Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 17. März 2016 - 17 Sa 1660/15
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 08.09.2015 – 7 Ca 1224/15 – wird zurückgewiesen unter Klarstellung des Tenors zu 1) wie folgt:
Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet war, in der Zeit vom 16.03.2015 – 30.09.2015 seine Arbeitsleistung gemäß der Weisung der Beklagten vom 23.02.2015 im Team RE1234, Team E /Archiv am Standort C zu erbringen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung, die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers, Vergütungszahlungen an ihn sowie einen Rückzahlungsanspruch der Beklagten
3.
4Der 1962 geborene Kläger war seit dem 01.04.2001 bei ihr beschäftigt. Ursprünglich bestand das Arbeitsverhältnis mit der Deutschen U Immobilien und Service GmbH. Das Arbeitsverhältnis ging auf die Beklagten im Wege der Rechtsnachfolge über. Der Kläger war zuletzt zu einem Bruttolohn von 4.165,- € als Immobilienkaufmann am Standort E1 im Bereich Corporate and Public im Team RE2345 tätig, welches für Betriebskostenabrechnungen zuständig ist. Betriebskostenabrechnungen werden bei der Beklagten zentralisiert am Standort E1 durchgeführt. Bei der Beklagten sind 130 Mitarbeiter als Immobilienkaufleute tätig.
5Das Team RE2345 ist dem Betrieb Real Estate Management (REM) zugerechnet, welcher sich vorrangig mit Verwaltungsaufgaben für das Facility Management beschäftigt und bei welchem zum 28.05.2015 724 Mitarbeiter tätig waren. Aktuell sind dort noch 690 Mitarbeiter beschäftigt.
6In dem mit der Deutschen U Immobilien und Service GmbH geschlossenen Arbeitsvertrag des Klägers vom 02.02.2001 (Bl. 13-15 d.A.) ist u.a. geregelt:
7„§ 1
8Art und Ort der Beschäftigung
91. Der Arbeitnehmer wird im Aufgabenbereich Service Center Nord in N als Immobilienkaufmann vollzeitbeschäftigt.
102. Die E2 ist berechtigt, dem Arbeitnehmer auch eine andere, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit, gegebenenfalls auch unter Veränderung des Arbeitsortes/Einsatzgebietes oder des Aufgabenbereiches zu übertragen. Der Arbeitnehmer ist zuvor zu hören.
113. Die Beteiligung des Betriebsrates bleibt hiervon unberührt.
12§ 2
13Anzuwendende Regelungen (Tarifbindung)
14Das Arbeitsverhältnis unterliegt den für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung.“
15Eine derartige Versetzungsklausel ist in allen von der Beklagten mit ihren Beschäftigten geschlossenen Arbeitsverträgen enthalten.
16§ 4 des Tarifvertrages vom 14.10.1998 (Bl. 291-295 d.A.), geschlossen von der E2 und der Deutschen Postgewerkschaft bestimmt:
17„Versetzung
18Soll ein Arbeitnehmer vorübergehend oder auf Dauer versetzt werden, so sind die Betriebsinteressen mit den Arbeitnehmerinteressen abzuwägen. Ergibt sich nach Abwägung der betrieblichen Interessen die Möglichkeit einer Auswahlentscheidung, so sind soziale Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Der Arbeitnehmer ist vor seiner Versetzung zu hören. Die Beteiligung des Betriebsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz bleibt hiervon unberührt.“
19Die Parteien schlossen 2009 und 2010 Änderungsverträge zum Arbeitsvertrag vom 02.02.2001 (Bl. 16-22 d.A.). Mit Änderungsvertrag vom 21.12.2009 wurde § 1 Abs. 1 des ursprünglichen Arbeitsvertrages dahingehend geändert, dass der Kläger in E1 im Team Competence Center KFM (Vertragsmanagement) als Assistent KFM vollbeschäftigt wurde. Mit Vertrag vom 10.03.2010 wurde er in E1 als Assistent KFM im Bereich RE3456 beschäftigt. Der letzte Änderungsvertrag vom 25.11.2010 enthält folgende Regelungen (Bl. 22 d.A.):
20§ 1
21Änderung des Arbeitsvertrages
22- 1.23
§ 1 Abs. 1 Ihres Arbeitsvertrages (Art und Ort der Beschäftigung) erhält folgende Fassung:
Der Arbeitnehmer wird in E1 als Immobilienkaufmann im Bereich Corporate and Public im Team RE2345 vollbeschäftigt.
252. …
26§ 2
27Schlussbestimmungen
28- 1.29
Alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages bleiben unberührt.
- 2.30
…
Zwischen den Parteien war vor dem Arbeitsgericht Dortmund (Az. 7 Ca 1917/13) ein Kündigungsrechtsstreit anhängig. Mit Urteil vom 17.12.2013 wurde festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24.04.2013 beendet ist, und wurde die Beklagte verurteilt, den Kläger als Immobilienkaufmann in der Abteilung DFMG für den Bereich Betriebskostenabrechnung weiterzubeschäftigen (Bl. 24-37 d.A.). Das Urteil ist nach der Berufungsentscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 03.07.2014 (Az. 15 Sa 169/14) rechtskräftig geworden. Beide Instanzen sahen den Vorwurf des Arbeitszeitbetruges als nicht hinreichend dargelegt an. Der Kläger wurde nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses beschäftigt
32.
33Unter dem 18.03.2014 sendete die Mitarbeiterin M, die im ehemaligen Team des Klägers tätig ist, eine E-Mail an den Betriebsratsvorsitzenden I, worin es heißt: „Wir, das Team RE2345, lehnen eine Zusammenarbeit mit Herrn O in Zukunft ab!“ (Bl. 332 d.A.). Die Mitarbeiterin beschrieb den Kläger als unkollegial und unkooperativ; er habe teamübergreifende Aufgaben ignoriert oder fehlerhaft ausgeführt und die Regelungen zur Vertrauensgleitzeit stark missbraucht.
34Am 25.03.2014 fand ein Gespräch zwischen dem Team RE2345 und dem Betriebsratsvorsitzenden I statt, in dem es um die Rückkehr des Klägers in das Team ging. Dieses blieb bei seiner ablehnenden Haltung gegenüber seiner Rückkehr, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob sämtliche Teammitglieder an dem Treffen teilnahmen.
35Mit E-Mail vom 06.10.2014 informierte die Beklagte den Kläger unter Bezugnahme auf ein Gespräch vom 17.07.2014, er werde ab dem 01.11.2014 zunächst für sechs Monate in ihrem „Archiv-Projekt“ am Standort C eingesetzt. Sie erinnerte zudem an die bereits im Gespräch erörterte Alternative, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufzulösen. Der Prozessbevollmächtigten des Klägers erhob in einer E-Mail vom 08.10.2014 Einwände gegen die Versetzungsankündigung und forderten die Beklagte auf, bis zum 17.10.2014 zu bestätigen, dass sie von der Versetzungsanordnung Abstand nehme (Bl. 175-176 d.A.). Die Beklagte erklärte unter dem 24.10.2014, sie schiebe die Versetzung für die Dauer des Prozessarbeitsverhältnisses vorläufig auf (Bl. 178-179 d.A.).
36Am 28.01.2015 fand ein Gespräch über eine etwaige gütliche Einigung in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers mit dem Mitarbeiter der Personalabteilung der Beklagten U1 statt. Einvernehmliche Lösungen konnten nicht erzielt werden. Die Beklagte lehnte eine Rückkehr des Klägers in das alte Team, der Kläger den Vorschlag ab, einen Aufhebungsvertrag zu schließen.
37Mit Schreiben vom 23.02.2015 teilte die Beklagte ihm mit, dass sie ihn unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages für die Zeit vom 16.03.2015 bis zum 30.09.2015 im Team RE1234, Team E /Archiv, am Standort C einsetzen werde (Bl. 116-117 d.A.). Sie sagte ihm eine Kostenerstattung im Rahmen der doppelten Haushaltsführung für maximal 24 Monate zu und forderte ihn auf, Schlüssel und Zutrittskarten für das Gebäude in E1 spätestens bis zum 06.03.2015 zurückzugeben.
38Immobilienkaufleute dieses Teams wurden im Projekt „Digitalisierung des Liegenschaftsarchivs“ beschäftigt und durch Mitarbeiter des Teams RE4567 unterstützt. Die Aufgaben in dem Projekt sollten nach Vortrag der Beklagten aus Kostengründen vorrangig von eigenen Mitarbeitern und nicht von Leih- und Zeitarbeitnehmern erledigt werden. Daneben bestand ein Projekt „Optimierung der Mietvertragsakten im Archiv“, bei welchem ebenfalls Immobilienkaufleute tätig wurden.
39Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit Schreiben vom 23.02.2015 zu der Versetzung an (Bl. 118 d.A.). Sie fügte der Anhörung ein Begründungsschreiben bei, in welchem sie zum einen auf die Weigerung des Teams in E1, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, zum anderen auf eine fehlende Beschäftigungsmöglichkeit als Immobilienkaufmann am Standort E1 abstellte (Bl. 119 d.A.). Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zur Versetzung nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG. Zur Begründung verwies er auf Beschäftigungsmöglichkeiten im Team 3456 in E1 (Bl. 58 d.A.). Die Beklagte leitete ein Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Frankfurt a.M. (Az. 10 BV 229/15) ein, welches inzwischen für erledigt erklärt wurde.
40Mit anwaltlichen Schreiben vom 09.03.2015 forderte der Kläger sie auf, die Weisung bis zum 12.03.2015 zurückzunehmen. Er bezeichnete die Versetzungsmaßnahme als „willkürlich“ und „bloße Maßregelung“ (Bl. 59-60 d.A.). Die Beklagte hielt mit Schreiben vom 12.03.2015 an der Versetzung fest (Bl. 61-62. d.A.).
41Dem Betriebsrat wurde unter dem 11.03.2015 die vorläufige Umsetzung der Versetzungsmaßnahme gemäß § 100 BetrVG angezeigt (Bl. 121-122 d.A.). Der Kläger wurde im Schreiben vom 12.03.2015 entsprechend unterrichtet. Der Betriebsrat gab zu der vorläufigen Maßnahme keine Stellungnahme ab.
42Der Kläger nahm die Arbeit am Standort C nicht auf.
43Am 26.03.2015 mahnte ihn die Beklagte wegen unerlaubten Fernbleibens von der Arbeit schriftlich ab (Bl. 71-72 d.A.). Er wies die Abmahnung mit anwaltlichen Schreiben vom 01.04.2015 zurück (Bl. 69 d.A.). Unter dem 22.04.2015 erging ebenfalls wegen unentschuldigten Fernbleibens von der Arbeit eine zweite Abmahnung (Bl. 89-90 d.A.).
44Mit E-Mail vom 21.05.2015 äußerte der Betriebsrat durch den Vorsitzenden I Bedenken gegen die inzwischen von der Beklagten beabsichtigte Kündigung (Bl. 100 d.A. 17 Sa 1661/15). Er warf der Beklagten vor, gegen das „kollektive Mobbing“ im Team nicht eingeschritten zu sein, und erklärte, den „ständig formulierte[n] Vertrauensverlust“ nicht nachvollziehen zu können.
45Mit Schreiben vom 28.05.2015, dem Kläger am selben Tage per Boten zugegangen, sprach die Beklagte die fristlose Kündigung, hilfsweise fristgemäße Kündigung zum 31.12.2015 aus (Bl. 115 d.A.). Das Kündigungsschutzverfahren ist beim LAG Hamm (17 Sa 1661/15) anhängig, nachdem das Arbeitsgericht Dortmund mit Urteil vom 08.09.2015 der Kündigungsschutzklage stattgegeben hat.
46Die Beklagte zahlte das Gehalt für den Monat März 2015. Ab April 2015 erfolgten keine Zahlungen mehr. Sie meldete den Kläger bei der Sozialversicherung ab (Bl. 87, 92 d.A.). Er erhielt ab dem 21.04.2015 Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit. Wegen der Einzelheiten wird auf den von ihm mit Schriftsatz vom 11.08.2015 vorgelegten Bewilligungsbescheid (Bl.187-190 d.A.) verwiesen.
47Mit Schreiben vom 25.04.2015 forderte ihn die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 28.04.2015 zur Rückzahlung der ab dem 16.03.2015 bis zum 31.03.2015 geleisteten Vergütung in Höhe von 1.113,66 € auf (Bl. 181 d.A.).
48Mit seiner am 18.03.2015 bei dem Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der Versetzungsmaßnahme. Mit Klageerweiterungen vom 07.04.2015 und 23.04.2015 wehrt er sich gegen die erteilten Abmahnungen, begehrt die Vergütung ab April 2015 bis August 2015 und hat seine Anmeldung zur Sozialversicherung verlangt. Gleichzeitig hat er eine negative Feststellungsklage bezüglich der Rückforderung der Beklagten erhoben.
49Er hat vorgetragen:
50Die Weisung vom 23.02.2015 widerspreche dem Inhalt des Arbeitsvertrages.
51Der Vorbehalt aus § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages aus 2001 sei wegen der arbeitsvertraglichen Konkretisierung des Arbeitsplatzes unbeachtlich.
52Er sei zudem nicht Bestandteil des aktuellen Arbeitsvertrages vom 25.11.2010 geworden. Es sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass durch die Regelung in § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages auch der Versetzungsvorbehalt aufrechterhalten werden sollte. Die Regelung sei intransparent, da die Beklagte durch die Änderungsverträge zum Ausdruck gebracht habe, den Arbeitsort als wesentlichen Vertragsbestandteil anzusehen, der nur aufgrund eines Änderungsvertrages und nicht aufgrund von Weisung abgeändert werden könne. Die Bestimmung sei insofern widersprüchlich, als sie nicht einerseits individualvertraglich einen Arbeitsort festlegen und andererseits einen generellen Vorbehalt einfügen könne. Selbst bei Geltung des § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 erlaube dieser keine vorübergehende Übertragung eines neuen Aufgabenbereiches, so dass die Weisung zur befristeten Ausübung der Arbeitsleistung am Standort C von der Regelung nicht gedeckt sei.
53Die Unwirksamkeit der Weisung ergebe sich auch daraus, dass die gemäß § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 notwendige Anhörung unterblieben sei. Bei dem Gespräch am 28.01.2015 sei eine Versetzung nach C nicht angesprochen worden. Seine Stellungnahmen aus Oktober 2014 könnten für die Versetzungsanweisung vom 23.02.2015 nicht herangezogen werden. Auch seien die Voraussetzungen der Gesamtbetriebsvereinbarung über Mitarbeitergespräch vom 24.02.2010 (Bl. 133-145 d.A. 17 Sa 1661/15) nicht eingehalten worden.
54Die Unwirksamkeit folge weiter aus der fehlenden Beteiligung des Betriebsrates. Der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes in C hätte beteiligt werden müssen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Betriebsrat der Versetzung widersprochen habe. Der Widerspruch beziehe sich auch auf die vorläufige Maßnahme nach § 100 BetrVG. Im Übrigen sei ihm die vorläufige Maßnahme nicht angezeigt worden.
55Die Weisung stelle eine Diskriminierung und Maßregelung dar. Damit werde der Streit aus dem vorhergehenden Kündigungsschutzprozess über einen angeblichen Arbeitszeitbetrug fortgesetzt.
56Die Weisung sei unbillig. Seine Interessen seien nicht berücksichtigt worden. Eine Versetzung sei nicht notwendig gewesen. Dies werde durch die Stellungnahme des Betriebsratsvorsitzenden belegt. Das Team habe sich nur teilweise negativ zu einer Zusammenarbeit mit ihm geäußert. An dem Gespräch mit dem Betriebsratsvorsitzenden seien nicht alle Teammitglieder beteiligt gewesen.
57Eine befristete Versetzung sei nicht zur Herstellung des Betriebsfriedens geeignet. Die Beklagte hätte zudem ihrer Fürsorgepflicht nachkommen und sich schützend vor ihn stellen müssen. Im Übrigen hätten Beschäftigungsmöglichkeiten in E1 bestanden.
58Die Abmahnungen seien rechtswidrig, weil mangels wirksamer Versetzungsanweisung für ihn keine Pflicht zur Erbringung von Arbeitsleistung ab dem 16.03.2015 in C bestanden habe.
59Die Beklagte habe sich in Annahmeverzug befunden. Es habe sich um eine unbillige und damit unverbindliche Weisung gehandelt, die von ihm auch nicht vorläufig habe beachtet werden müssen. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers durchbreche nicht die Regelung in § 315 BGB.
60Deshalb stehe der Beklagten auch kein Rückzahlungsanspruch für die ab dem 16.03.2015 gezahlte Vergütung zu.
61Der Kläger hat nach teilweiser Klagerücknahme beantragt
62- 63
1. festzustellen, dass die Weisung der Beklagten vom 23.02.2015 unwirksam, hilfsweise unverbindlich ist;
- 64
2. festzustellen, dass die Abmahnung der Beklagten vom 26.03.2015 unwirksam ist;
- 65
3. festzustellen, dass die weitere Abmahnung der Beklagten vom 22.04.2015 unwirksam ist;
- 66
4. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnungen vom 26.03.2015 und 22.04.2015 aus der Personalakte zu entfernen;
- 67
5. die Beklagte zu verurteilen, an ihn die ausstehende Vergütung für die Monate April bis August 2015 in Höhe von 20.825,- € brutto abzüglich eines auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Anspruchs für den Leistungszeitraum vom 21.04.2015 bis zum 31.08.2015 in Höhe von 6.133,76 € zu zahlen;
- 68
6. die Beklagte zu verurteilen, ihn ab dem 16.04.2015 erneut bei der Sozialversicherung anzumelden.
Die Beklagte hat beantragt,
70die Klage abzuweisen.
71Widerklagend hat sie beantragt,
72den Kläger zu verurteilen, an sie 1.113,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.04.2015 zu zahlen.
73Der Kläger hat beantragt,
74die Widerklage abzuweisen.
75Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Weisung sei wirksam, und hat vorgetragen:
76Es sei klar gewesen, dass der Arbeitsvertrag aus 2001 Grundlage für die Weisung gewesen sei. Der Versetzungsvorbehalt sei nicht intransparent oder widersprüchlich, sondern entspreche gängiger Praxis und der Bestimmung des § 106 GewO. Die Regelung umfasse auch die Möglichkeit einer befristeten Versetzung. Die Dauer der anderweitigen Aufgabenübertragung sei nicht festgelegt worden und die Klausel diene gerade dem Zweck, auch einen nur vorübergehenden Mehrbedarf an Personal an einem Standort decken zu können.
77Selbst wenn der vertragliche Versetzungsvorbehalt unwirksam sei, habe ihr ein Weisungsrecht aus § 106 GewO zugestanden.
78Die Versetzung sei nicht unbillig, sondern aus betrieblichen Gründen notwendig gewesen. Sie sei als einzige Maßnahme geeignet gewesen, den Betriebsfrieden wiederherzustellen. Der Kläger habe wegen der Spannungen im Team RE2345 dort nicht mehr beschäftigt werden können. Das gesamte Team habe sich gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden gegen seine Rückkehr ausgesprochen. Sie habe ihre Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Mitarbeitern erfüllen müssen. Eine freie Stelle für einen Immobilienkaufmann in E1 und Umgebung habe es nicht gegeben.
79Der Kläger sei ordnungsgemäß angehört worden und habe ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. So sei in dem Gespräch am 28.01.2015 die geplante Versetzung ab Mitte März 2015 bereits bekannt gewesen und angesprochen worden. Der Kläger habe trotz entsprechender Möglichkeit keine Stellung bezogen. Im Übrigen sei dem Anhörungserfordernis mit der Stellungnahme seines Prozessbevollmächtigten vom 08.10.2014 genügt worden.
80Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Mangels unverzüglicher Reaktion auf die Anzeige der vorläufigen Maßnahme sei von seiner Zustimmung auszugehen. In dem aufnehmenden Betrieb in C existiere kein Betriebsrat. Vielmehr sei seit dem 01.01.2015 der Übergangsbetriebsrat in G für beide Betriebe in E1 und C zuständig.
81Sie befinde sich nicht im Annahmeverzug. Der Kläger habe der Weisung jedenfalls bis zur gerichtlichen Feststellung ihrer Unverbindlichkeit nachkommen müssen.
82Er habe grob fahrlässig und böswillig keinen Zwischenverdienst erzielt. Das Angebot der Weiterbeschäftigung in C sei insoweit ausreichend gewesen.
83Ihr stehe ein Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der Zahlungen ab dem 16.03.2015 bis zum 30.04.2015 zu, da er vertragswidrig seine Arbeitsleistung nicht erbracht habe.
84Das Arbeitsgericht Dortmund hat der Klage hinsichtlich der Anträge zu 1), 4) und 5) stattgegeben und sie im Übrigen sowie die Widerklage abgewiesen.
85Es hat ausgeführt:
86Die Anträge zu 2), 3) und 6) seien unzulässig.
87Bei Streit um Abmahnungen liege kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor. Der hilfsweise geltend gemachte Leistungsantrag zu 4) auf Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte sei vorrangig.
88Der Antrag zu 6) sei nicht hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es sei unklar, was mit „Sozialversicherung“ gemeint sei. Zudem komme dem Arbeitgeber bei der Anmeldung nur die Funktion eines Zeugen zu. Der Inhalt einer Zeugenaussage könne nicht Gegenstand einer Klage sein.
89Der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Weisung sei zulässig und begründet.
90Die Versetzung sei wegen Verstoßes gegen den Arbeitsvertrag rechtswidrig. § 106 GewO gelte nur, soweit keine arbeitsvertraglichen Festlegungen vorlägen. § 1 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 enthalte Festlegungen hinsichtlich des Ortes und des Inhaltes der Arbeit. Als Arbeitsort sei E1 vertraglich bestimmt.
91Die Versetzungsklausel in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 sei gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Die Inhaltskontrolle sei eröffnet. Die Klausel gehe über die Bestimmung des § 106 GewO hinaus, da sie keine Weisung nach billigem Ermessen enthalte. Sie stelle eine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar, da sie weder im Hinblick auf die Art noch auf den Inhalt der Arbeit die Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen gewährleiste. Die Formulierung gehe ferner zu weit, denn sie umfasse auch die Zuweisung von minderwertiger Arbeit. Eine geltungserhaltende Reduktion der unwirksamen Klausel sei verboten. Eine Aufspaltung in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil sei nicht möglich.
92Der Antrag zu 4) auf Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte sei begründet, da der Kläger einen Anspruch gemäß §§ 242, 1004 BGB habe. Die Abmahnungen seien rechtswidrig. Wegen der Rechtswidrigkeit der Weisung liege keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung des Klägers vor.
93Er habe die Weisung auch nicht bis zur rechtskräftigen Feststellung der Rechtswidrigkeit vorläufig befolgen müssen, weil sie i.S.v. § 315 Abs. 3 BGB unverbindlich gewesen sei. Andernfalls erfolge eine Sanktionierung einer im Ergebnis rechtmäßigen Verweigerung einer unbilligen Weisung. Maßgeblich für die Beurteilung einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung sei die objektive Rechtslage.
94Der Antrag zu 5) auf Zahlung der Vergütung für die Monate April bis August 2015 sei begründet. Ein Anspruch ergebe sich aus §§ 611 Abs. 1, 615 S. 1 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag. Die Beklagte habe sich im Annahmeverzug befunden. Ein Angebot des Klägers sei nach § 296 BGB entbehrlich gewesen, da sie ihm keinen Arbeitsplatz in E1 zur Verfügung gestellt habe. Er sei i.S.v. § 297 BGB leistungswillig gewesen.
95Hinsichtlich der Anspruchshöhe gelte das Lohnausfallprinzip. Das erhaltene Arbeitslosengeld sei anzurechnen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger böswillig keinen Erwerb erzielt habe, seien nicht ersichtlich.
96Der Widerklageantrag sei unbegründet. Ein Rückzahlungsanspruch bestehe nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, da die Zahlung mit Rechtsgrund erfolgt sei.
97Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 217-230 d.A. Bezug genommen.
98Gegen das ihr am 13.10.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.11.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.01.2016 am 13.01.2016 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend begründet.
99Sie rügt das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts als fehlerhaft, soweit es den Anträgen des Klägers stattgegeben und die Widerklage abgewiesen hat, und trägt vor:
100Die Versetzungsanweisung vom 23.02.2015 sei rechtmäßig.
101E1 sei nicht als fester, unveränderlicher Arbeitsort festgelegt worden. § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 sei von dem Änderungsvertrag vom 25.11.2010 in Bezug genommen worden und Bestandteil des Änderungsvertrages geworden. Anlass für den Abschluss des Änderungsvertrages sei nicht die Festlegung des Arbeitsortes, sondern die Änderung der Tätigkeit des Klägers gewesen. Eine verbindliche und unabänderliche Festlegung eines Arbeitsortes, die für eine Weisung nach § 106 GewO keinen Raum mehr lasse, sei nicht gewollt gewesen. Es handle sich um eine rein deklaratorische Bestimmung. Im Rahmen einer durchzuführenden Gesamtbetrachtung ergebe sich, dass sie sich die Option habe offen halten wollen, den Kläger mit anderen Aufgaben an anderen Orten zu betrauen. Eine solche Gestaltung sei üblich. Sie sei nach den Vorschriften des NachwG zur Angabe eines Arbeitsortes verpflichtet gewesen.
102Die Versetzungsklausel verstoße nicht gegen § 307 Abs. 1 BGB. Die Interessen des Klägers seien durch die Formulierung „entsprechend seiner Leistung und seinen Fähigkeiten“ hinreichend gewahrt.
103Eine Einschränkung des Weisungsrechts ergebe sich auch nicht aus § 4 des Tarifvertrages vom 14.10.1998. Aus diesem folge ebenfalls ein Versetzungsrecht. § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 stehe mit dieser Regelung in Einklang. Die tarifliche Regelung sei nicht nach den §§ 307ff. BGB überprüfbar
104.
105Die Weisung entspreche billigem Ermessen i.S. des § 106 GewO Im Rahmen einer Interessenabwägung sei auf ihrer Seiten zu berücksichtigen, dass eine Tätigkeit des Klägers in seinem alten Team aufgrund der verweigernden Haltung der anderen Mitarbeiter nicht möglich und keine Stelle am Standort E1 vakant gewesen sei. Die befristete Versetzung sei angemessen und sachgerecht. Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit seien nicht ersichtlich, zumal dem Kläger die Erstattung der doppelten Haushaltskosten angeboten worden sei. Eine andere Beschäftigungsmöglichkeit habe nicht bestanden. Eine Rückkehr in das alte Team sei nicht möglich. Die Unstimmigkeiten im Team resultierten nicht aus dem Kündigungsschutzprozess, sondern aus dem Arbeitsverhalten des Klägers. Eine Konfliktlösung unter Mitwirkung des Betriebsratsvorsitzenden habe sie nicht erzielen können. Die vorübergehende Versetzung habe Ruhe in das Team bringen sollen. Im Bedarfsfalle wäre eine Verlängerung der Versetzung möglich gewesen.
106Der Kläger sei ordnungsgemäß angehört worden. Dabei sei auf die Stellungnahme in der E-Mail seines Prozessbevollmächtigten vom 08.10.2014 sowie auf die Möglichkeit der Stellungnahme im Rahmen des Gespräches vom 28.01.2015 abzustellen.
107Die Weisung verstoße nicht gegen die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 24.02.2010, welche sich nur auf Mitarbeitergespräche zur Förderung der Mitarbeiter, nicht aber auf Versetzungen beziehe.
108Das Mitbestimmungsverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Durch Vereinbarung vom 12.12.2014 mit dem Gesamtbetriebsrat sei der angehörte Betriebsrat des regionalen Betriebs West als Übergangsbetriebsrat für die Sparte REM festgelegt worden. Am 18.06.2015 sei ein Spartenbetriebsrat für den seit dem 01.01.2015 existierenden Spartenbetrieb REM neu gewählt worden. Aus der Anlage 2 des Zuordnungstarifvertrags vom 22.01.2015 (Bl.344 d. A.) ergebe sich die Zuständigkeit des Betriebsrats am Standort G der Sparte REM für alle Betriebsteile und Nebenbetriebe dieser Sparte.
109Die Abmahnungen seien angesichts der Rechtmäßigkeit der Weisung zu Recht erfolgt. Selbst bei einer unbilligen Versetzungsmaßnahme habe der Kläger seine Arbeitspflicht verletzt. Dies ergebe sich aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.02.2012, wonach eine unbillige Weisung nicht nichtig, sondern allenfalls nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich sei.
110Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs lägen mangels Leistungswillens nicht vor. Jedenfalls müsse er sich die durch die Nichtaufnahme der Tätigkeit in C entgangene Vergütung gemäß § 615 Satz 2 BGB anrechnen lassen. Ein böswilliges Unterlassen eines Erwerbs i.S.v. § 615 Satz 2 BGB könne auch vorliegen, wenn der Arbeitnehmer eine vertraglich nicht geschuldete Arbeitsleistung ablehne, die der Arbeitgeber aufgrund eines Arbeitsverhältnisses verlange.
111Sie habe deshalb auch einen Anspruch auf Rückzahlung der für die Zeit vom 16.03.2015 bis zum 31.03.2015 gezahlten Vergütung in Höhe von 1.113,66 € nebst Zinsen.
112Die Beklagte beantragt,
113unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Dortmund, Az. 7 Ca 1224/15
1141. die Klage abzuweisen;
1152. den Kläger zu verurteilen, an sie 1.113,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.04.2015 zu zahlen.
116Der Kläger beantragt,
117die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass der Feststellungsantrag zu 1) wie folgt klargestellt wird:
118festzustellen, dass er nicht verpflichtet war, in der Zeit vom 16.03.2016 – 30.09.2016 seine Arbeitsleistung gemäß Weisung der Beklagten vom 23.02.2015 im Team RE1234, Team E/Archiv am Standort C zu erbringen.
119Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt aus:
120Die Weisung verstoße gegen die arbeitsvertraglichen Bestimmungen, welche Vorrang vor § 106 GewO hätten. Für die Frage des Arbeitsortes sei der Änderungsvertrag vom 25.11.2010 und nicht der ursprüngliche Arbeitsvertrag vom 02.02.2001 maßgeblich. Der Änderungsvertrag sei ausschließlich zur Festlegung des Arbeitsortes abgeschlossen worden. Die Formulierung in § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages „Alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrags bleiben unberührt“ habe er nur so verstehen können, dass sie sich nicht auf den Arbeitsort bezogen habe. Die Formulierung sei unklar.
121Jedenfalls sei aus dem Arbeitsvertrag vom 02.02.2001 kein Weisungsrecht der Beklagten herzuleiten. Ihr habe über den allgemeinen Vorbehalt in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 nicht das Recht eingeräumt werden sollen, die Festlegung des Arbeitsortes in § 1 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 einseitig aufheben zu können. § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 könne nur dahin verstanden werden, dass Änderungen einer vertraglichen Regelung bedürften. Diese Auslegung sei auch von der Beklagten angenommen worden, da ansonsten kein Bedürfnis für den Abschluss der nachfolgenden Änderungsverträge bestanden hätte. Zudem sei § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 zu unbestimmt. Aus dem Wortlaut ergebe sich nicht, dass auch vorläufige oder befristete Maßnahmen von dem Vorbehalt erfasst würden, so dass nur dauerhafte Übertragungen gemeint seien.
122Darüber hinaus sei § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 deshalb unwirksam, weil die Regelung die Arbeitnehmerinteressen nicht hinreichend berücksichtige.
123Die Weisung entspreche nicht billigem Ermessen. Sie sei darauf angelegt, das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund im Kündigungsschutzprozess zu unterlaufen, ihn zu diskriminieren und zu maßregeln. Eine Störung des Betriebsfriedens sei nicht ausreichend dargelegt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, inwiefern die Versetzung angesichts der Befristung auf sechs Monate zur Herstellung des Betriebsfriedens geeignet gewesen sein sollte.
124Die Weisung sei auch aufgrund von Verfahrensverstößen unwirksam.
125Er sei nicht angehört worden. Erörterungen zu seiner Versetzung in 2014 seien unerheblich. Sie seien zeitlich überholt und außer Kraft gesetzt. Die Notwendigkeit einer erneuten Anhörung sei auch daran zu erkennen, dass der Betriebsrat in 2015 beteiligt worden sei und die Beklagte eine neue Versetzungsanweisung erteilt habe. Im Gespräch vom 28.01.2015 sei er nicht angehört worden. Ihm sei lediglich erklärt worden, dass er mit benachteiligenden Maßnahmen rechnen müsse.
126Das Verfahren aus der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 24.02.2010, welche ebenfalls eine Anhörung der Arbeitnehmer vorsehe, sei nicht eingehalten worden.
127Die Beklagte habe auch nicht § 4 des Tarifvertrages beachtet, welcher eine Abwägung und eine Auswahlentscheidung vorschreibe.
128Es fehle weiter an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrates. Sowohl der abgebende als auch der aufnehmende Betriebsrat hätten mitbestimmen müssen. Eine Entscheidung des Betriebsrates sei angesichts des Umstands, dass das Beteiligungsschreiben dasselbe Datum wie die Weisung ausweise, nicht abgewartet worden.
129Die Abmahnungen seien unwirksam. Er habe die Weisung nicht vorläufig befolgen müssen, da sie nicht nur unbillig, sondern aus sonstigen Gründen unwirksam sei. In diesem Fall bestehe nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.02.2012 keine vorläufige Bindung.
130Er habe Anspruch auf Annahmeverzugslohn. Eine böswillige Unterlassung anderweitigen Erwerbs könne ihm nicht unterstellt werden, da die Tätigkeit in C unzumutbar gewesen sei. Eine Notlage der Beklagten, die einen vorübergehenden Einsatz gefordert hätte, habe nicht vorgelegen. Auch sei keine Auswahlentscheidung im Vergleich mit anderen Arbeitnehmern getroffen worden.
131Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
132Das Berufungsgericht hat die Akten 15 Sa 169/14 – Landesarbeitsgericht Hamm - beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
133Entscheidungsgründe
134A.
135Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 08.09.2015 ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b) ArbGG an sich statthaft und gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
136B.
137Sie ist aber unbegründet. Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht der Klage hinsichtlich der Anträge zu 1), 4) und 5) stattgegeben.
138I.
1391.
140Der Feststellungsantrag zu 1) ist zulässig.
141a.
142Die Klarstellung des Klägers in der Berufungsinstanz enthält hinsichtlich des angegebenen Zeitraums ein offenkundiges Versehen und ist entsprechend dahin zu verstehen, dass er die Feststellung bezogen auf seine Arbeitspflicht in C in der Zeit vom 16.03.2015 – 30.09.2015 begehrt.
143b.
144Der Feststellungsantrag ist nach § 256 Abs. 1 ZPO unzulässig.
145Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Das besondere Feststellungsinteresse muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens gegeben sein und ist von Amts wegen zu prüfen (BAG 17.10.2007 – 4 AZR 1005/06, Rdnr. 14, NZA 2008, 713).
146Die Weisung der Beklagten bezieht sich auf einen abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit. Für eine vergangenheitsbezogene Feststellungsklage ist es notwendig, dass sich die Rechtsfolgen noch auf die Gegenwart und Zukunft auswirken. Das Feststellungsinteresse fehlt, wenn dem Arbeitnehmer ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, um sein Ziel zu erreichen (BAG 16.11.2011 – 4 AZR 839/09, Rdnr. 23, 24). Das gilt insbesondere dann, wenn der Kläger gleichzeitig eine Leistungsklage erhebt, mit der alle denkbaren Ansprüche aus dem streitigen Rechtverhältnis erfasst sind (BAG 17.10.2007 – 4 AZR 1005/06, Rdnr. 18, NZA 2008, 713).
147Der Kläger hat neben dem Feststellungsantrag bezüglich der Abmahnungen und der Annahmeverzugslohnansprüche Leistungsanträge gestellt und die auf der Weigerung, die Arbeit in C aufzunehmen, beruhende Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Kündigungsschutzklage angegriffen. Die Rechtsfolgen der Weisung werden im Rahmen dieser Leistungsanträge und des Kündigungsschutzantrags abschließend erfasst.
148c.
149Der Feststellungsantrag ist jedoch als Zwischenfeststellungsantrag nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.
150Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann der Kläger zugleich mit der Hauptklage auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, vorgreiflichen Rechtsverhältnisses klagen. Damit wird ein Element aus der Gesamtentscheidung verselbständigt und mit eigener Rechtskraft versehen. Grund hierfür ist die Eignung dieses Elements, über den konkreten Einzelfall hinaus, der mit der Hauptklage entschieden wird, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten herzustellen. Eine Zwischenfeststellungsklage bedingt daher, dass die Frage nach dem Bestehen des entsprechenden Rechtsverhältnisses notwendig auch bei der Entscheidung über den Hauptantrag beantwortet werden muss, aber darüber hinaus auch für andere denkbare Folgestreitigkeiten Bedeutung haben kann. Diese Vorgreiflichkeit ersetzt die ansonsten notwendige Voraussetzung eines Feststellungsinteresses (BAG, 17.10.2007 – 4 AZR 1005/06, Rdnr. 20, NZA 2008, 713). Die Zwischenfeststellungsklage ist auch dann zulässig, wenn mit der Hauptklage mehrere selbstständige Ansprüche aus demselben Rechtsverhältnis verfolgt werden, mögen sie auch in ihrer Gesamtheit die Ansprüche erschöpfen, die sich aus ihm überhaupt ergeben können, weil in allen Fällen Teilurteile ergehen könnten und deshalb die Entscheidung über das zugrunde liegende Rechtsverhältnis Bedeutung für nachfolgende Teilurteile und für das Schlussurteil haben könnte (BGH 13.10.1967 – V ZR 83/66, Rdnr. 25, MDR 1968, 36; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 256 ZPO Rdnr. 26).
151Die begehrte Feststellung, ob der Kläger die Arbeitsleistung in C erbringen musste, ist vorgreiflich für seine weiteren, in diesem Verfahren anhängigen Sachanträge. Von der Feststellung hängen die Ansprüche auf Entfernung der Abmahnung und die Zahlungspflicht des Annahmeverzugslohns ab. Darüber hinaus ist die Feststellung auch maßgeblich für den anhängigen Rechtsstreit über die außerordentliche Kündigung vom 28.05.2015, wobei allerdings bei der Frage nach der Vorgreiflichkeit nur auf Sachanträge in dem Verfahren abzustellen ist, in dem die Zwischenfeststellungsklage erhoben wird (BAG 03.09.1997 – 5 AZR 543/96, Rdnr.12).
1522.
153Der Feststellungsantrag ist begründet. Der Kläger war nicht verpflichtet, in der Zeit vom 16.03.2015 bis 30.09.2015 seine Arbeitsleistung gemäß der Weisung der Beklagten vom 23.02.2015 am Standort C zu erbringen.
154a.
155Die Beklagte hat ein uneingeschränktes Direktionsrecht nach Maßgabe des § 106 Satz 1 GewO hinsichtlich des Arbeitsortes des Klägers.
156Gemäß § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
157aa.
158Das Weisungsrecht aus § 106 Satz 1 GewO hinsichtlich des Arbeitsortes wird nicht durch die arbeitsvertraglichen Regelungen beschränkt.
159(1)
160Eine Einschränkung des Weisungsrechtes durch Konkretisierung des Arbeitsortes liegt nicht vor. Die Versetzung an einen anderen Ort kraft Ausübung des Direktionsrechts ist nicht möglich, wenn sich die die Arbeitspflicht durch die tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers auf eine fest umrissene Tätigkeit konkretisiert hat (LAG Köln, 03.11.1983 – 3 Sa 915/83 ArbuR 1984, 285).
161Konkretisierung bedeutet, dass sich die inhaltlich, zeitlich und/oder örtlich unveränderte Zuweisung einer Tätigkeit nach längerer Zeit dahin auswirken kann, dass sie als arbeitsvertragliche Festlegung wirkt. Dazu gehört jedoch nicht nur der bloße Zeitablauf, selbst wenn er mehrere Jahrzehnte ausmacht. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich ausnahmsweise ergibt, dass der Arbeitnehmer nicht mehr in anderer Weise eingesetzt werden soll (BAG 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, Rdnr.47, NJW 2006, 3303). Der Maßstab für die Annahme einer Konkretisierung ist streng. Besondere Umstände müssen als Ausdruck eines entsprechenden Bindungswillens des Arbeitgebers aufzufassen sein (BAG 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, Rdnr. 50 f., AP Nr. 26 zu § 307 BGB; MünchArbR/Reichold, 3. Aufl., § 36 Rdnr. 16; Tettinger/Wank/Ennuschat, Gewerbeordnung, 8. Auflage, § 106 GewO Rdnr. 24). In der Regel kann nicht von einer Konkretisierung der Tätigkeit durch schlüssiges Verhalten des Arbeitgebers mit der Folge ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber sein Direktionsrecht aufgibt (LAG Schleswig-Holstein 12.02.2002 – 5 Sa 409 c/01, Rdnr. 27, DB 2002, 1056).
162Der Kläger war nach dem Arbeitsvertrag vom 02.02.2001 zunächst im Service Center Nord in N beschäftigt. Erst seit Abschluss des ersten Änderungsvertrages mit der Beklagten vom 21.12.2009 ist er am Standort E1 beschäftigt. Insofern ist bereits zweifelhaft, ob die Beschäftigungszeit in E1 von ca. 5 Jahren und 2 Monaten für eine Konkretisierung ausreicht. Besondere Umstände, die auf einen entsprechenden Bindungswillen der Beklagten schließen lassen, sie wolle ihn ausschließlich in E1 beschäftigen, sind nicht vorgetragen.
163(2)
164Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG 19.01.2011 – 10 AZR 738/09, Rdnr. 12, DB 2011, 1056).
165§ 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 hat ursprünglich bestimmt, dass der Kläger als Immobilienkaufmann in N beschäftigt wird. Mit Änderungsvertrag vom 21.12.2009 änderten die Parteien Arbeitsinhalt – Assistent KFM – und Arbeitsort – E1. Mit Vertrag vom 10.03.2010 erfolgte ein Einsatz des Klägers unverändert in E1, allerdings als Assistent KFM im Bereich RE3456. Der zuletzt abgeschlossene Änderungsvertrag vom 25.11.2010 enthält eine neue Vereinbarung dahin, dass er in E1 als Immobilienkaufmann im Bereich Corporate and Public im Team RE3300 beschäftigt werden sollte. Gemäß § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 sollten die übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 jedoch unberührt bleiben. § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 enthält eine Vorbehaltsklausel.
166(a)
167Die Bestimmung von Arbeitsort und -inhalt in § 1 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 kann als konstitutive Vereinbarung ausgelegt werden.
168Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich bei den arbeitsvertraglichen Klauseln in dem Änderungsvertrag sowie in dem Ausgangsvertrag aus 2001 um Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB handelt. Die Feststellungen des Arbeitsgerichtes wurden insoweit nicht angegriffen. Selbst wenn sie nicht in einer Vielzahl von Verträgen der Beklagten mit Arbeitnehmern verwendet werden, gilt § 310 Abs.3 BGB, da die Beklagte die Vertragsbedingungen gestellt hat.
169Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ausgangspunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Für das Auslegungsergebnis von Bedeutung sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 20.11.2014 – 2 AZR 512/13, Rdnr.39, 40, DB 2015, 1105; 25.08.2010 – 10 AZR 275/09, Rdnr. 19, NZA 2010, 1355).
170(aa)
171Die Parteien haben in § 2 des Änderungsvertrags vom 25.11.2010 auf die durch die Änderung nicht berührten Vereinbarungen in dem Arbeitsvertrag vom 02.02.2001, damit auch auf die Regelung des Weisungsrechts der Beklagten in § 1 Nr.2 Bezug genommen.
172Regelmäßig bedeutet die Bestimmung eines Arbeitsortes in Kombination mit einer vorbehaltenen Versetzung innerhalb des gesamten Unternehmens nicht, dass der Ort der Arbeitsleistung auf die vertragliche Festlegung beschränkt ist. Das Zusammenspiel der Vereinbarungen verhindert die Beschränkung auf einen bestimmten Ort (BAG, 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, Rdnr. 27, AP Nr. 45 zu § 307 BGB). Dadurch wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll (BAG 28.08.2013 – 10 AZR 569/12, Rdnr. 19, AP Nr. 26 zu § 106 GewO).
173(bb)
174Für eine Auslegung als konstitutive Festlegung des Arbeitsortes in § 1 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 spricht, dass die Parteien in den letzten Änderungsvertrag zum ursprünglichen Arbeitsvertrag die geschuldete Arbeitsleistung und den Arbeitsort, sogar die Zuordnung zu einem bestimmten Team am Arbeitsort ausdrücklich aufgenommen haben. Durch die schriftliche Fixierung kommt zum Ausdruck, dass sie den abgeänderten Arbeitsbedingungen eine besondere Bedeutung beimessen. Sie haben nicht nur eine Vereinbarung zum Arbeitsinhalt getroffen, wobei die Zuweisung zu einem bestimmten Team sowohl Arbeitsort als auch –inhalt kennzeichnet.
175Auch die Begleitumstände sprechen für eine Auslegung als konstitutive Festlegung. Die Parteien haben bei jeder Änderung hinsichtlich des Arbeitsortes und des Arbeitsinhalts Änderungsverträge abgeschlossen, mit denen § 1 Abs.1 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001, also die Vereinbarung über „Art und Ort der Beschäftigung“, abgeändert wurde. Der Aufbau ist in allen Änderungsverträgen gleich. § 1 benennt jeweils sowohl die Beschäftigungsart als auch den Beschäftigungsort des Klägers. Eine Veränderung bezogen auf den Ort oder Inhalt der Arbeitsleistung in einer anderen Form, etwa durch mündliche oder schriftliche Weisung, hat die Beklagte im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses nicht vorgenommen. Diese Praxis spricht dafür, dass die Parteien ihre schriftlichen Regelungen zum Leistungsort und –inhalt als konstitutiv betrachteten.
176§ 1 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 unterliegt als Hauptabrede nicht der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern lediglich der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (BAG 19.01.2011 – 10 AZR 738/09, Rdnr. 16, BB 2011, 1468). Anhaltspunkte für eine Intransparenz der Regelung sind nicht ersichtlich.
177Ist der Arbeitsort wie hier vertraglich festgelegt worden, kann er grundsätzlich nicht durch Weisung des Arbeitgebers nach § 106 GewO geändert werden.
178(b)
179Das Weisungsrecht ist jedoch durch den Versetzungsvorbehalt in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 i.V.m. § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 mit dem Inhalt des § 106 GewO erweitert worden.
180(aa)
181Der Versetzungsvorbehalt aus § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 ist über § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010. wirksam in den Arbeitsvertrag einbezogen worden
182Es liegt keine überraschende Klausel i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB vor. Obwohl § 310 Abs.3 Nr.2 BGB die Vorschrift nicht in Bezug nimmt, gilt das Überraschungsverbot als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch bei AGB-Klauseln i.S.d. § 310 Abs.3 BGB (MüKoBGB/Basedow, 7.Auflage, § 310 BGB Rdnr.98; BeckOK/Becker, BGB, § 310 BGB, Rdnr.18).
183Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat überraschenden Charakter im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser den Umständen nach vernünftigerweise nicht mit ihr zu rechnen braucht. Überraschenden Klauseln muss ein „Überrumpelungs- und Übertölpelungseffekt“ innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Die berechtigten Erwartungen des Vertragspartners bestimmen sich nach den konkreten Umständen bei Vertragsschluss ebenso wie nach der Gestaltung des Arbeitsvertrags, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild. So kann der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen. Im Einzelfall kann der Verwender gehalten sein, auf die Klausel besonders hinzuweisen oder sie drucktechnisch hervorzuheben (BAG 19.01.2011 – 10 AZR 738/09, Rdnr. 22, BB 2011, 1468).
184Es ergibt sich kein Überrumpelungseffekt daraus, dass der Kläger hinsichtlich des Versetzungsvorbehaltes auf den Vertrag vom 02.02.2001 zurückgreifen muss. Der Rückgriff auf den Arbeitsvertrag vom 02.02.2001 ist hier bereits aufgrund der äußeren Gestaltung erkennbar. Der Vertrag vom 25.11.2010 ist als „Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag“ überschrieben. Die Vereinbarungen wurden ausdrücklich „in Abänderung des bestehenden Arbeitsvertrages“ getroffen. § 1 ist mit „Änderung des Arbeitsvertrages“ in Fettdruck überschrieben, so dass die konkreten Abänderungen eindeutig erkennbar sind. Die Bezugnahme auf die übrigen nicht berührten Bestimmungen des ursprünglichen Arbeitsvertrages ist in der ersten Nummer unter § 2 „Schlussbestimmungen“ - einziger weiterer Paragraph in dem Änderungsvertrag neben der Abänderungsklausel - nicht an einem versteckten Ort angeführt. Im Übrigen folgt bereits aus der lediglich beschränkten Änderung in § 1, dass der alte Arbeitsvertrag hinsichtlich der nicht veränderten Regelungen weitergelten sollte. Ein „Zusammensuchen“ der anzuwendenden Vertragsbedingungen geht mit dieser Gestaltung nicht einher. Für den Empfänger kommt klar zum Ausdruck, dass der Arbeitsvertrag aus 2001 das „Grundwerk“ bildet und lediglich die jeweiligen Änderungen des zuletzt abgeschlossenen Änderungsvertrages, hier des Vertrages vom 25.11.2010, „hineinzulesen“ sind. Die Änderungen bauen aufeinander auf. Bereits die vorgehenden Änderungsverträge, in denen jeweils Änderungen in Bezug auf Arbeitsort und/oder -inhalt vereinbart wurden, beinhalteten einen Verweis auf den Vertrag aus 2001, so dass immer klar war, dass der ursprüngliche Vertrag hinsichtlich der übrigen Bestimmungen weitergelten sollte.
185Der Versetzungsvorbehalt selbst befindet sich auch nicht an einer überraschenden Stelle in dem Arbeitsvertrag vom 02.02.2001. Er folgt unmittelbar auf die Klausel, die Bestimmungen zum Arbeitsort und zur Tätigkeit enthält.
186(bb)
187Er erfasst auch die nur vorübergehende Versetzung.
188Die Klausel räumt der Beklagten das Recht ein, dem Kläger andere Tätigkeiten zu übertragen. Sie greift explizit auf, dass mit der Übertragung unter Umständen auch eine Veränderung des Arbeitsortes einhergehen kann.
189Der Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags aus 2001 verhält sich nicht ausdrücklich zur zeitlichen Ausgestaltung der Versetzung. In der Klausel wurde die Formulierung „Übertragung“ gewählt. Diese schließt vom Wortsinn nicht per se einen nur befristeten Einsatz an einem anderen Ort oder Bereich aus. „Übertragen“ werden auch zeitlich begrenzte Tätigkeiten. Nach dem objektiven Empfängerhorizont impliziert die Regelung nicht nur Versetzungen auf Dauer (zum Begriff „Zuweisung“ vgl. BAG 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, Rdnr. 24 f., AP Nr. 17 zu § 307 BGB).
190Daneben spricht auch der Zweck der Regelung für dieses Verständnis. Der Arbeitgeber will mit der Vereinbarung eines Versetzungsvorbehaltes Flexibilisierungs- und Anpassungsmöglichkeiten erreichen. Ausgehend von dieser Intention ist für den Arbeitnehmer erkennbar, dass sich der Arbeitgeber durch eine solche Vertragsregelung nicht nur dauerhafte, sondern im Bedarfsfalle auch temporäre Versetzungen offenhalten will.
191(cc)
192Der Versetzungsvorbehalt ist nach §§ 305ff. BGB wirksam.
193(cc.1)
194Die am 01.01.2002 in Kraft getretenen Regelungen der §§ 305ff. BGB sind auf die am 02.02.2001 vereinbarte Versetzungsklausel anwendbar. Auch Altklauseln sind nach ihrer Maßgabe zu überprüfen. Gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB gilt seit dem 01.01.2003 das BGB für Dauerschuldverhältnisse in der neuen Fassung.
195(cc.2)
196Die Klausel ist nicht gemäß § 308 Nr.4 BGB unwirksam, da die Vorschrift nur einseitige Bestimmungen hinsichtlich der Leistungen des Verwenders erfasst (BAG 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, Rdnr. 37, AP Nr.26 zu § 307 BGB).
197(cc.3)
198Sie enthält keine unangemessene Benachteiligung des Klägers i.S.d. § 307 Abs.1 Satz 1 BGB. Sie weicht nicht von dem Regelungsgehalt des § 106 GewO ab.
199Nach der Vertragsklausel ist die Beklagte berechtigt, dem Kläger u.U. unter Veränderung des Arbeitsortes andere Tätigkeiten entsprechend seinen Kenntnissen und Fähigkeiten zuzuweisen.
200Bedenken könnten bestehen, weil die Vertragsregelung anders als § 106 GewO nicht ausdrücklich eine Interessenabwägung nach billigem Ermessen fordert. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.
201Das Direktionsrecht steht der Beklagten jedoch nur unter dem Vorbehalt der Beachtung auch der Interessen des Klägers zu. Das ergibt die Auslegung der vertraglichen Regelung.
202Die Zuweisung darf nur entsprechend seinen Kenntnissen und Fähigkeiten erfolgen. Somit kann sich die Beklagte nicht ausschließlich von ihren eigenen Interessen leiten lassen. Sie hat einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen beider Vertragspartner herbeizuführen (vgl. zur Zuweisungsklausel „nach Leistungen und Fähigkeiten“ BAG 13.03.2007 a.a.O. Rdnr. 41). Hier haben die Parteien darüber hinaus eine Verfahrensregelung vereinbart, die sicherstellt, dass die Beklagte die Interessen des Klägers zur Kenntnis nimmt. Er ist nämlich vor der Ausübung des Weisungsrechts anzuhören.
203Unter Berücksichtigung des Besonderheiten des Arbeitsrechts, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, sind Weisungsklauseln als Instrumente der Flexibilisierung und Anpassung an geänderte Verhältnisse nicht grundsätzlich unangemessen, zumal der Arbeitnehmer im Falle einer betriebsbedingten Kündigung für die ihm abverlangte Flexibilität einen größeren Schutz bei der Sozialauswahl erlangt (BAG 13.03.2007 a.a.O. Rdnr. 41, 42).
204Die Klausel ist auch nicht deshalb unangemessen benachteiligend, weil sie die Zuweisung einer geringwertigeren Tätigkeit nicht ausschließt. Hat sich der Arbeitgeber vorbehalten, dem Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz mit einer geringwertigeren Tätigkeit zuzuweisen, so liegt ein so schwerwiegender Eingriff in den Inhaltsschutz des Arbeitsverhältnisses vor, dass von einer Unvereinbarkeit i.S.d. § 307 Abs.2 Nr.1 BGB auszugehen ist (BAG 09.05.2006 – 9 AZR 424/05, Rdnr. 23, NZA 2007, 145). Eine Klausel, die die Gleichwertigkeit der übertragenen Tätigkeit voraussetzt, stellt keine Abweichung von § 106 Satz 1 GewO dar (BAG 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, Rdnr. 24 ff., AP Nr. 45 zu § 307 BGB; BAG 13.03.2007 a.a.O. Rdnr. 41).
205Das Erfordernis der Gleichwertigkeit ist vorliegend erfüllt. Durch die Beschränkung auf Tätigkeiten, die den Kenntnissen und Fähigkeiten des Arbeitnehmers entsprechen, wird sichergestellt, dass der Arbeitgeber seinen Ermessenspielraum so auszuüben hat, dass er den Arbeitnehmer nicht auf eine seinen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht gerecht werdende Stelle versetzen kann. Für einen objektiven Empfänger ergibt sich, dass er insbesondere keine Tätigkeiten übertragen darf, die auch mit geringerer Qualifikation ausgeübt werden können.
206Die Berücksichtigung der Interessen des Klägers ist nicht fakultativ ausgestaltet, sondern muss zwingend erfolgen (anders insofern: BAG 09.05.2006 – 9 AZR 424/05, Rdnr. 2, 20, BAGE 118, 184; LAG Hamm 06.11.2007 – 14 SaGa 39/07 – Rdnr. 48).
207(cc.4)
208Die Klausel in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 verstößt nicht gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
209Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben (BAG 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, Rdnr. 40, AP Nr. 17 zu § 307 BGB).
210Dass § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 keine Vorgaben zu Ankündigungsfristen, maximalen Entfernungen und möglichen Anlassgründen für eine Versetzung enthält, ist unschädlich. Versetzungsklauseln müssen keine Ankündigungsfristen oder Angaben zu einem zulässigen Entfernungsradius enthalten. Andernfalls könnte dem spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis, dem sie gerade dienen sollen, nicht Rechnung getragen werden. Zudem würde ein derartiger Konkretisierungszwang lediglich zu Leerformeln führen, die die Transparenz nicht fördern (BAG 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, Rdnr. 31, AP Nr. 45 zu § 307 BGB). Es ist insbesondere nicht erforderlich, abschließend den konkreten Anlass oder die konkreten Anlässe aufzuführen, die zu einer örtlichen Versetzung führen können. Ebenso wenig müssen die konkreten Orte aufgezählt werden, zu denen eine Versetzung angeordnet werden kann (Hessisches LAG 13.01.2006 – 17 Sa 883/05, Rdnr. 82).
211(3)
212Selbst wenn die Vereinbarung in § 1 Nr.1 des letzten Änderungsvertrags zur Tätigkeit des Klägers und zum Arbeitsort nicht als konstitutive Vereinbarung ausgelegt wird, ergibt sich kein anderes Ergebnis, da der Versetzungsvorbehalt nicht über den Regelungsgehalt des § 106 Satz 1 GewO hinausgeht. Hinsichtlich der Versetzungsbefugnis des Arbeitgebers spielt es insofern keine Rolle, ob im Arbeitsvertrag kein Arbeitsort festgelegt worden ist und der Arbeitgeber somit Weisungen nach § 106 S. 1 GewO vornehmen kann oder eine arbeitsvertragliche Festlegung mit einer Versetzungsbefugnis vereinbart wurde (BAG 20.11.2014 – 2 AZR 512/13, Rdnr.39, 40, DB 2015, 1105; Gragert, in: Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 3. Aufl., § 13 Rdnr. 9).
213(bb)
214Das Weisungsrecht wird nicht durch § 4 des Tarifvertrages vom 14.10.1998 eingeschränkt, der über § 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 anwendbar ist.
215Die Regelung schließt das Weisungsrecht nicht aus oder beschränkt es, sondern enthält lediglich Vorgaben zur inhaltlichen Ausgestaltung.
216bb.
217Die konkrete Weisung ist nicht nichtig, aber unbillig.
218(1)
219Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass dem Kläger eine gleichwertige, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zugewiesen wurde. Er sollte auch am Standort C als Immobilienkaufmann eingesetzt werden.
220(2)
221Ob er gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 und § 4 Satz 3 des Tarifvertrages vom 14.10.1998 angehört wurde, ist unerheblich. Es kann auch dahinstehen, ob eine Anhörung nach den Maßstäben der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 24.10.2010 durchzuführen gewesen wäre, wie der Kläger meint.
222Das Anhörungsrecht folgt aus dem durch gegenseitiges Vertrauen geprägten Grundsatz, dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Äußerung vor einer nachteiligen Maßnahme zu geben. Ein bestimmtes Verfahren ist nicht vorgesehen. Es soll gewährleistet sein, dass der Arbeitnehmer seine Interessen benennt, der Arbeitgeber sie zur Kenntnis nimmt und bei der Interessenabwägung berücksichtigt (zum Anhörungserfordernis nach § 4 Abs. 1 TVöD Sponer/Steinherr, TVöD, Stand 2016, § 4 Rdnr. 76f.).
223Die Verletzung des Anhörungserfordernisses hat nicht die Nichtigkeit der Weisung zur Folge, sondern kann allenfalls Schadensersatzansprüche auslösen. Der Arbeitgeber kann bei Verschulden für etwaig entstehende Schäden haftbar gemacht werden (LAG Niedersachen 15.10.2010 – 6 Sa 282/10, Rdnr. 45, LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 8; Breier/Dessau u.a. § 4 TVöD Rdnr.46; Sponer/Steinherr a.a.O. § 4 Rdnr. 79).
224Auch wenn das Bundesarbeitsgericht in älteren Entscheidungen zu Bühnentarifverträgen (BAG 11.03.1982 – 2 AZR 233/81, Rdnr. 45, EzA § 4 TVG Bühnen Nr. 1; 18.04.1986 – 7 AZR 114/85, Rdnr. 17, AP Nr. 27 zu § 611 Bühnenengagementsvertrag) das Anhörungserfordernis vor einer Nichtverlängerungsmitteilung als Wirksamkeitsvoraussetzung beurteilt hat, folgt daraus kein anderes Ergebnis. Anders als hier enthielten die maßgebliche Regelungen des § 2 Abs. 5 TVM bzw. § 24 Abs. 4 des Normalvertrags Tanz einen ausdrücklichen Hinweis auf die Rechtsfolge der Unwirksamkeit im Falle unterbliebener oder fehlerhafter Anhörung.
225(3)
226Die Mitbestimmung des Betriebsrates erfolgte ordnungsgemäß.
227Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann der Arbeitgeber, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, die personelle Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorläufig durchführen, bevor der Betriebsrat sich geäußert oder wenn er die Zustimmung verweigert hat. Vorliegend hat der Betriebsrat in G seine Zustimmung zur Versetzung nach Beteiligung gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG mit Schreiben vom 05.03.2015 verweigert.
228(a)
229Bei dem aufnehmenden Betrieb bestand kein Betriebsrat. Zuständig für den abgebenden und den aufnehmenden Betrieb war zum Zeitpunkt der Versetzung der beteiligte Übergangsbetriebsrat. Dies hat die Beklagte durch Vorlage der Vereinbarung vom 12.12.2014 hinreichend dargelegt. Der Kläger hat darauf nicht substantiiert erwidert.
230(b)
231Der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß unterrichtet.
232Gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme zu unterrichten. Die Unterrichtung muss inhaltlich so umfassend sein, dass es dem Betriebsrat ermöglicht wird, die Erforderlichkeit und das Vorliegen des sachlichen Grundes der vorläufigen Maßnahme zu bewerten (BeckOK-ArbR/Mauer, Stand: 01.12.2015, § 100 BetrVG, Rdnr. 3; ErfK/Kania, 16.Auflage, § 100 BetrVG Rdnr.2).
233(aa)
234Die Beklagte hat mit Schreiben vom 11.03.2015 die vorläufige Umsetzung der Versetzungsmaßnahme angezeigt und ausführlich begründet, weshalb ein Einsatz des Klägers im Team in E1 nicht möglich sei und nur ein Einsatz in C in Betracht komme und betrieblich erforderlich sei. Der Kläger hat insoweit keine Einwendungen erhoben.
235(bb)
236Auf seine Unterrichtung kommt es nicht an. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer zwar über die Sach- und Rechtslage aufzuklären, § 100 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Diese Aufklärung erfordert den Hinweis auf die Vorläufigkeit der Maßnahme, das Widerspruchsrecht des Betriebsrats und den für den Arbeitgeber unabsehbaren Ausgang des Beschlussverfahrens über die Zustimmungsersetzung und die Zulässigkeit der vorläufigen Maßnahme (BeckOK-ArbR/Mauer a.a.O. § 100 BetrVG, Rdnr. 2). Die Aufklärung des Arbeitnehmers ist aber keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die vorläufige Durchführung der personellen Maßnahme. Aus einer fehlenden oder unzureichenden Unterrichtung können sich allenfalls Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers ergeben (ErfK/Kania a.a.O. § 100 BetrVG Rdnr.2; Richardi/Thüsing, BetrVG, 15. Aufl., § 100 Rdnr. 11, 12).
237Deshalb kann offen bleiben, ob die Mitteilung mit Schreiben vom 12.03.2015, dem Betriebsrat sei die Umsetzung der Versetzungsmaßnahme nach § 100 BetrVG angezeigt worden sei, eine ausreichende Information darstellt.
238(cc)
239Die Zustimmung des Betriebsrates gemäß § 100 Abs. 2 BetrVG gilt als erteilt, weil der Betriebsrat auf die Anzeige der Maßnahme nach § 100 BetrVG nicht unverzüglich reagiert und keine Stellungnahme abgegeben hat, § 100 Abs.2 Satz 2 BetrVG (BeckOK-ArbR/Mauer a.a.O. § 100 BetrVG, Rdnr. 4; ErfK/Kania a.a.O. § 100 BetrVG, Rdnr. 4).
240Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass er die Zustimmung zur Versetzung nach § 99 BetrVG verweigert hat. Der Fall, dass der Betriebsrat zwar die Zustimmung zur endgültigen Durchführung der Maßnahme verweigert, aber auf eine Unterrichtung über eine vorläufige personelle Maßnahme schweigt oder ihr zustimmt, ist gesetzlich nicht geregelt. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, auch in dieser Konstellation von sich aus nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung zur Durchführung der Maßnahme und die Feststellung ihrer Dringlichkeit zu beantragen, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Der Betriebsrat muss von sich aus klarstellen, ob er auf die Durchführung des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens besteht. Tut er dies und weigert sich der Arbeitgeber, die Ersetzung der Zustimmung zu beantragen, kann ihn der Betriebsrat entsprechend § 101 BetrVG zur Einleitung des Verfahrens zwingen. Er kann dadurch aber nicht die Aufhebung der vorläufigen personellen Maßnahme erwirken, der er nicht widersprochen hat (ErfK/Kania a.a.O. § 100 BetrVG, Rdnr. 4).
241Im Übrigen hat die Beklagte das Zustimmungsersetzungsverfahren beim Arbeitsgericht Frankfurt eingeleitet.
242(4)
243Die Weisung ist nicht wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612 a BGB i.V.m. § 134 BGB nichtig
244.
245Nach § 612 a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.
246Der Kläger hat in zulässiger Weise Rechte ausgeübt. Der Schutz des § 612 a BGB greift nur ein, wenn das geltend gemachte Recht tatsächlich besteht und in zulässiger Weise geltend gemacht wird (ErfK/Preis a.a.O. § 612a BGB, Rdnr. 5; ASP/, Linck, Kündigungsrecht, 4. Aufl., § 612 a BGB, Rdnr. 7 a). Der Kläger hat in zulässiger Weise Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 24.04.2013 erhoben. Des Weiteren hat er den von der Beklagten vorgeschlagenen Abschluss eines Auflösungsvergleichs in Gesprächen vom 17.07.2014 und 28.01.2015 abgelehnt.
247Es ist nicht feststellbar, dass seine Rechtsausübung kausal für ihre ihn benachteiligende Versetzungsentscheidung war.
248Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, d. h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet (BAG 14.3.2007 – 5 AZR 420/06, NZA 2007, 862, Rdnr. 34). Allerdings ist eine Absicht des Arbeitgebers nicht erforderlich. Eine dem Maßregelungsverbot widersprechende Maßnahme kann auch vorliegen, wenn an sich ein Sachverhalt gegeben ist, der die Maßnahme gerechtfertigt hätte, der aber nicht das Motiv des Arbeitgebers gebildet hat (APS/Linck, a.a.O. § 612 a BGB Rdnr. 12).
249Den Arbeitnehmer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er wegen seiner Rechtsausübung vom Arbeitgeber benachteiligt worden ist (BAG 02.04.1987 – 2 AZR 227/86, Rdnr. 27, NZA 1988, 18). Bei der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast sind die Grundsätze der sekundären Darlegungslast zu beachten (APS/Linck a.a.O. § 612 a BGB, Rdnr. 22a). Für den Arbeitnehmer kann der Beweis des ersten Anscheins sprechen. Ein Anscheinsbeweis ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Rechtsausübung und Maßnahme des Arbeitgebers besteht und mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Maßnahme des Arbeitgebers als Reaktion auf die Ausübung eines Rechts durch den Arbeitnehmer erfolgt ist (APS/Linck a.a.O. § 612 a BGB, Rdnr. 23 m.w.N.). Diese tatsächliche Vermutung muss der Arbeitgeber durch substantiierten Sachvortrag widerlegen und nachweisen, dass er die Maßnahme aus sachgerechten Gründen vorgenommen hat (LAG Niedersachsen 12.09.2005 – 5 Sa 396/05, Rdnr. 55, NZA-RR 2006, 346).
250Hier mag angesichts des zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 03.07.2014 in dem ersten Kündigungsschutzverfahren sowie der ablehnenden Haltung des Klägers gegenüber den Vergleichsvorschlägen am 17.07.2014 und 28.01.2015 und der letztlich am 23.02.2015 ausgesprochenen Versetzung eine tatsächliche Vermutung anzunehmen sein. Jedoch hat die Beklagte hinreichend dargelegt, dass die Rechtsausübungen des Klägers nicht ausschlaggebendes Motiv für ihre Versetzungsanweisung waren.
251Sie beruft sich darauf, dass die Versetzung aus Gründen des Betriebsfriedens notwendig gewesen sei. Sie trägt hierzu in einem Umfang vor, der nahelegt, dass für sie dieser Aspekt im Vordergrund stand und sie den Kläger nicht maßregeln wollte. Sie hat durch Vorlage der E-Mail von Frau M vom 18.03.2014 sowie die Darlegung des Gesprächs des Teams mit dem Betriebsratsvorsitzenden I am 25.03.2014 hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass für sie die Weigerung des Teams maßgeblich war und sie durch die Versetzung den Konflikt entschärfen wollte. Der vom Kläger gewonnene Kündigungsschutzprozess sowie die Ablehnung von Vergleichsvorschlägen mögen allenfalls mitursächlich, nicht aber Hauptbeweggründe für die Versetzung gewesen sein. Der Kläger hat keine weiteren Tatsachen vorgetragen.
252(4)
253Die Beklagte hat ihr Weisungsrecht nicht nach billigem Ermessen ausgeübt.
254Die Ausübung des Direktionsrechts muss unabhängig davon, ob die Versetzung des Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag zulässig ist, gemäß § 106 Satz 1 GewO billigem Ermessen entsprechen (BAG 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, Rdnr. 49, AP Nr. 17 zu § 307 BGB).
255Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung, ob der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts die Grenzen billigen Ermessens gewahrt hat, ist der Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts (BAG 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, Rdnr. 81, AP Nr. 26 zu § 307 BGB; BeckOK-GewO/Hoffmann/Schulte, Stand: 01.10.2015, § 106 GewO, Rdnr. 96).
256Die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der Versetzung trägt der Arbeitgeber (BAG 21.07.2009 – 9 AZR 404/08, Rdnr. 23, EzA Nr. 18 zu § 4 TVG Luftfahrt).
257(a)
258Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Bewertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören im Arbeitsrecht die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG 28.0.8.2013 - 10 AZR 569/12, Rdnr.40, NZA 2012, 265; 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, Rdnr. 40, AP Nr. 45 zu § 307 BGB).
259Hat der Arbeitgeber einen betriebsbezogenen, sachlichen Grund für die Weisung, tritt das Interesse des Arbeitnehmers an einem weisungsfreien Eigenbereich grundsätzlich zurück. Andererseits überwiegen in der Regel die Interessen des Arbeitnehmers am Unterbleiben der Weisung, wenn diese willkürlich oder gar schikanierend ist, d. h. wenn der Arbeitgeber keine sachlichen Gründe für die Weisung benennen kann (BeckOK/Tillmanns, Stand: 01.09.2015, § 106 GewO, Rdnr. 51).
260(2)
261Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Interessen der Beklagten die Interessen des Klägers überwiegen.
262Er hat ein anerkennenswertes Interesse an der Beibehaltung seines Arbeitsplatzes in E1. Ihm ist daran gelegen, in seinem sozialen Umfeld an seinem Wohnort in N bleiben zu können und seine häusliche Umgebung nicht aufgeben zu müssen. Die Entfernung zwischen N und E1 ist nicht erheblich, von N nach C jedoch so groß, dass eine tägliche Heimfahrt unmöglich war. Es handelte es sich um eine Maßnahme von intensivem Ausmaß, da zwangsläufig eine Veränderung des Lebensmittelpunktes für die Zeit des Einsatzes geboten war. Dass die Beklagte die Erstattung der Kosten doppelter Haushaltsführung angeboten hat, bedeutete zwar eine finanzielle Entlastung, war aber nicht geeignet, den Interessen des Klägers, sein persönliches und soziales Umfeld in N aufrechtzuerhalten, Rechnung zu tragen.
263Die Beklagte hat dagegen nicht hinreichend substantiiert zu betrieblichen Interessen vorgetragen, denen Vorrang einzuräumen ist.
264(a)
265Ihr Interesse, durch die Versetzung den Betriebsfrieden wiederherstellen zu wollen, ist nicht ausreichend begründet. Dabei kann dahin stehen, ob eine Versetzung in ein anderes Team in E1 tatsächlich ausgeschlossen war.
266Nach ihrem Vortrag weigert sich das Team RE2345 , weiterhin mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, wobei der Konflikt nicht auf der Auseinandersetzung der Parteien im ersten Kündigungsschutzprozess um die von Teammitgliedern gerügte und kontrollierte Einhaltung der Arbeitszeit durch den Kläger beruhen soll. Vielmehr führt sie den Konflikt auf seine Schlechtleistungen bei der Erfüllung auch die anderen Teammitglieder betreffender Aufgaben zurück.
267Die Wiederherstellung des Betriebsfriedens ist grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse des Arbeitgebers bei der Überprüfung der Billigkeit einer Versetzungsentscheidung (LAG Köln 14.08.2009 – 9 Ta 264/09, Rdnr. 19). Es obliegt seiner freien unternehmerischen Entscheidung, unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse und der Interessen aller Arbeitnehmer die aus seiner Sicht zur Konfliktlösung und Wiederherstellung eines guten Betriebsklimas geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. Bei der zu treffenden personellen Maßnahme hat er gemäß § 315 Abs. 3 BGB nicht nur die Interessen der unmittelbar am Konflikt beteiligten Arbeitnehmer, sondern auch die Interessen der übrigen Arbeitnehmer, die von der Maßnahme betroffen sind, zu berücksichtigen sowie eine Prognose über die Erfolgsaussichten der zu treffenden Maßnahme im Hinblick auf die Konfliktlösung anzustellen (LAG Schleswig-Holstein 12.02.2002 – 5 Sa 409 c/01, Rdnr. 30, DB 2002, 1056). Er muss die Ursachen eines Streits zwischen Arbeitnehmern nicht abschließend ergründen. Die Grenzen billigen Ermessens sind gewahrt, wenn der Arbeitgeber Mitarbeiter durch Versetzung trennt, weil eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht (mehr) zu erwarten ist (LAG Schleswig-Holstein 02.05.2007 – 6 Sa 504/06, Rdnr. 37f., NZA-RR 2007, 402; LAG Niedersachsen 15.10.2010 – 6 Sa 282/10, Rdnr. 44, LAGE § 106 GewO 2003 Nr.8) oder er bei gestörtem Betriebsklima durch Streit unter den Mitarbeitern einen Arbeitnehmer zur Behebung des Konfliktes in eine andere Filiale desselben Ortes versetzt (LAG Köln 27.11.1998 – 4 Sa 1814/97, Rdnr. 51, LAGE § 315 BGB Nr.6).
268(aa)
269Der Beklagten ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen sich die Kammer anschließt, zuzugestehen, dass sie die Ursachen des Streits vor ihrem Versetzungsentschluss nicht abschließend ergründen musste. Ihr Vortrag zeigt jedoch, dass seine Gründe in der mangelhaften Aufgabenerfüllung des Klägers liegen sollen, die sie nicht substantiiert beschrieben hat. Angesichts seines erheblichen Interesses an einer wohnortnahen Beschäftigung hätte sie die mildere Maßnahme der Abmahnung ergreifen können und müssen.
270Zwar ist der Arbeitgeber nicht generell gehalten, in Konfliktsituationen eine Abmahnung anstelle der Versetzung des Arbeitnehmers auszusprechen (BAG 24.04.1996 – 5 AZR 1031/94, Rdnr. 15, DB 1996, 1931). Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn sich – wie hier – die Versetzung als besonders einschneidende Maßnahme darstellt (BAG 30.10.1985 – 7 AZR 216/83, Rdnr. 13, 15, DB 1986, 2188).
271(bb)
272Selbst wenn eine Abmahnung nicht erforderlich gewesen sein sollte, hätte sich die Beklagte zunächst selbst um eine Konfliktlösung bemühen müssen. Sie hat nicht vorgetragen, dass sich die Vorgesetzten des Teams durch Gespräche um eine Lösung bemüht haben. Auf die eine Zusammenarbeit ablehnende Stellungnahme der Mitarbeiterin M vom 18.03.2014 ist lediglich der Betriebsratsvorsitzende I tätig geworden und hat am 25.03.2014 ergebnislos ein Gespräch mit Teammitgliedern geführt. In seinen ein Jahr später abgefassten Stellungnahmen zu der Absicht der Beklagten, das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos, hilfsweise fristgerecht zu kündigen, hat der Betriebsrat Bedenken erhoben bzw. mit der Begründung widersprochen, für ihn seien ihr Nichteinschreiten gegen das „kollektive Mobbing“ des Klägers und der von ihr „ständig formulierte Vertrauensverlust“ unerklärlich.
273(cc)
274Die Kammer konnte desweiteren nicht erkennen, aus welchen Gründen der in 2014 bestehende Konflikt zum Zeitpunkt der Ausübung des Weisungsrechts noch aktuell war und welche Folgen die weitere Beschäftigung des Klägers in dem Team gehabt hätte. Er wurde seit dem erstinstanzlichen Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 17.12.2013 in einem Prozessarbeitsverhältnis weiterbeschäftigt. Reaktionen von Mitarbeitern auf seine Beschäftigung hat es nachvollziehbar im Frühjahr 2014 gegeben. Für die Zeit danach sind weder konkrete Konflikte und Auseinandersetzungen geschildert, noch die Zusammenarbeit im Team störende Pflichtverletzungen des Klägers dargestellt.
275Es ist weiter nicht erkennbar, dass Teammitglieder die Arbeitsleistung bei unveränderter Beschäftigung des Klägers verweigert, gar den Ausspruch einer Kündigung in Betracht gezogen hätten. Dem Schreiben Frau Ms vom 18.03.2014 lässt sich lediglich die Ablehnung einer weiteren Zusammenarbeit und die Forderung entnehmen, der Betriebsrat möge die Interessen der Kollegen wahrnehmen.
276(dd)
277Für das Berufungsgericht ist auch nicht nachvollziehbar, dass eine lediglich auf sechs Monate angelegte Versetzung zur Konfliktbereinigung geeignet war. Unterstellt, die Störung des Betriebsklimas im Team bestand noch im Februar 2015, zeigt diese Tatsache, dass die Trennung der Beschäftigten allein keine Wirkung zeigen würde. Denn der Kläger war schon nach Ausspruch der Kündigung vom 24.04.2013 über eine geraume Zeit tatsächlich nicht beschäftigt, ohne dass sich nach Darstellung der Beklagten der Konflikt abgekühlt hat. Ohne ihr aktives Einwirken auf das Verhalten des Klägers und die Einstellung des Teams zu seiner Person war schon bei Ausspruch der Weisung absehbar, dass eine dauerhafte Versetzung erforderlich werden würde.
278(b)
279Die Beklagte hat erstinstanzlich als die Interessen des Klägers überwiegendes betriebliches Interesse vorgetragen, sie beschäftige projektbezogen durchschnittlich zehn Leiharbeitnehmer und strebe zur Kostenreduzierung die Beschäftigung ihrer Stammarbeitnehmer in dem Projekt Digitalisierung des Liegenschaftsarchivs an. Ihrem in der Berufungsbegründung im Übrigen nicht ausdrücklich wiederholten Vorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass im Zusammenhang mit der Versetzung tatsächlich die Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers beendet wurde.
280dd.
281Es bestand keine Pflicht des Klägers, die Arbeitsleistung in C zu erbringen. Er war nicht verpflichtet, wenigstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Bindungswirkung der unbilligen Versetzungsanordnung nachzukommen, die bis zum Ende der Versetzungsmaßnahme auch gar nicht hätte herbeigeführt werden können.
282(1)
283Gemäß § 315 Abs.3 Satz 1 BGB ist die getroffene Leistungsbestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Das bedeutet zunächst, dass die unbillig entscheidende Vertragspartei an die eigene Erklärung gebunden bleibt. Das verschafft dem Bestimmungsgegner Vertrauensschutz: Er ist nicht gehalten, die unbillige Leistungsbestimmung anzugreifen. Er kann sie gelten lassen oder einfach den Leistungsvollzug nach Maßgabe der unbilligen Bestimmung vollziehen (Staudinger/Rieble, BGB, 2015, § 315 BGB Rdnr. 414, 415). Die Halbseitigkeit der Verbindlichkeit hat dann ihre Grenze, wenn der Bestimmungsgegner die Unwirksamkeit der Leistungsbestimmung geltend macht und das Gericht im Rahmen der kassatorischen Beanstandung die Unverbindlichkeit (auch inzident) festgestellt hat. In diesem Fall kann sich auch der Leistungsbestimmer auf die Unverbindlichkeit seiner Bestimmung berufen und die richterliche Ersatzleistungsbestimmung verlangen (Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB, Rdnr. 417).
284Streitig ist, ob der Bestimmungsgegner der Leistungsbestimmung bis zur gerichtlichen Entscheidung Folge leisten muss.
285Nach h.M. ist die unbillige Bestimmung zunächst wirksam. Denn die Gestaltungswirkung des Urteils, mit dem z.B. eine Neubestimmung einer Vergütung verbunden ist, tritt erst mit seiner Rechtskraft ein. Dem Bestimmungsgegner wird ein nicht fristgebundenes, aber durch den Gesichtspunkt der Verwirkung beschränktes Klagerecht eingeräumt, das ihm erlaubt, seine Klage unmittelbar auf Leistung zurichten (BAG 16.01.2013 – 10 AZR 26/12 – Rdnr. 32, NJW 2013, 1020; Erman/Heger, BGB, 14.Aufl., § 315 BGB, Rdnr. 22). Er hat auch die Möglichkeit, sich gegen die aus seiner Sicht unbillige Leistungsbestimmung zu wehren mit der Folge, dass der Leistungsbestimmer Leistungsklage gestützt auf seine eigene unbillige Bestimmung, hilfsweise auf eine richterliche Gestaltung erheben kann (BGH 19.01.1983 – VIII ZR 81/82, Rdnr. 21, NJW 1983, 659; Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB Rdnr. 419).
286Damit ist jedoch noch nicht die Frage beantwortet, ob sich der Bestimmungsgegner zur Vermeidung von Rechtsnachteilen vorläufig bis zur rechtskräftigen Gestaltung durch Urteil an die unbillige Leistungsbestimmung halten muss.
287Der 5. Senates des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 22.02.2012 (5 AZR 249/11, NZA 2012, 858) ausgeführt, dass der Arbeitnehmer an eine Weisung des Arbeitgebers, die nicht aus sonstigen Gründen unwirksam ist, bis zur rechtskräftigen Feststellung der Unverbindlichkeit nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB gebunden ist (Rdnr. 24). Eine unbillige Leistungsbestimmung sei nicht nichtig, sondern gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich. Im Streitfall habe ein Gericht über die Verbindlichkeit zu entscheiden, § 315 Abs. 3 Satz 2, 1. Halbsatz BGB. Deshalb dürfe sich der Arbeitnehmer nicht über eine unbillige, nicht aus anderen Gründen unwirksame Weisung hinwegsetzen, sondern müsse ein Gericht anrufen (so auch LAG Rheinland-Pfalz, 17.03.2014 – 3 Sa 535/13, Rdnr. 33; LAG Köln, 13.01.2014 – 2 Sa 614/13, Rdnr. 12.).
