Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 28. Feb. 2018 - 6 Sa 79/17

bei uns veröffentlicht am28.02.2018

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 7. Juni 2017 – Az. 27 Ca 487/16 – unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.083,49 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.12.2016 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin unter Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigung ein Tarifgehalt der Gehaltsgruppe 3 nach fünf Tätigkeitsjahren des Gehaltstarifvertrages für den Hamburger Einzelhandel in der jeweils aktuellen Fassung zu zahlen.

Von den Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens haben die Beklagte 94 % und die Klägerin 6 % zu tragen. Die Kosten des landesarbeitsgerichtlichen Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob sich die Vergütung der Klägerin nach dem Entgelttarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung bestimmt oder ob die Beklagte berechtigt ist, im Arbeitsverhältnis der Parteien einen für ihr Unternehmen abgeschlossenen Zukunftstarifvertrag zur Anwendung zu bringen.

2

Die Beklagte betreibt ein Einzelhandelsunternehmen mit einer Vielzahl von Filialen im Bundesgebiet. Die Klägerin, die Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ist, ist seit dem 15. Oktober 2005 auf Grundlage eines Anstellungsvertrags vom 10. Oktober 2005 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen in der Filiale X-Straße in Hamburg als Kassiererin in Teilzeit (19,29 Wochenstunden) beschäftigt. Der Anstellungsvertrag, für dessen Inhalt im Übrigen auf die Anlage K 1, Bl. 11 f. d.A. Bezug genommen wird, lautet auszugsweise wie folgt:

3

„[...]
2. Sie erhalten für Ihre Tätigkeit eine Vergütung von Euro 1.220,12 brutto für 85,57 Std./monatlich = 100% der tariflichen Monatsarbeitszeit.

4

Im vorstehenden Betrag sind enthalten:

5

nach Tarifgruppe GB 3 EUR 2.324,00 brutto

6

3. Etwaige die tariflichen Ansprüche übersteigende Mehrbezüge werden bei einer Veränderung der tariflichen Ansprüche verrechnet, es sei denn, dass ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen wird.
[...]
9. Sie erhalten Urlaub nach den jeweils geltenden Bestimmungen des Tarifvertrags und der Betriebsordnung
[...]
14. Die Bedingungen dieses Anstellungsvertrages behalten ihre Gültigkeit auch dann, wenn eine Änderung der bisherigen Tätigkeit und / oder eine Änderung des Entgelts – bei Teilzeitbeschäftigung auch der Arbeitszeit – eintritt. Im Übrigen gelten die Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels, die Gesamtbetriebsvereinbarung der K. W. AG, sowie die Betriebsordnung der o.g. Betriebsstelle in ihrer jeweils gültigen Fassung.
[...]“

7

Bis zum 6. Mai 2013 war die Beklagte Vollmitglied des Landesverbandes des Hamburger Einzelhandels e.V. als dem tarifschließenden Arbeitgeberverband. Mit Kündigung vom 6. Mai 2013 (siehe Anlage B 1, Bl. 100 d.A.) beendete die Beklagte ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband mit sofortiger Wirkung. Nach ihrem Verbandsaustritt zahlte die Beklagte an die Klägerin nur noch ein „Tarifgehalt“ auf Basis des zum 6. Mai 2013 geltenden Gehaltstarifvertrags des Hamburger Einzelhandels in Höhe von EUR 1.348,93 (vgl. Entgeltabrechnungen für April bis Oktober 2016, Anlagenkonvolut K3, Bl. 33 ff. d.A.). Tariflohnerhöhungen in 2013 bzw. den Folgejahren gab die Beklagte nicht mehr an die Klägerin weiter.

8

In einem vorangegangenen Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Hamburg (Az: 27 Ca 75/19), in welchem die Klägerin Vergütungsdifferenzen wegen der zwischenzeitlichen Tariferhöhungen des Gehaltstarifvertrags des Hamburger Einzelhandels geltend gemacht hatte, schlossen die Parteien einen Vergleich über Vergütungsansprüche der Klägerin bis einschließlich März 2016.

9

Mit ihrer am 23. November 2016 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen, der Beklagten am 2. Dezember 2016 zugestellten Klage hat die Klägerin rückwirkend für die Monate April 2016 bis November 2016 die Bruttoentgeltdifferenz zwischen der gewährten Vergütung und der Vergütung geltend gemacht, die ihr bei Anwendung des aktuellen Gehaltstarifvertrages für den Hamburger Einzelhandel zustünde. Weiterhin hat sie wegen der zwischenzeitlichen Tariflohnerhöhungen höhere Sonderzahlungen für die Monate Juni 2016 und November 2016 verlangt (Forderung insgesamt: € 1.083,49 brutto). Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2017 hat die Klägerin die Zahlungsklage um die Gehaltsdifferenzen für die Monate Dezember 2016 bis Februar 2017 in Höhe von jeweils € 134,51 brutto, insgesamt also um € 403,53 brutto erweitert. Die Parteien haben ausdrücklich unstreitig gestellt, dass die Differenzbeträge rechnerisch zutreffend ermittelt sind.

10

Zwischenzeitlich vereinbarte die Beklagte mit der ver.di den sog. „Zukunftstarifvertrag K. W.“ (nachstehend: „Zukunftstarifvertrag“), der mit Wirkung zum 2. Dezember 2016 in Kraft trat. Der Zukunftstarifvertrag sieht unter A. III. u.a. vor:

11

„[...]
1. Aktuelles K.-Tarifentgelt

12

Mit Inkrafttreten dieses Tarifvertrags besteht ein Anspruch auf Tarifentgelt gemäß Tarifabschluss für die Tarifjahre 2011-2013. Die zwischen den Tarifvertragsparteien in den Ländern vereinbarten Entgelterhöhungen aus den Tarifabschlüssen 2013 für die Tarifjahre 2013 und 2014 sowie 2015 für die Tarifjahre 2015 und 2016 werden ausgesetzt. Soweit für diese vor Abschluss dieses Tarifvertrags liegenden Zeiträume Ansprüche auf tarifliche Leistungen geltend gemacht werden, eingeklagt oder vereinbart wurden, bleiben diese Ansprüche unberührt, soweit sie bestehen.

13

2. Zukünftige Erhöhungen des K.-Tarifentgelts

14

a) Kennzahlenabhängige Steigerungen in den Jahren 2017-2020 unter Beteiligung einer Entgelt-Kommission, Mindesterhöhungen in den Jahren 2018, 2019 und 2020

15

In den Jahren 2017, 2018, 2019 und 2020 erfolgen anstelle der Entgeltsteigerungen der regionalen Flächentarifverträge jeweils kennzahlenabhängige Entgelterhöhungen.

16

In den Jahren 2018, 2019 und 2020 muss mindestens eine Erhöhung von 1,25% jeweils zum 1.3. eines Jahres festgelegt und gezahlt werden.
[...]“

17

Im Gegenzug zur Aussetzung der Entgelterhöhungen ist unter Abschnitt B. des Zukunftstarifvertrags eine Standort- und Beschäftigungssicherung bis zum 31. März 2021 geregelt. Für den Wortlaut des Zukunftstarifvertrages wird auf die Anlage K 4, Bl. 103 ff. d.A. verwiesen.

18

Die Beklagte vergütet seit Inkrafttreten des Zukunftstarifvertrages alle Arbeitnehmer, auch die Klägerin, entsprechend der Regelungen des Zukunftstarifvertrages nach dem Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel auf dem Stand von Mai 2013.

19

Die Klägerin hat vorgetragen, in ihrem Anstellungsvertrag werde dynamisch auf die Tarifverträge des Einzelhandels in Hamburg verwiesen, sodass auch nach Beendigung der Tarifbindung der Beklagten die Tariflohnerhöhungen für den Hamburger Einzelhandel an die Klägerin weiterzugeben gewesen wären. Jedenfalls im Wege der Auslegung ergebe sich, dass die unter Ziff. 2 des Anstellungsvertrags der Parteien getroffene Vergütungsregelung keine statische Festschreibung des Gehalts beinhalte. Durch Ziff. 14 des Anstellungsvertrags werde auch im Hinblick auf die Vergütung auf die einschlägigen Entgelttarifverträge des Hamburger Einzelhandels in ihrer jeweils gültigen Fassung Bezug genommen.

20

Der Entgelttarifvertrag des Hamburger Einzelhandels, der aufgrund arbeitsvertraglicher, dynamischer Verweisung für das Arbeitsverhältnis gelte, werde unter Berücksichtigung des Günstigkeitsprinzips auch nicht ab Dezember 2016 durch den Zukunftstarifvertrag zwischen der ver.di und der Beklagten verdrängt, sodass weiterhin ein Anspruch auf höhere Vergütung bestehe. Denn der Zukunftstarifvertrag sehe unter A. III. Ziff. 1 selbst vor, dass die Ansprüche der Klägerin unberührt blieben, soweit diese bestünden.

21

Die Klägerin hat beantragt,

22

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 1.487,02 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und weitere EUR 40,00 netto zu zahlen.

23

2. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge für den Einzelhandel in Hamburg in ihrer jeweils geltenden Fassung anwendbar sind und deshalb die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin unter Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigung ein Tarifgehalt der Gruppe GB 3 nach 5 Berufsjahren des Entgelttarifvertrages für den Einzelhandel des Landes Hamburgs in der jeweils gültigen Fassung in Höhe von zur Zeit 2.895,00 brutto zu zahlen.

24

Die Beklagte hat beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Die Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Weitergabe der Tariflohnerhöhungen aus dem jeweiligen Gehaltstarifvertrag des Einzelhandels in Hamburg. Für den Zeitraum bis zum 2. Dezember 2016 folge dies daraus, dass nach dem Verbandsaustritt der Beklagten am 6. Mai 2013 der Entgelttarifvertrag nur noch statisch auf dem Stand von Mai 2013 fortgelte, d.h. das Entgeltniveau auf diesem Stand eingefroren sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Anstellungsvertrag der Parteien, aus dem sich jedenfalls im Hinblick auf die Vergütung gerade keine „unbedingte zeitdynamische Verweisung“ herleiten lasse. Denn die unter Ziff. 2 des Anstellungsvertrags getroffene Entgeltregelung enthalte gerade keinerlei Hinweis auf eine dynamische Tarifgeltung, sondern lege eine absolute Gehaltssumme fest. Der Verweis in Ziff. 14 des Anstellungsvertrags beziehe sich nicht auf die fixe Entgeltabrede in Ziff. 2, da danach der Tarifvertrag nur „im Übrigen“ und damit schon dem Wortlaut nach nur für Arbeitsbedingungen gelte, die nicht bereits im Anstellungsvertrag (abschließend) geregelt seien. Hinzu komme, dass der Zusatz „in ihrer jeweils gültigen Fassung“ sich ausschließlich auf die Betriebsordnung beziehe. Dementsprechend werde auch in der Urlaubsregelung der Ziff. 9 des Anstellungsvertrags ausdrücklich auf die „jeweils geltenden Bestimmungen des Tarifvertrages“ verwiesen.

27

Ab dem 2. Dezember 2016 gelte im Übrigen auch für die Klägerin der Zukunftstarifvertrag, und zwar sowohl normativ als auch durch die individualvertragliche Verweisung des Anstellungsvertrags. Der Zukunftstarifvertrag gehe als speziellere Regelung den Flächentarifverträgen vor.

28

Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Urteil vom 7. Juni 2017 – Az. 27 Ca 487/16 – der Klage insoweit stattgegeben, wie es die Beklagte verurteilt hat, an die Klägerin EUR 1.083,49 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2016 zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

29

Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei verpflichtet, an die Klägerin für die Zeit bis zum 1. Dezember 2016 ein Tarifgehalt der Tarifgruppe GB 3 des Entgelttarifvertrages des Einzelhandels Hamburg in seiner jeweils gültigen Fassung zu zahlen. Für die Monate April 2016 bis einschließlich November 2016 könne die Klägerin Differenzvergütung in rechnerisch unstreitiger Höhe von € 1.083,49 brutto verlangen. Der Anspruch folge zwar nicht bereits aus einer normativen Geltung der Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel, da diese nach dem Verbandsaustritt der Beklagten zum 6. Mai 2013 nur statisch fortgelten würden. Bei einer Auslegung von Ziff. 14 des Anstellungsvertrages der Parteien ergebe sich aber eine dynamische Verweisung auf die Tarifverträge des Einzelhandels, die zur Folge habe, dass auch nach dem Verbandsaustritt der Beklagten die Tariflohnerhöhungen aus 2013 und den Folgejahren an die Klägerin weiterzugeben seien.

30

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf die Verzugspauschale gemäß § 288 Abs. 5 BGB sei zurückzuweisen. Der Anwendung von § 288 Abs. 5 BGB im Arbeitsrecht stehe die durch § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG geschaffene Rechtslage entgegen, die alle Ersatzansprüche der obsiegenden Partei wegen Zeitversäumnis und entstandener Anwaltskosten ausschließen würde.

31

Weitergehende Vergütungsansprüche der Klägerin für den Zeitraum ab dem 2. Dezember 2016 bestünden nicht, da ab diesem Zeitpunkt auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Zukunftstarifvertrag sowohl normativ als auch aufgrund einzelvertraglicher Verweisung Anwendung finde. Der Zukunftstarifvertrag sehe im Hinblick auf die Vergütung ein Aussetzen der Tariflohnerhöhungen aus den Jahren 2013 bis 2016 vor, sodass die Klägerin derzeit lediglich ein Tarifgehalt mit dem Stand Mai 2013 in Höhe von € 1.348,93 beanspruchen könne. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergebe sich aus der Formulierung unter A. III. Ziff. 1 letzter Satz des Zukunftstarifvertrages, wonach bestehende Ansprüche unberührt bleiben, nicht, dass sich ihre Vergütungsansprüche weiterhin nach den Tarifverträgen für den Hamburger Einzelhandel richten würden. Denn die Formulierung beziehe sich nur auf Ansprüche für die „vor Abschluss dieses Tarifvertrages liegenden Zeiträume“. Einer Gehaltsreduzierung der Klägerin ab dem 2. Dezember 2016 aufgrund des Zukunftstarifvertrages stünden auch keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen. Eine zukünftige Erwartung der Klägerin auf ein bestimmtes Gehalt sei nicht geschützt. Hinzu komme, dass auch die Klägerin im Gegenzug zur Gehaltseinbuße eine Standort- und Beschäftigungssicherung erhalten habe. Wegen der weiteren Einzelheiten des arbeitsgerichtlichen Urteils wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 136 ff. d.A.) Bezug genommen.

32

Gegen das ihr am 30. Juni 2017 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin am 21. Juli 2017 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung der Klägerin ist nach Fristverlängerung bis zum 2. Oktober 2017 an diesem Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

33

Die Beklagte hat gegen das ihr am 3. Juli 2017 zugestellte Urteil am 31. Juli 2017 Berufung eingelegt, die sie mit ihrem am Montag, den 4. September 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

34

Die Klägerin hält das arbeitsgerichtliche Urteil für unzutreffend, soweit der Feststellungsantrag abgewiesen worden ist. Sie meint, das Arbeitsgericht gehe fehlerhaft davon aus, dass mit Wirkung seit dem 2. Dezember 2016 allein der Zukunftstarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sei. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts gehe der Flächentarifvertrag aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel bei der Gehaltshöhe dem Zukunftstarifvertrag vor, sodass die Klägerin auch nach Inkrafttreten des Zukunftstarifvertrages weiterhin Anspruch auf das jeweils einschlägige Tarifgehalt nach dem jeweils aktuellen Entgelttarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel habe.

35

Die dynamische Verweisungsklausel in Ziff. 14 des Vertrages verweise auch für die Zeit nach Abschluss des Zukunftstarifvertrages nicht auf diesen, sondern weiterhin allein auf die Flächentarifverträge für den Hamburger Einzelhandel. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Parteien den hier zur Grundlage des Arbeitsverhältnisses gemachten Tarifvertrag genauestens bezeichnet hätten. Ein „Tarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel“ sei eben kein Firmentarifvertrag. Aufgrund der von der Beklagten einseitig vorgenommenen Vorformulierung des Arbeitsvertrages und der insoweit gebotenen engen Inhaltskontrolle müsse sich die Beklagte bei möglichen Unklarheiten an den deutlichen Wortlaut gebunden fühlen. Eine weitergehende Verweisung auf die „jeweils einschlägigen Tarifverträge“, die den Parteien bei Vertragsschluss möglich gewesen wäre, sei wohlweislich nicht erfolgt.

36

Selbst wenn hier eine Anwendbarkeit des Zukunftstarifvertrages bejaht werden würde, würde die Gehaltshöhe aus dem Flächentarifvertrag qua dynamischer Verweisung nach dem Günstigkeitsprinzip vorgehen. Dies habe inzwischen ver.di als Partei des Zukunftstarifvertrages auf Nachfrage bestätigt. Bei dem vorzunehmenden Sachgruppenvergleich wäre jedenfalls die Gehaltshöhe nach dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit dem Flächentarifvertrag zu bemessen. Denn aus A. III. Ziff. 1 S. 3 des Zukunftstarifvertrages folge, dass eine gehaltsmäßige Rückstufung von Mitarbeitern ausgeschlossen sei. Erhebliche Rückstufungen im Gehalt derjenigen Mitarbeiter, die wie die Klägerin bis Ende 2016 aufgrund der im Arbeitsvertrag vereinbarten dynamischen Verweisung jeweils an Tariferhöhungen teilgenommen hätten, hätten so von den Vertragsparteien ausgeschlossen werden sollen.

37

Die Klägerin beantragt,

38

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 07.06.2017, Geschäftszeichen 27 Ca 487/16, der Klägerin zugestellt am 30.06.2017, festzustellen,

39

dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin unter Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigung ein Tarifgehalt der Gruppe GB 3 nach fünf Berufsjahren des Entgelttarifvertrages für den Einzelhandel des Landes Hamburg in der jeweils aktuellen Fassung in Höhe von zur Zeit € 2.895,00 brutto zu zahlen.

40

Die Beklagte beantragt,

41

die Berufung der Klägerin kostenpflichtig zurückzuweisen
und stellt ihrerseits den Antrag,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 07.06.2017, Az. 27 Ca 487/16, abzuändern, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin € 1.083,49 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.12.2016 zu zahlen und die Klage insgesamt abzuweisen.

42

Die Klägerin beantragt,

43

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

44

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit es den Feststellungsantrag abgewiesen hat und hält es für unzutreffend, soweit sie zur Zahlung verurteilt worden ist.

45

Die Beklagte meint, die Berufung der Klägerin sei unbegründet. Zutreffend habe das Arbeitsgericht gesehen, dass die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel in Ziff. 14 des Anstellungsvertrages sich auch auf den Zukunftstarifvertrag beziehe. Bezugnahmeklauseln, die auf die jeweils einschlägigen Tarifverträge einer Branche verwiesen, würden regelmäßig auch zur Sanierung abgeschlossene Haustarifverträge umfassen. Der Zukunftstarifvertrag habe auch Vorrang vor dem Flächenentgelttarifvertrag. Der Zukunftstarifvertrag stelle gegenüber dem Verbandstarifvertrag den für den Betrieb spezielleren, weil räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich näher stehenden Tarifvertrag dar. Denn der Zukunftstarifvertrag ändere die tariflichen Regelungen für einen begrenzten Zeitraum für ein bestimmtes Unternehmen als Beitrag zu einer vereinbarten Standortsicherung ab. Sanierungstarifverträge in Gestalt eines Haustarifvertrages würden typischerweise in einzelnen Regelungsgegenständen ungünstigere Arbeitsbedingungen enthalten.

46

Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus, das Arbeitsgericht habe sie zu Unrecht zur Zahlung verurteilt. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts stehe der Klägerin kein Anspruch auf Teilnahme an den Tariflohnerhöhungen der Gehaltstarifverträge für den Hamburger Einzelhandel in dem Zeitraum zwischen dem Verbandsaustritt der Beklagten und dem Inkrafttreten des Zukunftstarifvertrages zu. Aus den Ziffern 2 und 14 des Arbeitsvertrages ergebe sich entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts keine dynamische Verweisung auf die Gehaltstarifverträge des Hamburger Einzelhandels. Eine Auslegung des Anstellungsvertrages nach §§ 133, 157 BGB führe zu dem Ergebnis, dass der Gehalts- und Lohntarifvertrag auch auf individualrechtlicher Ebene lediglich statisch fortgelte. Wie die Parteien formuliert hätten, wenn sie eine dynamische Verweisung auf den Tarifvertrag hätten vornehmen wollen, zeige die Urlaubsregelung in Ziff. 9 des Arbeitsvertrages. In Ziff. 2 des Arbeitsvertrages werde dagegen lediglich eine Tarifgruppe genannt und kein Bezug zu einem Tarifwerk oder einem jeweils geltenden Tarifwerk hergestellt. Durch die Formulierung unter Ziff. 14 Satz 1 des Vertrages, wonach die Bedingungen des Anstellungsvertrages ihre Gültigkeit auch bei etwaigen Änderungen behielten, ergebe sich für den objektiven Erklärungsempfänger zwingend, dass die Regelungen zu den arbeitsvertraglichen Bedingungen in den Ziffern 1 bis 13 des Anstellungsvertrages einschließlich der Regelung des Entgelts abschließend gewesen seien. Ziff. 14 S. 2 des Anstellungsvertrages verweise ausdrücklich nur „Im Übrigen“ auf die Geltung der Tarifverträge. Dieser Verweis könne die Entgeltabrede nicht umfassen.

47

Die Klägerin hält die Berufung der Beklagte für unbegründet. Das Arbeitsgericht habe Ziff. 14 des Anstellungsvertrages zutreffend als dynamische Verweisung auf die Flächentarifverträge für den Einzelhandel Hamburg verstanden.

48

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe

49

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet (hierzu unter A), die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet (hierzu unter B).

A.

50

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

I.

51

Die Berufung der Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt sowie begründet worden (§ 64 Abs. 1, 2 und 6, § 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 519 Abs. 1 und 2, § 520 Abs. 1 und 3, § 522 Abs. 1 S. 1 ZPO).

II.

52

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

53

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von Differenzvergütung in unstreitiger Höhe von EUR 1.083,49 brutto für den Zeitraum 1. April 2016 bis 30. November 2016 nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe seit dem 3. Dezember 2016 verurteilt. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin für diesen Zeitraum ein Tarifgehalt der Tarifgruppe 3 des Gehaltstarifvertrages für den Hamburger Einzelhandel in seiner jeweils gültigen Fassung zu zahlen. Die Kammer folgt in Ergebnis und Begründung weitgehend den Ausführungen der Kammer 2 des LAG Hamburg im Urteil vom 6. Dezember 2017 in einem Parallelverfahren zum Az. 2 Sa 58/17. Im Einzelnen:

54

1. Die Beklagte war auch nach ihrem Verbandsaustritt verpflichtet, die Tariflohnerhöhungen der Gehaltstarifverträge für den Hamburger Einzelhandel aus 2013 und den Folgejahren an die Klägerin weiterzugeben. Denn die Parteien haben in ihrem Arbeitsvertrag eine dynamische Verweisung auf die Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel vereinbart. Dies ergibt die Auslegung der Ziffern 2, 3 und 14 des Arbeitsvertrages vom 10. Oktober 2005.

55

a) In Ziff. 2 des Arbeitsvertrages haben die Parteien durch die Angabe der Vergütung der Klägerin (€ 1.220,12 brutto für 85,57 Std./monatlich) und die Nennung der Tarifgruppe GB 3 und des dazugehörigen Gehalts (€ 2.324,00) eine „Wissenserklärung“ im Hinblick auf die aus ihrer Sicht zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zutreffende Tarifgruppe vorgenommen. Sie haben keine konstitutive Vereinbarung zur Vergütung der Klägerin getroffen. Vielmehr hat die Beklagte als Klauselverwenderin durch die zweimalige Bezugnahme auf tarifliche Regelungen in Ziff. 2 des Vertrages signalisiert, dass sie nach Tarif vergüten wollte. Die Angaben zur Tarifgruppe und zum Tarifgehalt dienten ersichtlich dazu, nachvollziehbar zu machen, wie die im Vertrag genannte Vergütungshöhe der Klägerin ermittelt worden war.

56

Dass eine dynamische Bezugnahme auf die tarifliche Vergütung vereinbart worden ist, zeigen auch die Formulierungen unter Ziff. 3 des Arbeitsvertrages. In dieser Ziffer ist im inhaltlichen Zusammenhang mit Vergütungsansprüchen ausdrücklich zweimalig von den „tariflichen Ansprüchen“ die Rede. Darüber hinaus wird hier eine Regelung zu „außertariflicher Zulagen“ getroffen.

57

Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf solche Bezugnahmen auf tarifliche Ansprüche ebenso wie die Verknüpfung von individueller Arbeitszeit mit tariflicher Monatsarbeitszeit sowie eines bezifferten Euro-Betrages mit einer Tarifgruppe redlicherweise so verstehen, dass der im Arbeitsvertrag – hier in Ziffer 2 – genannte Euro-Betrag nicht statisch festgelegt ist, sondern sich entsprechend der Tariferhöhungen entwickeln soll. Umgekehrt würde ein redlicher Arbeitgeber, wenn er die von ihm gestellten Klauseln nicht so verstanden wissen wollte, die Bezugnahme auf tarifliche Ansprüche unterlassen und deutlich zum Ausdruck bringen, dass er nicht „nach Tarif“ zahlen will (so Hessisches LAG, Urt. v. 11.12.2015 – 3 Sa 1835/14 – juris, Rn. 38 unter Verweis auf BAG, Urt. v. 13.02.2013 – 5 AZR 2/12 – juris, Rn. 16 ff.).

58

b) Soweit in Ziff. 9 des Arbeitsvertrages vom 10. Oktober 2005 bezogen auf Urlaubsansprüche eine abweichende Formulierung für die Inbezugnahme des Tarifvertrages verwendet wurde, führt dies nicht zu einem anderen Verständnis der Regelungen unter den Ziffern 2 und 3 des Anstellungsvertrages. Die Verwendung unterschiedlicher Formulierungen in Ziffer 9 einerseits und Ziffern 2 und 3 andererseits lässt nicht den Schluss zu, dass eine dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge hinsichtlich der Vergütung ausgeschlossen sein sollte.

