierten Betrag verlangen.
- 45
-
a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, bei diesem Betrag handele es sich um die Differenz zwischen der der Klägerin gegenüber der Beklagten zustehenden Vergütung für die Zeit von April bis Juni 2011 und den anzurechnenden Zahlungen des beauftragten Unternehmens für den gleichen Zeitraum. Dagegen erhebt die Revision keine Einwände.
- 46
-
b) Der der Klägerin vom Landesarbeitsgericht zugesprochene Differenzanspruch steht dieser in voller Höhe auch dann zu, wenn das Arbeitsverhältnis der Parteien am 30. September 2011 geendet haben sollte. Das Landesarbeitsgericht hat seiner - von ihm nicht nachvollziehbar dargestellten - Berechnung den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien über dieses Datum hinaus zugrunde gelegt. Es hat ferner angenommen, dieser Umstand führe dazu, dass sich die Klägerin auf ihre Ansprüche gegen die Beklagte auch das vom Drittunternehmen erst nach dem 30. September 2011 gezahlte Urlaubsgeld 2011 mit seinem vollen Betrag anrechnen lassen müsse. Der Senat hat davon auszugehen, dass das Landesarbeitsgericht diese Erwägungen rechnerisch umgesetzt und bei seiner Tenorierung berücksichtigt hat. Damit hat die Klägerin in jedem Fall mindestens Anspruch auf den vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Betrag. Sollte sich die Kündigung der Beklagten als wirksam erweisen und das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2011 geendet haben, könnte sich das allenfalls zugunsten der Klägerin auswirken. Ansprüche auf Vergütung für die Zeit nach dem 30. September 2011 hat sie nicht erhoben. Das vom Drittunternehmen geleistete Urlaubsgeld wäre deshalb womöglich auf die für die Zeit davor verlangte Vergütung entweder gar nicht oder doch nicht in vollem Umfang anzurechnen.
- 47
-
3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
-
Kreft
Berger
Rachor
Krichel
Grimberg
Tenor
-
1. Auf die Revision der Beklagten zu 1. wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. März 2011 - 5 Sa 373/10 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung der Beklagten zu 1. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 9. März 2010 - 2 Ca 1680/08 - zurückgewiesen hat.
-
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist. Der mit der ursprünglichen Beklagten zu 2. wegen eines Rückkehranspruchs geführte Rechtsstreit ist rechtskräftig zulasten des Klägers abgeschlossen.
- 2
-
Der Kläger war bei der Beklagten zu 1. (im Folgenden: Beklagte) und deren Rechtsvorgängerinnen seit 1999 unter Anrechnung der Zeit eines seit 1974 bestehenden Arbeitsverhältnisses beschäftigt. Er war zuletzt als Disponent tätig. Sein Einsatz erfolgte am Standort T.
- 3
-
Die Beklagte gehört einem Konzern an. Bei den ihm zugehörigen Unternehmen waren im Jahr 2008 über 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt, davon ca. 720 - unter ihnen der Kläger - im Bereich „Technical Operations/Netzinfrastruktur“. 45 % der in diesem Bereich tätigen Arbeitnehmer waren - wie der Kläger - tariflich nicht mehr ordentlich kündbar. Der Konzern ist in sechs Regionen aufgeteilt. Auf der Grundlage eines zwischen der Gewerkschaft ver.di auf der einen und drei Konzernunternehmen - darunter die Rechtsvorgängerin der Beklagten - auf der anderen Seite geschlossenen Zuordnungstarifvertrags ist in jeder Region ein einheitlicher, unternehmensübergreifender Betriebsrat gebildet.
- 4
-
Im Jahr 2008 beschloss die Beklagte, die Aufgaben der Servicetechniker zweier Tätigkeitsbereiche weitgehend an ein Drittunternehmen zu vergeben und ab dem 1. Juli 2009 nicht mehr durch eigene Mitarbeiter ausführen zu lassen. Dies führte zum Wegfall zahlreicher Arbeitsplätze, so auch sämtlicher Disponentenstellen am Standort T. Dazu vereinbarten die drei Gesellschaften am 12. November 2008 mit dem Konzernbetriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan.
- 5
-
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 kündigte die Beklagte nach Anhörung des zuständigen Betriebsrats das Arbeitsverhältnis der Parteien aus betrieblichen Gründen außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. Juli 2009.