288Diese Entscheidung betrifft die streitgegenständliche Fallkonstellationen, da – wie dargestellt - die Weisung nicht nichtig, sondern lediglich unbillig ist.
289Die Entscheidung hat Rechtsfolgen für das Abmahnungs– und Kündigungsrecht des Arbeitsgebers. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts Köln (28.08.2014 – 6 Sa 423/14, Rdnr. 22), die Nichtbefolgung einer objektiv unwirksamen Weisung sei auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des 5. Senates, die lediglich zum Annahmeverzug ergangen sei, kein kündigungserheblicher Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten, da es auf die objektive Rechtslage ankomme, ist nicht überzeugend. Es erscheint nicht konsequent, zwischen kündigungsrechtlichen Fragen und Fragen zum Annahmeverzug zu differenzieren. Das Grundproblem ist für beide Sachverhalte dasselbe (Anm. Stenslik, DStR 2015, 468 (488); Düwell/Göhle-Sander/Kohte, JurisPK – Vereinbarung von Familie und Beruf, Kap.4, § 106 GewO, Rdnr. 33, 34).
290Die Kammer vermag der Entscheidung des 5. Senats nicht zu folgen.
291Insbesondere in der Literatur ist sie auf massive Kritik gestoßen und wird mit überzeugenden Argumenten abgelehnt (vgl. etwa: Boemke, NZA 2013, 6; Schaub/Linck, Arbeitsrecht-Handbuch, 16. Aufl., § 45 Rdnr. 19 ff.; BeckOK/Tillmanns, § 106 GewO, Rdnr. 57; HWK/Lembke, 6. Aufl., § 106 GewO, Rdnr. 16a; ErfK/Preis a.a.O. § 106 GewO, Rdnr. 7a; Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB Rdnr. 418 ff.).
292Die vom 5. Senat als Beleg für die vorläufige Bindungswirkung angeführten Entscheidungen tragen das Ergebnis nicht (vgl. hierzu insbesondere Boemke, NZA 2013, 6 (7)). Dabei kann offen bleiben, ob die Bestimmung des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB überhaupt im Rahmen des Weisungsrechtes nach § 106 Satz 1 GewO gilt, da § 106 GewO seit dem 01.01.2003 nicht ausdrücklich auf § 315 BGB verweist (Thüsing, jm 2014, 20).
293In der angeführten Entscheidung vom 16.12.1965 (5 AZR 304/65) hat das Bundesarbeitsgericht herausgearbeitet, dass eine unbillige Leistungsbestimmung nicht nichtig, sondern in besonderer Weise anfechtbar ist. Das bedeutet jedoch nur, dass lediglich der das Leistungsbestimmungsrecht Ausübende gebunden ist und der andere Teil sich auf die Unbilligkeit in irgendeiner Weise berufen muss. Eine beiderseitige - vorläufige - Bindungswirkung, wie sie vom 5. Senat angenommen wird, folgt daraus nicht (Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB, Rdnr.418; Boemke, NZA 2013, 6 (7)).
294Eine vorläufige Bindungswirkung für die Vergangenheit ist in Fällen einer Klage auf Leistung bisher nicht angenommen worden. In der Entscheidung vom 28.07.2011 (3 AZR 859/09, BAGE 138, 213) hat der 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts die Billigkeit einer Betriebsrentenanpassung geprüft. Der beklagte Arbeitgeber, der nach Auffassung des Senats die Leistung nicht nach billigem Ermessen bestimmt hatte, musste die eingeklagten Differenzbeträge auch für die Vergangenheit nachzahlen. Es fand somit gerade keine rein zukunftsbezogene Korrektur ab dem Zeitpunkt der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung statt (Boemke, NZA 2013, 6 (7)). Nur bezogen auf den geltend gemachten Zinsanspruch hat der Senat erkannt, dass die Differenzbeträge bei gerichtlicher Prüfung der Billigkeit nach § 315 Abs.3 BGB erst mit Rechtskraft des Gestaltungsurteils fällig werden (Rdnr. 31).
295Auch die vom 5. Senat herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 04.04.2006 (X ZR 122/05, BGHZ 167, 139) belegt nicht seine Auffassung, sondern das Gegenteil. Denn der Bundesgerichtshof führt in seiner Entscheidung zu einer unverbindlichen Werklohnforderung hinsichtlich des Zinsanspruches aus, dass eine einseitige, unbillige Vergütungsbestimmung unverbindlich sei und die Vergütung durch Gestaltungsurteil festgelegt werden müsse. Die Fälligkeit der Forderung trete erst ab Rechtskraft des Urteils ein. Damit stellte der Bundesgerichtshof im Ergebnis fest, dass der eine unbillige Leistung Bestimmende erst mit rechtskräftigem Urteil einen Anspruch hat. Hätte er eine vorläufige Bindungswirkung angenommen, hätte bereits ein vorläufiger Zahlungsanspruch bestanden und der andere Teil hätte sich in Verzug befunden (Boemke, NZA 2013, 6 (7)).
296Eine Bindung an unbillige Weisungen widerspricht auch dem Wortlaut des § 315 Abs. 1 Satz 1 BGB und des § 106 Satz 1 GewO, welcher die Billigkeit der Leistungsbestimmung voraussetzt (BeckOK-ArbR/Tillmanns a.a.O. § 106 GewO, Rdnr. 57; Preis, NZA 2015, 1 (5); Kühn, NZA 2015, 10 (12f.)). Die unbillige Weisung ist nicht einem Verwaltungsakt vergleichbar, der zunächst Bestandskraft hat, bis er angegriffen wird (Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB, Rdnr. 420).
297Die Befolgung einer unbilligen Leistungsbestimmung steht dem Bestimmungsgegner – wie bereits ausgeführt – frei. Das gilt auch für den Arbeitnehmer wie für jeden anderen Gegner des Leistungsbestimmenden (LAG C-Brandenburg, 31.05.2013 – 6 Sa 373/13, Rdnr. 40, BB 2013, 1715 m. Verweis auf Staudinger/Rieble a.a.O., § 315, Rdnr. 353 ff.). eine gesetzliche „Folgepflicht“ besteht nicht (Staudinger/Rieble a.a.O., § 315, Rdnr. 421).
298Das Landesarbeitsgericht Köln (13.01.2014 – 2 Sa 614/13, Rdnr. 13), das die Entscheidung des 5. Senats für systematisch richtig hält und ausführt, dass die Verpflichtung, die unbillige Weisung zu befolgen, erst mit Rechtskraft des durch die andere Partei zu erstrebenden Gestaltungsurteils ende, berücksichtigt nicht, dass die unbillige Weisung gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB zunächst nur den Leistungsbestimmer, also den Arbeitgeber bindet. Erst mit rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung entsteht die Leistungspflicht für den anderen Teil. Der Arbeitnehmer ist lediglich dazu verpflichtet, sich in irgendeiner Form auf die Unbilligkeit zu berufen, wobei - wie ausgeführt - die Geltendmachung nicht im Klagewege erfolgen muss und auch nicht an Fristen gebunden ist (Boemke, NZA 2013, 6 (10f.)). § 315 Abs. 3 BGB statuiert eben keine Klagelast. Insoweit fehlt es an einer §§ 12 Abs.3 ANerfG, 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG vergleichbaren gesetzlichen Regelung ((Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB, Rdnr.422; Boemke, NZA 2013, 6 (7)). Hat der Arbeitnehmer deutlich gemacht, dass er der unbilligen Weisung nicht folgt, ist die Weisung für ihn nicht bindend. So hat der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts im Falle einer Verweigerung der konkret angewiesenen Tätigkeit aufgrund eines Glaubenskonflikts eine Bindung des Arbeitnehmers an die Weisung nur bis zur Offenbarung des Konflikts angenommen, nicht dagegen bis zur Neuausübung des Direktionsrechts (BAG 24.02.2011 – 2 AZR 636/09, Rdnr. 25, NJW 2011, 3319). Insbesondere im Bereich der Grundrechte verletzenden Weisungen ist das Ergebnis des 5. Senates nicht zu vertreten. Der Arbeitnehmer kann nicht angesichts der im Falle einer Weigerung drohenden Konsequenzen gezwungen sein, Weisungen, die seine grundrechtlich garantierte Freiheiten verletzen, so lange zu befolgen, bis ein Gericht darüber entschieden hat.
299Die Rechtsprechung führt zu nicht hinnehmbaren Konsequenzen für den Arbeitnehmer und zu einer untragbaren Risikoverlagerung. Wird die vorläufige Verbindlichkeit bejaht, würde in letzter Konsequenz ein Urteil erst im Nachhinein die Verbindlichkeit aufheben. Damit liegt eine abmahnfähige Pflichtverletzung vor, wenn der Arbeitnehmer den Weisungen des Arbeitgebers nicht nachkommt. Arbeitnehmer, die unbillige Weisungen des Arbeitgebers nicht beachten, laufen mithin Gefahr, wegen Arbeitsverweigerung gekündigt zu werden. Überdies gerät der Arbeitnehmer in Schuldner- und nicht der Arbeitgeber in Annahmeverzug mit der Folge, dass dem Arbeitnehmer keine Vergütungsansprüche zustehen, obwohl die Arbeitgeberweisung in Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen steht, die die Billigkeit voraussetzen (Boemke, JuS 2012, 1125 (1127)).
300Hat der Arbeitnehmer Zweifel an der Billigkeit der Weisung, muss er das Arbeitsgericht anrufen und dessen Entscheidung abwarten, ggf. das Prozessrisiko eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf sich nehmen. Er wird als „Gestaltungsopfer“ (Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB, Rdnr.422) verpflichtet, eine gerichtliche Klärung herbeizuführen, und damit einseitig belastet. Diese Risikoverlagerung ist nicht durch das Gesetz indiziert (ErfK/Preis a.a.O. § 106 GewO, Rdnr. 7a; Preis, NZA 2015, 1 (6)). Der Arbeitnehmer geht, wenn er sich der Weisung (zu Unrecht) widersetzt, ohnehin das Risiko einer Abmahnung oder gar fristlosen Kündigung wegen Arbeitsverweigerung ein (ErfK/Preis, a.a.O. § 106 GewO, Rdnr. 7a).
301Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber das Risiko der Nichtigkeit und Unbilligkeit der Weisung insoweit trägt, als er darlegungs- und beweisbelastet hinsichtlich der Voraussetzungen der Weisung ist (BAG 21.07.2009 – 9 AZR 404/08, Rdnr. 23). Die Rechtsprechung des 5. Senates dreht diese Risikoverteilung praktisch um, indem der Arbeitnehmer sich letztlich doch im Klageverfahren gegen die Unbilligkeit der Weisung wehren muss, wenn es auch im Prozess bei der Darlegungs– und Beweislast des Arbeitgebers verbleibt. Seine Rechtsschutzmöglichkeiten gegen unbillige Weisungen werden erheblich verkürzt (Preis, NZA 2015, 1 (4 f., 9)).
302Das Argument, durch die vorläufige Verbindlichkeit der Weisung auch für den Arbeitnehmer werde Rechtssicherheit geschaffen (u.a. auch hinsichtlich der betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung und der Frage des Annahmeverzugs, so LAG Köln, 13.01.2014 – 2 Sa 614/13, Rdnr. 13), rechtfertigt nicht die von § 315 Abs.3 BGB nicht gedeckte Risikobelastung des Arbeitnehmers. Es kann nicht von einem durchschnittlichen Arbeitnehmer erwartet werden, die juristischen Unterschiede zwischen nichtigen Weisungen, die er nicht befolgen muss, und unverbindlichen Weisungen, die er zunächst bis zur gerichtlichen Entscheidung befolgen muss, zu kennen und im konkreten Fall auch zu erkennen. Er müsste bei jeglichen Weisungen zunächst rechtskundigen Rat einholen, um die weitreichenden Konsequenzen seiner Weigerung, der Weisung nachzukommen, abschätzen zu können. Insofern schafft die Entscheidung des 5. Senates eher weniger Rechtssicherheit.
303(2)
304Der Kläger hat sich in angemessener Zeit ausdrücklich auf die Unbilligkeit der Weisung berufen Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.03.2015 hat er deutlich gemacht, ihr nicht Folge leisten zu werden. Er hat mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass er die Weisung für unbillig hält, indem er die Versetzungsmaßnahme als „willkürlich“ und „bloße Maßregelung“ bezeichnet hat. Er hat sich zudem in seiner am 18.03.2015 beim Arbeitsgericht eingereichten und der Beklagten am 25.03.2015 zugestellten Klage ausdrücklich auf die Unbilligkeit berufen.
3052.
306Sein Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Entfernung der beiden Abmahnungen vom 26.03.2015 und 22.04.2015 aus seiner Personalakte ist zulässig und begründet.
307Sein Anspruch rechtfertigt sich §§ 242, 1004 BGB analog i.V.m. Art.1, 2 GG, da er seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht verletzt hat, denn er war aus den dargestellten Gründen nicht zur vorläufigen Befolgung der Weisung verpflichtet, in C zu arbeiten.
3083.
309Sein auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Annahmeverzugslohn gerichteter Antrag ist ebenfalls zulässig und begründet.
310Der Anspruch auf Vergütung für die Monate April bis August 2015 ist gemäß §§ 611, 615 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag gerechtfertigt, da sich die Beklagte nach § 293 BGB in Verzug mit der Annahme der Arbeitsleistung befand.
311a.
312Zwischen den Parteien bestand bis zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung am 28.05.2015 ein Arbeitsverhältnis, das nach der Entscheidung des Berufungsgerichts vom 17.03.2016 nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 28.05.2015 geendet hat. Die Kammer hat ihre Berufung gegen das der Kündigungsschutzklage stattgebende erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen (17 Sa 1661/15).
313b.
314Der Kläger hat seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß angeboten.
315Allerdings hat er sie nicht i.S.d. § 294 BGB tatsächlich angeboten.
316Für den Zeitraum bis zum Ausspruch der Kündigung reichte jedoch gemäß § 295 Satz 1 BGB sein wörtliches Angebot aus. Nach § 295 Satz 1 1. Fall BGB genügt ein wörtliches Angebot, wenn der Arbeitgeber die Annahme der Leistung – konkludent – vor Fälligkeit der Arbeitsleistung abgelehnt hat (ErfK/Preis a.a.O. § 295 BGB, Rdnr. 26).
317Vorliegend hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 23.02.2015 gegenüber dem Kläger die Erbringung der Arbeitsleistung in E1 abgelehnt, indem sie erklärt hat, ihn nach C zu versetzen, und ihn aufgefordert hat, Schlüssel und Zutrittskarten für das Gebäude in E1 spätestens bis zum 06.03.2015 abzugeben. Der Kläger hat dagegen darauf beharrt, an seinen alten Arbeitsplatz zurückzukehren. So hat er in seinem Schreiben vom 09.03.2015 die Beklagte zur Rücknahme der Weisung und zur Beschäftigung in der in E1 ansässigen Abteilung für Betriebskostenabrechnung entsprechend dem Weiterbeschäftigungstitel aufgefordert. Er hat die Zwangsvollstreckung aus dem Titel angekündigt.
318Ab Zugang der fristlosen Kündigung vom 28.05.2015 war ein Leistungsangebot gemäß § 296 BGB entbehrlich. Die Erbringung der Arbeitsleistung bedarf der Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers, deren Zeitpunkt nach dem Kalender bestimmt ist. Er muss dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen und ihm Arbeit zuweisen. Daher gerät der Arbeitgeber ohne ein tatsächliches oder wörtliches Angebot in Annahmeverzug, wenn er das Arbeitsverhältnis unberechtigterweise fristlos kündigt, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Arbeitnehmers bedarf (BAG 09.08.1984 – 2 AZR 374/83, Rdnr. 36, NZA 1985, 119; 19.01.1999 – 9 AZR 679/97, Rdnr.15, BB 1999, 2034). Wie im Kündigungsschutzverfahren festgestellt, ist die Kündigung vom 28.05.2015 unwirksam.
319Die Beklagte hat das Angebot des Klägers, an seinem alten Arbeitsplatz zu arbeiten, nicht angenommen.
320c.
321Er war i.S.d. § 297 BGB zur Leistung im Stande, da er leistungsfähig und leistungsbereit war.
322Anhaltspunkte, aufgrund derer sich Zweifel an der Fähigkeit zur Leistung ergeben, sind nicht ersichtlich.
323Er hatte auch einen entsprechenden Leistungswillen. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass er die Stelle in C nicht angetreten hat.
324Die Nichtaufnahme einer vom Arbeitgeber angebotenen Beschäftigung kann das vollständige Entfallen des Annahmeverzugs zur Folge haben (BAG 17.08.2011 – 5 AZR 251/10, Rdnr. 16, NZA-RR 2012, 342). Wendet der Arbeitgeber fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum ein, reicht es aus, dass er Indizien für den mangelnden Leistungswillen vorträgt. Hat er solche Indizien vorgetragen oder sind sie unstreitig, ist es Sache des Arbeitnehmers, die Indizwirkung zu erschüttern. Trägt er dazu nichts vor, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, er sei während des Verzugszeitraums leistungsunwillig gewesen, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (BAG 17.08.2011 – 5 AZR 251/10, Rdnr. 17, NZA-RR 2012, 342).
325Für den Leistungswillen ist ein auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit gerichteter Leistungswille notwendig (BAG 22.02.2012 – 5 AZR 249/11, Rdnr. 21, NZA 2012, 858).
326Nach den Feststellungen der Kammer musste der Kläger der unbilligen Versetzungsanweisung nach C nicht nachkommen. Sein Leistungswille bezieht sich auf die vertraglich geschuldete Leistung.
327d.
328Der Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn ist nicht nach § 615 S. 2 BGB, für die Zeit nach Kündigungsausspruch i.V.m. § 11 Nr. 2 KSchG ausgeschlossen.
329Danach muss sich der Arbeitnehmer den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens seiner Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.
330Der Kläger hat keinen anderweitigen Erwerb böswillig unterlassen und muss sich die Vergütung, die er in C erzielt hätte – identisch mit dem jetzt begehrten Annahmeverzugsentgelt - nicht anrechnen lassen.
331Ein böswilliges Unterlassen ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer in Kenntnis der objektiven Umstände, d.h. der Arbeitsmöglichkeit, der Zumutbarkeit und der Nachteilsfolge für den Arbeitgeber vorsätzlich untätig bleibt (ErfK/ Preis a.a.O. § 615 BGB, Rdnr.95) Das gilt auch, wenn sich eine Beschäftigungsmöglichkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber ergibt und ihm diese angeboten wird (BAG 17.11.2011 – 5 AZR 564/10, Rdnr. 17, NZA 2012, 260). Das Angebot einer Tätigkeit zu geänderten Arbeitsbedingungen bedeutet nicht prinzipiell die Unzumutbarkeit der Leistung (BAG 16.06.2004 – 5 AZR 508/03, Rdnr. 21 ff., DB 2004, 2166). Auch die Ablehnung einer anderen, nicht vertragsgemäßen Arbeit kann ein böswilliges Unterlassen von Erwerb i.S.v. § 615 Satz 2 BGB begründen (BAG 07.02.2007 – 5 AZR 422/06, Rdnr. 15, NZA 2007, 561). Die Vertragswidrigkeit der zugewiesenen Arbeit ist nicht ohne weiteres mit ihrer Unzumutbarkeit gleichzusetzen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Die objektiv vertragswidrige Arbeit kann nach den konkreten Umständen zumutbar, unter Umständen sogar mit Verbesserungen für den Arbeitnehmer verbunden sein. Diese Prüfung darf nicht durch vermeintlich absolut geltende Schranken vertragsrechtlicher Art abgeschnitten werden. Bietet der Arbeitgeber objektiv vertragswidrige Arbeit an, sind im Hinblick auf § 615 Satz 2 BGB die Art dieser Arbeit und die sonstigen Arbeitsbedingungen im Vergleich zu der bisherigen Arbeit zu prüfen. Das Maß der gebotenen Rücksichtnahme des Arbeitnehmers hängt regelmäßig davon ab, aus welchen Gründen der Arbeitgeber keine vertragsgemäße Arbeit anbietet. Dies hat der Arbeitgeber darzulegen. Bestehen für die Änderung dringende Gründe, denen nicht von vorneherein eine Billigung versagt werden kann, handelt der Arbeitnehmer nicht rücksichtsvoll, wenn er die Arbeit allein deswegen ablehnt, weil sie nicht vertragsgemäß ist, und er deshalb ohne Erwerb bleibt. Die beiderseitigen Gründe für die Zuweisung bzw. Ablehnung der neuen Arbeit sind zu benennen und sodann gegeneinander abzuwägen (BAG 07.02.2007 a.a.O. Rdnr. 18).
332Die Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt, dass sie ein besonderes Interesse an der Tätigkeit des Klägers in C hatte, hinter welchem seine Belange zurücktreten mussten. Die Unbilligkeit der Weisung folgt gerade aus dem Fehlen eines betrieblichen Interesses an der Versetzung. Eine akute Dringlichkeit für die Versetzung war objektiv nicht ersichtlich. Die Intention, durch den Einsatz des Klägers in C Kosten für die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern einsparen zu wollen, ist – wie bereits dargestellt – nicht substantiiert begründet worden. Bei der Abwägung musste auf Seiten des Klägers die erhebliche Entfernung zu seinem alten Arbeitsplatz und zu seinem Wohnort mit der zu besorgenden Lockerung sozialer Bindungen berücksichtigt werden. Hinzu kommt die nicht gerechtfertigte Entfernung aus dem Team, die geeignet war, seine soziale Reputation im Betrieb zu schmälern.
333e.
334Die Berechnung des Anspruchs wurde nicht angegriffen. Zu Recht hat sich der Kläger gemäß §§ 615 Satz 2 BGB, 11 Nr. 3 KSchG die Leistungen der Bundesagentur für Arbeit anrechnen lassen.
3354.
336Der zulässige Widerklageantrag der Beklagten ist unbegründet.
337Die Beklagte hat keinen Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der ab dem 16.03.2015 bis zum 31.03.2015 gezahlten Vergütung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall BGB. Sie hat mit Rechtsgrund geleistet, da dem Kläger ein Anspruch auf die Zahlung aus §§ 611, 615 BGB zustand.
338C.
339Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.
340Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen, da das Urteil von der Rechtsprechung des 5. Senates des Bundesarbeitsgerichts (22.02.2012 – 5 AZR 249/11) abweicht.
Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 17. März 2016 - 17 Sa 1660/15
Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 17. März 2016 - 17 Sa 1660/15
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Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 17. März 2016 - 17 Sa 1660/15 zitiert oder wird zitiert von 17 Urteil(en).
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Weisung der Beklagten vom 23. Februar 2015 unwirksam ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnungen vom 26.03.2015 und 22.04.2015 aus der Personalakte zu entfernen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die ausstehende Vergütung für die Monate April bis August 2015 in Höhe von 20.825,00 € brutto abzüglich eines auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Anspruchs für den Leistungszeitraum vom 21.04.2015 bis zum 31.08.2015 in Höhe von 6.133,76 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Widerklage wird abgewiesen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 7 % und die Beklagte zu 93 %.
6. Der Streitwert wird auf 30.382,40 € festgesetzt.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung, die Entfernung zweier Abmahnungen, gegenseitige Zahlungsansprüche sowie über die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger erneut bei der Sozialversicherung anzumelden. Der 1962 geborene Kläger ist seit dem 1.4.2001 bei der Beklagten zuletzt als Immobilienkaufmann in E im Bereich Corporate & Public im Team 1234 beschäftigt. Sein Bruttomonatsgehalt beträgt 4.165,00 €. In dem ursprünglichen Arbeitsvertrag vom 2.2.2001 (Bl. 13 ff. d.A.) wurde folgendes vereinbart:
3„§ 1
4Art und Ort der Beschäftigung
5- 1.6
Der Arbeitnehmer wird im Aufgabenbereich Service Center Nord in N als Immobilienkaufmann vollzeit beschäftigt.
- 2.7
Die E1 ist berechtigt, dem Arbeitnehmer auch eine andere, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit, gegebenenfalls auch unter Veränderung des Arbeitsortes/ Einsatzgebietes oder des Aufgabenbereiches zu übertragen. Der Arbeitnehmer ist zuvor zu hören.
- 3.8
Die Beteiligung des Betriebsrates bleibt hiervon unberührt.“
In dem zuletzt gültigen Änderungsvertrag vom 25.11.2010 zum Arbeitsvertrag trafen die Parteien folgende Regelung, nachdem zuvor die Abteilung von der E1 auf die Beklagte übergegangen war:
10„§ 1
11Änderung des Arbeitsvertrages
12- 1.13
§ 1 Abs. 1 Ihres Arbeitsvertrages (Art und Ort der Beschäftigung) erhält folgende Fassung:
Der Arbeitnehmer wird in E als Immobilienkaufmann im Bereich Corporate an Public im Team 1234 vollbeschäftigt.
15(…)
16§ 2
17Schlussbestimmungen
18- 1.19
Alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages bleiben unberührt.“
Zwischen den Parteien war ein Kündigungsrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Dortmund (Az.: 7 Ca 1917/13) anhängig. Die Beklagte wurde dort mit Urteil vom 17.12.2012 u.a. dazu verurteilt, den Kläger zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Immobilienkaufmann in der Abteilung DFMG für den Bereich Betriebskostenabrechnungen zu einem Bruttogehalt in Höhe von 4.165,00 € weiterzubeschäftigen. Das Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.
21Mit Schreiben vom 23.2.2015 (Bl. 52 ff. d.A.) erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger, dass dieser unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages befristet für die Zeit vom 16.3.2015 bis zum 30.9.2015 im Projekt im Team 2345, Team Due Dilligence/ Archiv am Standort C eingesetzt wird. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zur Versetzung des Klägers mit Schreiben vom 5.3.2015 (Bl. 58 d.A.). Mit Schreiben vom 12.3.2015 (Bl. 61 f. d.A.) teilte die Beklagte mit, dass sie bei dem Betriebsrat den Antrag auf vorläufige Versetzung gemäß § 100 BetrVG gestellt habe. Zu diesem Antrag nahm der Betriebsrat nicht unverzüglich Stellung.
22Der Kläger leistete der Weisung der Beklagten, die Arbeit ab dem 16.3.2015 in C zu verrichten, nicht Folge. Gleichwohl zahlte die Beklagte an den Kläger das gesamte Gehalt für den Monat März 2015. Mit Schreiben vom 16.3.2015 (Bl. 71 d.A.) und 22.4.2015 (Bl. 81 d.A.) mahnte die Beklagte den Kläger wegen des Vorwurfs des unerlaubten Fernbleibens von der Arbeit ab. Mit Schreiben vom 28.5.2015 kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos. Diesbezüglich führen die Parteien einen Kündigungsrechtsstreit. Die Beklagte zahlte ab April 2015 an den Kläger nach Ausspruch der außerordentlichen fristlosen Kündigung kein Gehalt mehr.
23Bereits in der Vergangenheit wurde der Kläger durch eine E-Mail der Beklagten vom 6.1.2014 darüber informiert, dass er ab dem 1.11.2014 im „Archiv-Projekt“ am Standort C eingesetzt werden sollte. Entsprechendes wurde dem Kläger auch am 17.7.2014 mündlich mitgeteilt. Zu dieser Versetzungsankündigung nahm der Kläger mit E-Mail vom 8.10.2014 im Einzelnen Stellung und machte Einwendungen geltend. Ferner forderte er die Beklagte auf, die Versetzungsmaßnahme bis zum 17.10.2014 zurückzunehmen. Mit E-Mail vom 24.10.2014 teilte die Beklagte mit, dass die Versetzung vorläufig aufgeschoben werde.
24Mit seiner am 18.3.2015 erhobenen Klage verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Er ist der Ansicht, die Weisung der Beklagten widerspreche sowohl dem Inhalt des Arbeitsvertrages als auch dem Inhalt des rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts. Die Weisung sei überdies unbillig und stelle eine Diskriminierung und Maßregelung dar. Der Kläger ist der Ansicht, der in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages geregelte Versetzungsvorbehalt sei nicht Bestandteil des aktuellen Arbeitsvertrages mit Stand 25.11.2010 geworden, da für den Kläger nicht erkennbar gewesen sei, dass durch den allgemeinen Vorbehalt in § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 auch der Versetzungsvorbehalt aufrecht erhalten bleiben sollte. Zudem sei der vertragliche Versetzungsvorbehalt unbeachtlich, intransparent und widersprüchlich. Der Kläger ist weiter der Ansicht, der in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages normierte Versetzungsvorbehalt erlaube auch keine nur vorübergehende Übertragung eines neuen Aufgabenbereichs. Die Weisung sei auch aus dem Grunde unwirksam, da der Kläger entgegen der Regelung in § 1 Abs. 2 Arbeitsvertrag nicht zuvor angehört worden sei. Die Weisung der Beklagten sei auch deshalb unwirksam, da der Betriebsrat der beabsichtigten Versetzung des Klägers nach C widersprochen hat. Schließlich sei die Versetzungsanordnung auch rechtswidrig, weil die Beklagte den Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs in C nicht beteiligt habe. Der Kläger ist der Ansicht, die beiden Abmahnungen vom 26.3. und 22.4.2015 seien rechtswidrig, da er nicht verpflichtet gewesen sei, die Arbeit in C ab dem 16.3.2015 aufzunehmen.
25Der Kläger hat zunächst angekündigt zu beantragen festzustellen, dass die Beklagte sich seit dem 16.3.2015 in Annahmeverzug befindet. Der Antrag wurde mit Schriftsatz vom 10.7.2015 zurückgenommen. Ferner hat er zunächst angekündigt zu beantragen festzustellen, dass der Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung der anteiligen Vergütung für März 2015 in Höhe von 1.113,66 € nicht zusteht. Diesen Antrag hat der Kläger ebenfalls zurückgenommen, nachdem die Beklagte Widerklage auf Zahlung des vorgenannten Betrages erhoben hat.
26Der Kläger beantragt zuletzt,
27- 28
1. festzustellen, dass die Weisung der Beklagten vom 23.2.2015 unwirksam, hilfsweise unverbindlich ist,
- 29
2. festzustellen, dass die Abmahnung der Beklagten vom 26.3.2015 unwirksam ist,
- 30
3. festzustellen, dass die weitere Abmahnung der Beklagten vom 22.4.2015 unwirksam ist,
- 31
4. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnungen vom 26.3.2015 und 22.4.2015 aus der Personalakte zu entfernen,
- 32
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die ausstehende Vergütung für die Monate April bis August 2015 in Höhe von 20.825,00 € brutto abzüglich eines auf die Bundeagentur für Arbeit übergegangenen Anspruchs für den Leistungszeitraum vom 21.4.2015 bis zum 31.8.2015 in Höhe von 6.133,76 € zu zahlen,
- 33
6. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger ab dem 16.4.2015 erneut bei der Sozialversicherung anzumelden.
Die Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Widerklagend beantragt sie,
37den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 1.113,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.4.2015 zu zahlen.
38Der Kläger beantragt,
39die Widerklage abzuweisen.
40Die Beklagte behauptet, am Standort E stehe ein Arbeitsplatz als Immobilienkaufmann in der Betriebskostenabrechnung nicht zur Verfügung. Des Weiteren sei das erforderliche Vertrauensverhältnis zu dem Kläger sowohl seitens der Teamleiterin als auch seitens der Teamkollegen unwiederbringlich zerstört. Daher sei die Versetzung des Klägers nach C erforderlich, um den Betriebsfrieden wiederherzustellen. Es entspreche billigem Ermessen, nur den Kläger anstelle aller weiteren in der Eer Abteilung beschäftigten Mitarbeiter zu versetzen. Die Beklagte ist der Ansicht, eine Versetzung des Klägers sei aufgrund des in § 106 GewO geregelten Direktionsrechts auch in dem Fall zulässig, sollte die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag unwirksam sein. Jedenfalls hätte der Kläger zumindest vorläufig der Weisung Folge leisten müssen, solange keine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung darüber ergangen ist. Die Beklagte behauptet, der Kläger sei am 28.1.2015 anlässlich eines Termins in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers zur Versetzung angehört worden. Sie behauptet weiter, dass ein differierender Betriebsrat am Standort in C nicht existiert. Zuständig sowohl für den abgehenden als auch für den aufnehmenden Betrieb sei der Übergangsbetriebsrat in G. Die Beklagte behauptet, der Kläger habe hinsichtlich des geltend gemachten Annahmeverzugslohns grob fahrlässig und böswillig Zwischenverdienst nicht erzielt. Die Überzahlung von 1.113,66 € für den Monat März sei vom Kläger zurückzuzahlen, da dieser vertragswidrig die Arbeit in C ab dem 16.3.2015 nicht aufgenommen habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze sowie der Prozessakte verwiesen.
41E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
42I.
43Die Klage ist hinsichtlich der Anträge zu 2., 3. und 6. unzulässig. Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet. Die zulässige Widerklage ist unbegründet.
441.
45Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die beiden Abmahnungen vom 26.3. und 22.4.2015 unwirksam sind, ist die Klage unzulässig. Bei der Abmahnung handelt es sich nicht um ein Rechtsverhältnis, dessen Wirksamkeit im Rahmen einer Feststellungsklage einer Überprüfung unterzogen werden könnte (LAG Hamm, 2.8.2002, 10 TaBV 121/01). Wohl aber kann im Wege der Leistungsklage die Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte verlangt werden. Hierzu verhält sich der Hilfsantrag. Die Feststellungsklage ist subsidiär.
46Sofern der Kläger begehrt, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger ab dem 16.4.2015 erneut bei der Sozialversicherung anzumelden, ist ein solcher Antrag unzulässig. Der Antrag genügt zum einen nicht dem Bestimmtheitserfordernis gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Danach muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Nach dem Klageantrag bleibt offen, was unter „der Sozialversicherung“ konkret zu verstehen ist. Zudem wird die Beklagte als Arbeitgeberin im Rahmen der Meldung zur Sozialversicherung gemäß § 28a SGB IV in zeugenschaftlicher Funktion tätig. Eine Klage auf einen bestimmten Inhalt einer Zeugenaussage ist aber nicht zulässig.
472.
48Der Kläger hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Feststellung, dass die Weisung der Beklagten vom 23.2.2015 unwirksam ist. Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Eine Feststellungsklage muss sich nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (BAG, 27.10.2005, 6 AZR 123/05). Dies ist insbesondere der Fall, wenn über die Wirksamkeit einer direktionsrechtlichen Maßnahme, z.B. einer Versetzung, gestritten wird (BAG a.a.O.).
49Eine Versetzung liegt vor bei einem dauerhaften Wechsel auf einen Arbeitsplatz in einer anderen Dienststelle desselben Arbeitgebers. Bei der Maßnahme vom 23.2.2015 handelt es sich um eine solche im Wege der Feststellungsklage überprüfbare Veränderung eines Rechtsverhältnisses. Die Zuordnung des Klägers zu der neuen Dienststelle in C berührt trotz der Befristung der Maßnahme die Rechte und Pflichten der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis. Es handelt sich nicht um eine nur unwesentliche Änderung der Arbeitsumstände des Klägers, da sie erkennbare Auswirkungen auf die vertraglichen Rechtsbeziehungen hat. Der Kläger hat insofern ein Feststellungsinteresse.
50Die Versetzung des Klägers nach C ab dem 16.3.2015 ist rechtswidrig, da sie gegen den Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages verstößt. In § 1 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 haben die Parteien vereinbart, dass der Kläger in E als Immobilienkaufmann im Bereich Corporate and Public im Team 1234 beschäftigt wird. Der Ort der Arbeitsleistung sowie der Inhalt der Arbeitsleistung wurden diesbezüglich festgelegt. Gemäß § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen. Dies gilt nach dem zweiten Halbsatz der Norm aber nur insoweit, als diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Je enger die Tätigkeit des Arbeitnehmers sowie die Einzelheiten seiner Beschäftigung, der Einsatzort, Umfang und Lage der Arbeitszeit im Arbeitsvertrag festgeschrieben sind, umso geringer ist der Spielraum des Arbeitgebers zur Ausübung des Weisungsrechts. Die Beklagte kann den Kläger daher nicht ohne weiteres an einen anderen Arbeitsort unter Berufung auf § 106 GewO versetzen, da insbesondere der Ort der Tätigkeit (E) im Arbeitsvertrag festgeschrieben wurde.
51Eine individualvertragliche Versetzung des Klägers nach C ist nicht möglich aufgrund der Regelung in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 2.2.2001. Unabhängig von der Frage, ob diese Regelung durch die Formulierung in § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages weiterhin Gültigkeit hat, ist der in § 1 Abs. 2 normierte Versetzungsvorbehalt unwirksam gemäß § 307 Abs. 1 BGB.
52Über das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) bezüglich des Arbeitsvertrages vom 2.2.2001 besteht zwischen den Parteien kein Streit. Die Regelung in § 1 Abs. 2 unterliegt auch einer Inhaltskontrolle. Zwar sind Direktionsrechtsklauseln als deklaratorische Klauseln gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB inhaltskontrollfrei, wenn sie lediglich den Inhalt des allgemeinen Weisungsrechts nach § 106 GewO wiedergeben. Bei der streitgegenständlichen Regelung handelt es sich aber nicht bloß um eine deklaratorische Klausel. Denn während gemäß § 106 Satz 1 GewO die Ausübung des Weisungsrechts nur nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) erfolgen kann, ist dies in § 1 Abs. 2 Arbeitsvertrag nicht gewährleistet. Die Wahrung billigen Ermessens setzt voraus, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden.
53Eine vorformulierte Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch die einseitige Gestaltung eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen. Auch unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB wird der Kläger durch den Vorbehalt des Arbeitsvertrags in § 1 Abs. 2 unangemessen benachteiligt. Hier hat sich die Beklagte eine Änderung der vertraglichen Tätigkeit als solche vorbehalten.
54Durch die in § 1 Abs. 2 verwendete Klausel wird nicht sichergestellt, dass die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt werden. Es ist dort nicht formuliert, dass die Übertragung einer anderen Tätigkeit nur unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers möglich ist. Die gewählte Formulierung ist zu weitgehend, weil mit ihr auch die Zuweisung einer geringerwertigen Tätigkeit gemeint sein kann. Die Klausel erstreckt sich nicht nur auf gleichwertige Tätigkeiten (vgl. BAG 11.4.2006, NZA 2006, 1149). Eine solche Regelung ist ohne nachvollziehbare, transparente Änderungsgründe und einer Vergütungsgarantie unwirksam, da der Arbeitnehmer ein gewichtiges Interesse an der Beibehaltung der höherwertigen Tätigkeit hat (BAG 9.5.2006, NZA 2007, 145).
55Für den Bereich Allgemeiner Geschäftsbedingungen gilt das aus § 306 Abs. 2 BGB abgeleitete Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (BAG 20.5.2008, 9 AZR 382/07). Daher ist der Versetzungsvorbehalt in § 1 Abs. 2 Arbeitsvertrag insgesamt unwirksam. Eine Aufspaltung in einen wirksamen und unwirksamen Teil der Klausel (blue pencil- Test) kommt außerdem nicht in Frage, da die Klausel an sich nicht gewährleistet, dass die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt werden, gleich ob es um den Ort oder den Inhalt der Arbeitsleistung geht.
563.
57Der Kläger hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Entfernung der beiden Abmahnungen vom 26.3.2015 und 22.4.2015 aus der Personalakte entsprechend §§ 242, 1004 BGB. Danach kann der Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte verlangen, sofern diese rechtswidrig ist. Die beiden Abmahnungen sind rechtswidrig, weil sich der Kläger nicht arbeitsvertragswidrig verhalten hat, als er die Arbeit am 16.3.2015 in C nicht aufnahm. Dieses Verhalten wird ihm durch die beiden streitgegenständlichen Abmahnungen jedoch gerade vorgeworfen. Die arbeitgeberseitige Anweisung, die Arbeit am Standort C aufzunehmen, verstößt gegen den Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages. Insofern wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2. verwiesen. Der Kläger war auch nicht gehalten, der Anweisung der Beklagten vorläufig Folge zu leisten. Sofern die Beklagte die Auffassung vertritt, eine unbillige, da rechtswidrige Versetzungsmaßnahme sei nicht nichtig, sondern nur unverbindlich und vom Arbeitnehmer zunächst zu befolgen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB) und sich hierzu auf die Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 22.2.2012, 5 AZR 249/11) stützt, ist anzumerken, dass ein Arbeitnehmer nicht (vorläufig) an eine Weisung gebunden sein kann, wenn diese unverbindlich ist. Eine solche Weisung ist unverbindlich, wie der Wortlaut des § 315 Abs. 3 BGB zeigt. Deren Befolgung bedeutete eine Sanktionierung einer im Ergebnis rechtmäßigen Verweigerung einer unbilligen Weisung (vgl. BAG 20.12.1984, NZA 1986, 21; 10.10.2002 NZA 2003, 483). Dem Kläger kann kein Vorwurf gemacht werden, wenn er eine Arbeitsanweisung, die sich bei gerichtlicher Überprüfung als rechtsunwirksam darstellt, nicht befolgt. Maßgeblich dafür, ob das Verhalten des Arbeitnehmers eine Arbeitsvertragsverletzung darstellt, ist die objektive Rechtslage (LAG Köln, 28.08.2014, 6 Sa 423/14). Hinzu kommt, dass das Weisungsrecht der Beklagten durch die Regelung in § 1 Abs. 2 Arbeitsvertrag hinsichtlich einer örtlichen Versetzung eingeschränkt ist. Die Regelung ist überdies unwirksam, wie festgestellt.
584.
59Der Kläger hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Zahlung der ausstehenden Vergütung für die Monate April bis August 2015 in Höhe von 20.825,00 € brutto abzüglich eines auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Anspruchs für den Leistungszeitraum vom 21.4.2015 bis zum 31.8.2015 in Höhe von 6.133,76 € gemäß §§ 611 Abs.1, 615 S.1 BGB i.V.m. den Bestimmungen des Arbeitsvertrages. Danach kann der Arbeitnehmer für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste in Verzug gerät.
60Hierzu bedarf es grundsätzlich eines tatsächlichen Angebots der Arbeitsleistung durch den Kläger gemäß § 294 BGB. Eines solchen tatsächlichen Angebots der Arbeitsleistung bedurfte es vorliegend jedoch ausnahmsweise nicht. Entsprechend § 296 BGB war dies entbehrlich. Die Beklagte hat dem Kläger für die Erbringung der Arbeitsleistung einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und ihm Arbeit zuzuweisen. Diese Mitwirkungshandlung ist eine kontinuierliche, mit dem Kalender synchronlaufende Daueraufgabe und lässt die Feststellungsfunktion des Angebots entfallen (BAG 11.1.2006, NZA 2006, 314). Gemäß dem Inhalt des Arbeitsvertrages schuldet die Beklagte die Zurverfügungstellung eines Arbeitsplatzes in E. Nachdem dem Kläger ab dem 16.3.2015 ein solcher nicht zur Verfügung gestellt wurde, geriet die Beklagte in Annahmeverzug. Mangels entgegenstehender Angaben ist ferner davon auszugehen, dass der Kläger zur Leistung im Stande war, die Beklagte die Annahme der Leistung jedoch nicht annahm.
61Der Kläger war insbesondere leistungswillig entsprechend § 297 BGB. Hiernach kommt der Arbeitgeber nicht in Verzug, wenn der Arbeitnehmer außerstande ist, die geschuldete Leistung zu erbringen. Sofern die Beklagte die Auffassung vertritt, der Kläger hätte der Weisung, die Arbeit in C aufzunehmen, zunächst folgen müssen, ist dem wie vorgenannt festgestellt, nicht zu folgen. Für die Höhe des Vergütungsanspruchs gilt das Lohnausfallprinzip. Danach ist der Arbeitnehmer so zu vergüten, als ob er gearbeitet hätte. Die Fälligkeit des Annahmeverzugslohns bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, in dem der Lohn bei ordnungsgemäßer Abwicklung fällig geworden wäre. Für den geltend gemachten Zeitraum von April bis August 2015 ergibt sich ein Gesamtbruttobetrag in Höhe von 20.825,00 €. Der Kläger muss sich auf den Annahmeverzugslohn den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Hiernach ist auf den Anspruch des Klägers auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung die Summe des erhaltenen Arbeitslosengeldes für den Leistungszeitraum vom 21.4.2015 bis zum 31.8.2015 in Höhe von 6.133,76 € anzurechnen. Angerechnet wird auch, was der Arbeitnehmer böswillig zu erwerben unterlässt. Der Arbeitnehmer handelt böswillig, wenn er in Kenntnis der objektiven Umstände, d.h. Arbeitsmöglichkeit, Zumutbarkeit der Arbeit und Nachteilsfolge für den Arbeitgeber, vorsätzlich untätig bleibt oder die Arbeitsaufnahme verhindert (BAG 18.6.1965, AP BGB § 615 Böswilligkeit Nr. 2). Hierfür sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Kläger hat Erwerb nicht böswillig unterlassen, indem er der Versetzung nach C nicht Folge geleistet hat. Ein Arbeitnehmer verhält sich grundsätzlich nicht böswillig, der einer rechtswidrigen Versetzung nicht Folge leistet (BAG 7.11.2002, AP BGB § 615 Nr. 98).
625.
63Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von 1.113,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.4.2015. Ein solcher Anspruch besteht nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach ist zur Herausgabe verpflichtet, wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Die Beklagte zahlte an den Kläger das Gehalt für den kompletten Monat März 2015, obgleich der Kläger nicht, wie von der Beklagten angewiesen, die Arbeit ab dem 16.3.2015 in C aufnahm. Die Zahlung erfolgte jedoch nicht ohne Rechtsgrund. Auf Grundlage des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages ist die Beklagte zur Beschäftigung des Klägers in E und zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Der schuldrechtliche (Arbeits-)Vertrag zwischen den Parteien stellt den Rechtsgrund für die Zahlung dar. Indem die Beklagte die Arbeitsleistung des Klägers ab dem 16.3.2015 in E nicht mehr in Anspruch genommen hat, entfällt der Vergütungsanspruch des Klägers nicht. Denn das Betriebs- und Annahmeverzugsrisiko trägt die Beklagte. Mangels fehlenden Rechtsgrundes für die Zahlung der Vergütung für den Monat März 2015 kommt ein Rückzahlungsanspruch nicht in Betracht. Weitere in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen bestehen nicht.
64II.
65Die Kosten des Rechtsstreits waren gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen, da beide Parteien teilweise obsiegten bzw. unterlagen. Bei einem Streitwert, der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzt und der Höhe nach einem Bruttomonatsgehalt für den Klageantrag zu 1., jeweils einem Bruttomonatsgehalt für die Anträge zu 2. und 3., sowie den Nennbeträgen des Klageantrags zu 5. sowie der Widerklage (§ 45 Abs. 1 Satz 1 GKG), sowie einem halben Bruttomonatsgehalt für den Klageantrag zu 6. entspricht, hat der Kläger 7 %, die Beklagte 93 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Hilfsantrag zu 4. wirkt nicht streitwerterhöhend (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 17.12.2013 – 7 Ca 1917/13 – wird einschließlich des Auflösungsantrags zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um die rechtliche Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers.
3Der 51-jährige Kläger ist seit April 2001 bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, als Immobilienkaufmann tätig. Sein Entgelt belief sich zuletzt auf 4.165,00 Euro brutto monatlich.
4Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der schriftliche Arbeitsvertrag vom 02.02.2001, für dessen Einzelheiten auf Bl. 6 – 18 d. A. verwiesen wird. Darüber hinaus finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung der Manteltarifvertrag für DeTeImmobilien, Deutsche Telekom Immobilien und Service GmbH (MTV Immobilien) vom 24.04.2008 (für die Einzelheiten Bl. 144 ff. d. A.) sowie der Tarifvertrag über Arbeitszeitkonten vom 24.04.2008 (Bl. 166 ff. d. A.). Gemäß § 9 Abs. 1 MTV Immobilien beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen 38 Stunden. Gemäß einer bei der Beklagten geltenden sogenannten flexiblen Vertrauensgleitzeitregelung entscheiden die tariflichen Arbeitnehmer im Rahmen von Ampelphasen grundsätzlich selbst über die Verteilung der Wochenarbeitszeit auf die einzelnen Arbeitstage. Die Arbeitszeitverwaltung erfolgt elek-tronisch, wonach die Arbeitnehmer den Beginn und das Ende ihrer täglichen Arbeitszeit eigenverantwortlich im Wege der Selbstaufschreibung PC-unterstützt in das System eingeben.
5In einem Personalgespräch am 15.04.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Teammitglieder die Teamleitung Ende des Jahres 2012 darüber informiert hätten, dass er seine Arbeitszeiten unrichtig zu seinen Gunsten erfasse. Deshalb habe sie über einen Zeitraum von Mitte Januar 2013 bis zum 12.04.2013 eine gesonderte Erfassung seiner Arbeitszeiten durch drei Kollegen durchführen lassen. Hierbei habe sie festgestellt, dass er an 30 Tagen insgesamt 40 Stunden falsch in das System eingegeben habe. Unter Vorlage einer Excel-Tabelle (Bl. 100 f. d. A.) wurde der Kläger aufgefordert, zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen. Anschließend stellte die Beklagte den Kläger von der Pflicht zur Erbringung seiner Arbeitsleistung frei.
6Mit Schreiben vom 18.04.2013 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu einer beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an. Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 23.04.2013.
7Mit Schreiben vom 24.04.2013, dem Kläger am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30.11.2013.
8Mit am 30.04.2013 eingereichter Klage hat der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung beantragt.
9Es bestreitet, dass ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung vorliege. Er habe keinen Arbeitszeitbetrug begangen. Bei dem Personalgespräch habe er nicht die Möglichkeit gehabt, auf irgendwelche der Daten konkret einzugehen; die Excel-Tabelle sei schon nicht verwertbar. Weder sei ihre Urheberschaft erkennbar noch gehe aus ihr hervor, welcher Mitarbeiter welche Beobachtungen gemacht und wie die tatsächliche Dokumentation stattgefunden habe. Einschlägige Abmahnungen gebe es nicht. Im Übrigen sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Ihm seien insbesondere die Namen der Mitarbeiter nicht mitgeteilt worden, welche die Beobachtungen durchgeführt haben sollen. Auch habe die Beklagte gegen § 4 des geltenden Tarifvertrages in Verbindung mit der Regelungsabrede mit dem Betriebsrat verstoßen.
10Der Kläger hat beantragt,
11- 12
1. festzustellten, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24.04.2013 fristlos beendet worden ist.
- 13
2. Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24.04.2013 zum 30.11.2013 beendet worden ist.
- 14
3. Die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Immobilienkaufmann in der Abteilung DFMG für den Bereich Betriebskostenabrechnung mit einem Bruttogehalt in Höhe von 4.165,00 Euro weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Widerklagend hat sie beantragt,
18den Kläger zu verurteilen, an sie 517,89 Euro netto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.05.2013 zu zahlen.
19Der Beklagte hat beantragt,
20die Widerklage abzuweisen.
21Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe einen nachgewiesen Arbeitszeitbetrug begangen, indem er im Zeitraum 14.01. – 28.03.2013 seine Arbeitszeiten an 32 Tagen nicht korrekt in das System eingetragen habe. Es sei bereits Ende des Jahres 2012 mehreren Teamkollegen aufgefallen, dass sich die Anwesenheitszeiten des Klägers nicht mit seiner tariflichen Wochenarbeitszeit von 38 Stunden gedeckt haben könnten. Zur Überprüfung des Arbeitszeitkontos sei sie laut Tarifvertrag innerhalb der ersten 15 Kalendertage einmal berechtigt. Da sie im fraglichen Zeitraum keine erheblichen Unterschreitungen der Wochenarbeitszeit habe feststellen können, habe sich der Verdacht ergeben, dass die vom Kläger eingetragenen Arbeitszeiten nicht korrekt gewesen seien. Deshalb sei über einen Beobachtungszeitraum von Mitte Januar bis Ende März 2013 eine händische Parallel-Erfassung der tatsächlichen Arbeitsanwesenheitszeiten des Klägers durchgeführt worden. Die in der Excel-Tabelle ausgewiesenen tatsächlichen Arbeitszeiten des Klägers seien korrekt und wahrheitsgemäß von der Teamleiterin sowie zwei weiteren Kollegen erfasst worden. Dies sei möglich gewesen, da die Büros der die Aufzeichnungen vornehmenden Mitarbeiter direkt an das Büro des Klägers angrenzten. Nach Abgleichung der Aufzeichnungen der Kollegen mit den von dem Kläger in das System eingegebenen Arbeitszeiten habe sich eine erhebliche Abweichung der Arbeitszeiten herausgestellt. An 20 Tagen habe die Differenz sogar mehr als 30 Minuten betragen. Insgesamt habe der Kläger 39,37 Stunden in das System eingegeben, die er tatsächlich nicht als Arbeitszeit erbracht habe. Eine Überprüfung der bestehenden Verdachtsmomente sei erst am 15.04.2013 erfolgt, da der Kläger bis zum 12.04.2013 noch berechtigt gewesen sei, Veränderungen an den von ihm eingegebenen Daten vorzunehmen. Nach Beendigung des Personalgesprächs habe für sie zweifelsfrei festgestanden, dass der Kläger einen vorsätzlichen Arbeitszeitbetrug begangen habe. Einer vorherigen Abmahnung habe es wegen der Schwere des Pflichtverstoßes und des hierdurch entstandenen massiven Vertrauensverlustes nicht bedurft. Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Diese habe erst am 15.04.2013 zu laufen begonnen. Die Beklagte hat bestritten, dass bei ihr eine Kollektivregelung oder eine verbindliche Praxis bestehe, wie bei Abweichungen zwischen der eingetragenen und der tatsächlichen Arbeitszeit vorzugehen sei.
22Der Widerklageanspruch folge aus einer Überzahlung des Klägers, der für den Zeitraum vom 25.04. – 30.04.2013 eine Vergütung in Höhe von 517,89 Euro netto erhalten habe, obgleich er auf Grund der außerordentlichen Kündigung am 24.04.2013 bei ihr ausgeschieden sei.
23Das Arbeitsgericht Dortmund hat mit Urteil vom 17.12.2013 der Klage voll umfänglich stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Es hat seine Entscheidung wesentlich wie folgt begründet:
24Die außerordentliche Kündigung sei rechtunwirksam, da die Beklagte einen wichtigen Grund im Sinne des Gesetzes nicht hinreichend vorgetragen habe. Die Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, dass der Kläger einen vorsätzlichen Arbeitszeitbetrug begangen habe. Sie habe lediglich eine Excel-Tabelle zur Akte gereicht, aus der sich die Abweichungen der vom Kläger aufgezeichneten Arbeitszeiten zu den von den Kollegen vermerkten Arbeitszeiten ergeben solle. Vorgetragen habe sie, dass den einzelnen Kollegen die Aufzeichnung tatsächlich möglich gewesen sei, da die Zimmer aneinander angrenzten und grundsätzlich offen gestanden hätten. Nicht vorgetragen habe sie hingegen, welcher Mitarbeiter an welchem Tag welche konkreten Abweichungen festgestellt und aufgezeichnet habe. Dies lasse sich aus der Excel-Tabelle nicht entnehmen. Damit habe die Beklagte ihrer Kündigungsbegründungspflicht nicht genügt. Aus denselben Gründen sei die hilfsweise ausgesprochene verhaltensbedingte Kündigung rechtsunwirksam. Der Weiterbeschäftigungsantrag sei unter Berücksichtigung der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27.02.1985 begründet. Da das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen nicht beendet sei, habe der Kläger Anspruch auf Vergütung für den Zeitraum 25.04. – 30.04.2013 gem. § 615 BGB aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs der Beklagten.
25Die Beklagte hat gegen das ihr am 08.01.2014 zugestellte erstinstanzliche Urteil mit einem am 10.02.2014 (einem Montag) beim Landesarbeitsgericht eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.04.2014 – mit am 10.04.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
26Sie hält die fristlose Kündigung für gerechtfertigt, da der Kläger vorsätzlich und beharrlich seine Arbeitszeiten zu ihrem Nachteil fehlerhaft aufgeschrieben habe. Hierfür bezieht sie sich auf ihren Vortrag in der Berufungsbegründung unter Ziffer 3 (S. 5 – 16); für die Einzelheiten wird verwiesen auf Bl. 333 – 344 d. A. Auffällig sei insbesondere, dass der Kläger relativ häufig die „Gehen-Zeit“ mit 15:06 angegeben habe, ohne dass diese Zeit mit dem tatsächlichen Arbeitsende in Einklang zu bringen sei. Dies habe den Eindruck erwecken sollen, dass der Kläger eine mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmende Eintragung vorgenommen habe. Der Kläger habe mit keiner Silbe die gravierenden Fehlzeitunterschiede im Rahmen des Verfahrens erklären können. Der Kündigung ständen auch keine tariflichen Regelungen entgegen, die ein Beweisverwertungsverbot rechtfertigen könnten. Die Auffassung des Klägers, ihre Vorgehensweise ähnele „Stasi-Methoden“ werde zurückgewiesen. Es könne einem Arbeitgeber nicht verwehrt werden, zu prüfen, ob die Arbeitnehmer sich an die arbeitsvertraglichen Regelungen hielten. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB habe sie eingehalten, da erst mit Ablauf des 12.04.2013 ein arbeitsvertragliches Fehlverhalten des Klägers festgestanden habe, denn dieser habe bis zum 12.04.2013 Gelegenheit gehabt, die von ihm eingegebenen Daten für den Monat März noch zu korrigieren. Eine vorhergehende Abmahnung sei entbehrlich gewesen unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.06.2011. Im Rahmen der Betriebsratsanhörung sei sie nicht verpflichtet gewesen, den Namen der an der Zeitaufschreibung beteiligten Arbeitnehmer dem Betriebsrat mitzuteilen. Zumindest finde das Arbeitsverhältnis fristgerecht durch die hilfsweise erklärte ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung zum 30.11.2013 sein Ende. Auf Grund der erfolgten Überzahlung sei die Widerklage begründet. Der Auflösungsantrag sei ebenso begründet. Der Kläger habe in seinem Schriftsatz vom 08.07.2013 geltend gemacht, über drei Monate ausspioniert worden zu sein. Hierbei hätte sie – die Beklagte – die Hoffnung gehegt, Belastungsmaterial zu erhalten, mit dem dem unliebsamen Kläger der „Todesstoß“ versetzt werden solle. Auch werfe der Kläger ihr vor, die Vorwürfe frei erfunden zu haben. Schließlich habe der Kläger ihr „Stasi-Methoden“ vorgeworfen, um zu erreichen, sich von dem Kläger zu trennen. Diese Denkweise des Klägers zeige, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit mit ihm zukünftig nicht zu erwarten sei.
27Die Beklagte beantragt,
28unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichtes Dortmund vom 17.12.2013 – 7 Ca 1917/13 –
29- 30
1. die Klage abzuweisen;
- 32
2. im Wege der Widerklage den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 517,89 € netto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.05.2013 zu zahlen.
Ergänzend beantragt die Beklagte,
34- 35
3. das Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen gestellt wird, aber einen Betrag von 25.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem Tag der Auflösung nicht überschreiten sollten, aufgelöst.
Der Kläger beantragt,
37die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund zurückzuweisen.
38Er rügt, dass sich die Berufung mit den wesentlichen Argumenten, die zur Klageabweisung geführt hätten, nicht auseinandersetze. Vielmehr werde ein Teil der in der Excel-Tabelle aufgeführten Arbeitszeiten wiederholt und nunmehr ebenfalls ohne nähere Darlegung zu den Umständen der Beobachtung und der Dokumentation unter Beweis gestellt, dass die Mitarbeiterin Kath und der Mitarbeiter Pleger den Arbeitszeitbeginn und das Arbeitszeitende als Zeugen bestätigen könnten. Nicht erkennbar sei, wie die Beklagte die konkreten Daten nun zwei Mitarbeitern zuordne, obwohl sie erstinstanzlich vorgetragen habe, dass angeblich drei Mitarbeiter Beobachtungen angestellt hätten. Dies sei erst recht nicht verständlich unter Berücksichtigung der Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Termin nach ausführlicher Erörterung, dass er nicht weiter vortragen könne und wolle. Zudem seien die von dem jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten ab Seite 5 mitgeteilten Zeitpunkte zum Teil jedenfalls nicht identisch mit denen der Excel-Tabelle selbst. Dies gelte beispielsweise für die angeblichen Zeiten am 22.02.2013 und die Zeiten am 28.02.2013. Die Zeiten für den 29.02.2013 gebe es in der Tabelle nicht. Auch habe sich die Berufung nicht mit seinen weiteren erstinstanzlichen Darlegungen auseinandergesetzt, wonach die als Zeugin benannte Mitarbeiterin Kath ein „Kommen“ vor 09:00 Uhr schlechterdings nicht habe feststellen können, weil sie selbst immer erst um etwa 09:00 Uhr im Büro gewesen sei. Die Zeugin wohne in Münster und fahre mit dem Zug nach Dortmund; vor 09:00 Uhr sei sie niemals im Büro gewesen. Die Beklagte müsse sich nach wie vor dem Vorwurf stellen, mit „verdeckten Ermittlungsmethoden“ vorgegangen zu seien. Sie habe die Arbeitszeitregelungen, die der Arbeitserfassung dienen, überdies dazu missbraucht, „Ermittlungsdaten“ zu sammeln, um darauf später eine Kündigung zu stützen. Aus der Gesamtbetriebsvereinbarung über den Einsatz der Software zur Arbeitszeiterfassung ergebe sich, dass Daten ausschließlich dem Zugriff des Systemadministrators unterliegen. Maßnahmen des Arbeitgebers, die auf eine Anwesenheits- und Verhaltenskontrolle der Mitarbeiter hinausliefen, seien unzulässig.
39Das Begehren der Beklagten zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei nicht nachvollziehbar. Gegen eine angebliche Unzumutbarkeit spreche auch der Umstand, dass die Beklagte ihn konkret weiterbeschäftige. Probleme werfe die Weiterbeschäftigung nicht auf, auch wenn er zur Zeit nicht auf seinem bisherigen Arbeitsplatz tätig werde, sondern eine „Übergangsbeschäftigung“ angeboten erhalten habe. Unter Hinweis auf sein erstinstanzliches Vorbringen hält der Kläger die Kündigung auch unter Berücksichtigung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB für unwirksam. Schließlich rechtfertige die gebotene Interessenabwägung keine Kündigung. Es stehe fest, dass es zwischen ihm und seiner Vorgesetzten, Kath, in früherer Zeit zu erheblichen Unstimmigkeiten gekommen sei. Es spreche eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass er von dieser Vorgesetzten zu einem späteren Zeitpunkt „unter Beobachtung“ gestellt worden sei. Für diese Beobachtung gebe es keinerlei nachvollziehbare Gründe. Ein verständiger Arbeitgeber hätte eventuelle Fehler angesprochen und den Arbeitnehmer konkret mit Sachverhalten, die zeitnah auf den Tisch hätten gelegt werden können, konfrontiert.
40Wegen des weiteren tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird verwiesen auf deren wechselseitige Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der öffentlichen Sitzungen erster und zweiter Instanz, die insgesamt Gegenstand der letzten mündlichen Verhandlung waren.
41Entscheidungsgründe
42I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund ist zulässig.
43Sie ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 Buchst. c) ArbGG an sich statthaft und auch gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
44II. In der Sache musste dem Rechtsmittel der Erfolg versagt bleiben.
45Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch die Kündigung der Beklagten vom 24.04.2013 weder fristlos (1.) noch ordentlich zum 30.11.2013 (2.) aufgelöst worden. Auch war das Arbeitsverhältnis nicht aufzulösen gegen Zahlung einer Abfindung (3.). Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen (4.). Der Widerklage war nicht stattzugeben (5.).
461. Der Beklagten steht für die fristlose Kündigung vom 24.04.2013 ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB nicht zur Seite.
47a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund der dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist (st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts, etwa Entsch. v. 10.06.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227; BAG, 26.03.2009 – 2 AZR 953/07, AP BGB § 626 Nr. 220). Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist nur gegeben, wenn das Ergebnis dieser Gesamtwürdigung die Feststellung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ist.
48b) Das von der Beklagten dargelegte Verhalten des Klägers rechtfertigt bereits an sich eine außerordentliche Kündigung nicht.
49aa) Zwar ist der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne des Gesetzes darzustellen (BAG, 09.06.2011 – 2 AZR 381/10, NZA 2011, 1027; BAG, 27.11.2005 – 2 AZR 39/05, AP BGB, § 626 Nr. 197; BAG, 21.04.2005 – 2 AZR 255/07, BAGE 114, 264). Auch ist anerkannt, dass dies für einen vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso gilt wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare (vgl. BAG, 24.11.2005 a.a.O.). Der Arbeitgeber ist angewiesen und muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit vertrauen können. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und führt ein Arbeitnehmer ein dafür zur Verfügung stehendes Formular wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Es liegt in diesem Verhalten einen erhebliche Verletzung der gegenüber dem Arbeitgeber bestehenden Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB).
50bb) Vorliegend ist es der Beklagten weder erst- noch zweitinstanzlich gelungen, Verstöße des Klägers gegen seine Verpflichtung zur korrekten Dokumentation der abgeleisteten Arbeitszeit substantiiert und widerspruchsfrei darzulegen.
51(1) Die Vorlage der Excel-Tabelle (Bl. 61 f. d. A.), die die Beklagte erstinstanzlich ihrem Schriftsatz vom 11.06.2013 angelegt hat, vermag – wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat – substantiiertes Vorbringen nicht zu ersetzen. Ihr ist insbesondere nicht zu entnehmen, welche Mitarbeiterin oder welcher Mitarbeiter an welchen Tagen welche konkreten Arbeitszeit-Abweichungen des Klägers auf welche Weise festgestellt und sodann aufgezeichnet bzw. in die Tabelle eingetragen hat. Mangels entsprechenden Parteivortrags war dem Beweisantrag der Beklagten auf Vernehmung von ihr gestellter Zeugen zu Recht nicht zu entsprechen, da dies auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinausgelaufen wäre.
52(2) Das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz genügt nach wie vor nicht den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung des streitigen Kündigungssachverhalts.
53Die Behauptung, dass der Kläger an einem bestimmten Datum als Arbeitsbeginn eine bestimmte Uhrzeit angegeben habe, jedoch tatsächlich erst zu einer späteren Uhrzeit erschienen sei – Entsprechendes gilt für die Behauptungen der Beklagten zu eingetragenem Arbeitsende und tatsächlichem Verlassen des Arbeitsplatzes – ist ohne weitere Darlegungen einer Zeugenvernehmung unter dem Gesichtspunkt des unzulässigen Ausforschungsbeweises nicht zugänglich. Die Beklagte hätte nachvollziehbar vorzutragen gehabt, wie sie die Begriffe Arbeitsbeginn/Arbeitsende sowie Erscheinen/Verlassen des Arbeitsplatzes konkret versteht. Verlässt jemand den Arbeitsplatz, muss ein solches Verhalten nicht zwangsläufig das Arbeitszeitende an dem betreffenden Arbeitstag bedeuten. Auch ein tatsächliches Erscheinen muss nicht zwingend der Beginn der Arbeitsaufnahme sein.
54Des Weiteren hätte die Beklagte darzustellen gehabt, unter welchen Umständen sie ihre Beobachtungen mit der Hilfe von Mitarbeitern gemacht hat und welche Variablen ihrer Dokumentation per Excel-Tabelle zugrunde lagen. Dieses Erfordernis stellte sich für die Beklagte umso mehr unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens, nach dem die die Arbeitszeiten beobachtende bzw. dokumentierende Mitarbeiterin Kath – unwidersprochen – ein „Kommen“ des Klägers vor 9.00 Uhr mangels arbeitstäglicher persönlicher Anwesenheit in ihrem Büro vor diesem Zeitpunkt nicht habe feststellen können. Es fragt sich dann allerdings, auf welcher Grundlage die in das Wissen dieser Mitarbeiterin gestellten Zeitangaben in die Excel-Tabelle gelangt sind, finden sich doch zahlreiche Eintragungen zu einer Arbeitsaufnahme des Klägers deutlich vor 9:00 Uhr, für die die Mitarbeiterin Kath als Zeugin aufgeboten ist.
55Widersprüchlich wird das Berufungsvorbringen insbesondere dadurch, dass die Beklagte erstinstanzlich vorgetragen hat, die Arbeitszeiten seien korrekt und wahrheitsgemäß von der Teamleiterin, Kath, sowie von zwei weiteren Kollegen erfasst worden. Im Kammertermin vom 17.12.2013 erklärte der Vertreter der Beklagten überdies, dass kein weiterer Vortrag mehr erfolgen werde. Zweitinstanzlich änderte die Beklagte ihren Vortrag nunmehr ab und benennt für das von ihr behauptete fehlerhafte Aufschreiben der Arbeitszeiten durch den Kläger allein die Teamleiterin Kath und den Mitarbeiter Pleger. Ob die tatsächlichen Beobachtungen zu den sodann dokumentierten Arbeitszeiten jedoch durch zwei oder aber durch drei Personen erfolgten, kann nicht beliebig zum Parteivortrag erhoben werden. Ein Auswechseln des Vorbringens ohne nähere Erläuterung verwehrt dem Kläger jede Möglichkeit einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Kündigungssachverhalt.
56Indem die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung lediglich die Inhalte der Excel-Tabelle wiederholt, indes keinerlei Darlegungen zu den näheren Umständen der den Daten zugrunde liegenden Beobachtungen und auch der Dokumentation erfolgen, genügt sie nicht den Anforderungen, die an einen kündigungsbegründenden konkreten Sachvortrag zu stellen sind. Dem Kläger seinerseits war es aufgrund des unzureichenden tatsächlichen Vorbringens der Beklagten nicht möglich, sich zu den ihm vorgehaltenen Daten im Einzelnen zu erklären.
57Da die Beklagte ihrer Darlegungs- und (gfl.) Beweislast, die sie für das Vorliegen aller Umstände des wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB trifft, nicht nachgekommen ist, bleibt die fristlose Kündigung vom 24.04.2013 rechtsunwirksam.
582. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis ebenso wenig (zum 30.09.2013). Die Beklagte hat, dies ergibt sich aus den Ausführungen oben unter Punkt II. 1, auch Kündigungsgründe für eine verhaltensbedingte Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG nicht substantiiert dargelegt.
593. Das Arbeitsverhältnis der Parteien war nicht auf Antrag der Beklagten gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG aufzulösen. Auflösungsgründe im Sinne der kündigungsschutzrechtlichen Bestimmung liegen nicht vor.
60Nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG hat das Gericht nach – wie vorliegend gegeben – erfolgreicher Kündigungsschutzklage auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.
61a) Nach seiner Konzeption ist das Kündigungsschutzgesetz ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. Deshalb lässt es die Auflösung des Arbeitsverhältnisses trotz Sozialwidrigkeit der Kündigung nur ausnahmsweise zu. An die Auflösungsgründe sind strenge Anforderungen zu stellen. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist derjenige der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (BAG, 08.10.2009 – 2 AZR 682/08, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57). Von diesem Standpunkt aus ist zu fragen, ob in der Zukunft eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zu erwarten ist (BAG, 24.03.2011 – 2 AZR 674/09, juris).
62Auflösungsgründe im Sinne des Gesetzes können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine dem Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im (schuldhaften) Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist vielmehr, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (BAG, 08.10.2009 a.a.O.). Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen können als Auflösungsgrund geeignet sein. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass gerade Erklärungen in laufenden Gerichtsverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können. Es ist anerkannt, dass ein Verfahrensbeteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen darf, um seine Rechtsposition zu unterstreichen. Dies gilt allerdings nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht (BAG, 24.03.2011, a.a.O. mit Hinweis auf BVerfG, 11.04.1991 – 2 BvR 963/90, NJW 1991, 2074).
63b) Daran gemessen liegen Sachverhalte, die geeignet wären, das Arbeitsverhältnis des Klägers durch gerichtliche Entscheidung aufzulösen, nicht vor. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht rechtfertigte die objektive Lage nicht die Besorgnis, dass eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Kläger gefährdet ist. Wenn der Kläger im laufenden Verfahren sich über einen Zeitraum von drei Monaten deutlich ausspioniert gefühlt hat durch ein heimliches Observierungsverhalten der Beklagten, dessen Rechtmäßigkeit durchaus kritisch bewertet werden kann, muss er seine Kritik relativ drastisch formulieren dürfen. Mit der Ausdrucksweise, dass derartige Überwachungsmaßnahmen unzulässig seien und eigentlich in die unrühmliche Zeit des DDR-Systems gehörten, vergleicht er zwar die Arbeitszeitkontrollen der Beklagten mit den Methoden des damaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR, der Unterdrückungs- und Überwachungsinstrument der SED gegenüber der DDR-Bevölkerung war. Dass dieser Vergleich, wenn gleich er nur die Methode der Kontrolle betrifft, insgesamt unzutreffend ist, bedarf keiner näheren Erläuterung. Andererseits will der Kläger mit seiner Formulierung eindringlich verdeutlichen, dass seiner Ansicht nach die Beklagte ihn über den sehr langen Zeitraum von drei Monaten tagtäglich beim „Kommen und Gehen“ in unzulässiger Weise heimlich observiert hat. Eine derartige Überwachung gehöre, so der Kläger, „eigentlich in die unrühmliche Zeit des allseits bekannten DDR-Systems“. Mit dieser Wortwahl, insbesondere auch durch das die Heftigkeit der Formulierung abschwächende Wort „eigentlich“, hält sich der Kläger zur Überzeugung der Berufungskammer noch im Rahmen dessen auf, was als zulässige, wenn gleich pointierte Unterstreichung seiner Rechtsposition begriffen werden kann.
64Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses scheitert letztlich jedoch bereits daran, dass die Beklagte den Kläger konkret tatsächlich weitbeschäftigt. Der Kläger konnte in diesem Zusammenhang von der Beklagten unbestritten vortragen, dass seine Weiterbeschäftigung Probleme nicht aufwerfe. Wenn die Beklagte während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnis zudem nicht geltend gemacht hat und den Kläger zudem während des Verfahrens des Berufungsrechtszugs tatsächlich weiterbeschäftigt, kann die objektive Lage nicht die Besorgnis rechtfertigen, dass eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien gefährdet ist.
654. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen arbeitsvertragsrechtlichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses.
66Da die streitgegenständliche Kündigung rechtswirksam ist und zusätzliche Umstände, aus denen sich ein überwiegendes Interesse der Beklagten ergibt, den Kläger nicht zu beschäftigen, nicht erkennbar sind, greift der Anspruch zugunsten des Klägers (vgl. BAG, 27.02.1985 – GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).
675. Die Widerklage ist unbegründet. Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von 517,89 Euro aus dem Gesichtspunkt einer Überzahlung.
68Da – wie entschieden – das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentlich sowie hilfsweise ordentlich erklärte Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Kläger gegen die Beklagte für den Zeitraum 25.04. bis 30.04.2013 Anspruch auf Arbeitsentgelt. Der Anspruch beruht auf § 615 BGB, da die Beklagte sich in dem streitigen April-Zeitraum mit der Annahme der klägerischen Arbeitsleistung in Verzug befand.
69III. Die Kostenentscheidung zu Lasten der mit dem Rechtsmittel unterlegenen Beklagten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
70Gründe gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht gegeben.
(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn
- 1.
die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde, - 2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde, - 3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten, - 4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist, - 5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder - 6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.
(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.
(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.
(1) Der Arbeitgeber kann, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, die personelle Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 vorläufig durchführen, bevor der Betriebsrat sich geäußert oder wenn er die Zustimmung verweigert hat. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die Sach- und Rechtslage aufzuklären.
(2) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme zu unterrichten. Bestreitet der Betriebsrat, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, so hat er dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. In diesem Fall darf der Arbeitgeber die vorläufige personelle Maßnahme nur aufrechterhalten, wenn er innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die Feststellung beantragt, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
(3) Lehnt das Gericht durch rechtskräftige Entscheidung die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats ab oder stellt es rechtskräftig fest, dass offensichtlich die Maßnahme aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war, so endet die vorläufige personelle Maßnahme mit Ablauf von zwei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung. Von diesem Zeitpunkt an darf die personelle Maßnahme nicht aufrechterhalten werden.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 08.09.2015 – 7 Ca 2235/15 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch Kündigung der Beklagten beendet ist.
3Der 1962 geborene Kläger war seit dem 01.04.2001 bei ihr beschäftigt. Ursprünglich bestand das Arbeitsverhältnis mit der Deutschen U Immobilien und Service GmbH. Das Arbeitsverhältnis ging auf die Beklagten im Wege der Rechtsnachfolge über. Der Kläger war zuletzt zu einem Bruttolohn von 4.165,- € als Immobilienkaufmann am Standort E im Bereich Corporate and Public im Team RE1234 tätig, welches für Betriebskostenabrechnungen zuständig ist. Betriebskostenabrechnungen werden bei der Beklagten zentralisiert am Standort E durchgeführt. Bei der Beklagten sind 130 Mitarbeiter als Immobilienkaufleute tätig.
4Das Team RE1234 ist dem Betrieb Real Estate Management (REM) zugerechnet, welcher sich vorrangig mit Verwaltungsaufgaben für das Facility Management beschäftigt und bei welchem zum 28.05.2015 724 Mitarbeiter tätig waren. Aktuell sind dort noch 690 Mitarbeiter beschäftigt.
5In dem mit der Deutschen U Immobilien und Service GmbH geschlossenen Arbeitsvertrag des Klägers vom 02.02.2001 (Bl. 13-15 d.A. 17 Sa 1660/15) ist u.a. geregelt:
6„§ 1
7Art und Ort der Beschäftigung
81. Der Arbeitnehmer wird im Aufgabenbereich Service Center Nord in N als Immobilienkaufmann vollzeitbeschäftigt.
92. Die E1 ist berechtigt, dem Arbeitnehmer auch eine andere, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit, gegebenenfalls auch unter Veränderung des Arbeitsortes/Einsatzgebietes oder des Aufgabenbereiches zu übertragen. Der Arbeitnehmer ist zuvor zu hören.
103. Die Beteiligung des Betriebsrates bleibt hiervon unberührt.
11§ 2
12Anzuwendende Regelungen (Tarifbindung)
13Das Arbeitsverhältnis unterliegt den für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung.“
14Eine derartige Versetzungsklausel ist in allen von der Beklagten mit ihren Beschäftigten geschlossenen Arbeitsverträgen enthalten.
15§ 4 des Tarifvertrages vom 14.10.1998 (Bl. 291-295 d.A. 17 Sa 1660/15), geschlossen von der E1 und der Deutschen Postgewerkschaft bestimmt:
16„Versetzung
17Soll ein Arbeitnehmer vorübergehend oder auf Dauer versetzt werden, so sind die Betriebsinteressen mit den Arbeitnehmerinteressen abzuwägen. Ergibt sich nach Abwägung der betrieblichen Interessen die Möglichkeit einer Auswahlentscheidung, so sind soziale Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Der Arbeitnehmer ist vor seiner Versetzung zu hören. Die Beteiligung des Betriebsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz bleibt hiervon unberührt.“
18Die Parteien schlossen 2009 und 2010 Änderungsverträge zum Arbeitsvertrag vom 02.02.2001 (Bl. 16-22 d.A. 17 Sa 1660/15). Mit Änderungsvertrag vom 21.12.2009 wurde § 1 Abs. 1 des ursprünglichen Arbeitsvertrages dahingehend geändert, dass der Kläger in E im Team Competence Center KFM (Vertragsmanagement) als Assistent KFM vollbeschäftigt wurde. Mit Vertrag vom 10.03.2010 wurde er in E als Assistent KFM im Bereich RE4567 beschäftigt. Der letzte Änderungsvertrag vom 25.11.2010 enthält folgende Regelungen (Bl. 22 d.A.17 Sa 1660/15):
19§ 1
20Änderung des Arbeitsvertrages
21- 1.22
§ 1 Abs. 1 Ihres Arbeitsvertrages (Art und Ort der Beschäftigung) erhält folgende Fassung:
Der Arbeitnehmer wird in E als Immobilienkaufmann im Bereich Corporate and Public im Team RE1234 vollbeschäftigt.
242. …
25§ 2
26Schlussbestimmungen
27- 1.28
Alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages bleiben unberührt.
- 2.29
…
Zwischen den Parteien war vor dem Arbeitsgericht Dortmund (Az. 7 Ca 1917/13) ein Kündigungsrechtsstreit anhängig. Mit Urteil vom 17.12.2013 wurde festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24.04.2013 beendet ist, und wurde die Beklagte verurteilt, den Kläger als Immobilienkaufmann in der Abteilung DFMG für den Bereich Betriebskostenabrechnung weiterzubeschäftigen (Bl. 24-37 d.A.17 Sa 1660/15). Das Urteil ist nach der Berufungsentscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 03.07.2014 (Az. 15 Sa 169/14) rechtskräftig geworden. Beide Instanzen sahen den Vorwurf des Arbeitszeitbetruges als nicht hinreichend dargelegt an. Der Kläger wurde nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses beschäftigt
31.
32Unter dem 18.03.2014 sendete die Mitarbeiterin M, die im ehemaligen Team des Klägers tätig ist, eine E-Mail an den Betriebsratsvorsitzenden I, worin es heißt: „Wir, das Team RE1234, lehnen eine Zusammenarbeit mit Herrn O in Zukunft ab!“ (Bl. 151 d.A.). Die Mitarbeiterin beschrieb den Kläger als unkollegial und unkooperativ; er habe teamübergreifende Aufgaben ignoriert oder fehlerhaft ausgeführt und die Regelungen zur Vertrauensgleitzeit stark missbraucht.
33Am 25.03.2014 fand ein Gespräch zwischen dem Team RE1234 und dem Betriebsratsvorsitzenden I statt, in dem es um die Rückkehr des Klägers in das Team ging. Dieses blieb bei seiner ablehnenden Haltung gegenüber seiner Rückkehr, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob sämtliche Teammitglieder an dem Treffen teilnahmen.
34Mit E-Mail vom 06.10.2014 informierte die Beklagte den Kläger unter Bezugnahme auf ein Gespräch vom 17.07.2014, er werde ab dem 01.11.2014 zunächst für sechs Monate in ihrem „Archiv-Projekt“ am Standort C eingesetzt. Sie erinnerte zudem an die bereits im Gespräch erörterte Alternative, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufzulösen. Der Prozessbevollmächtigten des Klägers erhob in einer E-Mail vom 08.10.2014 Einwände gegen die Versetzungsankündigung und forderten die Beklagte auf, bis zum 17.10.2014 zu bestätigen, dass sie von der Versetzungsanordnung Abstand nehme (Bl.86 – 89 d.A.). Die Beklagte erklärte unter dem 24.10.2014, sie schiebe die Versetzung für die Dauer des Prozessarbeitsverhältnisses vorläufig auf (Bl. 89 - 90 d.A.).
35Am 28.01.2015 fand ein Gespräch über eine etwaige gütliche Einigung in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers mit dem Mitarbeiter der Personalabteilung der Beklagten U statt. Einvernehmliche Lösungen konnten nicht erzielt werden. Die Beklagte lehnte eine Rückkehr des Klägers in das alte Team, der Kläger den Vorschlag ab, einen Aufhebungsvertrag zu schließen.
36.
37Mit Schreiben vom 23.02.2015 teilte die Beklagte ihm mit, dass sie ihn unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages für die Zeit vom 16.03.2015 bis zum 30.09.2015 im Team RE2345, Team E2/Archiv, am Standort C einsetzen werde (Bl.68, 69 d.A.). Sie sagte ihm eine Kostenerstattung im Rahmen der doppelten Haushaltsführung für maximal 24 Monate zu und forderte ihn auf, Schlüssel und Zutrittskarten für das Gebäude in E spätestens bis zum 06.03.2015 zurückzugeben.