59

c) Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, rechtfertigt sich ein anderes Ergebnis auch nicht im Hinblick auf die Formulierung in Ziff. 14 S. 2 des Arbeitsvertrages. Soweit dort einleitend „Im Übrigen“ auf die Tarifverträge verwiesen wird, handelt es sich bei der Formulierung lediglich um eine Verknüpfung zum vorausgehenden Satz und nicht um eine Einschränkung dahin, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge lediglich insoweit gelten sollen, als der Vertrag keine Regelungen enthält. Dagegen spricht bereits – wie ausgeführt – die Wortwahl in den Ziffern 2 und 3 des Vertrages, die ihrerseits eine dynamische Bezugnahme enthalten. Im Übrigen gilt auch hier, dass ein redlicher Arbeitgeber, wenn er die von ihm gestellte Klausel (in Ziff. 14 S. 2) nicht als konstitutive dynamische Bezugnahme verstanden wissen wollte, die Bezugnahme auf die Tarifverträge unterlassen hätte.

60

2. Aufgrund der dynamischen Bezugnahme auf die Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels im Arbeitsvertrag der Parteien ist die Beklagte verpflichtet, die Klägerin für den Zeitraum 1. April 2016 bis 30. November 2016 nach dem für diesen Zeitraum gültigen Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel zu vergüten.

61

a) Dies gilt, obwohl die Beklagte nach dem Ende ihrer Mitgliedschaft im tarifschließenden Arbeitgeberverband nicht mehr nach § 3 Abs. 1 TVG an die zwischen dem Landesverband des Hamburger Einzelhandels und ver.di abgeschlossene Gehaltstarifverträge gebunden war. Der Austritt der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband hätte sich nur dann auf die Vergütungsansprüche der Klägerin auswirken können, wenn die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels als Gleichstellungsabrede auszulegen wäre. Eine solche Auslegung kommt jedoch in Betracht.

62

aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts galt die - widerlegliche - Vermutung, dass es einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum geht, durch die Bezugnahme die nicht organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten hinsichtlich der Geltung des in Bezug genommenen Tarifwerks gleichzustellen. Daraus hat das Bundesarbeitsgericht die Konsequenz gezogen, dass auch ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder in den Begleitumständen bei Vertragsschluss bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge Bezugnahmeklauseln in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen seien. Die Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb einschränkend dahin ausgelegt, dass die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik nur so weit reicht, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reicht, also dann endet, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden ist (vgl. etwa BAG, Urt. v. 23.02.2011 – 4 AZR 536/09 – juris Rn. 17 f.).

63

Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht für vertragliche Bezugnahmeregelungen, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 vereinbart worden sind, aufgegeben. Er wendet die Auslegungsregel aus Gründen des Vertrauensschutzes lediglich auf solche Bezugnahmeklauseln weiterhin an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (siehe etwa BAG, Urt. v. 11.12.2013 – 4 AZR 473/12 – juris Rn. 16).

64

bb) Hier kommt eine Auslegung der Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede schon deshalb nicht in Betracht, weil der Arbeitsvertrag der Parteien am 10. Oktober 2005 und damit weit nach dem 1. Januar 2002 geschlossen worden ist. Dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2005 (-4 AZR 536/04 – juris), mit dem das Bundesarbeitsgericht seinen Rechtsprechungswechsel zur Auslegung von Bezugnahmeklauseln angekündigt hat, noch nicht ergangen war, ändert nichts daran, dass die Beklagte sich aus Vertrauensschutzgründen nicht auf die alte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Gleichstellungsabrede berufen kann.

65

cc) Die Differenzvergütungsansprüche der Klägerin belaufen sich für den Zeitraum 1. April 2016 bis 30. November 2016 auf € 1.083,49 brutto. Die Höhe der Vergütungsdifferenz haben die Parteien ausdrücklich unstreitig gestellt.

66

dd) Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich ab Rechtshängigkeit, also ab dem 3. Dezember 2016, aus §§ 288 Abs. 1 Satz 2, 291 BGB.

B.

67

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.

I.

68

Die Berufung der Klägerin ist gleichfalls statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 1, 2 und 6, § 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 519 Abs. 1 und 2, § 520 Abs. 1 und 3, § 522 Abs. 1 S. 1 ZPO).

II.

69

Die Berufung der Klägerin ist begründet. Der von der Klägerin mit ihrer Berufung zur Entscheidung gestellte Feststellungsantrag ist zulässig und begründet.

70

1. Der Feststellungsantrag ist zulässig.

71

a) Der Feststellungsantrag ist als sogen. Elementenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

72

Eine Feststellungsklage in der Form einer Elementenfeststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (st. Rspr., s. nur BAG, Urt. v. 06.07.2011 – 4 AZR 706/09 – juris, Rn. 15; BAG, Urt. v. 22.10.2008 – 4 AZR 784/07 – juris, Rn. 11).

73

Hier hat die Klägerin ihren Feststellungsantrag grundsätzlich in zulässiger Weise darauf beschränkt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin unter Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigung ein Tarifgehalt der Gruppe GB 3 nach fünf Berufsjahren des Entgelttarifvertrages für den Einzelhandel des Landes Hamburg in der jeweils gültigen Fassung in Höhe von zurzeit 2.895,00 € brutto zu zahlen. Allerdings muss der Antrag ausgelegt werden, soweit die Klägerin die Bezeichnungen „Entgelttarifvertrag“, „Gruppe GB 3“ und „nach 5 Berufsjahren“ verwendet hat. Denn es gibt keinen „Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel des Landes Hamburg“. Auch eine Vergütungsgruppe „Gruppe GB 3“ sowie eine Untergruppe „nach 5 Berufsjahren“ existieren nicht.

74

Der Klägerin geht es bei richtigem Verständnis um die Anwendung des jeweils aktuellen, für die Regelung der Entgelte einschlägigen Flächentarifvertrages für den Hamburger Einzelhandel. Die Klägerin möchte feststellen lassen, dass sie nach der einschlägigen Tarifgruppe des jeweils aktuellen Tarifvertrags zu vergüten ist. Die Flächentarifverträge, abgeschlossen zwischen dem Handelsverband Nord e.V. und ver.di, führen jeweils die Bezeichnung „Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel“. Einschlägig für die Vergütung der Klägerin ist, wie sich aus dem Vorbringen beider Parteien ergibt, die Gehaltsgruppe 3 nach dem 5. Tätigkeitsjahr. Bei richtigem Verständnis geht es der Klägerin damit um die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin unter Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigung ein Tarifgehalt der Gehaltsgruppe 3 nach fünf Tätigkeitsjahren des Gehaltstarifvertrages für den Hamburger Einzelhandel in der jeweils aktuellen Fassung zu zahlen.

75

Der Feststellungsantrag betrifft bei richtiger Auslegung ausschließlich die Zeit nach dem Inkrafttreten des Zukunftstarifvertrages am 2. Dezember 2016. Für die Zeit davor hat die Klägerin die Differenzvergütung zwischen der ihr gewährten Vergütung und der Vergütung nach dem aktuellen Gehaltstarifvertrag des Hamburger Einzelhandels - wie unter A. dargestellt - erfolgreich im Wege der Leistungsklage geltend gemacht. Der Feststellungsantrag ist geeignet, den Streit der Parteien darüber endgültig zu klären, ob die Beklagte (auch) nach Inkrafttreten des Zukunftstarifvertrags am 2. Dezember 2016 die Tariferhöhungen aus den Gehaltstarifverträgen des Hamburger Einzelhandels an die Klägerin weitergeben muss oder ob sie sich darauf berufen kann, hierzu wegen der auf ihr Unternehmen bezogenen Sonderregelungen des Zukunftstarifvertrages nicht verpflichtet zu sein.

76

b) Der Zulässigkeit des Feststellungsantrags steht die erstinstanzliche Entscheidung, soweit sie rechtskräftig geworden ist, nicht entgegen.

77

Die Klägerin hat das Urteil des Arbeitsgerichts, soweit dieses die Zahlungsklage teilweise als unbegründet abgewiesen hat, nicht mit der Berufung angegriffen. Die Abweisung der auf Zahlung der monatlichen Differenzvergütung von jeweils 134,51 brutto für die Monate Dezember 2016 bis Februar 2017 gerichteten Klage ist damit in Rechtskraft erwachsen.

78

Dies berührt die Zulässigkeit der Feststellungklage nicht. Der Zulässigkeit einer späteren Klage steht die Rechtskraft einer Entscheidung im Vorprozess nur dann entgegenstehen, wenn die Streitgegenstände beider Prozesse identisch sind (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., Vorbem. zu § 322 ZPO, Rn 20). Dies ist hier nicht der Fall. Die mit dem Feststellungsantrag zur Entscheidung des Gerichts gestellte Frage, ob die Gehaltstarifverträge des Hamburger Einzelhandels (oder der Zukunftstarifvertrag) im Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar sind, stellte sich bei der Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Zahlungsklage für den Zeitraum Dezember 2016 bis Februar 2017 nur als Vorfrage. An die Entscheidung, die das Arbeitsgericht über diese Vorfrage getroffen hat, ist die Kammer nicht gebunden. Die materielle Rechtskraft erstreckt sich nicht auf präjudizielle Rechtsverhältnisse und Sinn- und Ausgleichszusammenhänge (vgl. BGH, Urt. v. 22.09.2016 – V ZR 4/16 – juris Rn 20; Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., Vorbem. zu § 322 ZPO, Rn 28, 34).

79

2. Die Feststellungsklage ist begründet.

80

Die Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel einschließlich des Gehaltstarifvertrages sind „in ihrer jeweils gültigen Fassung“ auch nach Inkrafttreten des Zukunftstarifvertrages auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin ein Tarifgehalt der Gehaltsgruppe 3 nach fünf Tätigkeitsjahren des Gehaltstarifvertrages für den Hamburger Einzelhandel in der jeweils aktuellen Fassung zu zahlen. Dass nach dem aktuellen Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel vom 11. September 2017 das Tarifgehalt der Gehaltsgruppe 3 nach dem 5. Tätigkeitsjahr nicht 2.895,00 € brutto, sondern 2.959,00 € brutto beträgt, steht der stattgebenden Entscheidung nicht entgegen. Die Nennung des Gehalts im Antrag hat nur deklaratorische Bedeutung. Im Tenor ist keine Gehaltshöhe genannt worden, um nicht durch eine fehlerhafte Angabe Verwirrung zu stiften.

81

Die in A. III. Ziff. 1. und 2. des Zukunftstarifvertrages festgelegten Entgeltregelungen gelten für die Klägerin nicht. Sie werden im Arbeitsverhältnis der Parteien durch den jeweils aktuellen, kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme geltenden Gehaltstarifvertrag verdrängt.

82

a) Die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Klägerin ist allein auf die Geltung der Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels gerichtet. Sie kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass im Arbeitsverhältnis der Klägerin für das Unternehmen geltende Firmentarifverträge Anwendung finden sollen. Der Zukunftstarifvertrag ist von der Klausel daher nicht erfasst. Im Einzelnen:

83

aa) Nach Ziff. 14 S. 2 des Arbeitsvertrages vom 10. Oktober 2005 gelten für das Arbeitsverhältnis „die Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels, die Gesamtbetriebsvereinbarung der K. W. AG, sowie die Betriebsordnung der o.g. Betriebsstelle in ihrer jeweils gültigen Fassung“.

84

(1) Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag handelt es sich um einen Formularvertrag, dessen Ziff. 14 S. 2 als Allgemeine Geschäftsbedingung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen ist, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, aber zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BAG, Urt. v. 14.12.2005 – 10 AZR 296/05 – juris, Rn. 15).

85

(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält die Bezugnahmeklausel im Anstellungsvertrag der Parteien vom 10. Oktober 2005 bei zutreffender Auslegung keine Verweisung auf eine Geltung von Firmentarifverträgen. Bereits vom Wortlaut her erfasst die arbeitsvertragliche Verweisung in Ziff. 14 S. 2 des Anstellungsvertrages nur die „Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels“ als Branchentarifverträge. Die Beklagte hat die in Bezug genommenen Tarifvertrag durch den elektronisch eigens eingefügten Einschub der Formulierung „des Hamburger Einzelhandels“ in den vorformulierten Anstellungsvertrag spezifisch bezeichnet. Die Bezugnahme ist in keiner Weise inhaltsdynamisch ausgestaltet. Sie nimmt allein „Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels“ zeitdynamisch in Bezug.

86

bb)Dafür, dass die Bezugnahmeklausel über ihren Wortlaut hinaus auch die Geltung von Firmentarifverträgen mit erfassen soll, liegen keine Anhaltspunkte vor.

87

(1) Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine kleine dynamische Verweisung über ihren Wortlaut hinaus nur dann als große dynamische Verweisung (Tarifwechselklausel) ausgelegt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen ergibt (st. Rspr., vgl. BAG, Urt. v. 26.08.2015 – 4 AZR 719/13 – juris, Rn. 18; BAG, Urt. v. 06.07.2011 – 4 AZR 706/09 – juris, Rn. 45; BAG, Urt. v. 22.10.2008 – 4 AZR 784/07 – juris, Rn. 21).

88

(2) Hier sind besondere Umstände, die es erlaubten, die Bezugnahmeklausel in Ziff. 14 S. 2 des Arbeitsvertrages über ihren Wortlaut hinaus als große dynamische Bezugnahmeklausel auszulegen und auch auf etwaige künftige Firmentarifverträge zu beziehen, nicht erkennbar. Die Bezugnahmeklausel schränkt die Geltung von Tarifverträgen ausdrücklich auf solche des Hamburger Einzelhandels ein.

89

Im Entscheidungsfall sind keine – für die Klägerin aus damaliger Sicht ersichtlichen – Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Arbeitgeber mit der arbeitsvertraglichen Regelung nicht allein die Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels, sondern die jeweils einschlägigen Tarifverträge, ggf. also sogar konkurrierende Firmentarifverträge im Arbeitsverhältnis der Parteien zur Anwendung bringen wollte. Ein verständiger und redlicher Vertragspartner des Arbeitgebers als des Verwenders der Klausel durfte den elektronisch eigens eingefügten Einschub der Formulierung „des Hamburger Einzelhandels“ dahingehend verstehen, dass es sich um eine abschließende Verweisung für die Geltung von Tarifverträgen handeln sollte. Entgegen der Auffassung der 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamburg in seiner Entscheidung im Parallelverfahren (Urt. v. 06.12.2017 – 2 Sa 58/17; siehe auch BAG, Urt. v. 23.03.2005 – 4 AZR 203/04 – juris Rn. 25 ) kann einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel nicht allgemein ein für den Arbeitnehmer erkennbarer Wille des Arbeitgebers entnommen werden, die fachlich und betrieblich einschlägigen Tarifverträge in Bezug zu nehmen.

90

Auch der Umstand, dass die Bezugnahmeklausel auf die Geltung der „Gesamtbetriebsvereinbarung der K. W. AG“ verweist, gebietet keine abweichende Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Ein – wegen § 77 Abs. 4 BetrVG an sich überflüssiger – Hinweis auf die Geltung etwaiger Betriebsvereinbarungen im Arbeitsvertrag ist kein geeignetes Indiz dafür, dass es dem Arbeitgeber auf die Vereinbarung der jeweils für den Betrieb einschlägigen Tarifverträge ankam (so aber BAG, Urt. v. 23.03.2005 – 4 AZR 203/04 – juris Rn. 25). Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge ist von einem deklaratorischen Hinweis auf die Geltung von (Gesamt-)Betriebsvereinbarungen strikt zu unterscheiden. Ein solcher deklaratorischer Hinweis ist nicht geeignet, die Auslegung der Bezugnahmeklausel über ihren Wortlaut hinaus zu begründen. Vielmehr muss ein Arbeitgeber, der die jeweils fachlich und betrieblich einschlägigen Tarifverträge durch eine vertragliche Bezugnahmeklausel zur Anwendung bringen will, dies durch eine für den Arbeitnehmer verständliche Formulierung der Bezugnahmeklausel selbst zum Ausdruck bringen.

91

b) Soweit der Zukunftstarifvertrag wegen der Gewerkschaftszugehörigkeit der Klägerin zur tarifschließenden Gewerkschaft ver.di normativ Anwendung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet, gebietet das Günstigkeitsprinzip den Vorrang des in Bezug genommenen, individualrechtlich geltenden Flächentarifvertrages. Das Spezialitätsprinzip kommt in diesem Zusammenhang nicht zur Anwendung.

92

aa) Die individualvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag führt nicht zu dessen tarifrechtlicher Geltung mit der Folge, dass seine Bestimmungen im Wege der Auflösung einer Tarifpluralität nach dem tarifrechtlichen Spezialitätsprinzip verdrängt werden könnten. Es handelt sich vielmehr um eine einzelvertragliche Regelung von Arbeitsbedingungen. Deshalb kann es auch nicht zu einer Konkurrenz kommen, weil nicht zwei Tarifverträge gleichzeitig für das Arbeitsverhältnis des Klägers Geltung beanspruchen (vgl. BAG, Urt. v. 07.07.2010 – 4 AZR 549/08 – juris, Rn. 76; BAG, Urt. v. 22.10.2008 – 4 AZR 784/07 – juris, Rn. 34; unter Aufgabe von unter Aufgabe von BAG, Urt. v. 23.03.2005 – 4 AZR 203/04 – juris). Ist der Arbeitnehmer an einen Tarifvertrag gebunden, gilt im Verhältnis zu den vertraglich in Bezug genommenen Regelungen das tarifrechtliche Günstigkeitsprinzip gemäß § 4 Abs. 3 TVG (vgl. BAG, Urt. v. 15.4.2015 – 4 AZR 587/13 – juris, Rn. 27; BAG, Urt. v. 07.07.2010 – 4 AZR 549/08 – juris, Rn. 76; BAG, Urt. v. 22.10.2008 – 4 AZR 784/07 – juris, Rn. 34).

93

bb) Soweit die Beklagte unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 23. März 2005 (BAG, Urt. v. 23.03.2005 – 4 AZR 203/04 – juris) geltend macht, das Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG sei vorliegend nicht anwendbar, ist dies ohne Bedeutung. Der Senat hat in der genannten Entscheidung eine Verdrängung des Günstigkeitsprinzips nur für den Fall angenommen, dass beide konkurrierenden Tarifverträge – der Verbandstarifvertrag zum einen und der Firmentarifvertrag zum anderen – auch vertraglich in Bezug genommen sind und von derselben Gewerkschaft geschlossen worden sind (BAG , Urt. v. 23.03.2005 – 4 AZR 203/04 – juris Rn 30), also auf gleicher Ebene miteinander konkurrieren. Vorliegend wird allein auf den Verbandstarifvertrag des Hamburger Einzelhandels arbeitsvertraglich Bezug genommen, sodass diese Voraussetzung nicht gegeben ist.

94

cc) Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ergibt ein Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung (sog. Günstigkeitsvergleich).

95

(1) Zu vergleichen sind dabei die durch Auslegung zu ermittelnden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen, die in einem inneren Zusammenhang stehen (sog. Sachgruppenvergleich, vgl. BAG, Urt. v. 15.4.2015 – 4 AZR 587/13 – juris, Rn. 28). Ein so genannter Gesamtvergleich, d.h. die Gegenüberstellung des vollständigen Arbeitsvertrages auf der einen und des gesamten Tarifvertrages auf der anderen Seite, kommt ebenso wenig in Betracht wie ein punktueller Vergleich von Einzelregelungen, auch wenn auf Grund einer umfassenden arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel der Sache nach zwei Tarifverträge miteinander zu vergleichen sind (BAG, Urt. v. 15.4.2015 – 4 AZR 587/13 – juris, Rn. 28). Die auf Grund einzelvertraglicher Verweisungsklausel auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvorschriften haben auch bei einer umfassenden Inbezugnahme lediglich individualvertraglichen Charakter. Der Durchführung eines Gesamtvergleichs steht bereits der Wortlaut des § 4 Abs. 3 TVG („Regelungen“) entgegen, der nicht auf eine Gesamtregelung oder einen Tarifvertrag abstellt. Abweichende Abmachungen sind danach nur zulässig, „soweit“ sie u.a. eine Änderung der Regelungen zu Gunsten des Arbeitnehmers enthalten. Es kommt deshalb nicht auf die Günstigkeit der Gesamtheit der abweichenden Regelungen, sondern vielmehr nur der einander entsprechenden Teile, d.h. Sachgruppen, an. Im Übrigen wäre ein Gesamtvergleich mangels einheitlicher Vergleichsmaßstäbe praktisch kaum durchführbar (vgl. BAG, Urt. v. 15.4.2015 – 4 AZR 587/13 – juris, Rn. 28).

96

(2) Für die Durchführung eines Günstigkeitsvergleichs sind die abstrakten Regelungen maßgebend, nicht das Ergebnis ihrer Anwendung im Einzelfall. Hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die betreffende Regelung günstiger ist oder nicht (sog ambivalente Regelung), ist keine „Günstigkeit“ i.S.v. § 4 Abs. 3 TVG gegeben (vgl. BAG, Urt. v. 15.4.2015 – 4 AZR 587/13 – juris, Rn. 29).

97

(3) Der Günstigkeitsvergleich ist anhand eines objektiven Beurteilungsmaßstabs vorzunehmen. Maßgebend ist die Einschätzung eines verständigen Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (vgl. BAG, Urt. v. 15.4.2015 – 4 AZR 587/13 – juris, Rn. 30). Auf die subjektive Einschätzung des betroffenen Arbeitnehmers kommt es nicht an. Ist die einzelvertragliche Regelung bei objektiver Betrachtung gleich oder gleichwertig (sog neutrale Regelung), ist sie nicht günstiger i.S.v. § 4 Abs. 3 TVG.

98

(4) Die Günstigkeit einer einzelvertraglichen Regelung gegenüber einer normativ geltenden Tarifnorm muss bereits im Voraus – also unabhängig von den konkreten Bedingungen des jeweiligen Anwendungsfalls – feststehen (BAG, Urt. v. 15.4.2015 – 4 AZR 587/13 – juris, Rn. 31). Der Günstigkeitsvergleich ist erstmals in dem Zeitpunkt durchzuführen, in dem die normativ geltende tarifvertragliche Regelung mit der abweichenden vertraglichen Regelung kollidiert (so BAG, ebd., juris, Rn. 31; vgl. für den Vergleich einzelvertraglicher Regelungen und einer Betriebsvereinbarung BAG, Urt. v. 19.7.2016 – 3 AZR 134/15 – juris, Rn. 45).

99

(5) Ist nach diesen Maßstäben objektiv nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die vom normativ geltenden Tarifvertrag abweichende Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist – sei es, weil es sich um eine „ambivalente“, sei es, weil es sich um eine „neutrale“ Regelung handelt –, verbleibt es bei der zwingenden Geltung des Tarifvertrags (BAG, Urt. v. 15.4.2015 – 4 AZR 587/13 – juris, Rn. 32). Das folgt sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der systematischen Stellung von § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG als gesetzlichem Ausnahmetatbestand. Der Gesetzgeber hat eine Abweichung vom Grundsatz der zwingenden Wirkung geltender Tarifnormen (Regel) nur für den Fall vorgesehen, dass die betreffende Regelung „günstiger“ ist als die tarifliche Norm (Ausnahme). Ist die Günstigkeit der abweichenden Regelung nicht sicher feststellbar, greift § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG nicht ein (BAG, Urt. v. 15.4.2015 – 4 AZR 587/13 – juris, Rn. 32).

100

dd) In Anwendung dieser Grundsätze sind die auf Grund der vertraglichen Bezugnahmeklausel auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels hinsichtlich der Entgeltansprüche günstiger als die normativ geltenden Tarifbedingungen des Zukunftstarifvertrages.

101

(1) Als Vergleichsgruppe sind die zueinander in sachlichem Zusammenhang stehenden Leistungsgrößen Arbeitszeit und Entgelt des Verbandstarifvertrages und des Firmentarifvertrages gegenüber zu stellen. Für den Vergleich ist auf die Zeit des Inkrafttreten des Zukunftstarifvertrages zum 2. Dezember 2016 (G. I. des Zukunftstarifvertrages) abzustellen, da sich zu diesem Zeitpunkt der Firmentarifvertrag und individualvertraglich in Bezug genommene Verbandstarifvertrag erstmals gegenüberstanden.

102

(2) Aus dem Sachgruppenvergleich ergibt sich, dass der individualvertraglich in Bezug genommene Verbandstarifvertrag die Klägerin gehaltsmäßig besser stellt, als der Zukunftstarifvertrag. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den im Zukunftstarifvertrag vereinbarten zukünftigen kennzahlenabhängigen Entgelterhöhungen in den Jahren 2017-2020 und Mindesterhöhungen in den Jahren 2018-2020 durch die Entgelt-Kommission.

103

(a) Bei der Gegenüberstellung der Gehaltsstufen der beiden Tarifverträge zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zukunftstarifvertrages ergibt sich, dass der Tarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel die für die Klägerin günstigeren gehaltsmäßigen Regelungen enthält.

104

Die dynamische individualvertragliche Bezugnahmeklausel des Arbeitsvertrages vom 10. Oktober 2005 auf den Tarifvertrag des Hamburger Einzelhandels gewährleistet eine Teilnahme an den jeweiligen Tariferhöhungen des Verbandstarifvertrages auch für die Zeit nach Verbandsaustritt der Beklagten zum 6. Mai 2013 (dazu im Folgenden unter B. II.). Entsprechend der Gehaltsgruppe der Klägerin (GB 3) betrug der Gehaltssatz für Angestellte mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung in Vollzeit nach dem 5. Tätigkeitsjahr zur Zeit des Inkrafttretens des Zukunftstarifvertrag gemäß dem Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel vom 1. Mai 2015 EUR 2.892,- (§ 2 B. Gehaltsgruppe 3 [nach dem 5. Tätigkeitsjahr ab 1. Mai 2016] des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel vom 1. Mai 2015).

105

Dagegen beträgt der Gehaltssatz nach dem Zukunftstarifvertrag entsprechend der Gehaltsgruppe der Klägerin (GB 3) für Angestellte mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung in Vollzeit nach dem 5. Tätigkeitsjahr zur Zeit des Verbandsaustritts gemäß dem Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel vom 22. Juni 2011 EUR 2.630,- (§ 2 B. Gehaltsgruppe 3 [nach dem 5. Tätigkeitsjahr ab 1. Juli 2012] des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel vom 22.06.2011). Gemäß A. III. Ziff. 1 S. 1 des Zukunftstarifvertrages erfolgt eine gehaltsmäßige Rückstufung der bei der Beklagten Beschäftigten auf die Tarifentgelte nach den Tarifabschlüssen für die Tarifjahre 2011 bis 2013. Nach S. 2 werden die zwischen den Tarifvertragsparteien in den Ländern vereinbarten Entgelterhöhungen aus den Tarifabschlüssen 2013 für die Tarifjahre 2013 und 2014 sowie 2015 für die Tarifjahre 2015 und 2016 ausgesetzt.