- 6
-
Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, es fehle an einem wichtigen Grund. Die Beklagte habe die Arbeiten nicht an Dritte vergeben dürfen, weil hierdurch die Beschäftigungsmöglichkeiten für eine große Zahl ordentlich unkündbarer Mitarbeiter weggefallen seien. Er sei überdies ohne längere Einarbeitungszeit im Bereich „Planung“ und als Serviceteam-Manager einsetzbar. Im Übrigen habe die Beklagte die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten und den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.
-
Der Kläger hat, soweit noch von Belang, beantragt
-
1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 9. Dezember 2008 zum 31. Juli 2009 nicht beendet worden ist;
2.
für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Disponent weiterzubeschäftigen.
- 8
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Arbeitsplatz des Klägers sei weggefallen. Ihre Entscheidung, einen Teil der Arbeiten an ein Drittunternehmen zu vergeben, sei zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit erforderlich gewesen. Mit den betreffenden Dienstleistungen externe Anbieter zu betrauen, sei um 50 % günstiger als sie mit eigenen Arbeitnehmern auszuführen. Ihre Maßnahme sei auch mit Blick auf den hohen Anteil davon betroffener ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer nicht willkürlich. Andere Beschäftigungsmöglichkeiten habe es nicht gegeben. Der Kläger könne nicht als Planer eingesetzt werden. Die damit verbundenen Aufgaben könne er auch nach mehr als einem Jahr Einarbeitungszeit nicht erfüllen. Bei den Stellen der Serviceteam-Manager handele es sich um Beförderungsstellen.
-
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung nicht als unwirksam ansehen. Seine Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).
- 11
-
I. Die außerordentliche Kündigung vom 9. Dezember 2008 erweist sich aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht als unwirksam.
- 12
-
1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
- 13
-
a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).
- 14
-
b) Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 17, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - Rn. 25 mwN, BAGE 122, 264). Allerdings ist der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - aaO; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - aaO). Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen und Nachteilen für den gerade besonders geschützten Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber in diesem Fall zwingend eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 18 mwN).
- 15
-
c) Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB kann sich - ebenso wie ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG - aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher Maßnahmen ergeben.
- 16
-
aa) Die einer solchen betrieblichen Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfallen ist (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 189 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 166).
- 17
-
bb) Dies gilt auch in den Fällen, in denen von der fraglichen Maßnahme ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist (BAG 6. Oktober 2005 - 2 AZR 362/04 - zu B V 3 a der Gründe, AP BAT § 53 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 14; Kiel NZA Beil. 1/2005, 18, 22). Die Gestaltung des Betriebs, die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, ist Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31; 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 92, 61; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Der Arbeitgeber muss deshalb regelmäßig auch dann nicht von einer Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen wird (HaKo-Gallner/Mestwerdt 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 749; KR-Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 158; APS/Kiel 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 318d; ders., NZA Beil. 1/2005, 18, 22; aA - Outsourcing nur bei ansonsten unvermeidbarer Betriebsschließung - KDZ/Däubler 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 163; Däubler FS Heinze S. 121, 127).
- 18
-
cc) Der durch Art. 12 Abs. 1 GG gleichermaßen gewährleistete Schutz der betroffenen Arbeitnehmer steht dem nicht entgegen. Die Berufswahlfreiheit iSv. Art. 12 Abs. 1 GG bietet keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen. Allerdings strahlt das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Bestandsschutz auf die Auslegung und Anwendung der kündigungsrechtlichen Vorschriften aus. Daher haben die Gerichte von Verfassungs wegen zu prüfen, ob von deren Anwendung im Einzelfall Grundrechte des Arbeitnehmers berührt sind. Trifft das zu, haben sie die einfachgesetzlichen Vorschriften, soweit möglich, im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden (BVerfG 19. März 1998 - 1 BvR 10/97 - NZA 1998, 587; 8. Juli 1997 - 1 BvR 2111/94, 1 BvR 195/95, 1 BvR 2189/95 - BVerfGE 96, 171; BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 103, 31; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Dem entspricht es, dass die Darlegung der Kündigungsgründe umso detaillierter sein muss, je näher die fragliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss heranrückt (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 22, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165).