38Immobilienkaufleute dieses Teams wurden im Projekt „Digitalisierung des Liegenschaftsarchivs“ beschäftigt und durch Mitarbeiter des Teams RE3456 unterstützt. Die Aufgaben in dem Projekt sollten nach Vortrag der Beklagten aus Kostengründen vorrangig von eigenen Mitarbeitern und nicht von Leih- und Zeitarbeitnehmern erledigt werden. Daneben bestand ein Projekt „Optimierung der Mietvertragsakten im Archiv“, bei welchem ebenfalls Immobilienkaufleute tätig wurden.
39Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit Schreiben vom 23.02.2015 zu der Versetzung an (Bl. 118 d.A. 17 Sa 1660/15). Sie fügte der Anhörung ein Begründungsschreiben bei, in welchem sie zum einen auf die Weigerung des Teams in E, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, zum anderen auf eine fehlende Beschäftigungsmöglichkeit als Immobilienkaufmann am Standort E abstellte (Bl. 119 d.A. 17 Sa 1660/15). Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zur Versetzung nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG. Zur Begründung verwies er auf Beschäftigungsmöglichkeiten im Team 4567 in E (Bl. 58 d.A. 17 Sa 1660/15). Die Beklagte leitete ein Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Frankfurt a.M. (Az. 10 BV 229/15) ein, welches inzwischen für erledigt erklärt wurde.
40Mit anwaltlichen Schreiben vom 09.03.2015 forderte der Kläger sie auf, die Weisung bis zum 12.03.2015 zurückzunehmen. Er bezeichnete die Versetzungsmaßnahme als „willkürlich“ und „bloße Maßregelung“ (Bl. 59-60 d.A. 17 Sa 1660/15). Die Beklagte hielt mit Schreiben vom 12.03.2015 an der Versetzung fest (Bl. 61-62. d.A. 17 Sa 1660/15).
41Dem Betriebsrat wurde unter dem 11.03.2015 die vorläufige Umsetzung der Versetzungsmaßnahme gemäß § 100 BetrVG angezeigt (Bl. 121-122 d.A. 17 Sa 1660/15). Der Kläger wurde im Schreiben vom 12.03.2015 entsprechend unterrichtet. Der Betriebsrat gab zu der vorläufigen Maßnahme keine Stellungnahme ab.
42Der Kläger nahm die Arbeit am Standort C nicht auf.
43Am 26.03.2015 mahnte ihn die Beklagte wegen unerlaubten Fernbleibens von der Arbeit schriftlich ab (Bl. 92 - 93 d.A.). Er wies die Abmahnung mit anwaltlichen Schreiben vom 01.04.2015 zurück (Bl. 69 d.A.17 Sa 1660/15). Unter dem 22.04.2015 erging ebenfalls wegen unentschuldigten Fernbleibens von der Arbeit eine zweite Abmahnung (Bl. 94 - 95 d.A.).
44Mit Schreiben vom 20.05.2015 (Bl. 96 bis 99 d.A.) hörte die Beklagte den Übergangsbetriebsrat REM zu ihrer Absicht an, das zu dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2015 zu kündigen, da er trotz Erteilung zweier Abmahnungen ihrer Weisung vom 23.02.2015 nicht gefolgt sei.
45Mit E-Mail vom 21.05.2015 äußerte der Betriebsrat Bedenken gegen die außerordentliche Kündigung mit der Begründung, das Verhalten der Beklagten habe nur das Ziel, den Kläger zu zwingen, das Unternehmen zu verlassen; der ständig formulierte Vertrauensverlust und das nicht Einschreiten gegen das „kollektive Mobbing“ im Team sei für ihn unerklärlich, zumal er eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit aufgezeigt habe (Bl 100, 101 d.A.).
46Mit E-Mail vom 27.05.2015 (Bl. 102, 103 d.A.) widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten hilfsweise auszusprechenden ordentlichen Kündigung mit der Begründung, der Kläger könne auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden und habe im Übrigen der Weisung nicht Folge leisten müssen.
47Mit Schreiben vom 28.05.2015, dem Kläger am selben Tage per Boten zugegangen, sprach die Beklagte die fristlose Kündigung, hilfsweise fristgemäße Kündigung zum 31.12.2015 aus (Bl. 18 d.A.).
48Die Beklagte zahlte das Gehalt für den Monat März 2015. Ab April 2015 erfolgten keine Zahlungen mehr. Sie meldete den Kläger bei der Sozialversicherung ab. Ab dem 21.05.2015 erhielt er Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit.
49Mit Schreiben vom 25.04.2015 forderte ihn die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 28.04.2015 zur Rückzahlung der ab dem 16.03.2015 bis zum 31.05.2015 geleisteten Vergütung in Höhe von 1.113,66 € auf.
50Mit seiner am 18.03.2015 bei dem Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage wendete sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der Versetzungsmaßnahme. Mit Klageerweiterungen vom 07.04.2015 und 23.04.2015 wehrte er sich gegen die erteilten Abmahnungen und begehrte die Vergütung ab April 2015 bis August 2015. Die Beklagte erhob Widerklage mit dem Ziel der Verurteilung des Klägers zur Rückzahlung der bereits geleisteten Vergütung von 1.113,66 €.
51Mit Urteil vom 08.09.2015 stellte das Arbeitsgericht Dortmund fest, dass die Weisung der Beklagten vom 23.02.2015 unwirksam ist, und verurteilte die Beklagte, die Abmahnung vom 26.03.2015 und 22.04.2015 aus der Personalakte zu entfernen und an den Kläger die ausstehende Vergütung für die Monate April bis August 2015 in Höhe von 20.825,00 € brutto abzüglich eines auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Anspruchs für den Leistungszeitraum vom 21.04.2015 bis zum 31.08.2015 in Höhe von 6.133,76 € zu zahlen. Im Übrigen wies es die Klage und die Widerklage ab (7 Ca 1224/15). Die gegen das Urteil unter dem Aktenzeichen 17 Sa 1661/15 eingelegte Berufung der Beklagten wurde mit Urteil vom 17.03.2016 zurückgewiesen.
52Mit seiner am 03.06.2015 bei dem Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 28.05.2015.
53Er hat vorgetragen:
54Er habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht dadurch verletzt, dass er der Weisung der Beklagten vom 23.02.2015 nicht gefolgt sei. Diese widerspreche dem Inhalt des Arbeitsvertrages.
55Der Vorbehalt aus § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages aus 2001 sei wegen der arbeitsvertraglichen Konkretisierung des Arbeitsplatzes unbeachtlich.
56Er sei zudem nicht Bestandteil des aktuellen Arbeitsvertrages vom 25.11.2010 geworden. Es sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass durch die Regelung in § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages auch der Versetzungsvorbehalt aufrechterhalten werden sollte. Die Regelung sei intransparent, da die Beklagte durch die Änderungsverträge zum Ausdruck gebracht habe, den Arbeitsort als wesentlichen Vertragsbestandteil anzusehen, der nur aufgrund eines Änderungsvertrages und nicht aufgrund von Weisung abgeändert werden könne. Die Bestimmung sei insofern widersprüchlich, als sie nicht einerseits individualvertraglich einen Arbeitsort festlegen und andererseits einen generellen Vorbehalt einfügen könne. Selbst bei Geltung des § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 erlaube dieser keine vorübergehende Übertragung eines neuen Aufgabenbereiches, so dass die Weisung zur befristeten Ausübung der Arbeitsleistung am Standort C von der Regelung nicht gedeckt sei.
57Die Unwirksamkeit der Weisung ergebe sich auch daraus, dass die gemäß § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 notwendige Anhörung unterblieben sei. Bei dem Gespräch am 28.01.2015 sei eine Versetzung nach C nicht angesprochen worden. Seine Stellungnahmen aus Oktober 2014 könnten für die Versetzungsanweisung vom 23.02.2015 nicht herangezogen werden. Auch seien die Voraussetzungen der Gesamtbetriebsvereinbarung über Mitarbeitergespräch vom 24.02.2010 (Bl. 133-145 d.A.) nicht eingehalten worden.
58Die Unwirksamkeit der Versetzungsmaßnahme folge weiter aus der fehlenden Beteiligung des Betriebsrates. Der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes in C hätte beteiligt werden müssen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Betriebsrat der Versetzung widersprochen habe. Der Widerspruch beziehe sich auch auf die vorläufige Maßnahme nach § 100 BetrVG. Im Übrigen sei ihm die vorläufige Maßnahme nicht angezeigt worden.
59Die Weisung stelle eine Diskriminierung und Maßregelung dar. Damit werde der Streit aus dem vorhergehenden Kündigungsschutzprozess über einen angeblichen Arbeitszeitbetrug fortgesetzt.
60Die Weisung sei unbillig. Seine Interessen seien nicht berücksichtigt worden. Eine Versetzung sei nicht notwendig gewesen. Dies werde durch die Stellungnahme des Betriebsratsvorsitzenden belegt. Das Team habe sich nur teilweise negativ zu einer Zusammenarbeit mit ihm geäußert. An dem Gespräch mit dem Betriebsratsvorsitzenden seien nicht alle Teammitglieder beteiligt gewesen.
61Eine befristete Versetzung sei nicht zur Herstellung des Betriebsfriedens geeignet. Die Beklagte hätte zudem ihrer Fürsorgepflicht nachkommen und sich schützend vor ihn stellen müssen. Im Übrigen hätten Beschäftigungsmöglichkeiten in E bestanden.
62Die Abmahnungen seien rechtswidrig, weil mangels wirksamer Versetzungsanweisung für ihn keine Pflicht zur Erbringung von Arbeitsleistung ab dem 16.03.2015 in C bestanden habe.
63Die Beklagte habe ihn vor Ausspruch der fristlosen Kündigung nicht angehört.
64Die Spannungen im Team hätten die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses nicht gefordert.
65Der Kläger hat beantragt
66- 67
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis durch die mit Schreiben vom 28.05.2015 ausgesprochene außerordentliche Kündigung nicht beendet wird,
- 68
2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung vom 28.05.2015 mit Wirkung zum 31.12.2015 beendet wird.
Die Beklagte hat beantragt,
70die Klage abzuweisen.
71Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe in schwerwiegender Weise seine Arbeitsvertragspflichten dadurch verletzt, dass er ihrer wirksamen Weisung vom 23.02.2015 trotz zweier Abmahnungen beharrlich nicht nachgekommen sei und seine Tätigkeit nicht in C aufgenommen habe.
72Zur Wirksamkeit der Weisung hat sie vorgetragen:
73Es sei klar gewesen, dass der Arbeitsvertrag aus 2001 Grundlage für die Weisung gewesen sei. Der Versetzungsvorbehalt sei nicht intransparent oder widersprüchlich, sondern entspreche gängiger Praxis und der Bestimmung des § 106 GewO. Die Regelung umfasse auch die Möglichkeit einer befristeten Versetzung. Die Dauer der anderweitigen Aufgabenübertragung sei nicht festgelegt worden und die Klausel diene gerade dem Zweck, auch einen nur vorübergehenden Mehrbedarf an Personal an einem Standort decken zu können.
74Selbst wenn der vertragliche Versetzungsvorbehalt unwirksam sei, habe ihr ein Weisungsrecht aus § 106 GewO zugestanden.
75Die Versetzung sei nicht unbillig, sondern aus betrieblichen Gründen notwendig gewesen. Sie sei als einzige Maßnahme geeignet gewesen, den Betriebsfrieden wiederherzustellen. Der Kläger habe wegen der Spannungen im Team RE1234 dort nicht mehr beschäftigt werden können. Das gesamte Team habe sich gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden gegen seine Rückkehr ausgesprochen. Sie habe ihre Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Mitarbeitern erfüllen müssen. Eine freie Stelle für einen Immobilienkaufmann in E und Umgebung habe es nicht gegeben.
76Der Kläger sei ordnungsgemäß angehört worden und habe ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. So sei in dem Gespräch am 28.01.2015 die geplante Versetzung ab Mitte März 2015 bereits bekannt gewesen und angesprochen worden. Der Kläger habe trotz entsprechender Möglichkeit keine Stellung bezogen. Im Übrigen sei dem Anhörungserfordernis mit der Stellungnahme seines Prozessbevollmächtigten vom 08.10.2014 genügt worden.
77Der Betriebsrat sei zu der Versetzungsmaßnahme ordnungsgemäß beteiligt worden.
78Mangels unverzüglicher Reaktion auf die Anzeige der vorläufigen Maßnahme sei von seiner Zustimmung auszugehen. In dem aufnehmenden Betrieb in C existiere kein Betriebsrat. Vielmehr sei seit dem 01.01.2015 der Übergangsbetriebsrat in G für beide Betriebe in E und C zuständig.
79Der Kläger habe vor Kündigungsausspruch nicht angehört werden müssen.
80Sie habe die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB eingehalten.
81Mit Urteil vom 08.09.2015 hat das Arbeitsgericht Dortmund festgestellt, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis durch die mit Schreiben vom 28.05.2015 ausgesprochene Kündigung weder außerordentlich noch mit Wirkung zum 31.12.2015 beendet wird.
82Es hat ausgeführt:
83Der Kläger habe die Kündigungsschutzklage fristgerecht im Sinne der § 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG erhoben.
84Die Beklagte habe den Betriebsrat vor Kündigungsausspruch ordnungsgemäß angehört.
85Es fehle jedoch an einem wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB.
86Der Kläger habe zu Recht die Arbeitsaufnahme in C verweigert. Die Versetzungsmaßnahme vom 23.02.2015 sei rechtsunwirksam. Die Maßnahme habe trotz ihrer Befristung die Rechte und Pflichten der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis berührt und stelle nicht nur eine unwesentliche Änderung der Arbeitsumstände dar.
87Die Versetzung sei wegen Verstoßes gegen den Arbeitsvertrag rechtswidrig. § 106 GewO gelte nur, soweit keine arbeitsvertraglichen Festlegungen vorlägen. § 1 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 enthalte Festlegungen hinsichtlich des Ortes und des Inhaltes der Arbeit. Als Arbeitsort sei E vertraglich bestimmt.
88Die Versetzungsklausel in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 sei gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Die Inhaltskontrolle sei eröffnet. Die Klausel gehe über die Bestimmung des § 106 GewO hinaus, da sie keine Weisung nach billigem Ermessen enthalte. Sie stelle eine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar, da sie weder im Hinblick auf die Art noch auf den Inhalt der Arbeit die Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen gewährleiste. Die Formulierung gehe ferner zu weit, denn sie umfasse auch die Zuweisung von minderwertiger Arbeit. Eine geltungserhaltende Reduktion der unwirksamen Klausel sei verboten. Eine Aufspaltung in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil sei nicht möglich.
89Der Kläger sei nicht gehalten gewesen, der Versetzungsanweisung vorläufig Folge zu leisten. Sie sei objektiv unwirksam gewesen. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.02.2012 (5 AZR 249/11) zur vorläufigen Verbindlichkeit unbilliger Direktionsmaßnahmen stehe der Auffassung des Gerichts nicht entgegen, da sie zu den Voraussetzungen des Annahmeverzugs ergangen sei. Für den Bereich des Kündigungsrechts könne dem Arbeitnehmer kein Vorwurf gemacht werden, wenn er eine Arbeitsanweisung, die sich bei gerichtlicher Überprüfung als rechtsunwirksam darstelle, nicht folge.
90Das Arbeitsverhältnis werde auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene fristgerechte Kündigung beendet, da diese im Hinblick auf das Fehlen verhaltensbedingter Gründe sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sei.
91Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 153 bis 158 der Akte Bezug genommen.
92Gegen das ihr am 13.10.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.11.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.01.2016 am 13.01.2016 eingehend begründet.
93Sie rügt das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts als fehlerhaft und trägt vor:
94Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts habe der Kläger seine Arbeitsvertragsverpflichtungen in beharrlicher Weise mit der Folge verletzt, dass er einen an sich für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung geeigneten Grund gesetzt habe.
95Die Versetzungsanweisung vom 23.02.2015 sei rechtmäßig.
96E sei nicht als fester, unveränderlicher Arbeitsort festgelegt worden. § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 sei von dem Änderungsvertrag vom 25.11.2010 in Bezug genommen worden und Bestandteil des Änderungsvertrages geworden. Anlass für den Abschluss des Änderungsvertrages sei nicht die Festlegung des Arbeitsortes, sondern die Änderung der Tätigkeit des Klägers gewesen. Eine verbindliche und unabänderliche Festlegung eines Arbeitsortes, die für eine Weisung nach § 106 GewO keinen Raum mehr lasse, sei nicht gewollt gewesen. Es handle sich um eine rein deklaratorische Bestimmung. Im Rahmen einer durchzuführenden Gesamtbetrachtung ergebe sich, dass sie sich die Option habe offen halten wollen, den Kläger mit anderen Aufgaben an anderen Orten zu betrauen. Eine solche Gestaltung sei üblich. Sie sei nach den Vorschriften des NachwG zur Angabe eines Arbeitsortes verpflichtet gewesen.
97Die Versetzungsklausel verstoße nicht gegen § 307 Abs. 1 BGB. Die Interessen des Klägers seien durch die Formulierung „entsprechend seiner Leistung und seinen Fähigkeiten“ hinreichend gewahrt.
98Eine Einschränkung des Weisungsrechts ergebe sich auch nicht aus § 4 des Tarifvertrages vom 14.10.1998. Aus diesem folge ebenfalls ein Versetzungsrecht. § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 stehe mit dieser Regelung in Einklang. Die tarifliche Regelung sei nicht nach den §§ 307ff. BGB überprüfbar
99.
100Die Weisung entspreche billigem Ermessen i.S. des § 106 GewO Im Rahmen einer Interessenabwägung sei auf ihrer Seiten zu berücksichtigen, dass eine Tätigkeit des Klägers in seinem alten Team aufgrund der verweigernden Haltung der anderen Mitarbeiter nicht möglich und keine Stelle am Standort E vakant gewesen sei. Die befristete Versetzung sei angemessen und sachgerecht. Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit seien nicht ersichtlich, zumal dem Kläger die Erstattung der doppelten Haushaltskosten angeboten worden sei. Eine andere Beschäftigungsmöglichkeit habe nicht bestanden. Eine Rückkehr in das alte Team sei nicht möglich. Die Unstimmigkeiten im Team resultierten nicht aus dem Kündigungsschutzprozess, sondern aus dem Arbeitsverhalten des Klägers. Eine Konfliktlösung unter Mitwirkung des Betriebsratsvorsitzenden habe sie nicht erzielen können. Die vorübergehende Versetzung habe Ruhe in das Team bringen sollen. Im Bedarfsfalle wäre eine Verlängerung der Versetzung möglich gewesen.
101Der Kläger sei vor der Versetzungsmaßnahme ordnungsgemäß angehört worden. Dabei sei auf die Stellungnahme in der E-Mail seines Prozessbevollmächtigten vom 08.10.2014 sowie auf die Möglichkeit der Stellungnahme im Rahmen des Gespräches vom 28.01.2015 abzustellen.
102Die Weisung verstoße nicht gegen die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 24.02.2010, welche sich nur auf Mitarbeitergespräche zur Förderung der Mitarbeiter, nicht aber auf Versetzungen beziehe.
103Das Mitbestimmungsverfahren sei vor Ausspruch der Weisung ordnungsgemäß durchgeführt worden. Durch Vereinbarung vom 12.12.2014 mit dem Gesamtbetriebsrat sei der angehörte Betriebsrat des regionalen Betriebs West als Übergangsbetriebsrat für die Sparte REM festgelegt worden. Am 18.06.2015 sei ein Spartenbetriebsrat für den seit dem 01.01.2015 existierenden Spartenbetrieb REM neu gewählt worden. Aus der Anlage 2 des Zuordnungstarifvertrags vom 22.01.2015 (Bl.344 d. A.) ergebe sich die Zuständigkeit des Betriebsrats am Standort G der Sparte REM für alle Betriebsteile und Nebenbetriebe dieser Sparte.
104Die Abmahnungen seien angesichts der Rechtmäßigkeit der Weisung zu Recht erfolgt. Selbst bei einer unbilligen Versetzungsmaßnahme habe der Kläger seine Arbeitspflicht verletzt. Dies ergebe sich aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.02.2012, wonach eine unbillige Weisung nicht nichtig, sondern allenfalls nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich sei.
105Die Interessenabwägung habe zulasten des Klägers erfolgen müssen. Trotz zweier Abmahnungen habe er die Arbeitsaufnahmen in C kontinuierlich verweigert. Es liege auch kein unverschuldeter Rechtsirrtum des Klägers vor.
106Zumindest sei das Arbeitsverhältnis aufgrund der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung beendet.
107Die Beklagte beantragt,
108unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Dortmund vom 08.09.2015 - 7 Ca 2235/15 - die Klage abzuweisen.
109Der Kläger beantragt,
110die Berufung zurückzuweisen.
111Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt aus:
112Entgegen der Auffassung der Beklagten habe er seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht in schwerwiegender Weise dadurch verletzt, dass er die zugewiesene Tätigkeit in C nicht aufgenommen habe.
113Die Weisung verstoße gegen die arbeitsvertraglichen Bestimmungen, welche Vorrang vor § 106 GewO hätten. Für die Frage des Arbeitsortes sei der Änderungsvertrag vom 25.11.2010 und nicht der ursprüngliche Arbeitsvertrag vom 02.02.2001 maßgeblich. Der Änderungsvertrag sei ausschließlich zur Festlegung des Arbeitsortes abgeschlossen worden. Die Formulierung in § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages „Alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrags bleiben unberührt“ habe er nur so verstehen können, dass sie sich nicht auf den Arbeitsort bezogen habe. Die Formulierung sei unklar.
114Jedenfalls sei aus dem Arbeitsvertrag vom 02.02.2001 kein Weisungsrecht der Beklagten herzuleiten. Ihr habe über den allgemeinen Vorbehalt in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 nicht das Recht eingeräumt werden sollen, die Festlegung des Arbeitsortes in § 1 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 einseitig aufheben zu können. § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 könne nur dahin verstanden werden, dass Änderungen einer vertraglichen Regelung bedürften. Diese Auslegung sei auch von der Beklagten angenommen worden, da ansonsten kein Bedürfnis für den Abschluss der nachfolgenden Änderungsverträge bestanden hätte. Zudem sei § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 zu unbestimmt. Aus dem Wortlaut ergebe sich nicht, dass auch vorläufige oder befristete Maßnahmen von dem Vorbehalt erfasst würden, so dass nur dauerhafte Übertragungen gemeint seien.
115Darüber hinaus sei § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 deshalb unwirksam, weil die Regelung die Arbeitnehmerinteressen nicht hinreichend berücksichtige.
116Die Weisung entspreche nicht billigem Ermessen. Sie sei darauf angelegt, das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund im Kündigungsschutzprozess zu unterlaufen, ihn zu diskriminieren und zu maßregeln. Eine Störung des Betriebsfriedens sei nicht ausreichend dargelegt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, inwiefern die Versetzung angesichts der Befristung auf sechs Monate zur Herstellung des Betriebsfriedens geeignet gewesen sein sollte.
117Die Weisung sei auch aufgrund von Verfahrensverstößen unwirksam.
118Er sei nicht angehört worden. Erörterungen zu seiner Versetzung in 2014 seien unerheblich. Sie seien zeitlich überholt und außer Kraft gesetzt. Die Notwendigkeit einer erneuten Anhörung sei auch daran zu erkennen, dass der Betriebsrat in 2015 beteiligt worden sei und die Beklagte eine neue Versetzungsanweisung erteilt habe. Im Gespräch vom 28.01.2015 sei er nicht angehört worden. Ihm sei lediglich erklärt worden, dass er mit benachteiligenden Maßnahmen rechnen müsse.
119Das Verfahren aus der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 24.02.2010, welche ebenfalls eine Anhörung der Arbeitnehmer vorsehe, sei nicht eingehalten worden.
120Die Beklagte habe auch nicht § 4 des Tarifvertrages beachtet, welcher eine Abwägung und eine Auswahlentscheidung vorschreibe.
121Es fehle weiter an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrates zu der Versetzungsmaßnahme. Sowohl der abgebende als auch der aufnehmende Betriebsrat hätten mitbestimmen müssen. Eine Entscheidung des Betriebsrates sei angesichts des Umstands, dass das Beteiligungsschreiben dasselbe Datum wie die Weisung ausweise, nicht abgewartet worden.
122Die Abmahnungen seien unwirksam. Er habe die Weisung nicht vorläufig befolgen müssen, da sie nicht nur unbillig, sondern aus sonstigen Gründen unwirksam sei. In diesem Fall bestehe nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.02.2012 keine vorläufige Bindung.
123Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
124Entscheidungsgründe
125A.
126Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 c, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 08.09.2015 ist unbegründet.
127Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht der Kündigungsschutzklage stattgegeben.
128Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat weder durch die außerordentliche Kündigung vom 28.05.2015 noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 28.05.2015 sein Ende gefunden hat.
129I.
130Der zulässige gegen die außerordentliche Kündigung gerichtete Kündigungsschutzantrag ist begründet. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat nicht durch die außerordentliche Kündigung fristlos sein Ende gefunden, da sie nicht im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB durch Tatsachen gerechtfertigt ist, aufgrund derer es der Beklagten unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis wenigstens für die Dauer der Kündigungsfrist bis zum 31.12.2015 fortzuführen.
131Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ist in zwei Stufen zu prüfen. Zunächst müssen Tatsachen vorliegen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zu bilden. Im zweiten Schritt ist festzustellen, ob unter Abwägung der Umstände des Einzelfalls eine weitere Beschäftigung zumutbar ist (BAG 10.06.2010 – 2 AZR 541/09, Rdnr. 16, BAGE 134, 349).
132Ein an sich zur fristlosen Kündigung berechtigender wichtiger Grund ist nicht deshalb gegeben, weil der Kläger der Weisung der Beklagten vom 23.02.2015 trotz Ausspruch zweier Abmahnungen nicht nachgekommen ist.
133Zu Recht ist das erstinstanzliche Gericht davon ausgegangen, dass keine Verpflichtung des Klägers bestand, in der Zeit vom 16.03.2015 bis zum 30.09.2015 seine Tätigkeit am Standort C zu erbringen.
134a.
135Die Beklagte hat ein uneingeschränktes Direktionsrecht nach Maßgabe des § 106 Satz 1 GewO hinsichtlich seines Arbeitsortes.
136Gemäß § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
137aa.
138Das Weisungsrecht aus § 106 Satz 1 GewO hinsichtlich des Arbeitsortes wird nicht durch die arbeitsvertraglichen Regelungen beschränkt.
139(1)
140Eine Einschränkung des Weisungsrechtes durch Konkretisierung des Arbeitsortes liegt nicht vor. Die Versetzung an einen anderen Ort kraft Ausübung des Direktionsrechts ist nicht möglich, wenn sich die die Arbeitspflicht durch die tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers auf eine fest umrissene Tätigkeit konkretisiert hat (LAG Köln, 03.11.1983 – 3 Sa 915/83 ArbuR 1984, 285).
141Konkretisierung bedeutet, dass sich die inhaltlich, zeitlich und/oder örtlich unveränderte Zuweisung einer Tätigkeit nach längerer Zeit dahin auswirken kann, dass sie als arbeitsvertragliche Festlegung wirkt. Dazu gehört jedoch nicht nur der bloße Zeitablauf, selbst wenn er mehrere Jahrzehnte ausmacht. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich ausnahmsweise ergibt, dass der Arbeitnehmer nicht mehr in anderer Weise eingesetzt werden soll (BAG 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, Rdnr.47, NJW 2006, 3303). Der Maßstab für die Annahme einer Konkretisierung ist streng. Besondere Umstände müssen als Ausdruck eines entsprechenden Bindungswillens des Arbeitgebers aufzufassen sein (BAG 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, Rdnr. 50 f., AP Nr. 26 zu § 307 BGB; MünchArbR/Reichold, 3. Aufl., § 36 Rdnr. 16; Tettinger/Wank/Ennuschat, Gewerbeordnung, 8. Auflage, § 106 GewO Rdnr. 24). In der Regel kann nicht von einer Konkretisierung der Tätigkeit durch schlüssiges Verhalten des Arbeitgebers mit der Folge ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber sein Direktionsrecht aufgibt (LAG Schleswig-Holstein 12.02.2002 – 5 Sa 409 c/01, Rdnr. 27, DB 2002, 1056).
142Der Kläger war nach dem Arbeitsvertrag vom 02.02.2001 zunächst im Service Center Nord in N beschäftigt. Erst seit Abschluss des ersten Änderungsvertrages mit der Beklagten vom 21.12.2009 ist er am Standort E beschäftigt. Insofern ist bereits zweifelhaft, ob die Beschäftigungszeit in E von ca. 5 Jahren und 2 Monaten für eine Konkretisierung ausreicht. Besondere Umstände, die auf einen entsprechenden Bindungswillen der Beklagten schließen lassen, sie wolle ihn ausschließlich in E beschäftigen, sind nicht vorgetragen.
143(2)
144Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG 19.01.2011 – 10 AZR 738/09, Rdnr. 12, DB 2011, 1056).
145§ 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 hat ursprünglich bestimmt, dass der Kläger als Immobilienkaufmann in N beschäftigt wird. Mit Änderungsvertrag vom 21.12.2009 änderten die Parteien Arbeitsinhalt – Assistent KFM – und Arbeitsort – E. Mit Vertrag vom 10.03.2010 erfolgte ein Einsatz des Klägers unverändert in E, allerdings als Assistent KFM im Bereich RE4567. Der zuletzt abgeschlossene Änderungsvertrag vom 25.11.2010 enthält eine neue Vereinbarung dahin, dass er in E als Immobilienkaufmann im Bereich Corporate and Public im Team RE5678 beschäftigt werden sollte. Gemäß § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 sollten die übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 jedoch unberührt bleiben. § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 enthält eine Vorbehaltsklausel.
146(a)
147Die Bestimmung von Arbeitsort und -inhalt in § 1 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 kann als konstitutive Vereinbarung ausgelegt werden.
148Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich bei den arbeitsvertraglichen Klauseln in dem Änderungsvertrag sowie in dem Ausgangsvertrag aus 2001 um Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB handelt. Die Feststellungen des Arbeitsgerichtes wurden insoweit nicht angegriffen. Selbst wenn sie nicht in einer Vielzahl von Verträgen der Beklagten mit Arbeitnehmern verwendet werden, gilt § 310 Abs.3 BGB, da die Beklagte die Vertragsbedingungen gestellt hat.
149Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ausgangspunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Für das Auslegungsergebnis von Bedeutung sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 20.11.2014 – 2 AZR 512/13, Rdnr.39, 40, DB 2015, 1105; 25.08.2010 – 10 AZR 275/09, Rdnr. 19, NZA 2010, 1355).
150(aa)
151Die Parteien haben in § 2 des Änderungsvertrags vom 25.11.2010 auf die durch die Änderung nicht berührten Vereinbarungen in dem Arbeitsvertrag vom 02.02.2001, damit auch auf die Regelung des Weisungsrechts der Beklagten in § 1 Nr.2 Bezug genommen.
152Regelmäßig bedeutet die Bestimmung eines Arbeitsortes in Kombination mit einer vorbehaltenen Versetzung innerhalb des gesamten Unternehmens nicht, dass der Ort der Arbeitsleistung auf die vertragliche Festlegung beschränkt ist. Das Zusammenspiel der Vereinbarungen verhindert die Beschränkung auf einen bestimmten Ort (BAG, 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, Rdnr. 27, AP Nr. 45 zu § 307 BGB). Dadurch wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll (BAG 28.08.2013 – 10 AZR 569/12, Rdnr. 19, AP Nr. 26 zu § 106 GewO).
153(bb)
154Für eine Auslegung als konstitutive Festlegung des Arbeitsortes in § 1 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 spricht, dass die Parteien in den letzten Änderungsvertrag zum ursprünglichen Arbeitsvertrag die geschuldete Arbeitsleistung und den Arbeitsort, sogar die Zuordnung zu einem bestimmten Team am Arbeitsort ausdrücklich aufgenommen haben. Durch die schriftliche Fixierung kommt zum Ausdruck, dass sie den abgeänderten Arbeitsbedingungen eine besondere Bedeutung beimessen. Sie haben nicht nur eine Vereinbarung zum Arbeitsinhalt getroffen, wobei die Zuweisung zu einem bestimmten Team sowohl Arbeitsort als auch –inhalt kennzeichnet.
155Auch die Begleitumstände sprechen für eine Auslegung als konstitutive Festlegung. Die Parteien haben bei jeder Änderung hinsichtlich des Arbeitsortes und des Arbeitsinhalts Änderungsverträge abgeschlossen, mit denen § 1 Abs.1 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001, also die Vereinbarung über „Art und Ort der Beschäftigung“, abgeändert wurde. Der Aufbau ist in allen Änderungsverträgen gleich. § 1 benennt jeweils sowohl die Beschäftigungsart als auch den Beschäftigungsort des Klägers. Eine Veränderung bezogen auf den Ort oder Inhalt der Arbeitsleistung in einer anderen Form, etwa durch mündliche oder schriftliche Weisung, hat die Beklagte im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses nicht vorgenommen. Diese Praxis spricht dafür, dass die Parteien ihre schriftlichen Regelungen zum Leistungsort und –inhalt als konstitutiv betrachteten.
156§ 1 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 unterliegt als Hauptabrede nicht der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern lediglich der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (BAG 19.01.2011 – 10 AZR 738/09, Rdnr. 16, BB 2011, 1468). Anhaltspunkte für eine Intransparenz der Regelung sind nicht ersichtlich.
157Ist der Arbeitsort wie hier vertraglich festgelegt worden, kann er grundsätzlich nicht durch Weisung des Arbeitgebers nach § 106 GewO geändert werden.
158(b)
159Das Weisungsrecht ist jedoch durch den Versetzungsvorbehalt in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 i.V.m. § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010 mit dem Inhalt des § 106 GewO erweitert worden.
160(aa)
161Der Versetzungsvorbehalt aus § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 ist über § 2 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 25.11.2010. wirksam in den Arbeitsvertrag einbezogen worden
162Es liegt keine überraschende Klausel i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB vor. Obwohl § 310 Abs.3 Nr.2 BGB die Vorschrift nicht in Bezug nimmt, gilt das Überraschungsverbot als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch bei AGB-Klauseln i.S.d. § 310 Abs.3 BGB (MüKoBGB/Basedow, 7.Auflage, § 310 BGB Rdnr.98; BeckOK/Becker, BGB, § 310 BGB, Rdnr.18).
163Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat überraschenden Charakter im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser den Umständen nach vernünftigerweise nicht mit ihr zu rechnen braucht. Überraschenden Klauseln muss ein „Überrumpelungs- und Übertölpelungseffekt“ innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Die berechtigten Erwartungen des Vertragspartners bestimmen sich nach den konkreten Umständen bei Vertragsschluss ebenso wie nach der Gestaltung des Arbeitsvertrags, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild. So kann der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen. Im Einzelfall kann der Verwender gehalten sein, auf die Klausel besonders hinzuweisen oder sie drucktechnisch hervorzuheben (BAG 19.01.2011 – 10 AZR 738/09, Rdnr. 22, BB 2011, 1468).
164Es ergibt sich kein Überrumpelungseffekt daraus, dass der Kläger hinsichtlich des Versetzungsvorbehaltes auf den Vertrag vom 02.02.2001 zurückgreifen muss. Der Rückgriff auf den Arbeitsvertrag vom 02.02.2001 ist hier bereits aufgrund der äußeren Gestaltung erkennbar. Der Vertrag vom 25.11.2010 ist als „Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag“ überschrieben. Die Vereinbarungen wurden ausdrücklich „in Abänderung des bestehenden Arbeitsvertrages“ getroffen. § 1 ist mit „Änderung des Arbeitsvertrages“ in Fettdruck überschrieben, so dass die konkreten Abänderungen eindeutig erkennbar sind. Die Bezugnahme auf die übrigen nicht berührten Bestimmungen des ursprünglichen Arbeitsvertrages ist in der ersten Nummer unter § 2 „Schlussbestimmungen“ - einziger weiterer Paragraph in dem Änderungsvertrag neben der Abänderungsklausel - nicht an einem versteckten Ort angeführt. Im Übrigen folgt bereits aus der lediglich beschränkten Änderung in § 1, dass der alte Arbeitsvertrag hinsichtlich der nicht veränderten Regelungen weitergelten sollte. Ein „Zusammensuchen“ der anzuwendenden Vertragsbedingungen geht mit dieser Gestaltung nicht einher. Für den Empfänger kommt klar zum Ausdruck, dass der Arbeitsvertrag aus 2001 das „Grundwerk“ bildet und lediglich die jeweiligen Änderungen des zuletzt abgeschlossenen Änderungsvertrages, hier des Vertrages vom 25.11.2010, „hineinzulesen“ sind. Die Änderungen bauen aufeinander auf. Bereits die vorgehenden Änderungsverträge, in denen jeweils Änderungen in Bezug auf Arbeitsort und/oder -inhalt vereinbart wurden, beinhalteten einen Verweis auf den Vertrag aus 2001, so dass immer klar war, dass der ursprüngliche Vertrag hinsichtlich der übrigen Bestimmungen weitergelten sollte.
165Der Versetzungsvorbehalt selbst befindet sich auch nicht an einer überraschenden Stelle in dem Arbeitsvertrag vom 02.02.2001. Er folgt unmittelbar auf die Klausel, die Bestimmungen zum Arbeitsort und zur Tätigkeit enthält.
166(bb)
167Er erfasst auch die nur vorübergehende Versetzung.
168Die Klausel räumt der Beklagten das Recht ein, dem Kläger andere Tätigkeiten zu übertragen. Sie greift explizit auf, dass mit der Übertragung unter Umständen auch eine Veränderung des Arbeitsortes einhergehen kann.
169Der Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags aus 2001 verhält sich nicht ausdrücklich zur zeitlichen Ausgestaltung der Versetzung. In der Klausel wurde die Formulierung „Übertragung“ gewählt. Diese schließt vom Wortsinn nicht per se einen nur befristeten Einsatz an einem anderen Ort oder Bereich aus. „Übertragen“ werden auch zeitlich begrenzte Tätigkeiten. Nach dem objektiven Empfängerhorizont impliziert die Regelung nicht nur Versetzungen auf Dauer (zum Begriff „Zuweisung“ vgl. BAG 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, Rdnr. 24 f., AP Nr. 17 zu § 307 BGB).
170Daneben spricht auch der Zweck der Regelung für dieses Verständnis. Der Arbeitgeber will mit der Vereinbarung eines Versetzungsvorbehaltes Flexibilisierungs- und Anpassungsmöglichkeiten erreichen. Ausgehend von dieser Intention ist für den Arbeitnehmer erkennbar, dass sich der Arbeitgeber durch eine solche Vertragsregelung nicht nur dauerhafte, sondern im Bedarfsfalle auch temporäre Versetzungen offenhalten will.
171(cc)
172Der Versetzungsvorbehalt ist nach §§ 305ff. BGB wirksam.
173(cc.1)
174Die am 01.01.2002 in Kraft getretenen Regelungen der §§ 305ff. BGB sind auf die am 02.02.2001 vereinbarte Versetzungsklausel anwendbar. Auch Altklauseln sind nach ihrer Maßgabe zu überprüfen. Gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB gilt seit dem 01.01.2003 das BGB für Dauerschuldverhältnisse in der neuen Fassung.
175(cc.2)
176Die Klausel ist nicht gemäß § 308 Nr.4 BGB unwirksam, da die Vorschrift nur einseitige Bestimmungen hinsichtlich der Leistungen des Verwenders erfasst (BAG 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, Rdnr. 37, AP Nr.26 zu § 307 BGB).
177(cc.3)
178Sie enthält keine unangemessene Benachteiligung des Klägers i.S.d. § 307 Abs.1 Satz 1 BGB. Sie weicht nicht von dem Regelungsgehalt des § 106 GewO ab.
179Nach der Vertragsklausel ist die Beklagte berechtigt, dem Kläger u.U. unter Veränderung des Arbeitsortes andere Tätigkeiten entsprechend seinen Kenntnissen und Fähigkeiten zuzuweisen.
180Bedenken könnten bestehen, weil die Vertragsregelung anders als § 106 GewO nicht ausdrücklich eine Interessenabwägung nach billigem Ermessen fordert. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.
181Das Direktionsrecht steht der Beklagten jedoch nur unter dem Vorbehalt der Beachtung auch der Interessen des Klägers zu. Das ergibt die Auslegung der vertraglichen Regelung.
182Die Zuweisung darf nur entsprechend seinen Kenntnissen und Fähigkeiten erfolgen. Somit kann sich die Beklagte nicht ausschließlich von ihren eigenen Interessen leiten lassen. Sie hat einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen beider Vertragspartner herbeizuführen (vgl. zur Zuweisungsklausel „nach Leistungen und Fähigkeiten“ BAG 13.03.2007 a.a.O. Rdnr. 41). Hier haben die Parteien darüber hinaus eine Verfahrensregelung vereinbart, die sicherstellt, dass die Beklagte die Interessen des Klägers zur Kenntnis nimmt. Er ist nämlich vor der Ausübung des Weisungsrechts anzuhören.
183Unter Berücksichtigung des Besonderheiten des Arbeitsrechts, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, sind Weisungsklauseln als Instrumente der Flexibilisierung und Anpassung an geänderte Verhältnisse nicht grundsätzlich unangemessen, zumal der Arbeitnehmer im Falle einer betriebsbedingten Kündigung für die ihm abverlangte Flexibilität einen größeren Schutz bei der Sozialauswahl erlangt (BAG 13.03.2007 a.a.O. Rdnr. 41, 42).
184Die Klausel ist auch nicht deshalb unangemessen benachteiligend, weil sie die Zuweisung einer geringwertigeren Tätigkeit nicht ausschließt. Hat sich der Arbeitgeber vorbehalten, dem Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz mit einer geringwertigeren Tätigkeit zuzuweisen, so liegt ein so schwerwiegender Eingriff in den Inhaltsschutz des Arbeitsverhältnisses vor, dass von einer Unvereinbarkeit i.S.d. § 307 Abs.2 Nr.1 BGB auszugehen ist (BAG 09.05.2006 – 9 AZR 424/05, Rdnr. 23, NZA 2007, 145). Eine Klausel, die die Gleichwertigkeit der übertragenen Tätigkeit voraussetzt, stellt keine Abweichung von § 106 Satz 1 GewO dar (BAG 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, Rdnr. 24 ff., AP Nr. 45 zu § 307 BGB; BAG 13.03.2007 a.a.O. Rdnr. 41).
185Das Erfordernis der Gleichwertigkeit ist vorliegend erfüllt. Durch die Beschränkung auf Tätigkeiten, die den Kenntnissen und Fähigkeiten des Arbeitnehmers entsprechen, wird sichergestellt, dass der Arbeitgeber seinen Ermessenspielraum so auszuüben hat, dass er den Arbeitnehmer nicht auf eine seinen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht gerecht werdende Stelle versetzen kann. Für einen objektiven Empfänger ergibt sich, dass er insbesondere keine Tätigkeiten übertragen darf, die auch mit geringerer Qualifikation ausgeübt werden können.
186Die Berücksichtigung der Interessen des Klägers ist nicht fakultativ ausgestaltet, sondern muss zwingend erfolgen (anders insofern: BAG 09.05.2006 – 9 AZR 424/05, Rdnr. 2, 20, BAGE 118, 184; LAG Hamm 06.11.2007 – 14 SaGa 39/07 – Rdnr. 48).
187(cc.4)
188Die Klausel in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 verstößt nicht gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
189Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben (BAG 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, Rdnr. 40, AP Nr. 17 zu § 307 BGB).
190Dass § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 keine Vorgaben zu Ankündigungsfristen, maximalen Entfernungen und möglichen Anlassgründen für eine Versetzung enthält, ist unschädlich. Versetzungsklauseln müssen keine Ankündigungsfristen oder Angaben zu einem zulässigen Entfernungsradius enthalten. Andernfalls könnte dem spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis, dem sie gerade dienen sollen, nicht Rechnung getragen werden. Zudem würde ein derartiger Konkretisierungszwang lediglich zu Leerformeln führen, die die Transparenz nicht fördern (BAG 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, Rdnr. 31, AP Nr. 45 zu § 307 BGB). Es ist insbesondere nicht erforderlich, abschließend den konkreten Anlass oder die konkreten Anlässe aufzuführen, die zu einer örtlichen Versetzung führen können. Ebenso wenig müssen die konkreten Orte aufgezählt werden, zu denen eine Versetzung angeordnet werden kann (Hessisches LAG 13.01.2006 – 17 Sa 883/05, Rdnr. 82).
191(3)
192Selbst wenn die Vereinbarung in § 1 Nr.1 des letzten Änderungsvertrags zur Tätigkeit des Klägers und zum Arbeitsort nicht als konstitutive Vereinbarung ausgelegt wird, ergibt sich kein anderes Ergebnis, da der Versetzungsvorbehalt nicht über den Regelungsgehalt des § 106 Satz 1 GewO hinausgeht. Hinsichtlich der Versetzungsbefugnis des Arbeitgebers spielt es insofern keine Rolle, ob im Arbeitsvertrag kein Arbeitsort festgelegt worden ist und der Arbeitgeber somit Weisungen nach § 106 S. 1 GewO vornehmen kann oder eine arbeitsvertragliche Festlegung mit einer Versetzungsbefugnis vereinbart wurde (BAG 20.11.2014 – 2 AZR 512/13, Rdnr.39, 40, DB 2015, 1105; Gragert, in: Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 3. Aufl., § 13 Rdnr. 9).
193(bb)
194Das Weisungsrecht wird nicht durch § 4 des Tarifvertrages vom 14.10.1998 eingeschränkt, der über § 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 anwendbar ist.
195Die Regelung schließt das Weisungsrecht nicht aus oder beschränkt es, sondern enthält lediglich Vorgaben zur inhaltlichen Ausgestaltung.
196bb.
197Die konkrete Weisung ist nicht nichtig, aber unbillig.
198(1)
199Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass dem Kläger eine gleichwertige, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zugewiesen wurde. Er sollte auch am Standort C als Immobilienkaufmann eingesetzt werden.
200(2)
201Ob er gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages vom 02.02.2001 und § 4 Satz 3 des Tarifvertrages vom 14.10.1998 angehört wurde, ist unerheblich. Es kann auch dahinstehen, ob eine Anhörung nach den Maßstäben der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 24.10.2010 durchzuführen gewesen wäre, wie der Kläger meint.
202Das Anhörungsrecht folgt aus dem durch gegenseitiges Vertrauen geprägten Grundsatz, dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Äußerung vor einer nachteiligen Maßnahme zu geben. Ein bestimmtes Verfahren ist nicht vorgesehen. Es soll gewährleistet sein, dass der Arbeitnehmer seine Interessen benennt, der Arbeitgeber sie zur Kenntnis nimmt und bei der Interessenabwägung berücksichtigt (zum Anhörungserfordernis nach § 4 Abs. 1 TVöD Sponer/Steinherr, TVöD, Stand 2016, § 4 Rdnr. 76f.).
203Die Verletzung des Anhörungserfordernisses hat nicht die Nichtigkeit der Weisung zur Folge, sondern kann allenfalls Schadensersatzansprüche auslösen. Der Arbeitgeber kann bei Verschulden für etwaig entstehende Schäden haftbar gemacht werden (LAG Niedersachen 15.10.2010 – 6 Sa 282/10, Rdnr. 45, LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 8; Breier/Dessau u.a. § 4 TVöD Rdnr.46; Sponer/Steinherr a.a.O. § 4 Rdnr. 79).
204Auch wenn das Bundesarbeitsgericht in älteren Entscheidungen zu Bühnentarifverträgen (BAG 11.03.1982 – 2 AZR 233/81, Rdnr. 45, EzA § 4 TVG Bühnen Nr. 1; 18.04.1986 – 7 AZR 114/85, Rdnr. 17, AP Nr. 27 zu § 611 Bühnenengagementsvertrag) das Anhörungserfordernis vor einer Nichtverlängerungsmitteilung als Wirksamkeitsvoraussetzung beurteilt hat, folgt daraus kein anderes Ergebnis. Anders als hier enthielten die maßgebliche Regelungen des § 2 Abs. 5 TVM bzw. § 24 Abs. 4 des Normalvertrags Tanz einen ausdrücklichen Hinweis auf die Rechtsfolge der Unwirksamkeit im Falle unterbliebener oder fehlerhafter Anhörung.
205(3)
206Die Mitbestimmung des Betriebsrates erfolgte ordnungsgemäß.
207Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann der Arbeitgeber, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, die personelle Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorläufig durchführen, bevor der Betriebsrat sich geäußert oder wenn er die Zustimmung verweigert hat. Vorliegend hat der Betriebsrat in G seine Zustimmung zur Versetzung nach Beteiligung gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG mit Schreiben vom 05.03.2015 verweigert.
208(a)
209Bei dem aufnehmenden Betrieb bestand kein Betriebsrat. Zuständig für den abgebenden und den aufnehmenden Betrieb war zum Zeitpunkt der Versetzung der beteiligte Übergangsbetriebsrat. Dies hat die Beklagte durch Vorlage der Vereinbarung vom 12.12.2014 hinreichend dargelegt. Der Kläger hat darauf nicht substantiiert erwidert.
210(b)
211Der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß unterrichtet.
212Gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme zu unterrichten. Die Unterrichtung muss inhaltlich so umfassend sein, dass es dem Betriebsrat ermöglicht wird, die Erforderlichkeit und das Vorliegen des sachlichen Grundes der vorläufigen Maßnahme zu bewerten (BeckOK-ArbR/Mauer, Stand: 01.12.2015, § 100 BetrVG, Rdnr. 3; ErfK/Kania, 16.Auflage, § 100 BetrVG Rdnr.2).
213(aa)
214Die Beklagte hat mit Schreiben vom 11.03.2015 die vorläufige Umsetzung der Versetzungsmaßnahme angezeigt und ausführlich begründet, weshalb ein Einsatz des Klägers im Team in E nicht möglich sei und nur ein Einsatz in C in Betracht komme und betrieblich erforderlich sei. Der Kläger hat insoweit keine Einwendungen erhoben.
215(bb)
216Auf seine Unterrichtung kommt es nicht an. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer zwar über die Sach- und Rechtslage aufzuklären, § 100 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Diese Aufklärung erfordert den Hinweis auf die Vorläufigkeit der Maßnahme, das Widerspruchsrecht des Betriebsrats und den für den Arbeitgeber unabsehbaren Ausgang des Beschlussverfahrens über die Zustimmungsersetzung und die Zulässigkeit der vorläufigen Maßnahme (BeckOK-ArbR/Mauer a.a.O. § 100 BetrVG, Rdnr. 2). Die Aufklärung des Arbeitnehmers ist aber keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die vorläufige Durchführung der personellen Maßnahme. Aus einer fehlenden oder unzureichenden Unterrichtung können sich allenfalls Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers ergeben (ErfK/Kania a.a.O. § 100 BetrVG Rdnr.2; Richardi/Thüsing, BetrVG, 15. Aufl., § 100 Rdnr. 11, 12).
217Deshalb kann offen bleiben, ob die Mitteilung mit Schreiben vom 12.03.2015, dem Betriebsrat sei die Umsetzung der Versetzungsmaßnahme nach § 100 BetrVG angezeigt worden sei, eine ausreichende Information darstellt.
218(cc)
219Die Zustimmung des Betriebsrates gemäß § 100 Abs. 2 BetrVG gilt als erteilt, weil der Betriebsrat auf die Anzeige der Maßnahme nach § 100 BetrVG nicht unverzüglich reagiert und keine Stellungnahme abgegeben hat, § 100 Abs.2 Satz 2 BetrVG (BeckOK-ArbR/Mauer a.a.O. § 100 BetrVG, Rdnr. 4; ErfK/Kania a.a.O. § 100 BetrVG, Rdnr. 4).
220Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass er die Zustimmung zur Versetzung nach § 99 BetrVG verweigert hat. Der Fall, dass der Betriebsrat zwar die Zustimmung zur endgültigen Durchführung der Maßnahme verweigert, aber auf eine Unterrichtung über eine vorläufige personelle Maßnahme schweigt oder ihr zustimmt, ist gesetzlich nicht geregelt. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, auch in dieser Konstellation von sich aus nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung zur Durchführung der Maßnahme und die Feststellung ihrer Dringlichkeit zu beantragen, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Der Betriebsrat muss von sich aus klarstellen, ob er auf die Durchführung des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens besteht. Tut er dies und weigert sich der Arbeitgeber, die Ersetzung der Zustimmung zu beantragen, kann ihn der Betriebsrat entsprechend § 101 BetrVG zur Einleitung des Verfahrens zwingen. Er kann dadurch aber nicht die Aufhebung der vorläufigen personellen Maßnahme erwirken, der er nicht widersprochen hat (ErfK/Kania a.a.O. § 100 BetrVG, Rdnr. 4).
221Im Übrigen hat die Beklagte das Zustimmungsersetzungsverfahren beim Arbeitsgericht Frankfurt eingeleitet.
222(4)
223Die Weisung ist nicht wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612 a BGB i.V.m. § 134 BGB nichtig
224.
225Nach § 612 a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.
226Der Kläger hat in zulässiger Weise Rechte ausgeübt. Der Schutz des § 612 a BGB greift nur ein, wenn das geltend gemachte Recht tatsächlich besteht und in zulässiger Weise geltend gemacht wird (ErfK/Preis a.a.O. § 612a BGB, Rdnr. 5; ASP/, Linck, Kündigungsrecht, 4. Aufl., § 612 a BGB, Rdnr. 7 a). Der Kläger hat in zulässiger Weise Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 24.04.2013 erhoben. Des Weiteren hat er den von der Beklagten vorgeschlagenen Abschluss eines Auflösungsvergleichs in Gesprächen vom 17.07.2014 und 28.01.2015 abgelehnt.
227Es ist nicht feststellbar, dass seine Rechtsausübung kausal für ihre ihn benachteiligende Versetzungsentscheidung war.
228Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, d. h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet (BAG 14.3.2007 – 5 AZR 420/06, NZA 2007, 862, Rdnr. 34). Allerdings ist eine Absicht des Arbeitgebers nicht erforderlich. Eine dem Maßregelungsverbot widersprechende Maßnahme kann auch vorliegen, wenn an sich ein Sachverhalt gegeben ist, der die Maßnahme gerechtfertigt hätte, der aber nicht das Motiv des Arbeitgebers gebildet hat (APS/Linck, a.a.O. § 612 a BGB Rdnr. 12).
229Den Arbeitnehmer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er wegen seiner Rechtsausübung vom Arbeitgeber benachteiligt worden ist (BAG 02.04.1987 – 2 AZR 227/86, Rdnr. 27, NZA 1988, 18). Bei der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast sind die Grundsätze der sekundären Darlegungslast zu beachten (APS/Linck a.a.O. § 612 a BGB, Rdnr. 22a). Für den Arbeitnehmer kann der Beweis des ersten Anscheins sprechen. Ein Anscheinsbeweis ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Rechtsausübung und Maßnahme des Arbeitgebers besteht und mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Maßnahme des Arbeitgebers als Reaktion auf die Ausübung eines Rechts durch den Arbeitnehmer erfolgt ist (APS/Linck a.a.O. § 612 a BGB, Rdnr. 23 m.w.N.). Diese tatsächliche Vermutung muss der Arbeitgeber durch substantiierten Sachvortrag widerlegen und nachweisen, dass er die Maßnahme aus sachgerechten Gründen vorgenommen hat (LAG Niedersachsen 12.09.2005 – 5 Sa 396/05, Rdnr. 55, NZA-RR 2006, 346).
230Hier mag angesichts des zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 03.07.2014 in dem ersten Kündigungsschutzverfahren sowie der ablehnenden Haltung des Klägers gegenüber den Vergleichsvorschlägen am 17.07.2014 und 28.01.2015 und der letztlich am 23.02.2015 ausgesprochenen Versetzung eine tatsächliche Vermutung anzunehmen sein. Jedoch hat die Beklagte hinreichend dargelegt, dass die Rechtsausübungen des Klägers nicht ausschlaggebendes Motiv für ihre Versetzungsanweisung waren.
231Sie beruft sich darauf, dass die Versetzung aus Gründen des Betriebsfriedens notwendig gewesen sei. Sie trägt hierzu in einem Umfang vor, der nahelegt, dass für sie dieser Aspekt im Vordergrund stand und sie den Kläger nicht maßregeln wollte. Sie hat durch Vorlage der E-Mail von Frau M vom 18.03.2014 sowie die Darlegung des Gesprächs des Teams mit dem Betriebsratsvorsitzenden I am 25.03.2014 hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass für sie die Weigerung des Teams maßgeblich war und sie durch die Versetzung den Konflikt entschärfen wollte. Der vom Kläger gewonnene Kündigungsschutzprozess sowie die Ablehnung von Vergleichsvorschlägen mögen allenfalls mitursächlich, nicht aber Hauptbeweggründe für die Versetzung gewesen sein. Der Kläger hat keine weiteren Tatsachen vorgetragen.
232(4)
233Die Beklagte hat ihr Weisungsrecht nicht nach billigem Ermessen ausgeübt.
234Die Ausübung des Direktionsrechts muss unabhängig davon, ob die Versetzung des Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag zulässig ist, gemäß § 106 Satz 1 GewO billigem Ermessen entsprechen (BAG 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, Rdnr. 49, AP Nr. 17 zu § 307 BGB).
235Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung, ob der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts die Grenzen billigen Ermessens gewahrt hat, ist der Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts (BAG 13.03.2007 – 9 AZR 433/06, Rdnr. 81, AP Nr. 26 zu § 307 BGB; BeckOK-GewO/Hoffmann/Schulte, Stand: 01.10.2015, § 106 GewO, Rdnr. 96).
236Die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der Versetzung trägt der Arbeitgeber (BAG 21.07.2009 – 9 AZR 404/08, Rdnr. 23, EzA Nr. 18 zu § 4 TVG Luftfahrt).
237(a)
238Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Bewertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören im Arbeitsrecht die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG 28.0.8.2013 - 10 AZR 569/12, Rdnr.40, NZA 2012, 265; 13.04.2010 – 9 AZR 36/09, Rdnr. 40, AP Nr. 45 zu § 307 BGB).
239Hat der Arbeitgeber einen betriebsbezogenen, sachlichen Grund für die Weisung, tritt das Interesse des Arbeitnehmers an einem weisungsfreien Eigenbereich grundsätzlich zurück. Andererseits überwiegen in der Regel die Interessen des Arbeitnehmers am Unterbleiben der Weisung, wenn diese willkürlich oder gar schikanierend ist, d. h. wenn der Arbeitgeber keine sachlichen Gründe für die Weisung benennen kann (BeckOK/Tillmanns, Stand: 01.09.2015, § 106 GewO, Rdnr. 51).
240(2)
241Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Interessen der Beklagten die Interessen des Klägers überwiegen.
242Er hat ein anerkennenswertes Interesse an der Beibehaltung seines Arbeitsplatzes in E. Ihm ist daran gelegen, in seinem sozialen Umfeld an seinem Wohnort in N bleiben zu können und seine häusliche Umgebung nicht aufgeben zu müssen. Die Entfernung zwischen N und E ist nicht erheblich, von N nach C jedoch so groß, dass eine tägliche Heimfahrt unmöglich war. Es handelte es sich um eine Maßnahme von intensivem Ausmaß, da zwangsläufig eine Veränderung des Lebensmittelpunktes für die Zeit des Einsatzes geboten war. Dass die Beklagte die Erstattung der Kosten doppelter Haushaltsführung angeboten hat, bedeutete zwar eine finanzielle Entlastung, war aber nicht geeignet, den Interessen des Klägers, sein persönliches und soziales Umfeld in N aufrechtzuerhalten, Rechnung zu tragen.
243Die Beklagte hat dagegen nicht hinreichend substantiiert zu betrieblichen Interessen vorgetragen, denen Vorrang einzuräumen ist.
244(a)
245Ihr Interesse, durch die Versetzung den Betriebsfrieden wiederherstellen zu wollen, ist nicht ausreichend begründet. Dabei kann dahin stehen, ob eine Versetzung in ein anderes Team in E tatsächlich ausgeschlossen war.
246Nach ihrem Vortrag weigert sich das Team RE1234 , weiterhin mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, wobei der Konflikt nicht auf der Auseinandersetzung der Parteien im ersten Kündigungsschutzprozess um die von Teammitgliedern gerügte und kontrollierte Einhaltung der Arbeitszeit durch den Kläger beruhen soll. Vielmehr führt sie den Konflikt auf seine Schlechtleistungen bei der Erfüllung auch die anderen Teammitglieder betreffender Aufgaben zurück.
247Die Wiederherstellung des Betriebsfriedens ist grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse des Arbeitgebers bei der Überprüfung der Billigkeit einer Versetzungsentscheidung (LAG Köln 14.08.2009 – 9 Ta 264/09, Rdnr. 19). Es obliegt seiner freien unternehmerischen Entscheidung, unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse und der Interessen aller Arbeitnehmer die aus seiner Sicht zur Konfliktlösung und Wiederherstellung eines guten Betriebsklimas geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. Bei der zu treffenden personellen Maßnahme hat er gemäß § 315 Abs. 3 BGB nicht nur die Interessen der unmittelbar am Konflikt beteiligten Arbeitnehmer, sondern auch die Interessen der übrigen Arbeitnehmer, die von der Maßnahme betroffen sind, zu berücksichtigen sowie eine Prognose über die Erfolgsaussichten der zu treffenden Maßnahme im Hinblick auf die Konfliktlösung anzustellen (LAG Schleswig-Holstein 12.02.2002 – 5 Sa 409 c/01, Rdnr. 30, DB 2002, 1056). Er muss die Ursachen eines Streits zwischen Arbeitnehmern nicht abschließend ergründen. Die Grenzen billigen Ermessens sind gewahrt, wenn der Arbeitgeber Mitarbeiter durch Versetzung trennt, weil eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht (mehr) zu erwarten ist (LAG Schleswig-Holstein 02.05.2007 – 6 Sa 504/06, Rdnr. 37f., NZA-RR 2007, 402; LAG Niedersachsen 15.10.2010 – 6 Sa 282/10, Rdnr. 44, LAGE § 106 GewO 2003 Nr.8) oder er bei gestörtem Betriebsklima durch Streit unter den Mitarbeitern einen Arbeitnehmer zur Behebung des Konfliktes in eine andere Filiale desselben Ortes versetzt (LAG Köln 27.11.1998 – 4 Sa 1814/97, Rdnr. 51, LAGE § 315 BGB Nr.6).
248(aa)
249Der Beklagten ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen sich die Kammer anschließt, zuzugestehen, dass sie die Ursachen des Streits vor ihrem Versetzungsentschluss nicht abschließend ergründen musste. Ihr Vortrag zeigt jedoch, dass seine Gründe in der mangelhaften Aufgabenerfüllung des Klägers liegen sollen, die sie nicht substantiiert beschrieben hat. Angesichts seines erheblichen Interesses an einer wohnortnahen Beschäftigung hätte sie die mildere Maßnahme der Abmahnung ergreifen können und müssen.
250Zwar ist der Arbeitgeber nicht generell gehalten, in Konfliktsituationen eine Abmahnung anstelle der Versetzung des Arbeitnehmers auszusprechen (BAG 24.04.1996 – 5 AZR 1031/94, Rdnr. 15, DB 1996, 1931). Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn sich – wie hier – die Versetzung als besonders einschneidende Maßnahme darstellt (BAG 30.10.1985 – 7 AZR 216/83, Rdnr. 13, 15, DB 1986, 2188).
251(bb)
252Selbst wenn eine Abmahnung nicht erforderlich gewesen sein sollte, hätte sich die Beklagte zunächst selbst um eine Konfliktlösung bemühen müssen. Sie hat nicht vorgetragen, dass sich die Vorgesetzten des Teams durch Gespräche um eine Lösung bemüht haben. Auf die eine Zusammenarbeit ablehnende Stellungnahme der Mitarbeiterin M vom 18.03.2014 ist lediglich der Betriebsratsvorsitzende I tätig geworden und hat am 25.03.2014 ergebnislos ein Gespräch mit Teammitgliedern geführt. In seinen ein Jahr später abgefassten Stellungnahmen zu der Absicht der Beklagten, das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos, hilfsweise fristgerecht zu kündigen, hat der Betriebsrat Bedenken erhoben bzw. mit der Begründung widersprochen, für ihn seien ihr Nichteinschreiten gegen das „kollektive Mobbing“ des Klägers und der von ihr „ständig formulierte Vertrauensverlust“ unerklärlich.
253(cc)
254Die Kammer konnte desweiteren nicht erkennen, aus welchen Gründen der in 2014 bestehende Konflikt zum Zeitpunkt der Ausübung des Weisungsrechts noch aktuell war und welche Folgen die weitere Beschäftigung des Klägers in dem Team gehabt hätte. Er wurde seit dem erstinstanzlichen Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 17.12.2013 in einem Prozessarbeitsverhältnis weiterbeschäftigt. Reaktionen von Mitarbeitern auf seine Beschäftigung hat es nachvollziehbar im Frühjahr 2014 gegeben. Für die Zeit danach sind weder konkrete Konflikte und Auseinandersetzungen geschildert, noch die Zusammenarbeit im Team störende Pflichtverletzungen des Klägers dargestellt.
255Es ist weiter nicht erkennbar, dass Teammitglieder die Arbeitsleistung bei unveränderter Beschäftigung des Klägers verweigert, gar den Ausspruch einer Kündigung in Betracht gezogen hätten. Dem Schreiben Frau Ms vom 18.03.2014 lässt sich lediglich die Ablehnung einer weiteren Zusammenarbeit und die Forderung entnehmen, der Betriebsrat möge die Interessen der Kollegen wahrnehmen.
256(dd)
257Für das Berufungsgericht ist auch nicht nachvollziehbar, dass eine lediglich auf sechs Monate angelegte Versetzung zur Konfliktbereinigung geeignet war. Unterstellt, die Störung des Betriebsklimas im Team bestand noch im Februar 2015, zeigt diese Tatsache, dass die Trennung der Beschäftigten allein keine Wirkung zeigen würde. Denn der Kläger war schon nach Ausspruch der Kündigung vom 24.04.2013 über eine geraume Zeit tatsächlich nicht beschäftigt, ohne dass sich nach Darstellung der Beklagten der Konflikt abgekühlt hat. Ohne ihr aktives Einwirken auf das Verhalten des Klägers und die Einstellung des Teams zu seiner Person war schon bei Ausspruch der Weisung absehbar, dass eine dauerhafte Versetzung erforderlich werden würde.
258(b)
259Die Beklagte hat erstinstanzlich als die Interessen des Klägers überwiegendes betriebliches Interesse vorgetragen, sie beschäftige projektbezogen durchschnittlich zehn Leiharbeitnehmer und strebe zur Kostenreduzierung die Beschäftigung ihrer Stammarbeitnehmer in dem Projekt Digitalisierung des Liegenschaftsarchivs an. Ihrem in der Berufungsbegründung im Übrigen nicht ausdrücklich wiederholten Vorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass im Zusammenhang mit der Versetzung tatsächlich die Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers beendet wurde.
260dd.
261Es bestand keine Pflicht des Klägers, die Arbeitsleistung in C zu erbringen. Er war nicht verpflichtet, wenigstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Bindungswirkung der unbilligen Versetzungsanordnung nachzukommen, die bis zum Ende der Versetzungsmaßnahme auch gar nicht hätte herbeigeführt werden können.
262(1)
263Gemäß § 315 Abs.3 Satz 1 BGB ist die getroffene Leistungsbestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Das bedeutet zunächst, dass die unbillig entscheidende Vertragspartei an die eigene Erklärung gebunden bleibt. Das verschafft dem Bestimmungsgegner Vertrauensschutz: Er ist nicht gehalten, die unbillige Leistungsbestimmung anzugreifen. Er kann sie gelten lassen oder einfach den Leistungsvollzug nach Maßgabe der unbilligen Bestimmung vollziehen (Staudinger/Rieble, BGB, 2015, § 315 BGB Rdnr. 414, 415). Die Halbseitigkeit der Verbindlichkeit hat dann ihre Grenze, wenn der Bestimmungsgegner die Unwirksamkeit der Leistungsbestimmung geltend macht und das Gericht im Rahmen der kassatorischen Beanstandung die Unverbindlichkeit (auch inzident) festgestellt hat. In diesem Fall kann sich auch der Leistungsbestimmer auf die Unverbindlichkeit seiner Bestimmung berufen und die richterliche Ersatzleistungsbestimmung verlangen (Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB, Rdnr. 417).
264Streitig ist, ob der Bestimmungsgegner der Leistungsbestimmung bis zur gerichtlichen Entscheidung Folge leisten muss.
265Nach h.M. ist die unbillige Bestimmung zunächst wirksam. Denn die Gestaltungswirkung des Urteils, mit dem z.B. eine Neubestimmung einer Vergütung verbunden ist, tritt erst mit seiner Rechtskraft ein. Dem Bestimmungsgegner wird ein nicht fristgebundenes, aber durch den Gesichtspunkt der Verwirkung beschränktes Klagerecht eingeräumt, das ihm erlaubt, seine Klage unmittelbar auf Leistung zurichten (BAG 16.01.2013 – 10 AZR 26/12 – Rdnr. 32, NJW 2013, 1020; Erman/Heger, BGB, 14.Aufl., § 315 BGB, Rdnr. 22). Er hat auch die Möglichkeit, sich gegen die aus seiner Sicht unbillige Leistungsbestimmung zu wehren mit der Folge, dass der Leistungsbestimmer Leistungsklage gestützt auf seine eigene unbillige Bestimmung, hilfsweise auf eine richterliche Gestaltung erheben kann (BGH 19.01.1983 – VIII ZR 81/82, Rdnr. 21, NJW 1983, 659; Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB Rdnr. 419).
266Damit ist jedoch noch nicht die Frage beantwortet, ob sich der Bestimmungsgegner zur Vermeidung von Rechtsnachteilen vorläufig bis zur rechtskräftigen Gestaltung durch Urteil an die unbillige Leistungsbestimmung halten muss.
267Der 5. Senates des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 22.02.2012 (5 AZR 249/11, NZA 2012, 858) ausgeführt, dass der Arbeitnehmer an eine Weisung des Arbeitgebers, die nicht aus sonstigen Gründen unwirksam ist, bis zur rechtskräftigen Feststellung der Unverbindlichkeit nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB gebunden ist (Rdnr. 24). Eine unbillige Leistungsbestimmung sei nicht nichtig, sondern gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich. Im Streitfall habe ein Gericht über die Verbindlichkeit zu entscheiden, § 315 Abs. 3 Satz 2, 1. Halbsatz BGB. Deshalb dürfe sich der Arbeitnehmer nicht über eine unbillige, nicht aus anderen Gründen unwirksame Weisung hinwegsetzen, sondern müsse ein Gericht anrufen (so auch LAG Rheinland-Pfalz, 17.03.2014 – 3 Sa 535/13, Rdnr. 33; LAG Köln, 13.01.2014 – 2 Sa 614/13, Rdnr. 12.).
268Diese Entscheidung betrifft die streitgegenständliche Fallkonstellationen, da – wie dargestellt - die Weisung nicht nichtig, sondern lediglich unbillig ist.
269Die Entscheidung hat Rechtsfolgen für das Abmahnungs– und Kündigungsrecht des Arbeitsgebers. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts Köln (28.08.2014 – 6 Sa 423/14, Rdnr. 22), die Nichtbefolgung einer objektiv unwirksamen Weisung sei auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des 5. Senates, die lediglich zum Annahmeverzug ergangen sei, kein kündigungserheblicher Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten, da es auf die objektive Rechtslage ankomme, ist nicht überzeugend. Es erscheint nicht konsequent, zwischen kündigungsrechtlichen Fragen und Fragen zum Annahmeverzug zu differenzieren. Das Grundproblem ist für beide Sachverhalte dasselbe (Anm. Stenslik, DStR 2015, 468 (488); Düwell/Göhle-Sander/Kohte, JurisPK – Vereinbarung von Familie und Beruf, Kap.4, § 106 GewO, Rdnr. 33, 34).
270Die Kammer vermag der Entscheidung des 5. Senats nicht zu folgen.
271Insbesondere in der Literatur ist sie auf massive Kritik gestoßen und wird mit überzeugenden Argumenten abgelehnt (vgl. etwa: Boemke, NZA 2013, 6; Schaub/Linck, Arbeitsrecht-Handbuch, 16. Aufl., § 45 Rdnr. 19 ff.; BeckOK/Tillmanns, § 106 GewO, Rdnr. 57; HWK/Lembke, 6. Aufl., § 106 GewO, Rdnr. 16a; ErfK/Preis a.a.O. § 106 GewO, Rdnr. 7a; Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB Rdnr. 418 ff.).
272Die vom 5. Senat als Beleg für die vorläufige Bindungswirkung angeführten Entscheidungen tragen das Ergebnis nicht (vgl. hierzu insbesondere Boemke, NZA 2013, 6 (7)). Dabei kann offen bleiben, ob die Bestimmung des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB überhaupt im Rahmen des Weisungsrechtes nach § 106 Satz 1 GewO gilt, da § 106 GewO seit dem 01.01.2003 nicht ausdrücklich auf § 315 BGB verweist (Thüsing, jm 2014, 20).
273In der angeführten Entscheidung vom 16.12.1965 (5 AZR 304/65) hat das Bundesarbeitsgericht herausgearbeitet, dass eine unbillige Leistungsbestimmung nicht nichtig, sondern in besonderer Weise anfechtbar ist. Das bedeutet jedoch nur, dass lediglich der das Leistungsbestimmungsrecht Ausübende gebunden ist und der andere Teil sich auf die Unbilligkeit in irgendeiner Weise berufen muss. Eine beiderseitige - vorläufige - Bindungswirkung, wie sie vom 5. Senat angenommen wird, folgt daraus nicht (Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB, Rdnr.418; Boemke, NZA 2013, 6 (7)).
274Eine vorläufige Bindungswirkung für die Vergangenheit ist in Fällen einer Klage auf Leistung bisher nicht angenommen worden. In der Entscheidung vom 28.07.2011 (3 AZR 859/09, BAGE 138, 213) hat der 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts die Billigkeit einer Betriebsrentenanpassung geprüft. Der beklagte Arbeitgeber, der nach Auffassung des Senats die Leistung nicht nach billigem Ermessen bestimmt hatte, musste die eingeklagten Differenzbeträge auch für die Vergangenheit nachzahlen. Es fand somit gerade keine rein zukunftsbezogene Korrektur ab dem Zeitpunkt der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung statt (Boemke, NZA 2013, 6 (7)). Nur bezogen auf den geltend gemachten Zinsanspruch hat der Senat erkannt, dass die Differenzbeträge bei gerichtlicher Prüfung der Billigkeit nach § 315 Abs.3 BGB erst mit Rechtskraft des Gestaltungsurteils fällig werden (Rdnr. 31).
275Auch die vom 5. Senat herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 04.04.2006 (X ZR 122/05, BGHZ 167, 139) belegt nicht seine Auffassung, sondern das Gegenteil. Denn der Bundesgerichtshof führt in seiner Entscheidung zu einer unverbindlichen Werklohnforderung hinsichtlich des Zinsanspruches aus, dass eine einseitige, unbillige Vergütungsbestimmung unverbindlich sei und die Vergütung durch Gestaltungsurteil festgelegt werden müsse. Die Fälligkeit der Forderung trete erst ab Rechtskraft des Urteils ein. Damit stellte der Bundesgerichtshof im Ergebnis fest, dass der eine unbillige Leistung Bestimmende erst mit rechtskräftigem Urteil einen Anspruch hat. Hätte er eine vorläufige Bindungswirkung angenommen, hätte bereits ein vorläufiger Zahlungsanspruch bestanden und der andere Teil hätte sich in Verzug befunden (Boemke, NZA 2013, 6 (7)).
276Eine Bindung an unbillige Weisungen widerspricht auch dem Wortlaut des § 315 Abs. 1 Satz 1 BGB und des § 106 Satz 1 GewO, welcher die Billigkeit der Leistungsbestimmung voraussetzt (BeckOK-ArbR/Tillmanns a.a.O. § 106 GewO, Rdnr. 57; Preis, NZA 2015, 1 (5); Kühn, NZA 2015, 10 (12f.)). Die unbillige Weisung ist nicht einem Verwaltungsakt vergleichbar, der zunächst Bestandskraft hat, bis er angegriffen wird (Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB, Rdnr. 420).
277Die Befolgung einer unbilligen Leistungsbestimmung steht dem Bestimmungsgegner – wie bereits ausgeführt – frei. Das gilt auch für den Arbeitnehmer wie für jeden anderen Gegner des Leistungsbestimmenden (LAG C-Brandenburg, 31.05.2013 – 6 Sa 373/13, Rdnr. 40, BB 2013, 1715 m. Verweis auf Staudinger/Rieble a.a.O., § 315, Rdnr. 353 ff.). eine gesetzliche „Folgepflicht“ besteht nicht (Staudinger/Rieble a.a.O., § 315, Rdnr. 421).
278Das Landesarbeitsgericht Köln (13.01.2014 – 2 Sa 614/13, Rdnr. 13), das die Entscheidung des 5. Senats für systematisch richtig hält und ausführt, dass die Verpflichtung, die unbillige Weisung zu befolgen, erst mit Rechtskraft des durch die andere Partei zu erstrebenden Gestaltungsurteils ende, berücksichtigt nicht, dass die unbillige Weisung gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB zunächst nur den Leistungsbestimmer, also den Arbeitgeber bindet. Erst mit rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung entsteht die Leistungspflicht für den anderen Teil. Der Arbeitnehmer ist lediglich dazu verpflichtet, sich in irgendeiner Form auf die Unbilligkeit zu berufen, wobei - wie ausgeführt - die Geltendmachung nicht im Klagewege erfolgen muss und auch nicht an Fristen gebunden ist (Boemke, NZA 2013, 6 (10f.)). § 315 Abs. 3 BGB statuiert eben keine Klagelast. Insoweit fehlt es an einer §§ 12 Abs.3 ANerfG, 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG vergleichbaren gesetzlichen Regelung ((Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB, Rdnr.422; Boemke, NZA 2013, 6 (7)). Hat der Arbeitnehmer deutlich gemacht, dass er der unbilligen Weisung nicht folgt, ist die Weisung für ihn nicht bindend. So hat der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts im Falle einer Verweigerung der konkret angewiesenen Tätigkeit aufgrund eines Glaubenskonflikts eine Bindung des Arbeitnehmers an die Weisung nur bis zur Offenbarung des Konflikts angenommen, nicht dagegen bis zur Neuausübung des Direktionsrechts (BAG 24.02.2011 – 2 AZR 636/09, Rdnr. 25, NJW 2011, 3319). Insbesondere im Bereich der Grundrechte verletzenden Weisungen ist das Ergebnis des 5. Senates nicht zu vertreten. Der Arbeitnehmer kann nicht angesichts der im Falle einer Weigerung drohenden Konsequenzen gezwungen sein, Weisungen, die seine grundrechtlich garantierte Freiheiten verletzen, so lange zu befolgen, bis ein Gericht darüber entschieden hat.
279Die Rechtsprechung führt zu nicht hinnehmbaren Konsequenzen für den Arbeitnehmer und zu einer untragbaren Risikoverlagerung. Wird die vorläufige Verbindlichkeit bejaht, würde in letzter Konsequenz ein Urteil erst im Nachhinein die Verbindlichkeit aufheben. Damit liegt eine abmahnfähige Pflichtverletzung vor, wenn der Arbeitnehmer den Weisungen des Arbeitgebers nicht nachkommt. Arbeitnehmer, die unbillige Weisungen des Arbeitgebers nicht beachten, laufen mithin Gefahr, wegen Arbeitsverweigerung gekündigt zu werden. Überdies gerät der Arbeitnehmer in Schuldner- und nicht der Arbeitgeber in Annahmeverzug mit der Folge, dass dem Arbeitnehmer keine Vergütungsansprüche zustehen, obwohl die Arbeitgeberweisung in Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen steht, die die Billigkeit voraussetzen (Boemke, JuS 2012, 1125 (1127)).
280Hat der Arbeitnehmer Zweifel an der Billigkeit der Weisung, muss er das Arbeitsgericht anrufen und dessen Entscheidung abwarten, ggf. das Prozessrisiko eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf sich nehmen. Er wird als „Gestaltungsopfer“ (Staudinger/Rieble a.a.O. § 315 BGB, Rdnr.422) verpflichtet, eine gerichtliche Klärung herbeizuführen, und damit einseitig belastet. Diese Risikoverlagerung ist nicht durch das Gesetz indiziert (ErfK/Preis a.a.O. § 106 GewO, Rdnr. 7a; Preis, NZA 2015, 1 (6)). Der Arbeitnehmer geht, wenn er sich der Weisung (zu Unrecht) widersetzt, ohnehin das Risiko einer Abmahnung oder gar fristlosen Kündigung wegen Arbeitsverweigerung ein (ErfK/Preis, a.a.O. § 106 GewO, Rdnr. 7a).
281Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber das Risiko der Nichtigkeit und Unbilligkeit der Weisung insoweit trägt, als er darlegungs- und beweisbelastet hinsichtlich der Voraussetzungen der Weisung ist (BAG 21.07.2009 – 9 AZR 404/08, Rdnr. 23). Die Rechtsprechung des 5. Senates dreht diese Risikoverteilung praktisch um, indem der Arbeitnehmer sich letztlich doch im Klageverfahren gegen die Unbilligkeit der Weisung wehren muss, wenn es auch im Prozess bei der Darlegungs– und Beweislast des Arbeitgebers verbleibt. Seine Rechtsschutzmöglichkeiten gegen unbillige Weisungen werden erheblich verkürzt (Preis, NZA 2015, 1 (4 f., 9)).
282Das Argument, durch die vorläufige Verbindlichkeit der Weisung auch für den Arbeitnehmer werde Rechtssicherheit geschaffen (u.a. auch hinsichtlich der betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung und der Frage des Annahmeverzugs, so LAG Köln, 13.01.2014 – 2 Sa 614/13, Rdnr. 13), rechtfertigt nicht die von § 315 Abs.3 BGB nicht gedeckte Risikobelastung des Arbeitnehmers. Es kann nicht von einem durchschnittlichen Arbeitnehmer erwartet werden, die juristischen Unterschiede zwischen nichtigen Weisungen, die er nicht befolgen muss, und unverbindlichen Weisungen, die er zunächst bis zur gerichtlichen Entscheidung befolgen muss, zu kennen und im konkreten Fall auch zu erkennen. Er müsste bei jeglichen Weisungen zunächst rechtskundigen Rat einholen, um die weitreichenden Konsequenzen seiner Weigerung, der Weisung nachzukommen, abschätzen zu können. Insofern schafft die Entscheidung des 5. Senates eher weniger Rechtssicherheit.
283(2)
284Der Kläger hat sich in angemessener Zeit ausdrücklich auf die Unbilligkeit der Weisung berufen Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.03.2015 hat er deutlich gemacht, ihr nicht Folge leisten zu werden. Er hat mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass er die Weisung für unbillig hält, indem er die Versetzungsmaßnahme als „willkürlich“ und „bloße Maßregelung“ bezeichnet hat. Er hat sich zudem in seiner am 18.03.2015 beim Arbeitsgericht eingereichten und der Beklagten am 25.03.2015 zugestellten Klage ausdrücklich auf die Unbilligkeit berufen.