106

(b) Auch bei Berücksichtigung von Entgelterhöhungen ab dem Inkrafttreten des Zukunftstarifvertrages enthält der Tarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel die für die Klägerin günstigeren Gehaltsregelungen.

107

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt beträgt der Gehaltssatz der entsprechenden Gehaltsgruppe EUR 2.959,- (§ 2 B. Gehaltsgruppe 3 [nach dem 5. Tätigkeitsjahr ab 1. Juli 2017] des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel vom 1. Mai 2017). Ab dem 1. Mai 2018 beträgt der Gehaltssatz der entsprechenden Gehaltsgruppe EUR 3.018,- (§ 2 B. Gehaltsgruppe 3 [nach dem 5. Tätigkeitsjahr ab 1. Mai 2018] des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel vom 1. Mai 2017). Ausgehend vom Gehaltssatz des Tarifvertrags für den Hamburger Einzelhandels zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zukunftstarifvertrages i.H.v. EUR 2.892,- beläuft sich die Entgelterhöhung für das Jahr 2018 auf EUR 126,-.

108

Dagegen beträgt das Tarifentgelt des Zukunftstarifvertrages zumindest inklusive der Mindesterhöhung um 1,25% ab dem 1. März 2018 EUR 2.663,- (vgl. A. III. Ziff. 2 a) Abs. 2 des Zukunftstarifvertrages). Ausgehend vom Gehaltssatz des Zukunftstarifvertrages zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens i.H.v. EUR 2.630,- beläuft sich die Entgelterhöhung für das Jahr 2018 auf EUR 33,-.

C.

I.

109

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG.

II.

110

Die Revision ist nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung und Divergenz zur Entscheidungen des LAG Hamburg in dem Parallelverfahren zum Az. 2 Sa 58/17 zuzulassen.

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(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

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Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZR 4/16 vom 22. September 2016 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 322 Abs. 1 Eine aus der Rechtskraft abgeleitete Tatsachenpräklusion erfasst nur Vortrag, der zu

Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Juli 2016 - 3 AZR 134/15

bei uns veröffentlicht am 19.07.2016

Tenor Auf die Revisionen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Oktober 2014 - 6 Sa 106/14 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. Aug. 2015 - 4 AZR 719/13

bei uns veröffentlicht am 26.08.2015

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 7. März 2013 - 3 Sa 258/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 15. Apr. 2015 - 4 AZR 587/13

bei uns veröffentlicht am 15.04.2015

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. April 2013 - 6 Sa 2000/12 - hinsichtlich der Ziff. 3. und Ziff. 4. aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 11. Dez. 2013 - 4 AZR 473/12

bei uns veröffentlicht am 11.12.2013

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 14. März 2012 - 4 Sa 12/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 13. Feb. 2013 - 5 AZR 2/12

bei uns veröffentlicht am 13.02.2013

Tenor I. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 30. November 2011 - 5 Sa 49/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 06. Juli 2011 - 4 AZR 706/09

bei uns veröffentlicht am 06.07.2011

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 6. August 2009 - 7 Sa 1674/08 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 07. Juli 2010 - 4 AZR 549/08

bei uns veröffentlicht am 07.07.2010

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 22. Januar 2008 - 14 Sa 87/07 - wird zurückgewiesen.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 28. Feb. 2018 - 6 Sa 79/17.

Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 18. Apr. 2018 - 2 Sa 85/17

bei uns veröffentlicht am 18.04.2018

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11. Oktober 2017 – 22 Ca 126/17 – wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand

Referenzen

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(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistands. Vor Abschluß der Vereinbarung über die Vertretung ist auf den Ausschluß der Kostenerstattung nach Satz 1 hinzuweisen. Satz 1 gilt nicht für Kosten, die dem Beklagten dadurch entstanden sind, daß der Kläger ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanz- oder Sozialgerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat.

(2) Werden im Urteilsverfahren des zweiten und dritten Rechtszugs die Kosten nach § 92 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung verhältnismäßig geteilt und ist die eine Partei durch einen Rechtsanwalt, die andere Partei durch einen Verbandsvertreter nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 vertreten, so ist diese Partei hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten so zu stellen, als wenn sie durch einen Rechtsanwalt vertreten worden wäre. Ansprüche auf Erstattung stehen ihr jedoch nur insoweit zu, als ihr Kosten im Einzelfall tatsächlich erwachsen sind.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. Juli 2017 – Gz. 27 Ca 487/16 – wird zurückgewiesen.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. Juli 2017 – Gz. 27 Ca 487/16 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 80/100 und die Beklagte zu 20/100 zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Rahmen eines Feststellungsantrags darüber, ob auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis Tarifverträge für den Einzelhandel in Hamburg, insbesondere ein Entgelttarifvertrag in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden, ferner über daraus resultierende Vergütungsansprüche des Klägers.

2

Die Beklagte betreibt ein Einzelhandelsunternehmen mit einer Vielzahl von Filialen im Bundesgebiet. Der Kläger, der Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ist, ist seit dem 1. Juni 1994, zuletzt auf Grundlage eines Anstellungsvertrags vom 14. September 2004 (Anlage K 1, Bl. 11-12 d.A.) bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin in der Filiale X-Straße in Hamburg als Erstkraft in einer Abteilung beschäftigt. Der Anstellungsvertrag vom 14. September 2004, auf den im Übrigen Bezug genommen wird, lautet auszugsweise:

3

[...]

4

2. Sie erhalten für Ihre Tätigkeit eine Vergütung von Euro 2.324,00 __ brutto für 163,00___ Std./monatlich = 100% der tariflichen Monatsarbeitszeit.

5

Im vorstehenden Betrag sind enthalten:
nach Tarifgruppe GB III/01.09.1990 EUR _______ brutto

6

3. Etwaige die tariflichen Ansprüche übersteigende Mehrbezüge werden bei einer Veränderung der tariflichen Ansprüche verrechnet, es sei denn, dass ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen wird.
[...]

7

9. Sie erhalten Urlaub nach den jeweils geltenden Bestimmungen des Tarifvertrags und der Betriebsordnung
[...]

8

14. Die Bedingungen dieses Anstellungsvertrages behalten ihre Gültigkeit auch dann, wenn eine Änderung der bisherigen Tätigkeit und / oder eine Änderung des Entgelts – bei Teilzeitbeschäftigung auch der Arbeitszeit – eintritt. Im übrigen gelten die Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels , die Gesamtbetriebsvereinbarungen der K. AG, sowie die Betriebsordnung der o.g. Betriebsstelle in ihrer jeweils gültigen Fassung.

9

[...]“

10

Der zuvor zwischen den Parteien geschlossene Anstellungsvertrag datiert vom 5. Mai 1997 und enthält insoweit nahezu gleichlautende Formulierungen (vgl. Anlage B 3, Bl. 122 d.A.). Wegen des genauen Wortlautes der diesbezüglichen Regelungen wird auf die Anlage B 3 Bezug genommen.

11

Bis zum 6. Mai 2013 war die Beklagte Vollmitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbands, dem Landesverband des Hamburger Einzelhandels e.V.. Mit Kündigung vom 6. Mai 2013 (vgl. Anlage B 1, Bl. 113 d.A.) beendete die Beklagte ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband mit sofortiger Wirkung. Nach ihrem Verbandsaustritt zahlte sie an den Kläger nur noch ein „Tarifgehalt“ auf Basis des zum 6. Mai 2013 geltenden Entgelttarifvertrags des Hamburger Einzelhandels in Höhe von EUR 2.630,00 (vgl. Entgeltabrechnungen für April bis Oktober 2016, Anlagenkonvolut K3, Bl. 30 ff. d.A.). Tariflohnerhöhungen in 2013 bzw. den Folgejahren gab die Beklagte nicht mehr an den Kläger weiter.

12

Mit der am 23. November 2016 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen und der Beklagten am 2. Dezember 2016 zugestellten Klage macht der Kläger rückwirkend Differenzvergütung (monatlich EUR 262,00 brutto) für die Monate April 2016 bis November 2016, eine um EUR 111,50 brutto höhere Jahressonderzahlung und höhere Zahlungen für Sonntagsöffnungszeiten (EUR 163,75) geltend, die sich unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher Tariflohnerhöhungen auf Basis des Entgelttarifvertrags des Einzelhandels in Hamburg ergeben würden. Dabei streiten die Parteien darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf entsprechende Tariflohnerhöhungen aus den Tarifabschlüssen für die Jahre 2013 bis 2016 zusteht.

13

Zwischenzeitlich vereinbarte die Beklagte mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) einen sog. „Zukunftstarifvertrag K.“ (nachstehend: „Zukunftstarifvertrag“; Anlage B 2, Bl. 114-121 d.A.), der mit Wirkung zum 2. Dezember 2016 in Kraft trat. Der Zukunftstarifvertrag sieht unter A. III Ziffer 1. u.a. vor:

14

1. Aktuelles K.-Tarifentgelt

15

Mit Inkrafttreten dieses Tarifvertrags besteht ein Anspruch auf Tarifentgelt gemäß Tarifabschluss für die Tarifjahre 2011 bis 2013. Die zwischen den Tarifvertragsparteien in den Ländern vereinbarten Entgelterhöhungen aus den Tarifabschlüssen 2013 für die Tarifjahre 2013 und 2014 sowie 2015 für die Tarifjahre 2015 und 2016 werden ausgesetzt. Soweit für diese vor Abschluss dieses Tarifvertrags liegenden Zeiträume Ansprüche auf tarifliche Leistungen geltend gemacht werden, eingeklagt oder vereinbart wurden, bleiben diese Ansprüche unberührt, soweit sie bestehen.

16

Die Beklagte vergütet alle Mitarbeiter, auch den Kläger, nach dieser tariflichen Regelung, die weiterhin das Entgeltniveau auf dem Stand von Mai 2013 vorsieht. Im Gegenzug für die Aussetzung der Entgelterhöhungen wurde unter Abschnitt B. des Zukunftstarifvertrags eine Standort- und Beschäftigungssicherung bis zum 31. März 2021 geregelt.

17

Der Kläger hat vorgetragen, dass in seinem Anstellungsvertrag dynamisch auf die Tarifverträge des Einzelhandels in Hamburg verwiesen werde, so dass auch nach Beendigung der Tarifbindung der Beklagten die Tariflohnerhöhungen ab 2013 durch die Entgelttarifverträge für den Hamburger Einzelhandel an ihn weiterzugeben gewesen wären. Jedenfalls im Wege der Auslegung ergebe sich, dass die unter Ziffer 2 des Anstellungsvertrags der Parteien getroffene Vergütungsregelung keine statische Regelung, sondern lediglich eine Wissenserklärung beinhalte. Auch im Hinblick auf die Vergütung werde durch Ziffer 14 des Anstellungsvertrags auf die einschlägigen Entgelttarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Bezug genommen. Der Entgelttarifvertrag des Hamburger Einzelhandels, der aufgrund arbeitsvertraglicher, dynamischer Verweisung für das Arbeitsverhältnis gelte, werde unter Berücksichtigung des Günstigkeitsprinzips auch nicht ab Dezember 2016 durch den Zukunftstarifvertrag zwischen der ver.di und der Beklagten verdrängt.

18

Der Kläger hat beantragt,

19

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 2.350,25 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und weitere EUR 40,00 netto zu zahlen;

20

2. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge für den Einzelhandel in Hamburg in ihrer jeweils geltenden Fassung anwendbar sind und deshalb die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ein Tarifgehalt der Gruppe GB 3 nach 5 Berufsjahren des Entgelttarifvertrages für den Einzelhandel des Landes Hamburgs in der jeweils gültigen Fassung in Höhe von zur Zeit EUR 2.895,00 brutto zu zahlen.

21

Die Beklagte hat beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Die Beklagte hat vorgetragen, dass der Kläger keinen Anspruch auf Weitergabe der Tariflohnerhöhungen nach dem Entgelttarifvertrag des Einzelhandels in Hamburg habe. Für den Zeitraum bis 2. Dezember 2016 folge dies daraus, dass nach dem Verbandsaustritt der Beklagten am 6. Mai 2013 der Entgelttarifvertrag nur noch statisch auf dem Stand von Mai 2013 fortgelte, d.h. das Entgeltniveau auf diesem Stand eingefroren sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Anstellungsvertrag der Parteien, aus dem sich auch bzw. jedenfalls im Hinblick auf die Vergütung gerade keine „unbedingte zeitdynamische Verweisung“ herleiten lasse. Die unter Ziffer 2 des Anstellungsvertrags getroffene Entgeltregelung enthalte gerade keinerlei Hinweis auf eine dynamische Tarifgeltung, sondern lege eine absolute Gehaltssumme fest, was auch durch die Datumsangabe „Tarifgruppe GB III/01.09.1990“ bestätigt werde. Der Verweis in Ziffer 14 des Anstellungsvertrags beziehe sich gerade nicht auf die fixe Entgeltabrede in Ziffer 2, da danach der Tarifvertrag nur „im Übrigen“ und damit schon dem Wortlaut nach nur für Arbeitsbedingungen gelte, die nicht bereits im Anstellungsvertrag (abschließend) geregelt seien. Hinzu komme, dass der Zusatz „in ihrer jeweils gültigen Fassung“ sich ausschließlich auf die Betriebsordnung beziehe. Dementsprechend werde auch in der Urlaubsregelung der Ziffer 9 des Anstellungsvertrags ausdrücklich auf die „jeweils geltenden Bestimmungen des Tarifvertrages“ verwiesen. Ab dem 2. Dezember 2016 gelte im Übrigen auch für den Kläger der Zukunftstarifvertrag, und zwar normativ wie durch die individualvertragliche Verweisung des Anstellungsvertrags. Der Zukunftstarifvertrag gehe dann als speziellere Regelung den Flächentarifverträgen vor. Bei alledem – insbesondere bei dem Prüfungsmaßstab – sei schließlich zu berücksichtigen, dass der letzte Arbeitsvertrag mit dem Kläger zwar vom 14. September 2004 datiert, an den hier entscheidenden Stellen aber nur der Altvertrag vom 5. Mai 1997 wiederholt werde.

24

Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Urteil vom 19. Juli 2017 – Gz.: 27 Ca 486/16 – (Bl. 129 – 141 d.A.) der Klage insoweit hinsichtlich des Zahlungsantrages (Klagantrag zu 1) dahingehend stattgegeben, dass es die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger EUR 2.350,25 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2017 zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

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Die Beklagte sei verpflichtet, an den Kläger für die Zeit bis zum 1. Dezember 2016 ein Tarifgehalt der Tarifgruppe GB III des Entgelttarifvertrags des Einzelhandels Hamburg in seiner jeweils gültigen Fassung zu zahlen. Daraus ergebe sich ein Anspruch des Klägers auf Differenzvergütung in Höhe von EUR 2.350,25 brutto. Der Anspruch ergibt sich zwar nicht bereits aus einer normativen Geltung der Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel, da diese nach dem Verbandsaustritt der Beklagten zum 6. Mai 2013 nur statisch fortgelten würden. Eine Auslegung von Ziffer 14 des Anstellungsvertrags der Parteien ergebe aber eine dynamische Verweisung auf die Tarifverträge für den Einzelhandel, weshalb auch nach Verbandsaustritt der Beklagten die Tariflohnerhöhungen in 2013 und den Folgejahren an den Kläger weiterzugeben seien. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts (Urteil vom 11. November 2015 – 3 Sa 1835/14 -) sei auszuführen, dass die Parteien in Ziffer 2 des Arbeitsvertrages und in der dort angeführten Tarifgruppe keine konstitutive Vereinbarung hinsichtlich der Eingruppierung getroffen, sondern lediglich eine „Wissenserklärung“ im Hinblick auf die damals aus ihrer Sicht zutreffende Tarifgruppe vorgenommen hätten. Auch habe die Beklagte als Klauselverwenderin durch die zweimaligen Bezugnahmen in Ziffer 2 des Vertrages auf tarifliche Regelungen signalisiert, dass sie nach Tarif vergüte. Dafür spreche auch Ziffer 3 des Vertrages, der ausdrücklich von tariflichen Ansprüchen und außertariflichen Zulagen, Prämien, Sonderzahlungen etc. spreche. Der durchschnittliche Arbeitnehmer dürfe eine solche Bezugnahme auf tarifliche Ansprüche und die Verknüpfung von individueller Arbeitszeit mit tariflicher Monatsarbeitszeit und eines bezifferten Euro-Betrages mit einer Tarifgruppe redlicherweise so verstehen, dass der in der Ziffer 2 genannte Euro-Betrag nicht statisch festgelegt sei, sondern sich entsprechend der Tariferhöhungen entwickeln solle. Umgekehrt würde ein redlicher Arbeitgeber, wenn er die von ihm gestellten Klauseln nicht so verstanden wissen wollte, die Bezugnahme auf tarifliche Ansprüche unterlassen und deutlich zum Ausdruck bringen, dass er nicht „nach Tarif“ zahlen will.

26

Bei der Formulierung in Ziffer 14 Satz 2 des Arbeitsvertrages, in dem einleitend „im Übrigen“ auf die Tarifverträge verwiesen wird, handele es erkennbar lediglich um eine Verknüpfung zum vorausgehenden Satz und nicht um eine Einschränkung dahin, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge lediglich insoweit gelten sollen, als der Vertrag keine Regelungen enthält. Dagegen spreche bereits die Wortwahl in Ziffer 2 und 3 des Vertrages, die ihrerseits bereits eine dynamische Bezugnahme enthalten. Im Übrigen gelte auch hier, dass ein redlicher Arbeitgeber, wenn er die von ihm gestellte Klausel (in Ziffer 14 Satz 2) nicht als konstitutive dynamische Bezugnahme verstanden wissen wollte, die Bezugnahme auf die Tarifverträge unterlassen hätte.

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Es hätte – so das Arbeitsgericht – an der Beklagten gelegen, bei dem Abschluss des Arbeitsvertrags vom 14. September 2004 eine dynamische Verweisung, sofern diese nicht gewollt gewesen sei, ausdrücklich und für jedermann unmissverständlich auszuschließen. Insoweit ergebe sich auch kein anderer Prüfungsmaßstab, weil die Parteien schon vor dem 1. Januar 2002 ein ähnlich lautender Arbeitsvertrag verband, da die Parteien ihre Rechtsbeziehung mit dem streitgegenständlichen Arbeitsvertrag auf eine völlig neue Grundlage gestellt hätten. In diesem Zusammenhang hätte nach Auffassung des Arbeitsgerichts an der Beklagten gelegen, auch eine Vergütungsregelung klar zu formulieren. Dementsprechend könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Arbeitsvertragsparteien in Ziffer 2 ihres Vertrags eine eigenständige, feststehende arbeitsvertragliche Vereinbarung zur Lohnhöhe getroffen hätten. Vielmehr hätten sie dort schlicht die tarifliche Vergütung niedergeschrieben, die dann auch im Fall des Klägers mit Blick auf Ziffer 14 des Anstellungsvertrags und dem Verweis („im Übrigen“) u.a. auf den Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel in Hamburg „in der jeweils gültigen Fassung“ entsprechend den von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Lohnerhöhungen jedenfalls bis zum 1. Dezember 2016 zu erhöhen gewesen sei. Daran ändere auch die Bezugnahme auf ein bestimmtes Datum in Ziffer 2 des Arbeitsvertrags der Parteien („Tarifgruppe GB III/01.09.1990“) nichts, zumal kein Gehalt auf dem Entgeltniveau zum Stichtag 1. September 1990 festgeschrieben worden sei. Vielmehr beziehe sich die Datumsangabe auf ein bestimmtes Vergütungsgruppenverzeichnis, demnach der Kläger in Vergütungsgruppe GB III eingruppiert ist. Nach alledem könne der Kläger Vergütungsansprüche, die nicht bereits durch Erfüllung erloschen sind, in unstreitiger Höhe von EUR 2.350,25 von der Beklagten verlangen, ferner wegen Verzuges der Beklagten gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB eine Pauschale in Höhe von EUR 40,00.

28

Da ab dem 2. Dezember 2016 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Zukunftstarifvertrag sowohl normativ wie auch aufgrund einzelvertraglicher Verweisung Anwendung finde, sei der Feststellungsantrag des Klägers unbegründet. Die Tarifkonkurrenz, die sich aus der Verweisung des Anstellungsvertrags auf den Zukunftstarifvertrag einerseits sowie die Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels andererseits ergebe, sei nicht über das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG aufzulösen. Vielmehr gelte das Spezialitätsprinzip, wonach vorliegend der Zukunftstarifvertrag als speziellere Regelung die Verbandstarifverträge verdränge. Es sei davon auszugehen, dass die Parteien mit ihrer Verweisung dem Tarifvertrag Vorrang einräumen wollten, der dem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten stehe und deshalb den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebs und der darin tätigen Arbeitnehmer am besten trage. Dies sei der Zukunftstarifvertrag, der zeitlich nachfolgend als „maßgeschneiderter“ Firmentarifvertrag mit der gleichen Gewerkschaft geschlossen wurde. Im Übrigen ergebe sich auch nicht aus dem Zukunftstarifvertrag, dass keine Aussetzung der Tariflohnerhöhungen ab den Jahren 2013 stattfinde und sich Vergütungsansprüche weiterhin nach den Tarifverträgen für den Hamburger Einzelhandel richten. Insbesondere ergebe sich das nicht daraus, dass der Zukunftstarifvertrag unter A. III Ziff. 1 letzter Satz regelt, dass bestehende Ansprüche unberührt bleiben. Diese Formulierung beziehe sich ausdrücklich nur auf Ansprüche für die „vor Abschluss dieses Tarifvertrags liegenden Zeiträume“. Ziel der Tarifvertragsparteien sei es gewesen, im Gegenzug zu einer Standort- und Beschäftigungssicherung bis zum Ablauf des 31. März 2021 das Gehaltsniveau bei der Beklagten ab dem Geltung Zeitpunkt des Zukunftstarifvertrags einheitlich festzuschreiben und ggf. abzusenken.

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Einer Gehaltsreduzierung des Klägers ab dem 2. Dezember 2016 aufgrund des Zukunftstarifvertrages stünden auch keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen. Eine zukünftige Erwartung des Klägers auf ein bestimmtes Gehalt sei nicht geschützt. Hinzu komme, dass auch der Kläger im Gegenzug zur Gehaltseinbuße eine Standort- und Beschäftigungssicherung erhalte.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

31

Gegen dieses am 24. Juli 2017 (Bl. 142 d.A.) ihm zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 15. August 2017 (Bl. 144-145 d.A.) beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung des Klägers ist am 25. September 2017 (Bl. 196 ff. d.A.), einem Montag, beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Gegen dieses am 26. Juli 2017 (Bl.143 d.A.) ihr zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 25. August 2017 (Bl. 151 ff. d.A.) beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung der Beklagten ist am 25. September 2017 (Bl. 156 ff. d.A.) beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

32

Der Kläger hält das arbeitsgerichtliche Urteil für unzutreffend, soweit der Feststellungsantrag abgewiesen worden ist, und verteidigt es, soweit es seinem Zahlungsantrag stattgegeben hat.

33

Er trägt vor, das Arbeitsgericht lege den Arbeitsvertrag unzutreffend und nur die Interessen des Arbeitgebers berücksichtigend aus. Zu berücksichtigen sei, dass ein Arbeitnehmer, der individualvertraglich die Anwendbarkeit eines Tarifvertrages vereinbart hat, im Regelfall an Interesse daran habe, dass der für ihn persönlich günstigste Tarifvertrag zur Anwendung komme. Zumindest in einem Stadtstaat wie Hamburg komme der Anwendbarkeit eines Flächentarifvertrages für den Arbeitnehmer entscheidende Bedeutung zu, um sich im Gehaltsniveau der Arbeitnehmer anderer verbandsangehöriger Unternehmen zu bewegen. So würden bei Flächentarifverträgen beispielsweise auch Lebenshaltungskosten eine Rolle spielen. Der arbeitsvertragliche Verweis auf Gesamtbetriebsvereinbarungen und die Betriebsordnung lasse den Umkehrschluss zu, dass es auf tariflicher Ebene der Beklagten auf die Geltung des Flächentarifvertrages angekommen sei. Es sei zu berichtigen, dass sich die Verweisung nur auf Flächentarifverträge beziehe. Der bundesweit gültige Zukunftstarifvertrag als Haustarifvertrag sei auch nicht spezieller als ein Tarifvertrag des Hamburger Einzelhandels. Zutreffend habe das Arbeitsgericht hingegen erkannt, dass sich aus der Gesamtschau von Ziffern 2 und 14 des Arbeitsvertrages eine Dynamik der Vergütungsregelung ergebe. Der Annahme eines Altvertrages stehe schon entgegen, dass die Parteien im Jahr 2004 einen komplett neuen Vertragstext unterzeichnet hätten und damit insgesamt der Vertragstext noch einmal bestätigt worden sei.

34

Der Kläger beantragt,

35

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils insgesamt nach den klägerischen Schlussanträgen erster Instanz zu entscheiden.

36

Die Beklagte beantragt,

37

1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen,

38

2. das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. Juli 2017 – Az. 27 Ca 486/16 – abzuändern, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger EUR 2.350,25 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2016 zu zahlen und die Klage insgesamt abzuweisen.

39

Der Kläger beantragt,

40

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

41

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit es den Feststellungsantrag abgewiesen hat, und hält es für unzutreffend, soweit sie zur Zahlung verurteilt worden ist.

42

So ergebe sich aus Ziffern 2 und 14 des Arbeitsvertrages keine dynamische Verweisung. Wie die Parteien des Arbeitsvertrages eine dynamische Verweisung hätten formulieren wollen, zeige die Urlaubsregelung in Ziffer 9 des Arbeitsvertrages. In Ziffer 2 des Arbeitsvertrages werde hingegen lediglich eine Tarifgruppe ohne jeden weiteren Bezug zu einem Tarifwerk oder einem „jeweils geltenden“ Tarifwerk hergestellt. Die Formulierung „Im übrigen“ in Ziffer 14 Satz 2 des Arbeitsvertrages zeige, dass hier nicht die bereits unter Ziffer 2 des Arbeitsvertrages geregelte Vergütung umfasst sein sollte. Vielmehr handele es sich bei Ziffer 14 um eine Bezugnahmeklausel als Auffangbestimmung. Schließlich sei die Bezugnahmeklausel in Ziffer 14 als Altregelung auszulegen, weil bei Neuabschluss des Arbeitsvertrages vom 14. September 2004 die Klausel unberührt geblieben und damit nicht zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht worden sei.