- 19
-
2. In Anwendung dieser Grundsätze durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, es liege bereits deshalb kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB vor, weil die Beklagte wegen des hohen Anteils ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer die Fremdvergabe der Tätigkeiten hätte unterlassen müssen. Die von ihr getroffene Organisationsentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
- 20
-
a) Die Beklagte hat geltend gemacht, ihre Entscheidung, einen Teil der Arbeiten an Dritte zu vergeben, sei erforderlich gewesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der „Einkauf“ der betreffenden Dienstleistungen bei externen Anbietern sei um 50 % günstiger als die Durchführung der Arbeiten mit eigenen Arbeitnehmern.
- 21
-
b) Diese Erwägungen sind weder sachfremd noch willkürlich. Ihre Umsetzung ist vom Grundrecht des Arbeitgebers nach Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, diesem eine „bessere“ oder „richtigere“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben und damit in seine Kostenkalkulation einzugreifen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31).
- 22
-
c) Die Entscheidung der Beklagten verstößt nicht gegen die Regelung des besonderen Kündigungsschutzes für ältere Arbeitnehmer in § 24 MTV Kabel Rheinland-Pfalz/Saarland GmbH & Co. KG vom 8. August 2002.
- 23
-
aa) Nach dem Vorbringen beider Parteien findet diese Bestimmung auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung. Zwar hat das Landesarbeitsgericht insoweit keine bindenden Feststellungen getroffen. Ihre Anwendbarkeit - oder die einer gleichlautenden tariflichen Regelung - kann aber zugunsten des Klägers unterstellt werden.
- 24
-
bb) Die Vorschrift beschränkt die Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers gegenüber den geschützten Arbeitnehmern zwar auf Fälle, in denen ein „wichtiger Grund“ gegeben ist. Darin liegt aber kein Verbot der Durchführung von Umstrukturierungsmaßnahmen. Der besondere tarifliche Kündigungsschutz schränkt nicht die Freiheit des Unternehmers ein, Umstrukturierungen vorzunehmen, mit denen der Verlust von Arbeitsplätzen verbunden ist, sondern erhöht die Anforderungen an seine Bemühungen, gleichwohl die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu ermöglichen. Dies gilt auch dann, wenn von der unternehmerischen Maßnahme ein hoher Prozentsatz ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist. Auch in diesem Fall ist nicht schon die unternehmerische Maßnahme als solche (tariflich) ausgeschlossen.
- 25
-
cc) Die entgegenstehende Ansicht des Landesarbeitsgerichts entbehrt der verfassungsrechtlichen und tariflichen Grundlage. Art. 12 Abs. 1 GG verlangt den Ausschluss der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht. Wird er tariflich vereinbart, lassen sich seine Rechtsfolgen deshalb nicht anhand von Art. 12 Abs. 1 GG bestimmen. Die Regelung in § 24 MTV selbst unterscheidet nicht danach, ob einem einzelnen, einigen wenigen oder einer Vielzahl von sondergeschützten Arbeitnehmern gekündigt werden soll. In allen Fällen ist eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich, in keinem Fall ist schon die sie auslösende unternehmerisch-organisatorische Maßnahme als solche tariflich ausgeschlossen.
- 26
-
d) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht dieses Ergebnis nicht im Widerspruch zu den Anforderungen an eine Änderungskündigung zum Zwecke der Entgeltreduzierung. Der vom Landesarbeitsgericht angesprochene vermeintliche Widerspruch ist dabei nicht auf die Fälle außerordentlicher betriebsbedingter Beendigungskündigungen aus Anlass von Restrukturierungsmaßnahmen beschränkt. Er wäre auch dann nicht aufgehoben, wenn nur ordentliche Beendigungskündigungen „leichter“ möglich wären als funktional äquivalente Änderungskündigungen zur Entgeltabsenkung (für die unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen, die daraus gezogen werden, vgl. einerseits Kühling AuR 2003, 92; Stein AuR 2003, 99, andererseits Reuter RdA 2004, 161). Der Widerspruch ist nur ein scheinbarer. Bei Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse ist auch eine Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung möglich (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 34, BAGE 132, 78). Diese Erfordernisse sind vom Arbeitgeber freilich schlüssig und substantiiert darzulegen. Sie sind etwa mit der bloßen Behauptung, eine wirtschaftliche Analyse habe ergeben, eine Entgeltabsenkung sei unabweisbar, nicht hinreichend dargetan. Einem solchen - unzureichenden - Vortrag entspräche bei der Beendigungskündigung das Vorbringen, der Arbeitgeber habe sich, da unabweisbar nötig, entschlossen, bestehende Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Ein solcher Vortrag wäre gleichermaßen unzureichend. Sowohl Änderungs- als auch Beendigungskündigungen bedürfen der Rechtfertigung durch „betriebliche“ Erfordernisse, dh. durch Erfordernisse außerhalb ihrer selbst. Dass die substantiierte Darlegung des Wegfalls von Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund des Entschlusses zur Betriebs(teil)schließung eine weniger komplexe Erläuterung erfordern mag als die Darlegung eines betrieblichen Erfordernisses zur Lohnabsenkung bei Fortbestand des Beschäftigungsbedürfnisses und gleicher Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, ist den objektiven Umständen und Unterschieden und nicht prinzipiell anderen Anforderungen an das Arbeitgebervorbringen geschuldet.