285II.
286Da es an einer Pflichtverletzung des Klägers fehlt, ist auch die zulässige gegen die ordentliche Kündigung gerichtete Feststellungsklage begründet, da diese nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe in dem Verhalten des Klägers gerechtfertigt ist.
287B.
288Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.
289Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen, da das Urteil von der Rechtsprechung des 5. Senates des Bundesarbeitsgerichts (22.02.2012 – 5 AZR 249/11) abweicht.
(1) Der Arbeitgeber kann, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, die personelle Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 vorläufig durchführen, bevor der Betriebsrat sich geäußert oder wenn er die Zustimmung verweigert hat. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die Sach- und Rechtslage aufzuklären.
(2) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme zu unterrichten. Bestreitet der Betriebsrat, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, so hat er dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. In diesem Fall darf der Arbeitgeber die vorläufige personelle Maßnahme nur aufrechterhalten, wenn er innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die Feststellung beantragt, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
(3) Lehnt das Gericht durch rechtskräftige Entscheidung die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats ab oder stellt es rechtskräftig fest, dass offensichtlich die Maßnahme aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war, so endet die vorläufige personelle Maßnahme mit Ablauf von zwei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung. Von diesem Zeitpunkt an darf die personelle Maßnahme nicht aufrechterhalten werden.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt. Das Gleiche gilt, wenn der Handlung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Handlung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt.
Der Gläubiger kommt nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
Tenor
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1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 29. Oktober 2009 - 6 Sa 335/09 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klagen als unzulässig zurückgewiesen werden.
-
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, welche tariflichen Regelungen aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf ihr Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.
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Die Klägerin hat am 11. Juni 1991 mit der Deutschen Bundespost Telekom einen Arbeitsvertrag geschlossen, in dem es ua. heißt:
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„Für das Arbeitsverhältnis gelten die für das in Art. 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet vereinbarten Bestimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten/Arbeiter der Deutschen Bundespost TELEKOM (TV Ang (Ost) bzw. TV Arb (Ost)) und der sonstigen für das genannte Gebiet vereinbarten Tarifverträge für die Angestellten/Arbeiter der Deutschen Bundespost TELEKOM in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart.“
- 3
-
Im Zuge der sog. Postreform II wurden die Geschäftsbereiche der Deutschen Bundespost durch das Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (vom 14. September 1994, BGBl. I S. 2325, 2339 - Postumwandlungsgesetz - PostUmwG) privatisiert. Aus dem Geschäftsbereich, in dem die Klägerin tätig gewesen war, entstand kraft Gesetzes die Deutsche Telekom AG (nachfolgend DT AG). Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde zum 1. Januar 1995 auf die DT AG übergeleitet.
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Die DT AG vereinbarte in der Folgezeit mit der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) Tarifverträge, die ua. die zuvor zwischen der Deutschen Bundespost und der DPG geschlossenen Tarifverträge für die Arbeiter und Angestellten der Deutschen Bundespost in Ost und West für den Bereich der DT AG abänderten. Eine weitgehende Ablösung der vormals mit der Deutschen Bundespost geschlossenen und nachfolgend geänderten Tarifverträge erfolgte anlässlich der Einführung des „Neuen Bewertungs- und Bezahlungssystems - NBBS“ zum 1. Juli 2001 in einem gesonderten Übergangstarifvertrag, dem Tarifvertrag zur Umstellung auf das NBBS.
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-
Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurden in dieser Zeit die jeweiligen für sie einschlägigen Tarifverträge der Deutschen Bundespost Telekom und später die der DT AG angewendet.
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Mit Wirkung ab dem 1. September 2007 wurde die Kundenniederlassung Spezial der DT AG, in der die Klägerin beschäftigt war, von der Beklagten zu 1., einer Tochtergesellschaft der DT AG, im Wege des Betriebsübergangs übernommen. Die Beklagte zu 1. wandte auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin in der Folgezeit den zwischen ihr und der Gewerkschaft ver.di vereinbarten Tarifvertrag zur Umsetzung des Beschäftigungsbündnisses (Umsetzungs-Tarifvertrag, UTV) in der Fassung vom 1. März 2004 an, der Abweichungen von den Tarifverträgen der DT AG enthält, ua. bei der Arbeitszeit und beim Entgelt.
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Der Beschäftigungsbetrieb der Klägerin wurde im Wege eines weiteren Betriebsübergangs zum 1. Dezember 2008 von der Beklagten zu 2. übernommen.
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Mit ihrer Klage vom 18. Dezember 2008 hat die Klägerin die gerichtliche Feststellung angestrebt, dass auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge der DT AG mit dem Regelungsbestand vom 31. August 2007 anzuwenden seien. Bei der im Arbeitsvertrag vereinbarten Bezugnahmeklausel handele es sich um eine kleine dynamische Bezugnahme, aufgrund deren das Tarifwerk der Deutschen Bundespost und später dasjenige der DT AG anzuwenden gewesen sei. Daran habe sich nichts geändert, weil eine Tarifwechselklausel nicht vereinbart worden sei, so dass der UTV nicht an die Stelle des Tarifwerks der DT AG getreten sei.
-
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
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1.
festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 1. die Tarifverträge der Deutschen Telekom AG (Tarifstand 31. August 2007) Anwendung finden,
2.
festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 2. die Tarifverträge der Deutschen Telekom AG (Tarifstand 31. August 2007) Anwendung finden;
-
in der Revisionsinstanz hat sie hilfsweise beantragt,
-
1.
Im Wege der Stufenklage:
a)
Die Beklagte zu 1. zu verurteilen, für den Zeitraum September 2007 bis November 2008 berichtigte Lohnabrechnungen unter Anwendung der Tarifverträge der Deutschen Telekom AG mit Tarifstand 31. August 2007 zu erteilen;
b)
Nach erfolgter Abrechnung die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an die Klägerin die sich ergebenden Nettobeträge nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem jeweiligen Monatsbetrag ab dem jeweiligen 17. des laufenden Monats zu zahlen;
c)
Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum Dezember 2008 bis Dezember 2009 und Januar 2010 bis Oktober 2011 berichtigte Lohnabrechnungen unter Anwendung der Tarifverträge der Deutschen Telekom mit Tarifstand 31. August 2007 zu erteilen;
d)
Nach erfolgter Abrechnung die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an die Klägerin die sich ergebenden Nettobeträge nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem jeweiligen Monatsbetrag ab dem jeweiligen 17. des laufenden Monats zu zahlen.
2.
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin 16.088,32 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.006,62 Euro seit dem 17. September 2007, aus 1.070,24 Euro seit dem 17. Oktober 2007, aus 1.049,04 Euro seit dem 17. November 2007, aus 1.027,83 Euro seit dem 17. Dezember 2007, aus 1.070,24 Euro seit dem 17. Januar 2008, aus 1.027,83 Euro seit dem 17. Februar 2008, aus 1.027,83 Euro seit dem 17. März 2008, aus 1.049,04 Euro seit dem 17. April 2008, aus 1.049,04 Euro seit dem 17. Mai 2008, aus 1.027,83 Euro seit dem 17. Juni 2008, aus 1.070,24 Euro seit dem 17. Juli 2008, aus 1.027,83 Euro seit dem 17. August 2008, aus 1.049,04 Euro seit dem 17. September 2008, aus 1.070,24 Euro seit dem 17. Oktober 2008 und aus 1.006,62 Euro seit dem 17. November 2008 zu zahlen.
- 10
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Die Beklagten haben beantragt, die Klagen abzuweisen.
- 11
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Die Beklagte zu 1. ist der Auffassung, dass die Klage gegen sie bereits wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig sei. Es handele sich um eine lediglich vergangenheitsbezogene Feststellungsklage. Das Rechtsverhältnis zu ihr sei wegen des weiteren Betriebsübergangs am 1. Dezember 2008 bei Klageerhebung bereits beendet gewesen.
- 12
-
Die Klage sei auch unbegründet, weil mit dem Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1. die für die DT AG geltenden Tarifbestimmungen durch den bei ihr geltenden UTV ersetzt worden seien.
-
Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage gegen beide Beklagten stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht für die Klägerin zugelassenen Revision strebt diese die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen. In der Revisionsinstanz hat die Klägerin vorgetragen, sie habe im Laufe des Rechtsstreits dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses sowohl auf die Beklagte zu 1. als auch auf die Beklagte zu 2. widersprochen.
Entscheidungsgründe
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-
Die zulässige Revision der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Sie ist unbegründet, wobei die Klageanträge bereits unzulässig sind, weshalb die Revision mit dieser Maßgabe zurückzuweisen ist.
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I. Die Revision der Klägerin ist zulässig. Sie ist auch gegenüber der Beklagten zu 2. rechtzeitig eingelegt worden, obwohl diese in der Revisionsschrift nicht ausdrücklich als Revisionsbeklagte genannt ist. In Auslegung der Revisionsschrift unter Einbeziehung des in der Anlage beigefügten Urteils des Landesarbeitsgerichts ergibt sich, dass sich die Revision der Klägerin gegen beide Beklagte, also auch gegen die Beklagte zu 2., richtet.
- 16
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1. Nach § 549 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Revisionsschrift die Angabe der Parteien, des Gerichts, das das angefochtene Urteil erlassen hat, des Verkündungsdatums und des Aktenzeichens enthalten. Nicht jede Ungenauigkeit oder Falschangabe, die eine Revisionsschrift bei einzelnen Angaben enthält, führt jedoch zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Fehlerhafte oder unvollständige Angaben schaden nicht, wenn aufgrund der sonstigen erkennbaren Umstände für Gericht und Prozessgegner nicht zweifelhaft bleibt, welches Urteil inwieweit angefochten wird. Ob ein solcher Fall gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 145/08 - Rn. 22 mwN, AP ATG § 6 Nr. 5; 12. Januar 2005 - 5 AZR 144/04 - zu A I 1 der Gründe mwN, AP BGB § 612 Nr. 69 = EzA BGB 2002 § 612 Nr. 2; BGH 11. Januar 2001 - III ZR 113/00 - mwN, NJW 2001, 1070, 1071; 24. April 2003 - III ZB 94/02 - mwN, NJW 2003, 1950). Dabei darf nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen aber auch nicht in einer Weise erschwert werden, die aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigen ist (14. Mai 1985 - 1 BvR 370/84 - mwN, BVerfGE 69, 381, 385).
- 17
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2. Aus dem Gesamtzusammenhang der Rechtsmitteleinlegung ergibt sich bei der möglichen und gebotenen Auslegung, dass nach dem Willen der Klägerin und Revisionsklägerin beide im angegriffenen Urteil aufgeführte Beklagten Rechtsmittelgegner sein sollen.
- 18
-
Die Rechtsmitteleinlegung lässt mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass die Revision sich nicht nur gegen die in der Revisionsschrift ausdrücklich genannte Beklagte zu 1., sondern auch gegen die Beklagte zu 2. richten soll. Der Revisionsschrift vom 15. Dezember 2009 war eine Urteilsausfertigung beigefügt, aus der sich die konkrete Bezeichnung beider Beklagten ergab. Ausweislich der Revisionsschrift soll dieses Urteil uneingeschränkt angegriffen werden. Die Klägerin legt die Revision „gegen das am 29.10.2009 verkündete und am 01.12.2009 zugestellte Urteil“ ein. Eine Beschränkung des Rechtsmittels wird weder formuliert, noch ergeben sich aus dem Verlauf des Revisionsverfahrens Anhaltspunkte dafür. Vielmehr wird deutlich, dass die Revision gegen beide Prozessgegner durchgeführt werden soll.
- 19
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II. Die zulässige Revision der Klägerin ist jedoch unbegründet, weil die Klagen in der Berufungsinstanz im Ergebnis zu Recht abgewiesen wurden. Die Klagen sind allerdings bereits unzulässig.
- 20
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1. Die Begründetheit der Revision ergibt sich, was die Klage gegen die Beklagte zu 2. angeht, entgegen der Auffassung der Klägerin nicht daraus, dass die Beklagte zu 2. bei der Einlegung und Durchführung der Berufung nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen wäre, so dass deren Berufung als unzulässig hätte zurückgewiesen werden müssen. Die Klägerin hat sich hierfür zu Unrecht darauf gestützt, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 2. sei zwar zugelassener Rechtsanwalt, jedoch zumindest zeitweise gleichzeitig auch Personalleiter und zeitweise auch „Director Human Resources“ der Beklagten zu 2. gewesen. Es kann dahinstehen, ob dieser Einwand der Klägerin materiell richtig ist. Er kann jedenfalls nur von der Partei geltend gemacht werden, um deren Vertretung es geht. Die gesetzlichen Vorschriften über die Vertretung einer Partei im Prozess dienen nur deren Schutz. Allein sie soll davor geschützt werden, dass sie ihre prozessualen Rechte nicht wahrnehmen konnte, weil sie nicht gesetzlich vertreten war. Im Übrigen ist Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Verbot aus § 46 Abs. 1 BRAO auch nur die Unwirksamkeit des Rechtsanwaltsvertrages und nicht die Unwirksamkeit der von dem Prozessbevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen. Soweit der Prozessbevollmächtigte die Prozesshandlungen - wie vorliegend - nach außen erkennbar in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt und nicht als Angestellter einer Partei wahrgenommen hat, sind sie wirksam (vgl. ausführlich BAG 9. September 2010 - 4 AZN 354/10 - Rn. 9 ff. mwN, AP ArbGG 1979 § 72a Nr. 73 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 42).
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2. Der gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Feststellungsantrag ist bereits deshalb unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO nicht erfüllt sind.
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a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das besondere Feststellungsinteresse ist eine in jedem Stadium des Rechtsstreits von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung. Es muss noch in der Revisionsinstanz gegeben sein (vgl. nur BAG 6. Juni 2007 - 4 AZR 411/06 - Rn. 66 mwN, BAGE 123, 46).
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Das Feststellungsinteresse fehlt, wenn dem Antragsteller ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, um sein Ziel zu erreichen, oder wenn die begehrte Feststellung zu einer abschließenden Klarstellung des Streits nicht geeignet ist (BAG 27. Januar 2004 - 1 ABR 5/03 - zu B III der Gründe mwN, BAGE 109, 227). Das rechtliche Interesse an der Erhebung einer Feststellungsklage ist in der Regel zu verneinen, wenn eine Leistungsklage möglich ist. Allerdings kann auch in diesem Fall ein Feststellungsinteresse statthaft sein, wenn das angestrebte Urteil mit seiner lediglich grundsätzlich klärenden, der Vollstreckung nicht zugänglichen Wirkung geeignet ist, den Konflikt der Parteien endgültig zu lösen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu verhindern (BAG 21. Mai 1992 - 6 AZR 187/91 - zu II 2 der Gründe; 28. September 2005 - 5 AZR 181/04 - zu I 4 der Gründe; 21. April 2010 - 4 AZR 755/08 - Rn. 21, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 101 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 9).
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§ 256 Abs. 1 ZPO verlangt zudem ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung. Erforderlich ist grundsätzlich, dass es sich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis handelt. Wird ein Antrag auf Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtet, ist er nur zulässig, wenn sich aus der Entscheidung noch Rechtsfolgen für die Zukunft ergeben (vgl. ua. BAG 20. April 1999 - 1 ABR 13/98 - zu B I 1 c aa der Gründe, BAGE 91, 235; 19. Juni 2001 - 1 AZR 463/00 - zu I 1 a der Gründe, BAGE 98, 76; 19. Februar 2003 - 4 AZR 708/01 - zu I 1 der Gründe; weiterhin 5. November 2003 - 4 AZR 632/02 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 108, 224).
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b) Der Klägerin fehlt für ihren Antrag gegenüber der Beklagten zu 1. von Prozessbeginn an bereits deshalb das notwendige besondere Feststellungsinteresse, weil unabhängig von der Wirksamkeit ihrer Widersprüche gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses jedenfalls wegen des Betriebsübergangs vom 1. Dezember 2008 auf die Beklagte zu 2. kein Arbeitsverhältnis mehr zwischen ihr und der Beklagten zu 1. bestand. Damit wurde bereits bei Klageeinreichung die Feststellung eines ausschließlich in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses angestrebt. Unter diesen Umständen gilt vorliegend der Vorrang der Leistungsklage für die im Raum stehenden höheren Vergütungsansprüche. Dass eine solche auch tatsächlich möglich gewesen wäre, zeigt bereits der in der Revisionsinstanz hilfsweise gestellte Antrag zu 2. Eine nur auf die Vergangenheit bezogene gerichtliche Feststellung allein hat keine konfliktbereinigende Wirkung. Sie kann weitere gerichtliche Auseinandersetzungen, von deren Notwendigkeit die Prozessparteien übereinstimmend ausgehen, nicht verhindern.
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3. Das Interesse an alsbaldiger Feststellung fehlt sowohl für den Antrag gegen die Beklagte zu 1. als auch für den inhaltsgleichen Antrag gegen die Beklagte zu 2. darüber hinaus deshalb, weil die Klägerin die ursprünglich von ihr behauptete Rechtsbeziehung zwischen ihr und beiden Beklagten nunmehr selbst in Abrede stellt. Mit ihrem Vortrag, sie habe im Laufe des Rechtsstreits dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses sowohl auf die Beklagte zu 1. als auch auf die Beklagte zu 2. widersprochen, hat die Klägerin geltend gemacht, die von ihr zunächst behaupteten Vertragsverhältnisse als Grundlage ihres Feststellungsinteresses bestünden tatsächlich nicht und hätten auch nicht bestanden. Der Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses im Zuge eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 6 BGB wirkt auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurück(ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG 13. Juli 2006 - 8 AZR 382/05 - Rn. 37 mwN, AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 57). Ist er wirksam, ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin über den 1. September 2007 beim - ersten - Betriebsveräußerer, der DT AG, verblieben. Dann fehlt es nach dem eigenen Vortrag der Klägerin an einem Feststellungsinteresse für den Klageantrag, was auch noch in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen ist.
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Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie verfolge ihre Feststellungsanträge nur noch vorsorglich für den Fall weiter, dass ihren Widersprüchen mangels Wirksamkeit diese Rechtsfolge nicht zukommen sollte. Dies ändert an der Unzulässigkeit ihrer Anträge nichts. Solange nicht festgestellt ist, dass den Widersprüchen keine Rechtswirkungen zukommen oder zumindest ihre Wirksamkeit von der Klägerin nicht weiter geltend gemacht wird, beantragt sie in der Sache eine „Feststellung auf Vorrat“ für ein Rechtsverhältnis, dessen Bestand sie derzeit selbst in Abrede stellt. Hierfür fehlt ihr das prozessual erforderliche besondere Interesse an alsbaldiger Feststellung.
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III. Die in der Revisionsinstanz erstmals hilfsweise angekündigten Anträge der Klägerin sind auch deshalb unzulässig, weil es sich dabei um eine Einführung neuer, klageändernder Sachanträge handelt, die teilweise mit neuem Tatsachenvortrag verbunden sind. Dies kann der Senat nicht berücksichtigen (vgl. statt aller BAG 15. Juli 2008 - 3 AZR 172/07 - Rn. 24, AP ZPO § 253 Nr. 48; 18. November 2009 - 4 AZR 491/08 - Rn. 10, BAGE 132, 268).
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IV. Die Klägerin hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. Dies gilt auch für die Kosten der Berufung, welche die Beklagten zu 1. und 2. erkennbar jeweils nur gegen den sie betreffenden Teil des arbeitsgerichtlichen Urteils eingelegt haben. Es besteht deshalb entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kein Anlass, den Beklagten einen Teil der Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
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Bepler
Treber
Winter
von Dassel
J. Ratayczak
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 15. April 2009 - 16 Sa 102/08 - aufgehoben, soweit es über die Versetzung der Klägerin und über die Kosten der Berufung entschieden hat.
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2. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten noch über die Versetzung der Klägerin in einen anderen Außendienstbezirk.
- 2
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Die Beklagte stellt Arzneimittel her und vertreibt diese. Die verheiratete und zwei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin ist seit dem 1. April 2000 für die Beklagte als Pharmaberaterin im Verordnungs-Außendienst - Ansprechpartner: Ärzte (VO-Außendienst) tätig. Ihr Bruttomonatseinkommen betrug zuletzt 3.059,45 Euro.
-
Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 9. März 2000 regelt ua. wie folgt:
-
„§ 1 …
3.
Das Arbeitsgebiet umfasst
AB 926
4.
Für das Arbeitsverhältnis gelten die jeweils gültige Fassung der Personalrichtlinien, Betriebsvereinbarungen, Arbeitsordnung, Organisations-, Verwaltungs- und Dienstanweisung sowie des Aktionsplans.
...
6.
Ein Wechsel des Domizils ist nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Firma möglich.
…
§ 16 Dienstversetzung
1.
Die Firma behält sich Gebietsänderungen oder Zuweisung eines anderen Gebietes vor, wenn sich dies aus der weiteren Entwicklung des Außendienstes ergibt.
2.
Die Firma ist berechtigt, bei Arbeitsunterbrechungen jeder Art (Urlaub/Krankheit) in dem vom Mitarbeiter besetzten Gebiet weitere Mitarbeiter einzusetzen.“
- 4
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Das Arbeitsgebiet AB 926 liegt im Osten von Sachsen und wird nunmehr als Gebiet Nr. 423 bezeichnet. Die Klägerin wohnt dort. An die Geburt ihres ersten Kindes im April 2005 schloss sich eine einjährige Elternzeit an. Nach Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit und nach mehreren Abmahnungen im Februar 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis im April 2007 fristlos. Diese Kündigung ist rechtsunwirksam (ArbG Dresden 9. Oktober 2007 - 4 Ca 1714/07 -).
- 5
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Mit Schreiben vom 12. Dezember 2007 wies die Beklagte der Klägerin zum 1. Januar 2008 das zwischen Göttingen und Magdeburg gelegene Gebiet Nr. 314 zu und sprach vorsorglich eine entsprechende außerordentliche Änderungskündigung aus. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin erneut schwanger. Die Änderungskündigung ist nach der Entscheidung der Vorinstanz rechtsunwirksam; die Beklagte hat insoweit keine Revision eingelegt.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Versetzung sei rechtsunwirksam. Der Versetzungsvorbehalt in § 16 des Arbeitsvertrags sei als überraschende Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden. Die Versetzung widerspreche auch billigem Ermessen. Die Mitarbeiterin, der die Beklagte ihr bisheriges Gebiet zugewiesen habe, sei sozial weniger schutzwürdig.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
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festzustellen, dass die von der Beklagten mit Wirkung ab 1. Januar 2008 vorgenommene Versetzung der Klägerin als Pharmaberaterin VO-Außendienst vom Gebiet 423 in das Gebiet 314 unwirksam ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Versetzung sei auf Grund der Zusammenlegung der Außendienste für Apotheken und Ärzte erforderlich gewesen. Die Gebietsinhaber müssten nunmehr im Schwerpunkt Apotheken besuchen. Die im bisherigen Gebiet der Klägerin im Apothekenaußendienst tätige Mitarbeiterin verfüge über besondere Erfahrungen und sehr gute langjährige Kontakte, so dass sie dieser Mitarbeiterin das Gebiet Nr. 423 übertragen und die Klägerin in das nächste freie Gebiet versetzt habe.
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Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Berufung nicht insgesamt zurückgewiesen werden. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), soweit über die Versetzung entschieden worden ist.
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I. Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien ist die Beklagte entgegen der Auffassung der Vorinstanzen berechtigt, der Klägerin nach Maßgabe von § 106 Satz 1 GewO ein anderes Gebiet zuzuweisen.
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1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 bis 31, NZA 2010, 1355). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat.
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a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 36, NZA 2010, 877) . Ungewöhnliche, insbesondere überraschende Klauseln iSv. § 305c Abs. 1 BGB(zB „versteckte“ Versetzungsvorbehalte) werden nicht Vertragsbestandteil und bleiben deshalb im Rahmen der Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen unberücksichtigt.
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Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, NZA 2010, 1355; st. Rspr. BGH 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08 - Rn. 41, BGHZ 186, 180).
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b) Bei der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen kann in Betracht kommen, dass eine wie ein Versetzungsvorbehalt erscheinende Klausel tatsächlich lediglich den Umfang der geschuldeten Leistung bestimmen soll, insbesondere wenn alternative Tätigkeitsinhalte oder Tätigkeitsorte konkret benannt sind (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 18, NZA 2010, 1355). Ferner ist zu beachten, dass die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 970). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.
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c) Ergibt die Auslegung, dass der Vertrag eine nähere Festlegung hinsichtlich Art und/oder Ort der Tätigkeit enthält, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Vielmehr handelt es sich um die Bestimmung des Inhalts der Hauptpflicht (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 21, NZA 2010, 1355; BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 564/06 - Rn. 30, BAGE 123, 98). Dabei ist es unerheblich, wie eng oder weit die Leistungsbestimmung gefasst ist. Vorzunehmen ist lediglich eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Je allgemeiner die vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste oder der Ort der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag festgelegt sind, desto weiter geht die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer unterschiedliche Aufgaben oder einen anderen Ort im Wege des Direktionsrechts zuzuweisen (vgl. zB BAG 2. März 2006 - 2 AZR 23/05 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 67). Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Bei einer engen Bestimmung der Tätigkeit oder Festlegung des Orts der Leistungspflicht wird das Direktionsrecht hingegen eingeschränkt; der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer nur die betreffenden Aufgaben zuweisen. Eine Veränderung des Tätigkeitsbereichs oder des Orts der Arbeitsleistung kann er nur einvernehmlich oder durch eine Änderungskündigung herbeiführen (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 22, NZA 2010, 1355).
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d) Fehlt es an einer Festlegung und weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gem. § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, NZA 2010, 1355; BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80).
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2. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien einen Formularvertrag geschlossen, auf den die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB zur Anwendung kommen. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (Senat 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259). Das Landesarbeitsgericht hat ohne hinreichende Auslegung des Arbeitsvertrags angenommen, das Außendienstgebiet sei in § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags vertraglich festgelegt. Dies hält einer Überprüfung nicht stand. Da insoweit alle wesentlichen Umstände festgestellt sind und weiterer Vortrag nicht zu erwarten ist, kann der Senat die Auslegung selbst vornehmen.
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a) Der Wortlaut von § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags, wonach das Arbeitsgebiet einen bestimmten Außendienstbezirk umfasst, kann für eine vertragliche Festlegung sprechen. Auch die Vereinbarung der Domizilklausel in § 1 Nr. 6 kann im Verständnis einer Branche, die ihren Vertrieb über einen Außendienst organisiert, ein Indiz für eine gewollte vertragliche Festlegung des Arbeitsorts sein. Die Parteien haben aber in § 16 Nr. 1 des Arbeitsvertrags vereinbart, dass die Firma sich die Zuweisung eines anderen Gebiets vorbehält. Damit haben die Parteien klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis in einen anderen Außendienstbezirk bestehen soll.
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b) Die Klausel ist Vertragsbestandteil geworden. Sie ist nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB.
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aa) Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat überraschenden Charakter im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser den Umständen nach mit ihr vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Überraschenden Klauseln muss ein „Überrumpelungs- und Übertölpelungseffekt“ innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Die berechtigten Erwartungen des Vertragspartners bestimmen sich nach den konkreten Umständen bei Vertragsschluss ebenso wie nach der Gestaltung des Arbeitsvertrags, insbesondere dessen äußerem Erscheinungsbild. So kann der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen (BAG 16. April 2008 - 7 AZR 132/07 - Rn. 16, BAGE 126, 295; 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - Rn. 24, BAGE 115, 372). Im Einzelfall kann der Verwender gehalten sein, auf die Klausel besonders hinzuweisen oder sie drucktechnisch hervorzuheben (BAG 16. April 2008 - 7 AZR 132/07 - aaO).
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bb) Der Arbeitsvertrag enthält in § 1 Regelungen zur Arbeitspflicht und regelt an seinem Ende in § 16 die Möglichkeit einer Versetzung. Da die Vereinbarung von Änderungsmodalitäten am Ende eines Vertrags nicht unüblich ist, kann ein gewissenhafter Arbeitnehmer durch einen Versetzungsvorbehalt an dieser Stelle nicht überrascht werden. Die Überschrift „Dienstversetzung“ entspricht insoweit zwar nicht gängiger Begrifflichkeit, lässt aber keinen Zweifel aufkommen, dass nachfolgend ein Versetzungsvorbehalt geregelt wird. Drucktechnisch ist der Arbeitsvertrag übersichtlich aufgebaut. Der Versetzungsvorbehalt in § 16 ist deshalb nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB.
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c) Nach § 16 Nr. 1 des Arbeitsvertrags hat sich die Beklagte die Zuweisung eines anderen Gebiets vorbehalten; die Zuweisung einer inhaltlich anderen Tätigkeit ist ausgeschlossen. Nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn einer Klausel, welche die Zuweisung eines anderen Gebiets gestattet, ergibt sich, dass eine änderungsfeste Festlegung des Arbeitsorts im Arbeitsvertrag gerade nicht erfolgen soll; im Hinblick auf das vereinbarte Festgehalt ist darüber hinaus ausgeschlossen, dass die vereinbarte Vergütung durch die Zuweisung eines anderen Gebiets verändert werden kann. Im Lichte dieses Versetzungsvorbehalts ergibt die Auslegung der vertraglichen Regelungen deshalb, dass in § 1 Nr. 3 eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung tatsächlich nicht vereinbart ist. Der Versetzungsvorbehalt verhindert die Beschränkung auf einen bestimmten Ort (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47).
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II. Ob die Versetzung der Klägerin der gebotenen Ausübungskontrolle am Maßstab von § 106 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB standhält, kann der Senat nicht entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat - von seinem Standpunkt aus konsequent - eine solche Kontrolle nicht vorgenommen. Es hat auch die wechselseitigen Interessen nicht gegeneinander abgewogen. Zur Vornahme der Ausübungskontrolle wird das Landesarbeitsgericht zunächst die erforderlichen Feststellungen treffen müssen. Es bedarf der Aufklärung, ob und ggf. welches konkrete unternehmerische Konzept die Versetzung der Klägerin bedingt haben soll. Ferner ist zu klären, ob das benachbarte Gebiet Nr. 422, wie von der Klägerin behauptet, mit einem Leiharbeitnehmer besetzt war und welche Gründe dagegen sprachen, ihr dieses Gebiet zu übertragen. Bei der Abwägung der wechselseitigen Interessen wird das Landesarbeitsgericht schließlich zu erwägen haben, ob die Versetzung in ein weiter entferntes Gebiet dem besonderen Zustand der schwangeren Klägerin und ihren berechtigten persönlichen Belangen angemessen Rechnung getragen hat (vgl. BAG 21. April 1999 - 5 AZR 174/98 - zu A II 2 der Gründe, AP MuSchG 1968 § 4 Nr. 5 = EzA MuSchG nF § 11 Nr. 18) oder ob die Versetzung nicht tatsächlich unzumutbar war.
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Mikosch
Eylert
Mestwerdt
Thiel
Petri
(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.
(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss
- 1.
die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und - 2.
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,
(3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Beachtung der in Absatz 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren.
(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.
(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.
(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:
- 1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden; - 2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte; - 3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.
(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 27. September 2012 - 2 Sa 408/11 - aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
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Die Beklagte betreibt unter einheitlicher Leitung mehrere Pflegeheime, Kindergärten, Kinder- und Jugendheime, ein Wohnheim und eine Schule. Der 1973 geborene Kläger war bei ihr seit 1. April 2007 als Hausmeister „für den Bereich Seniorenresidenz T mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden“ angestellt. In ihren Einrichtungen beschäftigt die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Aufgrund vertraglicher Bezugnahme findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien „der jeweils für den Arbeitgeber geltende Tarifvertrag“ Anwendung. Dies sei, wie es im Arbeitsvertrag heißt, der zwischen dem Arbeitgeberverband der Arbeiterwohlfahrt Thüringen e. V. und dem DHV (Deutscher Handels- und Industrieangestellten-Verband; mittlerweile: DHV - Die Berufsgewerkschaft e. V.) (TV-AWO Thüringen) abgeschlossene Tarifvertrag vom 1. Januar 2006.
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Die Beklagte holte im März 2011 bei verschiedenen Drittfirmen Angebote über eine selbständige Erledigung der Hausmeisterdienste im Seniorenheim T ein. Mit Schreiben vom 29. Juni 2011 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. Dezember 2011. Im September 2011 vergab sie die Tätigkeit zu einem festen Bruttopreis an einen der ursprünglichen Anbieter. Reparaturen und sonstige Arbeiten sollten ggf. nach besonderer Vereinbarung vergütet werden.
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Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage fristgerecht gegen die Kündigung gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt allenfalls die vage Absicht gehabt, ein fremdes Unternehmen mit den Hausmeisterdiensten zu beauftragen. Ein Konzept, wie die betrieblichen Abläufe zukünftig gestaltet werden sollten, habe sie zu der Zeit noch nicht entwickelt. Im Übrigen sei die behauptete unternehmerische Entscheidung nicht von einem ordnungsgemäßen Beschluss ihrer Gesellschafter gedeckt. Die soziale Auswahl sei fehlerhaft. Er sei mit den in anderen Einrichtungen tätigen Hausmeistern vergleichbar und zumindest gegenüber einem der fraglichen Mitarbeiter sozial schutzbedürftiger. Bei der Auswahl habe die Beklagte Vorbeschäftigungszeiten, die er seit dem 1. April 1998 erbracht habe, berücksichtigen müssen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Zudem sei die maßgebende - tarifliche - Kündigungsfrist bei richtiger Berechnung seiner Beschäftigungsdauer nicht eingehalten.
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Der Kläger hat - soweit noch von Bedeutung - beantragt
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1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 29. Juni 2011 nicht aufgelöst worden ist und über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus fortbesteht;
2.
die Beklagte zu verurteilen, ihn über den Ablauf der Kündigungsfrist bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung als Hausmeister weiter zu beschäftigen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, ihr Geschäftsführer habe in der 24. Kalenderwoche des Jahres 2011 auf der Grundlage dreier Angebote beschlossen, ab dem 1. Januar 2012 ein fremdes Unternehmen mit der Erledigung der bisher dem Kläger übertragenen Dienste zu beauftragen. Die Entscheidung, die zum fraglichen Termin auch tatsächlich umgesetzt worden sei, trage einem bestehenden Kostendruck Rechnung und sei weder unsachlich, noch unvernünftig oder willkürlich. Unschädlich sei, dass der Vertrag mit dem betrauten Unternehmen erst im Herbst 2011 geschlossen worden sei und inhaltlich in einzelnen Punkten von dessen ursprünglichem Angebot abweiche. Einer sozialen Auswahl habe es nicht bedurft. Der Kläger sei schon wegen der vertraglichen Festlegung seines Arbeitsorts auf T mit anderen Hausmeistern nicht vergleichbar. Zudem handele es sich bei jenen Arbeitnehmern um Vollzeitkräfte, die, anders als der Kläger, zusätzliche Tätigkeiten schuldeten. Selbst wenn der Kläger mit den Vollzeitkräften vergleichbar sein sollte, sei die soziale Auswahl im Ergebnis nicht zu beanstanden. Den Betriebsrat habe sie am 21. Juni 2011 - mündlich - ordnungsgemäß unterrichtet.
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Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
- 9
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I. Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag - unausgesprochen - als einheitlichen Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ausgelegt und als solchen für zulässig gehalten. Diese Würdigung begegnet keinen Bedenken.
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II. Mit der bisherigen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.
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1. Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Dieses bestand bei Zugang der Kündigung länger als sechs Monate (§ 1 Abs. 1 KSchG). Der betriebliche Geltungsbereich des Gesetzes ist nach § 23 Abs. 1 KSchG eröffnet.
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2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG nicht schlüssig aufgezeigt. Ihrem Vorbringen sei nicht zu entnehmen, dass im maßgebenden Kündigungszeitpunkt eine Entscheidung zur Fremdvergabe der Hausmeisterdienste schon getroffen gewesen sei. Jedenfalls habe „eine ‚greifbare‘ Form der Entscheidung“ im Kündigungszeitpunkt „noch nicht vor[gelegen]“. Die bei den Drittfirmen eingeholten Angebote hätten rein informativen Zwecken gedient. In konkrete Verhandlungen sei die Beklagte erst längere Zeit nach Zugang der Kündigung eingetreten.
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3. Diese Beurteilung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat, soweit es nicht den Rechtsbegriff des „dringenden betrieblichen Erfordernisses“ verkannt hat, an die Darlegung des behaupteten Kündigungsgrundes überzogene Anforderungen gestellt. Dies rügt die Beklagte mit Recht.
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a) Dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG liegen vor, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen (Organisations-)Entscheidung auf der betrieblichen Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Diese Prognose muss schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv berechtigt sein (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 31; 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 17, BAGE 133, 240).
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aa) Ein dringendes „betriebliches“ Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung entgegensteht, ist gegeben, wenn die Arbeitskraft des Arbeitnehmers im Betrieb nicht mehr gefordert ist. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht gehalten, nicht mehr benötigte Arbeitsplätze und Arbeitskräfte weiterhin zu besetzen bzw. zu beschäftigen. Dabei kommt es de lege lata nicht darauf an, ob die dem Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zugrunde liegende unternehmerische (Organisations-)Entscheidung ihrerseits - etwa aus wirtschaftlichen Gründen - „dringend“ war oder die Existenz des Unternehmens auch ohne sie nicht gefährdet gewesen wäre (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 20, BAGE 145, 265). In diesem Sinne ist die unternehmerische Entscheidung zur Umorganisation bis zur Grenze der offensichtlichen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür frei. Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht dabei die Vermutung, dass sie aus sachlichen - nicht zuletzt wirtschaftlichen - Gründen getroffen wurde und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 31; 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - aaO mwN).
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bb) Hängt der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs von einer solchen unternehmerisch-organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers ab, braucht diese bei Kündigungszugang noch nicht tatsächlich umgesetzt zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet. Dazu müssen - soweit die Kündigung ihren Grund in einer Änderung der betrieblichen Organisation hat - zumindest die Absicht und der Wille des Arbeitgebers, die fraglichen Maßnahmen vorzunehmen, schon vorhanden und abschließend gebildet worden sein. Andernfalls lässt sich im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung - auf den es dafür unverzichtbar ankommt - nicht hinreichend sicher prognostizieren, es werde bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs kommen (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 34; 20. Februar 2014 - 2 AZR 346/12 - Rn. 18; 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 18, BAGE 133, 240).
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b) Da der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Tatsachen zu beweisen hat, die die Kündigung bedingen, hat er die tatsächlichen Grundlagen für die Berechtigung der Prognose, bis spätestens zum Ablauf der Kündigungsfrist werde ein Beschäftigungsbedarf entfallen sein, von sich aus schlüssig vorzutragen. Zu diesen Tatsachen gehört der schon bei Kündigungszugang getroffene endgültige Entschluss zur Vornahme einer Maßnahme, die zu einem solchen Wegfall führen werde. Wie substantiiert der Vortrag zu erfolgen hat, hängt von der Einlassung des Arbeitnehmers ab. Zunächst genügt es, wenn der Arbeitgeber - zumindest konkludent - behauptet, er habe seine entsprechende Entscheidung schon vor Zugang der Kündigung getroffen. Wenn der Arbeitnehmer dies mit - in der Regel zunächst ausreichendem - Nichtwissen bestreitet, wird der Arbeitgeber nähere tatsächliche Einzelheiten darlegen müssen, aus denen unmittelbar oder mittelbar geschlossen werden kann, er habe die entsprechende Absicht bereits im Kündigungszeitpunkt endgültig gehabt. Geht es dabei um den inneren Zustand einer einzelnen Person, wird sich das Gericht die Überzeugung von der Wahrheit der Behauptung - wie stets - nach § 286 ZPO bilden müssen. Soweit sich die innere Tatsache nach außen manifestiert hat, wird es ggf. Beweis über die Indiztatsachen erheben und diese würdigen müssen. Fehlt es an einer entsprechenden Offenbarung der unternehmerischen Entscheidung, wird es auf die genaue Darlegung des inneren Willensbildungsprozesses der betreffenden Person, die Schlüssigkeit ihrer Angaben und ihre Glaubwürdigkeit ankommen (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 36).
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c) Danach hat die Beklagte einen die Kündigung rechtfertigenden Grund schlüssig aufgezeigt.
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aa) Sie hat vorgebracht, ihr Geschäftsführer habe nach Einholung dreier Angebote in der 24. Kalenderwoche - dh. in der Zeit zwischen dem 13. und 19. Juni 2011 - entschieden, die bisher dem Kläger übertragenen Hausmeisterdienste ab dem 1. Januar 2012 durch einen externen Dienstleister erledigen zu lassen. Seinen Entschluss habe er am 20. Juni 2011 dem Personalleiter und der Heimleiterin des Seniorenheims in einer Dienstberatung mitgeteilt. Am Folgetag habe er die Vorsitzende des Betriebsrats von der Entscheidung unterrichtet und dabei eines der Angebote vorgelegt.
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bb) Bereits die Offenbarung der fraglichen Entscheidung gegenüber Dritten spricht - als wahr unterstellt - in hohem Maße dafür, dass der Geschäftsführer den Entschluss zur Fremdvergabe bereits bei Kündigungszugang gefasst hatte. Die gegenteilige Würdigung des Landesarbeitsgerichts wird dem Indizwert der betreffenden äußeren Umstände nicht gerecht. Jedenfalls durfte es nicht weitergehende Darlegungen zur inneren Willensbildung verlangen, ohne sich zuvor von der Wahrheit oder Unwahrheit der behaupteten Mitteilungen überzeugt zu haben. Ebenso wenig bedurfte es weitergehender Darlegungen zu den Überlegungen und Beweggründen, auf denen die Entscheidung beruhen soll, um ihr Vorliegen plausibel zu machen. Im Übrigen hat die Beklagte ihre Erwägungen durchaus offengelegt, soweit sie auf eine Kosteneinsparung und darauf verwiesen hat, zukünftig Hausmeisterdienste flexibler abrufen zu können.
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cc) Besondere Umstände, die geeignet wären, die indizielle Wirkung der in Rede stehenden Tatsachen zu entkräften oder abzuschwächen, sind nicht festgestellt. Die Beklagte hat zwar nicht anzugeben vermocht, an welchem genauen Tag ihr Geschäftsführer die Entscheidung zur Fremdvergabe der Hausmeisterdienste getroffen habe. Das schließt die Möglichkeit, er habe den entsprechenden Willen schon vor Zugang der Kündigung gefasst, aber nicht aus. Da die unternehmerische Entscheidung keinem Formzwang unterliegt (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 35; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - zu II 4 d dd der Gründe), widerspricht auch das Fehlen einer Verschriftung dieser Annahme nicht. Soweit das Landesarbeitsgericht gemeint hat, die „Entscheidung [habe] zeitlich mit einem gewissen Abstand vor … der Kündigung und Anhörung des Betriebsrats zu erfolgen“, bleibt unklar, was es damit ausdrücken will. Nach dem Vortrag der Beklagten fielen die behauptete Organisationsentscheidung und die Kündigung keineswegs zusammen.
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dd) Es kann dahinstehen, ob eine Entscheidung über die Fremdvergabe von Hausmeisterdiensten - wie der Kläger gemeint hat - intern den Gesellschaftern der Beklagten vorbehalten und ob sie von einem wirksamen Beschluss der Gesellschafterversammlung getragen war. Darauf kommt es kündigungsrechtlich nicht an. Bei einer juristischen Person genügt es, dass derjenige, der dazu die tatsächliche Macht hat, die betreffende Entscheidung endgültig und vorbehaltlos getroffen hat (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 35; 5. April 2001 - 2 AZR 696/99 - zu II 3 der Gründe). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nach den Darlegungen der Beklagten bezogen auf die Entscheidung ihres Geschäftsführers erfüllt.
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ee) Die in Rede stehende Maßnahme - die Fremdvergabe der Hausmeisterdienste - hatte damit im Kündigungszeitpunkt - die tatsächlichen Behauptungen der Beklagten als wahr unterstellt - „greifbare Formen“ angenommen. Die gegenteilige Würdigung des Landesarbeitsgerichts wird dem prognostischen Anteil des Kündigungsgrundes nicht gerecht.
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(1) Die Beklagte hatte endgültig und ernsthaft beschlossen, die fragliche organisatorische Änderung durchzuführen. Es war nicht erforderlich, dass sie vor Zugang der Kündigung mit der Verwirklichung ihrer Entscheidung bereits begonnen hätte (vgl. BAG 10. Oktober 1996 - 2 AZR 651/95 - zu II 1 der Gründe; 19. Juni 1991 - 2 AZR 127/91 - zu II 2 b der Gründe). Das betrifft nicht nur deren unmittelbare Umsetzung. Auch vorbereitende Maßnahmen - etwa den Vertragsschluss mit dem Drittunternehmen - musste sie noch nicht ergriffen haben. Es genügte, dass sie berechtigterweise annehmen durfte, die laufende Kündigungsfrist biete ihr hierfür ausreichend Zeit.
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(2) Das war hier der Fall. Die Beklagte hatte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bereits im März 2011 Angebote von Dienstleistern angefordert. Auch wenn dies zunächst der Markterkundung gedient haben mag, so konnte sie doch aufgrund des Ergebnisses ihrer Anfragen hinreichend sicher annehmen, sie werde rechtzeitig einen geeigneten Dienstleister finden. Anderes gälte allenfalls dann, wenn der Geschäftsführer die Durchführung der Maßnahme von weiteren, unwägbaren Voraussetzungen, etwa davon abhängig gemacht hätte, die Aufgaben zu günstigeren Konditionen vergeben zu können als angeboten. Davon geht das Landesarbeitsgericht aber nicht aus. Der Umstand, dass der im Herbst 2011 mit dem Dienstleister geschlossene Vertrag gegenüber dem ursprünglichen Angebot bestimmte Modifikationen enthält, bietet für einen solchen Vorbehalt keinen hinreichenden Anhaltspunkt.
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ff) Der Entschluss zur Fremdvergabe der Hausmeisterdienste war geeignet, den Bedarf an einer Beschäftigung des Klägers zum Ende des Jahres 2011 in Wegfall zu bringen. Zwar waren Hausmeistertätigkeiten in der vom Kläger betreuten Einrichtung auch fortan zu erledigen. Sie sollten aber nicht mehr von eigenen Arbeitskräften der Beklagten ausgeführt, sondern von einem anderen Unternehmen - mit dessen Arbeitskräften - selbständig erledigt werden. Eine derartige Organisationsentscheidung ist rechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Das gilt auch dann, wenn sie - anders als von der Beklagten erwartet - nicht mit einer Ersparnis von Kosten verbunden gewesen sein sollte.
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(1) Die Gestaltung des Betriebs, die Antwort auf die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, sind Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 380/12 - Rn. 21; 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 17). Das Kündigungsschutzgesetz schreibt nicht eine bestimmte rechtliche und organisatorische Form der Erledigung anfallender Aufgaben fest (BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - Rn. 19).
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(2) Der Arbeitgeber ist - bis zur Grenze der Willkür - nicht gehindert, auch wirtschaftlich nicht zwingend notwendige Organisationsentscheidungen zu treffen (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 380/12 - Rn. 20). Es ist nicht Sache der Gerichte, ihm eine „bessere“ oder „richtigere“ betriebliche Organisation vorzuschreiben (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 809/12 - Rn. 17 mwN, BAGE 146, 37). Im Fall der Fremdvergabe kommt es deshalb grundsätzlich nicht darauf an, ob durch die Beauftragung des Drittunternehmens tatsächlich Kosten gespart werden (vgl. BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 306/06 - Rn. 23, BAGE 123, 20).
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(3) Die in Rede stehende Entscheidung lässt keine sachfremden Erwägungen erkennen. Sie ist nicht etwa deshalb unsachlich, weil die Beklagte in anderen Einrichtungen weiterhin eigene Arbeitskräfte als Hausmeister beschäftigt. Zum einen ist nicht erkennbar, dass dies durchgängig der Fall wäre. Zum anderen steht es dem Arbeitgeber frei, verschiedene Betriebsstätten unterschiedlich zu organisieren.
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III. Der Rechtsstreit ist nicht entscheidungsreif. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob die Kündigung vom 29. Juni 2011 wirksam ist. Es fehlt an erforderlichen Feststellungen. Die Sache war deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
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1. Es steht nicht fest, ob die Kündigung durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen der Beklagten zum Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse rechtsfehlerhaft als unschlüssig angesehen und sich - von seinem Standpunkt aus konsequent - kein Urteil darüber gebildet, ob deren tatsächliche Behauptungen für wahr zu erachten sind (§ 286 ZPO). Dies hat es nachzuholen.
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a) Allerdings kann bezweifelt werden, ob der Kläger die Ausführungen der Beklagten gemäß § 138 ZPO ausreichend bestritten hat. Er ist deren Vortrag vornehmlich mit Rechtsausführungen entgegengetreten, die sich als nicht durchgreifend erwiesen haben. In tatsächlicher Hinsicht hat er sich darauf beschränkt, das Zustandekommen einer unternehmerischen Entscheidung im Kündigungszeitpunkt „einfach“ zu bestreiten. Nachdem die Beklagte ihre betreffenden Behauptungen durch Hinweis auf die Dienstberatung vom 20. Juni 2011 und dort gefallene Äußerungen ihres Geschäftsführers konkretisiert hatte, wäre es Sache des Klägers gewesen, die ergänzenden Ausführungen „spezifisch“, sei es durch substantiierten Gegenvortrag (§ 138 Abs. 2 ZPO), sei es mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) zu bestreiten. Das ist, soweit ersichtlich, nicht geschehen.
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b) Die abschließende Würdigung ist zunächst dem Landesarbeitsgericht vorbehalten. Zum einen mag der Kläger die Notwendigkeit einer Konkretisierung seines Bestreitens nicht erkannt haben, weil beide Vorinstanzen von der Unschlüssigkeit des Vortrags der Beklagten ausgegangen sind. Zum anderen unterliegen die in Rede stehenden Indiztatsachen, selbst wenn sie als zugestanden anzusehen wären, einer abschließenden Würdigung gemäß § 286 ZPO, die Aufgabe des Tatsachengerichts ist.
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2. Der Senat kann nicht beurteilen, ob die Kündigung allemal deshalb sozial ungerechtfertigt ist, weil die Beklagte soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat (§ 1 Abs. 1, Abs. 3 KSchG).
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a) Dem bisherigen aus dem Berufungsurteil ersichtlichen Parteivorbringen ist nicht zu entnehmen, dass es eines sozialen Vergleichs mit Hausmeistern, die an anderen Standorten beschäftigt sind und die in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stehen, nicht bedurft hätte.
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aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die fraglichen Einrichtungen der Beklagten bildeten einen einheitlichen Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne. Dagegen erhebt die Beklagte keine Einwände. Ein Rechtsfehler ist nicht erkennbar.
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bb) Das Vorbringen der Beklagten berechtigt nicht zu der Annahme, der Tätigkeitsbereich des Klägers sei vertraglich auf das Seniorenheim T eingegrenzt (zu den Folgen einer solchen Beschränkung für die Sozialauswahl vgl. BAG 17. September 1998 - 2 AZR 725/97 - zu II 2 c der Gründe).
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(1) Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegen die Vereinbarungen im Arbeitsvertrag vom 27. Februar 2007 zugrunde. Dem äußeren Erscheinungsbild nach handelt es sich um einen Formularvertrag, auf den die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB zur Anwendung kommen. Die Auslegung solcher Vertragsbedingungen kann das Revisionsgericht selbst vornehmen (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 512/12 - Rn. 21; 15. Juni 2010 - 3 AZR 994/06 - Rn. 24; jeweils mwN).
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(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut nicht eindeutig, kommt es auf das typische Verständnis redlicher Vertragspartner an (BAG 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14). Von Bedeutung sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck und die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 17).
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(3) Ist im Arbeitsvertrag zwar der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, ist aber zugleich die Möglichkeit eines Einsatzes auch in anderen Betrieben des Unternehmens vorgesehen, verhindert dies regelmäßig die Beschränkung der Arbeitspflicht auf den im Vertrag genannten Arbeitsort (BAG 28. August 2013 - 10 AZR 569/12 - Rn. 20; 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 15). Insoweit macht es keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. Dadurch wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Befugnis zur Versetzung an andere Arbeitsorte bestehen soll.
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(4) Danach kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht angenommen werden, die Parteien hätten den Einsatzort des Klägers vertraglich festgelegt.
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(a) Zwar heißt es unter § 1 des Arbeitsvertrags, „der Arbeitnehmer“ werde „als Hausmeister für den Bereich Seniorenresidenz T … unbefristet eingestellt“. Eine solche Klausel kann - wenn nichts anderes geregelt ist - durchaus für eine entsprechende Festschreibung des Arbeitsorts sprechen (vgl. BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 20).
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(b) Gegen eine dauerhafte Festlegung spricht jedoch die im Arbeitsvertrag enthaltene Bezugnahme auf den „jeweils für den Arbeitgeber geltende(n) Tarifvertrag“, weil dieser Bestimmungen zur Versetzungsmöglichkeit enthält.
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(aa) Das Arbeitsgericht hat im Rahmen seiner Feststellungen, die sich das Landesarbeitsgericht zu eigen gemacht hat, angenommen, aufgrund der Bezugnahmeklausel finde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der zwischen dem Arbeitgeberverband der Arbeiterwohlfahrt Thüringen e. V. und der DHV geschlossene Tarifvertrag Anwendung. Das entspricht offenbar dem übereinstimmenden Verständnis beider Parteien. Die Würdigung ist rechtlich möglich. Selbst wenn der Tarifvertrag mangels Tarifzuständigkeit der DHV „fehlerhaft“ sein sollte (zur Problematik vgl. BAG 11. Juni 2013 - 1 ABR 32/12 - BAGE 145, 211), führte dies nicht dazu, dass die Bezugnahme unwirksam wäre oder ins Leere ginge. Die Arbeitsvertragsparteien können grundsätzlich auch auf fehlerhafte Tarifverträge verweisen (BAG 22. Januar 2002 - 9 AZR 601/00 - zu A I 2 b der Gründe mwN, BAGE 100, 189).
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(bb) Unter § 16 Abs. 1 des TV-AWO Thüringen vom 1. Januar 2010 heißt es: „Der Arbeitnehmer ist im Rahmen seiner arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit in jedem/r Betrieb, Betriebsteil oder Einrichtung des Arbeitgebers vorübergehend oder auf Dauer einsetzbar.“ Ist die Regelung wirksam in den Arbeitsvertrag einbezogen worden, hat sie die Wirkung eines vertraglichen Versetzungsvorbehalts. Auf diese Weise wäre - zumal Sinn und Zweck der Verweisung laut Arbeitsvertrag die „Gleichstellung der Arbeitnehmer und Vereinheitlichung der arbeitsvertraglichen Regelungen“ sein sollte - hinreichend klargestellt, dass die vertragliche Bestimmung des Einsatzorts mit „Seniorenresidenz T“ lediglich die erstmalige Ausübung des entsprechenden Weisungsrechts darstellte.
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(cc) Auch wenn die tarifliche Versetzungsregelung nicht wirksam Vertragsbestandteil geworden sein sollte, kann die Vereinbarung zum „Tätigkeitsbereich“ nicht anders verstanden werden. Der Kläger musste angesichts des beabsichtigten Einbezugs der tariflichen Bestimmung annehmen, dass die Beklagte nicht den Willen hatte, sich ihrer Weisungsrechte aus § 106 GewO zu begeben.
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cc) Das bisherige Vorbringen berechtigt nicht zu der Annahme, die anderen Hausmeister seien deshalb mit dem Kläger nicht vergleichbar, weil sie - anders als er - mit vollem Stundendeputat beschäftigt sind.
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(1) Eine Sozialauswahl zwischen Arbeitnehmern in Teilzeit und solchen, die in Vollzeit beschäftigt sind, kann ausgeschlossen sein, wenn der Arbeitgeber auf der Grundlage eines nachvollziehbaren unternehmerischen Konzepts bestimmten Tätigkeiten bestimmte Arbeitszeiten zuordnet (BAG 3. Dezember 1998 - 2 AZR 341/98 - zu II 4 der Gründe, BAGE 90, 236). Entsprechendes gilt für eine Sozialauswahl unter Teilzeitkräften mit unterschiedlichen Arbeitszeitdeputaten (BAG 15. Juli 2004 - 2 AZR 376/03 - zu C III 2 der Gründe, BAGE 111, 229). Arbeitnehmer, die aufgrund solcher Organisationsentscheidungen unterschiedlich lange Wochenarbeitszeiten haben, die nur durch Änderungskündigungen angepasst werden könnten, sind nicht austauschbar und damit nicht miteinander vergleichbar iSv. § 1 Abs. 3 KSchG.
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(2) Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe die in den einzelnen Einrichtungen anfallenden Hausmeistertätigkeiten „einrichtungsbezogen“ nach dem jeweils anfallenden Arbeitsvolumen organisiert. Je Einrichtung solle ein Hausmeister „vor Ort“ als Ansprechpartner vorhanden sein und die anfallenden Arbeiten erledigen. Auf diese Weise hat sie die jeweilige Hausmeistertätigkeit nicht starr an ein bestimmtes Arbeitszeitvolumen der eingesetzten Hausmeister gebunden. Auch wenn es sachliche Gründe geben mag, Hausmeister nicht einrichtungsübergreifend zu beschäftigen, wird aus dem Vorbringen der Beklagten nicht deutlich, weshalb pro Einrichtung jeweils nur ein Arbeitnehmer mit den Hausmeistertätigkeiten betraut werden kann. Das gilt umso mehr, als die Beklagte eine solche Situation offenbar auch in den Einrichtungen nicht gewährleistet, in denen sie die Hausmeistertätigkeiten fremdvergeben hat.
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dd) Soweit die Beklagte behauptet hat, der Kläger sei mit anderen Hausmeistern, insbesondere dem von ihm namentlich benannten Arbeitnehmer deshalb nicht vergleichbar, weil diese noch weitere Tätigkeiten - etwa als Maler - schuldeten und erbrächten, ist ihr Vortrag streitig geblieben und bedarf ggf. weiterer Aufklärung.
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b) Die Beklagte hat die Sozialdaten der anderen Hausmeister mitgeteilt und geltend gemacht, die Auswahl des Klägers sei selbst bei unterstellter Vergleichbarkeit im Ergebnis nicht zu beanstanden. Ob dies zutrifft, wird das Landesarbeitsgericht ggf. zu prüfen und zu bewerten haben. Dabei wird es sich, falls es darauf ankommt, auch mit der Frage befassen müssen, ob die Voraussetzungen für eine Anrechnung vor dem 1. April 2007 erbrachter Beschäftigungszeiten des Klägers vorliegen.
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3. Sollte sich die Kündigung als sozial gerechtfertigt erweisen, wird der Frage nachzugehen sein, ob der Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden ist.
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a) Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe der Vorsitzenden des Gremiums am 21. Juni 2011 mündlich ihre Kündigungsabsicht unter Mitteilung der Tätigkeit und der Sozialdaten des Klägers, des Kündigungsgrundes, der Kündigungsart einschließlich des Kündigungstermins und ihrer Erwägungen zur Sozialauswahl nebst den Daten der anderen Hausmeister mitgeteilt. Das Vorbringen lässt, zumal die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers über die Gründe der Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG „subjektiv determiniert“ ist(vgl. nur BAG 12. September 2013 - 6 AZR 121/12 - Rn. 20; 12. August 2010 - 2 AZR 104/09 - Rn. 17), keine inhaltlichen Mängel erkennen. Die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG wäre, ausgehend von dem behaupteten Zugang der Kündigung am 29. Juni 2011, eingehalten.
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b) Das Landesarbeitsgericht wird zu beurteilen haben, ob der Kläger das Vorbringen hinreichend - mit Nichtwissen - bestritten hat. Ggf. wird es die erforderlichen Beweise zu erheben haben.
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4. Sollte sich die Kündigung als solche als wirksam erweisen, wird sich das Landesarbeitsgericht mit dem Einwand des Klägers zu befassen haben, die Beklagte habe sie nicht termingerecht erklärt.
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5. Von der Zurückverweisung ist auch der als Hilfsantrag zu verstehende Antrag des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung erfasst. Die Entscheidung über ihn ist abhängig von der Entscheidung über den Feststellungsantrag.
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Kreft
Niemann
Berger
Krichel
Grimberg
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Januar 2009 - 3 Sa 483/08 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und über die Kosten entschieden hat.
-
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und die Verpflichtung zur Erstattung von Aufwendungen.
-
Der Kläger ist seit 1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, bundesweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, beschäftigt. Er ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und hat den Status eines Partners. Sein Jahresgehalt betrug ohne Sonderleistungen zuletzt 176.000,00 Euro brutto. Der Kläger war seit dem 1. Juli 1990 in der Niederlassung Leipzig tätig. Am 1./14. Juli 1994 wurde ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen, der unter anderem folgende Regelungen enthält:
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„§ 1
Mit Wirkung vom 1. Oktober 1993 ist Herr H zum Bereichsleiter (Partner Stufe III) der Zweigniederlassung Leipzig ernannt worden. Die C behält sich vor, Herrn H - sofern Geschäftsnotwendigkeiten dies erfordern - anderweitig einzusetzen und zu versetzen.
….
§ 7
Im Verhältnis zur C gilt als Wohnsitz von Herrn H Leipzig. Die jeweils geltende Reisekostenordnung der C findet Anwendung.“
-
Bei Dienstreisen erstattet die Beklagte ihren Mitarbeitern Aufwendungen nach den Bestimmungen der Gesamtbetriebsvereinbarung Reisekosten (Reisekostenordnung) vom 29. Juni 2004, die auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung findet. Der Begriff Dienstreise wird dort wie folgt definiert:
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„Eine Dienstreise ist ein Ortswechsel einschließlich der Hin- und Rückfahrt aus Anlass einer vorübergehenden Auswärtstätigkeit. Eine Auswärtstätigkeit liegt vor, wenn der Mitarbeiter außerhalb seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte beruflich tätig wird. Eine Auswärtstätigkeit ist vorübergehend, wenn der Mitarbeiter voraussichtlich an die regelmäßige Arbeitsstätte zurückkehren und dort seine berufliche Tätigkeit fortsetzen wird.“
- 4
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Der Kläger war zuletzt als „Bereichsleiter Tax“ der Niederlassung Leipzig tätig. Zwischen den Parteien kam es zum Streit über die Fähigkeiten des Klägers zur Führung der ihm unterstellten Mitarbeiter und zur Betreuung der Kunden. Angebote der Beklagten zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags lehnte der Kläger in den Monaten Februar und März 2007 ab. Mit Schreiben vom 2. Mai 2007 sprach die Beklagte eine Versetzung des Klägers „mit Wirkung zum 21. Mai 2007 zur Niederlassung Frankfurt in den Bereich Tax & Legal PS Mitte“ aus. Dort soll der Kläger als „verantwortlicher Sales-Partner“ eingesetzt werden und überwiegend Vertriebstätigkeiten ausüben. Zudem soll er den Bereich „Education/Social Security“ aufbauen und seine bereits zuvor im Bereich Controlling PS (Public Service) übernommenen Aufgaben sollen bundesweit ausgeweitet werden. Die neue Tätigkeit umfasst keine Personalverantwortung. Im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 22. Oktober 2007 war der Kläger mit Ausnahme einer urlaubsbedingten Unterbrechung in Frankfurt am Main tätig. Seitdem wird er aufgrund entsprechender arbeitsgerichtlicher Entscheidungen wieder in der Niederlassung Leipzig eingesetzt.
- 5
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Der Kläger hat geltend gemacht, er sei aufgrund der vertraglich vereinbarten Tätigkeit als Bereichsleiter der Niederlassung Leipzig zu beschäftigen. Die Zuweisung einer anderweitigen Tätigkeit und/oder eines anderen Tätigkeitsorts sei unzulässig. Der Versetzungsvorbehalt sei gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Darüber hinaus sei die Tätigkeit eines „verantwortlichen Sales-Partners“ hierarchisch nicht mit der Tätigkeit eines „Bereichsleiters“ gleichzusetzen. Unabhängig hiervon entspreche die Versetzung wegen der weiten Entfernung vom bisherigen Arbeitsort nicht billigem Ermessen.
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Die vorübergehende Tätigkeit in Frankfurt am Main sei als Dienstreise zu behandeln. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 17. August 2007 und vom 3. September 2007 bis zum 22. Oktober 2007 ergebe sich ein Aufwendungsersatzanspruch nach der Reisekostenordnung in Höhe von insgesamt 7.803,35 Euro.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Bereichsleiter Tax der Niederlassung Leipzig am Standort Leipzig zu beschäftigen,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.803,35 Euro zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.
- 8
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass eine Beschränkung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung auf die Tätigkeit eines Bereichsleiters der Niederlassung Leipzig nicht stattgefunden habe. Der Versetzungsvorbehalt sei wirksam, da die Interessen des Klägers in ausreichendem Maße dadurch gewahrt würden, dass die Versetzung nur im Falle einer „Geschäftsnotwendigkeit“ erfolgen dürfe. In seinem bisherigen Einsatzfeld als zuständiger Partner „PS Ost“ sei der Kläger nicht länger einsetzbar. Die wichtigen Mandanten würden den Kläger, der überwiegend Controlling-Tätigkeiten ausgeübt habe, nicht als Ansprechpartner akzeptieren. Früher habe die Betreuung dieser Mandanten durch einen weiteren in Leipzig beschäftigten Partner stattgefunden, der zum 30. Juni 2007 pensioniert worden sei. Der Umgang des Klägers mit den Mitarbeitern sei ebenfalls nicht akzeptabel, diese würden sich zunehmend verärgert zeigen. Der Kläger stehe als fachlicher Ansprechpartner nicht zur Verfügung. Sein mangelnder Arbeitseinsatz sei für alle erkennbar. Die dem Kläger zugewiesenen neuen Aufgaben seien mit seinen bisherigen Aufgaben vergleichbar; die Position befinde sich auf gleicher hierarchischer Ebene. Die Betreuung der Mandate der Region Mitte sei nur von Frankfurt am Main aus möglich, da die Mandanten eine regionale Präsenz des Partners erwarteten.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist zulässig und begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Berufung nicht zurückgewiesen werden. Der Senat kann in der Sache mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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I. Die auf vertragsgemäße Beschäftigung gerichtete Leistungsklage ist zulässig.
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1. Bei einem Streit über die Berechtigung einer Versetzung bestehen für den Arbeitnehmer zwei Möglichkeiten. Er kann die Berechtigung der Versetzung im Rahmen einer Feststellungsklage klären lassen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 -). Darüber hinaus hat er die Möglichkeit, den Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Rahmen einer Klage auf künftige Leistung gem. § 259 ZPO durchzusetzen(vgl. BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 51 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 19). Bei der Prüfung des Beschäftigungsanspruchs ist die Wirksamkeit der Versetzung als Vorfrage zu beurteilen. Voraussetzung für eine derartige Klage ist die Besorgnis, dass der Schuldner sich andernfalls der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.
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2. Der Antrag des Klägers ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. In Verbindung mit der Klagebegründung ist erkennbar, welche konkrete Beschäftigung er anstrebt. Die Voraussetzungen des § 259 ZPO liegen vor, obwohl der Kläger zurzeit auf seinem bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt wird. Die derzeitige Beschäftigung erfolgt ausschließlich aufgrund der vorläufig vollstreckbaren Entscheidungen der Vorinstanzen.
- 14
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II. Ob die Klage begründet ist, kann der Senat nicht abschließend beurteilen.
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1. Erweist sich eine vom Arbeitgeber vorgenommene Versetzung als unwirksam, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung in seiner bisherigen Tätigkeit am bisherigen Ort (vgl. BAG 17. Februar 1998 - 9 AZR 130/97 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 618 Nr. 27 = EzA BGB § 615 Nr. 89; 26. Januar 1988 - 1 AZR 531/86 - zu II 5 der Gründe, BAGE 57, 242; 14. Juli 1965 - 4 AZR 347/63 - BAGE 17, 241). Bei einer Versetzung handelt es sich um eine einheitliche Maßnahme, die nicht in den Entzug der bisherigen Tätigkeit und die Zuweisung einer neuen Tätigkeit aufgespalten werden kann (vgl. BAG 30. September 1993 - 2 AZR 283/93 - zu B I 3 e ff der Gründe, BAGE 74, 291). Dies gilt auch dann, wenn Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht abschließend festgelegt sind, sondern dem Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) unterliegen. Solange dieser nicht rechtswirksam von seinem Weisungsrecht erneut Gebrauch gemacht oder eine wirksame Freistellung von der Arbeit ausgesprochen hat, bleibt es bei der bisher zugewiesenen Arbeitsaufgabe am bisherigen Ort und der Arbeitnehmer hat einen dementsprechenden Beschäftigungsanspruch. Die gegenteilige Auffassung (LAG Hamm 8. März 2005 - 19 Sa 2128/04 - zu II 3 der Gründe, NZA-RR 2005, 462 unter Berufung auf LAG Nürnberg 10. September 2002 - 6 (4) Sa 66/01 - LAGE BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 29) übersieht, dass eine ausgeübte Weisung nicht durch eine unwirksame Versetzung beseitigt werden kann. Sie lässt sich auch nicht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Januar 2001 (- 5 AZR 411/99 -) stützen, da dort der Entzug bestimmter Tätigkeiten noch im Rahmen des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts erfolgte. Im Übrigen beschränkt sie unangemessen die Möglichkeit einer effektiven Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs für den Zeitraum bis zu einer neuen Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber.
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Wird der Arbeitgeber nach einer Versetzung zur tatsächlichen Beschäftigung zu den vorherigen Bedingungen verurteilt, ist damit die Vorfrage der Wirksamkeit der Versetzung beantwortet. Eine Entscheidung darüber, ob und ggf. in welchem Umfang der Arbeitgeber zukünftig von seinem Weisungsrecht rechtswirksam Gebrauch machen kann, ist hingegen nicht getroffen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger seinen Beschäftigungsanspruch unter anderem damit begründet hat, er sei „auf Dauer“ als Bereichsleiter Tax der Niederlassung Leipzig am Standort Leipzig zu beschäftigen und die Zuweisung einer anderen Tätigkeit an einem anderen Arbeitsort komme nicht in Betracht, da sie nicht von dem arbeitsvertraglichen Direktionsrecht der Beklagten umfasst sei. Dabei handelt es sich um bloße Elemente der Klagebegründung, die im Falle des Obsiegens mit dem Leistungsantrag nicht gem. § 322 ZPO in materielle Rechtskraft erwachsen. Will ein Arbeitnehmer eine weitergehende Entscheidung zum Umfang des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts erreichen, so muss er bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 256 ZPO von der Möglichkeit eines gesonderten Feststellungsantrags Gebrauch machen.
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2. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB beruht, ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
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a) In einem ersten Schritt ist durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist insbesondere festzustellen, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat. In Betracht kommt, dass eine wie ein Versetzungsvorbehalt erscheinende Klausel tatsächlich lediglich den Umfang der vertraglich geschuldeten Leistung bestimmen soll, insbesondere wenn alternative Tätigkeiten oder Tätigkeitsorte konkret benannt sind. Ungewöhnliche, insbesondere überraschende Klauseln iSv. § 305c Abs. 1 BGB(zB „versteckte“ Versetzungsvorbehalte) werden allerdings nicht Vertragsbestandteil.
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Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 36, NZA 2010, 877; 21. Oktober 2009 - 4 AZR 880/07 - Rn. 18).
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Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZR 388/05 - Rn. 30, AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 67 = EzA BetrAVG § 1 Zusatzversorgung Nr. 18; st. Rspr. BGH, vgl. zB zuletzt 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08 - Rn. 41, MDR 2010, 1096; 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09 - Rn. 16, NJW 2010, 2877).
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b) Ergibt die Auslegung, dass der Vertrag eine nähere Festlegung hinsichtlich Art und/oder Ort der Tätigkeit enthält, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Vielmehr handelt es sich um die Bestimmung des Inhalts der Hauptpflicht (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 564/06 - Rn. 30, BAGE 123, 98; Kleinebrink ArbRB 2007, 57, 58). Dabei ist unerheblich, wie eng oder weit die Leistungsbestimmung gefasst ist. § 308 Nr. 4 BGB ist ebenfalls nicht anwendbar, da diese Vorschrift nur einseitige Bestimmungsrechte hinsichtlich der Leistung des Verwenders erfasst(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 31, BAGE 118, 22). Vorzunehmen ist lediglich eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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Soweit es an einer Festlegung des Inhalts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag fehlt, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Je allgemeiner die vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste im Arbeitsvertrag festgelegt sind, desto weiter geht die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer unterschiedliche Aufgaben im Wege des Direktionsrechts zuzuweisen (vgl. zB BAG 2. März 2006 - 2 AZR 23/05 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 67). Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es insoweit nicht an. Bei einer engen Bestimmung der Tätigkeit wird das Direktionsrecht hingegen eingeschränkt. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer nur die betreffenden Aufgaben zuweisen. Eine Veränderung des Tätigkeitsbereichs kann er nur einvernehmlich oder durch eine Änderungskündigung herbeiführen.
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c) Enthält der Arbeitsvertrag neben einer Festlegung von Art und/oder Ort der Tätigkeit einen sog. Versetzungsvorbehalt, so ist zu differenzieren:
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aa) Ergibt die Vertragsauslegung, dass der Versetzungsvorbehalt materiell (nur) dem Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 106 GewO entspricht oder zugunsten des Arbeitnehmers davon abweicht, unterliegt diese Klausel keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern allein einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 24 ff.). Der Arbeitgeber, der sich lediglich die Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts, nicht aber eine Änderung des Vertragsinhalts vorbehält, weicht nicht zulasten des Arbeitnehmers von Rechtsvorschriften ab (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB).
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Die Vertragsklausel muss dabei die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO unter Berücksichtigung der oben dargestellten Auslegungsgrundsätze aus sich heraus erkennen lassen. Insbesondere muss sich aus dem Inhalt der Klausel oder aus dem Zusammenhang der Regelung deutlich ergeben, dass sich der Arbeitgeber nicht die Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten - ggf. noch unter Verringerung der Vergütung - vorbehält. Dagegen erfordert auch die Verpflichtung zur transparenten Vertragsgestaltung gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht, dass die Klausel Hinweise auf den Anlass der Ausübung des Weisungsrechts enthält(vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 44 ff., AP BGB § 307 Nr. 26).
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bb) Ergibt die Vertragsauslegung, dass sich der Arbeitgeber mit dem Versetzungsvorbehalt über § 106 GewO hinaus ein Recht zur Vertragsänderung vorbehält, so unterliegt die Regelung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
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(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 angemessen zu berücksichtigen(BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f., AP BGB § 307 Nr. 26; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33 f., BAGE 118, 22).
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Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn sich der Arbeitgeber vorbehält, ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung einseitig die vertraglich vereinbarte Tätigkeit unter Einbeziehung geringerwertiger Tätigkeiten zulasten des Arbeitnehmers ändern zu können (BAG 9. Mai 2006 - 9 AZR 424/05 - Rn. 20 ff., BAGE 118, 184; HWK/Gotthardt 4. Aufl. Anh. §§ 305 - 310 BGB Rn. 26; HWK/Lembke § 106 GewO Rn. 57; Hunold NZA 2007, 19, 21; Küttner/Reinecke Personalbuch 2010 Versetzung Rn. 5; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 975; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 32 Rn. 80).
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(2) Handelt es sich um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36). Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. Blue-pencil-Tests durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (vgl. Senat 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44).
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(3) Führt die Angemessenheitskontrolle zur Unwirksamkeit eines Versetzungsvorbehalts, so richtet sich der Inhalt des Vertrags gem. § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Eine geltungserhaltende Reduktion auf das angemessene Maß findet nicht statt (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 113/09 - Rn. 42, NZA-RR 2010, 457; Senat 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 33, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9). Maßgeblich ist in diesem Fall § 106 GewO. Diese Vorschrift überlässt dem Arbeitgeber das Weisungsrecht aber nur insoweit, als nicht durch den Arbeitsvertrag der Leistungsinhalt festgelegt ist. Ergibt die Auslegung des Vertrags, dass ein bestimmter Leistungsinhalt vereinbart wurde, so ist der Arbeitgeber an diesen gebunden, wenn ein zusätzlich vereinbarter Versetzungsvorbehalt der Angemessenheitskontrolle nicht standhält.
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d) Übt der Arbeitgeber im Einzelfall das Weisungsrecht aus, so unterliegt dies der Kontrolle gem. § 106 GewO. Die Ausübung eines wirksam vereinbarten Versetzungsvorbehalts unterliegt der Kontrolle gem. § 315 BGB. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80).
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3. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft keine hinreichende Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorgenommen. Damit steht nicht fest, ob die Tätigkeit als Bereichsleiter in der Niederlassung Leipzig aufgrund dieser vertraglichen Regelung als abschließende Festlegung des Inhalts der Arbeitspflicht anzusehen ist.
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a) Bei den streitgegenständlichen Regelungen des Arbeitsvertrags dürfte es sich - auch wenn das Landesarbeitsgericht hierzu keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat - um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln. Ggf. findet auch § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB Anwendung. Für die Annahme Allgemeiner Geschäftsbedingungen spricht bereits das äußere Erscheinungsbild (vgl. Senat 6. Mai 2009 - 10 AZR 390/08 - Rn. 20, AP BGB § 307 Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8). Davon gehen offenbar auch die Parteien übereinstimmend aus.
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b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (Senat 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259).
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Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass die Parteien sowohl den Ort wie den Inhalt der Arbeitsleistung festgelegt haben. Dem Kläger sei die Funktion eines Bereichsleiters der Zweigniederlassung Leipzig übertragen worden, womit notwendigerweise die Vereinbarung des Arbeitsorts Leipzig verbunden gewesen sei.
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Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Begründung lässt nicht erkennen, dass das Landesarbeitsgericht § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags überhaupt ausgelegt hat. Es fehlt schon an einer Auseinandersetzung mit dem Wortlaut der arbeitsvertraglichen Regelung. Dieser ist, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, keineswegs eindeutig. § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags nimmt lediglich auf eine bereits zuvor, nämlich zum 1. Oktober 1993, erfolgte Ernennung des Klägers zum Bereichsleiter der Niederlassung Leipzig Bezug. Ernannt bedeutet, dass jemand für ein Amt bzw. einen Posten bestimmt worden ist. Danach könnte hierunter auch die einseitige Zuweisung einer Position zu verstehen sein. Allerdings wird durch eine Ernennung auch die Position in der Hierarchieebene des jeweiligen Unternehmens (Status) zum Ausdruck gebracht. Für ein derartiges Verständnis könnte sprechen, dass die Vertragsparteien die Ernennung zum Anlass für den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags genommen haben. Zu prüfen wäre in diesem Zusammenhang, welche Bedeutung dem Klammerzusatz „Partner Stufe III“, dem Versetzungsvorbehalt in § 1 Satz 2 und der Regelung in § 7 des Arbeitsvertrags zukommt. Völlig außer Acht gelassen hat das Landesarbeitsgericht die Frage, wie der Vertragstext aus Sicht der an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise (hier: Partner einer bundesweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) typischerweise zu verstehen ist. Ebenso wenig sind Feststellungen zu möglichen Regelungszwecken und erkennbaren Interessenlagen beider Parteien getroffen worden.
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Der Senat sieht sich deshalb gehindert, selbst eine abschließende Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorzunehmen. Diese wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben. Ergibt sich danach, dass durch § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags keine nähere Festlegung des Tätigkeitsinhalts in inhaltlicher und/oder örtlicher Hinsicht erfolgt ist, kommt es auf die Wirksamkeit des Versetzungsvorbehalts(§ 1 Satz 2 Arbeitsvertrag) nicht an. Die streitgegenständliche Maßnahme wäre dann allerdings noch daraufhin zu überprüfen, ob sie billigem Ermessen entspricht. Ergibt die Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags hingegen, dass die bisher ausgeübte Tätigkeit und/oder der Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind, kommt es auf die Wirksamkeit des in § 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags vereinbarten Versetzungsvorbehalts an. Führt die Prüfung nach den oben genannten Grundsätzen zur Annahme der Unwirksamkeit des Versetzungsvorbehalts, bleibt es bei den vertraglichen Festlegungen.
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III. Ob und ggf. in welchem Umfang ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen des Klägers nach den Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung Reisekosten besteht, hängt im Wesentlichen von der Wirksamkeit der Versetzung ab und kann daher vom Senat ebenfalls nicht abschließend beurteilt werden.
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Allerdings wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass sich auch im Fall der Wirksamkeit der Versetzung ein Anspruch für die ersten sechs Wochen der Versetzung aus dem Schreiben vom 2. Mai 2007 ergeben kann. Da es sich wegen des Einzelfallcharakters um eine nichttypische Erklärung handelt, bleibt deren Auslegung aber zunächst dem Landesarbeitsgericht vorbehalten. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen gem. § 291 BGB erst ab Rechtshängigkeit zu verzinsen ist. Der Zinsanspruch bestünde dabei jeweils ab dem auf die Zustellung folgenden Kalendertag. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung lässt sich die Zeit für die Leistung nicht nach dem Kalender bestimmen (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Gegen eine derartige Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung spricht bereits der Umstand, dass der Anspruch auf die Erstattung von Aufwendungen für eine Dienstreise regelmäßig eine Reisekostenabrechnung des Arbeitnehmers voraussetzt. Eine vor Rechtshängigkeit erfolgte Mahnung iSv. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB ist vom Kläger nicht dargelegt worden.
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Mikosch
W. Reinfelder
Mestwerdt
Alex
Frese
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Dezember 2008 - 11 Sa 817/08 - wird zurückgewiesen, soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 15. April 2008 - 5 Ca 3435/07 - hinsichtlich der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen hat.
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Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des gesamten Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung sowie darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristlosen und hilfsweise fristgemäßen verhaltensbedingten Kündigung der Beklagten beendet worden ist.
- 2
-
Die Beklagte ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Sie unterhält mehrere Niederlassungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Darüber hinaus ist sie ein Unternehmen des international tätigen Konzerns P. Andere Konzernunternehmen sind außerhalb Deutschlands in verschiedenen Staaten tätig.
-
Die 1965 geborene Klägerin ist seit dem 1. Juli 2000 als Steuerberaterin/Managerin in der Niederlassung Bielefeld der Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 23. Mai 2000 heißt es ua. wie folgt:
-
„§ 1 Beginn und Inhalt des Arbeitsverhältnisses
1.
Sie werden ab 1. Juli 2000 als Manager für den Bereich TLS in unserer Niederlassung Bielefeld eingestellt.
2.
P behält sich das Recht vor, Sie im Bedarfsfall auch an einem anderen Arbeitsort und/oder bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns P entsprechend Ihrer Vorbildung und Ihren Fähigkeiten für gleichwertige Tätigkeiten einzusetzen. Hierbei werden Ihre persönlichen Belange angemessen berücksichtigt.