43

Der Zukunftstarifvertrag habe Vorrang vor dem Flächentarifvertrag. Soweit der Kläger mit seiner Berufung einwendet, der bundesweit geltende Zukunftstarifvertrag berücksichtige nicht die örtlichen Lebenshaltungskosten, sei darauf hinzuweisen, dass der Zukunftstarifvertrag die jeweils regional geltenden Tarifverträge anerkenne, d.h. für den Kläger nach wie vor die Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels gelten würden und durch den Zukunftstarifvertrag lediglich derzeit bestimmte Tariferhöhungen ausgesetzt seien.

44

Hinsichtlich des ergänzenden Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 25. September 2017 (Bl. 176 ff. d.A.), die Berufungsbegründung des Klägers vom 25. September 2017 (Bl. 200 ff. d.A.), die Berufungsbeantwortung der Beklagten vom 26. Oktober 2017 (Bl. 219 ff. d.A.) und auf die Berufungsbeantwortung des Klägers vom 9. November 2017 (Bl. 227 f. d.A.) verwiesen. Wegen des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen überreichten Unterlagen, ihrer Beweisantritte und ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Sitzungsprotokolle Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 und 3 ArbGG).

Entscheidungsgründe

A.

45

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

I.

46

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt sowie begründet worden (§ 64 Abs. 1, 2 und 6, § 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 519 Abs. 1 und 2, § 520 Abs. 1 und 3, § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

II.

47

Die Berufung des Klägers ist unbegründet, weil die hinsichtlich des Feststellungsantrages zulässige Klage unbegründet ist.

48

Die Tarifverträge für den Einzelhandel in Hamburg sind auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht in ihrer „jeweils geltenden Fassung“ anwendbar und die Beklagte ist nicht verpflichtet, an den Kläger ein Tarifgehalt der Gruppe GB 3 nach 5 Berufsjahren des Entgelttarifvertrages für den Einzelhandel des Landes Hamburgs „in der jeweils gültigen Fassung“ zu zahlen. Der Feststellungsantrag ist unbegründet, weil ab dem 2. Dezember 2016, d.h. dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zukunftstarifvertrages, dieser auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sowohl normativ als auch aufgrund einzelvertraglicher Verweisung Anwendung findet. Die in Ziff. A.III.1. und 2. des Zukunftstarifvertrages festgelegten Entgeltregelungen sind für das Arbeitsverhältnis derzeit maßgebend, nicht jedoch ein (Flächen-) „Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel des Landes Hamburgs“. Dementsprechend besteht nur ein Anspruch auf Tarifentgelt gemäß Tarifabschluss für die Tarifjahre 2011 bis 2013 (s. Ziffer A.III.1. Zukunftstarifvertrag), weshalb derzeit der zwischen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem Landesverband des Hamburger Einzelhandels e.V. geschlossene Gehaltstarifvertrag in der zur Zeit des Verbandsaustritts der Beklagten im Jahr 2013 geltenden Fassung Anwendung findet.

49

Dies hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Das weitere Vorbringen der Parteien in der Berufungsinstanz rechtfertigt kein anderes Ergebnis.

50

1. Der Zukunftstarifvertrag findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.

51

a) Er findet ab dem 2. Dezember 2016 gem. § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Die normative Geltung dieses Firmentarifvertrags ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger als Mitglied der vertragschließenden Gewerkschaft und die Beklagte als Partei des Tarifvertrages jeweils gemäß § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden sind.

52

b) Der Zukunftstarifvertrag findet zudem auch aufgrund arbeitsvertraglicher Verweisung gemäß Ziffer 14 des Anstellungsvertrages vom 14. September 2004 auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.

53

Die Verweisungsklausel in Ziffer 14 des Anstellungsvertrags vom 14. September 2004 umfasst den Zukunftstarifvertrag. Zwar verweist der Anstellungsvertrag danach nur auf die „Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels“, d.h. die Verbandstarifverträge. Die Auslegung der Verweisungsklausel ergibt aber, dass auch für den Betrieb geltende Firmentarifverträge für das Arbeitsverhältnis maßgebend sein sollen.

54

Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, aber zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2005 – 10 AZR 296/05 –, Rn. 15, juris). Bei der nach §§ 133, 157 BGB gebotenen Erforschung des wirklichen Willens der Vertragsparteien ist aber deren typische Interessenlage zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber will – für den Arbeitnehmer erkennbar – durch eine arbeitsvertragliche Verweisungsklausel die fachlich und betrieblich einschlägigen Tarifverträge in Bezug nehmen. Zu diesen gehört insbesondere ein vom Arbeitgeber abgeschlossener Firmentarifvertrag. Auch aus einem ausdrücklichen – wegen § 77 Abs. 4 BetrVG an sich überflüssigen – Hinweis auf die Geltung etwaiger Betriebsvereinbarungen ergibt sich, dass es dem Arbeitgeber gerade auf die Vereinbarung der für das Unternehmen und den Betrieb einschlägigen Rechtsnormen ankam (ebenso: BAG, Urteil vom 23. März 2005 – 4 AZR 203/04 –, Rn. 25, juris). Dazu gehört auch ein vom Arbeitgeber zur vorübergehenden Abänderung von Flächentarifverträgen abgeschlossener Haustarifvertrag (BAG, Urteil vom 23. Januar 2008 – 4 AZR 602/06 –, Rn. 24, juris).

55

Auch vorliegend ergab sich aus dem ausdrücklichen – wegen § 77 Abs. 4 BetrVG an sich überflüssigen – Hinweis in Ziffer 14 des Anstellungsvertrags vom 14. September 2004 auf die Geltung der Gesamtbetriebsvereinbarungen des Arbeitgebers sowie der Betriebsordnung, dass es der Beklagten (bzw. deren Rechtsvorgängerin) gerade auf die Vereinbarung der für das Unternehmen und den Betrieb einschlägigen Rechtsnormen ankam.

56

Soweit der Kläger mit der Berufung einwendet, eine solche Auslegung berücksichtige nicht oder nicht hinreichend die Interessen des Arbeitnehmers, der im Regelfall an Interesse daran habe, dass der für ihn persönlich günstigste Tarifvertrag zur Anwendung komme, wobei zumindest in einem Stadtstaat der Anwendbarkeit eines Flächentarifvertrages für den Arbeitnehmer entscheidende Bedeutung zukomme, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Auch der Kläger wollte sich an die Tarifverträge binden, die von der Beklagten (bzw. deren Rechtsvorgängerin) als Tarifvertragspartei oder Mitglied einer Tarifvertragspartei mit einer bestimmten Gewerkschaft abgeschlossen werden, auch in ihrer noch unbestimmten zukünftigen Fassung. Dafür, dass dies nach dem Willen der Parteien nur dann gelten sollte, wenn es sich dabei um Flächentarifverträge handelt, fehlt es an jedem Anhaltspunkt. Im Übrigen kann auch nicht im Einzelfall ohne weiteres festgestellt werden, ob ein Flächentarifvertrag mit einer branchenüblichen Vergütung in jedem Falle gegenüber einem Haustarifvertrag, der zwar ein geringeres Entgeltniveau enthält, dafür aber im Gegenzug Regelungen zu einer Standort- und Beschäftigungssicherung enthält, überhaupt eine günstigere Regelung darstellt, und deshalb in jedem Falle (nur) die Anwendung eines Flächentarifvertrages vom Arbeitnehmer gewollt war.

57

Der arbeitsvertragliche Verweis auf Gesamtbetriebsvereinbarungen und die Betriebsordnung lässt auch nicht den Umkehrschluss zu, dass es der Arbeitgeberin auf tariflicher Ebene der Beklagten nur auf die Geltung des Flächentarifvertrages angekommen sei. Vielmehr liegt bereits nach dem Wortlaut näher, dass möglichst für das Unternehmen bzw. den Betrieb (und auch die Arbeitnehmer) „maßgeschneiderte“ kollektive Regelungen Vorrang haben sollen.

58

2. Die individualrechtlich im Arbeitsvertrag der Parteien (auch) in Bezug genommenen Regelungen eines Flächenentgelttarifvertrages des Hamburger Einzelhandels (vom Kläger bezeichnet als „Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel des Landes Hamburgs“, gemeint wohl der zwischen dem Handelsverband Nord e.V. und der ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft geschlossene „Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel im Bundesland Hamburg“) in der jeweils geltenden Fassung setzen sich auch nicht nach dem tarifrechtlichen Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG gegenüber dem kraft § 4 Abs. 1 TVG normativ geltenden und ebenfalls aufgrund arbeitsvertraglicher Verweisung auf das Arbeitsverhältnis einwirkenden Zukunftstarifvertrag durch.

59

a) Stellt man darauf ab, dass sowohl der Zukunftstarifvertrag, als auch ein (Flächen-) Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel kraft arbeitsvertraglicher Verweisung gelten, da die Verweisungsklausel in Ziffer 14 des Arbeitsvertrages beide tariflichen Regelungen umfasst (s.o. A.II.1.b)), gilt der Grundsatz, dass sich bei einer Verweisung auf mehrere Tarifverträge die speziellere Regelung durchsetzt und die allgemeinere Regelung verdrängt (BAG, Urteil vom 23. Januar 2008 – 4 AZR 602/08 –, Rn. 28-30, juris).

60

Die speziellere Regelung ist hier der Zukunftstarifvertrag. Diese Regelung steht dem Betrieb und dem Unternehmen betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten. Soweit der Kläger einwendet, ein auf das Bundesland Hamburg begrenzter Flächentarifvertrag stehe aber räumlich näher als der bundesweite Zukunftstarifvertrag, führt dies zu keinem anderen Ergebnis, da auch der Zukunftstarifvertrag Regelungen nicht unabhängig von einer regionalen Situation (z.B. Berücksichtigung regionaler Lebenshaltungskosten) trifft, sondern durch die Festschreibung der Fortgeltung regionaler Tarifverträge – wenngleich auf dem Tarifniveau von 2013 – die regionale Unterschiede berücksichtigt.

61

Zu berücksichtigen ist, dass Firmentarifverträge gegenüber Verbandstarifverträgen regelmäßig die speziellere Regelung darstellen und, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hinweist, dass der Zukunftstarifvertrag ein auf die Situation der Beklagten „maßgeschneiderter“ Firmentarifvertrag ist, der mit der gleichen Gewerkschaft geschlossen wurde. Würde man der Rechtsauffassung des Klägers folgen, würde dies im Ergebnis bedeuten, dass – wie hier bei einer generellen Verweisung auf Tarifverträge – von vornherein nie die Möglichkeit bestünde, die Geltung der Regelungen eines Verbandstarifvertrags durch den Abschluss eines Firmentarifvertrags anzupassen.

62

b) Stellt man darauf ab, dass der Zukunftstarifvertrag gemäß § 4 Abs. 1 TVG normativ gilt und ein (Flächen-)Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel kraft arbeitsvertraglicher Verweisung, ergibt sich nichts anderes.

63

Zwar ist in einer solchen Konstellation das Günstigkeitsprinzip nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Es geht insoweit nicht um die Konkurrenz zweier Tarifverträge, sondern um die Konkurrenz einer arbeitsvertraglichen Regelung mit einem (auch) normativ wirkenden Tarifvertrag. Dies ist kein Fall der Tarifkonkurrenz zweier Normenverträge. Vielmehr wird das Verhältnis der arbeitsvertraglichen Regelung zu der normativ wirkenden tariflichen durch § 4 Abs. 3 TVG bestimmt (BAG, Urteil vom 29. August 2007 – 4 AZR 767/06 –, Rn. 20, juris, unter Aufgabe der diesbezüglich noch anderen früheren Rechtsauffassung, zuletzt im Urteil vom 23. März 2005 - 4 AZR 203/04 - BAGE 114, 186, 191 f.).

64

Allerdings bleibt es auch insoweit dabei, dass die arbeitsvertragliche Regelung des Klägers nicht günstiger ist als der (auch) normativ wirkende Zukunftstarifvertrag, weil auch nach dem Arbeitsvertrag der Zukunftstarifvertrag anzuwenden ist (s.o. A.II.1.b)).

III.

65

Soweit das Arbeitsgericht im Tenor des Urteils vom 19. Juli 2017 zu Gunsten des Klägers nicht auch die beantragte Verzugspauschale gemäß § 288 Abs. 5 BGB tenoriert hat, geht das Berufungsgericht davon aus, dass dies nicht Gegenstand der Berufung des Klägers ist. Unabhängig von der Frage, ob es sich insoweit um eine Unrichtigkeit des erstinstanzlichen Urteils iSd. § 319 ZPO handeln könnte, zumal das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen zu Ziffer II.1.c. Ausführungen zur Begründetheit einer solchen Pauschale gemacht hat, wendet sich der Kläger nicht gegen eine etwaige diesbezügliche (Teil-) Abweisung seines Zahlungsantrages. Zwar hat der Kläger in der Berufungsinstanz beantragt, „insgesamt nach den klägerischen Schlussanträgen erster Instanz zu entscheiden“. In seiner Berufungsbegründung sowie in seiner Berufungsbeantwortung auf die Berufung der Beklagten geht der Kläger jedoch mit keinem Wort auf eine Teilabweisung des Klagantrages zu 1) ein und wendet sich erkennbar nur gegen die zu seinen Lasten ergangene Abweisung des Feststellungsantrages und verteidigt das Urteil hinsichtlich der zu seinen Gunsten tenorierten Zahlungsverpflichtung der Beklagten.

B.

66

Auch die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

I.

67

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt sowie begründet worden (§ 64 Abs. 1, 2 und 6, § 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 519 Abs. 1 und 2, § 520 Abs. 1 und 3, § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

II.

68

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, weil der zulässige Zahlungsantrag des Klägers begründet ist. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger für die Zeit bis zum 1. Dezember 2016 ein Tarifgehalt der Tarifgruppe 3 des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel in seiner jeweils gültigen Fassung zu zahlen.

69

1. Die Auslegung von Ziffern 2, 3 und 14 des Anstellungsvertrags vom 14. September 2004 ergibt, dass eine dynamische Verweisung auf die Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel vereinbart wurde und daher auch nach Verbandsaustritt der Beklagten die Tariflohnerhöhungen in 2013 und den Folgejahren an den Kläger weiterzugeben waren.

70

a) In Ziffer 2 des Arbeitsvertrages und in der dort angeführten Tarifgruppe GB III haben die Parteien keine konstitutive Vereinbarung hinsichtlich einer Eingruppierung des Klägers getroffen, sondern lediglich eine „Wissenserklärung“ im Hinblick auf die damals aus ihrer Sicht zutreffende Tarifgruppe vorgenommen.

71

Daran ändert auch die Bezugnahme auf ein bestimmtes Datum („Tarifgruppe GB III/01.09.1990“) in Ziffer 2 des Arbeitsvertrages vom 14. September 2004 nichts. Die Arbeitsvertragsparteien haben damit unstreitig kein Gehalt auf dem Entgeltniveau zum Stichtag 1. September 1990 festgeschrieben. Vielmehr bezieht sich die Datumsangabe auf ein bestimmtes Vergütungsgruppenverzeichnis, demnach der Kläger in Vergütungsgruppe GB III eingruppiert wurde.

72

b) Die Beklagte signalisiert als Klauselverwenderin durch die zweimaligen Bezugnahmen in Ziffer 2 des Vertrages auf tarifliche Regelungen, dass sie nach Tarif vergüte. Einerseits wird in Ziffer 2 des Arbeitsvertrages die individuelle Arbeitszeit des Klägers von 163 Stunden monatlich mit der „tariflichen Monatsarbeitszeit“ ins Verhältnis gesetzt und darüber hinaus die „Tarifgruppe GB III“ genannt.

73

Die Berufung der Beklagten berücksichtigt auch nicht hinreichend, dass für die Frage, ob eine dynamische tarifliche Vergütung vereinbart wurde, auch Ziffer 3 des Arbeitsvertrages maßgebend ist. In dieser Ziffer sind ausdrücklich mehrfach „die tariflichen Ansprüche“, außerdem außertarifliche Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen angeführt.

74

Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf eine solche Bezugnahme auf tarifliche Ansprüche und die Verknüpfung von individueller Arbeitszeit mit tariflicher Monatsarbeitszeit und eines bezifferten Euro-Betrages mit einer Tarifgruppe redlicherweise so verstehen, dass der in der Ziffer 2 genannte Euro-Betrag nicht statisch festgelegt, sondern sich entsprechend der Tariferhöhungen entwickeln soll. Umgekehrt würde ein redlicher Arbeitgeber, wenn er die von ihm gestellten Klauseln nicht so verstanden wissen wollte, die Bezugnahme auf tarifliche Ansprüche unterlassen und deutlich zum Ausdruck bringen, dass er nicht „nach Tarif“ zahlen will (ebenso: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2015 – 3 Sa 1835/14 –, Rn. 38, juris m.w.N.).

75

Dass in Ziffer 9 des Arbeitsvertrages vom 14. September 2004 bezogen auf Urlaubsansprüche eine andere Formulierung der tariflichen Inbezugnahme verwendet wurde, führt nicht dazu, dass ein durchschnittlicher Arbeitnehmer darf die Bezugnahme auf tarifliche Vergütungsansprüche, die sich aus Ziffern 2, 3 und 14 des Arbeitsvertrages vom 14. September 2004 ergibt, anders verstehen müsste. Aus der Verwendung nur unterschiedlicher Formulierungen der Bezugnahme ergibt sich nicht, dass eine dynamische Bezugnahme hinsichtlich der Vergütung des Klägers ausgeschlossen sein sollte.

76

c) Wie das Arbeitsgericht weiter zutreffend ausführt, rechtfertigt sich ein anderes Ergebnis auch nicht im Hinblick auf Ziffer 14 Satz 2 des Arbeitsvertrages, in dem einleitend „im Übrigen“ auf die Tarifverträge verwiesen wird. Erkennbar handelt es sich bei der Formulierung „im Übrigen“ lediglich um eine Verknüpfung zum vorausgehenden Satz und nicht um eine Einschränkung dahin, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge lediglich insoweit gelten sollen, als der Vertrag keine Regelungen enthält. Dagegen spricht bereits - wie ausgeführt - die Wortwahl in Ziffer 2 und 3 des Vertrages, die ihrerseits bereits eine dynamische Bezugnahme enthalten. Im Übrigen gilt auch hier, dass ein redlicher Arbeitgeber, wenn er die von ihm gestellte Klausel (in Ziffer 14 Satz 2) nicht als konstitutive dynamische Bezugnahme verstanden wissen wollte, die Bezugnahme auf die Tarifverträge unterlassen hätte.

77

d) Auch ist zu berücksichtigen, dass die in Formulararbeitsverträgen gewählte Formulierung „gelten die Tarifverträge XV in ihrer jeweiligen Fassung“ nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine konstitutive dynamische Verweisung auf die genannten Tarifverträge darstellt. Dies gilt jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in dem die vertragliche Klausel in einem „Neuvertrag“ enthalten ist, der nach dem 1. Januar 2002 abgeschlossen wurde und die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist zahlen will (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2015 – 3 Sa 1835/14 –, Rn. 38, juris).

78

Tatsächlich hätte es nach alledem an der Beklagten gelegen, bei dem Abschluss des Arbeitsvertrags vom 14. September 2004 eine dynamische Verweisung, sofern diese nicht gewollt war, ausdrücklich und für jedermann unmissverständlich auszuschließen.

79

Insoweit ergibt sich auch kein anderer Prüfungsmaßstab, weil die Parteien schon vor dem 1. Januar 2002 ein ähnlich lautender Arbeitsvertrag (vgl. Anlage B 3.) verband. Bei Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind („Altverträge“), kommt es bei einer Vertragsänderung nach dem 1. Januar 2002 für die Beurteilung, ob es sich hinsichtlich der Auslegung dieser Klausel um einen Neu- oder Altvertrag handelt, darauf an, ob die Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist (BAG, Urteil vom 18. November 2009 – 4 AZR 514/08 –, BAGE 132, 261-267, Rn. 23). Vorliegend haben die Arbeitsvertragsparteien jedoch nach dem 1. Januar 2002 nicht nur einzelne Vertragsbedingungen i.S.e. Änderungsvertrages geändert, sondern ihre Rechtsbeziehung mit dem Arbeitsvertrag vom 14. September 2004 auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Dabei ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Regelungen, die insgesamt unter dem 14. September 2004 beidseits unterzeichnet worden sind, auch Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung waren. Es kann nämlich nicht unterstellt werden, dass sich Vertragsparteien vor Unterzeichnung eines neuen vollständig abgefassten Arbeitsvertrages keine Gedanken über den gesamten aufgeführten Inhalt machen. Vielmehr ist umgekehrt ohne Hinzutreten weiterer Umstände davon auszugehen, dass alle Klauseln auch Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung waren.

80

e) Nach alledem ergab sich nicht, dass die Arbeitsvertragsparteien in Ziffer 2 des Vertrags vom 14. September 2004 nur eine eigenständige, feststehende arbeitsvertragliche Vereinbarung zur Lohnhöhe getroffen haben. Vielmehr haben sie dort schlicht die tarifliche Vergütung niedergeschrieben, die dann auch im Fall des Klägers mit Blick auf Ziffer 14 des Anstellungsvertrags und dem Verweis („im Übrigen“) u.a. auf den Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel „in der jeweils gültigen Fassung“ entsprechend den von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Lohnerhöhungen jedenfalls bis zum 1. Dezember 2016 zu erhöhen war.

81

2. Für die Monate April bis einschließlich November 2016 ergibt sich daraus ein Anspruch des Klägers auf Differenzvergütung einschließlich höherer Jahressonderzahlung und höherer Zahlungen für Sonntagsöffnungszeiten in Höhe von EUR 2.350,25 brutto. Die Vergütungsansprüche, die nicht bereits durch Erfüllung erloschen sind, sind der Höhe nach mit EUR 2.350,25 brutto zwischen den Parteien unstreitig.

82

Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.

C.

I.

83

Gemäß § 97 Abs. 1 ZPO fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels der Partei zur Last, die es eingelegt hat. Beide Parteien haben ohne Erfolg Berufung eingelegt. Bleiben – wie hier – die Rechtsmittel beider Parteien erfolglos, sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach § 92 Abs. 1 ZPO zu quoteln (vgl. Flockenhaus in: Musielak/Voit, ZPO 14. Aufl., § 97 Rn 6 ).

II.

84

Gegen dieses Urteil ist die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zuzulassen, weil ein erforderlicher Zulassungsgrund nicht ersichtlich ist (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ArbGG).

Tenor

I. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 30. November 2011 - 5 Sa 49/10 - wird zurückgewiesen.

II. Auf die Revision des Klägers wird unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 30. November 2011 - 5 Sa 49/10 - auf die Berufung des Klägers unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 4. Mai 2010 - 21 Ca 35/10 - die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 675,73 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 116,00 Euro seit dem 1. November 2008, 1. Dezember 2008, 1. Januar 2009, 1. Februar 2009 und 1. März 2009 sowie aus 95,73 Euro seit dem 1. April 2009 zu zahlen.

III. Im Übrigen werden die Berufung und die Revision des Klägers zurückgewiesen.

IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Auslegung einer einzelvertraglichen Vergütungsabrede.

2

Der 1979 geborene Kläger ist seit August 2003 bei der Beklagten, die mit Schreibwaren und Kommunikationsartikeln handelt, in H als Verkäufer beschäftigt, zunächst in Teilzeit mit jahresdurchschnittlich 25 Wochenstunden, ab Juli 2004 in Vollzeit mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 37,5 Wochenstunden. Seither erhält der Kläger eine Vergütung von 1.458,00 Euro brutto monatlich.

3

Zur Vergütung heißt es im Anstellungsvertrag vom 1. August 2003:

        

„3.2   

In Anlehnung an den Tarifvertrag erhält der Mitarbeiter ein Bruttogehalt von

                 

Tarifentgelt:

954,75

                 

Übertarifliche Zulage:

0,00   

                 

Monatsentgelt insgesamt:

954,75.

        

3.3     

Das Monatsentgelt wird jeweils nachträglich am Monatsende gezahlt. Die Zahlung erfolgt bargeldlos.“

4

Der Betrag von 954,75 Euro entsprach zum damaligen Zeitpunkt 25/37,5 des Tarifgehalts nach der Gehaltsgruppe 2a, 1. und 2. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel.

5

Die Vergütungsregelung in der Fassung der von der Beklagten vorformulierten Vertragsänderung vom 16. Juli 2004 (fortan: Vertragsänderung) lautet:

        

„3.2   

Für seine Tätigkeit erhält der Mitarbeiter ein monatliches Bruttogehalt von

                 

Tarifentgelt:

€ 1.458,00

                 

Übertarifliche Zulage:

€ 0,00

                 

Monatsentgelt insgesamt:

€ 1.458,00“

6

Der Betrag von 1.458,00 Euro entsprach dem seinerzeitigen Entgelt nach der Gehaltsgruppe 2a, 1. und 2. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel.

7

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger zuletzt für den Zeitraum Oktober 2008 bis März 2009 die Differenz zwischen der von der Beklagten gezahlten Vergütung und dem nach dem Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel vom 12. September 2008 in Gehaltsgruppe 2a nach dem 5. Berufsjahr vorgesehenen Betrag von 2.066,00 Euro brutto verlangt und die Auffassung vertreten, die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede enthalte eine dynamische Bezugnahme auf den einschlägigen Gehaltstarifvertrag.

8

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.648,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Vergütungsabrede der Parteien sei nicht dynamisch ausgestaltet.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage nach ergebnisloser Durchführung eines Mediationsverfahrens iHv. 2.952,00 Euro brutto nebst Zinsen stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Zahlungsantrag weiter, die Beklagte begehrt die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist unbegründet, die des Klägers im Wesentlichen begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung mit dem nach der Gehaltsgruppe 2a nach dem 5. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel vom 12. September 2008 (im Folgenden: GTV) vorgesehenen Betrag. Das ergibt die Auslegung der Vergütungsabrede der Parteien.