- 27
-
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar.
- 28
-
1. Die Kündigung ist nicht wegen Nichteinhaltens der zweiwöchigen Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die - von der Beklagten behauptete - Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers ist ein „Dauertatbestand“. Die Frist beginnt deshalb stets von Neuem (vgl. BAG 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 4 der Gründe, BAGE 88, 10).
- 29
-
2. Die Kündigung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 102 Abs. 1 Satz 1, 2 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat den zuständigen Betriebsrat angehört und ihm die Gründe für die Kündigung mitgeteilt.
- 30
-
a) An die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegung der Kündigungsgründe im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die die Kündigung aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26). Erst eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung führt zu einer fehlerhaften Anhörung (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20).
- 31
-
b) Im Rahmen von § 102 Abs. 1 BetrVG gilt eine abgestufte Darlegungslast(BAG 12. August 2010 - 2 AZR 104/09 - Rn. 28; 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12). Zunächst hat der Arbeitgeber auf einen entsprechenden Einwand des Arbeitnehmers hin im Einzelnen und nachvollziehbar darzulegen, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden ist. Sodann obliegt es dem Arbeitnehmer vorzutragen, in welchen Punkten er die Betriebsratsanhörung für fehlerhaft hält.
- 32
-
c) Danach ist die Betriebsratsanhörung im Streitfall wirksam erfolgt. Die Beklagte hat unter Vorlage des Anhörungsschreibens schlüssig vorgetragen, den zuständigen Betriebsrat Anfang Dezember 2008 zur beabsichtigten Kündigung angehört zu haben. Es wäre Aufgabe des Klägers gewesen, im Einzelnen darzulegen, inwieweit die Betriebsratsanhörung gleichwohl unvollständig und damit fehlerhaft gewesen sein soll. Einen solchen Vortrag hat er nicht gehalten.
- 33
-
III. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegeben war, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers auch nach Umsetzung ihrer Organisationsentscheidung noch möglich und zumutbar war. Dies wird es unter Beachtung der nachstehenden Erwägungen nachzuholen haben.
- 34
-
1. Die Anforderungen an die Bemühungen des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung eines vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers sind hoch. Es muss sichergestellt sein, dass eine Kündigung unumgänglich ist.
- 35
-
a) Bei der Prüfung, ob eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist gegenüber einem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer zulässig ist, ist zunächst die tarifliche Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes als solche zu berücksichtigen. Stellt schon die tarifliche Regelung selbst dem Arbeitgeber bestimmte Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich bei dringenden betrieblichen Gründen aus einem unzumutbar gewordenen vertraglichen Zustand zu lösen, so hat er zunächst von diesen Gebrauch zu machen. Erst wenn feststeht, dass auch sie versagen, kann eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer in Betracht kommen (BAG 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).
- 36
-
aa) Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass sich der besondere Kündigungsschutz des Klägers aus § 24 des zwischen der Kabel Rheinland-Pfalz/Saarland GmbH & Co. KG und ver.di am 8. August 2002 abgeschlossenen Manteltarifvertrags ergibt. Allerdings ist nicht erkennbar, ob dessen Anwendbarkeit auf beiderseitiger Tarifgebundenheit oder einzelvertraglicher Inbezugnahme beruht. Eine beiderseitige Tarifgebundenheit ist nicht festgestellt. Eine vertragliche Bezugnahme ist zwar in § 2 des „Vertrags zur Änderung des Arbeitsvertrages“ vom 31. Mai/19. Juni 2000 enthalten. Danach unterliegt das Arbeitsverhältnis „den für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung“. Es steht bislang aber nicht fest, dass dazu der genannte Tarifvertrag zählt. Das Landesarbeitsgericht wird den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben und entsprechende Feststellungen zu treffen haben.