...“
- 4
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Im Oktober 2007 fanden Gespräche zwischen den Parteien über einen zukünftigen Einsatz der Klägerin in München statt. Am 19. Oktober 2007 unterrichtete die Beklagte den in ihrer Niederlassung Bielefeld bestehenden Betriebsrat „gem. § 99 BetrVG“ über die beabsichtigte Versetzung der Klägerin zur Niederlassung München. Sie bat um Stellungnahme. Dem Betriebsrat wurde weiter mitgeteilt, die Klägerin solle ab dem 1. Dezember 2007 als „Managerin im Bereich Tax Human Resources Services“ zur Niederlassung München versetzt werden. Am 25. Oktober 2007 teilte der Betriebsrat der Niederlassung Bielefeld der Beklagten mit, er werde keine Stellungnahme abgeben. Mit identischem Formblatt und identischer Information unterrichtete die Beklagte unter dem 26. Oktober 2007 den Betriebsrat ihrer Niederlassung München. Dieser erklärte mit Datum vom 31. Oktober 2007, er werde keine Stellungnahme abgeben. Mit Schreiben vom 1. November 2007 versetzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung zum 1. Dezember 2007 zur Niederlassung München als „Manager in dem Bereich Tax Human Resources Services“. Unter dem 29. November 2007 kündigte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten an, die Klägerin werde die Stelle in München nicht antreten. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 30. November 2007 darauf hin, dass sie in diesem Fall arbeitsrechtliche Schritte einleiten werde. Sie werte das Verhalten der Klägerin als Arbeitsverweigerung. Am 3. Dezember 2007 bot die Klägerin ihre Arbeitskraft in der Niederlassung Bielefeld tatsächlich an. Sie wurde aufgefordert, die Niederlassung zu verlassen und ihre Gebäudezutrittskarte herauszugeben. Die Arbeit in München nahm die Klägerin nicht auf. Mit Datum vom 4. Dezember 2007 hörte die Beklagte den Betriebsrat der Niederlassung Bielefeld zu einer beabsichtigten außerordentlichen sowie hilfsweisen ordentlichen Kündigung der Klägerin wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung an. Der Betriebsrat gab keine Stellungnahme ab.
- 5
-
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. März 2008 wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung.
- 6
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Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin zuletzt gegen die Versetzung sowie die Kündigungen.
- 7
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Sie hat die Auffassung vertreten, die Versetzung und die Kündigungen seien unwirksam. Die Beklagte könne sich nicht auf eine fehlende Auslastung in Bielefeld berufen. Die Niederlassung Bielefeld sei seit Jahren nicht voll ausgelastet. Zudem sei die Klägerin eine der dienstältesten Mitarbeiterinnen dieser Niederlassung. Die Beklagte habe auch zum 1. September 2007 neue Mitarbeiter eingestellt. So sei die Mitarbeiterin W mit einer vergleichbaren Arbeitstätigkeit in der Niederlassung Bielefeld noch im September 2007 eingestellt worden. Weiterhin sei im Jahr 2007 in der Steuerabteilung Bielefeld eine neue Managerstelle geschaffen worden. Dort sei seit dem 1. Juni 2000 Herr S tätig. Er übe dieselbe Tätigkeit aus wie die anderen Steuerberater der Steuerabteilung Bielefeld. Die Beklagte habe zudem über offene Stellen verfügt, die deutlich näher am Wohnort der Klägerin gelegen seien als der Versetzungsort München.
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Da die Versetzung nicht wirksam sei, habe sie keine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen. Zudem sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt
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festzustellen, dass ihre Versetzung vom 1. Dezember 2007 als Managerin in den Bereich Tax Human Resources Services nach München unwirksam ist;
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 11. Dezember 2007 nicht aufgelöst worden ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Versetzung sei wirksam. Für die Klägerin sei in Bielefeld kein Beschäftigungsbedarf mehr gegeben. Soweit sie neue Mitarbeiter eingestellt habe, seien diese mit der Klägerin nicht vergleichbar. Wegen eines Großkunden sei es erforderlich gewesen, die Stelle in München kurzfristig zu besetzen. Soweit offene Stellen ausgewiesen seien, erfülle die Klägerin die Voraussetzungen teilweise nicht.
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Die Kündigungen seien deshalb wirksam, weil die Klägerin eine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen habe. Der Bielefelder Betriebsrat sei auch ordnungsgemäß beteiligt worden. Er habe mit Datum vom 10. Dezember 2007, 18:35 Uhr, per E-Mail mitgeteilt, dass er keine Stellungnahme abgebe.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
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Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist nur hinsichtlich der Versetzung begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte der Klage nicht stattgegeben werden. Wegen fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nicht abschließend darüber entscheiden, ob die Versetzung unwirksam ist. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
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A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag benachteilige die Klägerin unangemessen. Sie sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent, da sie der Beklagten das Recht einräume, die Klägerin ohne weitere Einschränkungen eines zulässigen Entfernungsradius’ und ohne Ankündigungsfrist zu allen Betrieben des Bundesgebiets und darüber hinaus zu den international tätigen Konzernunternehmen zu versetzen. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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I. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts genügt die Versetzungsklausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags den Erfordernissen einer Kontrolle am Maßstab der §§ 307 ff. BGB. Die Beklagte ist grundsätzlich berechtigt, den Ort der Arbeitsleistung der Klägerin innerhalb des Bundesgebiets nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Die Klausel ist auch nicht intransparent.
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1. Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel unterliegt nicht der Angemessenheitskontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie ist nur auf Unklarheit(§ 305c Abs. 2 BGB)und Transparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) zu untersuchen.
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2. Im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 23. Mai 2000 stellte die Beklagte Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB auf. Sie bot der Klägerin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen in dieser Form an. Die Parteien handelten die Vertragsbedingungen nicht nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB aus.
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Die Regelungen zur Gestaltung der Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes finden kraft geänderter Bereichsausnahme in § 310 Abs. 4 BGB auch auf das Arbeitsrecht Anwendung. Für sie gilt die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB. Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ist auf Schuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Recht weiter anzuwenden. Das gilt nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auch für „Dauerschuldverhältnisse” mit der Maßgabe, dass ab dem 1. Januar 2003 das neue Recht Anwendung findet. Seitdem sind die neu gefassten §§ 305 bis 310 BGB anzuwenden. Vertrauensschutz hat der Gesetzgeber damit nur bis zum 31. Dezember 2002 eingeräumt(Senat 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 34, AP BGB § 307 Nr. 26).
- 20
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3. Es kann dahinstehen, ob die der Beklagten eingeräumte Befugnis, die Klägerin auch bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns einzusetzen, der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB standhielte. Die davon abtrennbare Befugnis, die Klägerin zu einem anderen Arbeitsort im Bundesgebiet zu versetzen, ist jedenfalls nicht unwirksam.
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a) Eine Unwirksamkeit der Konzernversetzungsklausel würde nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Versetzungsklausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags führen. Die Beklagte beruft sich im vorliegenden Fall nicht auf eine „Versetzungsbefugnis“ zu einer anderen Konzerngesellschaft, sondern nur auf die zu ihrer eigenen Niederlassung in München.
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aa) § 306 Abs. 1 BGB enthält eine kodifizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB und bestimmt, dass bei Teilnichtigkeit grundsätzlich der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibt. Die Anwendung dieses Grundsatzes entspricht der Interessenlage beider Arbeitsvertragsparteien(ErfK/Preis 10. Aufl. § 611 BGB Rn. 342 mwN) . Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle nach § 306 Abs. 2 BGB das Gesetz. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. blue-pencil-tests durch Streichung des unwirksamen Teils mit einem „blauen Stift” zu ermitteln (BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44; 12. März 2008 - 10 AZR 152/07 - Rn. 28, AP BGB § 305 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 33 ) . Ist die verbleibende Restregelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist also, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind dann für sich jeweils verschiedene, nur formal verbundene Vertragsbedingungen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36).
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bb) Die Befugnis zur Versetzung zu anderen Konzerngesellschaften und die Befugnis zur Versetzung an einen anderen Arbeitsort sind inhaltlich abtrennbar. Dies kommt sprachlich darin zum Ausdruck, dass § 1 Nr. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags zwischen beiden Befugnissen(„und/oder“) unterscheidet. Die Konzernversetzungsklausel kann problemlos vollständig gestrichen werden. Trotzdem bleibt die übrige Versetzungsklausel äußerlich und inhaltlich unverändert und behält ihre Selbständigkeit und ihren spezifischen Zweck. Eine etwaige Unwirksamkeit der Konzernversetzungsklausel berührt deshalb nicht die verbleibende Regelung.
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b) Die in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags geregelte Befugnis der Beklagten, die Klägerin auch an einen anderen Arbeitsort zu versetzen, unterliegt nicht der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie stellt keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar und unterliegt deshalb nicht der Kontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, §§ 308 und 309 BGB.
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aa) Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel entspricht materiell der Regelung in § 106 Satz 1 GewO. Danach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.
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bb) Nichts anderes bestimmt die Klausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags. Danach steht das Direktionsrecht der Beklagten nur unter dem Vorbehalt auch der Beachtung der persönlichen Belange der Klägerin zu. Die Zuweisung darf zudem nur für gleichwertige Tätigkeiten erfolgen. Somit kann sich die Beklagte, wie es auch § 106 Satz 1 GewO verlangt, bei der Ausübung ihres Direktionsrechts aufgrund der arbeitsvertraglichen Zuweisungsklausel nicht allein von ihren Interessen leiten lassen. Sie hat einen angemessenen Ausgleich der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Die Klausel entspricht damit der Regelung in § 106 GewO.
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cc) Die Befugnis der Beklagten, die Klägerin an einen anderen Ort des Unternehmens gemäß § 106 GewO versetzen zu dürfen, wird nicht dadurch eingeschränkt, dass sie nach § 1 Nr. 1 des Arbeitsvertrags in der Niederlassung Bielefeld eingestellt wurde. Die Festlegung eines bestimmten Orts in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert die Beschränkung auf einen bestimmten Ort(vgl. Preis/Genenger NZA 2008, 969, 970). Es wird klargestellt, dass weiter § 106 Satz 1 GewO und damit die Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte gilt.
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c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Klausel nicht intransparent. Das Berufungsgericht meint zu Unrecht, die Klausel sei intransparent, weil weder der zulässige Entfernungsradius noch eine Ankündigungsfrist für die Versetzung bestimmt sei. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
- 29
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aa) Die Versetzungsklausel unterliegt als kontrollfreie Hauptabrede(§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB)sowohl der Unklarheitenregelung des § 305 Abs. 2 BGB als auch der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ist jedoch weder unklar noch intransparent.
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bb) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen insoweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben(Senat 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 40, BAGE 118, 22) .
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cc) Nach diesen Grundsätzen war es nicht zwingend notwendig, Ankündigungsfristen oder den zulässigen Entfernungsradius in die Vertragsklauseln aufzunehmen. § 106 GewO sowie entsprechende Versetzungsklauseln tragen dem im Arbeitsrecht bestehenden spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis Rechnung. Der Arbeitsvertrag bedarf als Dauerschuldverhältnis einer ständigen, bei Vertragsschluss gedanklich nicht vorwegnehmbaren Anpassung. Die Einflussfaktoren sind im Arbeitsrecht so zahlreich und vielgestaltig, dass gesicherte Prognosen kaum möglich sind(Senat 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 35, BAGE 118, 22; zustimmend Hunold NZA 2007, 19). Eine Konkretisierungsverpflichtung würde nicht dem Bedürfnis des Arbeitgebers gerecht, auf im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorhersehbare Veränderungen reagieren zu können. Zudem wird ein Zwang zur Konkretisierung entweder zu Leerformeln wie „sachlicher Grund“ oder zu einer ausufernden Aufzählung aller in einer möglicherweise fernen Zukunft einmal in Betracht kommenden Sachverhalte führen. Das trägt nicht notwendigerweise zur Erhöhung der Transparenz bei. Demgegenüber ist aus der hier verwandten Klausel für jeden Arbeitnehmer zweifelsfrei erkennbar, dass eine Versetzung an alle Arbeitsorte des Unternehmens in Betracht kommt. Das entspricht dem weitgehenden Bestimmungsrecht, das das Gesetz dem Arbeitgeber einräumt. Nach § 106 Satz 1 GewO kann er Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Die Regelung in § 106 Satz 1 GewO trägt damit der Gegebenheit Rechnung, dass Arbeitsverträge nur eine rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht festlegen können.
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dd) Wie im Schrifttum vorgeschlagen(vgl. Hunold NZA 2007, 19, 22), kann eine Klausel, in der sich der Arbeitgeber die Änderung des Arbeitsorts vorbehält, dem Arbeitnehmer durch Vorgaben hinsichtlich der Regionen, des Entfernungsradius’ und der Mindestkündigungsfristen Klarheit verschaffen, innerhalb welcher Grenzen und Fristen der Arbeitgeber von seiner örtlichen Versetzungsbefugnis Gebrauch machen will. Derartige Festlegungen sind wünschenswert, jedoch nicht zwingend zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderlich. Der Arbeitnehmer wird durch die vom Gericht nach § 106 GewO, § 315 BGB durchzuführende Ausübungskontrolle vor unbilliger Überforderung geschützt. Das betrifft sowohl die Frage der zulässigen Entfernung als auch die Berücksichtigung von Ankündigungsfristen. Hinzu kommen noch die nach der Betriebsverfassung zugunsten des Arbeitnehmers eingreifenden Bestimmungen, die den Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts beschränken. Dazu gehören insbesondere das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG mit dem Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats aus § 99 Abs. 2 Nr. 2 und 4 BetrVG sowie das Recht des Betriebsrats aus § 95 Abs. 2 BetrVG, die Aufstellung von Richtlinien für Versetzungen auch im Hinblick auf einzuhaltende soziale Gesichtspunkte zu verlangen. Der Umstand, dass der Gesetzgeber den Betriebspartnern einen derartigen weiten Regelungs- und Beurteilungsspielraum eingeräumt hat, spricht dafür, dass § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB keine zwingenden Vorgaben für eine Versetzungsklausel enthalten muss. Unter Berücksichtigung der in § 106 GewO und §§ 95, 99 BetrVG geregelten Besonderheiten ist die hier zu beurteilende weite örtliche unternehmensinterne Versetzungsklausel nicht als unangemessene Benachteiligung anzusehen.
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II. Das Landesarbeitsgericht hat aus seiner Sicht konsequent keine Ausübungskontrolle vorgenommen. Für die Prüfung, ob die Versetzung der Klägerin von Bielefeld nach München billigem Ermessen entspricht(§ 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB), bedarf es weiterer Feststellungen.
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1. Der Ort, an dem die Klägerin ihre Arbeitsleistungen erbringen muss, hat sich nicht auf die Niederlassung Bielefeld konkretisiert. Das Weisungsrecht der Beklagten ist deshalb nicht auf Bielefeld als Arbeitsort beschränkt.
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a) Arbeitspflichten können sich nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Dazu genügt jedoch nicht schon der bloße Zeitablauf. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Arbeitnehmer erkennen kann und vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll(Senat 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 50, AP BGB § 307 Nr. 26).
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b) Zwar ist die Klägerin bereits langjährig in der Niederlassung Bielefeld beschäftigt worden. Es fehlt jedoch an besonderen Umständen, denen sie hätte entnehmen können, dass sie künftig nicht an einem anderen Arbeitsort eingesetzt würde. Dass ein Arbeitnehmer sich im Lauf der Zeit bezüglich der Gestaltung seines persönlichen Umfelds an der ausgeübten Tätigkeit und insbesondere am Ort seiner Arbeitsleistung ausrichtet, ist nur eine Folge der langjährigen Tätigkeit und begründet, ohne dass weitere Umstände hinzutreten, keine Konkretisierung auf einen bestimmten Arbeitsort.
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2. Der Senat kann nicht abschließend darüber entscheiden, ob die Versetzung von Bielefeld nach München billigem Ermessen entspricht.
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a) Nach § 106 Satz 1 GewO hat der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben. Auch wenn die Versetzung des Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag zulässig ist, muss die Ausübung des Direktionsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO billigem Ermessen entsprechen. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.
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aa) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist dann geboten, wenn die maßgeblichen Tatsachen feststehen und nur eine bestimmte Entscheidung dem Maßstab der Billigkeit entspricht(vgl. Senat 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 29 mwN, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31).
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bb) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Bewertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören im Arbeitsrecht die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen(Senat 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 22, EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 18; BAG 28. November 1989 - 3 AZR 118/88 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 63, 267).
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b) Hier sind die für die Kontrolle der Ermessensausübung wesentlichen Tatsachen zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte hat sich insbesondere darauf berufen, der Arbeitsplatz der Klägerin in Bielefeld sei ersatzlos weggefallen. Sie werde in der Niederlassung München wegen eines Großkunden dringend benötigt. Die Klägerin hat sich darauf gestützt, sie sei die dienstälteste Mitarbeiterin in der Niederlassung Bielefeld, es gebe Beschäftigungsmöglichkeiten in Niederlassungen, die näher an ihrem Wohnort lägen, und sie erfülle nicht das Stellenprofil der übertragenen Tätigkeit in der Niederlassung München. Das Landesarbeitsgericht wird diese Umstände aufzuklären haben.
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B. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 erklärte außerordentliche und die hilfsweise ordentliche Kündigung unwirksam sind. Dies folgt entweder aus § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats in München oder aus dem Fehlen der die Kündigungen rechtfertigenden Gründe gemäß § 1 Abs. 2 KSchG und § 626 Abs. 1 BGB. Sollte die Versetzung unwirksam sein, musste die Klägerin nicht in München arbeiten. Sollte die Versetzung wirksam sein, hätte die Beklagte den Betriebsrat der Niederlassung München zu den Kündigungen anhören müssen.
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I. Welcher Betriebsrat nach § 102 BetrVG zu beteiligen ist, richtet sich nach der Wirksamkeit der Versetzung.
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1. Beteiligt der Arbeitgeber einen nicht zuständigen Betriebsrat an einer beabsichtigten Kündigung, so fehlt es an einer ordnungsgemäßen Anhörung iSv. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat desjenigen Betriebs anhören, zu dessen Belegschaft der zu kündigende Arbeitnehmer gehört(BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 149/04 - zu B I 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 145 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 13).
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2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Betriebsrat der Niederlassung München sei als zuständiger Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigungen vom 11. Dezember 2007 anzuhören gewesen. Aufgrund der ausgesprochenen Versetzung sei die Klägerin der Niederlassung München betrieblich zugeordnet worden. Unabhängig von der Wirksamkeit der Versetzung sei der Betriebsrat der Niederlassung München damit zuständig für eine nach der Zuordnung auszusprechende Kündigung geworden. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gelten als Betriebsangehörige im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zum Inhaber des Betriebs stehen und innerhalb der Betriebsorganisation des Arbeitgebers abhängige Arbeitsleistungen erbringen(BAG 22. März 2000 - 7 ABR 34/98 - zu B II 2 a aa der Gründe mwN, BAGE 94, 144). Es kann dahinstehen, ob hierzu die Eingliederung in die Arbeitsorganisation genügt (so Schneider/Homburg in Däubler/Kittner/Klebe/Wedde BetrVG 12. Aufl. § 7 Rn. 5). Fehlt, wie hier, eine solche tatsächliche Eingliederung, kommt es auf die Zuordnung an.
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b) Die Klägerin war weder in die Niederlassung Bielefeld noch in die Niederlassung München tatsächlich eingegliedert. Die Beklagte hat der Klägerin in Bielefeld keine Arbeit zugewiesen. Die Klägerin hat die Erfüllung der ihr in München zugewiesenen Arbeitsaufgaben dauerhaft verweigert. Bei einer solchen fehlenden tatsächlichen Eingliederung in einen Betrieb verliert der Arbeitnehmer nicht seine Betriebszugehörigkeit. Diese ist nicht von einer steten Eingliederung in einen Betrieb abhängig. So wird sie nicht durch Abwesenheitszeiten wie Erholungsurlaub, Arbeitsunfähigkeit oder Elternzeit unterbrochen(Kreutz/Raab in GK-BetrVG 9. Aufl. § 7 Rn. 22). Entscheidend ist allein, ob noch eine spätere Wiederaufnahme der Arbeit vorgesehen ist (vgl. BAG 16. April 2003 - 7 ABR 53/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 106, 64). Das ist bei der Klägerin der Fall. Die Parteien haben zum Zeitpunkt der Anhörung des Betriebsrats in München gemäß § 102 BetrVG nicht darüber gestritten, ob die Klägerin tatsächlich arbeiten soll, sondern nur darüber, in welchem Betrieb. Für die Beantwortung dieser Frage ist maßgeblich, in welcher Niederlassung eine Arbeitspflicht der Klägerin bestand und damit, ob die Versetzung nach München wirksam war. Deshalb hängt die Zuordnung der Klägerin zu einer bestimmten Niederlassung und damit die Zuständigkeit eines Betriebsrats zur Anhörung nach § 102 BetrVG entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts von der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Versetzung ab.
-
II. Demnach könnte der Betriebsrat in der Niederlassung Bielefeld nur zuständig gewesen sein, wenn die Klägerin der Niederlassung München nicht wirksam zugeordnet worden wäre. In diesem Fall stellte die Weigerung der Klägerin, die Arbeit in München aufzunehmen, keine Vertragspflichtverletzung dar. Sollte die Klägerin demgegenüber der Niederlassung München wirksam zugeordnet gewesen sein, so fehlte es an der ordnungsgemäßen Anhörung des für das Verfahren nach § 102 BetrVG zuständigen Betriebsrats der Niederlassung München.
-
Düwell
Gallner
Krasshöfer
Jungermann
Pfelzer
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
Tenor
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1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. März 2012 - 15 Sa 1204/11 - wird zurückgewiesen.
-
2. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
- 1
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Die Klägerin hat die Unwirksamkeit einer Versetzung und einer vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigung geltend gemacht.
- 2
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Die Beklagte ist ein Luftverkehrsunternehmen mit Sitz in Düsseldorf, das neben Flugkapitänen und Copiloten ca. 100 Flugbegleiter beschäftigt.
- 3
-
Die 1969 geborene Klägerin steht als Flugbegleiterin in den Diensten der Beklagten. Sie war zuletzt bei einem monatlichen Bruttogehalt von rund 2.500,00 Euro von Münster/Osnabrück aus tätig.
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In dem Arbeitsvertrag der Klägerin vom 8. Dezember 1994 heißt es ua.:
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„1.
Beginn der Tätigkeit
Die Mitarbeiterin wird ab 03.12.1994 im Bereich Flugbetrieb, Beschäftigungsort Münster/Osnabrück, als Flugbegleiterin eingestellt.
2.
Rechte und Pflichten
Die Rechte und Pflichten der Mitarbeiterin ergeben sich aus den einschlägigen Gesetzen, den jeweils gültigen Vergütungsvereinbarungen, den Betriebsvereinbarungen sowie den Dienstvorschriften der Eurowings AG. Durch ihre Unterschrift bestätigt die Mitarbeiterin gleichzeitig den Erhalt der Betriebsvereinbarung.“
- 5
-
Die Betriebsvereinbarung Nr. 1 für das Bordpersonal der Eurowings vom 15. September 1993 (im Folgenden: BV Nr. 1) ist seinerzeit von der Arbeitgeberin und einer informell eingerichteten „Bordvertretung“ geschlossen worden. § 3 Abs. 8 der BV Nr. 1 lautet:
-
„Der Mitarbeiter kann unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten je nach betrieblichen Erfordernissen an einen anderen dienstlichen Wohnsitz versetzt werden und mit anderen im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Flugbetriebes der Eurowings liegenden Aufgaben im In- und Ausland betraut werden. Dies gilt auch bei vorübergehendem oder aushilfsweisem Einsatz in Zusammenhang mit dem Flug- und Verkehrsbetrieb.“
- 6
-
Der Manteltarifvertrag Nr. 2 für die Beschäftigten des Kabinenpersonals der Eurowings Luftverkehrs AG vom 15. März 2006 (im Folgenden: MTV Nr. 2), den die Beklagte anwendet, enthält in § 4 Abs. 6 ua. die nachfolgenden Regelungen:
-
„a)
Der Beschäftigte kann unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten, je nach den betrieblichen Erfordernissen, an einen anderen Einsatzort versetzt werden und mit anderen im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Flugbetriebes der Eurowings liegenden Aufgaben im In- und Ausland betraut werden. Bei Schwangerschaft ist EW berechtigt, die Beschäftigte für eine Diensttätigkeit am Boden einzusetzen, sofern auch die Zustimmung des örtlich zuständigen Bodenbetriebsrates vorliegt. Hierbei sind die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes zu beachten.
b)
Alle Beschäftigten, die zum 01.04.2004 an einen neuen dienstlichen Einsatzort versetzt worden sind, erhalten auf Antrag die Möglichkeit, auf eigene Kosten zu ihrem ehemaligen dienstlichen Einsatzort oder an eine 4-Base-Station zurückzukehren. Für diese einmalige Rückkehrmöglichkeit gilt eine Ausschlussfrist bis zum 30.06.2006. Der Rückkehrantrag muss innerhalb dieser Ausschlussfrist schriftlich bei der EW-Personalleitung eingegangen sein. EW wird eine Vorlaufzeit zur Umsetzung des Rückkehrantrages von 3 Monaten nach Antragstellung eingeräumt, und zwar zum Monatsersten des nach Ablauf dieses 3-Monatszeitraums folgenden Kalendermonats.
Die Rückkehrmöglichkeit gemäß b) Satz 1 gilt nicht für die Beschäftigten, denen ein unbefristeter Arbeitsvertrag an einem 4-Base-Standort angeboten wurde.“
- 7
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Unter dem 24. Januar 2011 schlossen die Arbeitgeberin und die bei ihr auf der Basis des Tarifvertrags Personalvertretung Nr. 1 vom 19. März/7. April 2008 gebildete Personalvertretung für die Kabinenmitarbeiter (im Folgenden: PV Kabine) einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan. Aus Ziff. 2 des Interessenausgleichs ergibt sich, dass von den dienstlichen Einsatzorten Köln, Dortmund, Münster/Osnabrück, Hannover, München, Nürnberg, Paderborn, Stuttgart und Berlin aus keine Einsätze von Mitarbeitern mehr erfolgen und daher die diesen Einsatzorten zugeordneten Arbeitsplätze gestrichen werden. Nach Ziff. 1 des Interessenausgleichs wird der Einsatz der Mitarbeiter ausschließlich ab Düsseldorf oder Hamburg erfolgen. Die Versetzungen sollen zum 1. Juni bzw. 1. August 2011 durchgeführt werden. In Härtefällen können Arbeitnehmer bis zum 31. März 2014 an ihren bisherigen Einsatzorten bleiben (Ziff. 3 Buchst. e des Interessenausgleichs). Im Sozialplan vom 24. Januar 2011 sind unter bestimmten Voraussetzungen verschiedene Kompensationszahlungen an von Versetzungen betroffene Arbeitnehmer vorgesehen.
- 8
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Am 24. März 2011 übergab die Beklagte der PV Kabine das Unterrichtungsschreiben vom 23. März 2011 und bat um Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung der Klägerin von ihrem bisherigen Einsatzort nach Düsseldorf.
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Mit Schreiben vom 1. April 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie zum 1. Juni 2011 von ihrem bisherigen dienstlichen Einsatzort an den neuen dienstlichen Einsatzort Düsseldorf versetzt werde. Gegen diese arbeitgeberseitige Maßnahme wehrt sich die Klägerin mit ihrer Klage.
- 10
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Unter dem 31. Mai 2011 kündigte die Beklagte „vorsorglich“ das Arbeitsverhältnis zum 30. November 2011 und bot der Klägerin zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit neuem dienstlichen Einsatzort Düsseldorf an. Die Klägerin nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt an. Auch gegen diese Änderungskündigung wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage.
- 11
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Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die arbeitgeberseitige Maßnahme vom 1. April 2011 sei unwirksam. Es fehle bereits an einer rechtlichen Versetzungsgrundlage. Der Dienstort sei vertraglich vereinbart und könne nicht einseitig geändert werden. Die Versetzung entspreche zudem nicht billigem Ermessen. Sie sei nicht durch betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt und treffe die Klägerin in ihren persönlichen Belangen übermäßig hart. Die Personalvertretung sei nicht ordnungsgemäß über die Versetzung unterrichtet worden. Die Änderungskündigung sei sozialwidrig.
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Die Klägerin hat beantragt
-
1.
festzustellen, dass die Versetzung der Beklagten vom 1. April 2011 unwirksam ist,
2.
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch Änderungskündigung vom 31. Mai 2011 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.
- 13
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Versetzung sei nicht bereits nach dem Arbeitsvertrag ausgeschlossen. Der Vertrag lege den Arbeitsort nicht fest. Die Versetzung entspreche billigem Ermessen. Ihr liege die durch den Interessenausgleich festgeschriebene unternehmerische Entscheidung zugrunde, in Zukunft die Flugbegleiter nur noch von Düsseldorf und Hamburg aus einzusetzen, wo die Umläufe hauptsächlich begönnen. Ohne Versetzung müssten die nicht in Düsseldorf oder Hamburg stationierten Flugbegleiter - wie bisher schon in erheblichem Umfang - zu den Abflugorten gebracht werden, was unproduktive Kosten verursache. Diese Flugbegleiter stünden dann aufgrund der tarifvertraglichen Regelungen über die Flugdienstzeit nur noch mit geringeren Stundenzahlen zum Einsatz zur Verfügung. Durch die Verlagerung könne deshalb das Arbeitszeitpotenzial der Flugbegleiter besser genutzt werden. Die Versetzung halte einer Interessenabwägung stand, zumal die Klägerin mit anderen betroffenen Flugbegleiterinnen gemeinsam eine Wohnung am neuen Einsatzort anmieten und die sie treffenden Nachteile steuerlich geltend machen könne. Auch sehe der Sozialplan einen gewissen Ausgleich vor. Die vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung sei wirksam, weil die angebotenen Vertragsänderungen aus den Gründen der Versetzung gerechtfertigt seien.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis richtig entschieden. Die Klage ist unbegründet.
- 16
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A. Die von der Beklagten ausgesprochene Versetzung ist wirksam. Die Beklagte war nach dem Arbeitsvertrag nicht daran gehindert, der Klägerin in Ausübung des Direktionsrechts einen anderen als den ursprünglichen Arbeitsort zuzuweisen (zu I). Die Versetzung hält auch der erforderlichen Ausübungskontrolle stand (§ 106 GewO). Die vom Landesarbeitsgericht vertretene Auffassung, einer Abwägung der Belange des Arbeitnehmers mit denen des Arbeitgebers bedürfe es bei Vorliegen einer nicht missbräuchlichen Unternehmerentscheidung nicht, ist zwar mit § 106 GewO nicht vereinbar(zu II). Diese unzutreffende rechtliche Bewertung hat sich jedoch auf das Ergebnis nicht ausgewirkt. Denn die vom Landesarbeitsgericht zur Begründung seiner Entscheidung selbständig tragend in Bezug genommenen Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils rechtfertigen die Klageabweisung. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Abwägung der beiderseitigen Interessen ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (zu III). Die Zustimmung der Personalvertretung gilt nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt(zu IV). Die Änderungsschutzklage hat keinen Erfolg (zu V).
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I. Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, der Klägerin nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen(vgl. für einen gleich gelagerten Fall: BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 -).
- 18
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1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen: BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 ff., BAGE 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein gegebenenfalls vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 16; 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 12).
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a) Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 18; 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 15; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.
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b) Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB(BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 19).
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2. Die Auslegung des Arbeitsvertrags der Klägerin ergibt, dass ihr Einsatzort nicht vertraglich festgelegt ist.
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a) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei dem Arbeitsvertrag der Parteien um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, auf die die Vorschriften des § 305 ff. BGB zur Anwendung kommen. Die Parteien sind dieser angesichts des Erscheinungsbildes des Arbeitsvertrags sich aufdrängenden Annahme nicht entgegengetreten. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259).
- 23
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b) Der Arbeitsvertrag enthält keine das Direktionsrecht beschränkende Festlegung des Arbeitsorts.
- 24
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aa) Unter Ziff. 1 des Arbeitsvertrags ist vorgesehen, dass die Klägerin am Beschäftigungsort Münster/Osnabrück „eingestellt“ wird. Darin liegt keine vertragliche Beschränkung des Direktionsrechts auf Münster/Osnabrück als Arbeitsort. Die betreffende Passage des Vertrags ist mit „Beginn der Tätigkeit“ überschrieben und legt lediglich fest, wo die Arbeitnehmerin bei Vertragsbeginn ihre Arbeit aufnehmen soll. Die Regelung bestimmt nicht den Inhalt der geschuldeten Arbeitsleistung, sondern den Ort ihrer erstmaligen Ausübung. Die Regelung in § 3 Abs. 8 BV Nr. 1, nach der der Mitarbeiter unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten an einen anderen dienstlichen Wohnsitz versetzt werden kann, beschreibt den Umfang des Weisungsrechts, der ausdrücklich auch die Arbeitsleistung an anderen Orten einschließt.
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(1) Die BV Nr. 1 ist unstreitig keine Betriebsvereinbarung iSd. Betriebsverfassungsgesetzes. Sie gilt demnach nicht aufgrund von § 77 Abs. 4 BetrVG.
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(2) Bei der BV Nr. 1 handelt es sich um vom Arbeitgeber ohne kollektivrechtliche Grundlage mit Vertretern der Belegschaft verabredete Allgemeine Arbeitsbedingungen. Sie gelten nur dann, wenn die Parteien des Arbeitsvertrags ihre Geltung wirksam vereinbart haben.
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(3) Letzteres ist hier der Fall. Im Arbeitsvertrag ist die Geltung der „Betriebsvereinbarung“ ausdrücklich vorgesehen. Gemeint war die BV Nr. 1. Ein Exemplar wurde der Klägerin bei Vertragsschluss ausgehändigt.
- 28
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(4) Die damit gegebene Bezugnahme auf die Allgemeinen Arbeitsbedingungen (BV Nr. 1) als solche ist nicht nach § 305 ff. BGB zu beanstanden. Soweit allerdings auf die „jeweilige“ Fassung der Betriebsvereinbarung Bezug genommen wird, dürfte dies nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam sein(vgl. BAG 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 23 ff.; vgl. auch Preis NZA 2010, 361). Hierauf kommt es aber nicht an, da es allein um die bei Vertragsschluss ausgehändigte Fassung geht.
- 29
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(5) Die in Bezug genommene Klausel ist hinreichend eindeutig, transparent und angemessen. Sie knüpft die Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort an betriebliche Erfordernisse und enthält damit jedenfalls nicht weniger strenge Voraussetzungen als das Gesetz.
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bb) Zusätzlich ist die Versetzungsbefugnis durch § 4 Abs. 6 Buchst. a MTV Nr. 2, der für die Parteien kraft Verbandszugehörigkeit gilt und ebenfalls eine Versetzungsmöglichkeit bei betrieblichen Erfordernissen vorsieht, gegeben. Der Wortlaut der Regelung ist nahezu identisch mit § 3 Abs. 8 BV Nr. 1.
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c) Etwas anderes ergibt sich nicht aus den im Bereich der Luftfahrt geltenden Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten. Nach § 20 ArbZG iVm. § 5 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät(2. DV LuftBO) bzw. nach Art. 1 iVm. Ziff. 3.1 des Anhangs III Abschn. Q OPS 1.1090 der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 1, 223) ist die Beklagte verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber nicht die Verpflichtung, die Heimatbasis arbeitsvertraglich so festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts die Heimatbasis verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu benennt.
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d) Die Arbeitspflicht der Klägerin hat sich nicht dadurch auf den bisherigen Einsatzort räumlich konkretisiert, dass die Klägerin seit Vertragsbeginn im Wesentlichen von dort aus tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht - insbesondere auch nicht stillschweigend - getroffen.
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aa) Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 19 mwN). Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft aber regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - aaO).
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bb) Derartige besondere Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen. Sie sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Allein die lange Verweildauer am bisherigen Einsatzort lässt keinen Rückschluss darauf zu, die Parteien hätten - in Abänderung ihres Vertrags - nunmehr den bisherigen Ort zum vertraglich vereinbarten Arbeitsort bestimmt. Zu Recht weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, dass sich Gegenteiliges nicht aus § 4 Abs. 6 MTV Nr. 2 ergibt. Das Rückkehrrecht nach dessen Buchst. b sagt nichts darüber aus, ob die vorangegangene Bestimmung des Einsatzorts auf einer Vertragsänderung oder der Ausübung des Weisungsrechts beruhte.
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e) Die Auffassung der Revision, es handele sich bei der Maßnahme der Beklagten deshalb um eine nur durch Änderungskündigung durchsetzbare Vertragsänderung, weil die Versetzung mit einem beträchtlichen Eingriff in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung sowie in weitere maßgebliche Interessen der Klägerin verbunden sei, greift nicht durch.
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aa) Mit der Versetzung greift die Beklagte nicht in das vom Vertrag festgelegte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ein. Die Dauer der Arbeitszeit hat sich ebenso wenig geändert wie die Höhe der für die Arbeit zu leistenden Vergütung. Geändert hat sich zu einem gewissen Teil die von der Klägerin während der Arbeitszeit zu erbringende Tätigkeit. Sie besteht im Wesentlichen nur noch aus der an Bord verbrachten Zeit. Einen Anspruch, die Arbeitszeit nicht mit der Arbeit an Bord zu verbringen, hat die Klägerin nicht. Sie muss jetzt erheblich höhere Reisekosten für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsort tragen. Dies erhöht die mit der Berufsausübung verbundenen Belastungen, verringert jedoch nicht die vertraglich vereinbarte Arbeitsvergütung.
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bb) Auch die weiteren Beeinträchtigungen des persönlichen Lebens der Klägerin führen nicht dazu, dass die Ausübung des Weisungsrechts allein um deswillen die rechtliche Qualität einer Vertragsänderung aufwiese. Diese Umstände sind vielmehr, ebenso wie die Erhöhung der finanziellen Belastungen, bei der Ausübungskontrolle im Rahmen der Prüfung, ob die Beklagte bei der Versetzung billiges Ermessen gewahrt hat, zu berücksichtigen.
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II. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, es habe bei der hier gegebenen Sachlage einer umfassenden Ausübungskontrolle nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB in Bezug auf die Versetzung nicht bedurft, ist unzutreffend. Sie steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.
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1. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein - hier freilich auf betriebliche Gründe beschränkter - nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat(vgl. BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 28; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48).
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2. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 22; bereits auch: 28. November 1989 - 3 AZR 118/88 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 63, 267).
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a) Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, so kommt dieser besonderes Gewicht zu. Eine unternehmerische Entscheidung führt aber nicht dazu, dass die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten. Das unternehmerische Konzept ist zwar nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Arbeitsgerichte können vom Arbeitgeber nicht verlangen, von ihm nicht gewollte Organisationsentscheidungen zu treffen. Wohl aber kann die Abwägung mit den Belangen des Arbeitnehmers ergeben, dass ein Konzept auch unter Verzicht auf die Versetzung durchsetzbar war.
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b) Die gegenteilige Auffassung des Landesarbeitsgerichts findet im Gesetz keine Stütze; § 106 GewO verlangt eine umfassende und offene Abwägung aller in Betracht kommenden Belange(BAG 17. August 2011- 10 AZR 202/10 - Rn. 28 ff.). Die unternehmerische Entscheidung ist dabei ein wichtiger, aber nicht der alleinige, sondern regelmäßig nur einer unter mehreren Abwägungsgesichtspunkten. Im Einzelfall können besonders schwerwiegende, zB auch verfassungsrechtlich geschützte Interessen des Arbeitnehmers entgegenstehen (vgl. BeckOK ArbR/Tillmanns Stand 1. März 2013 GewO § 106 Rn. 52 mit zahlreichen Nachweisen). Es kommt darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall die Weisung rechtfertigt (BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 31). Das ist der Fall, wenn die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung die Versetzung auch angesichts der für den Arbeitnehmer entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 412/11 - Rn. 37).
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3. Eine soziale Auswahl wie im Fall des § 1 Abs. 3 KSchG findet nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen Arbeitsorts ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden(vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 22, 25).
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III. Die Anwendung dieser Maßstäbe auf den Streitfall ergibt, dass die Versetzung der Klägerin billigem Ermessen entspricht. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, eine einzelfallbezogene Interessenabwägung habe in Fällen der vorliegenden Art nicht stattzufinden, steht zwar, wie ausgeführt, nicht mit dem Gesetz im Einklang. Jedoch ist die vom Landesarbeitsgericht als selbständig tragende Entscheidungsbegründung in Bezug genommene Würdigung des Arbeitsgerichts, die Beklagte habe bei der Ausübung ihres Weisungsrechts billiges Ermessen (§ 106 GewO, § 315 BGB) gewahrt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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1. Zutreffend ist die Würdigung, dass auf Seiten der Beklagten die unternehmerische Entscheidung zur Neuordnung der Stationierung der Flugbegleiter zu berücksichtigen ist. Die Zweckmäßigkeit dieser Neuordnung war auch keiner Kontrolle zu unterziehen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die Neuordnung sei etwa nur vorgeschoben, um lästig gewordene Vertragspflichten abzuschütteln. Anzeichen für Missbräuchlichkeit der Reorganisation als solcher sind nicht erkennbar. Angesichts des Umstands, dass die Beklagte seit dem Juni 2010 ihre Flugumläufe nahezu ausschließlich von Düsseldorf und Hamburg beginnen ließ, ist die Entscheidung, dort auch die Flugbegleiter zu stationieren, naheliegend. Auch die von der Beklagten vorgelegten Aufstellungen über die Auslastung des Personals mit Flugarbeitszeit zeigen, dass die getroffenen Entscheidungen einleuchtend sind. Das gilt selbst dann, wenn die Beklagte nicht aus jeder einzelnen Versetzung finanziellen Nutzen zieht. Einer durch viele Einzelmaßnahmen umgesetzten Neuordnung kann die Plausibilität nicht mit der Begründung abgesprochen werden, einer oder mehrere Teilakte seien für sich genommen nicht gewinnbringend. Für die Beurteilung der unternehmerischen Entscheidung ist vielmehr ihr Gesamtkonzept maßgeblich. Die Entscheidung ist ersichtlich nicht etwa nur für einen kurzen Zeitraum oder unter dem Vorbehalt alsbaldiger Änderung getroffen worden. Vielmehr zeugen die umfangreichen Reorganisationen der Beklagten von dem anhaltend, ernsthaft und nachdrücklich verfolgten Bestreben, ihre Tätigkeit auf die beiden Orte Hamburg und Düsseldorf zu konzentrieren. Auch der Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan sowie insbesondere die Zusage, bis zum Jahr 2015 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, zeigen, dass die Entscheidung der Beklagten auf langfristigen Überlegungen und Berechnungen beruht.
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2. Das Interesse der Klägerin an der Beibehaltung ihres bisherigen Einsatzorts muss demgegenüber zurücktreten. Unzumutbare persönliche, familiäre oder sonstige außervertraglich entstandene Belastungen hat die Klägerin nicht vorgetragen. Von Bedeutung ist dabei, dass der Tätigkeit einer Flugbegleiterin eine gewisse Volatilität stets innewohnt und die Erwartung der sozialen und sonstigen Vorteile eines ortsfesten Arbeitseinsatzes zu dauerhaft unveränderten Zeiten vom Vertragszweck von vornherein nicht gedeckt sein kann. Die Versetzung unterstreicht diese Besonderheiten, verursacht sie aber nicht. Die zweifellos auftretenden Unbequemlichkeiten und zusätzlich entstehenden Kosten muss die Klägerin hinnehmen, wie das Arbeitsgericht nachvollziehbar angenommen hat. Sie gehen im Grundsatz nicht über das hinaus, was Arbeitnehmern regelmäßig zugemutet wird, nämlich die Belastungen des Wegs zur und von der Arbeit zu tragen. Aufgrund des abgeschlossenen Sozialplans gewährt die Beklagte einen nicht unbeachtlichen finanziellen Ausgleich. Insbesondere hatte die Klägerin auch die Möglichkeit, den Misslichkeiten einer längeren Anfahrt zum Arbeitsort durch einen Umzug auszuweichen.
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IV. Die Versetzung ist nicht nach § 117 Abs. 2, § 99 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat die PV Kabine mit Schreiben vom 23. März 2011 unterrichtet. Inwiefern die Unterrichtung nicht ausreichend gewesen sein soll, ist nicht erkennbar. Der angegebene Versetzungsgrund war die Reduzierung der Einsatzorte auf zwei. Damit war nicht ausgeschlossen, dass übergangsweise noch einzelne Umläufe von anderen Einsatzorten aus stattfanden. Insbesondere sieht die im Interessenausgleich vorgesehene Härtefallregelung eine zeitliche Übergangsphase für die Versetzungen ausdrücklich vor. All dies ändert nichts an der für die Versetzung maßgeblichen Grundentscheidung. Dass die Beklagte ihr bekannte und wesentliche Umstände gegenüber der PV Kabine verschwiegen hätte, ist nicht ersichtlich. Die Personalvertretung hat auch keine Nachfragen angebracht. Nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt ihre Zustimmung als erteilt.
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V. Die erhobene Änderungsschutzklage ist unbegründet. Hat der Arbeitnehmer - wie hier - das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt angenommen und Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG erhoben, streiten die Parteien nicht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit nicht über die Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung, sondern nur über die Berechtigung des Angebots auf Änderung der Arbeitsbedingungen. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist allein der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 25/11 - Rn. 20; 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 13, BAGE 140, 328; 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17). Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die sich schon durch die Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO durchsetzen lassen, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine „Änderung der Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG. Soll der bestehende Vertragsinhalt nicht geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor; die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Die Änderungskündigung ist „überflüssig“. Eine Änderungsschutzklage ist dann unbegründet (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 25/11 - Rn. 21; 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 14, aaO).
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B. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen der Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
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Mikosch
Mestwerdt
Schmitz-Scholemann
Schürmann
R. Bicknase
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 15. April 2009 - 16 Sa 102/08 - aufgehoben, soweit es über die Versetzung der Klägerin und über die Kosten der Berufung entschieden hat.
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2. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten noch über die Versetzung der Klägerin in einen anderen Außendienstbezirk.
- 2
-
Die Beklagte stellt Arzneimittel her und vertreibt diese. Die verheiratete und zwei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin ist seit dem 1. April 2000 für die Beklagte als Pharmaberaterin im Verordnungs-Außendienst - Ansprechpartner: Ärzte (VO-Außendienst) tätig. Ihr Bruttomonatseinkommen betrug zuletzt 3.059,45 Euro.
-
Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 9. März 2000 regelt ua. wie folgt:
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„§ 1 …
3.
Das Arbeitsgebiet umfasst
AB 926
4.
Für das Arbeitsverhältnis gelten die jeweils gültige Fassung der Personalrichtlinien, Betriebsvereinbarungen, Arbeitsordnung, Organisations-, Verwaltungs- und Dienstanweisung sowie des Aktionsplans.
...
6.
Ein Wechsel des Domizils ist nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Firma möglich.
…
§ 16 Dienstversetzung
1.
Die Firma behält sich Gebietsänderungen oder Zuweisung eines anderen Gebietes vor, wenn sich dies aus der weiteren Entwicklung des Außendienstes ergibt.
2.
Die Firma ist berechtigt, bei Arbeitsunterbrechungen jeder Art (Urlaub/Krankheit) in dem vom Mitarbeiter besetzten Gebiet weitere Mitarbeiter einzusetzen.“
- 4
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Das Arbeitsgebiet AB 926 liegt im Osten von Sachsen und wird nunmehr als Gebiet Nr. 423 bezeichnet. Die Klägerin wohnt dort. An die Geburt ihres ersten Kindes im April 2005 schloss sich eine einjährige Elternzeit an. Nach Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit und nach mehreren Abmahnungen im Februar 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis im April 2007 fristlos. Diese Kündigung ist rechtsunwirksam (ArbG Dresden 9. Oktober 2007 - 4 Ca 1714/07 -).
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Mit Schreiben vom 12. Dezember 2007 wies die Beklagte der Klägerin zum 1. Januar 2008 das zwischen Göttingen und Magdeburg gelegene Gebiet Nr. 314 zu und sprach vorsorglich eine entsprechende außerordentliche Änderungskündigung aus. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin erneut schwanger. Die Änderungskündigung ist nach der Entscheidung der Vorinstanz rechtsunwirksam; die Beklagte hat insoweit keine Revision eingelegt.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Versetzung sei rechtsunwirksam. Der Versetzungsvorbehalt in § 16 des Arbeitsvertrags sei als überraschende Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden. Die Versetzung widerspreche auch billigem Ermessen. Die Mitarbeiterin, der die Beklagte ihr bisheriges Gebiet zugewiesen habe, sei sozial weniger schutzwürdig.
-
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
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festzustellen, dass die von der Beklagten mit Wirkung ab 1. Januar 2008 vorgenommene Versetzung der Klägerin als Pharmaberaterin VO-Außendienst vom Gebiet 423 in das Gebiet 314 unwirksam ist.
- 8
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Versetzung sei auf Grund der Zusammenlegung der Außendienste für Apotheken und Ärzte erforderlich gewesen. Die Gebietsinhaber müssten nunmehr im Schwerpunkt Apotheken besuchen. Die im bisherigen Gebiet der Klägerin im Apothekenaußendienst tätige Mitarbeiterin verfüge über besondere Erfahrungen und sehr gute langjährige Kontakte, so dass sie dieser Mitarbeiterin das Gebiet Nr. 423 übertragen und die Klägerin in das nächste freie Gebiet versetzt habe.
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Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Berufung nicht insgesamt zurückgewiesen werden. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), soweit über die Versetzung entschieden worden ist.
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I. Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien ist die Beklagte entgegen der Auffassung der Vorinstanzen berechtigt, der Klägerin nach Maßgabe von § 106 Satz 1 GewO ein anderes Gebiet zuzuweisen.
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1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 bis 31, NZA 2010, 1355). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat.
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a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 36, NZA 2010, 877) . Ungewöhnliche, insbesondere überraschende Klauseln iSv. § 305c Abs. 1 BGB(zB „versteckte“ Versetzungsvorbehalte) werden nicht Vertragsbestandteil und bleiben deshalb im Rahmen der Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen unberücksichtigt.
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Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, NZA 2010, 1355; st. Rspr. BGH 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08 - Rn. 41, BGHZ 186, 180).
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b) Bei der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen kann in Betracht kommen, dass eine wie ein Versetzungsvorbehalt erscheinende Klausel tatsächlich lediglich den Umfang der geschuldeten Leistung bestimmen soll, insbesondere wenn alternative Tätigkeitsinhalte oder Tätigkeitsorte konkret benannt sind (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 18, NZA 2010, 1355). Ferner ist zu beachten, dass die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 970). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.
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c) Ergibt die Auslegung, dass der Vertrag eine nähere Festlegung hinsichtlich Art und/oder Ort der Tätigkeit enthält, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Vielmehr handelt es sich um die Bestimmung des Inhalts der Hauptpflicht (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 21, NZA 2010, 1355; BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 564/06 - Rn. 30, BAGE 123, 98). Dabei ist es unerheblich, wie eng oder weit die Leistungsbestimmung gefasst ist. Vorzunehmen ist lediglich eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Je allgemeiner die vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste oder der Ort der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag festgelegt sind, desto weiter geht die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer unterschiedliche Aufgaben oder einen anderen Ort im Wege des Direktionsrechts zuzuweisen (vgl. zB BAG 2. März 2006 - 2 AZR 23/05 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 67). Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Bei einer engen Bestimmung der Tätigkeit oder Festlegung des Orts der Leistungspflicht wird das Direktionsrecht hingegen eingeschränkt; der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer nur die betreffenden Aufgaben zuweisen. Eine Veränderung des Tätigkeitsbereichs oder des Orts der Arbeitsleistung kann er nur einvernehmlich oder durch eine Änderungskündigung herbeiführen (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 22, NZA 2010, 1355).
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d) Fehlt es an einer Festlegung und weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gem. § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, NZA 2010, 1355; BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80).
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2. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien einen Formularvertrag geschlossen, auf den die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB zur Anwendung kommen. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (Senat 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259). Das Landesarbeitsgericht hat ohne hinreichende Auslegung des Arbeitsvertrags angenommen, das Außendienstgebiet sei in § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags vertraglich festgelegt. Dies hält einer Überprüfung nicht stand. Da insoweit alle wesentlichen Umstände festgestellt sind und weiterer Vortrag nicht zu erwarten ist, kann der Senat die Auslegung selbst vornehmen.
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a) Der Wortlaut von § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags, wonach das Arbeitsgebiet einen bestimmten Außendienstbezirk umfasst, kann für eine vertragliche Festlegung sprechen. Auch die Vereinbarung der Domizilklausel in § 1 Nr. 6 kann im Verständnis einer Branche, die ihren Vertrieb über einen Außendienst organisiert, ein Indiz für eine gewollte vertragliche Festlegung des Arbeitsorts sein. Die Parteien haben aber in § 16 Nr. 1 des Arbeitsvertrags vereinbart, dass die Firma sich die Zuweisung eines anderen Gebiets vorbehält. Damit haben die Parteien klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis in einen anderen Außendienstbezirk bestehen soll.
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b) Die Klausel ist Vertragsbestandteil geworden. Sie ist nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB.
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aa) Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat überraschenden Charakter im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser den Umständen nach mit ihr vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Überraschenden Klauseln muss ein „Überrumpelungs- und Übertölpelungseffekt“ innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Die berechtigten Erwartungen des Vertragspartners bestimmen sich nach den konkreten Umständen bei Vertragsschluss ebenso wie nach der Gestaltung des Arbeitsvertrags, insbesondere dessen äußerem Erscheinungsbild. So kann der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen (BAG 16. April 2008 - 7 AZR 132/07 - Rn. 16, BAGE 126, 295; 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - Rn. 24, BAGE 115, 372). Im Einzelfall kann der Verwender gehalten sein, auf die Klausel besonders hinzuweisen oder sie drucktechnisch hervorzuheben (BAG 16. April 2008 - 7 AZR 132/07 - aaO).
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bb) Der Arbeitsvertrag enthält in § 1 Regelungen zur Arbeitspflicht und regelt an seinem Ende in § 16 die Möglichkeit einer Versetzung. Da die Vereinbarung von Änderungsmodalitäten am Ende eines Vertrags nicht unüblich ist, kann ein gewissenhafter Arbeitnehmer durch einen Versetzungsvorbehalt an dieser Stelle nicht überrascht werden. Die Überschrift „Dienstversetzung“ entspricht insoweit zwar nicht gängiger Begrifflichkeit, lässt aber keinen Zweifel aufkommen, dass nachfolgend ein Versetzungsvorbehalt geregelt wird. Drucktechnisch ist der Arbeitsvertrag übersichtlich aufgebaut. Der Versetzungsvorbehalt in § 16 ist deshalb nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB.
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c) Nach § 16 Nr. 1 des Arbeitsvertrags hat sich die Beklagte die Zuweisung eines anderen Gebiets vorbehalten; die Zuweisung einer inhaltlich anderen Tätigkeit ist ausgeschlossen. Nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn einer Klausel, welche die Zuweisung eines anderen Gebiets gestattet, ergibt sich, dass eine änderungsfeste Festlegung des Arbeitsorts im Arbeitsvertrag gerade nicht erfolgen soll; im Hinblick auf das vereinbarte Festgehalt ist darüber hinaus ausgeschlossen, dass die vereinbarte Vergütung durch die Zuweisung eines anderen Gebiets verändert werden kann. Im Lichte dieses Versetzungsvorbehalts ergibt die Auslegung der vertraglichen Regelungen deshalb, dass in § 1 Nr. 3 eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung tatsächlich nicht vereinbart ist. Der Versetzungsvorbehalt verhindert die Beschränkung auf einen bestimmten Ort (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47).
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II. Ob die Versetzung der Klägerin der gebotenen Ausübungskontrolle am Maßstab von § 106 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB standhält, kann der Senat nicht entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat - von seinem Standpunkt aus konsequent - eine solche Kontrolle nicht vorgenommen. Es hat auch die wechselseitigen Interessen nicht gegeneinander abgewogen. Zur Vornahme der Ausübungskontrolle wird das Landesarbeitsgericht zunächst die erforderlichen Feststellungen treffen müssen. Es bedarf der Aufklärung, ob und ggf. welches konkrete unternehmerische Konzept die Versetzung der Klägerin bedingt haben soll. Ferner ist zu klären, ob das benachbarte Gebiet Nr. 422, wie von der Klägerin behauptet, mit einem Leiharbeitnehmer besetzt war und welche Gründe dagegen sprachen, ihr dieses Gebiet zu übertragen. Bei der Abwägung der wechselseitigen Interessen wird das Landesarbeitsgericht schließlich zu erwägen haben, ob die Versetzung in ein weiter entferntes Gebiet dem besonderen Zustand der schwangeren Klägerin und ihren berechtigten persönlichen Belangen angemessen Rechnung getragen hat (vgl. BAG 21. April 1999 - 5 AZR 174/98 - zu A II 2 der Gründe, AP MuSchG 1968 § 4 Nr. 5 = EzA MuSchG nF § 11 Nr. 18) oder ob die Versetzung nicht tatsächlich unzumutbar war.
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Mikosch
Eylert
Mestwerdt
Thiel
Petri
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.
(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.
(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:
- 1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden; - 2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte; - 3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.
(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 15. April 2009 - 16 Sa 102/08 - aufgehoben, soweit es über die Versetzung der Klägerin und über die Kosten der Berufung entschieden hat.
-
2. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten noch über die Versetzung der Klägerin in einen anderen Außendienstbezirk.
- 2
-
Die Beklagte stellt Arzneimittel her und vertreibt diese. Die verheiratete und zwei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin ist seit dem 1. April 2000 für die Beklagte als Pharmaberaterin im Verordnungs-Außendienst - Ansprechpartner: Ärzte (VO-Außendienst) tätig. Ihr Bruttomonatseinkommen betrug zuletzt 3.059,45 Euro.
-
Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 9. März 2000 regelt ua. wie folgt:
-
„§ 1 …
3.
Das Arbeitsgebiet umfasst
AB 926
4.
Für das Arbeitsverhältnis gelten die jeweils gültige Fassung der Personalrichtlinien, Betriebsvereinbarungen, Arbeitsordnung, Organisations-, Verwaltungs- und Dienstanweisung sowie des Aktionsplans.
...
6.
Ein Wechsel des Domizils ist nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Firma möglich.
…
§ 16 Dienstversetzung
1.
Die Firma behält sich Gebietsänderungen oder Zuweisung eines anderen Gebietes vor, wenn sich dies aus der weiteren Entwicklung des Außendienstes ergibt.
2.
Die Firma ist berechtigt, bei Arbeitsunterbrechungen jeder Art (Urlaub/Krankheit) in dem vom Mitarbeiter besetzten Gebiet weitere Mitarbeiter einzusetzen.“
- 4
-
Das Arbeitsgebiet AB 926 liegt im Osten von Sachsen und wird nunmehr als Gebiet Nr. 423 bezeichnet. Die Klägerin wohnt dort. An die Geburt ihres ersten Kindes im April 2005 schloss sich eine einjährige Elternzeit an. Nach Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit und nach mehreren Abmahnungen im Februar 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis im April 2007 fristlos. Diese Kündigung ist rechtsunwirksam (ArbG Dresden 9. Oktober 2007 - 4 Ca 1714/07 -).
- 5
-
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2007 wies die Beklagte der Klägerin zum 1. Januar 2008 das zwischen Göttingen und Magdeburg gelegene Gebiet Nr. 314 zu und sprach vorsorglich eine entsprechende außerordentliche Änderungskündigung aus. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin erneut schwanger. Die Änderungskündigung ist nach der Entscheidung der Vorinstanz rechtsunwirksam; die Beklagte hat insoweit keine Revision eingelegt.
- 6
-
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Versetzung sei rechtsunwirksam. Der Versetzungsvorbehalt in § 16 des Arbeitsvertrags sei als überraschende Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden. Die Versetzung widerspreche auch billigem Ermessen. Die Mitarbeiterin, der die Beklagte ihr bisheriges Gebiet zugewiesen habe, sei sozial weniger schutzwürdig.
-
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
-
festzustellen, dass die von der Beklagten mit Wirkung ab 1. Januar 2008 vorgenommene Versetzung der Klägerin als Pharmaberaterin VO-Außendienst vom Gebiet 423 in das Gebiet 314 unwirksam ist.
- 8
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Versetzung sei auf Grund der Zusammenlegung der Außendienste für Apotheken und Ärzte erforderlich gewesen. Die Gebietsinhaber müssten nunmehr im Schwerpunkt Apotheken besuchen. Die im bisherigen Gebiet der Klägerin im Apothekenaußendienst tätige Mitarbeiterin verfüge über besondere Erfahrungen und sehr gute langjährige Kontakte, so dass sie dieser Mitarbeiterin das Gebiet Nr. 423 übertragen und die Klägerin in das nächste freie Gebiet versetzt habe.
-
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die Revision ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Berufung nicht insgesamt zurückgewiesen werden. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), soweit über die Versetzung entschieden worden ist.
- 11
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I. Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien ist die Beklagte entgegen der Auffassung der Vorinstanzen berechtigt, der Klägerin nach Maßgabe von § 106 Satz 1 GewO ein anderes Gebiet zuzuweisen.
- 12
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1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 bis 31, NZA 2010, 1355). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat.
- 13
-
a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 36, NZA 2010, 877) . Ungewöhnliche, insbesondere überraschende Klauseln iSv. § 305c Abs. 1 BGB(zB „versteckte“ Versetzungsvorbehalte) werden nicht Vertragsbestandteil und bleiben deshalb im Rahmen der Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen unberücksichtigt.
- 14
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Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, NZA 2010, 1355; st. Rspr. BGH 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08 - Rn. 41, BGHZ 186, 180).
- 15
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b) Bei der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen kann in Betracht kommen, dass eine wie ein Versetzungsvorbehalt erscheinende Klausel tatsächlich lediglich den Umfang der geschuldeten Leistung bestimmen soll, insbesondere wenn alternative Tätigkeitsinhalte oder Tätigkeitsorte konkret benannt sind (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 18, NZA 2010, 1355). Ferner ist zu beachten, dass die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 970). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.
- 16
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c) Ergibt die Auslegung, dass der Vertrag eine nähere Festlegung hinsichtlich Art und/oder Ort der Tätigkeit enthält, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Vielmehr handelt es sich um die Bestimmung des Inhalts der Hauptpflicht (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 21, NZA 2010, 1355; BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 564/06 - Rn. 30, BAGE 123, 98). Dabei ist es unerheblich, wie eng oder weit die Leistungsbestimmung gefasst ist. Vorzunehmen ist lediglich eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
- 17
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Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Je allgemeiner die vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste oder der Ort der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag festgelegt sind, desto weiter geht die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer unterschiedliche Aufgaben oder einen anderen Ort im Wege des Direktionsrechts zuzuweisen (vgl. zB BAG 2. März 2006 - 2 AZR 23/05 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 67). Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Bei einer engen Bestimmung der Tätigkeit oder Festlegung des Orts der Leistungspflicht wird das Direktionsrecht hingegen eingeschränkt; der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer nur die betreffenden Aufgaben zuweisen. Eine Veränderung des Tätigkeitsbereichs oder des Orts der Arbeitsleistung kann er nur einvernehmlich oder durch eine Änderungskündigung herbeiführen (Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 22, NZA 2010, 1355).
- 18
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d) Fehlt es an einer Festlegung und weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gem. § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. Senat 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, NZA 2010, 1355; BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80).
- 19
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2. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien einen Formularvertrag geschlossen, auf den die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB zur Anwendung kommen. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (Senat 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259). Das Landesarbeitsgericht hat ohne hinreichende Auslegung des Arbeitsvertrags angenommen, das Außendienstgebiet sei in § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags vertraglich festgelegt. Dies hält einer Überprüfung nicht stand. Da insoweit alle wesentlichen Umstände festgestellt sind und weiterer Vortrag nicht zu erwarten ist, kann der Senat die Auslegung selbst vornehmen.
- 20
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a) Der Wortlaut von § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags, wonach das Arbeitsgebiet einen bestimmten Außendienstbezirk umfasst, kann für eine vertragliche Festlegung sprechen. Auch die Vereinbarung der Domizilklausel in § 1 Nr. 6 kann im Verständnis einer Branche, die ihren Vertrieb über einen Außendienst organisiert, ein Indiz für eine gewollte vertragliche Festlegung des Arbeitsorts sein. Die Parteien haben aber in § 16 Nr. 1 des Arbeitsvertrags vereinbart, dass die Firma sich die Zuweisung eines anderen Gebiets vorbehält. Damit haben die Parteien klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis in einen anderen Außendienstbezirk bestehen soll.
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b) Die Klausel ist Vertragsbestandteil geworden. Sie ist nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB.
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aa) Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat überraschenden Charakter im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser den Umständen nach mit ihr vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Überraschenden Klauseln muss ein „Überrumpelungs- und Übertölpelungseffekt“ innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Die berechtigten Erwartungen des Vertragspartners bestimmen sich nach den konkreten Umständen bei Vertragsschluss ebenso wie nach der Gestaltung des Arbeitsvertrags, insbesondere dessen äußerem Erscheinungsbild. So kann der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen (BAG 16. April 2008 - 7 AZR 132/07 - Rn. 16, BAGE 126, 295; 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - Rn. 24, BAGE 115, 372). Im Einzelfall kann der Verwender gehalten sein, auf die Klausel besonders hinzuweisen oder sie drucktechnisch hervorzuheben (BAG 16. April 2008 - 7 AZR 132/07 - aaO).
- 23
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bb) Der Arbeitsvertrag enthält in § 1 Regelungen zur Arbeitspflicht und regelt an seinem Ende in § 16 die Möglichkeit einer Versetzung. Da die Vereinbarung von Änderungsmodalitäten am Ende eines Vertrags nicht unüblich ist, kann ein gewissenhafter Arbeitnehmer durch einen Versetzungsvorbehalt an dieser Stelle nicht überrascht werden. Die Überschrift „Dienstversetzung“ entspricht insoweit zwar nicht gängiger Begrifflichkeit, lässt aber keinen Zweifel aufkommen, dass nachfolgend ein Versetzungsvorbehalt geregelt wird. Drucktechnisch ist der Arbeitsvertrag übersichtlich aufgebaut. Der Versetzungsvorbehalt in § 16 ist deshalb nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB.
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c) Nach § 16 Nr. 1 des Arbeitsvertrags hat sich die Beklagte die Zuweisung eines anderen Gebiets vorbehalten; die Zuweisung einer inhaltlich anderen Tätigkeit ist ausgeschlossen. Nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn einer Klausel, welche die Zuweisung eines anderen Gebiets gestattet, ergibt sich, dass eine änderungsfeste Festlegung des Arbeitsorts im Arbeitsvertrag gerade nicht erfolgen soll; im Hinblick auf das vereinbarte Festgehalt ist darüber hinaus ausgeschlossen, dass die vereinbarte Vergütung durch die Zuweisung eines anderen Gebiets verändert werden kann. Im Lichte dieses Versetzungsvorbehalts ergibt die Auslegung der vertraglichen Regelungen deshalb, dass in § 1 Nr. 3 eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung tatsächlich nicht vereinbart ist. Der Versetzungsvorbehalt verhindert die Beschränkung auf einen bestimmten Ort (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47).
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II. Ob die Versetzung der Klägerin der gebotenen Ausübungskontrolle am Maßstab von § 106 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB standhält, kann der Senat nicht entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat - von seinem Standpunkt aus konsequent - eine solche Kontrolle nicht vorgenommen. Es hat auch die wechselseitigen Interessen nicht gegeneinander abgewogen. Zur Vornahme der Ausübungskontrolle wird das Landesarbeitsgericht zunächst die erforderlichen Feststellungen treffen müssen. Es bedarf der Aufklärung, ob und ggf. welches konkrete unternehmerische Konzept die Versetzung der Klägerin bedingt haben soll. Ferner ist zu klären, ob das benachbarte Gebiet Nr. 422, wie von der Klägerin behauptet, mit einem Leiharbeitnehmer besetzt war und welche Gründe dagegen sprachen, ihr dieses Gebiet zu übertragen. Bei der Abwägung der wechselseitigen Interessen wird das Landesarbeitsgericht schließlich zu erwägen haben, ob die Versetzung in ein weiter entferntes Gebiet dem besonderen Zustand der schwangeren Klägerin und ihren berechtigten persönlichen Belangen angemessen Rechnung getragen hat (vgl. BAG 21. April 1999 - 5 AZR 174/98 - zu A II 2 der Gründe, AP MuSchG 1968 § 4 Nr. 5 = EzA MuSchG nF § 11 Nr. 18) oder ob die Versetzung nicht tatsächlich unzumutbar war.
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Mikosch
Eylert
Mestwerdt
Thiel
Petri
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam
- 1.
(Annahme- und Leistungsfrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält; ausgenommen hiervon ist der Vorbehalt, erst nach Ablauf der Widerrufsfrist nach § 355 Absatz 1 und 2 zu leisten; - 1a.
(Zahlungsfrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender eine unangemessen lange Zeit für die Erfüllung einer Entgeltforderung des Vertragspartners vorbehält; ist der Verwender kein Verbraucher, ist im Zweifel anzunehmen, dass eine Zeit von mehr als 30 Tagen nach Empfang der Gegenleistung oder, wenn dem Schuldner nach Empfang der Gegenleistung eine Rechnung oder gleichwertige Zahlungsaufstellung zugeht, von mehr als 30 Tagen nach Zugang dieser Rechnung oder Zahlungsaufstellung unangemessen lang ist; - 1b.
(Überprüfungs- und Abnahmefrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender vorbehält, eine Entgeltforderung des Vertragspartners erst nach unangemessen langer Zeit für die Überprüfung oder Abnahme der Gegenleistung zu erfüllen; ist der Verwender kein Verbraucher, ist im Zweifel anzunehmen, dass eine Zeit von mehr als 15 Tagen nach Empfang der Gegenleistung unangemessen lang ist; - 2.
(Nachfrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender für die von ihm zu bewirkende Leistung abweichend von Rechtsvorschriften eine unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Nachfrist vorbehält; - 3.
(Rücktrittsvorbehalt) die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen; dies gilt nicht für Dauerschuldverhältnisse; - 4.
(Änderungsvorbehalt) die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist; - 5.
(Fingierte Erklärungen) eine Bestimmung, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass - a)
dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und - b)
der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen;
- 6.
(Fiktion des Zugangs) eine Bestimmung, die vorsieht, dass eine Erklärung des Verwenders von besonderer Bedeutung dem anderen Vertragsteil als zugegangen gilt; - 7.
(Abwicklung von Verträgen) eine Bestimmung, nach der der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei vom Vertrag zurücktritt oder den Vertrag kündigt, - a)
eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder - b)
einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann;
- 8.
(Nichtverfügbarkeit der Leistung) die nach Nummer 3 zulässige Vereinbarung eines Vorbehalts des Verwenders, sich von der Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrags bei Nichtverfügbarkeit der Leistung zu lösen, wenn sich der Verwender nicht verpflichtet, - a)
den Vertragspartner unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und - b)
Gegenleistungen des Vertragspartners unverzüglich zu erstatten;
- 9.
(Abtretungsausschluss) eine Bestimmung, durch die die Abtretbarkeit ausgeschlossen wird - a)
für einen auf Geld gerichteten Anspruch des Vertragspartners gegen den Verwender oder - b)
für ein anderes Recht, das der Vertragspartner gegen den Verwender hat, wenn - aa)
beim Verwender ein schützenswertes Interesse an dem Abtretungsausschluss nicht besteht oder - bb)
berechtigte Belange des Vertragspartners an der Abtretbarkeit des Rechts das schützenswerte Interesse des Verwenders an dem Abtretungsausschluss überwiegen;
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.
(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.
(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:
- 1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden; - 2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte; - 3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.
(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
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mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Dezember 2008 - 11 Sa 817/08 - wird zurückgewiesen, soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 15. April 2008 - 5 Ca 3435/07 - hinsichtlich der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen hat.
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Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des gesamten Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung sowie darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristlosen und hilfsweise fristgemäßen verhaltensbedingten Kündigung der Beklagten beendet worden ist.
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Die Beklagte ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Sie unterhält mehrere Niederlassungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Darüber hinaus ist sie ein Unternehmen des international tätigen Konzerns P. Andere Konzernunternehmen sind außerhalb Deutschlands in verschiedenen Staaten tätig.
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Die 1965 geborene Klägerin ist seit dem 1. Juli 2000 als Steuerberaterin/Managerin in der Niederlassung Bielefeld der Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 23. Mai 2000 heißt es ua. wie folgt:
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„§ 1 Beginn und Inhalt des Arbeitsverhältnisses
1.
Sie werden ab 1. Juli 2000 als Manager für den Bereich TLS in unserer Niederlassung Bielefeld eingestellt.
2.
P behält sich das Recht vor, Sie im Bedarfsfall auch an einem anderen Arbeitsort und/oder bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns P entsprechend Ihrer Vorbildung und Ihren Fähigkeiten für gleichwertige Tätigkeiten einzusetzen. Hierbei werden Ihre persönlichen Belange angemessen berücksichtigt.
...“
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Im Oktober 2007 fanden Gespräche zwischen den Parteien über einen zukünftigen Einsatz der Klägerin in München statt. Am 19. Oktober 2007 unterrichtete die Beklagte den in ihrer Niederlassung Bielefeld bestehenden Betriebsrat „gem. § 99 BetrVG“ über die beabsichtigte Versetzung der Klägerin zur Niederlassung München. Sie bat um Stellungnahme. Dem Betriebsrat wurde weiter mitgeteilt, die Klägerin solle ab dem 1. Dezember 2007 als „Managerin im Bereich Tax Human Resources Services“ zur Niederlassung München versetzt werden. Am 25. Oktober 2007 teilte der Betriebsrat der Niederlassung Bielefeld der Beklagten mit, er werde keine Stellungnahme abgeben. Mit identischem Formblatt und identischer Information unterrichtete die Beklagte unter dem 26. Oktober 2007 den Betriebsrat ihrer Niederlassung München. Dieser erklärte mit Datum vom 31. Oktober 2007, er werde keine Stellungnahme abgeben. Mit Schreiben vom 1. November 2007 versetzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung zum 1. Dezember 2007 zur Niederlassung München als „Manager in dem Bereich Tax Human Resources Services“. Unter dem 29. November 2007 kündigte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten an, die Klägerin werde die Stelle in München nicht antreten. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 30. November 2007 darauf hin, dass sie in diesem Fall arbeitsrechtliche Schritte einleiten werde. Sie werte das Verhalten der Klägerin als Arbeitsverweigerung. Am 3. Dezember 2007 bot die Klägerin ihre Arbeitskraft in der Niederlassung Bielefeld tatsächlich an. Sie wurde aufgefordert, die Niederlassung zu verlassen und ihre Gebäudezutrittskarte herauszugeben. Die Arbeit in München nahm die Klägerin nicht auf. Mit Datum vom 4. Dezember 2007 hörte die Beklagte den Betriebsrat der Niederlassung Bielefeld zu einer beabsichtigten außerordentlichen sowie hilfsweisen ordentlichen Kündigung der Klägerin wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung an. Der Betriebsrat gab keine Stellungnahme ab.
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Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. März 2008 wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung.
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Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin zuletzt gegen die Versetzung sowie die Kündigungen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, die Versetzung und die Kündigungen seien unwirksam. Die Beklagte könne sich nicht auf eine fehlende Auslastung in Bielefeld berufen. Die Niederlassung Bielefeld sei seit Jahren nicht voll ausgelastet. Zudem sei die Klägerin eine der dienstältesten Mitarbeiterinnen dieser Niederlassung. Die Beklagte habe auch zum 1. September 2007 neue Mitarbeiter eingestellt. So sei die Mitarbeiterin W mit einer vergleichbaren Arbeitstätigkeit in der Niederlassung Bielefeld noch im September 2007 eingestellt worden. Weiterhin sei im Jahr 2007 in der Steuerabteilung Bielefeld eine neue Managerstelle geschaffen worden. Dort sei seit dem 1. Juni 2000 Herr S tätig. Er übe dieselbe Tätigkeit aus wie die anderen Steuerberater der Steuerabteilung Bielefeld. Die Beklagte habe zudem über offene Stellen verfügt, die deutlich näher am Wohnort der Klägerin gelegen seien als der Versetzungsort München.
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Da die Versetzung nicht wirksam sei, habe sie keine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen. Zudem sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt
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festzustellen, dass ihre Versetzung vom 1. Dezember 2007 als Managerin in den Bereich Tax Human Resources Services nach München unwirksam ist;
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 11. Dezember 2007 nicht aufgelöst worden ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Versetzung sei wirksam. Für die Klägerin sei in Bielefeld kein Beschäftigungsbedarf mehr gegeben. Soweit sie neue Mitarbeiter eingestellt habe, seien diese mit der Klägerin nicht vergleichbar. Wegen eines Großkunden sei es erforderlich gewesen, die Stelle in München kurzfristig zu besetzen. Soweit offene Stellen ausgewiesen seien, erfülle die Klägerin die Voraussetzungen teilweise nicht.
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Die Kündigungen seien deshalb wirksam, weil die Klägerin eine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen habe. Der Bielefelder Betriebsrat sei auch ordnungsgemäß beteiligt worden. Er habe mit Datum vom 10. Dezember 2007, 18:35 Uhr, per E-Mail mitgeteilt, dass er keine Stellungnahme abgebe.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
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Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist nur hinsichtlich der Versetzung begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte der Klage nicht stattgegeben werden. Wegen fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nicht abschließend darüber entscheiden, ob die Versetzung unwirksam ist. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
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A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag benachteilige die Klägerin unangemessen. Sie sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent, da sie der Beklagten das Recht einräume, die Klägerin ohne weitere Einschränkungen eines zulässigen Entfernungsradius’ und ohne Ankündigungsfrist zu allen Betrieben des Bundesgebiets und darüber hinaus zu den international tätigen Konzernunternehmen zu versetzen. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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I. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts genügt die Versetzungsklausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags den Erfordernissen einer Kontrolle am Maßstab der §§ 307 ff. BGB. Die Beklagte ist grundsätzlich berechtigt, den Ort der Arbeitsleistung der Klägerin innerhalb des Bundesgebiets nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Die Klausel ist auch nicht intransparent.
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1. Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel unterliegt nicht der Angemessenheitskontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie ist nur auf Unklarheit(§ 305c Abs. 2 BGB)und Transparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) zu untersuchen.
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2. Im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 23. Mai 2000 stellte die Beklagte Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB auf. Sie bot der Klägerin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen in dieser Form an. Die Parteien handelten die Vertragsbedingungen nicht nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB aus.
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Die Regelungen zur Gestaltung der Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes finden kraft geänderter Bereichsausnahme in § 310 Abs. 4 BGB auch auf das Arbeitsrecht Anwendung. Für sie gilt die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB. Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ist auf Schuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Recht weiter anzuwenden. Das gilt nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auch für „Dauerschuldverhältnisse” mit der Maßgabe, dass ab dem 1. Januar 2003 das neue Recht Anwendung findet. Seitdem sind die neu gefassten §§ 305 bis 310 BGB anzuwenden. Vertrauensschutz hat der Gesetzgeber damit nur bis zum 31. Dezember 2002 eingeräumt(Senat 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 34, AP BGB § 307 Nr. 26).
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3. Es kann dahinstehen, ob die der Beklagten eingeräumte Befugnis, die Klägerin auch bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns einzusetzen, der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB standhielte. Die davon abtrennbare Befugnis, die Klägerin zu einem anderen Arbeitsort im Bundesgebiet zu versetzen, ist jedenfalls nicht unwirksam.
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a) Eine Unwirksamkeit der Konzernversetzungsklausel würde nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Versetzungsklausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags führen. Die Beklagte beruft sich im vorliegenden Fall nicht auf eine „Versetzungsbefugnis“ zu einer anderen Konzerngesellschaft, sondern nur auf die zu ihrer eigenen Niederlassung in München.
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aa) § 306 Abs. 1 BGB enthält eine kodifizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB und bestimmt, dass bei Teilnichtigkeit grundsätzlich der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibt. Die Anwendung dieses Grundsatzes entspricht der Interessenlage beider Arbeitsvertragsparteien(ErfK/Preis 10. Aufl. § 611 BGB Rn. 342 mwN) . Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle nach § 306 Abs. 2 BGB das Gesetz. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. blue-pencil-tests durch Streichung des unwirksamen Teils mit einem „blauen Stift” zu ermitteln (BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44; 12. März 2008 - 10 AZR 152/07 - Rn. 28, AP BGB § 305 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 33 ) . Ist die verbleibende Restregelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist also, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind dann für sich jeweils verschiedene, nur formal verbundene Vertragsbedingungen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36).
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bb) Die Befugnis zur Versetzung zu anderen Konzerngesellschaften und die Befugnis zur Versetzung an einen anderen Arbeitsort sind inhaltlich abtrennbar. Dies kommt sprachlich darin zum Ausdruck, dass § 1 Nr. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags zwischen beiden Befugnissen(„und/oder“) unterscheidet. Die Konzernversetzungsklausel kann problemlos vollständig gestrichen werden. Trotzdem bleibt die übrige Versetzungsklausel äußerlich und inhaltlich unverändert und behält ihre Selbständigkeit und ihren spezifischen Zweck. Eine etwaige Unwirksamkeit der Konzernversetzungsklausel berührt deshalb nicht die verbleibende Regelung.
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b) Die in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags geregelte Befugnis der Beklagten, die Klägerin auch an einen anderen Arbeitsort zu versetzen, unterliegt nicht der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie stellt keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar und unterliegt deshalb nicht der Kontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, §§ 308 und 309 BGB.
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aa) Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel entspricht materiell der Regelung in § 106 Satz 1 GewO. Danach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.
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bb) Nichts anderes bestimmt die Klausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags. Danach steht das Direktionsrecht der Beklagten nur unter dem Vorbehalt auch der Beachtung der persönlichen Belange der Klägerin zu. Die Zuweisung darf zudem nur für gleichwertige Tätigkeiten erfolgen. Somit kann sich die Beklagte, wie es auch § 106 Satz 1 GewO verlangt, bei der Ausübung ihres Direktionsrechts aufgrund der arbeitsvertraglichen Zuweisungsklausel nicht allein von ihren Interessen leiten lassen. Sie hat einen angemessenen Ausgleich der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Die Klausel entspricht damit der Regelung in § 106 GewO.
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cc) Die Befugnis der Beklagten, die Klägerin an einen anderen Ort des Unternehmens gemäß § 106 GewO versetzen zu dürfen, wird nicht dadurch eingeschränkt, dass sie nach § 1 Nr. 1 des Arbeitsvertrags in der Niederlassung Bielefeld eingestellt wurde. Die Festlegung eines bestimmten Orts in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert die Beschränkung auf einen bestimmten Ort(vgl. Preis/Genenger NZA 2008, 969, 970). Es wird klargestellt, dass weiter § 106 Satz 1 GewO und damit die Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte gilt.
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c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Klausel nicht intransparent. Das Berufungsgericht meint zu Unrecht, die Klausel sei intransparent, weil weder der zulässige Entfernungsradius noch eine Ankündigungsfrist für die Versetzung bestimmt sei. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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aa) Die Versetzungsklausel unterliegt als kontrollfreie Hauptabrede(§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB)sowohl der Unklarheitenregelung des § 305 Abs. 2 BGB als auch der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ist jedoch weder unklar noch intransparent.
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bb) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen insoweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben(Senat 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 40, BAGE 118, 22) .