12

I. Die für den Streitzeitraum maßgebende Vergütungsabrede in der Fassung der Vertragsänderung ist nicht eindeutig. Die Verknüpfung eines festen Euro-Betrags mit dem Begriff „Tarifentgelt“ lässt mehrere Deutungen zu. Es könnte damit ein fester und statischer Euro-Betrag vereinbart sein. Der Bezeichnung „Tarifentgelt“ käme nur die Funktion eines Hinweises darauf zu, wie der in der Vereinbarung festgehaltene Euro-Betrag gefunden wurde. Die Verknüpfung von festem Euro-Betrag mit der Bezeichnung „Tarifentgelt“ kann aber - ohne dass es auf die von der Beklagten vermisste Bezugnahme auf einen Tarifvertrag in dessen Gänze und jeweiligen Fassung ankäme - auch bedeuten, es solle zwar ein bestimmter Euro-Betrag vereinbart, dieser aber dynamisch gestaltet sein. Dabei sind verschiedene Arten der Dynamisierung denkbar, etwa eine Erhöhung des in der Vergütungsabrede festgehaltenen Euro-Betrags entsprechend den einschlägigen jeweiligen Tariferhöhungen oder die Vereinbarung einer Vergütung nach einer bestimmten tariflichen Vergütungsgruppe und damit eine Dynamik innerhalb und außerhalb der Vergütungsgruppe.

13

II. Die Auslegung der Vergütungsabrede ergibt, dass in Ziff. 3.2 Arbeitsvertrag in der Fassung der Vertragsänderung eine Vergütung nach der Gehaltsgruppe 2a des jeweils geltenden Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel vereinbart ist.

14

1. Die Vergütungsabrede ist wie eine Allgemeine Geschäftsbedingung anhand von § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen. Die Beklagte hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sowohl den Arbeitsvertrag als auch die Vertragsänderung vorformuliert, dem Kläger in dieser Form angeboten und damit im Rechtssinne gestellt. Ob es sich dabei um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen handelte (§ 305 Abs. 1 BGB), bedarf keiner weiteren Aufklärung, denn der Arbeitsvertrag ist ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB(vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 20 ff., AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10; 27. Juni 2012 - 5 AZR 530/11 - Rn. 14, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 14). Auf die vorformulierte Vergütungsregelung konnte der Kläger keinen Einfluss nehmen.

15

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei unterliegt die Auslegung der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (st. Rspr., vgl. BAG 14. Dezember 2011 - 5 AZR 457/10 - Rn. 14 mwN, EzA TzBfG § 4 Nr. 22; 17. Oktober 2012 - 5 AZR 697/11 - Rn. 15).

16

2. Danach beschränkt sich die Vergütungsabrede nicht auf die Vereinbarung eines festen und statischen Euro-Betrags, sondern enthält zumindest eine Dynamik entsprechend den Tariferhöhungen für den Hamburger Einzelhandel.

17

a) Nach dem Wortlaut der Klausel erhält der Mitarbeiter nicht nur einen festen Euro-Betrag, vielmehr soll dieser ein „Tarifentgelt“ sein. Damit sendet die Beklagte entgegen ihrer Auffassung nicht nur ein Signal, sie zahle ein „seinerzeit marktübliches“ Gehalt. Vielmehr verdeutlicht die Beklagte als Klauselverwenderin - zumal sie in der Klausel zwischen Tarifentgelt und übertariflicher Zulage differenziert -, sie vergüte „nach Tarif“. Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf eine derartige Verknüpfung von festem Euro-Betrag und dessen Bezeichnung als Tarifentgelt redlicherweise so verstehen, dass der in der Klausel festgehaltene Euro-Betrag nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern sich entsprechend den Tariferhöhungen entwickeln soll. Ein redlicher Arbeitgeber würde - wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte - die Bezeichnung als Tarifentgelt unterlassen, um klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), dass er nicht „nach Tarif“ zahlt und sich das vereinbarte Gehalt nur durch Parteivereinbarung erhöhen wird.

18

Die in der ursprünglichen Fassung des Arbeitsvertrags enthaltene Formulierung „in Anlehnung an den Tarifvertrag“ enthält keine Einschränkung, sondern verdeutlicht nur zusätzlich, dass die Beklagte als nicht tarifgebundene Arbeitgeberin auf ein intern von ihr praktiziertes System verweist (vgl. BAG 17. November 2011 - 5 AZR 409/10 - Rn. 16 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 96).

19

b) Auch wenn die Klausel nicht angibt, welches Tarifentgelt der Arbeitnehmer erhalten soll, darf dieser redlicherweise annehmen, es solle das Tarifentgelt des für den Betrieb des Arbeitgebers räumlich und fachlich sowie für den Arbeitnehmer persönlich einschlägigen Tarifvertrags vereinbart sein, und zwar nach der Entgeltgruppe, der der in der Klausel festgehaltene Euro-Betrag zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspricht. Das war unstreitig das Tarifentgelt nach der Gehaltsgruppe 2a, 1. und 2. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel in der damals geltenden Fassung vom 17. Juli 2003.

20

3. Mit der Vergütungsabrede der Parteien wird auch die „Dynamik“ innerhalb der nach verschiedenen Stufen aufgebauten Gehaltsgruppe 2a nachvollzogen.

21

a) Dagegen spricht zwar, dass die Vergütungsabrede der Parteien - anders etwa als die der Entscheidung des Senats vom 9. November 2005 (- 5 AZR 128/05 - Rn. 2, BAGE 116, 185) zugrunde liegende Klausel - weder eine bestimmte Gehaltsgruppe, noch eine bestimmte Stufe innerhalb einer Gehaltsgruppe nennt. Der Kläger hat auch keinen Sachvortrag zu einer seine Auslegung stützenden Vergütungspraxis der Beklagten gehalten. Ersichtlich hat diese jedenfalls bei ihm die Stufung innerhalb der Gehaltsgruppe 2a GTV nicht nachvollzogen. Überdies ist weder vorgetragen noch festgestellt, die „Einstufung“ sei zutreffend gewesen, weil der Kläger sich bei der Einstellung trotz eines Alters von fast 24 Jahren im 1. oder 2. Berufsjahr befunden hätte.

22

b) Für die Vereinbarung einer Dynamik auch innerhalb einer bestimmten Vergütungsgruppe spricht aber, dass die Beklagte mit ihrer Klausel nicht auf irgendein Tarifentgelt, sondern zumindest auf die nach ihren fachlichen Anforderungen (Angestellte mit einfacher Tätigkeit, Beispiel Verkäufer/innen, auch wenn sie kassieren) zutreffende Gehaltsgruppe zurückgegriffen und mit der Klauselformulierung insgesamt den Eindruck erweckt hat, „nach Tarif“ zahlen zu wollen.

23

c) Beide Auslegungsmöglichkeiten sind rechtlich vertretbar, keine verdient den eindeutigen Vorzug. Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB führt deshalb zu einer Auslegung zu Lasten der Beklagten(vgl. BAG 9. November 2005 - 5 AZR 128/05 - Rn. 22 mwN, BAGE 116, 185; 19. März 2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 29, BAGE 126, 198).

24

III. Die Höhe der monatlichen Vergütungsdifferenz hat der Kläger zutreffend berechnet, allerdings bei der Klageforderung seine ab dem 16. Februar 2009 über den Streitzeitraum hinaus andauernde Arbeitsunfähigkeit außer Betracht gelassen.

25

1. Das Monatsgehalt nach Gehaltsgruppe 2a nach dem 5. Berufsjahr GTV betrug im Streitzeitraum 2.066,00 Euro brutto. Zu den von der Beklagten gezahlten 1.458,00 Euro brutto verbleibt eine Differenz von 608,00 Euro brutto monatlich. In dieser Höhe hat die Beklagte den Vergütungsanspruch des Klägers aus § 611 Abs. 1 BGB bzw. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EFZG nicht erfüllt.

26

2. Jedoch kann der Kläger für den Monat März 2009 nicht die volle Differenz verlangen. Er war unstreitig seit dem 16. Februar 2009 arbeitsunfähig krank und bezog seit dem 30. März 2009 keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle mehr. Der Kläger hat deshalb für den Monat März 2009 nur 29/30 der Vergütungsdifferenz, mithin 587,73 Euro brutto zu beanspruchen (zur Berechnungsmethode siehe BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 22 ff., EzA BGB 2002 § 615 Nr. 37). In Höhe der Differenz von 20,27 Euro brutto ist die Klage unbegründet.

27

IV. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 in Verb. mit § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Das Monatsentgelt wurde nach Ziff. 3.3 Arbeitsvertrag in Übereinstimmung mit § 64 HGB am letzten Tag eines jeden Monats fällig.

28

V. Die Beklagte hat gemäß § 92 Abs. 2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Buschmann    

        

    Jungbluth    

                 

(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist.

(2) Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist.

(3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 14. März 2012 - 4 Sa 12/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträge und sich daraus ergebende Vergütungsansprüche des Klägers.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten, die keinem Arbeitgeberverband angehört, seit Oktober 1995 als kaufmännischer Angestellter gegen ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt 3.663,91 Euro tätig. Im schriftlichen Arbeitsvertrag aus dem Monat Oktober 1995 ist ua. geregelt:

        

„Als Vergütung für Ihre Tätigkeit erhalten Sie ein am letzten Arbeitstag jeden Monats zahlbares Bruttogehalt nach Tarifgruppe 5/4 in Höhe von DM 5.400.-- …

        

Tarifgehalt

Leistungszulage

Außertarifl. Zulage

Gesamtsumme

        

DM 4848.--

        

552.--

DM 5400.--

        

Die nach 3 Monaten auszuweisende Leistungszulage ist bereits in der AT-Zulage enthalten.

        

Wir sind berechtigt, die Leistungszulage zu kündigen oder bei einer Einstufung in eine andere Tarifgruppe neu festzulegen und die außertarifliche Zulage jederzeit ganz bzw. teilweise zu widerrufen oder bei einer Neufestsetzung Ihrer Bezüge ganz bzw. teilweise aufzurechnen.“

3

In den von den Parteien gleichfalls im Oktober 1995 unterzeichneten „Allgemeinen Vertragsbedingungen“ wird hinsichtlich des Urlaubs und der Kündigungsfristen während der Probezeit auf den „geltenden Tarifvertrag“ verwiesen. Für die Arbeitszeit sind demgegenüber die „nach den gesetzlichen und jeweils geltenden betrieblichen Bestimmungen“ maßgebend und nach Ablauf der Probezeit sollen die „gesetzlichen Kündigungsfristen“ gelten. Die weiteren vertraglichen Bestimmungen enthalten keine Verweisungen auf andere Regelungen.

4

Bereits vor Abschluss des Arbeitsvertrags mit dem Kläger hatte die Beklagte mit der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) einen zum 1. Juli 1995 in Kraft getretenen „Werktarifvertrag (Anerkennungstarifvertrag)“ (nachfolgend: Anerkennungstarifvertrag) geschlossen. In diesem wird auf sieben, im Einzelnen aufgeführte Verbandstarifverträge der bayerischen Metallindustrie, ua. den Manteltarifvertrag für die Angestellten der bayerischen Metallindustrie (idF vom 1. April 1994) verwiesen. Sodann lautet der Anerkennungstarifvertrag wie folgt:

        

„II.   

        

Abweichend von diesen Bestimmungen gilt folgendes:

        

1.    

Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütung

        

1.1.   

Die Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütung von Stand 31.12.94 werden in 1995 wie folgt erhöht:

                 

-       

Bei einem Einkommen bis 5000.-- DM brutto im Monat erfolgt eine Erhöhung von 150.-- DM monatlich ab 01.07.95.

                 

-       

Bei einem Einkommen über 5000.-- DM brutto im Monat erfolgt eine Erhöhung von 150.-- DM monatlich ab 01.10.95.

                 

-       

Die Ausbildungsvergütung beträgt monatlich …

        

1.2.   

Die Lohn-, Gehalts- und Ausbildungstabellen in der Fassung vom 01.11.95, die zwischen IG Metall und dem Verein der Bayer. Metallindustrie am 07.03.95 vereinbart wurden, gelten ab 01.01.96 für die Beschäftigten der Firma Generalelektronik GmbH Magdeburg, Zweigniederlassung Müller und Weigert, Nürnberg.

                 

Beide Parteien vereinbaren eine Laufzeit bis 31.12.96. Sie kann mit einer Frist von einem Monat, erstmals zum 31.12.96 gekündigt werden.

                 

Wenn sich das bereits negativ geplante operative Ergebnis noch um 10 % bis 31.12.95 verschlechtert, verpflichten sich die Parteien über die Löhne und Gehälter für 1996 neu zu verhandeln.

                 

…       

        

2.    

Teil des 13. Monatseinkommens

                 

Für das Jahr 1995 erhalten die Beschäftigten den gleichen Prozentsatz wie 1994.

                 

Ab 1996 gilt die Regelung des Tarifvertrages der Bayer. Metallindustrie.

        

3.    

Die Arbeitszeit aller Beschäftigten wird ab 01.10.96 auf 35 Stunden verkürzt, nach den Regelungen, die für die Bayer. Metallindustrie gelten.

        

III.   

        

Die in diesen Tarifverträgen geltenden Kündigungsfristen und Termine sowie ausgesprochenen Kündigungen gelten auch zwischen den Parteien dieses Anerkennungstarifvertrages.

        

Forderungen, die zu den in Bezug genommenen Tarifverträgen gestellt werden, gelten auch gegenüber der jeweiligen Partei dieses Tarifvertrages als gestellt.

        

Arbeitskampffreiheit und Friedenspflicht regeln sich so, als wäre die Firma Mitglied des Arbeitgeberverbandes, der die in Bezug genommenen Tarifverträge abgeschlossen hat.

        

Zwischen den Parteien finden ebenfalls alle Abmachungen, Abkommen, Zusatzabkommen und Änderungsverträge Anwendung, die zwischen den Parteien der mit diesem Vertrag in Bezug genommenen Tarifverträge abgeschlossen werden.

        

Dies gilt auch hinsichtlich des Inkrafttretens neuer Tarifbestimmungen, die anstelle der in Bezug genommenen Tarifverträge bzw. Tarifbestimmungen treten. Die in Bezug genommenen Tarifverträge bzw. -abkommen oder -vereinbarungen gelten in der jeweils gültigen Fassung und mit dem jeweils gültigen Rechtsstatus.“

5

Mit „Zusatztarifvertrag“ vom 14. Januar 1997 wurde - neben Änderungen der Wochenarbeitszeit und des anteiligen 13. Monatseinkommens - auf den Lohn- und Gehaltstarifvertrag der bayerischen Metallindustrie vom 12. Dezember 1996 verwiesen. In einem weiterem „Zusatztarifvertrag“ (vom 1. Oktober 1998) wird die „kommende Lohn-Gehaltserhöhung 1999“ ungekürzt weitergegeben, aber auf die zu leistende Sonderzahlung, die für dasselbe Jahr um die Hälfte gekürzt wurde, angerechnet. Ab 1. Januar 2000 sollten alle tariflichen Bestimmungen wieder uneingeschränkt gelten.

6

Die Beklagte kündigte im September 2001 sämtliche von ihr mit der IG Metall vereinbarten Tarifverträge fristgerecht zum 31. Dezember 2001. Die in der Folgezeit durch die Verbandstarifverträge der bayerischen Metallindustrie vereinbarten Entgelterhöhungen leistete sie nicht.

7

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - für den Zeitraum ab Februar 2008 die Nachzahlung der Differenz zwischen dem ihm geleisteten Entgelt und dem jeweiligen Tarifentgelt der Tarifgruppe 5, 4. Gruppenjahr nach den Vergütungstabellen der bayerischen Metallindustrie nebst den Leistungszulagen geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, die tariflichen Entgeltregelungen der bayerischen Metallindustrie auch für die Zeit nach dem 1. Januar 2002 dynamisch anzuwenden. Der Arbeitsvertrag enthalte eine konstitutive Abrede, die eine dynamische Anwendung der jeweiligen Entgeltregelungen der bayerischen Metallindustrie zur Folge habe. Der arbeitsvertragliche Verweis auf das jeweilige Tarifgehalt, die Tarifgruppe sowie auf die Leistungszulage, die im Verbandstarifvertrag geregelt sei, belegten den Willen der Parteien, die Tarifverträge der bayerischen Metallindustrie dynamisch anzuwenden. Selbst wenn sich das arbeitsvertraglich in Bezug genommene jeweils „geltende Tarifrecht“ auf die von der Beklagten geschlossenen Haustarifverträge beziehe, die er zudem nicht gekannt habe, gelte dies nur für deren Geltungsdauer, danach seien die jeweiligen Verbandstarifverträge wieder maßgebend. Es liege auch keine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats vor. Die Beklagte sei nicht Verbandsmitglied gewesen und habe die Tarifverträge des Verbands nur teilweise in Bezug genommen. Da der Arbeitsvertrag im Übrigen keinen Hinweis auf den Anerkennungstarifvertrag enthalte, sei die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB anzuwenden. Er sei Mitglied der IG Metall und ihm sei es darauf angekommen, nicht schlechter gestellt zu werden als bei seinem bisherigen Arbeitgeber, für den die Verbandstarifverträge aufgrund Mitgliedschaft gegolten hätten.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.531,78 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.192,40 Euro seit dem 1. Januar 2009 und aus weiteren 1.339,38 Euro seit dem 1. März 2009 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, sie sei an die Tarifregelungen der bayerischen Metallindustrie nicht mehr gebunden. Bei der arbeitsvertraglichen Verweisung handele es sich allenfalls um eine sog. Gleichstellungsabrede. Mit Beendigung ihrer eigenen Tarifgebundenheit ab dem 1. Januar 2002 habe gleichzeitig die Dynamik der Bezugnahme geendet. Zudem enthalte der Arbeitsvertrag keinen Verweis auf das Tarifrecht des Verbands. Allenfalls könne der mit ihr vereinbarte Anerkennungstarifvertrag erfasst sein. Die Nennung der Tarifgruppe im Arbeitsvertrag habe nur der Zuweisung in das betriebliche Eingruppierungsschema gedient.

10

Das Arbeitsgericht hat der Klage im noch streitigen Umfang stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Für den geltend gemachten Zahlungsanspruch des Klägers gibt es keine rechtliche Grundlage. Die nach dem 31. Dezember 2001 vereinbarten Tarifentgelterhöhungen in den Flächentarifverträgen der bayerischen Metallindustrie finden im Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.

12

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Entgeltdifferenzen auf Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Dies gilt auch dann, wenn man zu seinen Gunsten und mit dem Landesarbeitsgericht davon ausgeht, die arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütungsregelungen enthielten im Ergebnis eine dynamische Bezugnahme auf die tariflichen Bestimmungen der bayerischen Metallindustrie. Eine Bezugnahmeregelung in den Vergütungsbestimmungen des im Jahre 1995 geschlossenen Arbeitsvertrags ist als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen, die keine von der Tarifgebundenheit der Beklagten unabhängige zeitdynamische Verweisung auf genannte Tarifregelungen in der jeweiligen Fassung zum Inhalt hat. Nach der von der Beklagten erklärten Kündigung sämtlicher Haustarifverträge zum Ablauf des Jahres 2001 galten diese nur noch mit dem zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Regelungsbestand - „statisch“ - fort. Spätere Tariflohnerhöhungen in den Verbandstarifverträgen werden von einer Bezugnahmeregelung nicht mehr erfasst.

13

1. Die Auslegungsregel zu einer Verweisungsklausel als Gleichstellungsabrede nach der früheren Rechtsprechung des Senats ist auch dann anzuwenden, wenn die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an Verbandstarifverträge auf einer dynamischen Verweisung in einem Haustarifvertrag beruht. Ihr steht weder die Bezugnahme auf einen einzelnen Tarifvertrag oder Teile hiervon, noch die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB entgegen.

14

a) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats galt die - widerlegliche - Vermutung, dass es einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum geht, durch die Bezugnahme die nicht organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten hinsichtlich der Geltung des in Bezug genommenen Tarifwerks gleichzustellen. Der Senat ging davon aus, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags zu kommen und damit zu dessen Geltung für alle Beschäftigten. Daraus hat der Senat die Konsequenz gezogen, dass auch ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder in den Begleitumständen bei Vertragsschluss bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge Bezugnahmeklauseln in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen seien. Die Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb einschränkend dahin ausgelegt, dass die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik nur so weit reicht, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reicht, also dann endet, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden ist. Ab diesem Zeitpunkt sind die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden (st. Rspr., siehe nur BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 536/09 - Rn. 17 f. mwN).

15

b) Diese Rechtsprechung hat der Senat für vertragliche Bezugnahmeregelungen, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 vereinbart worden sind, aufgegeben. Er wendet die Auslegungsregel aus Gründen des Vertrauensschutzes jedoch weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (BAG 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 29 ff., BAGE 122, 74; bestätigt durch BVerfG 26. März 2009 - 1 BvR 3564/08 - und 21. April 2009 - 1 BvR 784/09 -).

16

c) Die zu dieser Rechtsfolge führende Auslegungsregel ist auch dann maßgebend, wenn die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers nicht auf dessen Verbandsmitgliedschaft zurückgeht, sondern auf einen zum Zeitpunkt des Arbeitsvertrags geltenden Anerkennungstarifvertrag (st. Rspr., BAG 21. Oktober 2009 - 4 AZR 477/08 - Rn. 19; siehe weiterhin 15. März 2006 - 4 AZR 132/05 - Rn. 30 ff.).

17

d) Der Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahme als sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung steht - anders als dies der Kläger meint - nicht entgegen, dass nicht auf das ganze Tarifwerk, sondern nur auf einen einzelnen Tarifvertrag oder Teile hiervon verwiesen wird. Eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, mit der dynamisch auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk verwiesen wird, dient dem Zweck, die Anwendung der jeweiligen Tarifnormen im Arbeitsverhältnis herbeizuführen, beinhaltet jedoch nicht eine vertragliche Vereinbarung über eine umfassende Behandlung des Arbeitnehmers als Gewerkschaftsmitglied (BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 30, BAGE 130, 43; 9. Mai 2007 - 4 AZR 275/06 - Rn. 28). Die durch die frühere Rechtsprechung des Senats begründete Auslegung einer solchen arbeitsvertraglichen Verweisung als Gleichstellungsabrede setzt ebenso wenig wie die Verweisungsklausel im Allgemeinen besondere Anforderungen an das im Arbeitsvertrag genannte Bezugsobjekt voraus, sondern variiert lediglich die Wirkungsweise der vertraglichen Gestaltung. An die besondere Voraussetzung, dass der Arbeitgeber an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag seinerseits auch normativ gebunden ist, knüpft sie die abweichende und besondere Rechtsfolge des Wegfalls der Dynamik bei Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers. Keine notwendige Bedingung dagegen ist es, dass im Arbeitsvertrag auf sämtliche Tarifverträge verwiesen wird, die für den Arbeitgeber und die bei ihm beschäftigten tarifgebundenen Gewerkschaftsmitglieder normativ gelten. Die Bestimmung des Umfangs der vertraglichen Bezugnahme ist allein Sache der Vertragsparteien (etwa ob eine sog. Tarifwechselklausel vorliegt: BAG 29. August 2007 - 4 AZR 765/06 - Rn. 29).

18

Dementsprechend ist der Senat stets davon ausgegangen, dass eine sog. Gleichstellungsabrede auch dann vorliegen kann, wenn arbeitsvertraglich nur einzelne Regelungsbereiche in Bezug genommen wurden oder tarifvertragliche Bestimmungen lediglich „im Übrigen“ anzuwenden sind und/oder „soweit nicht abweichende arbeitsvertragliche Regelungen bestehen“ (vgl. bspw. BAG 23. Januar 2008 - 4 AZR 602/06 -; 1. Dezember 2004 - 4 AZR 50/04 - BAGE 113, 40; 13. November 2002 - 4 AZR 393/01 - BAGE 103, 364; 16. Oktober 2002 - 4 AZR 467/01 - BAGE 103, 141; 26. September 2001 - 4 AZR 544/00 - BAGE 99, 120).

19

e) Entgegen der Auffassung des Klägers stehen der Auslegung der Verweisungsklausel als Gleichstellungsabrede die §§ 305 ff. BGB nicht entgegen. Die bisherige Rechtsprechung des Senats ist unter Anwendung der seit dem 1. Januar 2002 in § 305c Abs. 2 BGB normierten, jedoch bereits vorher auch für das Arbeitsrecht anerkannten Unklarheitenregelung(zB BAG 17. November 1998 - 9 AZR 584/97 -) davon ausgegangen, dass bei der der Gleichstellung generell zugrunde liegenden soziotypischen Konstellation von als berechtigt anzuerkennenden Zweifeln iSv. § 305c Abs. 2 BGB nicht ausgegangen werden kann(BAG 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - zu I 2 d bb der Gründe, BAGE 105, 284). Die Auslegung einer arbeitsvertraglichen Verweisung als Gleichstellungsabrede umfasst nicht nur das Verständnis des tarifgebundenen Arbeitgebers bei der Abgabe seines Vertragsangebots, wonach die Verweisung auf einschlägige Tarifregelungen hinsichtlich der Dynamik unter der auflösenden Bedingung des Wegfalls seiner eigenen Tarifgebundenheit steht, sondern auch die vom Senat seinerzeit angenommene Erkennbarkeit dieser Vertragsbedingung für den Arbeitnehmer, dessen Zustimmung zu der vom Arbeitgeber vorformulierten Klausel diese auflösende Bedingung umfasst. Soweit daher aus Vertrauensschutzgründen die frühere Rechtsprechung des Senats weiterhin anzuwenden ist, gilt dies auch für den vom Senat vorausgesetzten Empfängerhorizont des Arbeitnehmers, der davon „ausgehen (muss), daß eine Bezugnahmeklausel, die von der Arbeitgeberseite angeboten wird, als Gleichstellungsabrede gemeint ist“ (BAG 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - zu I 2 d aa der Gründe, aaO; 26. September 2001 - 4 AZR 544/00 - zu II 1 c bb (1) der Gründe, BAGE 99, 120). Auch insoweit hält der Senat für Altverträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 2002 aus Gründen des Vertrauensschutzes an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (siehe auch BAG 15. März 2006 - 4 AZR 132/05 - Rn. 28 ff.).

20

2. Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze ist die arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarung der Parteien im Entscheidungsfall als sog. Gleichstellungsabrede zu qualifizieren.