- 37
-
bb) Sollte auf das Arbeitsverhältnis die von den Parteien für anwendbar gehaltene tarifliche Bestimmung oder doch eine ihr entsprechende Regelung anzuwenden sein, wäre darin beim Wegfall der Möglichkeit einer Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen die Möglichkeit einer ordentlichen Änderungskündigung vorgesehen. Dies hätte zur Folge, dass eine außerordentliche Beendigungskündigung gegenüber dem Kläger nur in Betracht kommt, wenn selbst eine ordentliche, nicht an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gebundene Änderungskündigung ausscheidet, um das Arbeitsverhältnis als solches zu beiderseits zumutbaren anderen Bedingungen aufrechterhalten zu können.
- 38
-
b) Das Landesarbeitsgericht wird bei der Prüfung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch Arbeitsplätze in Betracht zu ziehen haben, die zwar nicht bei der Beklagten selbst, wohl aber bei einem derjenigen Konzernunternehmen bestehen, die - oder deren Rechtsvorgänger - ebenfalls Parteien des am 12. November 2008 vereinbarten Interessenausgleichs waren.
- 39
-
aa) Das Kündigungsschutzgesetz ist zwar nicht konzernbezogen. Der Arbeitgeber ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem Betrieb eines anderen Unternehmens unterzubringen. Ausnahmsweise kann eine solche Pflicht jedoch bestehen (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 27 mwN, ZIP 2013, 330; grundlegend: 14. Oktober 1982 - 2 AZR 568/80 - BAGE 41, 72). Dies gilt etwa dann, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat oder wenn sich eine solche Verpflichtung aus einer vertraglichen Absprache oder einer in der Vergangenheit geübten Praxis ergibt (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 27, aaO). Weitere Voraussetzung ist, dass der Vertragsarbeitgeber auf die „Versetzung“ einen bestimmenden Einfluss hat. Die Entscheidung über sie darf grundsätzlich nicht dem zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten bleiben. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Möglichkeit der Einflussnahme aufgrund eindeutiger rechtlicher Regelungen oder nur faktisch besteht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - aaO; 26. Juni 2008 - 2 AZR 1109/06 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 180).
- 40
-
bb) Im Streitfall erstreckt sich die Pflicht der Beklagten, Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch außerhalb ihres Unternehmens zu suchen, jedenfalls auf diejenigen Konzernunternehmen, welche - ggf. in Person eines Rechtsvorgängers - Parteien des Interessenausgleichs vom 12. November 2008 sind. Dort haben sich die beteiligten Unternehmen verpflichtet, in jedem Einzelfall vor Ausspruch einer Beendigungskündigung zu überprüfen, „ob unter Berücksichtigung der Anforderungsprofile vorhandener, freier Arbeitsplätze sowie zumutbarer Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen bestehen …“. Als „das Unternehmen“ sind nach der Bezeichnung der Parteien im Interessenausgleich die beteiligten Unternehmen in ihrer Gesamtheit anzusehen.
- 41
-
2. Den hohen materiellrechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines aus betrieblichen Erfordernissen resultierenden wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB entsprechen die prozessualen Anforderungen an den Umfang der Darlegungen des Arbeitgebers(BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2). Der Arbeitgeber hat von sich aus darzutun, dass keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis - ggf. zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzusetzen. Anders als bei der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung reicht es nicht aus, dass er zunächst vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei infolge des Wegfalls seines Arbeitsplatzes nicht möglich, um sodann eine dem widersprechende Darlegung des Arbeitnehmers abzuwarten. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es ist deshalb vom Arbeitgeber darzulegen (BAG 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - aaO). Dass dies - wie die Beklagte meint - für einen „großen“ Arbeitgeber mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, vermag daran nichts zu ändern. Die höhere Darlegungslast ist die Folge des höheren tariflichen Bestandsschutzes.
- 42
-
IV. Die Zurückverweisung umfasst auch den Weiterbeschäftigungsantrag.
-
V. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.
-
Kreft
Berger
Rinck
Krichel
Nielebock
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.