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cc) Nach diesen Grundsätzen war es nicht zwingend notwendig, Ankündigungsfristen oder den zulässigen Entfernungsradius in die Vertragsklauseln aufzunehmen. § 106 GewO sowie entsprechende Versetzungsklauseln tragen dem im Arbeitsrecht bestehenden spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis Rechnung. Der Arbeitsvertrag bedarf als Dauerschuldverhältnis einer ständigen, bei Vertragsschluss gedanklich nicht vorwegnehmbaren Anpassung. Die Einflussfaktoren sind im Arbeitsrecht so zahlreich und vielgestaltig, dass gesicherte Prognosen kaum möglich sind(Senat 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 35, BAGE 118, 22; zustimmend Hunold NZA 2007, 19). Eine Konkretisierungsverpflichtung würde nicht dem Bedürfnis des Arbeitgebers gerecht, auf im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorhersehbare Veränderungen reagieren zu können. Zudem wird ein Zwang zur Konkretisierung entweder zu Leerformeln wie „sachlicher Grund“ oder zu einer ausufernden Aufzählung aller in einer möglicherweise fernen Zukunft einmal in Betracht kommenden Sachverhalte führen. Das trägt nicht notwendigerweise zur Erhöhung der Transparenz bei. Demgegenüber ist aus der hier verwandten Klausel für jeden Arbeitnehmer zweifelsfrei erkennbar, dass eine Versetzung an alle Arbeitsorte des Unternehmens in Betracht kommt. Das entspricht dem weitgehenden Bestimmungsrecht, das das Gesetz dem Arbeitgeber einräumt. Nach § 106 Satz 1 GewO kann er Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Die Regelung in § 106 Satz 1 GewO trägt damit der Gegebenheit Rechnung, dass Arbeitsverträge nur eine rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht festlegen können.
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dd) Wie im Schrifttum vorgeschlagen(vgl. Hunold NZA 2007, 19, 22), kann eine Klausel, in der sich der Arbeitgeber die Änderung des Arbeitsorts vorbehält, dem Arbeitnehmer durch Vorgaben hinsichtlich der Regionen, des Entfernungsradius’ und der Mindestkündigungsfristen Klarheit verschaffen, innerhalb welcher Grenzen und Fristen der Arbeitgeber von seiner örtlichen Versetzungsbefugnis Gebrauch machen will. Derartige Festlegungen sind wünschenswert, jedoch nicht zwingend zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderlich. Der Arbeitnehmer wird durch die vom Gericht nach § 106 GewO, § 315 BGB durchzuführende Ausübungskontrolle vor unbilliger Überforderung geschützt. Das betrifft sowohl die Frage der zulässigen Entfernung als auch die Berücksichtigung von Ankündigungsfristen. Hinzu kommen noch die nach der Betriebsverfassung zugunsten des Arbeitnehmers eingreifenden Bestimmungen, die den Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts beschränken. Dazu gehören insbesondere das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG mit dem Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats aus § 99 Abs. 2 Nr. 2 und 4 BetrVG sowie das Recht des Betriebsrats aus § 95 Abs. 2 BetrVG, die Aufstellung von Richtlinien für Versetzungen auch im Hinblick auf einzuhaltende soziale Gesichtspunkte zu verlangen. Der Umstand, dass der Gesetzgeber den Betriebspartnern einen derartigen weiten Regelungs- und Beurteilungsspielraum eingeräumt hat, spricht dafür, dass § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB keine zwingenden Vorgaben für eine Versetzungsklausel enthalten muss. Unter Berücksichtigung der in § 106 GewO und §§ 95, 99 BetrVG geregelten Besonderheiten ist die hier zu beurteilende weite örtliche unternehmensinterne Versetzungsklausel nicht als unangemessene Benachteiligung anzusehen.
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II. Das Landesarbeitsgericht hat aus seiner Sicht konsequent keine Ausübungskontrolle vorgenommen. Für die Prüfung, ob die Versetzung der Klägerin von Bielefeld nach München billigem Ermessen entspricht(§ 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB), bedarf es weiterer Feststellungen.
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1. Der Ort, an dem die Klägerin ihre Arbeitsleistungen erbringen muss, hat sich nicht auf die Niederlassung Bielefeld konkretisiert. Das Weisungsrecht der Beklagten ist deshalb nicht auf Bielefeld als Arbeitsort beschränkt.
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a) Arbeitspflichten können sich nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Dazu genügt jedoch nicht schon der bloße Zeitablauf. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Arbeitnehmer erkennen kann und vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll(Senat 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 50, AP BGB § 307 Nr. 26).
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b) Zwar ist die Klägerin bereits langjährig in der Niederlassung Bielefeld beschäftigt worden. Es fehlt jedoch an besonderen Umständen, denen sie hätte entnehmen können, dass sie künftig nicht an einem anderen Arbeitsort eingesetzt würde. Dass ein Arbeitnehmer sich im Lauf der Zeit bezüglich der Gestaltung seines persönlichen Umfelds an der ausgeübten Tätigkeit und insbesondere am Ort seiner Arbeitsleistung ausrichtet, ist nur eine Folge der langjährigen Tätigkeit und begründet, ohne dass weitere Umstände hinzutreten, keine Konkretisierung auf einen bestimmten Arbeitsort.
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2. Der Senat kann nicht abschließend darüber entscheiden, ob die Versetzung von Bielefeld nach München billigem Ermessen entspricht.
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a) Nach § 106 Satz 1 GewO hat der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben. Auch wenn die Versetzung des Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag zulässig ist, muss die Ausübung des Direktionsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO billigem Ermessen entsprechen. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.
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aa) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist dann geboten, wenn die maßgeblichen Tatsachen feststehen und nur eine bestimmte Entscheidung dem Maßstab der Billigkeit entspricht(vgl. Senat 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 29 mwN, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31).
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bb) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Bewertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören im Arbeitsrecht die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen(Senat 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 22, EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 18; BAG 28. November 1989 - 3 AZR 118/88 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 63, 267).
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b) Hier sind die für die Kontrolle der Ermessensausübung wesentlichen Tatsachen zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte hat sich insbesondere darauf berufen, der Arbeitsplatz der Klägerin in Bielefeld sei ersatzlos weggefallen. Sie werde in der Niederlassung München wegen eines Großkunden dringend benötigt. Die Klägerin hat sich darauf gestützt, sie sei die dienstälteste Mitarbeiterin in der Niederlassung Bielefeld, es gebe Beschäftigungsmöglichkeiten in Niederlassungen, die näher an ihrem Wohnort lägen, und sie erfülle nicht das Stellenprofil der übertragenen Tätigkeit in der Niederlassung München. Das Landesarbeitsgericht wird diese Umstände aufzuklären haben.
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B. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 erklärte außerordentliche und die hilfsweise ordentliche Kündigung unwirksam sind. Dies folgt entweder aus § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats in München oder aus dem Fehlen der die Kündigungen rechtfertigenden Gründe gemäß § 1 Abs. 2 KSchG und § 626 Abs. 1 BGB. Sollte die Versetzung unwirksam sein, musste die Klägerin nicht in München arbeiten. Sollte die Versetzung wirksam sein, hätte die Beklagte den Betriebsrat der Niederlassung München zu den Kündigungen anhören müssen.
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I. Welcher Betriebsrat nach § 102 BetrVG zu beteiligen ist, richtet sich nach der Wirksamkeit der Versetzung.
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1. Beteiligt der Arbeitgeber einen nicht zuständigen Betriebsrat an einer beabsichtigten Kündigung, so fehlt es an einer ordnungsgemäßen Anhörung iSv. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat desjenigen Betriebs anhören, zu dessen Belegschaft der zu kündigende Arbeitnehmer gehört(BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 149/04 - zu B I 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 145 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 13).
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2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Betriebsrat der Niederlassung München sei als zuständiger Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigungen vom 11. Dezember 2007 anzuhören gewesen. Aufgrund der ausgesprochenen Versetzung sei die Klägerin der Niederlassung München betrieblich zugeordnet worden. Unabhängig von der Wirksamkeit der Versetzung sei der Betriebsrat der Niederlassung München damit zuständig für eine nach der Zuordnung auszusprechende Kündigung geworden. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gelten als Betriebsangehörige im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zum Inhaber des Betriebs stehen und innerhalb der Betriebsorganisation des Arbeitgebers abhängige Arbeitsleistungen erbringen(BAG 22. März 2000 - 7 ABR 34/98 - zu B II 2 a aa der Gründe mwN, BAGE 94, 144). Es kann dahinstehen, ob hierzu die Eingliederung in die Arbeitsorganisation genügt (so Schneider/Homburg in Däubler/Kittner/Klebe/Wedde BetrVG 12. Aufl. § 7 Rn. 5). Fehlt, wie hier, eine solche tatsächliche Eingliederung, kommt es auf die Zuordnung an.
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b) Die Klägerin war weder in die Niederlassung Bielefeld noch in die Niederlassung München tatsächlich eingegliedert. Die Beklagte hat der Klägerin in Bielefeld keine Arbeit zugewiesen. Die Klägerin hat die Erfüllung der ihr in München zugewiesenen Arbeitsaufgaben dauerhaft verweigert. Bei einer solchen fehlenden tatsächlichen Eingliederung in einen Betrieb verliert der Arbeitnehmer nicht seine Betriebszugehörigkeit. Diese ist nicht von einer steten Eingliederung in einen Betrieb abhängig. So wird sie nicht durch Abwesenheitszeiten wie Erholungsurlaub, Arbeitsunfähigkeit oder Elternzeit unterbrochen(Kreutz/Raab in GK-BetrVG 9. Aufl. § 7 Rn. 22). Entscheidend ist allein, ob noch eine spätere Wiederaufnahme der Arbeit vorgesehen ist (vgl. BAG 16. April 2003 - 7 ABR 53/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 106, 64). Das ist bei der Klägerin der Fall. Die Parteien haben zum Zeitpunkt der Anhörung des Betriebsrats in München gemäß § 102 BetrVG nicht darüber gestritten, ob die Klägerin tatsächlich arbeiten soll, sondern nur darüber, in welchem Betrieb. Für die Beantwortung dieser Frage ist maßgeblich, in welcher Niederlassung eine Arbeitspflicht der Klägerin bestand und damit, ob die Versetzung nach München wirksam war. Deshalb hängt die Zuordnung der Klägerin zu einer bestimmten Niederlassung und damit die Zuständigkeit eines Betriebsrats zur Anhörung nach § 102 BetrVG entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts von der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Versetzung ab.
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II. Demnach könnte der Betriebsrat in der Niederlassung Bielefeld nur zuständig gewesen sein, wenn die Klägerin der Niederlassung München nicht wirksam zugeordnet worden wäre. In diesem Fall stellte die Weigerung der Klägerin, die Arbeit in München aufzunehmen, keine Vertragspflichtverletzung dar. Sollte die Klägerin demgegenüber der Niederlassung München wirksam zugeordnet gewesen sein, so fehlte es an der ordnungsgemäßen Anhörung des für das Verfahren nach § 102 BetrVG zuständigen Betriebsrats der Niederlassung München.
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Düwell
Gallner
Krasshöfer
Jungermann
Pfelzer
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Dezember 2008 - 11 Sa 817/08 - wird zurückgewiesen, soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 15. April 2008 - 5 Ca 3435/07 - hinsichtlich der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen hat.
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Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des gesamten Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung sowie darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristlosen und hilfsweise fristgemäßen verhaltensbedingten Kündigung der Beklagten beendet worden ist.
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Die Beklagte ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Sie unterhält mehrere Niederlassungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Darüber hinaus ist sie ein Unternehmen des international tätigen Konzerns P. Andere Konzernunternehmen sind außerhalb Deutschlands in verschiedenen Staaten tätig.
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Die 1965 geborene Klägerin ist seit dem 1. Juli 2000 als Steuerberaterin/Managerin in der Niederlassung Bielefeld der Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 23. Mai 2000 heißt es ua. wie folgt:
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„§ 1 Beginn und Inhalt des Arbeitsverhältnisses
1.
Sie werden ab 1. Juli 2000 als Manager für den Bereich TLS in unserer Niederlassung Bielefeld eingestellt.
2.
P behält sich das Recht vor, Sie im Bedarfsfall auch an einem anderen Arbeitsort und/oder bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns P entsprechend Ihrer Vorbildung und Ihren Fähigkeiten für gleichwertige Tätigkeiten einzusetzen. Hierbei werden Ihre persönlichen Belange angemessen berücksichtigt.
...“
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Im Oktober 2007 fanden Gespräche zwischen den Parteien über einen zukünftigen Einsatz der Klägerin in München statt. Am 19. Oktober 2007 unterrichtete die Beklagte den in ihrer Niederlassung Bielefeld bestehenden Betriebsrat „gem. § 99 BetrVG“ über die beabsichtigte Versetzung der Klägerin zur Niederlassung München. Sie bat um Stellungnahme. Dem Betriebsrat wurde weiter mitgeteilt, die Klägerin solle ab dem 1. Dezember 2007 als „Managerin im Bereich Tax Human Resources Services“ zur Niederlassung München versetzt werden. Am 25. Oktober 2007 teilte der Betriebsrat der Niederlassung Bielefeld der Beklagten mit, er werde keine Stellungnahme abgeben. Mit identischem Formblatt und identischer Information unterrichtete die Beklagte unter dem 26. Oktober 2007 den Betriebsrat ihrer Niederlassung München. Dieser erklärte mit Datum vom 31. Oktober 2007, er werde keine Stellungnahme abgeben. Mit Schreiben vom 1. November 2007 versetzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung zum 1. Dezember 2007 zur Niederlassung München als „Manager in dem Bereich Tax Human Resources Services“. Unter dem 29. November 2007 kündigte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten an, die Klägerin werde die Stelle in München nicht antreten. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 30. November 2007 darauf hin, dass sie in diesem Fall arbeitsrechtliche Schritte einleiten werde. Sie werte das Verhalten der Klägerin als Arbeitsverweigerung. Am 3. Dezember 2007 bot die Klägerin ihre Arbeitskraft in der Niederlassung Bielefeld tatsächlich an. Sie wurde aufgefordert, die Niederlassung zu verlassen und ihre Gebäudezutrittskarte herauszugeben. Die Arbeit in München nahm die Klägerin nicht auf. Mit Datum vom 4. Dezember 2007 hörte die Beklagte den Betriebsrat der Niederlassung Bielefeld zu einer beabsichtigten außerordentlichen sowie hilfsweisen ordentlichen Kündigung der Klägerin wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung an. Der Betriebsrat gab keine Stellungnahme ab.
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Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. März 2008 wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung.
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Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin zuletzt gegen die Versetzung sowie die Kündigungen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, die Versetzung und die Kündigungen seien unwirksam. Die Beklagte könne sich nicht auf eine fehlende Auslastung in Bielefeld berufen. Die Niederlassung Bielefeld sei seit Jahren nicht voll ausgelastet. Zudem sei die Klägerin eine der dienstältesten Mitarbeiterinnen dieser Niederlassung. Die Beklagte habe auch zum 1. September 2007 neue Mitarbeiter eingestellt. So sei die Mitarbeiterin W mit einer vergleichbaren Arbeitstätigkeit in der Niederlassung Bielefeld noch im September 2007 eingestellt worden. Weiterhin sei im Jahr 2007 in der Steuerabteilung Bielefeld eine neue Managerstelle geschaffen worden. Dort sei seit dem 1. Juni 2000 Herr S tätig. Er übe dieselbe Tätigkeit aus wie die anderen Steuerberater der Steuerabteilung Bielefeld. Die Beklagte habe zudem über offene Stellen verfügt, die deutlich näher am Wohnort der Klägerin gelegen seien als der Versetzungsort München.
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Da die Versetzung nicht wirksam sei, habe sie keine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen. Zudem sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt
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festzustellen, dass ihre Versetzung vom 1. Dezember 2007 als Managerin in den Bereich Tax Human Resources Services nach München unwirksam ist;
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 11. Dezember 2007 nicht aufgelöst worden ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Versetzung sei wirksam. Für die Klägerin sei in Bielefeld kein Beschäftigungsbedarf mehr gegeben. Soweit sie neue Mitarbeiter eingestellt habe, seien diese mit der Klägerin nicht vergleichbar. Wegen eines Großkunden sei es erforderlich gewesen, die Stelle in München kurzfristig zu besetzen. Soweit offene Stellen ausgewiesen seien, erfülle die Klägerin die Voraussetzungen teilweise nicht.
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Die Kündigungen seien deshalb wirksam, weil die Klägerin eine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen habe. Der Bielefelder Betriebsrat sei auch ordnungsgemäß beteiligt worden. Er habe mit Datum vom 10. Dezember 2007, 18:35 Uhr, per E-Mail mitgeteilt, dass er keine Stellungnahme abgebe.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
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Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist nur hinsichtlich der Versetzung begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte der Klage nicht stattgegeben werden. Wegen fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nicht abschließend darüber entscheiden, ob die Versetzung unwirksam ist. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
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A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag benachteilige die Klägerin unangemessen. Sie sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent, da sie der Beklagten das Recht einräume, die Klägerin ohne weitere Einschränkungen eines zulässigen Entfernungsradius’ und ohne Ankündigungsfrist zu allen Betrieben des Bundesgebiets und darüber hinaus zu den international tätigen Konzernunternehmen zu versetzen. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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I. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts genügt die Versetzungsklausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags den Erfordernissen einer Kontrolle am Maßstab der §§ 307 ff. BGB. Die Beklagte ist grundsätzlich berechtigt, den Ort der Arbeitsleistung der Klägerin innerhalb des Bundesgebiets nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Die Klausel ist auch nicht intransparent.
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1. Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel unterliegt nicht der Angemessenheitskontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie ist nur auf Unklarheit(§ 305c Abs. 2 BGB)und Transparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) zu untersuchen.
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2. Im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 23. Mai 2000 stellte die Beklagte Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB auf. Sie bot der Klägerin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen in dieser Form an. Die Parteien handelten die Vertragsbedingungen nicht nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB aus.
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Die Regelungen zur Gestaltung der Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes finden kraft geänderter Bereichsausnahme in § 310 Abs. 4 BGB auch auf das Arbeitsrecht Anwendung. Für sie gilt die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB. Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ist auf Schuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Recht weiter anzuwenden. Das gilt nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auch für „Dauerschuldverhältnisse” mit der Maßgabe, dass ab dem 1. Januar 2003 das neue Recht Anwendung findet. Seitdem sind die neu gefassten §§ 305 bis 310 BGB anzuwenden. Vertrauensschutz hat der Gesetzgeber damit nur bis zum 31. Dezember 2002 eingeräumt(Senat 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 34, AP BGB § 307 Nr. 26).
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3. Es kann dahinstehen, ob die der Beklagten eingeräumte Befugnis, die Klägerin auch bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns einzusetzen, der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB standhielte. Die davon abtrennbare Befugnis, die Klägerin zu einem anderen Arbeitsort im Bundesgebiet zu versetzen, ist jedenfalls nicht unwirksam.
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a) Eine Unwirksamkeit der Konzernversetzungsklausel würde nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Versetzungsklausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags führen. Die Beklagte beruft sich im vorliegenden Fall nicht auf eine „Versetzungsbefugnis“ zu einer anderen Konzerngesellschaft, sondern nur auf die zu ihrer eigenen Niederlassung in München.
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aa) § 306 Abs. 1 BGB enthält eine kodifizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB und bestimmt, dass bei Teilnichtigkeit grundsätzlich der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibt. Die Anwendung dieses Grundsatzes entspricht der Interessenlage beider Arbeitsvertragsparteien(ErfK/Preis 10. Aufl. § 611 BGB Rn. 342 mwN) . Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle nach § 306 Abs. 2 BGB das Gesetz. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. blue-pencil-tests durch Streichung des unwirksamen Teils mit einem „blauen Stift” zu ermitteln (BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44; 12. März 2008 - 10 AZR 152/07 - Rn. 28, AP BGB § 305 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 33 ) . Ist die verbleibende Restregelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist also, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind dann für sich jeweils verschiedene, nur formal verbundene Vertragsbedingungen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36).
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bb) Die Befugnis zur Versetzung zu anderen Konzerngesellschaften und die Befugnis zur Versetzung an einen anderen Arbeitsort sind inhaltlich abtrennbar. Dies kommt sprachlich darin zum Ausdruck, dass § 1 Nr. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags zwischen beiden Befugnissen(„und/oder“) unterscheidet. Die Konzernversetzungsklausel kann problemlos vollständig gestrichen werden. Trotzdem bleibt die übrige Versetzungsklausel äußerlich und inhaltlich unverändert und behält ihre Selbständigkeit und ihren spezifischen Zweck. Eine etwaige Unwirksamkeit der Konzernversetzungsklausel berührt deshalb nicht die verbleibende Regelung.
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b) Die in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags geregelte Befugnis der Beklagten, die Klägerin auch an einen anderen Arbeitsort zu versetzen, unterliegt nicht der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie stellt keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar und unterliegt deshalb nicht der Kontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, §§ 308 und 309 BGB.
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aa) Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel entspricht materiell der Regelung in § 106 Satz 1 GewO. Danach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.
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bb) Nichts anderes bestimmt die Klausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags. Danach steht das Direktionsrecht der Beklagten nur unter dem Vorbehalt auch der Beachtung der persönlichen Belange der Klägerin zu. Die Zuweisung darf zudem nur für gleichwertige Tätigkeiten erfolgen. Somit kann sich die Beklagte, wie es auch § 106 Satz 1 GewO verlangt, bei der Ausübung ihres Direktionsrechts aufgrund der arbeitsvertraglichen Zuweisungsklausel nicht allein von ihren Interessen leiten lassen. Sie hat einen angemessenen Ausgleich der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Die Klausel entspricht damit der Regelung in § 106 GewO.
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cc) Die Befugnis der Beklagten, die Klägerin an einen anderen Ort des Unternehmens gemäß § 106 GewO versetzen zu dürfen, wird nicht dadurch eingeschränkt, dass sie nach § 1 Nr. 1 des Arbeitsvertrags in der Niederlassung Bielefeld eingestellt wurde. Die Festlegung eines bestimmten Orts in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert die Beschränkung auf einen bestimmten Ort(vgl. Preis/Genenger NZA 2008, 969, 970). Es wird klargestellt, dass weiter § 106 Satz 1 GewO und damit die Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte gilt.
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c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Klausel nicht intransparent. Das Berufungsgericht meint zu Unrecht, die Klausel sei intransparent, weil weder der zulässige Entfernungsradius noch eine Ankündigungsfrist für die Versetzung bestimmt sei. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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aa) Die Versetzungsklausel unterliegt als kontrollfreie Hauptabrede(§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB)sowohl der Unklarheitenregelung des § 305 Abs. 2 BGB als auch der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ist jedoch weder unklar noch intransparent.
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bb) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen insoweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben(Senat 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 40, BAGE 118, 22) .
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cc) Nach diesen Grundsätzen war es nicht zwingend notwendig, Ankündigungsfristen oder den zulässigen Entfernungsradius in die Vertragsklauseln aufzunehmen. § 106 GewO sowie entsprechende Versetzungsklauseln tragen dem im Arbeitsrecht bestehenden spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis Rechnung. Der Arbeitsvertrag bedarf als Dauerschuldverhältnis einer ständigen, bei Vertragsschluss gedanklich nicht vorwegnehmbaren Anpassung. Die Einflussfaktoren sind im Arbeitsrecht so zahlreich und vielgestaltig, dass gesicherte Prognosen kaum möglich sind(Senat 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 35, BAGE 118, 22; zustimmend Hunold NZA 2007, 19). Eine Konkretisierungsverpflichtung würde nicht dem Bedürfnis des Arbeitgebers gerecht, auf im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorhersehbare Veränderungen reagieren zu können. Zudem wird ein Zwang zur Konkretisierung entweder zu Leerformeln wie „sachlicher Grund“ oder zu einer ausufernden Aufzählung aller in einer möglicherweise fernen Zukunft einmal in Betracht kommenden Sachverhalte führen. Das trägt nicht notwendigerweise zur Erhöhung der Transparenz bei. Demgegenüber ist aus der hier verwandten Klausel für jeden Arbeitnehmer zweifelsfrei erkennbar, dass eine Versetzung an alle Arbeitsorte des Unternehmens in Betracht kommt. Das entspricht dem weitgehenden Bestimmungsrecht, das das Gesetz dem Arbeitgeber einräumt. Nach § 106 Satz 1 GewO kann er Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Die Regelung in § 106 Satz 1 GewO trägt damit der Gegebenheit Rechnung, dass Arbeitsverträge nur eine rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht festlegen können.
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dd) Wie im Schrifttum vorgeschlagen(vgl. Hunold NZA 2007, 19, 22), kann eine Klausel, in der sich der Arbeitgeber die Änderung des Arbeitsorts vorbehält, dem Arbeitnehmer durch Vorgaben hinsichtlich der Regionen, des Entfernungsradius’ und der Mindestkündigungsfristen Klarheit verschaffen, innerhalb welcher Grenzen und Fristen der Arbeitgeber von seiner örtlichen Versetzungsbefugnis Gebrauch machen will. Derartige Festlegungen sind wünschenswert, jedoch nicht zwingend zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderlich. Der Arbeitnehmer wird durch die vom Gericht nach § 106 GewO, § 315 BGB durchzuführende Ausübungskontrolle vor unbilliger Überforderung geschützt. Das betrifft sowohl die Frage der zulässigen Entfernung als auch die Berücksichtigung von Ankündigungsfristen. Hinzu kommen noch die nach der Betriebsverfassung zugunsten des Arbeitnehmers eingreifenden Bestimmungen, die den Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts beschränken. Dazu gehören insbesondere das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG mit dem Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats aus § 99 Abs. 2 Nr. 2 und 4 BetrVG sowie das Recht des Betriebsrats aus § 95 Abs. 2 BetrVG, die Aufstellung von Richtlinien für Versetzungen auch im Hinblick auf einzuhaltende soziale Gesichtspunkte zu verlangen. Der Umstand, dass der Gesetzgeber den Betriebspartnern einen derartigen weiten Regelungs- und Beurteilungsspielraum eingeräumt hat, spricht dafür, dass § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB keine zwingenden Vorgaben für eine Versetzungsklausel enthalten muss. Unter Berücksichtigung der in § 106 GewO und §§ 95, 99 BetrVG geregelten Besonderheiten ist die hier zu beurteilende weite örtliche unternehmensinterne Versetzungsklausel nicht als unangemessene Benachteiligung anzusehen.
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II. Das Landesarbeitsgericht hat aus seiner Sicht konsequent keine Ausübungskontrolle vorgenommen. Für die Prüfung, ob die Versetzung der Klägerin von Bielefeld nach München billigem Ermessen entspricht(§ 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB), bedarf es weiterer Feststellungen.
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1. Der Ort, an dem die Klägerin ihre Arbeitsleistungen erbringen muss, hat sich nicht auf die Niederlassung Bielefeld konkretisiert. Das Weisungsrecht der Beklagten ist deshalb nicht auf Bielefeld als Arbeitsort beschränkt.
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a) Arbeitspflichten können sich nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Dazu genügt jedoch nicht schon der bloße Zeitablauf. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Arbeitnehmer erkennen kann und vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll(Senat 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 50, AP BGB § 307 Nr. 26).
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b) Zwar ist die Klägerin bereits langjährig in der Niederlassung Bielefeld beschäftigt worden. Es fehlt jedoch an besonderen Umständen, denen sie hätte entnehmen können, dass sie künftig nicht an einem anderen Arbeitsort eingesetzt würde. Dass ein Arbeitnehmer sich im Lauf der Zeit bezüglich der Gestaltung seines persönlichen Umfelds an der ausgeübten Tätigkeit und insbesondere am Ort seiner Arbeitsleistung ausrichtet, ist nur eine Folge der langjährigen Tätigkeit und begründet, ohne dass weitere Umstände hinzutreten, keine Konkretisierung auf einen bestimmten Arbeitsort.
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2. Der Senat kann nicht abschließend darüber entscheiden, ob die Versetzung von Bielefeld nach München billigem Ermessen entspricht.
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a) Nach § 106 Satz 1 GewO hat der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben. Auch wenn die Versetzung des Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag zulässig ist, muss die Ausübung des Direktionsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO billigem Ermessen entsprechen. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.
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aa) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist dann geboten, wenn die maßgeblichen Tatsachen feststehen und nur eine bestimmte Entscheidung dem Maßstab der Billigkeit entspricht(vgl. Senat 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 29 mwN, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31).
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bb) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Bewertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören im Arbeitsrecht die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen(Senat 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 22, EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 18; BAG 28. November 1989 - 3 AZR 118/88 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 63, 267).
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b) Hier sind die für die Kontrolle der Ermessensausübung wesentlichen Tatsachen zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte hat sich insbesondere darauf berufen, der Arbeitsplatz der Klägerin in Bielefeld sei ersatzlos weggefallen. Sie werde in der Niederlassung München wegen eines Großkunden dringend benötigt. Die Klägerin hat sich darauf gestützt, sie sei die dienstälteste Mitarbeiterin in der Niederlassung Bielefeld, es gebe Beschäftigungsmöglichkeiten in Niederlassungen, die näher an ihrem Wohnort lägen, und sie erfülle nicht das Stellenprofil der übertragenen Tätigkeit in der Niederlassung München. Das Landesarbeitsgericht wird diese Umstände aufzuklären haben.
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B. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 erklärte außerordentliche und die hilfsweise ordentliche Kündigung unwirksam sind. Dies folgt entweder aus § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats in München oder aus dem Fehlen der die Kündigungen rechtfertigenden Gründe gemäß § 1 Abs. 2 KSchG und § 626 Abs. 1 BGB. Sollte die Versetzung unwirksam sein, musste die Klägerin nicht in München arbeiten. Sollte die Versetzung wirksam sein, hätte die Beklagte den Betriebsrat der Niederlassung München zu den Kündigungen anhören müssen.
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I. Welcher Betriebsrat nach § 102 BetrVG zu beteiligen ist, richtet sich nach der Wirksamkeit der Versetzung.
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1. Beteiligt der Arbeitgeber einen nicht zuständigen Betriebsrat an einer beabsichtigten Kündigung, so fehlt es an einer ordnungsgemäßen Anhörung iSv. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat desjenigen Betriebs anhören, zu dessen Belegschaft der zu kündigende Arbeitnehmer gehört(BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 149/04 - zu B I 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 145 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 13).
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2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Betriebsrat der Niederlassung München sei als zuständiger Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigungen vom 11. Dezember 2007 anzuhören gewesen. Aufgrund der ausgesprochenen Versetzung sei die Klägerin der Niederlassung München betrieblich zugeordnet worden. Unabhängig von der Wirksamkeit der Versetzung sei der Betriebsrat der Niederlassung München damit zuständig für eine nach der Zuordnung auszusprechende Kündigung geworden. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gelten als Betriebsangehörige im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zum Inhaber des Betriebs stehen und innerhalb der Betriebsorganisation des Arbeitgebers abhängige Arbeitsleistungen erbringen(BAG 22. März 2000 - 7 ABR 34/98 - zu B II 2 a aa der Gründe mwN, BAGE 94, 144). Es kann dahinstehen, ob hierzu die Eingliederung in die Arbeitsorganisation genügt (so Schneider/Homburg in Däubler/Kittner/Klebe/Wedde BetrVG 12. Aufl. § 7 Rn. 5). Fehlt, wie hier, eine solche tatsächliche Eingliederung, kommt es auf die Zuordnung an.
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b) Die Klägerin war weder in die Niederlassung Bielefeld noch in die Niederlassung München tatsächlich eingegliedert. Die Beklagte hat der Klägerin in Bielefeld keine Arbeit zugewiesen. Die Klägerin hat die Erfüllung der ihr in München zugewiesenen Arbeitsaufgaben dauerhaft verweigert. Bei einer solchen fehlenden tatsächlichen Eingliederung in einen Betrieb verliert der Arbeitnehmer nicht seine Betriebszugehörigkeit. Diese ist nicht von einer steten Eingliederung in einen Betrieb abhängig. So wird sie nicht durch Abwesenheitszeiten wie Erholungsurlaub, Arbeitsunfähigkeit oder Elternzeit unterbrochen(Kreutz/Raab in GK-BetrVG 9. Aufl. § 7 Rn. 22). Entscheidend ist allein, ob noch eine spätere Wiederaufnahme der Arbeit vorgesehen ist (vgl. BAG 16. April 2003 - 7 ABR 53/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 106, 64). Das ist bei der Klägerin der Fall. Die Parteien haben zum Zeitpunkt der Anhörung des Betriebsrats in München gemäß § 102 BetrVG nicht darüber gestritten, ob die Klägerin tatsächlich arbeiten soll, sondern nur darüber, in welchem Betrieb. Für die Beantwortung dieser Frage ist maßgeblich, in welcher Niederlassung eine Arbeitspflicht der Klägerin bestand und damit, ob die Versetzung nach München wirksam war. Deshalb hängt die Zuordnung der Klägerin zu einer bestimmten Niederlassung und damit die Zuständigkeit eines Betriebsrats zur Anhörung nach § 102 BetrVG entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts von der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Versetzung ab.
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II. Demnach könnte der Betriebsrat in der Niederlassung Bielefeld nur zuständig gewesen sein, wenn die Klägerin der Niederlassung München nicht wirksam zugeordnet worden wäre. In diesem Fall stellte die Weigerung der Klägerin, die Arbeit in München aufzunehmen, keine Vertragspflichtverletzung dar. Sollte die Klägerin demgegenüber der Niederlassung München wirksam zugeordnet gewesen sein, so fehlte es an der ordnungsgemäßen Anhörung des für das Verfahren nach § 102 BetrVG zuständigen Betriebsrats der Niederlassung München.
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Düwell
Gallner
Krasshöfer
Jungermann
Pfelzer
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
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mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 27. September 2012 - 2 Sa 408/11 - aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
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Die Beklagte betreibt unter einheitlicher Leitung mehrere Pflegeheime, Kindergärten, Kinder- und Jugendheime, ein Wohnheim und eine Schule. Der 1973 geborene Kläger war bei ihr seit 1. April 2007 als Hausmeister „für den Bereich Seniorenresidenz T mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden“ angestellt. In ihren Einrichtungen beschäftigt die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Aufgrund vertraglicher Bezugnahme findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien „der jeweils für den Arbeitgeber geltende Tarifvertrag“ Anwendung. Dies sei, wie es im Arbeitsvertrag heißt, der zwischen dem Arbeitgeberverband der Arbeiterwohlfahrt Thüringen e. V. und dem DHV (Deutscher Handels- und Industrieangestellten-Verband; mittlerweile: DHV - Die Berufsgewerkschaft e. V.) (TV-AWO Thüringen) abgeschlossene Tarifvertrag vom 1. Januar 2006.
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Die Beklagte holte im März 2011 bei verschiedenen Drittfirmen Angebote über eine selbständige Erledigung der Hausmeisterdienste im Seniorenheim T ein. Mit Schreiben vom 29. Juni 2011 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. Dezember 2011. Im September 2011 vergab sie die Tätigkeit zu einem festen Bruttopreis an einen der ursprünglichen Anbieter. Reparaturen und sonstige Arbeiten sollten ggf. nach besonderer Vereinbarung vergütet werden.
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Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage fristgerecht gegen die Kündigung gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt allenfalls die vage Absicht gehabt, ein fremdes Unternehmen mit den Hausmeisterdiensten zu beauftragen. Ein Konzept, wie die betrieblichen Abläufe zukünftig gestaltet werden sollten, habe sie zu der Zeit noch nicht entwickelt. Im Übrigen sei die behauptete unternehmerische Entscheidung nicht von einem ordnungsgemäßen Beschluss ihrer Gesellschafter gedeckt. Die soziale Auswahl sei fehlerhaft. Er sei mit den in anderen Einrichtungen tätigen Hausmeistern vergleichbar und zumindest gegenüber einem der fraglichen Mitarbeiter sozial schutzbedürftiger. Bei der Auswahl habe die Beklagte Vorbeschäftigungszeiten, die er seit dem 1. April 1998 erbracht habe, berücksichtigen müssen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Zudem sei die maßgebende - tarifliche - Kündigungsfrist bei richtiger Berechnung seiner Beschäftigungsdauer nicht eingehalten.
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Der Kläger hat - soweit noch von Bedeutung - beantragt
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1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 29. Juni 2011 nicht aufgelöst worden ist und über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus fortbesteht;
2.
die Beklagte zu verurteilen, ihn über den Ablauf der Kündigungsfrist bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung als Hausmeister weiter zu beschäftigen.
- 6
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, ihr Geschäftsführer habe in der 24. Kalenderwoche des Jahres 2011 auf der Grundlage dreier Angebote beschlossen, ab dem 1. Januar 2012 ein fremdes Unternehmen mit der Erledigung der bisher dem Kläger übertragenen Dienste zu beauftragen. Die Entscheidung, die zum fraglichen Termin auch tatsächlich umgesetzt worden sei, trage einem bestehenden Kostendruck Rechnung und sei weder unsachlich, noch unvernünftig oder willkürlich. Unschädlich sei, dass der Vertrag mit dem betrauten Unternehmen erst im Herbst 2011 geschlossen worden sei und inhaltlich in einzelnen Punkten von dessen ursprünglichem Angebot abweiche. Einer sozialen Auswahl habe es nicht bedurft. Der Kläger sei schon wegen der vertraglichen Festlegung seines Arbeitsorts auf T mit anderen Hausmeistern nicht vergleichbar. Zudem handele es sich bei jenen Arbeitnehmern um Vollzeitkräfte, die, anders als der Kläger, zusätzliche Tätigkeiten schuldeten. Selbst wenn der Kläger mit den Vollzeitkräften vergleichbar sein sollte, sei die soziale Auswahl im Ergebnis nicht zu beanstanden. Den Betriebsrat habe sie am 21. Juni 2011 - mündlich - ordnungsgemäß unterrichtet.
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Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
- 9
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I. Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag - unausgesprochen - als einheitlichen Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ausgelegt und als solchen für zulässig gehalten. Diese Würdigung begegnet keinen Bedenken.
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II. Mit der bisherigen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.
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1. Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Dieses bestand bei Zugang der Kündigung länger als sechs Monate (§ 1 Abs. 1 KSchG). Der betriebliche Geltungsbereich des Gesetzes ist nach § 23 Abs. 1 KSchG eröffnet.
- 12
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2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG nicht schlüssig aufgezeigt. Ihrem Vorbringen sei nicht zu entnehmen, dass im maßgebenden Kündigungszeitpunkt eine Entscheidung zur Fremdvergabe der Hausmeisterdienste schon getroffen gewesen sei. Jedenfalls habe „eine ‚greifbare‘ Form der Entscheidung“ im Kündigungszeitpunkt „noch nicht vor[gelegen]“. Die bei den Drittfirmen eingeholten Angebote hätten rein informativen Zwecken gedient. In konkrete Verhandlungen sei die Beklagte erst längere Zeit nach Zugang der Kündigung eingetreten.
- 13
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3. Diese Beurteilung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat, soweit es nicht den Rechtsbegriff des „dringenden betrieblichen Erfordernisses“ verkannt hat, an die Darlegung des behaupteten Kündigungsgrundes überzogene Anforderungen gestellt. Dies rügt die Beklagte mit Recht.
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a) Dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG liegen vor, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen (Organisations-)Entscheidung auf der betrieblichen Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Diese Prognose muss schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv berechtigt sein (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 31; 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 17, BAGE 133, 240).
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aa) Ein dringendes „betriebliches“ Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung entgegensteht, ist gegeben, wenn die Arbeitskraft des Arbeitnehmers im Betrieb nicht mehr gefordert ist. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht gehalten, nicht mehr benötigte Arbeitsplätze und Arbeitskräfte weiterhin zu besetzen bzw. zu beschäftigen. Dabei kommt es de lege lata nicht darauf an, ob die dem Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zugrunde liegende unternehmerische (Organisations-)Entscheidung ihrerseits - etwa aus wirtschaftlichen Gründen - „dringend“ war oder die Existenz des Unternehmens auch ohne sie nicht gefährdet gewesen wäre (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 20, BAGE 145, 265). In diesem Sinne ist die unternehmerische Entscheidung zur Umorganisation bis zur Grenze der offensichtlichen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür frei. Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht dabei die Vermutung, dass sie aus sachlichen - nicht zuletzt wirtschaftlichen - Gründen getroffen wurde und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 31; 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - aaO mwN).
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bb) Hängt der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs von einer solchen unternehmerisch-organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers ab, braucht diese bei Kündigungszugang noch nicht tatsächlich umgesetzt zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet. Dazu müssen - soweit die Kündigung ihren Grund in einer Änderung der betrieblichen Organisation hat - zumindest die Absicht und der Wille des Arbeitgebers, die fraglichen Maßnahmen vorzunehmen, schon vorhanden und abschließend gebildet worden sein. Andernfalls lässt sich im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung - auf den es dafür unverzichtbar ankommt - nicht hinreichend sicher prognostizieren, es werde bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs kommen (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 34; 20. Februar 2014 - 2 AZR 346/12 - Rn. 18; 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 18, BAGE 133, 240).
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b) Da der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Tatsachen zu beweisen hat, die die Kündigung bedingen, hat er die tatsächlichen Grundlagen für die Berechtigung der Prognose, bis spätestens zum Ablauf der Kündigungsfrist werde ein Beschäftigungsbedarf entfallen sein, von sich aus schlüssig vorzutragen. Zu diesen Tatsachen gehört der schon bei Kündigungszugang getroffene endgültige Entschluss zur Vornahme einer Maßnahme, die zu einem solchen Wegfall führen werde. Wie substantiiert der Vortrag zu erfolgen hat, hängt von der Einlassung des Arbeitnehmers ab. Zunächst genügt es, wenn der Arbeitgeber - zumindest konkludent - behauptet, er habe seine entsprechende Entscheidung schon vor Zugang der Kündigung getroffen. Wenn der Arbeitnehmer dies mit - in der Regel zunächst ausreichendem - Nichtwissen bestreitet, wird der Arbeitgeber nähere tatsächliche Einzelheiten darlegen müssen, aus denen unmittelbar oder mittelbar geschlossen werden kann, er habe die entsprechende Absicht bereits im Kündigungszeitpunkt endgültig gehabt. Geht es dabei um den inneren Zustand einer einzelnen Person, wird sich das Gericht die Überzeugung von der Wahrheit der Behauptung - wie stets - nach § 286 ZPO bilden müssen. Soweit sich die innere Tatsache nach außen manifestiert hat, wird es ggf. Beweis über die Indiztatsachen erheben und diese würdigen müssen. Fehlt es an einer entsprechenden Offenbarung der unternehmerischen Entscheidung, wird es auf die genaue Darlegung des inneren Willensbildungsprozesses der betreffenden Person, die Schlüssigkeit ihrer Angaben und ihre Glaubwürdigkeit ankommen (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 36).
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c) Danach hat die Beklagte einen die Kündigung rechtfertigenden Grund schlüssig aufgezeigt.
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aa) Sie hat vorgebracht, ihr Geschäftsführer habe nach Einholung dreier Angebote in der 24. Kalenderwoche - dh. in der Zeit zwischen dem 13. und 19. Juni 2011 - entschieden, die bisher dem Kläger übertragenen Hausmeisterdienste ab dem 1. Januar 2012 durch einen externen Dienstleister erledigen zu lassen. Seinen Entschluss habe er am 20. Juni 2011 dem Personalleiter und der Heimleiterin des Seniorenheims in einer Dienstberatung mitgeteilt. Am Folgetag habe er die Vorsitzende des Betriebsrats von der Entscheidung unterrichtet und dabei eines der Angebote vorgelegt.
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bb) Bereits die Offenbarung der fraglichen Entscheidung gegenüber Dritten spricht - als wahr unterstellt - in hohem Maße dafür, dass der Geschäftsführer den Entschluss zur Fremdvergabe bereits bei Kündigungszugang gefasst hatte. Die gegenteilige Würdigung des Landesarbeitsgerichts wird dem Indizwert der betreffenden äußeren Umstände nicht gerecht. Jedenfalls durfte es nicht weitergehende Darlegungen zur inneren Willensbildung verlangen, ohne sich zuvor von der Wahrheit oder Unwahrheit der behaupteten Mitteilungen überzeugt zu haben. Ebenso wenig bedurfte es weitergehender Darlegungen zu den Überlegungen und Beweggründen, auf denen die Entscheidung beruhen soll, um ihr Vorliegen plausibel zu machen. Im Übrigen hat die Beklagte ihre Erwägungen durchaus offengelegt, soweit sie auf eine Kosteneinsparung und darauf verwiesen hat, zukünftig Hausmeisterdienste flexibler abrufen zu können.
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cc) Besondere Umstände, die geeignet wären, die indizielle Wirkung der in Rede stehenden Tatsachen zu entkräften oder abzuschwächen, sind nicht festgestellt. Die Beklagte hat zwar nicht anzugeben vermocht, an welchem genauen Tag ihr Geschäftsführer die Entscheidung zur Fremdvergabe der Hausmeisterdienste getroffen habe. Das schließt die Möglichkeit, er habe den entsprechenden Willen schon vor Zugang der Kündigung gefasst, aber nicht aus. Da die unternehmerische Entscheidung keinem Formzwang unterliegt (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 35; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - zu II 4 d dd der Gründe), widerspricht auch das Fehlen einer Verschriftung dieser Annahme nicht. Soweit das Landesarbeitsgericht gemeint hat, die „Entscheidung [habe] zeitlich mit einem gewissen Abstand vor … der Kündigung und Anhörung des Betriebsrats zu erfolgen“, bleibt unklar, was es damit ausdrücken will. Nach dem Vortrag der Beklagten fielen die behauptete Organisationsentscheidung und die Kündigung keineswegs zusammen.
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dd) Es kann dahinstehen, ob eine Entscheidung über die Fremdvergabe von Hausmeisterdiensten - wie der Kläger gemeint hat - intern den Gesellschaftern der Beklagten vorbehalten und ob sie von einem wirksamen Beschluss der Gesellschafterversammlung getragen war. Darauf kommt es kündigungsrechtlich nicht an. Bei einer juristischen Person genügt es, dass derjenige, der dazu die tatsächliche Macht hat, die betreffende Entscheidung endgültig und vorbehaltlos getroffen hat (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 35; 5. April 2001 - 2 AZR 696/99 - zu II 3 der Gründe). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nach den Darlegungen der Beklagten bezogen auf die Entscheidung ihres Geschäftsführers erfüllt.
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ee) Die in Rede stehende Maßnahme - die Fremdvergabe der Hausmeisterdienste - hatte damit im Kündigungszeitpunkt - die tatsächlichen Behauptungen der Beklagten als wahr unterstellt - „greifbare Formen“ angenommen. Die gegenteilige Würdigung des Landesarbeitsgerichts wird dem prognostischen Anteil des Kündigungsgrundes nicht gerecht.
- 24
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(1) Die Beklagte hatte endgültig und ernsthaft beschlossen, die fragliche organisatorische Änderung durchzuführen. Es war nicht erforderlich, dass sie vor Zugang der Kündigung mit der Verwirklichung ihrer Entscheidung bereits begonnen hätte (vgl. BAG 10. Oktober 1996 - 2 AZR 651/95 - zu II 1 der Gründe; 19. Juni 1991 - 2 AZR 127/91 - zu II 2 b der Gründe). Das betrifft nicht nur deren unmittelbare Umsetzung. Auch vorbereitende Maßnahmen - etwa den Vertragsschluss mit dem Drittunternehmen - musste sie noch nicht ergriffen haben. Es genügte, dass sie berechtigterweise annehmen durfte, die laufende Kündigungsfrist biete ihr hierfür ausreichend Zeit.
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(2) Das war hier der Fall. Die Beklagte hatte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bereits im März 2011 Angebote von Dienstleistern angefordert. Auch wenn dies zunächst der Markterkundung gedient haben mag, so konnte sie doch aufgrund des Ergebnisses ihrer Anfragen hinreichend sicher annehmen, sie werde rechtzeitig einen geeigneten Dienstleister finden. Anderes gälte allenfalls dann, wenn der Geschäftsführer die Durchführung der Maßnahme von weiteren, unwägbaren Voraussetzungen, etwa davon abhängig gemacht hätte, die Aufgaben zu günstigeren Konditionen vergeben zu können als angeboten. Davon geht das Landesarbeitsgericht aber nicht aus. Der Umstand, dass der im Herbst 2011 mit dem Dienstleister geschlossene Vertrag gegenüber dem ursprünglichen Angebot bestimmte Modifikationen enthält, bietet für einen solchen Vorbehalt keinen hinreichenden Anhaltspunkt.
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ff) Der Entschluss zur Fremdvergabe der Hausmeisterdienste war geeignet, den Bedarf an einer Beschäftigung des Klägers zum Ende des Jahres 2011 in Wegfall zu bringen. Zwar waren Hausmeistertätigkeiten in der vom Kläger betreuten Einrichtung auch fortan zu erledigen. Sie sollten aber nicht mehr von eigenen Arbeitskräften der Beklagten ausgeführt, sondern von einem anderen Unternehmen - mit dessen Arbeitskräften - selbständig erledigt werden. Eine derartige Organisationsentscheidung ist rechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Das gilt auch dann, wenn sie - anders als von der Beklagten erwartet - nicht mit einer Ersparnis von Kosten verbunden gewesen sein sollte.
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(1) Die Gestaltung des Betriebs, die Antwort auf die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, sind Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 380/12 - Rn. 21; 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 17). Das Kündigungsschutzgesetz schreibt nicht eine bestimmte rechtliche und organisatorische Form der Erledigung anfallender Aufgaben fest (BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - Rn. 19).
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(2) Der Arbeitgeber ist - bis zur Grenze der Willkür - nicht gehindert, auch wirtschaftlich nicht zwingend notwendige Organisationsentscheidungen zu treffen (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 380/12 - Rn. 20). Es ist nicht Sache der Gerichte, ihm eine „bessere“ oder „richtigere“ betriebliche Organisation vorzuschreiben (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 809/12 - Rn. 17 mwN, BAGE 146, 37). Im Fall der Fremdvergabe kommt es deshalb grundsätzlich nicht darauf an, ob durch die Beauftragung des Drittunternehmens tatsächlich Kosten gespart werden (vgl. BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 306/06 - Rn. 23, BAGE 123, 20).
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(3) Die in Rede stehende Entscheidung lässt keine sachfremden Erwägungen erkennen. Sie ist nicht etwa deshalb unsachlich, weil die Beklagte in anderen Einrichtungen weiterhin eigene Arbeitskräfte als Hausmeister beschäftigt. Zum einen ist nicht erkennbar, dass dies durchgängig der Fall wäre. Zum anderen steht es dem Arbeitgeber frei, verschiedene Betriebsstätten unterschiedlich zu organisieren.
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III. Der Rechtsstreit ist nicht entscheidungsreif. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob die Kündigung vom 29. Juni 2011 wirksam ist. Es fehlt an erforderlichen Feststellungen. Die Sache war deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
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1. Es steht nicht fest, ob die Kündigung durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen der Beklagten zum Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse rechtsfehlerhaft als unschlüssig angesehen und sich - von seinem Standpunkt aus konsequent - kein Urteil darüber gebildet, ob deren tatsächliche Behauptungen für wahr zu erachten sind (§ 286 ZPO). Dies hat es nachzuholen.
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a) Allerdings kann bezweifelt werden, ob der Kläger die Ausführungen der Beklagten gemäß § 138 ZPO ausreichend bestritten hat. Er ist deren Vortrag vornehmlich mit Rechtsausführungen entgegengetreten, die sich als nicht durchgreifend erwiesen haben. In tatsächlicher Hinsicht hat er sich darauf beschränkt, das Zustandekommen einer unternehmerischen Entscheidung im Kündigungszeitpunkt „einfach“ zu bestreiten. Nachdem die Beklagte ihre betreffenden Behauptungen durch Hinweis auf die Dienstberatung vom 20. Juni 2011 und dort gefallene Äußerungen ihres Geschäftsführers konkretisiert hatte, wäre es Sache des Klägers gewesen, die ergänzenden Ausführungen „spezifisch“, sei es durch substantiierten Gegenvortrag (§ 138 Abs. 2 ZPO), sei es mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) zu bestreiten. Das ist, soweit ersichtlich, nicht geschehen.
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b) Die abschließende Würdigung ist zunächst dem Landesarbeitsgericht vorbehalten. Zum einen mag der Kläger die Notwendigkeit einer Konkretisierung seines Bestreitens nicht erkannt haben, weil beide Vorinstanzen von der Unschlüssigkeit des Vortrags der Beklagten ausgegangen sind. Zum anderen unterliegen die in Rede stehenden Indiztatsachen, selbst wenn sie als zugestanden anzusehen wären, einer abschließenden Würdigung gemäß § 286 ZPO, die Aufgabe des Tatsachengerichts ist.
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2. Der Senat kann nicht beurteilen, ob die Kündigung allemal deshalb sozial ungerechtfertigt ist, weil die Beklagte soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat (§ 1 Abs. 1, Abs. 3 KSchG).
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a) Dem bisherigen aus dem Berufungsurteil ersichtlichen Parteivorbringen ist nicht zu entnehmen, dass es eines sozialen Vergleichs mit Hausmeistern, die an anderen Standorten beschäftigt sind und die in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stehen, nicht bedurft hätte.
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aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die fraglichen Einrichtungen der Beklagten bildeten einen einheitlichen Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne. Dagegen erhebt die Beklagte keine Einwände. Ein Rechtsfehler ist nicht erkennbar.
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bb) Das Vorbringen der Beklagten berechtigt nicht zu der Annahme, der Tätigkeitsbereich des Klägers sei vertraglich auf das Seniorenheim T eingegrenzt (zu den Folgen einer solchen Beschränkung für die Sozialauswahl vgl. BAG 17. September 1998 - 2 AZR 725/97 - zu II 2 c der Gründe).
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(1) Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegen die Vereinbarungen im Arbeitsvertrag vom 27. Februar 2007 zugrunde. Dem äußeren Erscheinungsbild nach handelt es sich um einen Formularvertrag, auf den die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB zur Anwendung kommen. Die Auslegung solcher Vertragsbedingungen kann das Revisionsgericht selbst vornehmen (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 512/12 - Rn. 21; 15. Juni 2010 - 3 AZR 994/06 - Rn. 24; jeweils mwN).
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(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut nicht eindeutig, kommt es auf das typische Verständnis redlicher Vertragspartner an (BAG 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14). Von Bedeutung sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck und die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 17).
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(3) Ist im Arbeitsvertrag zwar der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, ist aber zugleich die Möglichkeit eines Einsatzes auch in anderen Betrieben des Unternehmens vorgesehen, verhindert dies regelmäßig die Beschränkung der Arbeitspflicht auf den im Vertrag genannten Arbeitsort (BAG 28. August 2013 - 10 AZR 569/12 - Rn. 20; 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 15). Insoweit macht es keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. Dadurch wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Befugnis zur Versetzung an andere Arbeitsorte bestehen soll.
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(4) Danach kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht angenommen werden, die Parteien hätten den Einsatzort des Klägers vertraglich festgelegt.
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(a) Zwar heißt es unter § 1 des Arbeitsvertrags, „der Arbeitnehmer“ werde „als Hausmeister für den Bereich Seniorenresidenz T … unbefristet eingestellt“. Eine solche Klausel kann - wenn nichts anderes geregelt ist - durchaus für eine entsprechende Festschreibung des Arbeitsorts sprechen (vgl. BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 20).
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(b) Gegen eine dauerhafte Festlegung spricht jedoch die im Arbeitsvertrag enthaltene Bezugnahme auf den „jeweils für den Arbeitgeber geltende(n) Tarifvertrag“, weil dieser Bestimmungen zur Versetzungsmöglichkeit enthält.
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(aa) Das Arbeitsgericht hat im Rahmen seiner Feststellungen, die sich das Landesarbeitsgericht zu eigen gemacht hat, angenommen, aufgrund der Bezugnahmeklausel finde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der zwischen dem Arbeitgeberverband der Arbeiterwohlfahrt Thüringen e. V. und der DHV geschlossene Tarifvertrag Anwendung. Das entspricht offenbar dem übereinstimmenden Verständnis beider Parteien. Die Würdigung ist rechtlich möglich. Selbst wenn der Tarifvertrag mangels Tarifzuständigkeit der DHV „fehlerhaft“ sein sollte (zur Problematik vgl. BAG 11. Juni 2013 - 1 ABR 32/12 - BAGE 145, 211), führte dies nicht dazu, dass die Bezugnahme unwirksam wäre oder ins Leere ginge. Die Arbeitsvertragsparteien können grundsätzlich auch auf fehlerhafte Tarifverträge verweisen (BAG 22. Januar 2002 - 9 AZR 601/00 - zu A I 2 b der Gründe mwN, BAGE 100, 189).
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(bb) Unter § 16 Abs. 1 des TV-AWO Thüringen vom 1. Januar 2010 heißt es: „Der Arbeitnehmer ist im Rahmen seiner arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit in jedem/r Betrieb, Betriebsteil oder Einrichtung des Arbeitgebers vorübergehend oder auf Dauer einsetzbar.“ Ist die Regelung wirksam in den Arbeitsvertrag einbezogen worden, hat sie die Wirkung eines vertraglichen Versetzungsvorbehalts. Auf diese Weise wäre - zumal Sinn und Zweck der Verweisung laut Arbeitsvertrag die „Gleichstellung der Arbeitnehmer und Vereinheitlichung der arbeitsvertraglichen Regelungen“ sein sollte - hinreichend klargestellt, dass die vertragliche Bestimmung des Einsatzorts mit „Seniorenresidenz T“ lediglich die erstmalige Ausübung des entsprechenden Weisungsrechts darstellte.
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(cc) Auch wenn die tarifliche Versetzungsregelung nicht wirksam Vertragsbestandteil geworden sein sollte, kann die Vereinbarung zum „Tätigkeitsbereich“ nicht anders verstanden werden. Der Kläger musste angesichts des beabsichtigten Einbezugs der tariflichen Bestimmung annehmen, dass die Beklagte nicht den Willen hatte, sich ihrer Weisungsrechte aus § 106 GewO zu begeben.
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cc) Das bisherige Vorbringen berechtigt nicht zu der Annahme, die anderen Hausmeister seien deshalb mit dem Kläger nicht vergleichbar, weil sie - anders als er - mit vollem Stundendeputat beschäftigt sind.
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(1) Eine Sozialauswahl zwischen Arbeitnehmern in Teilzeit und solchen, die in Vollzeit beschäftigt sind, kann ausgeschlossen sein, wenn der Arbeitgeber auf der Grundlage eines nachvollziehbaren unternehmerischen Konzepts bestimmten Tätigkeiten bestimmte Arbeitszeiten zuordnet (BAG 3. Dezember 1998 - 2 AZR 341/98 - zu II 4 der Gründe, BAGE 90, 236). Entsprechendes gilt für eine Sozialauswahl unter Teilzeitkräften mit unterschiedlichen Arbeitszeitdeputaten (BAG 15. Juli 2004 - 2 AZR 376/03 - zu C III 2 der Gründe, BAGE 111, 229). Arbeitnehmer, die aufgrund solcher Organisationsentscheidungen unterschiedlich lange Wochenarbeitszeiten haben, die nur durch Änderungskündigungen angepasst werden könnten, sind nicht austauschbar und damit nicht miteinander vergleichbar iSv. § 1 Abs. 3 KSchG.
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(2) Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe die in den einzelnen Einrichtungen anfallenden Hausmeistertätigkeiten „einrichtungsbezogen“ nach dem jeweils anfallenden Arbeitsvolumen organisiert. Je Einrichtung solle ein Hausmeister „vor Ort“ als Ansprechpartner vorhanden sein und die anfallenden Arbeiten erledigen. Auf diese Weise hat sie die jeweilige Hausmeistertätigkeit nicht starr an ein bestimmtes Arbeitszeitvolumen der eingesetzten Hausmeister gebunden. Auch wenn es sachliche Gründe geben mag, Hausmeister nicht einrichtungsübergreifend zu beschäftigen, wird aus dem Vorbringen der Beklagten nicht deutlich, weshalb pro Einrichtung jeweils nur ein Arbeitnehmer mit den Hausmeistertätigkeiten betraut werden kann. Das gilt umso mehr, als die Beklagte eine solche Situation offenbar auch in den Einrichtungen nicht gewährleistet, in denen sie die Hausmeistertätigkeiten fremdvergeben hat.
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dd) Soweit die Beklagte behauptet hat, der Kläger sei mit anderen Hausmeistern, insbesondere dem von ihm namentlich benannten Arbeitnehmer deshalb nicht vergleichbar, weil diese noch weitere Tätigkeiten - etwa als Maler - schuldeten und erbrächten, ist ihr Vortrag streitig geblieben und bedarf ggf. weiterer Aufklärung.
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b) Die Beklagte hat die Sozialdaten der anderen Hausmeister mitgeteilt und geltend gemacht, die Auswahl des Klägers sei selbst bei unterstellter Vergleichbarkeit im Ergebnis nicht zu beanstanden. Ob dies zutrifft, wird das Landesarbeitsgericht ggf. zu prüfen und zu bewerten haben. Dabei wird es sich, falls es darauf ankommt, auch mit der Frage befassen müssen, ob die Voraussetzungen für eine Anrechnung vor dem 1. April 2007 erbrachter Beschäftigungszeiten des Klägers vorliegen.
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3. Sollte sich die Kündigung als sozial gerechtfertigt erweisen, wird der Frage nachzugehen sein, ob der Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden ist.
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a) Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe der Vorsitzenden des Gremiums am 21. Juni 2011 mündlich ihre Kündigungsabsicht unter Mitteilung der Tätigkeit und der Sozialdaten des Klägers, des Kündigungsgrundes, der Kündigungsart einschließlich des Kündigungstermins und ihrer Erwägungen zur Sozialauswahl nebst den Daten der anderen Hausmeister mitgeteilt. Das Vorbringen lässt, zumal die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers über die Gründe der Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG „subjektiv determiniert“ ist(vgl. nur BAG 12. September 2013 - 6 AZR 121/12 - Rn. 20; 12. August 2010 - 2 AZR 104/09 - Rn. 17), keine inhaltlichen Mängel erkennen. Die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG wäre, ausgehend von dem behaupteten Zugang der Kündigung am 29. Juni 2011, eingehalten.
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b) Das Landesarbeitsgericht wird zu beurteilen haben, ob der Kläger das Vorbringen hinreichend - mit Nichtwissen - bestritten hat. Ggf. wird es die erforderlichen Beweise zu erheben haben.
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4. Sollte sich die Kündigung als solche als wirksam erweisen, wird sich das Landesarbeitsgericht mit dem Einwand des Klägers zu befassen haben, die Beklagte habe sie nicht termingerecht erklärt.
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5. Von der Zurückverweisung ist auch der als Hilfsantrag zu verstehende Antrag des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung erfasst. Die Entscheidung über ihn ist abhängig von der Entscheidung über den Feststellungsantrag.
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Kreft
Niemann
Berger
Krichel
Grimberg
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.
(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.
(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.
(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
(1) Der Arbeitgeber kann, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, die personelle Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 vorläufig durchführen, bevor der Betriebsrat sich geäußert oder wenn er die Zustimmung verweigert hat. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die Sach- und Rechtslage aufzuklären.
(2) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme zu unterrichten. Bestreitet der Betriebsrat, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, so hat er dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. In diesem Fall darf der Arbeitgeber die vorläufige personelle Maßnahme nur aufrechterhalten, wenn er innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die Feststellung beantragt, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
(3) Lehnt das Gericht durch rechtskräftige Entscheidung die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats ab oder stellt es rechtskräftig fest, dass offensichtlich die Maßnahme aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war, so endet die vorläufige personelle Maßnahme mit Ablauf von zwei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung. Von diesem Zeitpunkt an darf die personelle Maßnahme nicht aufrechterhalten werden.
(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn
- 1.
die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde, - 2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde, - 3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten, - 4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist, - 5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder - 6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.
(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.
(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.
(1) Der Arbeitgeber kann, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, die personelle Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 vorläufig durchführen, bevor der Betriebsrat sich geäußert oder wenn er die Zustimmung verweigert hat. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die Sach- und Rechtslage aufzuklären.
(2) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme zu unterrichten. Bestreitet der Betriebsrat, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, so hat er dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. In diesem Fall darf der Arbeitgeber die vorläufige personelle Maßnahme nur aufrechterhalten, wenn er innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die Feststellung beantragt, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
(3) Lehnt das Gericht durch rechtskräftige Entscheidung die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats ab oder stellt es rechtskräftig fest, dass offensichtlich die Maßnahme aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war, so endet die vorläufige personelle Maßnahme mit Ablauf von zwei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung. Von diesem Zeitpunkt an darf die personelle Maßnahme nicht aufrechterhalten werden.
(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn
- 1.
die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde, - 2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde, - 3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten, - 4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist, - 5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder - 6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.
(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.
(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.
(1) Der Arbeitgeber kann, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, die personelle Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 vorläufig durchführen, bevor der Betriebsrat sich geäußert oder wenn er die Zustimmung verweigert hat. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die Sach- und Rechtslage aufzuklären.
(2) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme zu unterrichten. Bestreitet der Betriebsrat, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, so hat er dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. In diesem Fall darf der Arbeitgeber die vorläufige personelle Maßnahme nur aufrechterhalten, wenn er innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die Feststellung beantragt, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
(3) Lehnt das Gericht durch rechtskräftige Entscheidung die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats ab oder stellt es rechtskräftig fest, dass offensichtlich die Maßnahme aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war, so endet die vorläufige personelle Maßnahme mit Ablauf von zwei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung. Von diesem Zeitpunkt an darf die personelle Maßnahme nicht aufrechterhalten werden.
Führt der Arbeitgeber eine personelle Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 ohne Zustimmung des Betriebsrats durch oder hält er eine vorläufige personelle Maßnahme entgegen § 100 Abs. 2 Satz 3 oder Abs. 3 aufrecht, so kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die personelle Maßnahme aufzuheben. Hebt der Arbeitgeber entgegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung die personelle Maßnahme nicht auf, so ist auf Antrag des Betriebsrats vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass der Arbeitgeber zur Aufhebung der Maßnahme durch Zwangsgeld anzuhalten sei. Das Höchstmaß des Zwangsgeldes beträgt für jeden Tag der Zuwiderhandlung 250 Euro.
(1) Der Arbeitgeber kann, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, die personelle Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 vorläufig durchführen, bevor der Betriebsrat sich geäußert oder wenn er die Zustimmung verweigert hat. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die Sach- und Rechtslage aufzuklären.
(2) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme zu unterrichten. Bestreitet der Betriebsrat, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, so hat er dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. In diesem Fall darf der Arbeitgeber die vorläufige personelle Maßnahme nur aufrechterhalten, wenn er innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die Feststellung beantragt, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
(3) Lehnt das Gericht durch rechtskräftige Entscheidung die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats ab oder stellt es rechtskräftig fest, dass offensichtlich die Maßnahme aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war, so endet die vorläufige personelle Maßnahme mit Ablauf von zwei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung. Von diesem Zeitpunkt an darf die personelle Maßnahme nicht aufrechterhalten werden.
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.
(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.
(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.
(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
Tenor
-
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. März 2012 - 15 Sa 1204/11 - wird zurückgewiesen.
-
2. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Klägerin hat die Unwirksamkeit einer Versetzung und einer vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigung geltend gemacht.
- 2
-
Die Beklagte ist ein Luftverkehrsunternehmen mit Sitz in Düsseldorf, das neben Flugkapitänen und Copiloten ca. 100 Flugbegleiter beschäftigt.
- 3
-
Die 1969 geborene Klägerin steht als Flugbegleiterin in den Diensten der Beklagten. Sie war zuletzt bei einem monatlichen Bruttogehalt von rund 2.500,00 Euro von Münster/Osnabrück aus tätig.
- 4
-
In dem Arbeitsvertrag der Klägerin vom 8. Dezember 1994 heißt es ua.:
-
„1.
Beginn der Tätigkeit
Die Mitarbeiterin wird ab 03.12.1994 im Bereich Flugbetrieb, Beschäftigungsort Münster/Osnabrück, als Flugbegleiterin eingestellt.
2.
Rechte und Pflichten
Die Rechte und Pflichten der Mitarbeiterin ergeben sich aus den einschlägigen Gesetzen, den jeweils gültigen Vergütungsvereinbarungen, den Betriebsvereinbarungen sowie den Dienstvorschriften der Eurowings AG. Durch ihre Unterschrift bestätigt die Mitarbeiterin gleichzeitig den Erhalt der Betriebsvereinbarung.“
- 5
-
Die Betriebsvereinbarung Nr. 1 für das Bordpersonal der Eurowings vom 15. September 1993 (im Folgenden: BV Nr. 1) ist seinerzeit von der Arbeitgeberin und einer informell eingerichteten „Bordvertretung“ geschlossen worden. § 3 Abs. 8 der BV Nr. 1 lautet:
-
„Der Mitarbeiter kann unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten je nach betrieblichen Erfordernissen an einen anderen dienstlichen Wohnsitz versetzt werden und mit anderen im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Flugbetriebes der Eurowings liegenden Aufgaben im In- und Ausland betraut werden. Dies gilt auch bei vorübergehendem oder aushilfsweisem Einsatz in Zusammenhang mit dem Flug- und Verkehrsbetrieb.“
- 6
-
Der Manteltarifvertrag Nr. 2 für die Beschäftigten des Kabinenpersonals der Eurowings Luftverkehrs AG vom 15. März 2006 (im Folgenden: MTV Nr. 2), den die Beklagte anwendet, enthält in § 4 Abs. 6 ua. die nachfolgenden Regelungen:
-
„a)
Der Beschäftigte kann unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten, je nach den betrieblichen Erfordernissen, an einen anderen Einsatzort versetzt werden und mit anderen im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Flugbetriebes der Eurowings liegenden Aufgaben im In- und Ausland betraut werden. Bei Schwangerschaft ist EW berechtigt, die Beschäftigte für eine Diensttätigkeit am Boden einzusetzen, sofern auch die Zustimmung des örtlich zuständigen Bodenbetriebsrates vorliegt. Hierbei sind die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes zu beachten.
b)
Alle Beschäftigten, die zum 01.04.2004 an einen neuen dienstlichen Einsatzort versetzt worden sind, erhalten auf Antrag die Möglichkeit, auf eigene Kosten zu ihrem ehemaligen dienstlichen Einsatzort oder an eine 4-Base-Station zurückzukehren. Für diese einmalige Rückkehrmöglichkeit gilt eine Ausschlussfrist bis zum 30.06.2006. Der Rückkehrantrag muss innerhalb dieser Ausschlussfrist schriftlich bei der EW-Personalleitung eingegangen sein. EW wird eine Vorlaufzeit zur Umsetzung des Rückkehrantrages von 3 Monaten nach Antragstellung eingeräumt, und zwar zum Monatsersten des nach Ablauf dieses 3-Monatszeitraums folgenden Kalendermonats.
Die Rückkehrmöglichkeit gemäß b) Satz 1 gilt nicht für die Beschäftigten, denen ein unbefristeter Arbeitsvertrag an einem 4-Base-Standort angeboten wurde.“
- 7
-
Unter dem 24. Januar 2011 schlossen die Arbeitgeberin und die bei ihr auf der Basis des Tarifvertrags Personalvertretung Nr. 1 vom 19. März/7. April 2008 gebildete Personalvertretung für die Kabinenmitarbeiter (im Folgenden: PV Kabine) einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan. Aus Ziff. 2 des Interessenausgleichs ergibt sich, dass von den dienstlichen Einsatzorten Köln, Dortmund, Münster/Osnabrück, Hannover, München, Nürnberg, Paderborn, Stuttgart und Berlin aus keine Einsätze von Mitarbeitern mehr erfolgen und daher die diesen Einsatzorten zugeordneten Arbeitsplätze gestrichen werden. Nach Ziff. 1 des Interessenausgleichs wird der Einsatz der Mitarbeiter ausschließlich ab Düsseldorf oder Hamburg erfolgen. Die Versetzungen sollen zum 1. Juni bzw. 1. August 2011 durchgeführt werden. In Härtefällen können Arbeitnehmer bis zum 31. März 2014 an ihren bisherigen Einsatzorten bleiben (Ziff. 3 Buchst. e des Interessenausgleichs). Im Sozialplan vom 24. Januar 2011 sind unter bestimmten Voraussetzungen verschiedene Kompensationszahlungen an von Versetzungen betroffene Arbeitnehmer vorgesehen.
- 8
-
Am 24. März 2011 übergab die Beklagte der PV Kabine das Unterrichtungsschreiben vom 23. März 2011 und bat um Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung der Klägerin von ihrem bisherigen Einsatzort nach Düsseldorf.
- 9
-
Mit Schreiben vom 1. April 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie zum 1. Juni 2011 von ihrem bisherigen dienstlichen Einsatzort an den neuen dienstlichen Einsatzort Düsseldorf versetzt werde. Gegen diese arbeitgeberseitige Maßnahme wehrt sich die Klägerin mit ihrer Klage.
- 10
-
Unter dem 31. Mai 2011 kündigte die Beklagte „vorsorglich“ das Arbeitsverhältnis zum 30. November 2011 und bot der Klägerin zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit neuem dienstlichen Einsatzort Düsseldorf an. Die Klägerin nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt an. Auch gegen diese Änderungskündigung wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage.
- 11
-
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die arbeitgeberseitige Maßnahme vom 1. April 2011 sei unwirksam. Es fehle bereits an einer rechtlichen Versetzungsgrundlage. Der Dienstort sei vertraglich vereinbart und könne nicht einseitig geändert werden. Die Versetzung entspreche zudem nicht billigem Ermessen. Sie sei nicht durch betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt und treffe die Klägerin in ihren persönlichen Belangen übermäßig hart. Die Personalvertretung sei nicht ordnungsgemäß über die Versetzung unterrichtet worden. Die Änderungskündigung sei sozialwidrig.
- 12
-
Die Klägerin hat beantragt
-
1.
festzustellen, dass die Versetzung der Beklagten vom 1. April 2011 unwirksam ist,
2.
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch Änderungskündigung vom 31. Mai 2011 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.
- 13
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Versetzung sei nicht bereits nach dem Arbeitsvertrag ausgeschlossen. Der Vertrag lege den Arbeitsort nicht fest. Die Versetzung entspreche billigem Ermessen. Ihr liege die durch den Interessenausgleich festgeschriebene unternehmerische Entscheidung zugrunde, in Zukunft die Flugbegleiter nur noch von Düsseldorf und Hamburg aus einzusetzen, wo die Umläufe hauptsächlich begönnen. Ohne Versetzung müssten die nicht in Düsseldorf oder Hamburg stationierten Flugbegleiter - wie bisher schon in erheblichem Umfang - zu den Abflugorten gebracht werden, was unproduktive Kosten verursache. Diese Flugbegleiter stünden dann aufgrund der tarifvertraglichen Regelungen über die Flugdienstzeit nur noch mit geringeren Stundenzahlen zum Einsatz zur Verfügung. Durch die Verlagerung könne deshalb das Arbeitszeitpotenzial der Flugbegleiter besser genutzt werden. Die Versetzung halte einer Interessenabwägung stand, zumal die Klägerin mit anderen betroffenen Flugbegleiterinnen gemeinsam eine Wohnung am neuen Einsatzort anmieten und die sie treffenden Nachteile steuerlich geltend machen könne. Auch sehe der Sozialplan einen gewissen Ausgleich vor. Die vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung sei wirksam, weil die angebotenen Vertragsänderungen aus den Gründen der Versetzung gerechtfertigt seien.
- 14
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
- 15
-
Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis richtig entschieden. Die Klage ist unbegründet.
- 16
-
A. Die von der Beklagten ausgesprochene Versetzung ist wirksam. Die Beklagte war nach dem Arbeitsvertrag nicht daran gehindert, der Klägerin in Ausübung des Direktionsrechts einen anderen als den ursprünglichen Arbeitsort zuzuweisen (zu I). Die Versetzung hält auch der erforderlichen Ausübungskontrolle stand (§ 106 GewO). Die vom Landesarbeitsgericht vertretene Auffassung, einer Abwägung der Belange des Arbeitnehmers mit denen des Arbeitgebers bedürfe es bei Vorliegen einer nicht missbräuchlichen Unternehmerentscheidung nicht, ist zwar mit § 106 GewO nicht vereinbar(zu II). Diese unzutreffende rechtliche Bewertung hat sich jedoch auf das Ergebnis nicht ausgewirkt. Denn die vom Landesarbeitsgericht zur Begründung seiner Entscheidung selbständig tragend in Bezug genommenen Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils rechtfertigen die Klageabweisung. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Abwägung der beiderseitigen Interessen ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (zu III). Die Zustimmung der Personalvertretung gilt nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt(zu IV). Die Änderungsschutzklage hat keinen Erfolg (zu V).
- 17
-
I. Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, der Klägerin nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen(vgl. für einen gleich gelagerten Fall: BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 -).
- 18
-
1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen: BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 ff., BAGE 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein gegebenenfalls vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 16; 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 12).
- 19
-
a) Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 18; 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 15; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.
- 20
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b) Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB(BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 19).
- 21
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2. Die Auslegung des Arbeitsvertrags der Klägerin ergibt, dass ihr Einsatzort nicht vertraglich festgelegt ist.
- 22
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a) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei dem Arbeitsvertrag der Parteien um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, auf die die Vorschriften des § 305 ff. BGB zur Anwendung kommen. Die Parteien sind dieser angesichts des Erscheinungsbildes des Arbeitsvertrags sich aufdrängenden Annahme nicht entgegengetreten. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259).
- 23
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b) Der Arbeitsvertrag enthält keine das Direktionsrecht beschränkende Festlegung des Arbeitsorts.
- 24
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aa) Unter Ziff. 1 des Arbeitsvertrags ist vorgesehen, dass die Klägerin am Beschäftigungsort Münster/Osnabrück „eingestellt“ wird. Darin liegt keine vertragliche Beschränkung des Direktionsrechts auf Münster/Osnabrück als Arbeitsort. Die betreffende Passage des Vertrags ist mit „Beginn der Tätigkeit“ überschrieben und legt lediglich fest, wo die Arbeitnehmerin bei Vertragsbeginn ihre Arbeit aufnehmen soll. Die Regelung bestimmt nicht den Inhalt der geschuldeten Arbeitsleistung, sondern den Ort ihrer erstmaligen Ausübung. Die Regelung in § 3 Abs. 8 BV Nr. 1, nach der der Mitarbeiter unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten an einen anderen dienstlichen Wohnsitz versetzt werden kann, beschreibt den Umfang des Weisungsrechts, der ausdrücklich auch die Arbeitsleistung an anderen Orten einschließt.
- 25
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(1) Die BV Nr. 1 ist unstreitig keine Betriebsvereinbarung iSd. Betriebsverfassungsgesetzes. Sie gilt demnach nicht aufgrund von § 77 Abs. 4 BetrVG.
- 26
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(2) Bei der BV Nr. 1 handelt es sich um vom Arbeitgeber ohne kollektivrechtliche Grundlage mit Vertretern der Belegschaft verabredete Allgemeine Arbeitsbedingungen. Sie gelten nur dann, wenn die Parteien des Arbeitsvertrags ihre Geltung wirksam vereinbart haben.
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(3) Letzteres ist hier der Fall. Im Arbeitsvertrag ist die Geltung der „Betriebsvereinbarung“ ausdrücklich vorgesehen. Gemeint war die BV Nr. 1. Ein Exemplar wurde der Klägerin bei Vertragsschluss ausgehändigt.
- 28
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(4) Die damit gegebene Bezugnahme auf die Allgemeinen Arbeitsbedingungen (BV Nr. 1) als solche ist nicht nach § 305 ff. BGB zu beanstanden. Soweit allerdings auf die „jeweilige“ Fassung der Betriebsvereinbarung Bezug genommen wird, dürfte dies nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam sein(vgl. BAG 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 23 ff.; vgl. auch Preis NZA 2010, 361). Hierauf kommt es aber nicht an, da es allein um die bei Vertragsschluss ausgehändigte Fassung geht.
- 29
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(5) Die in Bezug genommene Klausel ist hinreichend eindeutig, transparent und angemessen. Sie knüpft die Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort an betriebliche Erfordernisse und enthält damit jedenfalls nicht weniger strenge Voraussetzungen als das Gesetz.
- 30
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bb) Zusätzlich ist die Versetzungsbefugnis durch § 4 Abs. 6 Buchst. a MTV Nr. 2, der für die Parteien kraft Verbandszugehörigkeit gilt und ebenfalls eine Versetzungsmöglichkeit bei betrieblichen Erfordernissen vorsieht, gegeben. Der Wortlaut der Regelung ist nahezu identisch mit § 3 Abs. 8 BV Nr. 1.
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c) Etwas anderes ergibt sich nicht aus den im Bereich der Luftfahrt geltenden Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten. Nach § 20 ArbZG iVm. § 5 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät(2. DV LuftBO) bzw. nach Art. 1 iVm. Ziff. 3.1 des Anhangs III Abschn. Q OPS 1.1090 der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 1, 223) ist die Beklagte verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber nicht die Verpflichtung, die Heimatbasis arbeitsvertraglich so festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts die Heimatbasis verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu benennt.
- 32
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d) Die Arbeitspflicht der Klägerin hat sich nicht dadurch auf den bisherigen Einsatzort räumlich konkretisiert, dass die Klägerin seit Vertragsbeginn im Wesentlichen von dort aus tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht - insbesondere auch nicht stillschweigend - getroffen.
- 33
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aa) Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 19 mwN). Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft aber regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - aaO).
- 34
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bb) Derartige besondere Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen. Sie sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Allein die lange Verweildauer am bisherigen Einsatzort lässt keinen Rückschluss darauf zu, die Parteien hätten - in Abänderung ihres Vertrags - nunmehr den bisherigen Ort zum vertraglich vereinbarten Arbeitsort bestimmt. Zu Recht weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, dass sich Gegenteiliges nicht aus § 4 Abs. 6 MTV Nr. 2 ergibt. Das Rückkehrrecht nach dessen Buchst. b sagt nichts darüber aus, ob die vorangegangene Bestimmung des Einsatzorts auf einer Vertragsänderung oder der Ausübung des Weisungsrechts beruhte.
- 35
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e) Die Auffassung der Revision, es handele sich bei der Maßnahme der Beklagten deshalb um eine nur durch Änderungskündigung durchsetzbare Vertragsänderung, weil die Versetzung mit einem beträchtlichen Eingriff in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung sowie in weitere maßgebliche Interessen der Klägerin verbunden sei, greift nicht durch.
- 36
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aa) Mit der Versetzung greift die Beklagte nicht in das vom Vertrag festgelegte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ein. Die Dauer der Arbeitszeit hat sich ebenso wenig geändert wie die Höhe der für die Arbeit zu leistenden Vergütung. Geändert hat sich zu einem gewissen Teil die von der Klägerin während der Arbeitszeit zu erbringende Tätigkeit. Sie besteht im Wesentlichen nur noch aus der an Bord verbrachten Zeit. Einen Anspruch, die Arbeitszeit nicht mit der Arbeit an Bord zu verbringen, hat die Klägerin nicht. Sie muss jetzt erheblich höhere Reisekosten für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsort tragen. Dies erhöht die mit der Berufsausübung verbundenen Belastungen, verringert jedoch nicht die vertraglich vereinbarte Arbeitsvergütung.
- 37
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bb) Auch die weiteren Beeinträchtigungen des persönlichen Lebens der Klägerin führen nicht dazu, dass die Ausübung des Weisungsrechts allein um deswillen die rechtliche Qualität einer Vertragsänderung aufwiese. Diese Umstände sind vielmehr, ebenso wie die Erhöhung der finanziellen Belastungen, bei der Ausübungskontrolle im Rahmen der Prüfung, ob die Beklagte bei der Versetzung billiges Ermessen gewahrt hat, zu berücksichtigen.
- 38
-
II. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, es habe bei der hier gegebenen Sachlage einer umfassenden Ausübungskontrolle nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB in Bezug auf die Versetzung nicht bedurft, ist unzutreffend. Sie steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.