21

a) Die Beklagte war bei Abschluss des Arbeitsvertrags im Oktober 1995 über den Anerkennungstarifvertrag normativ an die dort genannten Tarifverträge der bayerischen Metallindustrie, ua. den Manteltarifvertrag für die Angestellten der bayerischen Metallindustrie (vom 31. Oktober/2. November 1970 idF vom 1. April 1994), gebunden. Dieser Manteltarifvertrag enthält die Zuordnung von Tätigkeiten zu bestimmten Gehaltsgruppen sowie die Bestimmung des einschlägigen Gruppenjahres, die für den Kläger im Arbeitsvertrag mit „Tarifgruppe 5/4“ bezeichnet wurde und auf die er sich zur Begründung seines Anspruchs bezogen hat.

22

b) Entgegen der Auffassung des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, im Arbeitsvertrag sei lediglich eine unmittelbare Bezugnahme auf die Verbandstarifverträge erfolgt, nicht dagegen auf die Haustarifverträge der Beklagten. Dem widerspricht schon das vertraglich vereinbarte „Tarifgehalt“ von 4.848,00 DM, das sich gerade nicht aus der zu diesem Zeitpunkt geltenden Gehaltstabelle des Verbandstarifvertrags ergab. Vielmehr entsprach es in seiner Höhe allein den sich in Anwendung der Ziff. II.1.1. des Anerkennungstarifvertrags ergebenden Bestimmungen.

23

c) Die - zugunsten des Klägers vom Landesarbeitsgericht unterstellte - dynamische Inbezugnahme der Entgeltregelungen der bayerischen Metallindustrie über die Verweisung im Anerkennungstarifvertrag endete mit Ablauf der Tarifgebundenheit der Beklagten durch die Kündigung der Haustarifverträge zum Jahresende 2001. Nach diesem Zeitpunkt erfolgte Änderungen in den Tarifverträgen der bayerischen Metallindustrie waren für die Beklagte nicht mehr verbindlich.

24

II. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Entgelts nach den jeweiligen Tarifverträgen der bayerischen Metallindustrie ergibt sich für den streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht aus der von ihm behaupteten Mitgliedschaft in der IG Metall.

25

Nach Beendigung des Anerkennungstarifvertrags zum Ende des Jahres 2001 wirken seine Rechtsnormen nach § 4 Abs. 5 TVG zwar nach. Eine lediglich nachwirkende Verweisung auf andere Tarifverträge erstreckt sich jedoch nicht auf im Nachwirkungszeitraum vereinbarte Änderungen der in Bezug genommenen Tarifbestimmungen (st. Rspr., BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 8/10 - Rn. 27 mwN; so bereits 17. Mai 2000 - 4 AZR 363/99 - zu I 4 der Gründe, BAGE 94, 367).

26

III. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen, weil er mit seinem Rechtsmittel unterlegen ist (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Eylert    

        

    Winter    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    Kiefer    

        

    Bredendiek    

                 

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 6. August 2009 - 7 Sa 1674/08 - aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 7. Oktober 2008 - 10 Ca 130/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, welche tariflichen Regelungen aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.

2

Der nicht tarifgebundene Kläger ist seit dem 26. August 1980 als Arbeitnehmer bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 3. September 1980, der seinerzeit mit der Deutschen Bundespost geschlossen wurde, heißt es ua.:

        

„Die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb) und die sonstigen Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost gelten in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien als vereinbart.“

3

Bereits im Jahr 1990 entstanden im Zuge der sog. Postreform I aus der Deutschen Bundespost die einzelnen Geschäftsbereiche - sog. öffentliche Unternehmen - Postdienst, Postbank und Fernmeldedienst, die nach wie vor (Teil-)Sondervermögen des Bundes bildeten. Der Kläger verblieb im Geschäftsbereich Deutsche Bundespost - Fernmeldedienst (ab 1992 Deutsche Bundespost - Telekom). Die Geschäftsbereiche wurden bei der sog. Postreform II durch das Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (vom 14. September 1994, BGBl. I S. 2325, 2339 - Postumwandlungsgesetz - PostUmwG) privatisiert. Aus dem Geschäftsbereich, in dem der Kläger tätig gewesen war, entstand nach § 1 Abs. 2 dritter Spiegelstrich PostUmwG die Deutsche Telekom AG(nachfolgend DT AG). Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde zum 1. Januar 1995 gemäß § 21 Abs. 1 dritter Spiegelstrich des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost(vom 14. September 1994, BGBl. I S. 2325, 2353 - Postpersonalrechtsgesetz - PostPersRG) auf die DT AG übergeleitet.

4

Die DT AG vereinbarte in der Folgezeit mit der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) Tarifverträge, die ua. die zuvor zwischen der Deutschen Bundespost und der DPG geschlossenen „Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost“ (nachfolgend TVArb) für den Bereich der DT AG abänderten. Eine weitgehende Ablösung der vormals mit der Deutschen Bundespost geschlossenen und auch noch nachfolgend geänderten Tarifverträge erfolgte anlässlich der Einführung des „Neuen Bewertungs- und Bezahlungssystems - NBBS“ zum 1. Juli 2001 in einem gesonderten Übergangstarifvertrag, dem Tarifvertrag zur Umstellung auf das NBBS.

5

Im Jahre 2007 gründete die DT AG drei Telekom Service Gesellschaften, darunter die Beklagte. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging infolge Betriebsübergangs mit dem 25. Juni 2007 auf diese über. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden auf das Arbeitsverhältnis des Klägers stets die jeweiligen für ihn einschlägigen Tarifverträge der Deutschen Bundespost und später die der DT AG angewendet. Die Beklagte schloss ebenfalls am 25. Juni 2007 mit der Gewerkschaft ver.di Haustarifverträge ab, darunter den Manteltarifvertrag (MTV DTTS) und den Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DTTS), die von den Tarifverträgen der DT AG ua. bei der Arbeitszeit und beim Entgelt Abweichungen enthalten. Mit Schreiben vom 9. Januar 2008 hat der Kläger erfolglos Ansprüche nach den vormals bei der DT AG bestehenden Tarifverträgen geltend gemacht.

6

Mit seiner Klage begehrt der Kläger ua. die Feststellung, dass auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge der DT AG mit dem Regelungsbestand vom 24. Juni 2007 anzuwenden sind. Er ist der Auffassung, ein solcher Feststellungsantrag sei zulässig, da mit ihm die Anwendbarkeit der Tarifverträge der DT AG auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis geklärt werde. Die Hilfsanträge seien für den Fall der Unzulässigkeit des Hauptantrages gestellt. Bei der arbeitsvertraglichen Regelung handele es sich um eine kleine dynamische Bezugnahmeklausel, die das Tarifwerk der Deutschen Bundespost und später dasjenige der DT AG zur Anwendung bringe. Da die DT AG kraft Gesetzes Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundespost - Telekom sei, würden die von ihr seit 1995 geschlossenen neuen Tarifverträge ohne weiteres von der Bezugnahmeklausel erfasst. Die mit der Beklagten geschlossenen Haustarifverträge hätten die mit der DT AG vereinbarten hingegen nicht im Wege einer Tarifsukzession ersetzt.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

I.    

festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zu der Beklagten die Tarifverträge der Deutschen Telekom AG, Tarifstand 24. Juni 2007, anzuwenden sind,

        

II.     

hilfsweise

        

1.    

Es wird festgestellt, dass die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers über den 1. Juli 2007 hinaus weiterhin 34 Stunden gem. den tariflichen Bestimmungen der Deutschen Telekom AG, Tarifstand 24. Juni 2007, beträgt.

        

2.    

Es wird festgestellt, dass entsprechend den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen zwischen dem Kläger und der Deutschen Telekom AG die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1. Juli 2007 ein monatliches Entgelt nach Lohngruppe T 6 GrST 4 nach dem Entgelttarifvertrag der Deutschen Telekom AG, Stand Juni 2007, in Höhe von 3.444,00 Euro brutto sowie eine monatliche vermögenswirksame Leistung in Höhe von 6,65 Euro zu zahlen.

        

3.    

Es wird festgestellt, dass entsprechend den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen zwischen dem Kläger und der Deutschen Telekom AG der Samstag kein Regelarbeitstag ist.

        

4.    

Es wird festgestellt, dass entsprechend den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen zwischen dem Kläger und der Deutschen Telekom AG der Heiligabend (24.12.), Silvester (31.12.) sowie der Samstag vor Ostersonntag und Pfingstsonntag keine regulären Arbeitstage sind.

        

5.    

Es wird festgestellt, dass entsprechend den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen zwischen dem Kläger und der Deutschen Telekom AG Samstag und Sonntag zusammenhängende reguläre freie Arbeitstage pro Woche sind.

        

6.    

Es wird festgestellt, dass entsprechend den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen zwischen dem Kläger und der Deutschen Telekom AG es keinen so genannten optimierten Dienstantritt gibt.

        

7.    

Es wird festgestellt, dass der Kläger entsprechend den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen zwischen dem Kläger und der Deutschen Telekom AG gem. § 26 des Manteltarifvertrages iVm. § 7 des Tarifvertrages über Sonderregelungen besonderen Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer bei der Deutschen Telekom AG, Tarifstand 24. Juni 2007, besitzt.

8

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

9

Der Feststellungsantrag sei wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig. Der Antrag sei nicht geeignet, den Streit zwischen den Parteien abschließend zu klären. Darüber hinaus sei die Klage unbegründet. Mit dem Betriebsübergang seien die für die DT AG geltenden Tarifbestimmungen durch die bei ihr geltenden Haustarifverträge ersetzt worden. Die vertragliche Verweisung sei zwar zunächst als eine sog. kleine dynamische Bezugnahmeklausel vereinbart worden. Ab dem 1. Juli 2001 habe jedoch eine Regelungslücke bestanden, weil die Tarifverträge vom Wortlaut nicht erfasst seien. Aus der zeitdynamischen Bezugnahme des Tarifwerks der Deutschen Bundespost ergebe sich der Parteiwille, auch die Tarifverträge der DT AG und die ihrer Nachfolgeeinheiten in Bezug zu nehmen. Die Vertragspraxis der Parteien zeige auch deren Willen, die jeweils einschlägigen Tarifverträge anzuwenden. Zudem habe mit der Gewerkschaft ver.di stets diejenige Gewerkschaft gehandelt, die - früher noch als Deutsche Postgewerkschaft - den TV Arb und die Nachfolgetarifverträge geschlossen habe. Es handele sich um eine unternehmensübergreifende und konzernbezogene Tarifeinigung mit Ablösungswillen. Diese Tarifsukzession setze sich mit der Aufgliederung in immer kleinere Konzerngesellschaften fort. Es sei Sinn und Zweck der Gleichstellungsabrede, gleiche Arbeitsbedingungen in dem jeweiligen Konzernunternehmen der DT AG sicherzustellen.

10

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag zu 1. zu Unrecht abgewiesen. Der Antrag ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts begründet. Der Kläger kann die Anwendung der Tarifverträge der DT AG mit dem Regelungsstand vom 24. Juni 2007 auf sein Arbeitsverhältnis aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel verlangen.

12

I. Der Feststellungsantrag zu 1. ist zulässig.

13

1. Der Feststellungsantrag bedarf der Auslegung. Er ist, obwohl er nach seinem Wortlaut nur gegenwartsbezogen formuliert ist, dahingehend zu verstehen, dass der Kläger die Anwendbarkeit der im Antrag genannten Tarifverträge ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs, dem 25. Juni 2007, festgestellt wissen will. Das ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers. Der Kläger hat bereits mit seinem Geltendmachungsschreiben die Anwendbarkeit der vormals bei der DT AG bestehenden Tarifverträge mit dem Regelungsbestand, der bei Ablauf des 24. Juni 2007 bestand, angemahnt. Dieses Verständnis seines Antrages hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt.

14

2. Der derart klargestellte Antrag ist entgegen der Auffassung der Beklagten zulässig. Damit fallen die Hilfsanträge nicht zur Entscheidung an.

15

Eine Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage -. Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (st. Rspr., s. nur BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11 mwN, BAGE 128, 165). Mit dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellten Begehren kann der Streit der Parteien über Grund und Umfang insbesondere der zukünftigen Leistungspflichten, die sich aus der Bezugnahmeklausel in seinem Arbeitsvertrag vom 3. September 1980 ergeben, geklärt werden. Dass die Beklagte einer gerichtlichen Feststellung nicht Folge leisten will, trägt sie selbst nicht vor. Für ein solches zukünftiges Verhalten fehlt es auch an Anhaltspunkten. Aufgrund der Befriedungsfunktion eines Feststellungsurteils ist der Kläger entgegen dem Vorbringen der Beklagten auch nicht gehalten, eine Leistungsklage zu erheben (BAG 5. November 2003 - 4 AZR 632/02 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 108, 224; 9. Mai 2007 - 4 AZR 319/06 - Rn. 15, AP BGB § 305c Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 12). Entgegen der Auffassung der Beklagten bleibt auch etwa nicht ungeklärt, welche Ausschlussfristen zu beachten sind. Die von der Beklagten geschlossenen Tarifverträge gelten nicht nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG für das Arbeitsverhältnis des tarifungebundenen Klägers.

16

II. Der Feststellungsantrag zu 1. ist begründet. Die Tarifverträge der DT AG sind kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem tariflichen Regelungsbestand vom 24. Juni 2007, dem Tag vor dem Betriebsübergang auf die Beklagte, anzuwenden. Das ergibt eine ergänzende Auslegung der vereinbarten Bezugnahmeklausel, bei der es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Senatsrechtsprechung handelt. Diese erfasst nach dem Betriebsübergang auf die Beklagte allerdings nicht die von ihr geschlossenen Haustarifverträge, weil sie auch im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung weder als Tarifwechselklausel noch als eine Bezugnahmeklausel verstanden werden kann, die jedenfalls auf die im Konzern der DT AG für die einzelnen Konzernunternehmen jeweils einschlägigen Tarifverträge verweist.

17

1. Die Parteien stimmen zu Recht darin überein, dass es sich bei der Bezugnahmeregelung in dem 1980 geschlossenen Arbeitsvertrag um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Senatsrechtsprechung handelt.

18

a) Nach dieser Rechtsprechung waren bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers - anders als bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern - Verweisungsklauseln wie diejenige in dem Arbeitsvertrag der Parteien in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen. Dies beruhte auf der Vorstellung, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrages zu kommen und damit - bei deren genereller Verwendung - zu dessen Geltung für alle Beschäftigten (vgl. nur BAG 21. August 2002 - 4 AZR 263/01 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 102, 275; 25. September 2002 - 4 AZR 294/01 - zu II 2 f bb der Gründe, BAGE 103, 9; 1. Dezember 2004 - 4 AZR 50/04 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 113, 40 ). Diese Auslegungsregel hält der Senat nicht mehr aufrecht. Er wendet sie aus Gründen des Vertrauensschutzes aber weiterhin auf die Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind ( st. Rspr., vgl. nur BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 18 und 22 jeweils mwN, BAGE 132, 261; 26. August 2009 - 4 AZR 285/08 - Rn. 49, BAGE 132, 10; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 26 ff., BAGE 122, 74; 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326).

19

b) Da die im Arbeitsvertrag enthaltene Verweisung auf die Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost im Jahre 1980 vereinbart worden ist, kommt bei dessen Auslegung weiterhin die frühere Senatsrechtsprechung zum Tragen. Danach ist die Bezugnahmeklausel des Arbeitsvertrages eine Gleichstellungsabrede. Sie verweist auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge, an die die damalige Arbeitgeberin tarifgebunden war. Auf diese Weise sind deren Regelungen mit der sich aus dem Charakter als Gleichstellungsabrede ergebenden Maßgabe Inhalt des Arbeitsvertrages des Klägers geworden.

20

2. Nach dem Arbeitsvertrag sind für das Arbeitsverhältnis die Anwendung der „Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb) und die sonstigen Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost … in ihrer jeweiligen Fassung“ vereinbart. Diese Abrede enthält eine dynamische Bezugnahme, die den TV Arb und die sonstigen Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost erfasst.

21

a) Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag handelt es sich um einen Formularvertrag, dessen Inhalt als Allgemeine Geschäftsbedingung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen ist, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten ( BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 12, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44 ). Die Auslegung durch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden (st. Rspr., vgl. nur BAG 30. August 2000 - 4 AZR 581/99 - zu I 1 b der Gründe mwN, BAGE 95, 296). Dies gilt auch für Bezugnahmeklauseln (BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - aaO; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 24, BAGE 122, 74).

22

b) Danach enthält der Arbeitsvertrag eine zeitdynamische Bezugnahme auf die jeweiligen Regelungen des TV Arb einschließlich der hierzu geschlossenen Zusatztarifverträge, die aber nicht inhaltsdynamisch ausgestaltet ist.

23

aa) Im Arbeitsvertrag knüpfen die Parteien hinsichtlich der Arbeitsbedingungen an die für den Bereich der damaligen Deutschen Bundespost im Arbeiterbereich tariflich vereinbarten Regelungen an und gestalten sie zeitdynamisch. Davon gehen die Parteien übereinstimmend aus und dem entsprach auch die arbeitsvertragliche Praxis. Damit wollte die Deutsche Bundespost in ihren Betrieben das für sie geltende Tarifwerk anwenden und die dort stattfindende tarifliche Entwicklung auch in den Arbeitsverhältnissen der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer nachvollziehen.

24

bb) Die Bezugnahme erfasst von ihrem Wortlaut her jedenfalls nicht die den TV Arb und seine Zusatztarifverträge ersetzenden Tarifverträge der DT AG im Zuge der Vereinbarung der Tarifverträge des NBBS. Diese sind keine „jeweilige Fassung“ des TV Arb und der ihn ergänzenden oder ändernden Tarifverträge und wurden zudem nicht von der Deutschen Bundespost, sondern von einem der drei Nachfolgeunternehmen, der DT AG, geschlossen. Der Arbeitsvertrag ist hinsichtlich der Bezugnahme nur zeitdynamisch auf den TV Arb, nicht aber inhaltsdynamisch auf die Tarifverträge der DT AG ausgestaltet (s. auch BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 18, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 10. Juni 2009 - 4 AZR 194/08 - Rn. 38, AP BGB § 157 Nr. 38; jeweils zum BAT). Ob die von der DT AG und der DPG seit Beginn des Jahres 1995 geschlossenen Tarifverträge, die den TV Arb und die Zusatztarifverträge für den Bereich der DT AG - teilweise unter Beibehaltung der Bezeichnung „TV Arb“ - änderten und ergänzten, noch ohne weiteres von der Bezugnahmeregelung erfasst waren, obwohl sie auf Arbeitgeberseite von der DT AG und nicht von der Deutschen Bundespost geschlossen worden waren, muss der Senat vorliegend nicht entscheiden.

25

3. Die Anwendbarkeit der Regelungen der vom Kläger angeführten Tarifverträge mit dem Regelungsstand vom 24. Juni 2007 ergibt sich jedenfalls aufgrund einer ergänzenden Auslegung der im Arbeitsvertrag enthaltenen Bezugnahmeklausel in Form einer sog. Gleichstellungsabrede. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält aufgrund des Übergangs der Deutschen Bundespost im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf die DT AG zum 1. Januar 1995 und durch die Ablösung der fortgeschriebenen Regelungen des TV Arb und der ihn ergänzenden Tarifverträge durch die Einführung des NBBS und der in diesem Zusammenhang geschlossenen Tarifverträge jedenfalls spätestens seit dem 1. Juli 2001 eine nachträglich eingetretene Regelungslücke, die im Wege einer zulässigen ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist.

26

a) Der Arbeitsvertrag ist, weil er nachträglich lückenhaft geworden ist, einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich.

27

aa) Voraussetzung der ergänzenden Vertragsauslegung ist, dass die Vereinbarung eine Regelungslücke iSe. planwidrigen Unvollständigkeit aufweist (BAG 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - Rn. 25; 21. April 2009 - 3 AZR 640/07 - Rn. 33, BAGE 130, 202). Eine Regelungslücke liegt dabei nur vor, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder zwar nicht übersehen, aber doch bewusst offengelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und die Annahme der fehlenden Regelungsbedürftigkeit sich nachträglich als unzutreffend herausstellt. Von einer Planwidrigkeit kann nur die Rede sein, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrages eine diesem einvernehmlichen Regelungsplan angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist (BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 23 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 21. April 2009 - 3 AZR 640/07 - aaO).

28

bb) Danach ist die Bezugnahme im Arbeitsvertrag lückenhaft. Aus der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme auf das jeweils geltende tarifliche Regelungswerk für die Arbeiter der Deutschen Bundespost ergibt sich der Wille der Parteien, die Arbeitsbedingungen nicht in einer bestimmten Weise festzuschreiben, sondern sie - dynamisch - an der Tarifentwicklung im Bereich der Deutschen Bundespost auszurichten. Das Arbeitsverhältnis wird in seiner Entwicklung an diejenigen Arbeitsbedingungen gebunden, die für die Arbeitnehmer gelten, die von dem in Bezug genommenen Tarifvertrag erfasst werden.

29

Die Parteien haben allerdings, wie sie übereinstimmend vorgetragen haben, bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht bedacht, dass die Deutsche Bundespost privatisiert und im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf drei rechtlich selbständige Aktiengesellschaften übergeht und infolgedessen der TV Arb durch die Deutsche Bundespost nicht mehr fortgeführt werden könnte, weshalb für diesen Fall eine Regelung im Arbeitsvertrag fehlt. Durch die fast vollständige Ersetzung des tariflichen Regelungswerks für die Arbeiter der Deutschen Bundespost im Bereich der DT AG zum 1. Juli 2001 durch das neue Tarifwerk im Rahmen des NBBS war der bestehende Vertrag spätestens seit dem 1. Juli 2001 lückenhaft geworden.

30

Ob die DT AG als einer der drei Rechtsnachfolger der Deutschen Bundespost aufgrund der Regelung in § 21 Abs. 1 PostPersG in die von dieser geschlossenen Tarifverträge tatsächlich im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge eingetreten ist, wie es der Kläger meint, und was im Ergebnis zu einer „Verdreifachung“ des bestehenden Tarifwerks auf drei Rechtsnachfolger geführt hätte, muss der Senat nicht abschließend entscheiden. Denn jedenfalls die Tarifverträge, die im Rahmen des NBBS geschlossen wurden, werden von der Bezugnahmeklausel nicht mehr erfasst (unter II 2 b bb).

31

b) Eine nachträglich entstandene Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Diese ergibt, dass die Parteien die für den Kläger einschlägigen Tarifverträge der DT AG vereinbart hätten. Ob der Kläger und die DT AG durch ihre Vertragspraxis nach dem 1. Juli 2001 bis zum Betriebsübergang auf die Beklagte im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses konkludent die Bezugnahmeklausel dahingehend abgeändert haben, es sollen die Tarifverträge der DT AG zur Anwendung kommen, muss, auch wenn vieles hierfür spricht, daher nicht abschließend entschieden werden (dazu etwa BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 25, BAGE 128, 73), da sich deren Anwendbarkeit jedenfalls infolge einer ergänzenden Vertragsauslegung ergibt.

32

aa) Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung tritt an die Stelle der lückenhaften Klausel diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Geschäftsbedingung bekannt gewesen wäre (st. Rspr., etwa BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 31, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 22, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44 ; 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 26, BAGE 122, 182). Die ergänzende Vertragsauslegung im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat sich zu orientieren an einem objektiv-generalisierenden, am Willen und Interesse der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise, ausgerichteten Maßstab, und nicht nur an dem der konkret beteiligten Personen (BGH 7. März 1989 - KZR 15/87 - zu II 1 der Gründe mwN, BGHZ 107, 273). Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Maßgebender Zeitpunkt für die Feststellung und Bewertung des mutmaßlichen typisierten Parteiwillens und der Interessenlage ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, da die ergänzende Vertragsauslegung eine anfängliche Regelungslücke rückwirkend schließt (BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - aaO; BGH 12. Oktober 2005 - IV ZR 162/03 - zu B IV 1 b der Gründe, BGHZ 164, 297). Das gilt auch, wenn eine Lücke sich erst nachträglich als Folge des weiteren Verlaufs der Dinge ergeben hat (BGH 6. Juli 1989 - III ZR 35/88 - zu II 4 a der Gründe, NJW-RR 1989, 1490). Zunächst ist hierfür an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit irgend möglich, sind danach Lücken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrages „zu Ende gedacht“ werden (BGH 20. September 1993 - II ZR 104/92 - zu 2 der Gründe, BGHZ 123, 281).

33

bb) Ausgehend von diesen Maßstäben hätten die Parteien redlicherweise für den Fall des Wegfalls der ursprünglichen Tarifvertragspartei Deutsche Bundespost auf Arbeitgeberseite infolge der Postreform II und der damit verbundenen partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf die DT AG sowie der sich nachfolgend vollziehenden Ablösung der Tarifverträge der Deutschen Bundespost durch das tarifliche Regelungswerk der DT AG dessen arbeitsvertragliche Bezugnahme vereinbart, weil eine statische Regelung der Arbeitsbedingungen nach dem TV Arb und den weiteren Tarifverträgen für die Arbeiter, sei es in dem Regelungsbestand zum Jahreswechsel 1995 oder zum 1. Juli 2001, nicht ihren Interessen entsprach.

34

Zwar handelt es sich bei der Ersetzung des TV Arb durch das Tarifwerk der DT AG nicht um eine von den denselben Tarifvertragsparteien vereinbarte Tarifsukzession innerhalb des Anwendungsbereichs des bisherigen Tarifvertrages, wie es etwa im Bereich des öffentlichen Dienstes durch die weitgehende Ersetzung des BAT durch die Nachfolgetarifverträge der Fall gewesen ist (dazu ausf. BAG 22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 24 ff. mwN, BAGE 130, 286). Das würde nicht berücksichtigen, dass es nicht nur zu einer Ablösung des TV Arb sowie der ihn ändernden und ergänzenden Tarifverträge gekommen ist, sondern auch zu einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge in Bezug auf die ursprüngliche Tarifvertragspartei „Deutsche Bundespost“, die im weiteren Verlauf drei voneinander differierende Tarifvertragswerke in den Unternehmen DT AG, Deutsche Post AG und Deutsche Postbank AG hervorgebracht hat.

35

Jedenfalls für den Kläger, der seit Beginn seiner Tätigkeit stets als Fernmeldehandwerker in dem Unternehmensbereich tätig gewesen ist, der später den Geschäftsbereich Fernmeldedienst und nachfolgend Telekom bildete und anschließend auf die DT AG übergegangen ist, ist davon auszugehen, dass die Arbeitsvertragsparteien in diesem speziellen Fall einer Gesamtrechtsnachfolge auf drei Nachfolgeunternehmen unter Wegfall der ursprünglichen Tarifvertragspartei von den dann bestehenden Nachfolgeregelungen diejenigen Tarifbestimmungen in Bezug genommen hätten, die dem Tätigkeitsbereich des Klägers entsprechen. Dies sind die Tarifverträge der DT AG. Dem entspricht auch die Vertragspraxis der damaligen Arbeitsvertragsparteien - des Klägers und der DT AG -, die bis zum Betriebsübergang im Jahre 2007 stets dieses Tarifwerk angewendet haben.

36

4. Infolge des Betriebsübergangs auf die Beklagte hat sich an dieser Rechtslage nichts geändert. Die so begründeten, aus dem in Bezug genommenen Tarifwerk herrührenden individualvertraglichen Rechte und Pflichten wurden nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten als Erwerberin(vgl. BAG 17. November 2010 - 4 AZR 391/09 - Rn. 19, NZA 2011, 356; 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - BAGE 105, 284; 26. September 2001 - 4 AZR 544/00 - BAGE 99, 120), und zwar, weil es sich um eine Gleichstellungsabrede handelt (oben II 1 a), mit dem tariflichen Regelungsbestand vom 24. Juni 2007. Die Bezugnahme erstreckt sich dagegen nicht auf die von der Beklagten geschlossenen Tarifverträge.

37

a) Die Bezugnahmeklausel erfasst nicht die bei der Beklagten bestehenden Tarifverträge. Besondere Umstände, die eine erweiternde Auslegung der Bezugnahmeklausel ermöglichen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Für eine weitere ergänzende Vertragsauslegung fehlt es an der erforderlichen Vertragslücke. Ein anderes ergibt sich nicht aus dem Charakter der Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede.

38

aa) Die Bezugnahmeklausel erfasst nach ihrem Inhalt nicht die bei der Beklagten geschlossenen Tarifverträge.

39

(1) Der Wortlaut der Bezugnahmeklausel gibt keine ausreichenden Hinweise darauf, dass eine Tarifwechselklausel oder zumindest eine Bezugnahme vereinbart worden ist, die die jeweiligen Tarifverträge von einzelnen Konzernunternehmen der DT AG erfasst. Das gilt auch für die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bestehende Bezugnahmeregelung. Es bestehen selbst unter Berücksichtigung der Vertragspraxis bei der DT AG bis zum Betriebsübergang im Jahre 2007 keine Anhaltspunkte dafür, es sollten über die von der DT AG selbst geschlossenen Tarifregelungen weitere Tarifverträge anderer Tarifvertragsparteien erfasst werden. Anhaltspunkte, die ursprüngliche Bezugnahmeklausel sei bereits ihrem Wortlaut nach als Tarifwechselklausel auszulegen, sind nicht erkennbar. Das gilt auch für ihren Inhalt aufgrund der ergänzenden Vertragsauslegung.

40

(2) Auch für die von der Beklagten in Anspruch genommene Auslegung dahingehend, jedenfalls innerhalb einzelner Konzernunternehmen sollten im Falle von Unternehmensabspaltungen oder Neugründungen von Tochterunternehmen mit nachfolgenden (Teil-)Betriebsübergängen die dort jeweils einschlägigen Tarifverträge angewendet werden, gibt es weder im Vertragswortlaut noch in der folgenden Vertragspraxis einen hinreichenden Anhaltspunkt. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, es solle die Tarifentwicklung nicht nur bei der DT AG, sondern auch bei von ihr gegründeten Tochterunternehmen jeweils nachvollzogen werden, selbst wenn die DT AG und die von ihr geschlossenen und arbeitsvertraglich - mit - in Bezug genommenen Tarifverträge weiterhin bestehen und als solche auch weiterentwickelt werden.

41

(3) Eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die bei der Beklagten geltenden Haustarifverträge kann dem Arbeitsvertrag der Parteien nicht im Wege einer - weiteren - ergänzenden Vertragsauslegung entnommen werden. Weder liegt ein Fall der Tarifsukzession vor, wie die Beklagte meint, noch besteht eine Vertragslücke.

42

Eine von den denselben Tarifvertragsparteien vereinbarte Tarifsukzession innerhalb des Geltungsbereichs des bisherigen Tarifvertrages, wie sie etwa im Bereich des öffentlichen Dienstes durch die weitgehende Ersetzung des BAT durch die Nachfolgetarifverträge geschehen ist (dazu ausf. BAG 22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 24 ff. mwN, BAGE 130, 286), ist vorliegend nicht gegeben. Vielmehr bestehen die Tarifverträge bei der DT AG nach wie vor fort. Deshalb fehlt es auch an einer Vertragslücke, weil das Bezugnahmeobjekt - anders als der TV Arb und die dazu geschlossenen Zusatztarifverträge spätestens zum 1. Juli 2001 - nicht weggefallen ist.

43

(4) Ebenso wenig hat ein „abgestimmtes Verhalten“ von Tarifvertragsparteien Einfluss auf die Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Ihr eventueller Gestaltungswille als nicht am Arbeitsvertrag Beteiligte ist für die Auslegung einer einzelvertraglichen Bezugnahmeklausel ohne Bedeutung (BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 20, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 16, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Allein der Umstand, dass die DT AG vor dem Betriebsübergang Spartentarifverträge hätte schließen können, die dann von der Bezugnahmeklausel hätten erfasst sein können, führt nicht dazu, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag nun - da dies nicht geschehen ist - entsprechend korrigierend auszulegen wäre. Der DT AG wäre es - eine Einigung mit der vertragsschließenden Gewerkschaft vorausgesetzt - zwar unbenommen gewesen, Spartentarifverträge für ihr Unternehmen abzuschließen. Aber selbst dann würde die Bezugnahmeklausel im Falle eines nachfolgenden Betriebsübergangs nur die von der DT AG geschlossenen Tarifverträge erfassen, nicht aber nachfolgende Tarifverträge der Beklagten, die diese inhaltlich fortsetzen.

44

bb) Dafür, dass die Bezugnahmeklausel über ihren Wortlaut hinaus auch einen Wechsel auf die jeweils einschlägigen Tarifverträge in Konzernunternehmen der DT AG mit erfassen soll, spricht nichts.

45

(1) Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Bezugnahme auf das Tarifwerk einer bestimmten Branche über ihren Wortlaut hinaus nur dann als große dynamische Verweisung - Bezugnahme auf den jeweils für den Betrieb fachlich bzw. betrieblich geltenden Tarifvertrag - ausgelegt werden, wenn sich dies aus besonderen Umständen ergibt (st. Rspr., 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 21 mwN, BAGE 128, 165; 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 17, BAGE 124, 34; 25. September 2002 - 4 AZR 294/01 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 103, 9).

46

(2) Ein derartiges am Wortlaut der Bezugnahmeklausel orientiertes Auslegungsergebnis gilt auch, wenn die Arbeitsvertragsparteien vertraglich die Anwendung eines beim Arbeitgeber geltenden Haustarifvertrages vereinbaren und diesen in der Klausel namentlich bezeichnen. In Bezug genommen ist dann nur der genannte Tarifvertrag oder das betreffende Tarifwerk in seiner jeweiligen Fassung und - was durch Auslegung der Klausel zu ermitteln ist - die ergänzenden, ändernden und ggf. ersetzenden Tarifverträge.

47

Auch hier haben die Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit, die Rechtsfolge eines Tarifwechsels, etwa weil wie hier ein anderer Arbeitgeber an einen anderen abgeschlossenen Tarifvertrag gebunden ist, ausdrücklich zu vereinbaren. Sie bestimmen mit ihrer vertraglichen Abrede den Umfang der Bezugnahme. Wollen die Arbeitsvertragsparteien für den Fall einer durch einen Betriebsübergang geänderten Tarifbindung des Arbeitgebers an einen anderen Tarifvertrag erreichen, dass durch eine vertragliche Bezugnahme das im neuen Unternehmen geltende Tarifrecht zur Anwendung kommt, haben sie die Möglichkeit, den Typus der Tarifwechselklausel zu wählen. Schlicht unterstellt werden kann der Wille zum Tarifwechsel nicht (st. Rspr., s. nur BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 22 mwN, BAGE 128, 165). Solcher Tarifwechselklauseln hat sich die Beklagte im Übrigen auch in den später von ihr geschlossenen Arbeitsverträgen nach dem unstreitigen Vorbringen des Klägers bedient.

48

Das Argument der Beklagten, die vertragliche Bezugnahme sei dann anders zu beurteilen, wenn es sich lediglich um einen Arbeitgeberwechsel infolge eines Betriebsübergangs innerhalb derselben Branche handelt, verkennt, dass es sich hier um die Auslegung einer vertraglichen Abrede handelt. Hierfür ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob sich die Tarifgebundenheit durch einen Verbandswechsel des Arbeitgebers ändert oder das Arbeitsverhältnis infolge eines Betriebsübergangs auf einen anders tarifgebundenen Arbeitgeber übergeht. Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob ein solcher Vorgang mit einem Branchenwechsel einhergeht (vgl. BAG 22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 27, BAGE 130, 286; 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 23, BAGE 128, 165).

49

(3) Die Beklagte kann sich schließlich nicht erfolgreich auf die Entscheidung des Senats vom 4. September 1996 (- 4 AZR 135/95 - BAGE 84, 97) stützen. Die damalige Entscheidung betraf zwar eine arbeitsvertragliche Verweisungsklausel, die keine Tarifwechselklausel zum Inhalt hatte, und im Fall des Verbandswechsels des Arbeitgebers korrigierend dahingehend ausgelegt wurde, dass eine Verweisung auf den jeweils für den Betrieb geltenden Tarifvertrag vereinbart sei. Grundlage dieses Verständnisses war der Umstand, dass der Vertragspartner der von unterschiedlichen Arbeitgeberverbänden abgeschlossenen Tarifverträge jeweils dieselbe Gewerkschaft war, der auch die damalige Klägerin angehört hatte. Soweit der Senat in der wiedergegebenen Rechtsprechung angenommen hat, in solchen Fallgestaltungen sei eine korrigierende Auslegung über den eindeutigen Wortlaut der Bezugnahmeklausel hinaus möglich, hat er diese kritisierte Rechtsprechung (s. nur Buchner Anm. EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 7; kritisch auch Annuß BB 1999, 2558; Danne SAE 1998, 111; Dauner-Lieb SAE 1999, 47; Kohte AuA 1997, 171) ausdrücklich aufgegeben (BAG 22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 73, BAGE 130, 286; im Anschluss an 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 24 f., BAGE 128, 165; relativierend bereits 30. August 2000 - 4 AZR 581/99 - zu I 1 c bb der Gründe, BAGE 95, 296 ).

50

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten führt der Umstand, dass die Verweisung im Arbeitsvertrag als Gleichstellungsabrede auszulegen ist, nicht zu einem Wechsel des auf vertraglicher Grundlage anwendbaren Tarifrechts. Das lässt sich weder aus Wortlaut und Sinn der Vertragsklausel noch aus dem Gedanken einer hierauf aufbauenden „entsprechenden Anwendung“ des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB herleiten, die die Beklagte anführt.

51

(1) Das mit dem Begriff „Gleichstellungsabrede“ gekennzeichnete Auslegungsergebnis einer Bezugnahmeklausel hatte und hat in der Rechtsprechung des Senats nicht den Inhalt, den am Vertrag beteiligten Arbeitnehmer in jeder Hinsicht wie ein Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft oder zumindest tarifrechtlich wie einen an den in Bezug genommenen Tarifvertrag gebundenen Arbeitnehmer zu behandeln. Es ging und geht stets nur um die vertragsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers, ihn also lediglich vertraglich hinsichtlich des in Bezug genommenen Tarifvertrages oder Tarifwerks so zu stellen, als wäre er an diesen Tarifvertrag gebunden. Wesentliche Rechtsfolge dieses Auslegungsergebnisses war es, die sich aus dem Wortlaut der Bezugnahme ergebende Dynamik der einzelvertraglich anwendbaren Tarifverträge auf die Zeit zu begrenzen, in der der Arbeitgeber ohnehin im Verhältnis zu tarifgebundenen Arbeitnehmern durch seine Verbandsmitgliedschaft an die Tarifentwicklung gebunden war. Eine Gleichstellung, die auch einen für Gewerkschaftsmitglieder normativ, beispielsweise aufgrund von § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB, eintretenden Tarifwechsel vertraglich nachvollzieht, kann zwar vereinbart werden; ein derartiger Regelungswille muss aber im Vertragswortlaut erkennbar zum Ausdruck kommen (BAG 17. November 2010 - 4 AZR 391/09 - Rn. 31, NZA 2011, 356). Das ist vorliegend nicht der Fall.

52

(2) In seinem Urteil vom 29. August 2007 hat der Senat im Einzelnen begründet, warum im Verhältnis zwischen einer vertraglich vereinbarten Tarifgeltung und einem normativ geltenden Tarifvertrag im Hinblick auf die unterschiedlichen Regelungsebenen entgegen der Auffassung der Beklagten eine entsprechende Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB nicht in Betracht kommt(-  4 AZR 767/06  - Rn. 19 mwN, BAGE 124, 34 zu den hierzu in der Literatur vertretenen Auffassungen). Der Senat nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

53

Die Vorschrift des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ist nicht dazu bestimmt, auf beim Veräußerer vertraglich begründete Rechte und Pflichten Einfluss zu nehmen. § 613a Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BGB regeln ausschließlich den Erhalt von ursprünglich normativ begründeten Besitzständen nach einem Betriebsübergang, in dessen Folge die Voraussetzungen für eine normative Weitergeltung entfallen sind. Vertragliche Rechtspositionen, auch wenn sie in einer privatautonomen Einbeziehung von Tarifrecht ihren Grund haben, gehen ohne weiteres und uneingeschränkt nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB über. Ein anderes Verständnis stünde im Übrigen auch im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1 der Betriebsübergangs-Richtlinie 2001/23/EG vom 12. März 2001, wonach Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsvertrag ohne weiteres auf den Erwerber übergehen (s. nur BAG 17. November 2010 - 4 AZR 391/09 - Rn. 23, NZA 2011, 356).

54

(3) Der weitere Einwand der Beklagten, dem Arbeitgeber werde bei einem Vertragsverständnis, das nicht zu einer Einbeziehung des bei ihm geltenden Tarifrechts führe, kein wirksames Instrument zur Verfügung gestellt, mit dem er in Ausübung seines Grundrechts des Art. 9 Abs. 3 GG „konstitutive einzelvertragliche Ansprüche jedenfalls ihrer ebenfalls tarifgebundenen Arbeitnehmer ändern … könnte“, weshalb es zu einem Verstoß gegen das Koalitionsgrundrecht komme, geht bereits im Ansatz fehl. Die Beklagte übersieht die unterschiedlichen Regelungsebenen tarifvertraglicher und individualvertraglicher Vereinbarungen.

55

Gegenstand kollektiver Regelungen durch tarifliche Inhaltsnormen ist die Festsetzung allgemeiner und gleicher Mindestarbeitsbedingungen. Die Möglichkeit, demgegenüber günstigere Arbeitsbedingungen einzelvertraglich zu vereinbaren, kann ein Tarifvertrag auch für tarifgebundene Arbeitsverhältnisse nicht einschränken (BAG 23. März 2011 - 4 AZR 366/09 - Rn. 41, NZA 2011, 920). Ebenso wenig kann ein Tarifvertrag bestehende individualvertraglich vereinbarte Rechte abändern oder verkürzen (s. nur BAG 18. August 1971 - 4 AZR 342/70 - BAGE 23, 399: Anrechnungsklausel). Von daher ist schon im Ansatz eine Verletzung des Koalitionsgrundrechts im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gewährleistete Tarifautonomie ausgeschlossen. Das Recht, Tarifverträge mit unmittelbarer und zwingender Wirkung für die Tarifgebundenen zu vereinbaren - § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG - bleibt der Beklagten unbenommen. Ebenso unbeeinträchtigt davon bleiben allerdings auch die einzelvertraglich vereinbarten günstigeren Regelungen, die im Wege des Sachgruppenvergleichs (st. Rspr., etwa BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 60 mwN, BAGE 131, 176) zu ermitteln sind.

56

dd) Dem vorliegenden Ergebnis steht auch nicht die „Rechtsfolgenbetrachtung“ der Beklagten entgegen, wonach es im Falle von zwei aufeinanderfolgenden Betriebsübergängen zu einer nicht mehr auflösbaren Kollision des nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformierten Rechts kommen soll. Es könne dann nicht mehr geklärt werden, in welchem Verhältnis einzelvertraglich vereinbarte Regelungen und vormalige tariflich geltende Regelungen, die nun transformiert worden seien, zueinander stünden. Die Beklagte berücksichtigt nicht, dass die nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformierten Normen nicht dergestalt Inhalt der individualvertraglichen Abrede werden, wie dies bei der vertraglichen Bezugnahme von Tarifverträgen der Fall ist; sie behalten vielmehr ihren kollektiv-rechtlichen Charakter bei (ausf. BAG 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 61 ff., BAGE 130, 237). Deshalb ist ein Günstigkeitsvergleich entgegen ihrer Auffassung ohne weiteres möglich und geboten, wenn es zu einem zweiten Betriebsübergang auf einen tarifungebundenen Erwerber kommt (dazu BAG 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 30, aaO).

57

b) Eine korrigierende Auslegung im Sinne der Beklagten ist schließlich nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes geboten.

58

aa) Die Beklagte verkennt, dass sich der in den Entscheidungen des Senats zur Gleichstellungsabrede gewährte Vertrauensschutz nicht darauf bezieht, ob eine Klausel als Tarifwechselklausel auszulegen ist oder nicht.

59

(1) Der Gleichstellungsgehalt einer solchen Vereinbarung ist nach der früheren Rechtsprechung auf den Zusammenhang zwischen der Dynamik der Bezugnahme und der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die bezeichneten Tarifverträge beschränkt (BAG 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 17 f., BAGE 124, 34; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 27, BAGE 122, 74). Nur insoweit wendet der Senat die frühere Rechtsprechung auf „Altverträge“, also vor dem 1. Januar 2002 geschlossene Arbeitsverträge an und gewährt in diesem Rahmen Vertrauensschutz (st. Rspr., vgl. nur BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 18 und 22 jeweils mwN, BAGE 132, 261; 26. August 2009 - 4 AZR 285/08 - Rn. 49, BAGE 132, 10; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 26 ff., BAGE 122, 74; 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326).

60

(2) Demgegenüber hat der Senat für die Annahme einer Tarifwechselklausel stets besondere und von der Annahme einer Gleichstellungsabrede unabhängige Voraussetzungen für notwendig erachtet (s. nur BAG 30. August 2000 - 4 AZR 581/99 - zu I 1 c bb der Gründe, BAGE 95, 296; 16. Oktober 2002 - 4 AZR 467/01 - zu I 1 b aa und bb aaa der Gründe, BAGE 103, 141).

61

bb) Die Beklagte kann sich schließlich nicht deshalb auf Vertrauensschutz berufen, weil das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (11. August 2004 - 2 Sa 475/03 -) ihre Rechtsauffassung geteilt hat.

62

Die Gewährung von Vertrauensschutz in eine höchstrichterliche Rechtsprechung setzt voraus, dass die betroffene Partei in die Fortgeltung einer bisherigen Rechtsprechung vertrauen durfte. Selbst eine einzelne höchstgerichtliche Entscheidung reicht nicht aus, die Gewährung von Vertrauensschutz zu begründen. Für die vorliegende Fallgestaltung gibt es keine die Vertragsauslegung der Beklagten stützende höchstrichterliche Rechtsprechung, weshalb ein Vertrauensschutz schon deshalb ausscheidet (BAG 29. August 2007 - 4 AZR 765/06 - Rn. 31 f., AuR 2008, 181).

63

III. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revsion nach § 91 ZPO zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Creutzfeldt    

        

    Treber    

        

        

        

    H. Klotz    

        

    Th. Hess    

                 

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 4/16
vom
22. September 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine aus der Rechtskraft abgeleitete Tatsachenpräklusion erfasst nur
Vortrag, der zu dem rechtskräftig Festgestellten in Widerspruch steht.
BGH, Beschluss vom 22. September 2016 - V ZR 4/16 - OLG Hamburg
LG Hamburg
ECLI:DE:BGH:2016:220916BVZR4.16.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. September 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Weinland, den Richter Dr. Kazele, die Richterin Haberkamp und den Richter Dr. Hamdorf

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts - 10. Zivilsenat - vom 3. Dezember 2015 aufgehoben. Der Rechtstreit wird zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde , an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Verfahrens der Nichtzulassungs- beschwerde beträgt 265.750,10 €.

Gründe:


I.

1
Mit notariellem Vertrag vom 7. Oktober 2004 verkauften der Kläger und seine Ehefrau (Drittwiderbeklagte zu 1) in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Drittwiderbeklagte zu 2) ihr Wohnungseigentum unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel an die Beklagten. Der Kaufpreis betrug 530.000 €; er war in zwei Raten von 200.000 € und 330.000 € zu zahlen. Ende Januar 2005 erklär- ten die Beklagten, gestützt auf die Behauptung, ihnen sei eine Schimmelpilzbelastung der Wohnung arglistig verschwiegen worden, die Anfechtung des Kaufvertrags und verweigerten die Kaufpreiszahlung.
2
In einem ersten Rechtsstreit nahm der Kläger die Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau auf Zahlung der ersten Kaufpreisrate in Anspruch. Die Beklagten traten dem unter Hinweis auf die Anfechtung des Vertrages entgegen und erhoben zugleich eine Wider-/Drittwiderklage gegen die Verkäufer, mit der sie Schadensersatzansprüche in Höhe von 7.145,26 € wegen Gutachter-, Notar- und Rechtsverfolgungskosten geltend machten. Das Landgericht gab der Klage statt und wies die Widerklage ab. Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten blieben ohne Erfolg.
3
In einem zweiten Rechtsstreit verlangte der Kläger Zahlung der zweiten Kaufpreisrate. Die Beklagten erhoben erneut eine auf Schadensersatz gerichtete Wider-/Drittwiderklage. Das Landgericht gab der Klage statt und wies die Widerklage ab. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts, dass beabsichtigt sei, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, zahlten diese die zweite Kaufpreisrate und nahmen ihre Widerklage zurück. Das Berufungsgericht legte ihnen mit einem Beschluss nach § 91a ZPO die Kosten des Rechtsstreits auf.
4
In dem vorliegenden dritten Verfahren hat der Kläger aus eigenem und abgetretenem Recht von den Beklagten Schadensersatz wegen der verspäte- ten Kaufpreiszahlung in Höhe von 217.177,64 € verlangt. Die Beklagten haben erneut Wider- und Drittwiderklage gegen die Verkäufer erhoben. Die Widerklage ist auf Kaufpreisminderung und auf Schadensersatz gestützt. Letzteren verlangen die Beklagten mit der Begründung, ihnen seien Schäden durch die Unbewohnbarkeit der Wohnung entstanden; sie hätten diese wegen des Schimmelbefalls nur zwischen Mitte Februar 2009 und Anfang Mai 2009 genutzt. Wei- tere Schäden seien ihnen durch zu viel gezahlte Prozesszinsen, Verzugszinsen sowie Erwerbsnebenkosten, durch Umzugskosten sowie durch unnütze Aufwendungen für nach dem Auszug fällig gewordene Leistungen (Wohngeld und Grundsteuern) und durch Gutachterkosten entstanden. Die Klage ist ohne Erfolg geblieben. Die Widerklage hat das Landgericht wegen der bereits im Erstprozess geltend gemachten Schadenspositionen als teilweise unzulässig und im Übrigen als unbegründet abgewiesen.
5
Berufung gegen dieses Urteil haben nur die Beklagten eingelegt. Sie haben den Minderungsbetrag auf den der zweiten Kaufpreisrate entsprechenden Teil des Kaufpreises beschränkt und verfolgen insoweit ihre Widerklage weiter; die auf die erste Kaufpreisrate bezogenen Schadensersatzforderungen machen sie nicht mehr geltend. Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Beklagten mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

6
Das Berufungsgericht meint, die Widerklage sei unbegründet, weil die Beklagten keine Ansprüche gegen die Verkäufer erheben könnten, die auf das behauptete arglistige Verschweigen von Mängeln der Wohnung gestützt seien. Dieser Lebenssachverhalt sei im ersten Rechtsstreit der Parteien nicht nur Einwendung gegenüber der Kaufpreisforderung, sondern auch selbstständiger Streitgegenstand der rechtskräftigen Entscheidung über die Widerklage gewesen. Das eine Leistungsklage abweisende Urteil habe insoweit den Charakter eines Feststellungsurteils. Tragender Abweisungsgrund des Urteils im Vorprozess sei gewesen, dass die widerklagend geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht bestünden. Würden aus demselben Lebenssachverhalt weitere Schadensersatzforderungen geltend gemacht, könne sich der Kläger nicht mehr auf solche Tatsachen berufen, die zu dem im Vorprozess entschiedenen Lebenssachverhalt gehörten und den Feststellungen im Vorprozess widersprächen.

III.