- 39
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1. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein - hier freilich auf betriebliche Gründe beschränkter - nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat(vgl. BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 28; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48).
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2. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 22; bereits auch: 28. November 1989 - 3 AZR 118/88 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 63, 267).
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a) Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, so kommt dieser besonderes Gewicht zu. Eine unternehmerische Entscheidung führt aber nicht dazu, dass die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten. Das unternehmerische Konzept ist zwar nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Arbeitsgerichte können vom Arbeitgeber nicht verlangen, von ihm nicht gewollte Organisationsentscheidungen zu treffen. Wohl aber kann die Abwägung mit den Belangen des Arbeitnehmers ergeben, dass ein Konzept auch unter Verzicht auf die Versetzung durchsetzbar war.
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b) Die gegenteilige Auffassung des Landesarbeitsgerichts findet im Gesetz keine Stütze; § 106 GewO verlangt eine umfassende und offene Abwägung aller in Betracht kommenden Belange(BAG 17. August 2011- 10 AZR 202/10 - Rn. 28 ff.). Die unternehmerische Entscheidung ist dabei ein wichtiger, aber nicht der alleinige, sondern regelmäßig nur einer unter mehreren Abwägungsgesichtspunkten. Im Einzelfall können besonders schwerwiegende, zB auch verfassungsrechtlich geschützte Interessen des Arbeitnehmers entgegenstehen (vgl. BeckOK ArbR/Tillmanns Stand 1. März 2013 GewO § 106 Rn. 52 mit zahlreichen Nachweisen). Es kommt darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall die Weisung rechtfertigt (BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 31). Das ist der Fall, wenn die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung die Versetzung auch angesichts der für den Arbeitnehmer entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 412/11 - Rn. 37).
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3. Eine soziale Auswahl wie im Fall des § 1 Abs. 3 KSchG findet nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen Arbeitsorts ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden(vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 22, 25).
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III. Die Anwendung dieser Maßstäbe auf den Streitfall ergibt, dass die Versetzung der Klägerin billigem Ermessen entspricht. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, eine einzelfallbezogene Interessenabwägung habe in Fällen der vorliegenden Art nicht stattzufinden, steht zwar, wie ausgeführt, nicht mit dem Gesetz im Einklang. Jedoch ist die vom Landesarbeitsgericht als selbständig tragende Entscheidungsbegründung in Bezug genommene Würdigung des Arbeitsgerichts, die Beklagte habe bei der Ausübung ihres Weisungsrechts billiges Ermessen (§ 106 GewO, § 315 BGB) gewahrt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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1. Zutreffend ist die Würdigung, dass auf Seiten der Beklagten die unternehmerische Entscheidung zur Neuordnung der Stationierung der Flugbegleiter zu berücksichtigen ist. Die Zweckmäßigkeit dieser Neuordnung war auch keiner Kontrolle zu unterziehen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die Neuordnung sei etwa nur vorgeschoben, um lästig gewordene Vertragspflichten abzuschütteln. Anzeichen für Missbräuchlichkeit der Reorganisation als solcher sind nicht erkennbar. Angesichts des Umstands, dass die Beklagte seit dem Juni 2010 ihre Flugumläufe nahezu ausschließlich von Düsseldorf und Hamburg beginnen ließ, ist die Entscheidung, dort auch die Flugbegleiter zu stationieren, naheliegend. Auch die von der Beklagten vorgelegten Aufstellungen über die Auslastung des Personals mit Flugarbeitszeit zeigen, dass die getroffenen Entscheidungen einleuchtend sind. Das gilt selbst dann, wenn die Beklagte nicht aus jeder einzelnen Versetzung finanziellen Nutzen zieht. Einer durch viele Einzelmaßnahmen umgesetzten Neuordnung kann die Plausibilität nicht mit der Begründung abgesprochen werden, einer oder mehrere Teilakte seien für sich genommen nicht gewinnbringend. Für die Beurteilung der unternehmerischen Entscheidung ist vielmehr ihr Gesamtkonzept maßgeblich. Die Entscheidung ist ersichtlich nicht etwa nur für einen kurzen Zeitraum oder unter dem Vorbehalt alsbaldiger Änderung getroffen worden. Vielmehr zeugen die umfangreichen Reorganisationen der Beklagten von dem anhaltend, ernsthaft und nachdrücklich verfolgten Bestreben, ihre Tätigkeit auf die beiden Orte Hamburg und Düsseldorf zu konzentrieren. Auch der Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan sowie insbesondere die Zusage, bis zum Jahr 2015 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, zeigen, dass die Entscheidung der Beklagten auf langfristigen Überlegungen und Berechnungen beruht.
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2. Das Interesse der Klägerin an der Beibehaltung ihres bisherigen Einsatzorts muss demgegenüber zurücktreten. Unzumutbare persönliche, familiäre oder sonstige außervertraglich entstandene Belastungen hat die Klägerin nicht vorgetragen. Von Bedeutung ist dabei, dass der Tätigkeit einer Flugbegleiterin eine gewisse Volatilität stets innewohnt und die Erwartung der sozialen und sonstigen Vorteile eines ortsfesten Arbeitseinsatzes zu dauerhaft unveränderten Zeiten vom Vertragszweck von vornherein nicht gedeckt sein kann. Die Versetzung unterstreicht diese Besonderheiten, verursacht sie aber nicht. Die zweifellos auftretenden Unbequemlichkeiten und zusätzlich entstehenden Kosten muss die Klägerin hinnehmen, wie das Arbeitsgericht nachvollziehbar angenommen hat. Sie gehen im Grundsatz nicht über das hinaus, was Arbeitnehmern regelmäßig zugemutet wird, nämlich die Belastungen des Wegs zur und von der Arbeit zu tragen. Aufgrund des abgeschlossenen Sozialplans gewährt die Beklagte einen nicht unbeachtlichen finanziellen Ausgleich. Insbesondere hatte die Klägerin auch die Möglichkeit, den Misslichkeiten einer längeren Anfahrt zum Arbeitsort durch einen Umzug auszuweichen.
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IV. Die Versetzung ist nicht nach § 117 Abs. 2, § 99 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat die PV Kabine mit Schreiben vom 23. März 2011 unterrichtet. Inwiefern die Unterrichtung nicht ausreichend gewesen sein soll, ist nicht erkennbar. Der angegebene Versetzungsgrund war die Reduzierung der Einsatzorte auf zwei. Damit war nicht ausgeschlossen, dass übergangsweise noch einzelne Umläufe von anderen Einsatzorten aus stattfanden. Insbesondere sieht die im Interessenausgleich vorgesehene Härtefallregelung eine zeitliche Übergangsphase für die Versetzungen ausdrücklich vor. All dies ändert nichts an der für die Versetzung maßgeblichen Grundentscheidung. Dass die Beklagte ihr bekannte und wesentliche Umstände gegenüber der PV Kabine verschwiegen hätte, ist nicht ersichtlich. Die Personalvertretung hat auch keine Nachfragen angebracht. Nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt ihre Zustimmung als erteilt.
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V. Die erhobene Änderungsschutzklage ist unbegründet. Hat der Arbeitnehmer - wie hier - das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt angenommen und Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG erhoben, streiten die Parteien nicht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit nicht über die Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung, sondern nur über die Berechtigung des Angebots auf Änderung der Arbeitsbedingungen. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist allein der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 25/11 - Rn. 20; 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 13, BAGE 140, 328; 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17). Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die sich schon durch die Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO durchsetzen lassen, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine „Änderung der Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG. Soll der bestehende Vertragsinhalt nicht geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor; die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Die Änderungskündigung ist „überflüssig“. Eine Änderungsschutzklage ist dann unbegründet (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 25/11 - Rn. 21; 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 14, aaO).
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B. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen der Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
-
Mikosch
Mestwerdt
Schmitz-Scholemann
Schürmann
R. Bicknase
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Dezember 2008 - 11 Sa 817/08 - wird zurückgewiesen, soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 15. April 2008 - 5 Ca 3435/07 - hinsichtlich der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen hat.
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Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des gesamten Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung sowie darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristlosen und hilfsweise fristgemäßen verhaltensbedingten Kündigung der Beklagten beendet worden ist.
- 2
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Die Beklagte ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Sie unterhält mehrere Niederlassungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Darüber hinaus ist sie ein Unternehmen des international tätigen Konzerns P. Andere Konzernunternehmen sind außerhalb Deutschlands in verschiedenen Staaten tätig.
-
Die 1965 geborene Klägerin ist seit dem 1. Juli 2000 als Steuerberaterin/Managerin in der Niederlassung Bielefeld der Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 23. Mai 2000 heißt es ua. wie folgt:
-
„§ 1 Beginn und Inhalt des Arbeitsverhältnisses
1.
Sie werden ab 1. Juli 2000 als Manager für den Bereich TLS in unserer Niederlassung Bielefeld eingestellt.
2.
P behält sich das Recht vor, Sie im Bedarfsfall auch an einem anderen Arbeitsort und/oder bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns P entsprechend Ihrer Vorbildung und Ihren Fähigkeiten für gleichwertige Tätigkeiten einzusetzen. Hierbei werden Ihre persönlichen Belange angemessen berücksichtigt.
...“
- 4
-
Im Oktober 2007 fanden Gespräche zwischen den Parteien über einen zukünftigen Einsatz der Klägerin in München statt. Am 19. Oktober 2007 unterrichtete die Beklagte den in ihrer Niederlassung Bielefeld bestehenden Betriebsrat „gem. § 99 BetrVG“ über die beabsichtigte Versetzung der Klägerin zur Niederlassung München. Sie bat um Stellungnahme. Dem Betriebsrat wurde weiter mitgeteilt, die Klägerin solle ab dem 1. Dezember 2007 als „Managerin im Bereich Tax Human Resources Services“ zur Niederlassung München versetzt werden. Am 25. Oktober 2007 teilte der Betriebsrat der Niederlassung Bielefeld der Beklagten mit, er werde keine Stellungnahme abgeben. Mit identischem Formblatt und identischer Information unterrichtete die Beklagte unter dem 26. Oktober 2007 den Betriebsrat ihrer Niederlassung München. Dieser erklärte mit Datum vom 31. Oktober 2007, er werde keine Stellungnahme abgeben. Mit Schreiben vom 1. November 2007 versetzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung zum 1. Dezember 2007 zur Niederlassung München als „Manager in dem Bereich Tax Human Resources Services“. Unter dem 29. November 2007 kündigte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten an, die Klägerin werde die Stelle in München nicht antreten. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 30. November 2007 darauf hin, dass sie in diesem Fall arbeitsrechtliche Schritte einleiten werde. Sie werte das Verhalten der Klägerin als Arbeitsverweigerung. Am 3. Dezember 2007 bot die Klägerin ihre Arbeitskraft in der Niederlassung Bielefeld tatsächlich an. Sie wurde aufgefordert, die Niederlassung zu verlassen und ihre Gebäudezutrittskarte herauszugeben. Die Arbeit in München nahm die Klägerin nicht auf. Mit Datum vom 4. Dezember 2007 hörte die Beklagte den Betriebsrat der Niederlassung Bielefeld zu einer beabsichtigten außerordentlichen sowie hilfsweisen ordentlichen Kündigung der Klägerin wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung an. Der Betriebsrat gab keine Stellungnahme ab.
- 5
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Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. März 2008 wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung.
- 6
-
Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin zuletzt gegen die Versetzung sowie die Kündigungen.
- 7
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Sie hat die Auffassung vertreten, die Versetzung und die Kündigungen seien unwirksam. Die Beklagte könne sich nicht auf eine fehlende Auslastung in Bielefeld berufen. Die Niederlassung Bielefeld sei seit Jahren nicht voll ausgelastet. Zudem sei die Klägerin eine der dienstältesten Mitarbeiterinnen dieser Niederlassung. Die Beklagte habe auch zum 1. September 2007 neue Mitarbeiter eingestellt. So sei die Mitarbeiterin W mit einer vergleichbaren Arbeitstätigkeit in der Niederlassung Bielefeld noch im September 2007 eingestellt worden. Weiterhin sei im Jahr 2007 in der Steuerabteilung Bielefeld eine neue Managerstelle geschaffen worden. Dort sei seit dem 1. Juni 2000 Herr S tätig. Er übe dieselbe Tätigkeit aus wie die anderen Steuerberater der Steuerabteilung Bielefeld. Die Beklagte habe zudem über offene Stellen verfügt, die deutlich näher am Wohnort der Klägerin gelegen seien als der Versetzungsort München.
- 8
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Da die Versetzung nicht wirksam sei, habe sie keine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen. Zudem sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.
-
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
-
festzustellen, dass ihre Versetzung vom 1. Dezember 2007 als Managerin in den Bereich Tax Human Resources Services nach München unwirksam ist;
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 11. Dezember 2007 nicht aufgelöst worden ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Versetzung sei wirksam. Für die Klägerin sei in Bielefeld kein Beschäftigungsbedarf mehr gegeben. Soweit sie neue Mitarbeiter eingestellt habe, seien diese mit der Klägerin nicht vergleichbar. Wegen eines Großkunden sei es erforderlich gewesen, die Stelle in München kurzfristig zu besetzen. Soweit offene Stellen ausgewiesen seien, erfülle die Klägerin die Voraussetzungen teilweise nicht.
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Die Kündigungen seien deshalb wirksam, weil die Klägerin eine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen habe. Der Bielefelder Betriebsrat sei auch ordnungsgemäß beteiligt worden. Er habe mit Datum vom 10. Dezember 2007, 18:35 Uhr, per E-Mail mitgeteilt, dass er keine Stellungnahme abgebe.
- 12
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
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Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist nur hinsichtlich der Versetzung begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte der Klage nicht stattgegeben werden. Wegen fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nicht abschließend darüber entscheiden, ob die Versetzung unwirksam ist. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
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A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag benachteilige die Klägerin unangemessen. Sie sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent, da sie der Beklagten das Recht einräume, die Klägerin ohne weitere Einschränkungen eines zulässigen Entfernungsradius’ und ohne Ankündigungsfrist zu allen Betrieben des Bundesgebiets und darüber hinaus zu den international tätigen Konzernunternehmen zu versetzen. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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I. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts genügt die Versetzungsklausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags den Erfordernissen einer Kontrolle am Maßstab der §§ 307 ff. BGB. Die Beklagte ist grundsätzlich berechtigt, den Ort der Arbeitsleistung der Klägerin innerhalb des Bundesgebiets nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Die Klausel ist auch nicht intransparent.
- 17
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1. Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel unterliegt nicht der Angemessenheitskontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie ist nur auf Unklarheit(§ 305c Abs. 2 BGB)und Transparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) zu untersuchen.
- 18
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2. Im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 23. Mai 2000 stellte die Beklagte Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB auf. Sie bot der Klägerin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen in dieser Form an. Die Parteien handelten die Vertragsbedingungen nicht nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB aus.
- 19
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Die Regelungen zur Gestaltung der Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes finden kraft geänderter Bereichsausnahme in § 310 Abs. 4 BGB auch auf das Arbeitsrecht Anwendung. Für sie gilt die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB. Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ist auf Schuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Recht weiter anzuwenden. Das gilt nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auch für „Dauerschuldverhältnisse” mit der Maßgabe, dass ab dem 1. Januar 2003 das neue Recht Anwendung findet. Seitdem sind die neu gefassten §§ 305 bis 310 BGB anzuwenden. Vertrauensschutz hat der Gesetzgeber damit nur bis zum 31. Dezember 2002 eingeräumt(Senat 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 34, AP BGB § 307 Nr. 26).
- 20
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3. Es kann dahinstehen, ob die der Beklagten eingeräumte Befugnis, die Klägerin auch bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns einzusetzen, der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB standhielte. Die davon abtrennbare Befugnis, die Klägerin zu einem anderen Arbeitsort im Bundesgebiet zu versetzen, ist jedenfalls nicht unwirksam.
- 21
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a) Eine Unwirksamkeit der Konzernversetzungsklausel würde nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Versetzungsklausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags führen. Die Beklagte beruft sich im vorliegenden Fall nicht auf eine „Versetzungsbefugnis“ zu einer anderen Konzerngesellschaft, sondern nur auf die zu ihrer eigenen Niederlassung in München.
- 22
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aa) § 306 Abs. 1 BGB enthält eine kodifizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB und bestimmt, dass bei Teilnichtigkeit grundsätzlich der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibt. Die Anwendung dieses Grundsatzes entspricht der Interessenlage beider Arbeitsvertragsparteien(ErfK/Preis 10. Aufl. § 611 BGB Rn. 342 mwN) . Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle nach § 306 Abs. 2 BGB das Gesetz. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. blue-pencil-tests durch Streichung des unwirksamen Teils mit einem „blauen Stift” zu ermitteln (BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44; 12. März 2008 - 10 AZR 152/07 - Rn. 28, AP BGB § 305 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 33 ) . Ist die verbleibende Restregelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist also, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind dann für sich jeweils verschiedene, nur formal verbundene Vertragsbedingungen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36).
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bb) Die Befugnis zur Versetzung zu anderen Konzerngesellschaften und die Befugnis zur Versetzung an einen anderen Arbeitsort sind inhaltlich abtrennbar. Dies kommt sprachlich darin zum Ausdruck, dass § 1 Nr. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags zwischen beiden Befugnissen(„und/oder“) unterscheidet. Die Konzernversetzungsklausel kann problemlos vollständig gestrichen werden. Trotzdem bleibt die übrige Versetzungsklausel äußerlich und inhaltlich unverändert und behält ihre Selbständigkeit und ihren spezifischen Zweck. Eine etwaige Unwirksamkeit der Konzernversetzungsklausel berührt deshalb nicht die verbleibende Regelung.
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b) Die in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags geregelte Befugnis der Beklagten, die Klägerin auch an einen anderen Arbeitsort zu versetzen, unterliegt nicht der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie stellt keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar und unterliegt deshalb nicht der Kontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, §§ 308 und 309 BGB.
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aa) Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel entspricht materiell der Regelung in § 106 Satz 1 GewO. Danach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.
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bb) Nichts anderes bestimmt die Klausel in § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags. Danach steht das Direktionsrecht der Beklagten nur unter dem Vorbehalt auch der Beachtung der persönlichen Belange der Klägerin zu. Die Zuweisung darf zudem nur für gleichwertige Tätigkeiten erfolgen. Somit kann sich die Beklagte, wie es auch § 106 Satz 1 GewO verlangt, bei der Ausübung ihres Direktionsrechts aufgrund der arbeitsvertraglichen Zuweisungsklausel nicht allein von ihren Interessen leiten lassen. Sie hat einen angemessenen Ausgleich der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Die Klausel entspricht damit der Regelung in § 106 GewO.
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cc) Die Befugnis der Beklagten, die Klägerin an einen anderen Ort des Unternehmens gemäß § 106 GewO versetzen zu dürfen, wird nicht dadurch eingeschränkt, dass sie nach § 1 Nr. 1 des Arbeitsvertrags in der Niederlassung Bielefeld eingestellt wurde. Die Festlegung eines bestimmten Orts in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert die Beschränkung auf einen bestimmten Ort(vgl. Preis/Genenger NZA 2008, 969, 970). Es wird klargestellt, dass weiter § 106 Satz 1 GewO und damit die Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte gilt.
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c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Klausel nicht intransparent. Das Berufungsgericht meint zu Unrecht, die Klausel sei intransparent, weil weder der zulässige Entfernungsradius noch eine Ankündigungsfrist für die Versetzung bestimmt sei. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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aa) Die Versetzungsklausel unterliegt als kontrollfreie Hauptabrede(§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB)sowohl der Unklarheitenregelung des § 305 Abs. 2 BGB als auch der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ist jedoch weder unklar noch intransparent.
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bb) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen insoweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben(Senat 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 40, BAGE 118, 22) .
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cc) Nach diesen Grundsätzen war es nicht zwingend notwendig, Ankündigungsfristen oder den zulässigen Entfernungsradius in die Vertragsklauseln aufzunehmen. § 106 GewO sowie entsprechende Versetzungsklauseln tragen dem im Arbeitsrecht bestehenden spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis Rechnung. Der Arbeitsvertrag bedarf als Dauerschuldverhältnis einer ständigen, bei Vertragsschluss gedanklich nicht vorwegnehmbaren Anpassung. Die Einflussfaktoren sind im Arbeitsrecht so zahlreich und vielgestaltig, dass gesicherte Prognosen kaum möglich sind(Senat 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 35, BAGE 118, 22; zustimmend Hunold NZA 2007, 19). Eine Konkretisierungsverpflichtung würde nicht dem Bedürfnis des Arbeitgebers gerecht, auf im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorhersehbare Veränderungen reagieren zu können. Zudem wird ein Zwang zur Konkretisierung entweder zu Leerformeln wie „sachlicher Grund“ oder zu einer ausufernden Aufzählung aller in einer möglicherweise fernen Zukunft einmal in Betracht kommenden Sachverhalte führen. Das trägt nicht notwendigerweise zur Erhöhung der Transparenz bei. Demgegenüber ist aus der hier verwandten Klausel für jeden Arbeitnehmer zweifelsfrei erkennbar, dass eine Versetzung an alle Arbeitsorte des Unternehmens in Betracht kommt. Das entspricht dem weitgehenden Bestimmungsrecht, das das Gesetz dem Arbeitgeber einräumt. Nach § 106 Satz 1 GewO kann er Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Die Regelung in § 106 Satz 1 GewO trägt damit der Gegebenheit Rechnung, dass Arbeitsverträge nur eine rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht festlegen können.
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dd) Wie im Schrifttum vorgeschlagen(vgl. Hunold NZA 2007, 19, 22), kann eine Klausel, in der sich der Arbeitgeber die Änderung des Arbeitsorts vorbehält, dem Arbeitnehmer durch Vorgaben hinsichtlich der Regionen, des Entfernungsradius’ und der Mindestkündigungsfristen Klarheit verschaffen, innerhalb welcher Grenzen und Fristen der Arbeitgeber von seiner örtlichen Versetzungsbefugnis Gebrauch machen will. Derartige Festlegungen sind wünschenswert, jedoch nicht zwingend zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderlich. Der Arbeitnehmer wird durch die vom Gericht nach § 106 GewO, § 315 BGB durchzuführende Ausübungskontrolle vor unbilliger Überforderung geschützt. Das betrifft sowohl die Frage der zulässigen Entfernung als auch die Berücksichtigung von Ankündigungsfristen. Hinzu kommen noch die nach der Betriebsverfassung zugunsten des Arbeitnehmers eingreifenden Bestimmungen, die den Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts beschränken. Dazu gehören insbesondere das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG mit dem Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats aus § 99 Abs. 2 Nr. 2 und 4 BetrVG sowie das Recht des Betriebsrats aus § 95 Abs. 2 BetrVG, die Aufstellung von Richtlinien für Versetzungen auch im Hinblick auf einzuhaltende soziale Gesichtspunkte zu verlangen. Der Umstand, dass der Gesetzgeber den Betriebspartnern einen derartigen weiten Regelungs- und Beurteilungsspielraum eingeräumt hat, spricht dafür, dass § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB keine zwingenden Vorgaben für eine Versetzungsklausel enthalten muss. Unter Berücksichtigung der in § 106 GewO und §§ 95, 99 BetrVG geregelten Besonderheiten ist die hier zu beurteilende weite örtliche unternehmensinterne Versetzungsklausel nicht als unangemessene Benachteiligung anzusehen.
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II. Das Landesarbeitsgericht hat aus seiner Sicht konsequent keine Ausübungskontrolle vorgenommen. Für die Prüfung, ob die Versetzung der Klägerin von Bielefeld nach München billigem Ermessen entspricht(§ 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB), bedarf es weiterer Feststellungen.
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1. Der Ort, an dem die Klägerin ihre Arbeitsleistungen erbringen muss, hat sich nicht auf die Niederlassung Bielefeld konkretisiert. Das Weisungsrecht der Beklagten ist deshalb nicht auf Bielefeld als Arbeitsort beschränkt.
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a) Arbeitspflichten können sich nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Dazu genügt jedoch nicht schon der bloße Zeitablauf. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Arbeitnehmer erkennen kann und vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll(Senat 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 50, AP BGB § 307 Nr. 26).
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b) Zwar ist die Klägerin bereits langjährig in der Niederlassung Bielefeld beschäftigt worden. Es fehlt jedoch an besonderen Umständen, denen sie hätte entnehmen können, dass sie künftig nicht an einem anderen Arbeitsort eingesetzt würde. Dass ein Arbeitnehmer sich im Lauf der Zeit bezüglich der Gestaltung seines persönlichen Umfelds an der ausgeübten Tätigkeit und insbesondere am Ort seiner Arbeitsleistung ausrichtet, ist nur eine Folge der langjährigen Tätigkeit und begründet, ohne dass weitere Umstände hinzutreten, keine Konkretisierung auf einen bestimmten Arbeitsort.
- 37
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2. Der Senat kann nicht abschließend darüber entscheiden, ob die Versetzung von Bielefeld nach München billigem Ermessen entspricht.
- 38
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a) Nach § 106 Satz 1 GewO hat der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben. Auch wenn die Versetzung des Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag zulässig ist, muss die Ausübung des Direktionsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO billigem Ermessen entsprechen. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.
- 39
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aa) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist dann geboten, wenn die maßgeblichen Tatsachen feststehen und nur eine bestimmte Entscheidung dem Maßstab der Billigkeit entspricht(vgl. Senat 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 29 mwN, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31).
- 40
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bb) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Bewertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören im Arbeitsrecht die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen(Senat 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 22, EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 18; BAG 28. November 1989 - 3 AZR 118/88 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 63, 267).
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b) Hier sind die für die Kontrolle der Ermessensausübung wesentlichen Tatsachen zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte hat sich insbesondere darauf berufen, der Arbeitsplatz der Klägerin in Bielefeld sei ersatzlos weggefallen. Sie werde in der Niederlassung München wegen eines Großkunden dringend benötigt. Die Klägerin hat sich darauf gestützt, sie sei die dienstälteste Mitarbeiterin in der Niederlassung Bielefeld, es gebe Beschäftigungsmöglichkeiten in Niederlassungen, die näher an ihrem Wohnort lägen, und sie erfülle nicht das Stellenprofil der übertragenen Tätigkeit in der Niederlassung München. Das Landesarbeitsgericht wird diese Umstände aufzuklären haben.
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B. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 erklärte außerordentliche und die hilfsweise ordentliche Kündigung unwirksam sind. Dies folgt entweder aus § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats in München oder aus dem Fehlen der die Kündigungen rechtfertigenden Gründe gemäß § 1 Abs. 2 KSchG und § 626 Abs. 1 BGB. Sollte die Versetzung unwirksam sein, musste die Klägerin nicht in München arbeiten. Sollte die Versetzung wirksam sein, hätte die Beklagte den Betriebsrat der Niederlassung München zu den Kündigungen anhören müssen.
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I. Welcher Betriebsrat nach § 102 BetrVG zu beteiligen ist, richtet sich nach der Wirksamkeit der Versetzung.
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1. Beteiligt der Arbeitgeber einen nicht zuständigen Betriebsrat an einer beabsichtigten Kündigung, so fehlt es an einer ordnungsgemäßen Anhörung iSv. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat desjenigen Betriebs anhören, zu dessen Belegschaft der zu kündigende Arbeitnehmer gehört(BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 149/04 - zu B I 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 145 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 13).
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2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Betriebsrat der Niederlassung München sei als zuständiger Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigungen vom 11. Dezember 2007 anzuhören gewesen. Aufgrund der ausgesprochenen Versetzung sei die Klägerin der Niederlassung München betrieblich zugeordnet worden. Unabhängig von der Wirksamkeit der Versetzung sei der Betriebsrat der Niederlassung München damit zuständig für eine nach der Zuordnung auszusprechende Kündigung geworden. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gelten als Betriebsangehörige im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zum Inhaber des Betriebs stehen und innerhalb der Betriebsorganisation des Arbeitgebers abhängige Arbeitsleistungen erbringen(BAG 22. März 2000 - 7 ABR 34/98 - zu B II 2 a aa der Gründe mwN, BAGE 94, 144). Es kann dahinstehen, ob hierzu die Eingliederung in die Arbeitsorganisation genügt (so Schneider/Homburg in Däubler/Kittner/Klebe/Wedde BetrVG 12. Aufl. § 7 Rn. 5). Fehlt, wie hier, eine solche tatsächliche Eingliederung, kommt es auf die Zuordnung an.
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b) Die Klägerin war weder in die Niederlassung Bielefeld noch in die Niederlassung München tatsächlich eingegliedert. Die Beklagte hat der Klägerin in Bielefeld keine Arbeit zugewiesen. Die Klägerin hat die Erfüllung der ihr in München zugewiesenen Arbeitsaufgaben dauerhaft verweigert. Bei einer solchen fehlenden tatsächlichen Eingliederung in einen Betrieb verliert der Arbeitnehmer nicht seine Betriebszugehörigkeit. Diese ist nicht von einer steten Eingliederung in einen Betrieb abhängig. So wird sie nicht durch Abwesenheitszeiten wie Erholungsurlaub, Arbeitsunfähigkeit oder Elternzeit unterbrochen(Kreutz/Raab in GK-BetrVG 9. Aufl. § 7 Rn. 22). Entscheidend ist allein, ob noch eine spätere Wiederaufnahme der Arbeit vorgesehen ist (vgl. BAG 16. April 2003 - 7 ABR 53/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 106, 64). Das ist bei der Klägerin der Fall. Die Parteien haben zum Zeitpunkt der Anhörung des Betriebsrats in München gemäß § 102 BetrVG nicht darüber gestritten, ob die Klägerin tatsächlich arbeiten soll, sondern nur darüber, in welchem Betrieb. Für die Beantwortung dieser Frage ist maßgeblich, in welcher Niederlassung eine Arbeitspflicht der Klägerin bestand und damit, ob die Versetzung nach München wirksam war. Deshalb hängt die Zuordnung der Klägerin zu einer bestimmten Niederlassung und damit die Zuständigkeit eines Betriebsrats zur Anhörung nach § 102 BetrVG entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts von der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Versetzung ab.
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II. Demnach könnte der Betriebsrat in der Niederlassung Bielefeld nur zuständig gewesen sein, wenn die Klägerin der Niederlassung München nicht wirksam zugeordnet worden wäre. In diesem Fall stellte die Weigerung der Klägerin, die Arbeit in München aufzunehmen, keine Vertragspflichtverletzung dar. Sollte die Klägerin demgegenüber der Niederlassung München wirksam zugeordnet gewesen sein, so fehlte es an der ordnungsgemäßen Anhörung des für das Verfahren nach § 102 BetrVG zuständigen Betriebsrats der Niederlassung München.
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Düwell
Gallner
Krasshöfer
Jungermann
Pfelzer
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Tenor
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1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. November 2011 - 8 Sa 1021/11 - wird zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung restlicher Weihnachtsgratifikationen für die Jahre 2007 bis 2010 in Anspruch.
- 2
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Der Kläger trat im Jahre 1995 in die Dienste der Beklagten, die ein Unternehmen für Maschinenbau betreibt. Er war bis zu seinem Ausscheiden im Januar 2012 als Zerspanungsmechaniker tätig und erzielte eine monatliche Vergütung von rund 3.000,00 Euro brutto.
-
Im Arbeitsvertrag vom 5. Dezember 2005, der zuletzt die Zusammenarbeit der Parteien regelte, heißt es ua.:
-
„§ 6 Vergütungen
…
+ Weihnachtsgratifikation
50 % bei einer Betriebszugehörigkeit von mind. 6 Monaten
100 % bei einer Betriebszugehörigkeit von 12 Monaten
von der vom Arbeitgeber jeweils pro Jahr festgelegten Höhe der Weihnachtsgratifikation.
Sie wird zusammen mit dem Novemberlohn/-gehalt im jeweiligen Jahr ausgezahlt.
...
Endet das Arbeitsverhältnis vor dem 31.03. des folgenden Jahres durch Kündigung des Arbeitnehmers, sind jegliche - auch anteilige - Ansprüche auf das Weihnachtsgeld ausgeschlossen. Eine Aufhebungsvereinbarung oder ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses stehen einer Kündigung gleich.
Der Arbeitgeber ist in diesem Fall berechtigt, das Weihnachtsgeld zurückzufordern und mit einer Rückzahlungsforderung gegen alle etwaigen fälligen bzw. noch fällig werdenden Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers unter Beachtung der Pfändungsschutzbestimmungen aufzurechnen.“
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Gleichlautende Regelungen vereinbarte die Beklagte mit ihren übrigen Mitarbeitern.
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Der Kläger erhielt im Jahr 2001 Weihnachtsgeld in Höhe von 55 % des Monatsgrundlohns. In den Jahren 2002 und 2003 belief sich die Höhe auf jeweils 40 %, im Jahr 2004 auf 31,4 % und im Jahr 2005 auf 25 % des damaligen Grundlohns. Für das Jahr 2006 ist zwischen den Parteien streitig, ob ein Weihnachtsgeld in Höhe von nur 8 % oder von rund 30 % des Grundlohns gezahlt wurde. Im Jahr 2007 erhielt der Kläger ein Weihnachtsgeld in Höhe von 524,00 Euro brutto, im Jahr 2008 in Höhe von 393,00 Euro brutto. In den Jahren 2009 und 2010 wurde wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage kein Weihnachtsgeld gezahlt. Stattdessen erhielt der Kläger im Jahr 2010 als „kleines Dankeschön“ zwei Tankgutscheine über je 25 Liter Kraftstoff.
- 6
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Der Kläger hat die Zahlung von Weihnachtsgeld in Anlehnung an tarifliche Vorschriften der Metallbranche verlangt. Die Regelung im Arbeitsvertrag benachteilige ihn unangemessen und sei unwirksam. An ihre Stelle trete die branchenübliche Regelung der Metallindustrie, die ein Weihnachtsgeld in Höhe von 55 % des Monatsverdienstes vorsehe. Daraus ergebe sich - nach Abzug der bereits erbrachten Leistungen - die für den Zeitraum 2007 bis 2010 eingeklagte Summe.
-
Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.847,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Dezember 2010 zu zahlen.
- 8
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe nach dem Vertrag ein Leistungsbestimmungsrecht, von dem sie angesichts der jeweiligen wirtschaftlichen Lage in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht habe.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
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I. Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben richtig entschieden. Die Klage ist unbegründet.
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1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung des eingeklagten Betrags. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 6 des Arbeitsvertrags. Die Vorschrift legt keine bestimmte Höhe für die Sonderzahlung fest.
- 12
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2. Der Kläger kann seinen Anspruch nicht auf § 612 BGB iVm. tariflichen Vorschriften über Sonderzahlungen stützen. Voraussetzung hierfür wäre die Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Regelung zur Weihnachtsgratifikation. § 6 Abs. 4 des Arbeitsvertrags ist jedoch wirksam.
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a) Die Vorschrift regelt die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation. Entgegen der Auffassung des Klägers beinhaltet sie keinen Freiwilligkeitsvorbehalt. Sie gewährt dem Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation in einer von der Beklagten nach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) festzulegenden Höhe. Die Höhe der Gratifikation musste, da der Kläger länger als zwölf Monate beschäftigt war, 100 % der von der Beklagten festzusetzenden Gratifikation betragen. Das ergibt die Auslegung der Vertragsklausel.
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b) Die Regelung der Weihnachtsgratifikation ist im Arbeitsvertrag unter der Überschrift „Vergütungen“ enthalten. Sie beschreibt in Vomhundertsätzen die Höhe der zu leistenden Zahlung und legt den Zahlungstermin (jeweils mit dem Novemberlohn) fest. Als Anspruchsvoraussetzung für die Entstehung des Anspruchs dem Grunde nach ist bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis nicht am 31. März des Folgejahres vom Arbeitnehmer gekündigt, nicht durch Aufhebungsvertrag beendet und auch nicht ruhend gestellt ist. Der Anspruch ist damit weder an Arbeitsleistung im Bezugszeitraum noch an weitere Voraussetzungen geknüpft. Irgendein Vorbehalt oder eine Widerrufsmöglichkeit für den Arbeitgeber ist nicht vorgesehen. Allerdings ist die Höhe des Anspruchs nicht im Vertrag bestimmt. Von ihr ist gesagt, sie sei vom Arbeitgeber jeweils festzusetzen. Damit ist hinreichend deutlich, dass einerseits ein Anspruch vereinbart werden sollte, andererseits die Bestimmung der Höhe dem Arbeitgeber vorbehalten sein sollte. Für derartige Vertragsregelungen legt § 315 Abs. 1 BGB fest, dass die Leistungsbestimmung billigem Ermessen zu entsprechen hat und dass bei unterlassener oder verzögerter Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen eine Festsetzung durch das Gericht erfolgt(§ 315 Abs. 3 BGB).
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c) Mit diesem Inhalt hält § 6 Abs. 4 des Arbeitsvertrags der Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB stand.
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aa) § 6 Abs. 4 des Arbeitsvertrags enthält keinen unzulässigen Änderungsvorbehalt iSd. § 308 Nr. 4 BGB.
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(1) Gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte im Sinne von § 315 ff. BGB fallen jedoch nicht unter § 308 Nr. 4 BGB, wenn sie darauf beschränkt sind, dem Verwender die erstmalige Festlegung seiner Leistung zu ermöglichen(BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 32 mwN, NZA 2013, 148).
- 18
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(2) So liegt es hier. Der vertragliche Anspruch des Klägers ist nicht auf eine bestimmte Gegenleistung für erbrachte Arbeit, sondern auf Entscheidung nach billigem Ermessen über die Höhe der Gratifikation und gegebenenfalls ihre Auszahlung im November des Bezugsjahres gerichtet. Die Beklagte entscheidet jährlich jeweils neu über die Höhe der Gratifikation.
- 19
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bb) Die vertragliche Regelung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).
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(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 29, BAGE 138, 80; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40).
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(2) Eine derartige Gefahr ist hier nicht erkennbar. Der mögliche Anspruch des Klägers ist durch den Arbeitsvertrag ausreichend beschrieben. Der Kläger konnte erkennen, dass die Beklagte über die Festsetzung der Höhe der Gratifikation zu entscheiden hatte. Erkennbar war auch, dass die Entscheidung eine Abwägung der maßgeblichen Interessen beider Seiten erforderte. Richtig ist, dass die Vertragsklausel selbst keine Maßstäbe für die von der Beklagten zu treffende Entscheidung festlegt. Insoweit ist die Auffassung des Klägers nachvollziehbar, aus der Klausel sei nicht zu erkennen, wie hoch insgesamt sich letzten Endes die vertraglichen Zahlungen belaufen werden. Indes betrifft das Leistungsbestimmungsrecht im Streitfall noch nicht einmal das im unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Entgelt, sondern lediglich eine - der Höhe nach unbestimmte - Zusatzleistung, zu welcher der Arbeitgeber an sich nicht verpflichtet wäre. Der Streitfall liegt also anders als bei Preisänderungsklauseln, etwa in Gaslieferungsverträgen. Diese räumen dem Bestimmungsberechtigten die Möglichkeit ein, das Äquivalenzverhältnis der Hauptleistungspflichten einseitig zu verändern (vgl. etwa BGH 9. Februar 2011 - VIII ZR 162/09 - BB 2011, 719). Das ist hier nicht der Fall. Insbesondere hätte der Arbeitgeber auch die Möglichkeit, Leistungen der hier betroffenen Art jeweils mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt zu verbinden und dadurch einen Rechtsanspruch für die Zukunft auszuschließen.
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(3) Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein bei der jeweiligen Zahlung erklärter Freiwilligkeitsvorbehalt das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung wirksam verhindern (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 16 mwN, BAGE 136, 294), wohingegen vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalte, jedenfalls wenn sie alle zukünftigen Leistungen erfassen sollen, unzulässig sind (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54). Der Arbeitgeber kann - außer bei laufendem Arbeitsentgelt (vgl. BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - BAGE 122, 182) - einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich ausschließen und sich eine Entscheidung darüber vorbehalten, ob und in welcher Höhe er zukünftig Sonderzahlungen gewährt. Er bleibt grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er zum laufenden Arbeitsentgelt eine zusätzliche Leistung erbringen will. Gibt es einen bei der Zahlung erklärten klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt, der jeden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung ausschließt, fehlt es an einer versprochenen Leistung iSd. § 308 Nr. 4 BGB. In diesen Fällen wird eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung der Sonderzahlung unabhängig von dem mit der Sonderzuwendung verfolgten Zweck von vornherein nicht begründet (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 20, 30 ff., aaO).
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(4) Verglichen mit einer solchen - zulässigen - Vertragsgestaltung ist die Vereinbarung eines Leistungsbestimmungsrechts in der hier gegebenen Form - also auch ohne nähere Eingrenzung der für das billige Ermessen geltenden Maßstäbe - nicht zu beanstanden. Immerhin erhält der Arbeitnehmer auf diese Weise einen klagbaren Anspruch. Die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts durch den Arbeitgeber kann er vom Gericht überprüfen lassen. Die mit der Regelung verbundene Ungewissheit ist regelmäßig hinnehmbar, insbesondere in den Fällen, in denen eine Sonderzahlung nicht von der Erbringung der Gegenleistung abhängig ist.
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cc) Die Vertragsklausel ist nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Kläger unangemessen benachteiligen würde.
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(1) Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
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(a) Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, ob die gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellt. Die Frage, ob eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders vorliegt, ist auf der Grundlage einer Abwägung der berechtigten Interessen der Beteiligten zu beantworten. Hierbei ist das Interesse des Verwenders an der Aufrechterhaltung der Klausel mit dem Interesse des Vertragspartners an der Ersetzung der Klausel durch das Gesetz abzuwägen. Bei dieser wechselseitigen Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner, bei der auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten sind, ist ein genereller, typisierender Maßstab anzulegen (BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 23, BAGE 124, 259; 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 19 mwN, BAGE 122, 182).
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(b) Rechtsvorschriften iSv. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern auch die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze, dh. alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts und die aufgrund ergänzender Auslegung nach den §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten(BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 20, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 31; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 24, BAGE 124, 259).
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(2) Nach diesen Maßstäben enthält die Klausel keine unangemessene Benachteiligung.
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(a) Die Regelung weicht mit ihrem durch Auslegung ermittelten Inhalt nicht vom Gesetz ab. Vielmehr sieht das Gesetz selbst einseitige Leistungsbestimmungsrechte vor (§ 315 BGB). Es geht davon aus, dass vertragliche Regelungen diesen Inhalts einem berechtigten Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen können und nicht von vornherein unangemessen sind. Das Gesetz ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich überprüfen und gegebenenfalls durch Urteil treffen lassen kann. Gegen die mit dem einseitigen Bestimmungsrecht etwa verbundene Gefährdung des Gläubigers hat der Gesetzgeber also Vorkehrungen getroffen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorkehrungen nicht ausreichend wären, sind nicht erkennbar (BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 42, NZA 2013, 148).
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(b) Die Regelung verstößt auch nicht gegen ungeschriebene Rechtsgrundsätze. Insbesondere besteht nicht die Gefahr, dass der Arbeitgeber einerseits die leistungssteuernde Wirkung eines vertraglichen Versprechens für die Zukunft in Anspruch nimmt, andererseits aber die Entscheidung über den Eintritt der Bedingung allein vom eigenen Willen abhängig macht. Die vertragliche Regelung setzt keine spezifischen Leistungsanreize. Anspruchsvoraussetzung ist lediglich der Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. März des Folgejahres. Die Gratifikation ändert deshalb auch nicht das Äquivalenzverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Entgelt.
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3. Ob der Anspruch des Klägers auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen erfüllt und damit erloschen ist, kann, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, dahinstehen, weil der Kläger nicht geltend macht, die von der Beklagten für die im Streit stehenden Jahre getroffene Leistungsbestimmung entspreche nicht billigem Ermessen und sei daher nicht bindend.
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a) Soll die Bestimmung nach § 315 Abs. 3 BGB erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Dem Gläubiger ist damit ein - nicht fristgebundenes, aber durch den Gesichtspunkt der Verwirkung begrenztes - Klagerecht eingeräumt (vgl. BGH 9. Mai 2012 - XII ZR 79/10 - Rn. 39, NJW 2012, 2178; 6. März 1986 - III ZR 195/84 - zu III 1 der Gründe, BGHZ 97, 212). Die Klage kann auch unmittelbar auf Leistung gerichtet werden (BGH 26. September 2006 - X ZR 181/03 - Rn. 24, NJW-RR 2007, 103).
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b) Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger habe einen Anspruch auf Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen mit der Klage nicht geltend gemacht. Das hat der Kläger in der Senatsverhandlung bestätigen lassen. Er errechnet seinen Zahlungsanspruch nicht auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarung, indem er etwa geltend machen würde, die Ausübung billigen Ermessens müsse zu einer Festsetzung der zu zahlenden Gratifikation in der verlangten Höhe führen. Im Gegenteil, er beruft sich ausdrücklich auf die Unwirksamkeit der Vertragsklausel und meint, diese führe zur Lückenhaftigkeit des Vertrags, die wiederum durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen sei.
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c) Da die Vertragsklausel wirksam ist, kann die Richtigkeit der Auffassung des Klägers, die durch ihre Unwirksamkeit entstehende Lücke sei gemäß der entsprechenden tarifvertraglichen Regelung in der Metallindustrie zu füllen, dahinstehen.
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II. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen dem Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
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Mikosch
Mestwerdt
Schmitz-Scholemann
Thiel
Stefan Fluri
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 30.10.2013, Az.: 4 Ca 1246/13 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob eine von der Beklagten dem Kläger erteilte Abmahnung rechtswirksam ist oder nicht.
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Der Kläger ist bei der Beklagten seit November 1998 zu einem Bruttomonatslohn von ca. 1.900,00 € beschäftigt. Mit Schreiben vom 27.06.2013 erhielt er eine Abmahnung mit u. a. folgendem Inhalt:
- 3
"Für die Nacht vom 21.06.2013 auf 22.06.2013 wurde auf Grund des hohen Auftragsvolumens eine Pflichtnachtschicht angesetzt. Diese wurde rechtzeitig am morgen des 20.06.2013 beim Betriebsrat angemeldet in gemeinsamer Abstimmung genehmigt. Mit Beginn der Nachtschicht am 20.06.2013 wurden Sie über die die Pflichtnachtschicht informiert. Am Abend des 21.06.2013 sind Sie nicht an Ihrem Arbeitsplatz erschienen und haben sich auch nicht vor Schichtbeginn bei Ihrem Vorgesetzten krank gemeldet. Für diesen Tag konnten Sie keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorweisen. Aus diesem Grund fehlen Sie unentschuldigt an Ihrem Arbeitsplatz.
- 4
Mit Ihrem Verhalten haben Sie gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, …"
- 5
Dagegen wendet sich der Kläger mit der am 11.07.2013 beim Arbeitsgericht Mainz eingereichten Klage.
- 6
Der Kläger hat vorgetragen,
er habe nicht unentschuldigt gefehlt, da man ihn erst gegen 22.00 Uhr in der Nachtschicht von Donnerstag auf Freitag informiert habe. Er sei nicht verpflichtet gewesen, in der Nachtschicht vom 20. auf den 21.06.2013 zu arbeiten, da er bereits 5 Tage gemäß der ursprünglichen Schichteinteilung in der Nachtschicht - unstreitig - gearbeitet habe. Einen einmal aufgestellten Dienstplan dürfe der Arbeitgeber nicht ohne konkrete Notlage umwerfen, außerdem müssten Arbeitnehmer ohne eine angemessene Ankündigungsfrist - in der Regel 4 Tage - keine Umstellungen hinnehmen.
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Im Übrigen sei mit Nichtwissen zu bestreiten, dass Gründe für die Sonderschichten, die die Beklagte angeordnet habe, gegeben seien; des Weiteren sei eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats bezüglich der Zustimmung dazu zu bestreiten.
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Der Kläger hat beantragt,
- 9
die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 27.06.2013 zu widerrufen und aus der Personalakte zu entfernen,
hilfsweise festzustellen, dass die von Seiten der Beklagten für die Nacht vom 21.06.2013 auf den 22.06.2013 angeordnete Pflichtnachtschicht im Verhältnis zu dem Kläger rechtswidrig gewesen ist.
- 10
Die Beklagte hat beantragt,
- 11
die Klage abzuweisen.
- 12
Die Beklagte hat vorgetragen,
im Betrieb der Beklagten sei mit Zustimmung des Betriebsrats u. a. für die Nachtschicht vom 21. auf den 22.06.2013 sog. "Pflichtmehrarbeit" angeordnet worden. Im Betrieb der Beklagten werde dabei auf der Basis der Betriebsvereinbarung "Nr. 4 Jahresarbeitszeitkonto" gearbeitet, um auf schwankende Arbeitsmengen reagieren zu können. Diese sehe auch die Anordnung von Überstunden vor (vgl. Betriebsvereinbarung "Nr. 4 Jahresarbeitszeitkonto" von April 2010 = Bl. 60 - 63 d. A.). Auf Grund eines seitens des Kunden B. im Laufe des 19.06.2013 angekündigten hohen Arbeitsvolumens und eines hohen Krankenstandes am 20.06.2013 i. V. m. der aufgrund der Urlaubszeit bereits dünnen Personaldecke sei es notwendig gewesen, für den 20.06. und den 21.06.2013 Mehrarbeit u. a. in der Form von Zusatzschichten anzuordnen. Vorsorglich sei dabei auch bereits für den 28. und den 29.06.2013 Mehrarbeit beantragt und per Aushang angeordnet worden.
- 13
Der Betriebsrat habe ausweislich des Beschlussprotokolls vom 20.06.2013 der Pflichtarbeit am 20. und 21.06.2013 ausdrücklich zugestimmt (vgl. Bl. 64 d. A.).
- 14
Dies sei den Mitarbeitern durch Mitteilung (vgl. Bl. 13 d. A.) auch ausdrücklich mitgeteilt worden.
- 15
Das Arbeitsgericht Mainz hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 30.10.2013 - 4 Ca 1246/13 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 84 - 88 d. A. Bezug genommen.
- 16
Gegen das ihm am 13.11.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 26.11.2013 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 13.01.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
- 17
Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens komme deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger bereits in der Nachtschicht 5 Tage die Woche gearbeitet habe und auch nunmehr am Samstag habe arbeiten sollen. Es könne sich bei der Vereinbarung zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten nur um die Genehmigung handeln, den Arbeitnehmern anzubieten, ob sie freiwillig am nächsten Tag in der Nachtschicht arbeiten wollten. Andernfalls könnten die Rechte der Arbeitnehmer nicht gewahrt werden. Auch habe sich das Gericht nicht mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Frankfurt vom 13.01.2006 - 3 Sa 2222/04 - auseinander gesetzt.
- 18
Zur weiteren Darstellung des Inhalts der Berufungsbegründungsschrift vom 13.01.2014 wird auf Bl. 109 - 116 d. A. Bezug genommen.
- 19
Der Kläger beantragt,
- 20
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 30.10.2013 die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 27.06.2013 zu widerrufen und aus der Personalakte zu entfernen.
hilfsweise festzustellen, dass die von Seiten der Beklagten für die Nacht vom 21.06.2013 auf den 22.06.2013 angeordnete Pflichtnachtschicht im Verhältnis zu dem Kläger rechtswidrig ist.
- 21
Die Beklagte beantragt,
- 22
die Berufung zurückzuweisen.
- 23
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, zum einen sei die Berufung bereits unzulässig, weil sich die Berufungsschrift im Wesentlichen auf die Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrages beschränke. Zum andern sei die angefochtene Entscheidung auch inhaltlich zutreffend ergangen.
- 24
Zur weiteren Darstellung des streitigen Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 13.02.2014 (Bl. 129 - 131 d. A.) Bezug genommen.
- 25
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.
- 26
Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 17.03.2014.
Entscheidungsgründe
I.
- 27
Das Rechtsmittel der Berufung ist zwar form- und fristgerecht eingelegt worden; allerdings genügt die Berufungsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen, so dass die Berufung bereits unzulässig ist.
- 28
Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Um-stände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG sind die Vorschrift der Zivilprozessordnung über die Begründung der Berufung auch im Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen anwendbar.
- 29
Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die Regelung des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt werden. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den Streitfall zugeschnitten sein. Eine schlüssige Begründung kann zwar nicht verlangt werden. Jedoch muss sich die Berufungsbegründung mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG, 19.02.2013 - 9 AZR 543/11 -; 16.05.2012 - 4 AZR 245/10 -; 18.05.2011 - 4 AZR 552/09 -; BAG 15.03.2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 11, m. w. N., AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 44; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 11. Auflage 2014, Kap. 15, Rn. 720 ff.).
- 30
Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründungsschrift des Klägers, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, nicht. Denn die Berufungsbegründungsschrift besteht, worauf der Klägervertreter auch ausdrücklich hinweist ("wir hatten wie folgt vorgetragen: …" S. 2 bis S. 4 viertletzter Absatz, S. 5 2. Abs. bis Seite 8, Ende erster Abs.) ausschließlich aus der wörtlichen Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens. Eine Auseinandersetzung mit der Begründung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung findet nicht statt. Dies gilt auch nicht für die Textpassage S. 4 drittletzter Abs. bis S. 5 erster Abs., denn auch insoweit handelt es sich lediglich um eine Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit dem im Berufungsverfahren streitgegenständlichen Urteil des Arbeitsgerichts. Nichts anderes gilt für den Hinweis auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Ende der Berufungsbegründung.
- 31
Folglich ist die Berufung bereits unzulässig.
II.
- 32
Die Berufung hat aber auch in der Sache keinen Erfolg.
- 33
Denn insoweit bestehen nach dem Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen keine vernünftigen Anhaltspunkte dafür, davon auszugehen, dass entgegen § 77 Abs. 4 BetrVG auf der Grundlage einer im Betrieb der Beklagten anwendbaren Betriebsvereinbarung, deren konkreter aktueller Umsetzung durch eine Vereinbarung zwischen den Betriebspartnern, einem dementsprechenden ordnungsgemäß gefassten Betriebsratsbeschluss und der Mitteilung der Arbeitspflicht an die Arbeitnehmer, auch den Kläger, eine wirksame Anordnung einer Arbeitspflicht für den streitgegenständlichen Zeitraum bestand. Zu beachten ist zudem in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitnehmer an einer Weisung des Arbeitgebers, die nicht aus sonstigen Gründen unwirksam ist, vorläufig gebunden ist, bis durch ein rechtskräftiges Urteil gem. § 315 Abs. 3 S. 2 BGB die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung festgestellt wird (BAG 22.02.2012 EZA § 615 BGB 2002 Nr. 36 = NZA 2012, 858; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2014, Kapitel 1 Rdnr. 594, Kapitel 3 Rdnr. 1541, 1520, Kapitel 4 Rdnr. 1361, 2205).
- 34
Vor diesem Hintergrund bestehen nach dem tatsächlichen Vorbringen beider Parteien in beiden Rechtszügen keine vernünftigen Anhaltspunkte dafür, davon auszugehen, dass eine entsprechende Arbeitspflicht des Klägers nicht bestand, so dass die streitgegenständliche Abmahnung sich auch als gerechtfertigt erweist.
- 35
Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
- 36
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
- 37
Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Tenor
-
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 20. Januar 2009 - 5 Sa 270/08 - aufgehoben, soweit es die ordentliche Kündigung für wirksam erachtet hat.
-
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
- 2
-
Der 1963 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger trat im November 1995 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die ein Einzelhandelsunternehmen betreibt.
- 3
-
Der Kläger war zunächst als Helfer in der „Waschstraße“ tätig. Nach deren Stilllegung wurde er ab Oktober 2003 in dem zugehörigen Warenhaus als „Ladenhilfe“ weiterbeschäftigt. Dort setzt die Beklagte regelmäßig weit mehr als zehn Arbeitnehmer ein.
- 4
-
Zu den Arbeitsaufgaben einer „Ladenhilfe“ gehört es, sämtliche im Einkaufsmarkt anfallenden Auffüll- und Verräumarbeiten auszuführen. Die Beklagte, die eine Spezialisierung ihrer Mitarbeiter anstrebt und diese möglichst bestimmten Bereichen zuordnet, setzte den Kläger zunächst im Getränkebereich der Abteilung „Allgemeine Lebensmittel“ ein. Nachdem der Kläger den Wunsch nach einem Arbeitsplatzwechsel geäußert hatte, wies sie ihm ab März 2007 Arbeiten in der Frischwarenabteilung zu. Während seiner dortigen Tätigkeit war der Kläger mehrmals wegen Krankheit arbeitsunfähig. Im Anschluss an eine Arbeitsunfähigkeit im Januar 2008 stellte sie ihm eine „Rückumsetzung“ in den Getränkebereich in Aussicht. Nach einer weiteren Erkrankung wies sie ihn am 25. Februar 2008 mündlich an, wieder in der Getränkeabteilung zu arbeiten. Der Kläger weigerte sich, der Anordnung Folge zu leisten. Er berief sich auf seinen - muslimischen - Glauben, der ihm den Umgang mit Alkohol und damit auch das Ein- und Ausräumen alkoholischer Produkte verbiete. Diesen Standpunkt behielt er auch nach schriftlicher Aufforderung zur Arbeitsaufnahme im Getränkebereich bei. Die Beklagte stellte ihn daraufhin für den 25. Februar 2008 von der Arbeitsleistung frei. Kurz darauf legte der Kläger eine ärztliche Bescheinigung über eine voraussichtlich bis 4. März 2008 bestehende Arbeitsunfähigkeit vor.
- 5
-
Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 1. März 2008 fristlos und mit einem weiteren Schreiben vom 5. März 2008 vorsorglich fristgemäß zum 30. August 2008.
- 6
-
Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Er sei nicht verpflichtet gewesen, der Weisung vom 25. Februar 2008 Folge zu leisten. Die Beklagte habe ihm die Arbeiten schon nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats zuweisen dürfen. Die Umsetzung stelle zudem eine Sanktion für seine wiederholt aufgetretenen Erkrankungen dar. Unabhängig davon sei die Arbeit im Getränkebereich mit seinen Glaubensüberzeugungen nicht vereinbar. Darauf habe die Beklagte Rücksicht nehmen müssen. Ihm als gläubigem Moslem seien jegliche Handlungen verboten, die der gewerblichen Verbreitung von Alkoholika dienten. Das Alkoholverbot beziehe sich auch auf das Ein- und Ausräumen von Alkoholika und sei für jeden Moslem verbindlich. Zumindest erkenne er die religiösen Vorgaben für sich als verbindlich an. Er habe bei Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht damit rechnen müssen, beim Verkauf alkoholhaltiger Getränke mitwirken zu sollen. Mit solchen Produkten sei er erstmals im Jahr 2006 nach einer Reduzierung des Personalbestands in der Getränkeabteilung in Berührung gekommen. Von da an habe er bei seiner Arbeit ein schlechtes Gewissen gehabt. Der Konflikt sei für ihn schließlich unerträglich geworden. Er habe sich entschieden, künftig strikt seinen Glaubensüberzeugungen zu folgen. Die Beklagte könne ihm andere Arbeiten etwa in den Bereichen Drogerie, Obst und Gemüse, Haushaltswaren oder Backwaren zuweisen. Er sei auch bereit, Einkaufswagen zu schieben. Ihm sei der Kontakt mit Produkten, die in irgendeiner Weise Alkohol enthielten, nicht gänzlich verboten, sondern nur insoweit, als dem Alkohol Rauschmittelqualität zukomme.
-
Der Kläger hat beantragt
-
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen vom 1. März 2008 und 5. März 2008 nicht beendet worden ist.
- 8
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe seine Arbeitsleistung in vorwerfbarer Weise beharrlich verweigert. Die an ihn ergangene Weisung, in der Getränkeabteilung zu arbeiten, sei rechtmäßig. Auf die Glaubensüberzeugungen des Klägers habe sie insoweit Rücksicht genommen, als sie ihn weder mit dem Ausschank noch mit der Verköstigung alkoholischer Getränke betraut habe. Da der Kläger bislang die nunmehr verweigerten Tätigkeiten verrichtet habe, könne er sich nicht auf eine Änderung seiner Gewissenslage berufen. Angesichts seiner in der Frischwarenabteilung angefallenen hohen Arbeitsunfähigkeitszeiten habe ihre Weisung auch dem Schutz seiner Gesundheit gedient. Alkoholhaltige Produkte fänden sich im Übrigen im gesamten Warensortiment. Sie verkaufe beispielsweise mit Alkohol gefüllte Pralinen und führe im Bereich der Molkereiprodukte oftmals eine Käseverkostung mit Weinprobe durch. Ihr könne nicht zugemutet werden, den Kläger ständig in einer neuen Abteilung einzuarbeiten. Ein Einsatz in der Drogerieabteilung und im „Nonfood“-Bereich scheide aus. Dort kämen nur Fachkräfte mit Spezialwissen zum Einsatz.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 1. März 2008 nicht beendet worden ist. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag hinsichtlich der ordentlichen Kündigung weiter.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die ordentliche Kündigung vom 5. März 2008 sozial gerechtfertigt ist.
- 11
-
I. Die von Amts wegen zu beachtenden Prozessfortsetzungsvoraussetzungen liegen vor. Anders als die Beklagte gemeint hat, sind die gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung iSv. § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO erfüllt. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage mit der Begründung abgewiesen, das Arbeitsverhältnis sei bereits durch die außerordentliche Kündigung aufgelöst worden. Die Berufungsbegründung des Klägers hat sich mit sämtlichen dafür tragenden Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils hinreichend auseinandergesetzt. Eines näheren Eingehens auf die ordentliche Kündigung bedurfte es unter diesen Umständen nicht (vgl. BAG 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111).
- 12
-
II. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht beurteilt werden, ob die Kündigung vom 5. März 2008 iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass er sich an das islamische Alkoholverbot gebunden fühle, aus dem er ableite, auch das Einräumen alkoholischer Getränke unterlassen zu müssen. Seine hierauf gestützte Weigerung, im Getränkebereich im Kontakt mit alkoholischen Getränken zu arbeiten, berechtigte die Beklagte nur dann zur Kündigung, wenn keine andere, den Glaubenskonflikt vermeidende und ihr den Umständen nach zumutbare Möglichkeit einer Beschäftigung bestanden hat. Dazu, ob eine solche Alternative gegeben war, hat das Landesarbeitsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
- 13
-
1. Die Kündigung vom 5. März 2008 ist nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt.
- 14
-
a) Allerdings stellt die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, eine vertraglich geschuldete, rechtmäßig und damit wirksam zugewiesene Arbeit zu leisten, eine erhebliche Pflichtverletzung dar und ist in der Regel geeignet, jedenfalls die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses sozial zu rechtfertigen (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73; 5. April 2001 - 2 AZR 580/99 - zu II 2 a der Gründe mwN, BAGE 97, 276).
- 15
-
Im Streitfall hat die Beklagte den Kläger am 25. Februar 2008 angewiesen, wieder im Getränkebereich zu arbeiten. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe sich dieser Anordnung „beharrlich“ widersetzt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm übertragene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht leisten will. Das war hier der Fall. Der Kläger hat sowohl auf die mündliche als auch auf die nachfolgende schriftliche Anordnung der Beklagten deutlich zu erkennen gegeben, Arbeiten im Getränkebereich jedenfalls dann nicht auszuführen, wenn von ihm auch der Umgang mit alkoholhaltigen Getränken verlangt werde. Seine Weigerung war endgültig.
- 16
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b) Die Beklagte hat dem Kläger jedoch die Arbeiten im Getränkebereich, weil und soweit sie ihn in Glaubenskonflikte brachten, nicht wirksam nach § 106 Satz 1 GewO zugewiesen. Der Kläger hat deshalb mit seiner Weigerung, sie durchzuführen, seine Vertragspflichten nicht verletzt.
- 17
-
aa) Aufgrund seines Weisungsrechts (§ 106 GewO)kann der Arbeitgeber eine im Arbeitsvertrag nur abstrakt umschriebene Leistungspflicht des Arbeitsnehmers nach Zeit, Ort und Art der Leistung einseitig näher bestimmen, soweit diese nicht durch Gesetz oder Vertrag festgelegt ist. Der Regelung des § 106 Satz 1 GewO kommt insoweit klarstellende Bedeutung zu (BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 18, AP AGG § 7 Nr. 1 = EzA AGG § 10 Nr. 2). Das Weisungsrecht darf dabei nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Das verlangt, dass der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber seine Entscheidung trifft (vgl. BAG 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 26 und 29, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31). Ob die Entscheidung billigem Ermessen entspricht, unterliegt nach § 106 Satz 1 GewO iVm. § 315 Abs. 3 BGB der gerichtlichen Kontrolle(BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 18, EzA-SD 2011 Nr. 9, 8; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - Rn. 41, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 30).
- 18
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bb) Danach war die Weisung der Beklagten vom 25. Februar 2008 nicht schon deshalb unbeachtlich, weil sie nach § 99 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats bedurft hätte. Eine Versetzung iSv. § 99 Abs. 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG lag nicht vor. Dem Kläger wurde mit der Übertragung von Aufgaben im Getränkebereich kein anderer „Arbeitsbereich“ im Sinne dieser Regelung zugewiesen. Der Gegenstand und das Gesamtbild der Tätigkeit einer mit einfachen Ein- und Ausräumarbeiten in der Frischwarenabteilung beschäftigten Ladenhilfe wird nicht dadurch verändert, dass die Arbeiten nunmehr in der Getränkeabteilung zu verrichten sind. Dafür, dass der Getränkebereich intern einem eigenen „Arbeitsregime“ unterläge, fehlt es an Anhaltspunkten (vgl. dazu BAG 17. Juni 2008 - 1 ABR 38/07 - Rn. 21 ff. mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 47 = EzA BetrVG 2001 § 95 Nr. 8).
- 19
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cc) Die Weisung war ebenso wenig deshalb unwirksam, weil sich die Beklagte wegen der Erkrankungen des Klägers entschlossen hatte, diesen wieder im Getränkebereich einzusetzen. Ein Verstoß gegen das gesetzliche Maßregelungsverbot (§ 612a BGB)ist insoweit nicht ersichtlich. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers sind während seiner Tätigkeit in der Frischwarenabteilung angestiegen, ohne dass freilich feststünde, sie seien durch diese Tätigkeit verursacht worden. Bei den übrigen Mitarbeitern des Bereichs sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weitaus geringere Fehlzeiten angefallen. Unter diesen Umständen ist nicht zu erkennen, dass die angestrebte Änderung des Einsatzbereichs von sachfremden Motiven getragen gewesen wäre. Näher liegt die Annahme, die Beklagte habe eine immerhin mögliche, mit den Arbeitsumständen in der Frischwarenabteilung zusammenhängende Krankheitsursache sowohl im betrieblichen als auch im Interesse der Gesundheit des Klägers ausschließen wollen. Darauf hat das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen.
- 20
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dd) Die angeordnete Tätigkeit im Getränkebereich bewegte sich im arbeitsvertraglich vereinbarten Leistungsspektrum. Die Parteien haben bei Schließung der Waschstraße im Jahr 2003 einen neuen Arbeitsvertrag geschlossen. Danach wurde der Kläger als „Ladenhilfe“ weiterbeschäftigt und war dementsprechend grundsätzlich verpflichtet, sämtliche im Warenhaus anfallenden Hilfsarbeiten auszuführen. Das schließt die ihm zugewiesenen Arbeiten ein. Mit der im Jahr 2006 auf seinen Wunsch erfolgten Umsetzung in die Frischwarenabteilung hat sich die Beklagte ihres Rechts, ihm Arbeiten im Getränkebereich zuzuweisen, nicht begeben. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass sie zumindest darauf verzichtet hätte, ihn mit dem Ein- und Ausräumen alkoholhaltiger Getränke zu beauftragen.
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ee) Die Beklagte hat aber bei der Ausübung ihres Weisungsrechts auf die Glaubensüberzeugungen des Klägers nicht hinreichend Bedacht genommen. Ihre Weisung, im Getränkebereich zu arbeiten, entsprach damit nicht billigem Ermessen.
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(1) Der Arbeitgeber muss einen ihm offenbarten und beachtlichen Glaubens- oder Gewissenskonflikt des Arbeitnehmers bei der Ausübung seines Weisungsrechts berücksichtigen. Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer darlegt, ihm sei wegen einer aus einer spezifischen Sachlage folgenden Gewissensnot heraus nicht zuzumuten, die an sich vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Lässt sich aus den festgestellten Tatsachen im konkreten Fall ein die verweigerte Arbeit betreffender Glaubens- oder Gewissenskonflikt ableiten, so unterliegt die Relevanz und Gewichtigkeit der Gewissensbildung keiner gerichtlichen Kontrolle (vgl. BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - zu B II 5 b dd der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2; 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 b der Gründe, BAGE 62, 59).
- 23
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(a) Das gebietet die verfassungskonforme Auslegung und Anwendung von § 106 Satz 1 GewO. Das bei der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts zu wahrende billige Ermessen wird inhaltlich durch die Grundrechte des Arbeitnehmers mitbestimmt. Kollidieren diese mit dem Recht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer im Rahmen der gleichfalls grundrechtlich geschützten unternehmerischen Betätigungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) eine von der vertraglichen Vereinbarung gedeckte Tätigkeit zuzuweisen, sind die gegensätzlichen Rechtspositionen grundrechtskonform auszugleichen. Dabei sind die kollidierenden Grundrechte in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, dass sie im Sinne einer praktischen Konkordanz für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Insoweit gilt seit seinem Inkrafttreten für § 106 GewO nichts anderes als zuvor für § 315 Abs. 1 BGB(BAG 13. August 2010 - 1 AZR 173/09 - AP GG Art. 9 Nr. 141 = EzA GG Art. 9 Nr. 100; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 3 c der Gründe mwN, BAGE 103, 111; AnwK-ArbR/Boecken 2. Aufl. § 106 GewO Rn. 92; ErfK/Preis 11. Aufl. § 106 GewO Rn. 6). Auf das unverzichtbare Schutzminimum der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG ist Bedacht zu nehmen. Es ist die Intensität des umstrittenen Eingriffs ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass die Vertragspartner mit dem Abschluss des Vertrags in eine Begrenzung grundrechtlicher Freiheiten eingewilligt haben (vgl. BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 3 c der Gründe mwN, aaO; ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 4 GG Rn. 25).
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(b) Ob und inwieweit der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts auf die Glaubensüberzeugungen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen muss, ist damit eine Frage des Einzelfalls.
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(aa) Wenn die Weisung mit fundamentalen, unüberwindbaren Glaubensüberzeugungen des Arbeitnehmers kollidiert, wird es häufig nicht billigem Ermessen entsprechen, wenn der Arbeitgeber an ihr festhält und deren Befolgung verlangt. Das wird in der Regel auch bei einem erst im Anschluss an eine arbeitgeberseitige Weisung offenbarten Konflikt gelten. Zwar ist eine Weisung so lange, wie der Arbeitnehmer einen Glaubenskonflikt noch nicht offenbart hat, für den Arbeitnehmer verbindlich. Offenbart aber der Arbeitnehmer nach erteilter Weisung einen solchen ernsten Konflikt, kann sich für den Arbeitgeber aus § 241 Abs. 2 BGB die Verpflichtung ergeben, von seinem Direktionsrecht unter Berücksichtigung der entgegenstehenden Belange des Arbeitnehmers erneut Gebrauch zu machen(vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 33).
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(bb) Auch die Glaubensfreiheit ist freilich nicht ohne jede Schranke garantiert. Beschränkt wird sie durch kollidierende Grundrechte oder Verfassungsaufträge (BVerfG 21. Juli 2009 - 1 BvR 1358/09 - Rn. 14, NJW 2009, 3151). Etwas anderes kann deshalb gelten, wenn auf Seiten des Arbeitgebers nicht nur sein vertraglich begründetes und aktuell ausgeübtes Weisungsrecht als solches steht, sondern seine Weisung weitergehend durch Art. 12 Abs. 1 GG oder durch andere grundrechtlich relevante Rechtsgüter geschützt ist, die ein - ggf. nur kurzfristiges - Hintanstellen der Glaubensüberzeugungen geboten erscheinen lassen. Auch wird der Arbeitgeber, gestützt auf Art. 12 Abs. 1 GG, uU erwarten und verlangen können, dass der Arbeitnehmer eine gewisse - knappe - Ankündigungsfrist einhält, um ihm eine möglichst reibungslose organisatorische Umstellung zu ermöglichen und Folgeschäden zu vermeiden.
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(cc) Die Frage, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung trotz eines ernsten, unüberwindbaren Glaubens- oder Gewissenskonflikts verbindlich zuweisen darf, hängt dagegen nicht ohne Weiteres von der Vorhersehbarkeit des Konflikts ab.
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Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer zwar erkennen konnte, er verpflichte sich zu Arbeiten, die bestimmten Glaubensinhalten derjenigen Religion, welcher er angehört, widersprechen, er persönlich aber diese Glaubensinhalte bei Vertragsschluss noch nicht als für sich verbindlich angesehen hatte. Der Umstand, dass die Möglichkeit eines Glaubenskonflikts in diesem Sinne für den Arbeitnehmer vorhersehbar war, nimmt dessen späterer Erklärung, er berufe sich nunmehr auf seine (geänderte) Glaubensüberzeugung, nichts von ihrer rechtlichen Beachtlichkeit; der aktuelle Glaubenskonflikt des Arbeitnehmers ist nicht deshalb weniger bedeutsam iSv. Art. 4 Abs. 1 GG. Eine den Konflikt gleichwohl ignorierende Arbeitsanweisung des Arbeitgebers braucht der Arbeitnehmer unter diesen Voraussetzungen in der Regel nicht zu befolgen.
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Eine andere Beurteilung kann geboten sein, wenn der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss bereits positiv wusste, dass er die vertraglich eingegangenen Verpflichtungen um seiner Glaubensüberzeugungen willen sämtlich und von Beginn an nicht würde erfüllen können. Zum einen kann dies zu Zweifeln an der Ernsthaftigkeit seiner Überzeugungen führen. Zum anderen wird es einem Arbeitnehmer, der sich im Wissen um einen unvermeidlich auftretenden Glaubenskonflikt zur Erbringung der diesen auslösenden Arbeiten verpflichtet hat, nach § 242 BGB regelmäßig verwehrt sein, sich gegenüber einer entsprechenden Arbeitsanweisung auf seinen Glauben zu berufen. Die Aufforderung zur Leistung vertragsgemäßer Arbeiten entspricht dann trotz des offenbarten Glaubenskonflikts billigem Ermessen. Mit der Weigerung, ihr nachzukommen, verletzt der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten.
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(2) Die Neuregelung des Leistungsstörungsrechts verlangt nicht nach einem anderen rechtssystematischen Ausgangspunkt für die rechtliche Prüfung. Diese ist weiterhin im Rahmen von § 106 GewO und nicht von § 275 Abs. 3 BGB vorzunehmen.
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Zum einen kommt es auf ein religiös begründetes Leistungsverweigerungsrecht nur an, wenn das Leistungs-/Erfüllungsverlangen des Arbeitgebers billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 BGB entspricht(ähnlich Kamanabrou GS Zachert, S. 400 f.; zum Meinungsstand auch: ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 BGB Rn. 687; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 141, 468; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 11. Aufl. § 45 Rn. 30; Staudinger/Löwisch/Caspers (2009) § 275 BGB Rn. 104 f.; Henssler RdA 2002, 129, 131; Richardi NZA 2002, 1004, 1007; Greiner Ideelle Unzumutbarkeit S. 135 ff.). Zum anderen ergeben sich die Voraussetzungen, unter denen ein Glaubens- und Gewissenkonflikt für eine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung Bedeutung gewinnen kann, in jedem Fall aus den Vorgaben höherrangigen Rechts. Die Prüfung von § 106 GewO ist deshalb vorrangig.
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(3) Gemessen an diesen Abwägungsgesichtspunkten entsprach die Arbeitsanweisung der Beklagten nicht billigem Ermessen gem. § 106 Satz 1 GewO. Der vom Kläger aufgezeigte Glaubenskonflikt fällt in den Schutzbereich des Art. 4 GG. Der Konflikt bestand nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ernsthaft. Der Kläger wusste weder bei dem ursprünglichen Vertragsschluss noch bei der späteren Vertragsänderung, dass er unweigerlich auftreten würde.
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(a) Die Glaubensfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistet dem Einzelnen einen Rechtsraum, in dem er sich die Lebensform zu geben vermag, die seiner Überzeugung entspricht(BVerfG 8. November 1969 - 1 BvR 59/56 - zu II 1 der Gründe, BVerfGE 12, 1). Zu ihr gehört nicht nur die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln (BVerfG 19. Oktober 1971 - 1 BvR 387/65 - zu B II 1 der Gründe mwN, BVerfGE 32, 98).
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(aa) Das Grundrecht ist offen für die Entfaltung verschiedener Religionen und Bekenntnisse. Unbeachtlich ist die zahlenmäßige Stärke oder Relevanz einer bestimmten Glaubenshaltung. Unter den Schutzbereich des Art. 4 GG fallen auch Verhaltensweisen, die nicht allgemein von den Gläubigen geteilt werden(BVerfG 19. Oktober 1971 - 1 BvR 387/65 - zu B II 1 der Gründe mwN, BVerfGE 32, 98). Glaubensfreiheit ist mehr als religiöse Toleranz. Für eine zulässige Berufung auf Art. 4 GG kommt es nur darauf an, dass das Verhalten wirklich von einer religiösen Überzeugung getragen und nicht anders motiviert ist. Andernfalls würde den Gerichten eine Bewertung von Glaubenshaltungen oder die Prüfung von theologischen Lehren aufgebürdet, die sie weder leisten können noch leisten dürfen (BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 3 c aa der Gründe, BAGE 103, 111).
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(bb) Als Gewissensentscheidung ist jede ernste sittliche, dh. an den Kategorien „gut“ und „böse“ orientierte Entscheidung anzusehen, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte. Die Gewissensfreiheit überschneidet sich mit der Glaubensfreiheit insoweit, als sie auch das religiös fundierte Gewissen schützt (vgl. BVerfG 11. April 1972 - 2 BvR 75/71 - zu B II 1 der Gründe, BVerfGE 33, 23; BVerwG 25. August 1993 - 6 C 8/91 - BVerwGE 94, 82).
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(cc) Beruft sich der Arbeitnehmer gegenüber einer nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeitsleistung darauf, die Erfüllung der Arbeitspflicht bringe ihn aus religiösen Gründen in Gewissensnot, trifft ihn die Darlegungslast für einen konkreten und ernsthaften Glaubenskonflikt. Die nicht ernsthafte, möglicherweise nur vorgeschobene Berufung auf bestimmte Glaubensinhalte und -gebote kann keine Beachtung finden. Auch wenn Glaubensüberzeugungen keiner Nachprüfung anhand von Kriterien wie „irrig“, „beachtlich“ oder „unbeachtlich“ unterliegen, muss doch erkennbar sein, dass der Arbeitnehmer den von ihm ins Feld geführten Ge- oder Verboten seines Glaubens absolute Verbindlichkeit beimisst (zur Gewissensentscheidung vgl. BAG 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 2 b bb der Gründe, BAGE 62, 59; siehe auch BVerwG 25. August 1993 - 6 C 8/91 - BVerwGE 94, 82 sowie die sich auf diese Entscheidung beziehende Gesetzesbegründung zu § 20 Abs. 1 Nr. 4 AGG [BR-Drucks. 329/06 S. 48]). Dazu müssen die betreffenden Verbote in Fällen der vorliegenden Art die Arbeitsverweigerung gewissermaßen „decken“. Ihre konkrete Reichweite, was die vertraglichen Pflichten betrifft, deren Erfüllung sie entgegenstehen soll, muss sich aus den Darlegungen des Arbeitnehmers unzweifelhaft ergeben. Nur so kann der Arbeitgeber erkennen, welchen Gebrauch er von seinem Direktionsrecht noch machen kann.
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(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es entspreche der ernsthaften religiösen Überzeugung des Klägers, dass er sich als gläubiger Moslem jeglicher Mitwirkung am Alkoholverkauf zu enthalten habe, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Der Kläger hat aufgezeigt, dass er sich durch verbindliche Ge- oder Verbote seines Glaubens daran gehindert sieht, der Weisung vom 25. Februar 2008 nachzukommen, soweit sie ihn dazu verpflichtet, durch das Umräumen und Bereitstellen alkoholischer Getränke an deren Verkauf mitzuwirken. Ob dieses Verständnis der islamischen Schriften der herrschenden Glaubenslehre entspricht, mag bezweifelt werden, ist jedoch nach dem verfassungsrechtlich gebotenen, subjektiven Gewissensbegriff nicht entscheidend. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Haltung des Klägers, sein Glaube erlaube es ihm sehr wohl, mit Produkten umzugehen, die Alkohol in „chemisch veränderter Form“ enthielten, angesichts seines ansonsten strengen Verständnisses des Alkoholverbots in sich logisch und konsequent ist. Die innere Differenzierung erscheint zumindest möglich und stellt damit die Ernstlichkeit des Glaubenskonflikts nicht in Frage. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass der Kläger zeitweise - möglicherweise ohne ausdrückliche Beanstandung - bereit war, Regale mit alkoholischen Getränken aufzufüllen. Der Kläger hat sich darauf berufen, er habe diesen Einsatz zunehmend als gewissensbelastend empfunden und sich zwischenzeitlich dazu entschlossen, strikt nach den Vorgaben seines Glaubens zu leben. Als ein äußeres Zeichen hierfür kann seine im Jahr 2007 geäußerte Bitte gelten, ihm andere Arbeit zu übertragen, auch wenn er seinen Glaubenskonflikt seinerzeit gegenüber der Beklagten nicht ausdrücklich offenbart haben sollte.
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(c) Der Kläger konnte zwar, nachdem er von der Beklagten im Oktober 2003 als „Ladenhilfe“ übernommen wurde, nicht ausschließen, bei seiner Tätigkeit mit Alkoholika in Berührung zu kommen. Abgesehen davon, dass er ursprünglich als Helfer in der Waschstraße eingestellt worden war und der Grund für die Vertragsänderung in den betrieblichen Verhältnissen der Beklagten lag, haben sich seine jetzigen religiösen Überzeugungen aber offenbar erst im Verlauf des Arbeitsverhältnisses mit längerem Abstand zum Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung entwickelt und musste er überdies nicht zwingend damit rechnen, dass er als Ladenhilfe in den Verkauf alkoholischer Getränke eingebunden würde.
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Die Arbeitsanweisung der Beklagten vom 25. Februar 2008 widersprach damit billigem Ermessen und war unverbindlich. Der Kläger hat mit seiner Weigerung, ihr Folge zu leisten, seine vertraglichen Pflichten nicht verletzt.
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2. Ob die Kündigung vom 5. März 2008 iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe in der Person des Klägers bedingt ist, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen.
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a) Ergibt die Abwägung im Rahmen des § 106 Satz 1 GewO, dass eine Arbeitsanweisung des Arbeitgebers nicht der Billigkeit entspricht, braucht der Arbeitnehmer ihr nicht nachzukommen. Allerdings schränkt die religiös begründete Begrenzung des Weisungsrechts des Arbeitgebers den auf wirksam ausgeübter Vertragsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) beruhenden Inhalt des Arbeitsvertrags als solchen nicht ein. Der vertraglich vereinbarte Tätigkeitsumfang reduziert sich wegen des Glaubenskonflikts nicht etwa von vornherein auf den konfliktfreien Bereich. Vielmehr ist der Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen außerstande, einen Teil der vertraglich (weiterhin) versprochenen Leistungen zu erbringen. Aufgrund dieses Umstands kann eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch einen in seiner Person liegenden Grund nach § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein(BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - zu II 5 b dd der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2).
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b) Ist der Arbeitnehmer aufgrund eines offenbarten beachtlichen Glaubenskonflikts teilweise außerstande, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, berechtigt dies den Arbeitgeber gleichwohl nicht zur Kündigung, wenn er den Arbeitnehmer im Betrieb oder Unternehmen entweder innerhalb des vertraglich vereinbarten Leistungsspektrums oder aber zu geänderten Vertragsbedingungen unter Vermeidung des Konflikts sinnvoll weiterbeschäftigen kann (vgl. dazu BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 1020/08 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 31 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 25; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 103, 111).
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c) Ob bei der Beklagten eine solche alternative Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestand, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Festgestellt hat es lediglich, dass eine Beschäftigung des Klägers in der Drogerieabteilung und der „Nonfood“-Abteilung ausgeschlossen gewesen sei, weil ihm die dafür notwendigen Fachkenntnisse gefehlt hätten. Offen ist, ob die Beklagte den Kläger in anderen Bereichen des Warenhauses, etwa im Bereich „Backwaren“ oder „Obst und Gemüse“ hätte einsetzen können. Darauf hat sich der Kläger ausdrücklich berufen. Auch hat er seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, in der Getränkeabteilung zu arbeiten, wenn er von der Verpflichtung ausgenommen werde, alkoholische Getränke zu beräumen. Aus dem Umstand, dass das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Beklagten sei es bis zum Ablauf der Kündigungsfrist durchaus möglich und zumutbar gewesen, den Kläger außerhalb des Getränkebereichs einzusetzen, kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, diese Möglichkeit habe auch noch nach Fristablauf bestanden.
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d) Einer möglichen Wirksamkeit der Kündigung unter personenbedingten Gesichtspunkten steht nicht entgegen, dass sich die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat nicht ausdrücklich auf solche Aspekte berufen hat. Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Das umfasst zwar auch die Mitteilung darüber, ob eine außerordentliche oder ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses angestrebt wird (Fitting 25. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 25 mwN). Nicht erforderlich ist aber, dass der Arbeitgeber die kündigungsrelevanten Tatsachen einem der Kündigungsgründe des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zuordnet. Tut er dies dennoch, bindet ihn dies im späteren Kündigungsschutzprozess grundsätzlich nicht. Er kann sich im Rahmen des dem Betriebsrat unterbreiteten tatsächlichen Kündigungssachverhalts auch auf andere rechtliche Gesichtspunkte berufen, sofern die mitgeteilten Tatsachen diese neuen Aspekte tragen.
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e) Ebenso wenig steht der möglichen Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung ein Diskriminierungsverbot entgegen. Eine unmittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seiner Religion iSv. § 7 Abs. 1 iVm. §§ 1, 3 Abs. 1 AGG scheidet aus. Die Kündigung ist nicht deshalb erfolgt, weil der Kläger Moslem ist, sondern weil er sich außerstande sieht, bestimmte vertraglich eingegangene Verpflichtungen zu erfüllen. Auch eine mittelbare Diskriminierung liegt nicht vor. Unabhängig davon, ob mit einer solchen Kündigung eine besondere Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG einhergehen kann, ist es jedenfalls durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und als Mittel zu dessen Erreichung angemessen und erforderlich, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer beendet, der wegen seiner Glaubensüberzeugungen subjektiv nicht in der Lage ist, die vertraglich übernommenen Aufgaben zu verrichten, und anderweitig nicht eingesetzt werden kann.
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3. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Beurteilung, ob eine den Glaubenskonflikt vermeidende Beschäftigungsalternative bestand, ist zunächst und im Wesentlichen Tatfrage. Dazu wird das Landesarbeitsgericht die nötigen Feststellungen zu treffen haben.
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a) Dabei ist zu beachten, dass im Kündigungsschutzprozess der Arbeitgeber die Voraussetzungen des Kündigungsgrundes darlegen und ggf. beweisen muss. Das betrifft auch das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG. Beruft sich ein Arbeitnehmer darauf, dass es ihm aus Glaubensgründen nicht möglich sei, die vertraglich geschuldete Tätigkeit auszuführen, hat er auf Nachfrage des Arbeitgebers aufzuzeigen, worin die religiösen Bedenken bestehen und welche vom Arbeitsvertrag umfassten Tätigkeiten ihm seine religiöse Überzeugung verbietet, um verbleibende Einsatzmöglichkeiten prüfen zu können. Im Streitfall gilt dies in besonderem Maße für den Umgang mit Produkten, die Alkohol enthalten und außerhalb der Getränkeabteilung vertrieben werden. Dieser materiell-rechtlichen Obliegenheit des Arbeitnehmers folgt die Darlegungslast im Prozess. Es ist Sache des sich auf einen Glaubenskonflikt berufenden Arbeitnehmers, zumindest in Grundzügen aufzuzeigen, wie er sich eine mit seinen Glaubensüberzeugungen in Einklang stehende Beschäftigung im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Betriebsorganisation vorstellt. Nur dann kann zuverlässig beurteilt werden, ob es dem Arbeitgeber möglich und zumutbar war, dem Arbeitnehmer andere Arbeit zu übertragen.
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b) Auch die Frage, welche Anstrengungen dem Arbeitgeber mit Blick auf eine anderweitige Beschäftigung des von einem Glaubenskonflikt betroffenen Arbeitnehmer zumutbar sind, unterliegt der Einzelfallbeurteilung. Regelmäßig zumutbar ist dem Arbeitgeber die Zuweisung einer anderen Tätigkeit, wenn dem keine betrieblichen Gründe, zu denen sowohl wirtschaftliche als auch organisatorische Gründe zählen können, entgegenstehen. Betriebliche Gründe stehen der Übertragung einer anderen Tätigkeit in der Regel nicht entgegen, wenn ein Arbeitsplatz frei ist und Bedarf an der fraglichen Tätigkeit besteht. Kann die Zuweisung einer anderen Tätigkeit nur durch einen Aufgabentausch mit anderen Arbeitnehmern erfolgen, kann einer solchen Maßnahme die dem Arbeitgeber gegenüber allen Arbeitnehmern obliegende Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB entgegenstehen. Allgemein gilt, dass die Verpflichtung zur Berücksichtigung einer konfliktvermeidenden Beschäftigungsalternative vom Arbeitgeber nicht verlangt, die Belange des Arbeitnehmers unter Hintanstellung eigener schutzwürdiger Interessen oder der anderer Arbeitnehmer durchzusetzen (vgl. auch BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 27 ff., EzA BGB 2002 § 615 Nr. 33). Bei der Frage, welche Anstrengungen dem Arbeitgeber im Hinblick auf eine Umsetzung zuzumuten sind, kann auch die Möglichkeit, den Konflikt vorherzusehen, Berücksichtigung finden. So wird der Arbeitgeber im Fall eines vorhersehbaren Konflikts nur naheliegende, ohne erhebliche Schwierigkeiten durchsetzbare Möglichkeiten einer Umsetzung ergreifen müssen.
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c) Als alternative Beschäftigungsmöglichkeit ist auch die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit in der Frischwarenabteilung in Betracht zu ziehen. Ob der Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt frei war, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Ebenso wenig hat es geklärt, welche konkreten Belastungen mit den Erkrankungen des Klägers einhergingen. Es lässt sich deshalb nicht beurteilen, ob das betriebliche Interesse der Beklagten, den Kläger nicht mehr in diesem Bereich einzusetzen, höher zu bewerten ist als dessen Interesse an einer Weiterbeschäftigung.
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Kreft
Berger
Schmitz-Scholemann
Kreft
Hans Frey
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.
Die Leistung muss dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden.
Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache abzuholen hat. Dem Angebot der Leistung steht die Aufforderung an den Gläubiger gleich, die erforderliche Handlung vorzunehmen.
Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt. Das Gleiche gilt, wenn der Handlung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Handlung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt.
Der Gläubiger kommt nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken.
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Februar 2010 - 8 Sa 1395/09 - aufgehoben, soweit es der Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 13. Mai 2009 - 6 Ca 2276/07 - stattgegeben hat, und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über Annahmeverzugsansprüche für die Zeit vom 11. August bis zum 31. Dezember 2007.
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Der Kläger war seit 1996 als Verpackungsentwickler bei der Beklagten zu einer Monatsvergütung von zuletzt 5.200,00 Euro brutto beschäftigt. Dem Kläger war ein Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen.
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Mit Schreiben vom 15. Mai 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2006 wegen der Alkoholerkrankung des Klägers. Das Arbeitsgericht stellte mit Urteil vom 5. Juni 2007 die Unwirksamkeit der Kündigung fest und verurteilte die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers als Verpackungsentwickler zu unveränderten Bedingungen.
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Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 24. Juli 2007 die Zwangsvollstreckung aus dem Weiterbeschäftigungstitel beantragt hatte, teilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 2. August 2007 mit:
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„Sehr geehrter Herr H,
das Arbeitsgericht Bielefeld hat mit Urteil vom 5.6.2007 festgestellt, dass die von uns ausgesprochene Kündigung unwirksam ist. Gleichzeitig wurden wir verurteilt, Sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.
Sie haben inzwischen durch ihren Anwalt Vollstreckungsmaßnahmen angedroht.
Ausschließlich zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung sind wir bereit, Sie urteilsgemäß tatsächlich weiterzubeschäftigen. Die Weiterbeschäftigung erfolgt nur bis zum Tage der Entscheidung des LAG, da wir davon ausgehen, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bielefeld aufgehoben wird.
Die Vergütung erfolgt ausschließlich nach den arbeitsrechtlichen Regeln der erzwungenen Weiterbeschäftigung.
Wir fordern Sie hiermit auf, am 07.08.2007 um 10:00 Uhr bei Herrn Dr. S zu erscheinen. Er wird ihnen dann Ihren Arbeitsplatz zuweisen.“
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Daraufhin erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom 6. August 2007 den Zwangsgeldantrag für erledigt. Mit Faxschreiben vom 7. August 2007 teilte er der Beklagten mit, er werde an diesem Tag nicht um 10:00 Uhr erscheinen, um sich seinen Arbeitsplatz zuweisen zu lassen. Mit Schriftsatz vom 20. August 2007 ließ er vortragen, er sei zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses arbeitswillig, aber - unstreitig - vom 2. bis zum 10. August 2007 arbeitsunfähig krank gewesen. Die Arbeit nahm er nicht auf.
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Mit Schreiben vom 28. August 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich krankheitsbedingt zum 31. Dezember 2007. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage.
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Das Landesarbeitsgericht wies durch Urteil vom 29. Januar 2008 die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags betreffend die Kündigung vom 15. Mai 2006 zurück und gab ihr hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags statt.
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Das Arbeitsgericht stellte mit Teilurteil vom 21. Mai 2008 die Unwirksamkeit der Kündigung vom 28. August 2007 fest und verurteilte die Beklagte erneut zur vorläufigen Weiterbeschäftigung und zur Zahlung restlicher Vergütung. Am Ende des Kammertermins vor dem Arbeitsgericht am 21. Mai 2008 forderte die Beklagte den Kläger zur Weiterarbeit auf. Daraufhin berief sich der Kläger erstmals auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen rückständiger Vergütung. Die Beklagte legte nur hinsichtlich der Zahlungsansprüche Berufung ein. Der Kläger nahm die Arbeit wiederum nicht auf und kündigte selbst das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2010.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sich im Annahmeverzug befunden. Die Wiederaufnahme der Arbeit sei nicht zumutbar gewesen.
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Der Kläger hat - soweit in der Revision von Interesse - beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.327,22 Euro brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengelds iHv. 9.909,58 Euro nebst Zinsen zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und Leistungsunwilligkeit des Klägers eingewandt. Im Übrigen habe er durch die Nichtaufnahme der Arbeit böswillig seine Erwerbsobliegenheit verletzt.
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Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage für den noch streitigen Zeitraum abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Zurückweisung der Berufung des Klägers.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Klägers zu Unrecht stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger für die Zeit vom 11. August bis zum 31. Dezember 2007 keine Zahlungen beanspruchen kann.
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I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung gemäß § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich nicht im Annahmeverzug, denn der Kläger war in der streitbefangenen Zeit nicht leistungswillig, § 297 BGB.
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1. Die in § 297 BGB nicht ausdrücklich genannte Voraussetzung der Leistungswilligkeit folgt daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst außer Stande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Der subjektive Leistungswille ist eine von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Verzugszeitraums vorliegen muss (vgl. BAG 24. September 2003 - 5 AZR 591/02 - zu B I der Gründe, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 5; 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6).
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2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Anwendungsbereich des § 297 BGB nicht auf den Fall beschränkt, in dem der Arbeitnehmer bereits vor einer Kündigung leistungsunwillig war. Die Nichtaufnahme einer vom Arbeitgeber angebotenen Beschäftigung kann nicht nur zur Anrechnung böswillig nicht erzielten Verdienstes gemäß § 615 Satz 2 BGB, § 11 Nr. 1 und Nr. 2 KSchG führen. Vielmehr kann sie den Annahmeverzug des Arbeitgebers gänzlich entfallen lassen (BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - BAGE 115, 216; MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 615 Rn. 42; ErfK/Preis 11. Aufl. § 615 BGB Rn. 47; aA Boemke JuS 2006, 287, 288; KR/Spilger 9. Aufl. § 11 KSchG Rn. 24). Die vom Landesarbeitsgericht angenommene Eingrenzung lässt sich weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 297 BGB entnehmen. § 297 BGB bestimmt schlicht, dass der Gläubiger dann nicht in Verzug kommt, wenn der Schuldner außerstande ist (oder sich außerstande gesetzt hat), die Leistung zu bewirken. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Kündigung seitens des Gläubigers ausgesprochen worden ist oder nicht. § 297 BGB lässt den Annahmeverzug im Fall der Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers entfallen und ist auch in diesem Anwendungsbereich nicht auf die Leistungsunfähigkeit vor einer Kündigung beschränkt. Der Rückschluss auf einen fehlenden Leistungswillen anlässlich der Nichtaufnahme einer vom Arbeitgeber angebotenen Arbeit lässt den Anwendungsbereich der § 615 Satz 2 BGB, § 11 Nr. 2 KSchG nicht entfallen. Er ist nur dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer ein Angebot des Arbeitgebers ablehnt, das trotz Aufrechterhaltung der Kündigung auf eine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen gerichtet und dessen Annahme auch sonst zumutbar ist. Bei einer reinen Anrechnung bleibt es hingegen, wenn entweder das böswillige Unterlassen eines Zwischenerwerbs bei einem anderen Arbeitgeber oder als Selbständiger in Rede steht oder die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber besteht, der sich mit der Annahme der Dienste in Verzug befindet (BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 108, 27; 16. Juni 2004 - 5 AZR 508/03 - BAGE 111, 123) und dieser eine zwar nicht vertragsgemäße, jedoch gleichwohl zumutbare Beschäftigung (vgl. BAG 7. Februar 2007 - 5 AZR 422/06 - Rn. 16, BAGE 121, 133) angeboten hat.
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3. Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außerstande oder subjektiv nicht zur Leistung bereit ist. Dies ergibt sich aus der Fassung des § 297 BGB(zum fehlenden Leistungswillen, BAG 6. November 1986 - 2 AZR 744/85 - zu II 3 a der Gründe, RzK I 13b Nr. 4; zum Unvermögen, 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 13, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 22; 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2). Der Leistungswille ist eine innere Tatsache. Dass eine Partei eine innere Tatsache zu beweisen hat und die Führung dieses Beweises Schwierigkeiten bereitet, führt nicht zur Beweislastumkehr, sondern zur Modifizierung der Darlegungslast. Wendet der Arbeitgeber fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum ein, reicht es aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen hierauf geschlossen werden kann. In Betracht kommt insbesondere die Nichtaufnahme der Arbeit nach erfolgreichem Betreiben der Zwangsvollstreckung aus einem Weiterbeschäftigungstitel. Hat der Arbeitgeber solche Indizien vorgetragen oder sind sie unstreitig, ist es Sache des Arbeitnehmers, diese Indizwirkung zu erschüttern. Trägt er dazu nichts vor, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunwillig gewesen, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden(vgl. BAG 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - aaO).
- 18
-
4. Das Landesarbeitsgericht hat offen gelassen, ob der Kläger im Klagezeitraum leistungswillig war. Doch belegen bereits die unstreitigen Tatsachen, dass der Leistungswille des Klägers fehlte.
- 19
-
a) Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 5. Juni 2007 die Unwirksamkeit der Kündigung vom 15. Mai 2006 festgestellt und auf Antrag des Klägers die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers als Verpackungsentwickler zu unveränderten Bedingungen verurteilt. Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 24. Juli 2007 die Zwangsvollstreckung aus dem Weiterbeschäftigungstitel beantragt hatte, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 2. August 2007 ihre Bereitschaft, den Kläger „urteilsgemäß“ zu beschäftigen, und forderte ihn zur Arbeitsaufnahme auf. Mit Faxschreiben vom 7. August 2007 teilte der Kläger der Beklagten jedoch ohne nähere Begründung mit, er werde an diesem Tag nicht erscheinen, um sich seinen Arbeitsplatz zuweisen zu lassen.
- 20
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Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, beinhaltete das Angebot der Beklagten eine tatsächliche Weiterbeschäftigung als Verpackungsentwickler bei unveränderten Bedingungen. Dieses Angebot war dem Kläger schon deshalb zumutbar, weil er durch die Erwirkung des Titels sowie die eingeleitete Zwangsvollstreckung selbst die Zumutbarkeit einer „urteilsgemäßen“ Weiterbeschäftigung zu erkennen gegeben hatte. Angesichts der eingeleiteten Zwangsvollstreckung aus dem erstrittenen Weiterbeschäftigungstitel hätte der Kläger konkret begründen müssen, warum ihm die Weiterbeschäftigung nicht mehr zumutbar war (vgl. BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu II 3 b cc der Gründe, BAGE 108, 27). An der Bereitschaft der Beklagten zur urteilsgemäßen Beschäftigung hatte - seinerzeit - offenbar auch der Kläger keine Zweifel. Ansonsten hätte er nicht erklärt, dass sich der Zwangsgeldantrag durch das Schreiben der Beklagten vom 2. August 2007 „erledigt“ habe und der zunächst zulässige und begründete Vollstreckungsantrag unbegründet geworden sei, weil die Beklagte begonnen habe, das Weiterbeschäftigungsurteil „zu achten“. Der Kläger ist dem Angebot nicht nachgekommen.
- 21
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b) Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die die Indizwirkung der genannten Tatsachen erschüttern.
- 22
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aa) Der Kläger war zwar am 7. August 2007 arbeitsunfähig. Jedoch hat er diesen vorübergehenden Hinderungsgrund zunächst gar nicht benannt und auch mit Schriftsatz vom 20. August 2007 nur erklären lassen, dass er zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses arbeitswillig, vom 2. bis zum 10. August 2007 arbeitsunfähig gewesen sei. Anstalten zu einer Arbeitsaufnahme hat er trotz zwischenzeitlicher Genesung weiterhin nicht gemacht, obwohl das Angebot der Beklagten zeitlich unbefristet war.
- 23
-
bb) Der Leistungswille ist nicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder eingetreten. Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, welche den Schluss zuließen, dass er nach Ablehnung des Weiterbeschäftigungsangebots seinen Leistungswillen zu einem späteren Zeitpunkt vor Ablauf des 31. Dezember 2007 wiederhergestellt habe (vgl. BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - BAGE 115, 216). Es ist nicht erkennbar, dass die im Laufe des Rechtsstreits zur Unzumutbarkeit der Tätigkeit nachgeschobenen Gründe im Zusammenhang mit seinem Leistungswillen im Klagezeitraum standen.
- 24
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(1) Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er die angebotene Beschäftigung wegen der Einstellung eines weiteren Verpackungsentwicklers nicht aufgenommen habe. Der Kläger hat weder dargelegt, wann er von der „Doppelbesetzung“ Kenntnis erlangte, noch dass er im Klagezeitraum überhaupt von seiner Versetzung iSd. § 95 Abs. 3 BetrVG ausgehen musste und die Weiterbeschäftigung ohne Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG für unzumutbar erachtet hatte. Zwar handelt der Arbeitnehmer nicht böswillig iSv. § 11 Nr. 2 KSchG, wenn er einer ohne Beteiligung des Betriebsrats ausgesprochenen Versetzung keine Folge leistet(vgl. BAG 7. November 2002 - 2 AZR 650/00 - zu B I 2 c cc der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 98 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 1). Jedoch hat der Kläger diesen angeblichen Unzumutbarkeitsgrund erst im Verlauf des Rechtsstreits über die Annahmeverzugsvergütung nachgeschoben. Von einer fehlenden Zustimmung des Betriebsrats zu einer geplanten Versetzung ist in keinem bis zum 31. Dezember 2007 eingereichten Schriftsatz des Klägers die Rede. Hätte der Kläger damals angenommen, dass seiner Weiterbeschäftigung irgendwelche Hinderungsgründe „aus der Sphäre der Beklagten“ entgegenstünden, wäre auch kein Raum für eine Erledigungserklärung gewesen. Zudem konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass er überhaupt versetzt oder vertragswidrig habe beschäftigt werden sollen.
- 25
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(2) Der Ausspruch der Folgekündigung vom 28. August 2007 belegt keine Wiederherstellung des Leistungswillens des Klägers. Im Übrigen galt das Angebot der Beklagten trotz des Ausspruchs der Folgekündigung für den Streitzeitraum, dh. bis zum 31. Dezember 2007, fort. Der Leistungswille des Klägers wurde auch nicht durch die Kündigungsschutzklage ersetzt. Ohne den ernstlichen Willen des Arbeitnehmers, die angebotene Leistung zu erbringen, sind tatsächliche und wörtliche Angebote unbeachtlich (vgl. BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6).
- 26
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II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigung für die entgangene private Nutzung eines Dienstfahrzeugs. Ohne Vergütungsanspruch bestand auch kein Anspruch auf Überlassung des Dienstfahrzeugs zur privaten Nutzung (vgl. BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 240/99 - zu A II 1 b der Gründe, BAGE 96, 34; 14. Dezember 2010 - 9 AZR 631/09 - Rn. 14, NZA 2011, 569).
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 und § 91 Abs. 1 ZPO.
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Müller-Glöge
Laux
Biebl
Zoller
S. Röth-Ehrmann
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Februar 2010 - 8 Sa 1395/09 - aufgehoben, soweit es der Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 13. Mai 2009 - 6 Ca 2276/07 - stattgegeben hat, und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über Annahmeverzugsansprüche für die Zeit vom 11. August bis zum 31. Dezember 2007.
- 2
-
Der Kläger war seit 1996 als Verpackungsentwickler bei der Beklagten zu einer Monatsvergütung von zuletzt 5.200,00 Euro brutto beschäftigt. Dem Kläger war ein Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen.
- 3
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Mit Schreiben vom 15. Mai 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2006 wegen der Alkoholerkrankung des Klägers. Das Arbeitsgericht stellte mit Urteil vom 5. Juni 2007 die Unwirksamkeit der Kündigung fest und verurteilte die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers als Verpackungsentwickler zu unveränderten Bedingungen.
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Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 24. Juli 2007 die Zwangsvollstreckung aus dem Weiterbeschäftigungstitel beantragt hatte, teilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 2. August 2007 mit:
-
„Sehr geehrter Herr H,
das Arbeitsgericht Bielefeld hat mit Urteil vom 5.6.2007 festgestellt, dass die von uns ausgesprochene Kündigung unwirksam ist. Gleichzeitig wurden wir verurteilt, Sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.
Sie haben inzwischen durch ihren Anwalt Vollstreckungsmaßnahmen angedroht.
Ausschließlich zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung sind wir bereit, Sie urteilsgemäß tatsächlich weiterzubeschäftigen. Die Weiterbeschäftigung erfolgt nur bis zum Tage der Entscheidung des LAG, da wir davon ausgehen, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bielefeld aufgehoben wird.
Die Vergütung erfolgt ausschließlich nach den arbeitsrechtlichen Regeln der erzwungenen Weiterbeschäftigung.
Wir fordern Sie hiermit auf, am 07.08.2007 um 10:00 Uhr bei Herrn Dr. S zu erscheinen. Er wird ihnen dann Ihren Arbeitsplatz zuweisen.“
- 5
-
Daraufhin erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom 6. August 2007 den Zwangsgeldantrag für erledigt. Mit Faxschreiben vom 7. August 2007 teilte er der Beklagten mit, er werde an diesem Tag nicht um 10:00 Uhr erscheinen, um sich seinen Arbeitsplatz zuweisen zu lassen. Mit Schriftsatz vom 20. August 2007 ließ er vortragen, er sei zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses arbeitswillig, aber - unstreitig - vom 2. bis zum 10. August 2007 arbeitsunfähig krank gewesen. Die Arbeit nahm er nicht auf.
- 6
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Mit Schreiben vom 28. August 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich krankheitsbedingt zum 31. Dezember 2007. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage.
- 7
-
Das Landesarbeitsgericht wies durch Urteil vom 29. Januar 2008 die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags betreffend die Kündigung vom 15. Mai 2006 zurück und gab ihr hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags statt.
- 8
-
Das Arbeitsgericht stellte mit Teilurteil vom 21. Mai 2008 die Unwirksamkeit der Kündigung vom 28. August 2007 fest und verurteilte die Beklagte erneut zur vorläufigen Weiterbeschäftigung und zur Zahlung restlicher Vergütung. Am Ende des Kammertermins vor dem Arbeitsgericht am 21. Mai 2008 forderte die Beklagte den Kläger zur Weiterarbeit auf. Daraufhin berief sich der Kläger erstmals auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen rückständiger Vergütung. Die Beklagte legte nur hinsichtlich der Zahlungsansprüche Berufung ein. Der Kläger nahm die Arbeit wiederum nicht auf und kündigte selbst das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2010.
- 9
-
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sich im Annahmeverzug befunden. Die Wiederaufnahme der Arbeit sei nicht zumutbar gewesen.
-
Der Kläger hat - soweit in der Revision von Interesse - beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.327,22 Euro brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengelds iHv. 9.909,58 Euro nebst Zinsen zu zahlen.
- 11
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und Leistungsunwilligkeit des Klägers eingewandt. Im Übrigen habe er durch die Nichtaufnahme der Arbeit böswillig seine Erwerbsobliegenheit verletzt.
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Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage für den noch streitigen Zeitraum abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Zurückweisung der Berufung des Klägers.
Entscheidungsgründe
- 13
-
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Klägers zu Unrecht stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger für die Zeit vom 11. August bis zum 31. Dezember 2007 keine Zahlungen beanspruchen kann.
- 14
-
I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung gemäß § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich nicht im Annahmeverzug, denn der Kläger war in der streitbefangenen Zeit nicht leistungswillig, § 297 BGB.
- 15
-
1. Die in § 297 BGB nicht ausdrücklich genannte Voraussetzung der Leistungswilligkeit folgt daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst außer Stande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Der subjektive Leistungswille ist eine von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Verzugszeitraums vorliegen muss (vgl. BAG 24. September 2003 - 5 AZR 591/02 - zu B I der Gründe, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 5; 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6).
- 16
-
2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Anwendungsbereich des § 297 BGB nicht auf den Fall beschränkt, in dem der Arbeitnehmer bereits vor einer Kündigung leistungsunwillig war. Die Nichtaufnahme einer vom Arbeitgeber angebotenen Beschäftigung kann nicht nur zur Anrechnung böswillig nicht erzielten Verdienstes gemäß § 615 Satz 2 BGB, § 11 Nr. 1 und Nr. 2 KSchG führen. Vielmehr kann sie den Annahmeverzug des Arbeitgebers gänzlich entfallen lassen (BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - BAGE 115, 216; MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 615 Rn. 42; ErfK/Preis 11. Aufl. § 615 BGB Rn. 47; aA Boemke JuS 2006, 287, 288; KR/Spilger 9. Aufl. § 11 KSchG Rn. 24). Die vom Landesarbeitsgericht angenommene Eingrenzung lässt sich weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 297 BGB entnehmen. § 297 BGB bestimmt schlicht, dass der Gläubiger dann nicht in Verzug kommt, wenn der Schuldner außerstande ist (oder sich außerstande gesetzt hat), die Leistung zu bewirken. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Kündigung seitens des Gläubigers ausgesprochen worden ist oder nicht. § 297 BGB lässt den Annahmeverzug im Fall der Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers entfallen und ist auch in diesem Anwendungsbereich nicht auf die Leistungsunfähigkeit vor einer Kündigung beschränkt. Der Rückschluss auf einen fehlenden Leistungswillen anlässlich der Nichtaufnahme einer vom Arbeitgeber angebotenen Arbeit lässt den Anwendungsbereich der § 615 Satz 2 BGB, § 11 Nr. 2 KSchG nicht entfallen. Er ist nur dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer ein Angebot des Arbeitgebers ablehnt, das trotz Aufrechterhaltung der Kündigung auf eine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen gerichtet und dessen Annahme auch sonst zumutbar ist. Bei einer reinen Anrechnung bleibt es hingegen, wenn entweder das böswillige Unterlassen eines Zwischenerwerbs bei einem anderen Arbeitgeber oder als Selbständiger in Rede steht oder die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber besteht, der sich mit der Annahme der Dienste in Verzug befindet (BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 108, 27; 16. Juni 2004 - 5 AZR 508/03 - BAGE 111, 123) und dieser eine zwar nicht vertragsgemäße, jedoch gleichwohl zumutbare Beschäftigung (vgl. BAG 7. Februar 2007 - 5 AZR 422/06 - Rn. 16, BAGE 121, 133) angeboten hat.
- 17
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3. Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außerstande oder subjektiv nicht zur Leistung bereit ist. Dies ergibt sich aus der Fassung des § 297 BGB(zum fehlenden Leistungswillen, BAG 6. November 1986 - 2 AZR 744/85 - zu II 3 a der Gründe, RzK I 13b Nr. 4; zum Unvermögen, 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 13, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 22; 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2). Der Leistungswille ist eine innere Tatsache. Dass eine Partei eine innere Tatsache zu beweisen hat und die Führung dieses Beweises Schwierigkeiten bereitet, führt nicht zur Beweislastumkehr, sondern zur Modifizierung der Darlegungslast. Wendet der Arbeitgeber fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum ein, reicht es aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen hierauf geschlossen werden kann. In Betracht kommt insbesondere die Nichtaufnahme der Arbeit nach erfolgreichem Betreiben der Zwangsvollstreckung aus einem Weiterbeschäftigungstitel. Hat der Arbeitgeber solche Indizien vorgetragen oder sind sie unstreitig, ist es Sache des Arbeitnehmers, diese Indizwirkung zu erschüttern. Trägt er dazu nichts vor, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunwillig gewesen, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden(vgl. BAG 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - aaO).
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4. Das Landesarbeitsgericht hat offen gelassen, ob der Kläger im Klagezeitraum leistungswillig war. Doch belegen bereits die unstreitigen Tatsachen, dass der Leistungswille des Klägers fehlte.
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a) Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 5. Juni 2007 die Unwirksamkeit der Kündigung vom 15. Mai 2006 festgestellt und auf Antrag des Klägers die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers als Verpackungsentwickler zu unveränderten Bedingungen verurteilt. Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 24. Juli 2007 die Zwangsvollstreckung aus dem Weiterbeschäftigungstitel beantragt hatte, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 2. August 2007 ihre Bereitschaft, den Kläger „urteilsgemäß“ zu beschäftigen, und forderte ihn zur Arbeitsaufnahme auf. Mit Faxschreiben vom 7. August 2007 teilte der Kläger der Beklagten jedoch ohne nähere Begründung mit, er werde an diesem Tag nicht erscheinen, um sich seinen Arbeitsplatz zuweisen zu lassen.
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Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, beinhaltete das Angebot der Beklagten eine tatsächliche Weiterbeschäftigung als Verpackungsentwickler bei unveränderten Bedingungen. Dieses Angebot war dem Kläger schon deshalb zumutbar, weil er durch die Erwirkung des Titels sowie die eingeleitete Zwangsvollstreckung selbst die Zumutbarkeit einer „urteilsgemäßen“ Weiterbeschäftigung zu erkennen gegeben hatte. Angesichts der eingeleiteten Zwangsvollstreckung aus dem erstrittenen Weiterbeschäftigungstitel hätte der Kläger konkret begründen müssen, warum ihm die Weiterbeschäftigung nicht mehr zumutbar war (vgl. BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu II 3 b cc der Gründe, BAGE 108, 27). An der Bereitschaft der Beklagten zur urteilsgemäßen Beschäftigung hatte - seinerzeit - offenbar auch der Kläger keine Zweifel. Ansonsten hätte er nicht erklärt, dass sich der Zwangsgeldantrag durch das Schreiben der Beklagten vom 2. August 2007 „erledigt“ habe und der zunächst zulässige und begründete Vollstreckungsantrag unbegründet geworden sei, weil die Beklagte begonnen habe, das Weiterbeschäftigungsurteil „zu achten“. Der Kläger ist dem Angebot nicht nachgekommen.
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b) Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die die Indizwirkung der genannten Tatsachen erschüttern.
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aa) Der Kläger war zwar am 7. August 2007 arbeitsunfähig. Jedoch hat er diesen vorübergehenden Hinderungsgrund zunächst gar nicht benannt und auch mit Schriftsatz vom 20. August 2007 nur erklären lassen, dass er zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses arbeitswillig, vom 2. bis zum 10. August 2007 arbeitsunfähig gewesen sei. Anstalten zu einer Arbeitsaufnahme hat er trotz zwischenzeitlicher Genesung weiterhin nicht gemacht, obwohl das Angebot der Beklagten zeitlich unbefristet war.
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bb) Der Leistungswille ist nicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder eingetreten. Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, welche den Schluss zuließen, dass er nach Ablehnung des Weiterbeschäftigungsangebots seinen Leistungswillen zu einem späteren Zeitpunkt vor Ablauf des 31. Dezember 2007 wiederhergestellt habe (vgl. BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - BAGE 115, 216). Es ist nicht erkennbar, dass die im Laufe des Rechtsstreits zur Unzumutbarkeit der Tätigkeit nachgeschobenen Gründe im Zusammenhang mit seinem Leistungswillen im Klagezeitraum standen.
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(1) Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er die angebotene Beschäftigung wegen der Einstellung eines weiteren Verpackungsentwicklers nicht aufgenommen habe. Der Kläger hat weder dargelegt, wann er von der „Doppelbesetzung“ Kenntnis erlangte, noch dass er im Klagezeitraum überhaupt von seiner Versetzung iSd. § 95 Abs. 3 BetrVG ausgehen musste und die Weiterbeschäftigung ohne Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG für unzumutbar erachtet hatte. Zwar handelt der Arbeitnehmer nicht böswillig iSv. § 11 Nr. 2 KSchG, wenn er einer ohne Beteiligung des Betriebsrats ausgesprochenen Versetzung keine Folge leistet(vgl. BAG 7. November 2002 - 2 AZR 650/00 - zu B I 2 c cc der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 98 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 1). Jedoch hat der Kläger diesen angeblichen Unzumutbarkeitsgrund erst im Verlauf des Rechtsstreits über die Annahmeverzugsvergütung nachgeschoben. Von einer fehlenden Zustimmung des Betriebsrats zu einer geplanten Versetzung ist in keinem bis zum 31. Dezember 2007 eingereichten Schriftsatz des Klägers die Rede. Hätte der Kläger damals angenommen, dass seiner Weiterbeschäftigung irgendwelche Hinderungsgründe „aus der Sphäre der Beklagten“ entgegenstünden, wäre auch kein Raum für eine Erledigungserklärung gewesen. Zudem konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass er überhaupt versetzt oder vertragswidrig habe beschäftigt werden sollen.
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(2) Der Ausspruch der Folgekündigung vom 28. August 2007 belegt keine Wiederherstellung des Leistungswillens des Klägers. Im Übrigen galt das Angebot der Beklagten trotz des Ausspruchs der Folgekündigung für den Streitzeitraum, dh. bis zum 31. Dezember 2007, fort. Der Leistungswille des Klägers wurde auch nicht durch die Kündigungsschutzklage ersetzt. Ohne den ernstlichen Willen des Arbeitnehmers, die angebotene Leistung zu erbringen, sind tatsächliche und wörtliche Angebote unbeachtlich (vgl. BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6).
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II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigung für die entgangene private Nutzung eines Dienstfahrzeugs. Ohne Vergütungsanspruch bestand auch kein Anspruch auf Überlassung des Dienstfahrzeugs zur privaten Nutzung (vgl. BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 240/99 - zu A II 1 b der Gründe, BAGE 96, 34; 14. Dezember 2010 - 9 AZR 631/09 - Rn. 14, NZA 2011, 569).
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 und § 91 Abs. 1 ZPO.
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Müller-Glöge
Laux
Biebl
Zoller
S. Röth-Ehrmann
Tenor
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1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. August 2010 - 16 Sa 532/10, 16 Sa 637/10, 16 Sa 1405/10 - aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über Annahmeverzugsvergütung nach unwirksamer Arbeitgeberkündigung sowie Schadensersatz nach § 717 Abs. 2 ZPO.
- 2
-
Der 1959 geborene Kläger, Diplom-Kaufmann mit Lehrbefähigung für die Unterrichtsfächer Sport und Wirtschaftslehre, ist seit Oktober 1998 beim beklagten Land als Lehrer beschäftigt. Er unterrichtete zuletzt an der A-Oberschule im Bezirk C (im Folgenden: OSZ Sozialwesen). Zum 1. August 2006 setzte ihn das beklagte Land an das Oberstufenzentrum Bürowirtschaft und Verwaltung im Bezirk St (OSZ St) um, das der Kläger erstmals am 22. oder 24. August 2006 aufsuchte. Dabei wurde er vom dortigen Schulleiter in die Räumlichkeiten und den Aufgabenbereich eingewiesen. Am 23. August 2006 und vom 25. August bis zum 29. September 2006 meldete sich der Kläger arbeitsunfähig krank.
-
Am 25. August 2006 schrieb der Kläger an die zuständige Senatsverwaltung:
-
„Sehr geehrte Damen und Herren,
leider habe ich bis heute auf mein Schreiben vom 31. Juli 2006 an das Referat II D keine Antwort(en) erhalten.
Aber dies passt wiederum ins Bild. Diese Umsetzung ist ein Akt von Willkür.
…
Ich betrachte das OSZ-Sozialwesen weiterhin als meine aktuelle Dienststelle.
(Unter Vorbehalt bin ich am OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung in St erschienen.)
Da ich anscheinend weiter der Willkür von Vorgesetzten ausgeliefert sein soll, widerspreche ich der Umsetzung ans OSZ St ausdrücklich.
Sollte die Umsetzung nicht bis 1. September rückgängig gemacht werden, müssen Sie damit rechnen, dass ich mich selbst vor der Willkür von Vorgesetzten schützen werde, indem ich am OSZ St keinen Unterricht mehr erteile und/oder den Vorgang gerichtlich überprüfen lassen werde.
Hochachtungsvoll
…“
- 4
-
Nach den Herbstferien (2. bis 14. Oktober 2006) erschien der Kläger nicht im OSZ St. Ab dem 26. Oktober 2006 meldete er sich wiederum arbeitsunfähig krank.
- 5
-
Am 31. Oktober 2006 reichte der Kläger beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Beschäftigung als Lehrer am OSZ Sozialwesen ein, den er in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2006 zurücknahm. Am 17. November 2006 erhob der Kläger Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der „Versetzung“ an das OSZ St, der das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 18. April 2007 - 96 Ca 20973/06 - stattgab. In der Berufungsverhandlung am 2. November 2007 nahm der Kläger nach dem gerichtlichen Hinweis, eine Entscheidung sei kein Präjudiz für einen Kündigungsschutzprozess, auf Vorschlag des Berufungsgerichts (- 13 Sa 1257/07 -) die Klage zurück. Zwischenzeitlich hatte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 6. Februar 2007 wegen Arbeitsverweigerung zum 30. Juni 2007 gekündigt. Die dagegen erhobene, mit einem allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag verbundene Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 12. März 2008 - 60 Ca 3331/07 - ab, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab ihr mit Urteil vom 26. November 2008 - 23 Sa 1175/08 - statt. Am 11. Dezember 2009 nahm der Kläger seine Tätigkeit wieder auf.
-
Nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung und nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Umsetzung teilte das beklagte Land dem Kläger mit Schreiben vom 9. August 2007 mit:
-
„Sehr geehrter Herr R,
aufgrund der Entscheidung des Arbeitsgerichts werden Sie mit Wirkung vom 1. August 2007 vom OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung im Bezirk St (Schul-Nr. 2) mit voller Stundenzahl, zurzeit 26 Wochenstunden, an die A-Oberschule im Bezirk C (Schul-Nr. 5) umgesetzt.
Bis zur Rechtskraft des Urteils ist dieser Bescheid vorläufig. Ein endgültiger Bescheid wird dann zu gegebener Zeit erlassen.“
- 7
-
Mit der vorliegenden, am 19. Juni 2009 eingereichten Klage hat der Kläger Annahmeverzugsvergütung für die Zeit vom 2. Juli 2007 bis zum 10. Dezember 2008 unter Abzug bezogenen Arbeitslosengelds und erhaltener Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht und die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe sich aufgrund der unwirksamen Kündigung im streitbefangenen Zeitraum im Annahmeverzug befunden, ohne dass es eines Arbeitsangebots bedurft hätte. Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage habe er zum Ausdruck gebracht, an dem Arbeitsverhältnis festhalten zu wollen und leistungswillig zu sein. Er hat behauptet, ab dem 2. Juli 2007 wieder arbeitsfähig gewesen zu sein.
-
Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
-
1.
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 73.931,64 Euro brutto abzüglich 16.894,54 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Differenzbetrag ab dem 2. Juli 2009 zu zahlen;
2.
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung bis zum 1. Juli 2009 zu zahlen.
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Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, nicht in Annahmeverzug geraten zu sein, weil der Kläger bereits vor Ausspruch der Kündigung nicht willens gewesen sei, die ihm wirksam zugewiesene Tätigkeit am OSZ St zu verrichten.
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In der Berufungsinstanz hat das beklagte Land widerklagend Schadensersatz wegen der Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils geltend gemacht und beantragt,
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den Kläger zu verurteilen, an das beklagte Land 53.106,26 Euro zuzüglich weiterer 2.719,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Kläger hat die Abweisung der Widerklage beantragt.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Ausnahme von Annahmeverzugsvergütung für den Monat Juli 2007 stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung des beklagten Landes die Klage insgesamt abgewiesen sowie der Widerklage stattgegeben. Mit der vom Senat für den Kläger zugelassenen Revision verfolgt dieser seine zuletzt gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Klage nicht abgewiesen und der Widerklage nicht stattgegeben werden. Ob und ggf. für welchen Zeitraum der Kläger Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB hat, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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I. Dem Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung steht ein fehlendes Angebot des Klägers nicht entgegen. Nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs eines Angebots des Arbeitnehmers nicht (st. Rspr., zuletzt BAG 17. November 2011 - 5 AZR 564/10 - Rn. 13, NZA 2012, 260; 27. August 2008 - 5 AZR 16/08 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 615 Nr. 124 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 26). Das beklagte Land hat den Kläger auch nicht - insbesondere nicht mit dem Schreiben vom 9. August 2007 - zur Wiederaufnahme der Arbeit unter unmissverständlicher Klarstellung, es habe zu Unrecht gekündigt, aufgefordert (vgl. dazu BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe, BAGE 108, 27; 7. November 2002 - 2 AZR 650/00 - zu B I 1 b der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 98 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 1; ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 67; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 60 - jeweils mwN).
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II. Das beklagte Land hätte sich aber nicht im Annahmeverzug befunden, wenn der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht leistungsfähig oder leistungswillig war, § 297 BGB.
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1. Nach dieser Vorschrift kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Neben der (tatsächlichen oder rechtlichen) Leistungsfähigkeit umfasst § 297 BGB auch die nicht ausdrücklich genannte Leistungswilligkeit. Dies folgt daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst außer Stande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Die objektive Leistungsfähigkeit und der subjektive Leistungswille sind von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen (BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 15 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34).
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2. Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande oder subjektiv nicht bereit war. Dies ergibt sich aus der Fassung des § 297 BGB(BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 17 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34; vgl. auch ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 109; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 54 f.). Wendet der Arbeitgeber die fehlende Leistungsfähigkeit oder den fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum ein, reicht es zunächst aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen hierauf geschlossen werden kann. Sodann ist es Sache des Arbeitnehmers, die Indizwirkung zu erschüttern. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig bzw. leistungsunwillig gewesen, als zugestanden. Andernfalls ist der Arbeitgeber für die die fehlende Leistungsfähigkeit bzw. den fehlenden Leistungswillen begründenden Tatsachen beweispflichtig.
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3. Nach diesen Grundsätzen gilt vorliegend Folgendes:
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a) Das beklagte Land hat behauptet, der Kläger sei auch über den Ablauf der Kündigungsfrist am 30. Juni 2007 hinaus weiter arbeitsunfähig und damit leistungsunfähig gewesen. Die Koinzidenz zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist und dem behaupteten Ende der Arbeitsunfähigkeit nach einer mehrmonatigen Erkrankung, deren Beginn in engem zeitlichen Zusammenhang mit der vom Kläger als „Akt der Willkür“ empfundenen Umsetzung stand, reicht zur Begründung der Indizwirkung aus (vgl. allg. zur Indizwirkung von Krankheitszeiten BAG 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2). Weitergehender Vortrag war dem beklagten Land nicht möglich, weil ihm keine Erkenntnisse zur Erkrankung des Klägers vorliegen. Es ist Sache des Klägers, die Indizwirkung im weiteren Berufungsverfahren zu erschüttern. Lässt er sich zu seiner Erkrankung und deren Ausheilung gerade zum Ablauf der Kündigungsfrist - ggf. unter Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht - nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des beklagten Landes, der Kläger sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig gewesen, als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO.
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b) Ob der Kläger im Annahmeverzugszeitraum leistungswillig war, hängt davon ab, an welcher Schule er seine Tätigkeit - die Kündigung hinweggedacht - zu erbringen hatte. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Leistungswille des Klägers müsse sich auf eine Tätigkeit am OSZ St beziehen, wird durch die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht hinreichend getragen.
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aa) Nach § 297 BGB muss der Arbeitnehmer außer Stande sein, „die Leistung zu bewirken“. Für den Annahmeverzug ist damit ein auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit gerichteter Leistungswille erforderlich (vgl. BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 115, 216). Ist die geschuldete Arbeitsleistung nur rahmenmäßig umschrieben (hier: „Lehrer“), obliegt es nach § 106 Satz 1 GewO dem Arbeitgeber, den Inhalt der zu leistenden Arbeit näher zu bestimmen(vgl. nur BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 14, BAGE 134, 296; ErfK/Preis 12. Aufl. § 106 GewO Rn. 2, 11; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 25a). Die durch die wirksame Ausübung des Direktionsrechts näher bestimmte Tätigkeit ist die iSv. § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung. Auf sie muss sich der Leistungswille des Arbeitnehmers richten.
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bb) Ob das beklagte Land mit der Umsetzung des Klägers an das OSZ St zum 1. August 2006 ihr Direktionsrecht wirksam ausgeübt hat, kann der Senat aufgrund fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.
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(1) Aus dem Rechtsstreit über die Umsetzung kann dafür nichts hergeleitet werden. Wegen der Klagerücknahme im dortigen Verfahren ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen und das zu Gunsten des Klägers ergangene erstinstanzliche Urteil wirkungslos, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht ist zwar nach eigener Prüfung von der Wirksamkeit der Umsetzung an das OSZ St ausgegangen, seine bisherigen Feststellungen tragen diese Annahme jedoch nicht und lassen den Sachvortrag des Klägers dazu außer Betracht. Der unterstützende Hinweis auf das Berufungsurteil im Kündigungsschutzprozess ist schon deshalb unbehelflich, weil die 23. Kammer des Berufungsgerichts lediglich erkannt hat, die Kündigung wäre auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Kläger „vom Vortrag des beklagten Landes ausgehend“ wirksam umgesetzt worden sei. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb im erneuten Berufungsverfahren der vom Kläger aufgeworfenen Frage nach der Unwirksamkeit der Umsetzung wegen fehlender bzw. fehlerhafter Beteiligung des Personalrats nachzugehen haben. Erweist sich danach die Umsetzung als unwirksam, musste sich der Leistungswille des Klägers (nur) auf die zuvor zugewiesene Tätigkeit am OSZ Sozialwesen richten. Für das Fehlen eines derartigen Leistungswillens hat das beklagte Land keine Indiztatsachen vorgetragen.
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(2) Entgegen der Auffassung des Klägers ist es allerdings für die Frage des (fehlenden) Leistungswillens unerheblich, ob die Zuweisung der Tätigkeit am OSZ St billigem Ermessen entsprach. Die unbillige Leistungsbestimmung ist nicht nichtig, sondern nur unverbindlich, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB. Entsteht Streit über die Verbindlichkeit, entscheidet nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB das Gericht. Deshalb darf sich der Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Direktionsrechts - sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam ist - nicht hinwegsetzen, sondern muss entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit (vgl. dazu BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - Rn. 18 mwN, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17) ist der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Direktionsrechts erfolgte Konkretisierung ua. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil (etwa aufgrund einer Klage auf Beschäftigung mit der früheren Tätigkeit) die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststeht (vgl. zur Gestaltungswirkung des Urteils nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und der vorläufigen Bindung an die Leistungsbestimmung BAG 16. Dezember 1965 - 5 AZR 304/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 54; 28. Juli 2011 - 3 AZR 859/09 - Rn. 32, AP BetrAVG § 16 Nr. 74 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 60; BGH 4. April 2006 - X ZR 122/05 - Rn. 22, BGHZ 167, 139; MünchKommBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 Rn. 45, 47 ff.; Erman/Hager 13. Aufl. § 315 BGB Rn. 22; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 315 BGB Rn. 16 f. - jeweils mwN; vgl. zur Verbindlichkeit einer Weisung und der möglichen Verpflichtung des Arbeitgebers, einzelne Weisungen wegen eines Gewissenskonflikts des Arbeitnehmers durch Neuausübung des Direktionsrechts zu verändern, BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 25, EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 28).
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cc) Stellt das Landesarbeitsgericht im weiteren Berufungsverfahren die Bindung des Klägers an die Zuweisung der Tätigkeit am OSZ St fest, musste sich sein Leistungswille darauf richten. Ein solcher Wille des Klägers ist nach den bisherigen Feststellungen nicht erkennbar.
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(1) Der Kläger hatte mit seinem Schreiben vom 25. August 2006 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er am OSZ St keinen Unterricht erteilen werde, und diese Absicht auch in die Tat umgesetzt. Er ist der Arbeit am OSZ St nach Ende seiner Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 17. bis zum 25. Oktober 2006 unentschuldigt ferngeblieben, bevor er sich erneut krankmeldete. Dieses Verhalten begründet ein ausreichendes Indiz für den fehlenden Leistungswillen.
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(2) Die Erhebung der Kündigungsschutzklage und auch der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag entkräften die Indizwirkung nicht. Der Leistungswille ist eine innere Tatsache. Der vor Ausspruch der Kündigung leistungsunwillige, die Arbeit verweigernde Arbeitnehmer muss deshalb einen wieder gefassten Leistungswillen nach außen gegenüber dem Arbeitgeber kundtun. Dazu reicht ein „Lippenbekenntnis“ nicht aus (vgl. BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - zu II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6). Vielmehr ist es regelmäßig erforderlich, den neu gewonnenen Leistungswillen im Rahmen des Zumutbaren durch ein tatsächliches Arbeitsangebot zu dokumentieren.
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(3) Die Indizwirkung ist auch nicht durch das Schreiben des beklagten Landes vom 9. August 2007 dadurch entfallen, dass sich der Leistungswille des Klägers wieder auf eine Tätigkeit am OSZ Sozialwesen hätte richten dürfen. Die vorläufige (Rück-)Umsetzung an das OSZ Sozialwesen war lediglich der zwischenzeitlich ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Umsetzung geschuldet, der das beklagte Land vorläufig nachkommen wollte. Eine Neuausübung des Direktionsrechts mit der Folge, dass die vom Kläger bei Hinwegdenken der Kündigung zu bewirkende Arbeitsleistung neu bestimmt worden wäre und er wieder am OSZ Sozialwesen unterrichten sollte, war damit nicht verbunden. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers findet seine Grundlage und Rechtfertigung im bestehenden Arbeitsvertrag, seine Ausübung setzt einen solchen voraus. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich, steht ihm mit Ablauf der Kündigungsfrist ein Weisungsrecht nicht mehr zu. Er kann lediglich dem Arbeitnehmer eine Prozessbeschäftigung anbieten, aus deren Rechtsgrundlage ein auf die Prozessbeschäftigung bezogenes Direktionsrecht erwächst. Dass das beklagte Land mit dem Schreiben vom 9. August 2007 dem Kläger eine Prozessbeschäftigung nicht angeboten hat, steht zwischen den Parteien außer Streit.
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III. Sofern der Kläger Annahmeverzugsvergütung beanspruchen kann, stehen ihm auch für die Zeit bis zum 1. Juli 2009 Verzugszinsen entgegen dem bisherigen Antrag jeweils nur abzüglich der monatlich erhaltenen Sozialleistungen zu (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10).
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IV. Die Entscheidung über die Widerklage ist abhängig vom Erfolg der Klage.
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Müller-Glöge
Laux
Biebl
Reinders
Ilgenfritz-Donné
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
Besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort, so muß sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, anrechnen lassen,
- 1.
was er durch anderweitige Arbeit verdient hat, - 2.
was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen, - 3.
was ihm an öffentlich-rechtlichen Leistungen infolge Arbeitslosigkeit aus der Sozialversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder der Sozialhilfe für die Zwischenzeit gezahlt worden ist. Diese Beträge hat der Arbeitgeber der Stelle zu erstatten, die sie geleistet hat.
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. Juli 2010 - 7 Sa 422/10 - teilweise aufgehoben.
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2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 9. Februar 2010 - 8 Ca 1605/09 - teilweise abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen, als die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger mehr als 1.563,72 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 260,62 Euro seit dem 7. April 2009 und aus weiteren 1.303,10 Euro seit dem 1. Juli 2009 zu zahlen.
-
3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 91 % und die Beklagte 9 %, von den Kosten des Berufungsverfahrens der Kläger 90 % und die Beklagte 10 % zu tragen. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über Annahmeverzugsvergütung.
- 2
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Der 1954 geborene Kläger ist seit 1994 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Hausmeister beschäftigt gegen eine monatliche Vergütung von zuletzt 2.315,82 Euro brutto nebst einer Bereitschaftszulage iHv. 260,62 Euro brutto. Nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung gehören zu den Aufgaben des Klägers die Wartung zentraler Heizungsanlagen und Waschmaschinen, die Überwachung von Aufzugsanlagen, die Ausführung kleinerer Reparaturen im Mietshausbesitz, die Pflege und Sauberhaltung der Grünanlagen, Müllboxen und Kellerräume sowie die Schnee- und Eisbeseitigung, die Begehung von Wohnungen und die Postverteilung. Außerdem sollen leichte allgemeine Büroarbeiten wie Postversand, Schließdienst und Überwachung des Fahrzeugparks einschließlich Fahrdienst übernommen werden.
- 3
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Zum 17. April 2007 versetzte die Beklagte den Kläger in die Abteilung Wohnumfeldpflege, die sich im Wesentlichen mit gärtnerischen Arbeiten im Außenbereich der Immobilien befasst. Dagegen erhob der Kläger Klage auf Beschäftigung als Hausmeister mit den im Arbeitsvertrag vorgesehenen Aufgaben, der das Arbeitsgericht Wuppertal mit Urteil vom 20. September 2007 (- 8 Ca 1574/07 -) stattgab. Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten blieben erfolglos (LAG Düsseldorf 3. Juli 2008 - 11 Sa 1908/07 -; BAG 3. Dezember 2008 - 5 AZN 941/08 -).
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Nachdem der Kläger seit dem 16. April 2007 aufgrund einer psychischen Erkrankung durchgehend arbeitsunfähig gewesen war, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 19. Mai 2008 personenbedingt zum 31. Dezember 2008 und begehrte im Kündigungsschutzprozess hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt. Das Arbeitsgericht Wuppertal gab der Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 25. November 2008 (- 4 Ca 1599/08 -) statt und wies den Auflösungsantrag der Beklagten ab. Die Berufung der Beklagten wies das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zurück (25. Juni 2009 - 5 Sa 107/09 -).
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Nach Ende seiner Arbeitsunfähigkeit arbeitete der Kläger seit dem 18. Juni 2008 unter Vorbehalt in der Abteilung Wohnumfeldpflege. Mit Anwaltschreiben vom 16. Dezember 2008 ließ er mitteilen, die Tätigkeit in der Wohnumfeldpflege sei mit dem rechtskräftigen Obsiegen im Versetzungsrechtsstreit hinfällig, und verlangte, nach seinem Weihnachtsurlaub als Hausmeister eingesetzt zu werden. Darauf antwortete die Beklagte, eine Beschäftigung als Hausmeister komme bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses nicht in Betracht. Bis dahin bot sie dem Kläger an, zu ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen - allerdings ohne Zahlung einer Bereitschaftszulage - in der Wohnumfeldpflege (weiter) zu arbeiten.
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Am 5. Januar 2009 bot der Kläger seine Arbeitsleistung als Hausmeister an. Nachdem er zunächst zum Schneeräumen eingesetzt worden war, forderte ihn die Beklagte auf, die angebotene Tätigkeit in der Wohnumfeldpflege auszuüben. Der Kläger verließ daraufhin den Betrieb und teilte mit Anwaltschreiben vom selben Tage mit, er sei jederzeit bereit, seine vertraglich geschuldeten Hausmeistertätigkeiten aufzunehmen.
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Seit dem 16. Juli 2009 beschäftigt die Beklagte den Kläger als Hausmeister im Objekt T.
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Mit seiner am 16. April 2009 eingereichten Klage hat der Kläger Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum 5. Januar bis 15. Juli 2009 verlangt und geltend gemacht, eine Anrechnung unterlassenen Erwerbs komme nicht in Betracht. Die angebotene Zwischenbeschäftigung in der Wohnumfeldpflege sei ihm nicht mehr zumutbar gewesen, seit rechtskräftig festgestanden habe, dass die Beklagte ihm eine solche Tätigkeit nicht zuweisen durfte. Seiner Wiederbeschäftigung als Hausmeister hätten dringende Gründe nicht entgegengestanden.
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Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.364,51 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.243,62 Euro seit dem 7. April 2009, aus 12.915,45 Euro seit dem 1. Juli 2009 sowie aus 1.205,44 Euro seit dem 1. August 2009 zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Kläger habe durch die Nichtfortsetzung der Beschäftigung in der Wohnumfeldpflege böswillig seine Erwerbsobliegenheit verletzt.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision gesteht die Beklagte die Bereitschaftszulage für die Monate Januar bis Juni 2009 nebst Zinsen zu und verfolgt im Übrigen ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist begründet. Im Umfang der eingelegten Revision hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Der Kläger kann über das von der Beklagten Zugestandene hinaus eine Annahmeverzugsvergütung nicht mehr beanspruchen.
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I. Die Beklagte befand sich im streitbefangenen Zeitraum infolge ihrer unwirksamen Kündigung zum 31. Dezember 2008 im Annahmeverzug, ohne dass es eines Angebots des Klägers (§ 296 BGB) bedurft hätte (vgl. nur BAG 27. August 2008 - 5 AZR 16/08 - Rn. 16, AP BGB § 615 Nr. 124 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 26; 26. September 2007 - 5 AZR 870/06 - Rn. 21, BAGE 124, 141 - jeweils mwN). Das steht zwischen den Parteien auch außer Streit.
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II. Auf die Annahmeverzugsvergütung (§ 615 Satz 1 BGB) muss sich der Kläger nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG anrechnen lassen, was er bei der Beklagten zu verdienen böswillig unterlassen hat.
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1. Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, der Kläger habe es nicht böswillig unterlassen, anderweitige Einkünfte zu erzielen, im Wesentlichen damit begründet, die dem Kläger angebotene Tätigkeit in der Wohnumfeldpflege sei diesem zwar an sich zumutbar gewesen, es hätten aber keine dringenden Gründe dafür vorgelegen, den Kläger nicht mit der vertragsgemäßen Tätigkeit als Hausmeister zu beschäftigen. Im streitbefangenen Zeitraum habe rechtskräftig festgestanden, dass die Beklagte dem Kläger eine Tätigkeit in der Wohnumfeldpflege nicht im Wege des Direktionsrechts zuweisen könne. Unter diesen Umständen habe der Kläger eine Tätigkeit im Bereich der Wohnumfeldpflege als eine gegen Treu und Glauben verstoßende Maßregelung empfinden dürfen und müssen.
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2. Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht uneingeschränkt stand.
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a) Nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG muss sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Die Vorschrift ist inhaltsgleich mit § 615 Satz 2 BGB(BAG 11. Oktober 2006 - 5 AZR 754/05 - Rn. 18, AP BGB § 615 Nr. 119 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 18). Beide Bestimmungen stellen darauf ab, ob dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG) die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit zumutbar ist. Dabei kommt eine Anrechnung auch in Betracht, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber besteht, der sich mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers im Verzug befindet. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Die Unzumutbarkeit der Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie kann ihren Grund in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit und den sonstigen Arbeitsbedingungen haben. Auch vertragsrechtliche Umstände sind zu berücksichtigen. Allerdings ist die nichtvertragsgemäße Arbeit nicht ohne weiteres mit unzumutbarer Arbeit gleichzusetzen. Wie § 615 Satz 2 BGB schließt § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG den Fall mit ein, dass der Arbeitgeber nur vertragswidrige Arbeit anbietet. Denn das Angebot vertragsgerechter Arbeit zwecks Erfüllung des bestehenden Arbeitsverhältnisses würde den Annahmeverzug beenden (vgl. nur BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe, BAGE 108, 27). Vielmehr handelt der Arbeitnehmer böswillig, dem ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert (st. Rspr., zB BAG 7. Februar 2007 - 5 AZR 422/06 - Rn. 15 mwN, BAGE 121, 133).
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht angenommen, die Tätigkeit in der Wohnumfeldpflege sei dem Kläger „an sich“ zumutbar gewesen. Es handelte sich dabei um einen Ausschnitt der Aufgaben eines Hausmeisters. Mit der Arbeit in der Wohnumfeldpflege war weder eine Änderung des Arbeitsorts noch eine Statusverschlechterung dergestalt verbunden, dass der Kläger vormaligen Kollegen oder sogar Untergebenen unterstellt gewesen wäre. Die Unzumutbarkeit folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte für die Tätigkeit in der Wohnumfeldpflege keine Bereitschaftszulage zahlen wollte. Der Kläger hat weder finanzielle Probleme durch eine vorübergehende Nichtzahlung der Bereitschaftszulage noch die Aussicht auf einen anderweitigen Arbeitsplatz mit besseren Verdienstmöglichkeiten geltend gemacht. Auf die ordentliche Kündigung der Beklagten zum 31. Dezember 2008, die nicht auf das Verhalten des Klägers gestützt war (zur möglichen Unzumutbarkeit der Weiterarbeit bei einer verhaltensbedingten Kündigung, vgl. BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu II 2 der Gründe mwN, BAGE 108, 27), hat der Kläger die Unzumutbarkeit der (Weiter-)Arbeit in der Wohnumfeldpflege ebenso wenig gestützt wie auf den Auflösungsantrag der Beklagten.
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Diese objektive Zumutbarkeit einer Beschäftigung in der Wohnumfeldpflege bestätigt die subjektive Einschätzung des Klägers, der in der Zeit vom 18. Juni 2008 bis zu seinem Urlaub im Dezember 2008 bis auf kürzere Arbeitsunfähigkeitszeiten tatsächlich in der Wohnumfeldpflege arbeitete.
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c) Der Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Versetzungsrechtsstreit mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde im Dezember 2008 (§ 72a Abs. 5 Satz 6 ArbGG), änderte entgegen der Auffassung der Vorinstanzen an der Zumutbarkeit der Beschäftigung in der Wohnumfeldpflege bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses nichts. Der Anspruch auf eine bestimmte Beschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis bedingt als solcher nicht die Unzumutbarkeit jedweder anderen Tätigkeit im Rahmen einer Prozessbeschäftigung. § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG regelt nicht Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, sondern die nach anderen Maßstäben zu beurteilende Obliegenheit, aus Rücksichtnahme gegenüber dem Arbeitgeber einen zumutbaren Zwischenverdienst zu erzielen(vgl. BAG 7. Februar 2007 - 5 AZR 422/06 - Rn. 17, BAGE 121, 133). Das zeigt gerade der gesetzliche Regelfall der böswillig bei einem anderen Arbeitgeber unterlassenen Arbeit, die notwendigerweise auf einer anderen vertraglichen Grundlage stattgefunden hätte (vgl. BAG 26. September 2007 - 5 AZR 870/06 - Rn. 23, BAGE 124, 141).
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d) Rechtsfehlerhaft hat das Landesarbeitsgericht zudem dringende Gründe für das Angebot der Beklagten, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses nicht mit der arbeitsvertraglich geschuldeten, sondern einer anderen Tätigkeit zu beschäftigen, verlangt. Das Bestehen dringender Gründe für das Angebot objektiv vertragswidriger Arbeit ist ein Kriterium für böswilliges Unterlassen iSv. § 615 Satz 2 BGB im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis, in dem der Arbeitnehmer vertragsgemäße Arbeit zu vertragsgemäßen Bedingungen erwarten darf(vgl. BAG 7. Februar 2007 - 5 AZR 422/06 - Rn. 3, 18, BAGE 121, 133). Für die Obliegenheit des Arbeitnehmers nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG im gekündigten Arbeitsverhältnis ist dagegen der arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruch grundsätzlich ohne Belang. Aufgrund der Unsicherheit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist und vor einer rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess stand im streitbefangenen Zeitraum gerade nicht fest, dass die Beklagte den Kläger als Hausmeister beschäftigen musste. Es stand noch nicht einmal fest, ob sie den Kläger überhaupt noch auf der Grundlage eines bestehenden Arbeitsvertrags zu beschäftigen hatte.
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III. Die Höhe dessen, was sich der Kläger nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG auf seinen Annahmeverzugsanspruch anrechnen lassen muss, entspricht - soweit in der Revision noch streitgegenständlich - der vereinbarten Vergütung, so dass der Kläger für den streitbefangenen Zeitraum nichts mehr verlangen kann.
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IV. Nach § 92 Abs. 1 ZPO haben von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz der Kläger 91 % und die Beklagte 9 %, von den Kosten des Berufungsverfahrens der Kläger 90 % und die Beklagte 10 % zu tragen. Der Kläger hat die Kosten der Revision gem. § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.
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Müller-Glöge
Laux
Biebl
Feldmeier
Christen
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.
Tenor
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1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. August 2010 - 16 Sa 532/10, 16 Sa 637/10, 16 Sa 1405/10 - aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über Annahmeverzugsvergütung nach unwirksamer Arbeitgeberkündigung sowie Schadensersatz nach § 717 Abs. 2 ZPO.
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Der 1959 geborene Kläger, Diplom-Kaufmann mit Lehrbefähigung für die Unterrichtsfächer Sport und Wirtschaftslehre, ist seit Oktober 1998 beim beklagten Land als Lehrer beschäftigt. Er unterrichtete zuletzt an der A-Oberschule im Bezirk C (im Folgenden: OSZ Sozialwesen). Zum 1. August 2006 setzte ihn das beklagte Land an das Oberstufenzentrum Bürowirtschaft und Verwaltung im Bezirk St (OSZ St) um, das der Kläger erstmals am 22. oder 24. August 2006 aufsuchte. Dabei wurde er vom dortigen Schulleiter in die Räumlichkeiten und den Aufgabenbereich eingewiesen. Am 23. August 2006 und vom 25. August bis zum 29. September 2006 meldete sich der Kläger arbeitsunfähig krank.
-
Am 25. August 2006 schrieb der Kläger an die zuständige Senatsverwaltung:
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„Sehr geehrte Damen und Herren,
leider habe ich bis heute auf mein Schreiben vom 31. Juli 2006 an das Referat II D keine Antwort(en) erhalten.
Aber dies passt wiederum ins Bild. Diese Umsetzung ist ein Akt von Willkür.
…
Ich betrachte das OSZ-Sozialwesen weiterhin als meine aktuelle Dienststelle.
(Unter Vorbehalt bin ich am OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung in St erschienen.)
Da ich anscheinend weiter der Willkür von Vorgesetzten ausgeliefert sein soll, widerspreche ich der Umsetzung ans OSZ St ausdrücklich.
Sollte die Umsetzung nicht bis 1. September rückgängig gemacht werden, müssen Sie damit rechnen, dass ich mich selbst vor der Willkür von Vorgesetzten schützen werde, indem ich am OSZ St keinen Unterricht mehr erteile und/oder den Vorgang gerichtlich überprüfen lassen werde.
Hochachtungsvoll
…“
- 4
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Nach den Herbstferien (2. bis 14. Oktober 2006) erschien der Kläger nicht im OSZ St. Ab dem 26. Oktober 2006 meldete er sich wiederum arbeitsunfähig krank.
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Am 31. Oktober 2006 reichte der Kläger beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Beschäftigung als Lehrer am OSZ Sozialwesen ein, den er in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2006 zurücknahm. Am 17. November 2006 erhob der Kläger Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der „Versetzung“ an das OSZ St, der das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 18. April 2007 - 96 Ca 20973/06 - stattgab. In der Berufungsverhandlung am 2. November 2007 nahm der Kläger nach dem gerichtlichen Hinweis, eine Entscheidung sei kein Präjudiz für einen Kündigungsschutzprozess, auf Vorschlag des Berufungsgerichts (- 13 Sa 1257/07 -) die Klage zurück. Zwischenzeitlich hatte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 6. Februar 2007 wegen Arbeitsverweigerung zum 30. Juni 2007 gekündigt. Die dagegen erhobene, mit einem allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag verbundene Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 12. März 2008 - 60 Ca 3331/07 - ab, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab ihr mit Urteil vom 26. November 2008 - 23 Sa 1175/08 - statt. Am 11. Dezember 2009 nahm der Kläger seine Tätigkeit wieder auf.
-
Nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung und nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Umsetzung teilte das beklagte Land dem Kläger mit Schreiben vom 9. August 2007 mit:
-
„Sehr geehrter Herr R,
aufgrund der Entscheidung des Arbeitsgerichts werden Sie mit Wirkung vom 1. August 2007 vom OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung im Bezirk St (Schul-Nr. 2) mit voller Stundenzahl, zurzeit 26 Wochenstunden, an die A-Oberschule im Bezirk C (Schul-Nr. 5) umgesetzt.
Bis zur Rechtskraft des Urteils ist dieser Bescheid vorläufig. Ein endgültiger Bescheid wird dann zu gegebener Zeit erlassen.“
- 7
-
Mit der vorliegenden, am 19. Juni 2009 eingereichten Klage hat der Kläger Annahmeverzugsvergütung für die Zeit vom 2. Juli 2007 bis zum 10. Dezember 2008 unter Abzug bezogenen Arbeitslosengelds und erhaltener Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht und die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe sich aufgrund der unwirksamen Kündigung im streitbefangenen Zeitraum im Annahmeverzug befunden, ohne dass es eines Arbeitsangebots bedurft hätte. Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage habe er zum Ausdruck gebracht, an dem Arbeitsverhältnis festhalten zu wollen und leistungswillig zu sein. Er hat behauptet, ab dem 2. Juli 2007 wieder arbeitsfähig gewesen zu sein.
-
Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
-
1.
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 73.931,64 Euro brutto abzüglich 16.894,54 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Differenzbetrag ab dem 2. Juli 2009 zu zahlen;
2.
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung bis zum 1. Juli 2009 zu zahlen.
- 9
-
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, nicht in Annahmeverzug geraten zu sein, weil der Kläger bereits vor Ausspruch der Kündigung nicht willens gewesen sei, die ihm wirksam zugewiesene Tätigkeit am OSZ St zu verrichten.
-
In der Berufungsinstanz hat das beklagte Land widerklagend Schadensersatz wegen der Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils geltend gemacht und beantragt,
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den Kläger zu verurteilen, an das beklagte Land 53.106,26 Euro zuzüglich weiterer 2.719,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 11
-
Der Kläger hat die Abweisung der Widerklage beantragt.
-
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Ausnahme von Annahmeverzugsvergütung für den Monat Juli 2007 stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung des beklagten Landes die Klage insgesamt abgewiesen sowie der Widerklage stattgegeben. Mit der vom Senat für den Kläger zugelassenen Revision verfolgt dieser seine zuletzt gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
- 13
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Die Revision des Klägers ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Klage nicht abgewiesen und der Widerklage nicht stattgegeben werden. Ob und ggf. für welchen Zeitraum der Kläger Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB hat, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
- 14
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I. Dem Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung steht ein fehlendes Angebot des Klägers nicht entgegen. Nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs eines Angebots des Arbeitnehmers nicht (st. Rspr., zuletzt BAG 17. November 2011 - 5 AZR 564/10 - Rn. 13, NZA 2012, 260; 27. August 2008 - 5 AZR 16/08 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 615 Nr. 124 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 26). Das beklagte Land hat den Kläger auch nicht - insbesondere nicht mit dem Schreiben vom 9. August 2007 - zur Wiederaufnahme der Arbeit unter unmissverständlicher Klarstellung, es habe zu Unrecht gekündigt, aufgefordert (vgl. dazu BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe, BAGE 108, 27; 7. November 2002 - 2 AZR 650/00 - zu B I 1 b der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 98 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 1; ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 67; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 60 - jeweils mwN).
- 15
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II. Das beklagte Land hätte sich aber nicht im Annahmeverzug befunden, wenn der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht leistungsfähig oder leistungswillig war, § 297 BGB.
- 16
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1. Nach dieser Vorschrift kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Neben der (tatsächlichen oder rechtlichen) Leistungsfähigkeit umfasst § 297 BGB auch die nicht ausdrücklich genannte Leistungswilligkeit. Dies folgt daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst außer Stande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Die objektive Leistungsfähigkeit und der subjektive Leistungswille sind von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen (BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 15 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34).
- 17
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2. Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande oder subjektiv nicht bereit war. Dies ergibt sich aus der Fassung des § 297 BGB(BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 17 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34; vgl. auch ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 109; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 54 f.). Wendet der Arbeitgeber die fehlende Leistungsfähigkeit oder den fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum ein, reicht es zunächst aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen hierauf geschlossen werden kann. Sodann ist es Sache des Arbeitnehmers, die Indizwirkung zu erschüttern. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig bzw. leistungsunwillig gewesen, als zugestanden. Andernfalls ist der Arbeitgeber für die die fehlende Leistungsfähigkeit bzw. den fehlenden Leistungswillen begründenden Tatsachen beweispflichtig.
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3. Nach diesen Grundsätzen gilt vorliegend Folgendes:
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a) Das beklagte Land hat behauptet, der Kläger sei auch über den Ablauf der Kündigungsfrist am 30. Juni 2007 hinaus weiter arbeitsunfähig und damit leistungsunfähig gewesen. Die Koinzidenz zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist und dem behaupteten Ende der Arbeitsunfähigkeit nach einer mehrmonatigen Erkrankung, deren Beginn in engem zeitlichen Zusammenhang mit der vom Kläger als „Akt der Willkür“ empfundenen Umsetzung stand, reicht zur Begründung der Indizwirkung aus (vgl. allg. zur Indizwirkung von Krankheitszeiten BAG 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2). Weitergehender Vortrag war dem beklagten Land nicht möglich, weil ihm keine Erkenntnisse zur Erkrankung des Klägers vorliegen. Es ist Sache des Klägers, die Indizwirkung im weiteren Berufungsverfahren zu erschüttern. Lässt er sich zu seiner Erkrankung und deren Ausheilung gerade zum Ablauf der Kündigungsfrist - ggf. unter Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht - nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des beklagten Landes, der Kläger sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig gewesen, als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO.
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b) Ob der Kläger im Annahmeverzugszeitraum leistungswillig war, hängt davon ab, an welcher Schule er seine Tätigkeit - die Kündigung hinweggedacht - zu erbringen hatte. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Leistungswille des Klägers müsse sich auf eine Tätigkeit am OSZ St beziehen, wird durch die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht hinreichend getragen.
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aa) Nach § 297 BGB muss der Arbeitnehmer außer Stande sein, „die Leistung zu bewirken“. Für den Annahmeverzug ist damit ein auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit gerichteter Leistungswille erforderlich (vgl. BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 115, 216). Ist die geschuldete Arbeitsleistung nur rahmenmäßig umschrieben (hier: „Lehrer“), obliegt es nach § 106 Satz 1 GewO dem Arbeitgeber, den Inhalt der zu leistenden Arbeit näher zu bestimmen(vgl. nur BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 14, BAGE 134, 296; ErfK/Preis 12. Aufl. § 106 GewO Rn. 2, 11; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 25a). Die durch die wirksame Ausübung des Direktionsrechts näher bestimmte Tätigkeit ist die iSv. § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung. Auf sie muss sich der Leistungswille des Arbeitnehmers richten.
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bb) Ob das beklagte Land mit der Umsetzung des Klägers an das OSZ St zum 1. August 2006 ihr Direktionsrecht wirksam ausgeübt hat, kann der Senat aufgrund fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.
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(1) Aus dem Rechtsstreit über die Umsetzung kann dafür nichts hergeleitet werden. Wegen der Klagerücknahme im dortigen Verfahren ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen und das zu Gunsten des Klägers ergangene erstinstanzliche Urteil wirkungslos, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht ist zwar nach eigener Prüfung von der Wirksamkeit der Umsetzung an das OSZ St ausgegangen, seine bisherigen Feststellungen tragen diese Annahme jedoch nicht und lassen den Sachvortrag des Klägers dazu außer Betracht. Der unterstützende Hinweis auf das Berufungsurteil im Kündigungsschutzprozess ist schon deshalb unbehelflich, weil die 23. Kammer des Berufungsgerichts lediglich erkannt hat, die Kündigung wäre auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Kläger „vom Vortrag des beklagten Landes ausgehend“ wirksam umgesetzt worden sei. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb im erneuten Berufungsverfahren der vom Kläger aufgeworfenen Frage nach der Unwirksamkeit der Umsetzung wegen fehlender bzw. fehlerhafter Beteiligung des Personalrats nachzugehen haben. Erweist sich danach die Umsetzung als unwirksam, musste sich der Leistungswille des Klägers (nur) auf die zuvor zugewiesene Tätigkeit am OSZ Sozialwesen richten. Für das Fehlen eines derartigen Leistungswillens hat das beklagte Land keine Indiztatsachen vorgetragen.
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(2) Entgegen der Auffassung des Klägers ist es allerdings für die Frage des (fehlenden) Leistungswillens unerheblich, ob die Zuweisung der Tätigkeit am OSZ St billigem Ermessen entsprach. Die unbillige Leistungsbestimmung ist nicht nichtig, sondern nur unverbindlich, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB. Entsteht Streit über die Verbindlichkeit, entscheidet nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB das Gericht. Deshalb darf sich der Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Direktionsrechts - sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam ist - nicht hinwegsetzen, sondern muss entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit (vgl. dazu BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - Rn. 18 mwN, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17) ist der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Direktionsrechts erfolgte Konkretisierung ua. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil (etwa aufgrund einer Klage auf Beschäftigung mit der früheren Tätigkeit) die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststeht (vgl. zur Gestaltungswirkung des Urteils nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und der vorläufigen Bindung an die Leistungsbestimmung BAG 16. Dezember 1965 - 5 AZR 304/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 54; 28. Juli 2011 - 3 AZR 859/09 - Rn. 32, AP BetrAVG § 16 Nr. 74 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 60; BGH 4. April 2006 - X ZR 122/05 - Rn. 22, BGHZ 167, 139; MünchKommBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 Rn. 45, 47 ff.; Erman/Hager 13. Aufl. § 315 BGB Rn. 22; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 315 BGB Rn. 16 f. - jeweils mwN; vgl. zur Verbindlichkeit einer Weisung und der möglichen Verpflichtung des Arbeitgebers, einzelne Weisungen wegen eines Gewissenskonflikts des Arbeitnehmers durch Neuausübung des Direktionsrechts zu verändern, BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 25, EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 28).
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cc) Stellt das Landesarbeitsgericht im weiteren Berufungsverfahren die Bindung des Klägers an die Zuweisung der Tätigkeit am OSZ St fest, musste sich sein Leistungswille darauf richten. Ein solcher Wille des Klägers ist nach den bisherigen Feststellungen nicht erkennbar.
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(1) Der Kläger hatte mit seinem Schreiben vom 25. August 2006 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er am OSZ St keinen Unterricht erteilen werde, und diese Absicht auch in die Tat umgesetzt. Er ist der Arbeit am OSZ St nach Ende seiner Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 17. bis zum 25. Oktober 2006 unentschuldigt ferngeblieben, bevor er sich erneut krankmeldete. Dieses Verhalten begründet ein ausreichendes Indiz für den fehlenden Leistungswillen.
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(2) Die Erhebung der Kündigungsschutzklage und auch der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag entkräften die Indizwirkung nicht. Der Leistungswille ist eine innere Tatsache. Der vor Ausspruch der Kündigung leistungsunwillige, die Arbeit verweigernde Arbeitnehmer muss deshalb einen wieder gefassten Leistungswillen nach außen gegenüber dem Arbeitgeber kundtun. Dazu reicht ein „Lippenbekenntnis“ nicht aus (vgl. BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - zu II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6). Vielmehr ist es regelmäßig erforderlich, den neu gewonnenen Leistungswillen im Rahmen des Zumutbaren durch ein tatsächliches Arbeitsangebot zu dokumentieren.
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(3) Die Indizwirkung ist auch nicht durch das Schreiben des beklagten Landes vom 9. August 2007 dadurch entfallen, dass sich der Leistungswille des Klägers wieder auf eine Tätigkeit am OSZ Sozialwesen hätte richten dürfen. Die vorläufige (Rück-)Umsetzung an das OSZ Sozialwesen war lediglich der zwischenzeitlich ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Umsetzung geschuldet, der das beklagte Land vorläufig nachkommen wollte. Eine Neuausübung des Direktionsrechts mit der Folge, dass die vom Kläger bei Hinwegdenken der Kündigung zu bewirkende Arbeitsleistung neu bestimmt worden wäre und er wieder am OSZ Sozialwesen unterrichten sollte, war damit nicht verbunden. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers findet seine Grundlage und Rechtfertigung im bestehenden Arbeitsvertrag, seine Ausübung setzt einen solchen voraus. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich, steht ihm mit Ablauf der Kündigungsfrist ein Weisungsrecht nicht mehr zu. Er kann lediglich dem Arbeitnehmer eine Prozessbeschäftigung anbieten, aus deren Rechtsgrundlage ein auf die Prozessbeschäftigung bezogenes Direktionsrecht erwächst. Dass das beklagte Land mit dem Schreiben vom 9. August 2007 dem Kläger eine Prozessbeschäftigung nicht angeboten hat, steht zwischen den Parteien außer Streit.
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III. Sofern der Kläger Annahmeverzugsvergütung beanspruchen kann, stehen ihm auch für die Zeit bis zum 1. Juli 2009 Verzugszinsen entgegen dem bisherigen Antrag jeweils nur abzüglich der monatlich erhaltenen Sozialleistungen zu (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10).
-
IV. Die Entscheidung über die Widerklage ist abhängig vom Erfolg der Klage.
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Müller-Glöge
Laux
Biebl
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