7
Das hält den Angriffen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht stand.
8
1. Unbegründet ist allerdings die auf eine Verletzung des § 547 Abs. 6 ZPO gestützte Rüge, die Entscheidung sei deshalb nicht mit Gründen versehen , weil der die Berufung zurückweisende Beschluss entgegen § 329 Abs. 2 i.V.m. § 315 Abs. 1 ZPO nicht von allen drei an der Entscheidung mitwirkenden Richterinnen unterschrieben worden sei. Nach der von dem Senat angeforderten , den Parteien zur Kenntnis gegebenen beglaubigten Abschrift des Originals ist dieses von allen drei Richterinnen unterschrieben worden. Mithin liegt allein ein Mangel bei der Erstellung der Beschlussausfertigungen vor, auf denen die Unterschriftsleistung durch eine der Richterinnen nicht wiedergegeben worden ist.
9
2. Im Ergebnis ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, dass der angefochtene Beschluss nicht den Begründungsanforderungen des § 522 Abs. 2 Satz 4 in Verbindung mit § 540 Abs. 1 ZPO entspreche, weil weder ihm noch dem Hinweisbeschluss zu entnehmen sei, in welchem Umfang die Beklagten ihre Widerklage in der Berufungsinstanz weiterverfolgt hätten. Sie ist allerdings in der Sache begründet, da ein nach § 522 Abs. 3 ZPO wie ein Berufungsurteil anfechtbarer Beschluss seinem Inhalt nach einem Berufungsurteil entsprechen muss (BT-Drucks. 17/5334, S. 8); dazu gehört die Wiedergabe der Berufungs- anträge (BGH, Urteil vom 26. Februar 2003 - VIII ZR 262/02, BGHZ 154, 99, 100; Urteil vom 10. Februar 2004 - VI ZR 94/03, BGHZ 158, 60, 63).
10
Eine solche Verletzung des § 540 Abs. 1 ZPO führt zwar in einem Revisionsverfahren regelmäßig zur Aufhebung des Berufungsurteils bzw. des die Berufung zurückweisenden Beschlusses von Amts wegen (BGH, Urteil vom 26. Februar 2003 - VIII ZR 262/02, aaO S. 101; Urteil vom 10. Februar 2004 - VI ZR 94/03, aaO), ist aber allein kein Grund für die Zulassung der Revision (Senat, Beschluss vom 26. Juni 2003 - V ZR 441/02, NJW 2003, 3208; Beschluss vom 12. Februar 2004 - V ZR 125/03, NJW-RR 2004, 712, 713; MüKo/Krüger, ZPO, 5. Aufl., § 543 Rn. 18; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 13. Aufl., § 543 Rn. 9).
11
3. Mit Erfolg rügen die Beklagten jedoch eine entscheidungserhebliche Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) durch den Ausschluss ihres tatsächlichen Vorbringens zu einem arglistigen Verschweigen von Mängeln der Wohnung.
12
a) Die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG beruht darauf, dass die Auslegung der Vorschrift des § 322 Abs. 1 ZPO durch das Berufungsgericht und die hierauf beruhende Zurückweisung des Vorbringens der Beklagten zu den mit der Widerklage verfolgten Ansprüchen in der Zivilprozessordnung keine Stütze findet (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1565, 1566). Das Berufungsgericht zieht die Grenzen des sich aus der Rechtskraft einer Entscheidung ergebenden Ausschlusses tatsächlichen Vorbringens zu weit.
13
aa) Urteile sind der Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO nur insoweit fähig , als über den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden worden ist. Damit sind der Rechtskraft bewusst enge Schranken gezogen. Die Urteilselemente, die bedingenden Rechte und Gegenrechte sollen nicht von der Rechtskraft erfasst werden. Sie wird vielmehr auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, das heißt auf diejenige Rechtsfolge, die aufgrund einer Klage oder Widerklage beim Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bildet, beschränkt. Die tatsächlichen Feststellungen als solche erwachsen nicht in Rechtskraft (Senat, Urteil vom 11. November 1994 - V ZR 46/93, NJW 1995, 967; Urteil vom 16. April 1999 - V ZR 37/98, NZM 1999, 677, 678; BGH, Urteil vom 12. Dezember 1975 - IV ZR 101/74, NJW 1976, 1095).
14
Die Ausführungen des Gerichts in einem Vorprozess über das Vorliegen eines Sachmangels oder die Kenntnis des Verkäufers hiervon sind als tatsächliche Feststellungen daher materieller Rechtskraft nicht fähig (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juni 1987 - VIII ZR 158/86, WM 1987, 1288, 1289; Urteil vom 24. November 1982 - VIII ZR 263/81, BGHZ 85, 367, 373). Ebenfalls nicht in Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO erwachsen die Feststellungen über die der Entscheidung zu Grunde liegenden präjudiziellen Rechtsverhältnisse, wie etwa die Nichtigkeit eines Vertrages. Zu deren abschließender Klärung steht den Parteien die nicht an ein besonderes Feststellungsinteresse anknüpfende Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) und im Übrigen die Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) offen (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2008 - V ZR 13/07, NJW-RR 2008, 1397 Rn. 19; Urteil vom 21. Februar 1992 - V ZR 273/90, NJW 1992, 1897).
15
Aufgrund des ersten Rechtsstreits zwischen den Parteien steht demnach nur fest, dass die Beklagten verpflichtet sind, die erste Kaufpreisrate zu zahlen und dass ihnen, soweit sie wegen der behaupteten Schimmelbelastung die Rückabwicklung des Vertrages verlangen, kein Anspruch auf Ersatz der mit der damaligen Widerklage verfolgten Schäden in Höhe von 7.145,26 € zusteht.
16
bb) Das Berufungsgericht verkennt zwar nicht, dass im Vorprozess nur über die genannten Ansprüche rechtskräftig entschieden worden ist; es nimmt aber rechtsfehlerhaft an, die Beklagten seien mit ihrem Vortrag zu einem arglistig verschwiegenen Mangel im jetzigen Verfahren präkludiert, weil dieser Vortrag bereits Gegenstand der damaligen Entscheidung über die Widerklage gewesen sei.
17
(1) Im Ausgangspunkt trifft es allerdings zu, dass eine rechtskräftige Entscheidung in einem Vorprozess zwischen den Parteien zu einer Tatsachenpräklusion in einem Folgeprozess führen kann. Zwar erwachsen die tatsächlichen Feststellungen in einem Urteil nicht in Rechtskraft. Andererseits darf die Rechtskraft der Entscheidung über den im Vorprozess erhobenen Anspruch nicht mit dem Vorbringen ausgehöhlt werden, das rechtskräftige Urteil gründe sich auf unrichtige tatsächliche Feststellungen (BGH, Urteil vom 7. Juli 1993 - VIII ZR 103/92, BGHZ 123, 137, 140). Hat ein Gericht den Streitgegenstand eines rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses erneut zu prüfen, hat es deshalb seinem Urteil den Inhalt dieser Entscheidung zugrunde zu legen (BGH, Urteil vom 24. Juni 1993 - III ZR 43/92, NJW 1993, 3204, 3205; Urteil vom 16. Januar 2008 - XII ZR 216/05, NJW 2008, 1227 Rn. 23). Mit Vortrag zu Tatsachen , die im maßgebenden Zeitpunkt des Vorprozesses schon vorhanden waren und darauf gerichtet sind, das kontradiktorische Gegenteil der im Vorprozess festgestellten Rechtsfolge auszusprechen, sind die Parteien dann insoweit ausgeschlossen, als sie bei natürlicher Anschauung zu dem im Vorprozess vorgetragenen Lebensvorgang gehören (BGH, Urteil vom 24. September 2003 - XII ZR 70/02, NJW 2004, 294, 296).
18
(2) Das Berufungsgericht verkennt jedoch, dass diese Präklusion nicht weiter geht als die Rechtskraftwirkungen des Urteils (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2011 - XII ZR 159/09, NJW 2012, 923 Rn. 23; MüKo- ZPO/Gottwald, 5. Aufl., § 322 Rn. 139a u. 144 f.). Sie ist kein Institut neben der materiellen Rechtskraft, sondern nur die notwendige Kehrseite der Maßgeblichkeit der Entscheidung. Außerhalb der Grenzen des Streitgegenstands besteht keine Präklusion, auch wenn mit der neuen Klage ein wirtschaftlich identisches Ziel verfolgt wird und sich die Tatsachen überschneiden (MüKoZPO/Gottwald, aaO, Rn. 139 u. 145).
19
(a) Das zeigt sich insbesondere bei Teilklagen. Bei der Geltendmachung von Teilansprüchen ergreift die Rechtskraft nur diesen Teil, so dass das Urteil, das einen Teilanspruch zuspricht oder aberkennt, nicht darüber Rechtskraft bewirkt, ob dem Kläger mehr als der geltend gemachte Teil zusteht oder noch andere Ansprüche aus dem Sachverhalt zustehen, selbst wenn sich das Urteil darüber auslässt (BGH, Urteil vom 27. Februar 1961 - III ZR 16/60, BGHZ 34, 337, 339; Urteil vom 30. Januar 1985 - IVb ZR 67/83, BGHZ 93, 330, 334; Urteil vom 9. April 1997 - IV ZR 113/96, BGHZ 135, 178, 181). Eine Präklusionswirkung tritt daher nicht ein, wenn die Teilklage rechtskräftig abgewiesen worden ist und nach den Entscheidungsgründen des Urteils im Vorprozess der klagenden Partei der später geltend gemachte (weitere) Anspruch aus demselben Lebenssachverhalt ebenfalls nicht zustünde. Die Rechtskraft reicht in diesen Fällen nicht so weit wie die Folgerichtigkeit der Entscheidungsgründe; diese nehmen an der Rechtskraft nicht teil (BGH, Urteil vom 30. Januar 1985 - IVb ZR 67/83, BGHZ 93, 330, 334 f.).
20
(b) Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Tatsachenpräklusion infolge Rechtskraft nur Vortrag erfasst, der zu dem rechtskräftig Festgestellten in Widerspruch steht. Ein Urteil, das eine Vertragsklage wegen arglistiger Täuschung abweist, stellt nur das Nichtbestehen des vertraglichen Anspruchs infolge einer Täuschung fest, nicht aber die Täuschung (bzw. ihr Fehlen) selbst (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juni 1987 - VIII ZR 158/86, WM 1987, 1288, 1289). Das gilt selbst dann, wenn eine Feststellungsklage mit dem Ziel erhoben worden ist, das Nichtbestehen des Vertragsverhältnisses infolge der arglistigen Täuschung festzustellen. Die Rechtskraft der hierzu ergehenden Entscheidung umfasst nur das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertragsverhältnisses, nicht aber den Auflösungsgrund. Was diesen betrifft, kann es durchaus zu widersprüchlichen Feststellungen kommen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juni 1987 - VIII ZR 158/86, aaO u. MüKoZPO/Gottwald, 5. Aufl., § 322 Rn. 145 aE).
21
Aus der von dem Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 24. September 2003 - XII ZR 70/02, NJW 2004, 294, 295) ergibt sich nichts anderes. Aufgrund der dort im Rahmen einer Feststellungsklage getroffenen rechtskräftigen Feststellung zu einem präjudiziellen Rechtsverhältnis (das Bestehen eines Mietverhältnisses zwischen den Parteien ) war die auf Zahlung der Miete in Anspruch genommene Partei mit Vortrag ausgeschlossen, der dieser Feststellung widersprach (das Mietverhältnis sei durch Kündigung beendet gewesen).
22
(3) Nach diesen Grundsätzen können sich die Beklagten hinsichtlich der jetzt verfolgten Ansprüche erneut auf die Behauptung stützen, die Verkäufer hätten einen Schimmelbefall der Wohnung arglistig verschwiegen.
23
(a) Das folgt bereits daraus, dass das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer arglistigen Täuschung seitens der Verkäufer nicht rechtskräftig feststeht, erneuter Vortrag dazu also schon aus diesem Grund nicht geeignet ist, die Rechtskraft der Entscheidung über die Abweisung der ersten Widerklage zu unterlaufen.
24
(b) Unabhängig davon kommt eine - stets nur in den Grenzen des Streitgegenstands des Vorprozesses mögliche - Tatsachenpräklusion auch deshalb nicht in Betracht, weil der Streitgegenstand der ersten Widerklage (ein aus der behaupteten arglistigen Täuschung erwachsener Anspruch auf Ersatz näher bezeichneter Schäden in Höhe von 7.145,26 €) weder eine Vorfrage für die nunmehr zu treffende Entscheidung noch Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.
25
(aa) Die in der Berufungsinstanz jetzt noch geltend gemachten Schäden sind nach der - hier maßgeblichen (siehe oben III. 2.) - Darstellung der Nichtzulassungsbeschwerde andere als diejenigen, die Gegenstand der Widerklage im ersten Rechtsstreit waren. Nach den aufgezeigten Grundsätzen zu Teilklagen scheidet daher eine Tatsachenpräklusion aus.
26
(bb) Die Streitgegenstände der früheren und der jetzigen Widerklage sind zudem aus einem weiteren Grund nicht identisch. Die Beklagten gehen nunmehr von der Wirksamkeit des Kaufvertrages und davon aus, dass sie die Wohnung behalten (müssen). Die jetzt verfolgten Ansprüche auf teilweise Rückzahlung des Kaufpreises wegen Minderung (§ 441 Abs. 4 BGB) und auf Ersatz von Schäden wegen überhöhter Finanzierungs- und Erwerbsnebenkosten sowie wegen der Unbenutzbarkeit der Wohnung (als sog. kleiner Schadensersatz nach § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, § 284 BGB) beruhen also auf einer anderen Rechtsfolgenbehauptung als die erste Widerklage und bilden damit einen anderen Streitgegenstand.
27
Streitgegenstand eines Rechtsstreits ist der als Rechtsschutzbegehren oder der Rechtsschutzbehauptung aufgefasste prozessuale Anspruch; dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die von dem Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (An- spruchsgrund), aus dem sich der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (Senat, Urteil vom 17. März 1995 - V ZR 178/93, NJW 1995, 1757; BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 5; Urteil vom 22. Oktober 2013 - XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294 Rn. 15).
28
Wird die Rückabwicklung eines Kaufvertrages (Rechtsfolge) wegen arglistig verschwiegener Mängel der Kaufsache (Lebenssachverhalt) verlangt, bilden zwar alle auf die Rückabwicklung des Vertrages gerichteten materiellrechtlichen Ansprüche einen einheitlichen Streitgegenstand. Wurde eine auf die Anfechtung des Vertrages nach § 123 Abs. 1 BGB gestützte Klage rechtskräftig abgewiesen, kann der Käufer daher nicht unter dem Gesichtspunkt der Sachmängelhaftung erneut auf Rückabwicklung des Kaufvertrages klagen (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 50 f.). Anders liegt es aber, wenn sich der Käufer nach einer erfolglosen Klage, mit der er aufgrund einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung die Rückabwicklung des Vertrages verlangt hat, auf den Boden des Vertrages stellt und nunmehr - gestützt auf dieselbe Behauptung zur arglistigen Täuschung - Minderung des Kaufpreises und Ansprüche auf sog. kleinen Schadensersatz geltend macht. Wegen der abweichenden Rechtsfolge handelt es sich hierbei um einen anderen Streitgegenstand (vgl. Senat, Urteil vom 1. Juni 1990 - V ZR 48/89, NJW 1990, 2682); folglich kommt auch eine Tatsachenpräklusion infolge rechtskräftiger Entscheidung über den Rückabwicklungsanspruch nicht in Betracht.
29
b) Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör betrifft einen entscheidungserheblichen Punkt, da den Beklagten Minderungs- und Schadensersatzansprüche zustehen können, wenn sich ihre Behauptungen zum Anspruchsgrund als wahr erweisen sollten (vgl. § 444 BGB). Dem steht nicht entgegen , dass - worauf die Nichtzulassungsbeschwerde selbst hinweist - sich das Verhalten der Beklagten im zweiten Rechtsstreit aus Sicht der Verkäufer als eine Bestätigung eines anfechtbaren Rechtsgeschäfts (§ 144 Abs. 1 BGB) darstellen könnte. Das führt zwar regelmäßig dazu, dass nicht nur das Anfechtungsrecht und die daraus folgenden Ansprüche erlöschen; mit der Bestätigung sind im Zweifel auch die Ansprüche aus vorvertraglichem Verschulden erlassen , die eine schadensersatzrechtliche Rückabwicklung des Vertrags zum Ziel haben (vgl. Senat, Urteil vom 4. Dezember 2015 - V ZR 142/14, WM 2016, 1402 Rn. 26 und 29 ff.). Nicht ausgeschlossen sind aber grundsätzlich die Ansprüche , bei denen sich der Käufer auf den Boden des Vertrages stellt (Senat, Urteil vom 4. Dezember 2015 - V ZR 142/14, aaO Rn. 27). Das ist bei den geltend gemachten Ansprüchen auf Kaufpreisminderung und auf sog. kleinen Schadensersatz der Fall.

IV.

30
1. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, ihn gemäß § 544 Abs. 7 ZPO durch einen der Nichtzulassungsbeschwerde stattgebenden Beschluss aufzuheben und den Rechtsstreit zur Verhandlung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
31
2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts ergibt sich aus der Summe der von der Nichtzulassungsbeschwerde mitgeteilten Zahlungsanträge, die von den Beklagten in zweiter Instanz im Rahmen der Widerklage zuletzt gestellt worden sind. Stresemann Weinland Kazele Haberkamp Hamdorf
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 12.12.2012 - 301 O 10/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 03.12.2015 - 10 U 5/13 -

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 7. März 2013 - 3 Sa 258/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit des TVöD auf ihr Arbeitsverhältnis.

2

Der Kläger, Mitglied der Gewerkschaft ver.di, wurde im Jahr 2006 vom städtischen Klinikum M, einem Eigenbetrieb der Stadt, die ihrerseits Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband war, als Krankenpfleger eingestellt. In § 2 des Arbeitsvertrags vom 12. Mai 2006 heißt es:

„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und dem Besonderen Teil Krankenhäuser und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen, einschl. des TV zur Überleitung in den TVöD, in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung.

Außerdem finden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.“

3

Zum 1. Januar 2008 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die Beklagte über. Diese ist nicht Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbands. Die Parteien schlossen am 23. Dezember 2008 einen Änderungsvertrag. Danach wurde der Kläger ab dem 1. Dezember 2008 nach der Entgeltgruppe 9a TVöD vergütet.

4

Seit dem 1. März 2011 wendet die Beklagte auf die Arbeitsverhältnisse ihrer Beschäftigten - mit Ausnahme der Ärzte - den mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen „Tarifvertrag für die KLINIKUM M gemeinnützige GmbH“ vom 25. Februar 2011 (im Folgenden HTV) an. An den Kläger zahlt sie weiterhin ein Gehalt auf der Grundlage des TVöD mit Stand vom 31. Dezember 2007.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der TVöD finde aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel dynamisch auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung. Er hat beantragt

festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 1. Januar 2008 hinaus zeitdynamisch im Sinne der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und der für den Besonderen Teil Krankenhäuser und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung Anwendung finden.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klage sei wegen des Vorrangs der Leistungsklage bereits unzulässig. Es werde lediglich eine Vorfrage geklärt. Streitig bliebe hingegen, welcher Tarifvertrag hinsichtlich der verschiedenen Sachgruppen günstiger sei. Die Klage sei zudem unbegründet. Der Kläger sei an den HTV unmittelbar und zwingend gebunden. Überdies nehme die Verweisungsklausel auf den mit derselben Gewerkschaft abgeschlossenen HTV Bezug. Für das Verhältnis von TVöD/VKA und HTV gelte das Ablöseprinzip. Abgesehen davon sei die Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede auszulegen.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen.

9

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse.

10

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann ein Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung haben, dass ein bestimmter Tarifvertrag auf sein Arbeitsverhältnis anzuwenden ist (sog. Elementenfeststellungsklage). Eine entsprechende Feststellung ist geeignet, eine Vielzahl von Einzelfragen zu klären, die sich an dessen Anwendbarkeit knüpfen (vgl. hierzu ausführlich BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 11 mwN, BAGE 134, 283).

11

2. Entgegen der Auffassung der Revision steht der Annahme eines Feststellungsinteresses nicht entgegen, dass mit einem Feststellungsurteil nicht abschließend geklärt wird, welcher Tarifvertrag im Rahmen des im Einzelfall vorzunehmenden Sachgruppenvergleichs günstiger wäre und es deshalb nachfolgend zu weiteren Rechtsstreitigkeiten darüber kommen kann, ob sich einzelne Rechte und Pflichten aus den fraglichen Tarifverträgen als günstigere einzelvertragliche Regelung im Arbeitsverhältnis der Parteien durchsetzen oder ob sie durch die Regelung des Haustarifvertrags verdrängt werden(vgl. BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 991/12 - Rn. 12; 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 23 mwN).

12

II. Die Klage ist auch begründet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TVöD/VKA einschließlich des Besonderen Teils Krankenhäuser in seiner jeweils gültigen Fassung Anwendung. Das ergibt die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel.

13

1. Nach § 2 des im Jahr 2006 abgeschlossenen und am 23. Dezember 2008 geänderten Arbeitsvertrags bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst und dem Besonderen Teil Krankenhäuser und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände jeweils geltenden Fassung. Diese Abrede enthält eine zeitdynamische Bezugnahme, die die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst (VKA) einschließlich der besonderen Regelungen für die Krankenhäuser in ihrer jeweils geltenden Fassung erfasst (zu den Maßstäben der Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung vgl. BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15, BAGE 134, 283).

14

2. Entgegen der Auffassung der Revision verweist die Bezugnahmeklausel jedoch nicht auf den Haustarifvertrag der Beklagten.

15

a) Der HTV ist kein den TVöD/VKA „ergänzender, ändernder oder ersetzender“ Tarifvertrag iSv. § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrags. Nach dem Wortlaut der Bezugnahmeregelung ist das Arbeitsverhältnis den Tarifbestimmungen des öffentlichen Dienstes „für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände“ unterstellt worden. Damit sollten nur die von den Tarifvertragsparteien des TVöD/VKA abgeschlossenen (Verbands-)Tarifverträge in Bezug genommen werden. Dies können zwar auch firmenbezogene Sanierungstarifverträge sein. Sie müssen dann aber unter Beteiligung des Kommunalen Arbeitgeberverbands geschlossen worden sein. Nicht von der Bezugnahmeklausel erfasst sind hingegen Haustarifverträge eines privaten Arbeitgebers. Diese sind - jedenfalls arbeitgeberseitig - nicht von den Tarifvertragsparteien des TVöD/VKA abgeschlossen worden.

16

b) Eine Bezugnahme auf den HTV ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags, wonach „außerdem … die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung“ finden sollen.

17

aa) Der Begriff „außerdem“ bedeutet „daneben“, „des Weiteren“, „im Übrigen“, „zusätzlich“ (Duden Das Bedeutungswörterbuch 4. Aufl.). Aus der Wortwahl ergibt sich, dass mit dieser ergänzenden Bezugnahmeregelung Tarifverträge erfasst werden sollten, die „neben“ dem TVöD oder „zusätzlich“ zu diesem zur Anwendung kommen können. Dabei kann es sich allerdings nur um Tarifverträge handeln, deren inhaltliche Regelungsbereiche sich nicht mit denen des TVöD überschneiden. Andernfalls wären sie nicht „neben“ dem, sondern vielmehr „anstelle“ des TVöD anwendbar (vgl. auch BAG 16. Mai 2012 - 4 AZR 290/10 - Rn. 30; 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 20, BAGE 128, 165).

18

bb) Dieses Verständnis wird durch die Bezugnahme auf die „sonstigen“ einschlägigen Tarifverträge bestätigt. Ein verständiger und redlicher Vertragspartner des Arbeitgebers als der Verwender der Klausel durfte diese Formulierung als inhaltliche Einschränkung der Verweisung, dh. dahingehend verstehen, dass es sich insoweit nur um solche Tarifverträge handeln sollte, die sich in ihrem inhaltlichen Regelungsbereich von denen der Tarifverträge des TVöD/VKA unterscheiden und diese nicht „verdrängen“. Andernfalls käme der Regelung in § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags - was die Beklagte offenbar annimmt - die Funktion einer Tarifwechselklausel zu. Eine kleine dynamische Verweisung kann jedoch über ihren Wortlaut hinaus nur dann als große dynamische Verweisung (Tarifwechselklausel) ausgelegt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen ergibt (vgl. nur BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 45, BAGE 138, 269 mwN). Solche sind dem Wortlaut der Bezugnahmeklausel im Entscheidungsfall nicht zu entnehmen.

19

c) Es sind auch keine - für den Kläger aus damaliger Sicht erkennbaren - Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Arbeitgeber als Partei des Arbeitsvertrags andere und ggf. sogar konkurrierende Haustarifverträge einbeziehen wollte. Insbesondere gebietet der Umstand, dass die Parteien des Arbeitsvertrags bei Vertragsschluss normativ an den TVöD/VKA gebunden waren und nunmehr an den Haustarifvertrag der Beklagten gebunden sind, keine abweichende Auslegung der arbeitsvertraglichen Klausel. Die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags aufgrund einer einzelvertraglichen Abrede auf der einen und seine Geltung kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit auf der anderen Seite sind grundlegend voneinander zu trennen. Die Wirkung einer Bezugnahmeklausel wird nicht dadurch berührt, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag noch aus einem weiteren rechtlichen Grund für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebend ist (BAG 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 13, BAGE 124, 34).

20

3. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der Bezugnahmeklausel nicht um eine Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung.

21

a) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats galt die - widerlegliche - Vermutung, dass es einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum gehe, durch die Bezugnahme die nicht organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten Beschäftigten hinsichtlich der Geltung des in Bezug genommenen Tarifwerks gleichzustellen. Der Senat ging davon aus, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags und damit zu dessen Geltung für alle Beschäftigten zu kommen. Daraus hat der Senat die Konsequenz gezogen, dass auch ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder in den Begleitumständen bei Vertragsschluss im Falle der normativen Gebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge Bezugnahmeklauseln in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen seien. Die Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb einschränkend dahin ausgelegt, die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik gehe nur so weit, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reiche, also dann ende, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden sei (st. Rspr., siehe nur BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 536/09 - Rn. 17 f. mwN).

22

b) Diese Rechtsprechung hat der Senat jedoch für vertragliche Bezugnahmeregelungen, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 vereinbart worden sind, aufgegeben. Er wendet die Auslegungsregel lediglich aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (BAG 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 29 ff., BAGE 122, 74; bestätigt durch BVerfG 26. März 2009 - 1 BvR 3564/08 - und 21. April 2009 - 1 BvR 784/09 -).

23

c) Auf diesen vom Senat in ständiger Rechtsprechung gewährten Vertrauensschutz kann sich die Beklagte nicht berufen. Zwar war ihre Rechtsvorgängerin tarifgebunden. Die streitgegenständliche Bezugnahmeklausel ist aber erst im Jahr 2006 und damit nach dem 1. Januar 2002 vereinbart worden. Der Umstand, dass der Senat seine geänderte Rechtsprechung erstmals im Jahr 2007 angewandt hat, gebietet bereits deshalb keinen weitergehenden Anspruch auf Vertrauensschutz, weil der Senat seine Rechtsprechungsänderung schon im Jahr 2005 angekündigt hatte (vgl. BAG 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 19 ff., BAGE 116, 326).

24

4. Schließlich ist - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - die Frage, ob der TVöD/VKA günstiger ist als der HTV, nicht Voraussetzung für die Begründetheit der Feststellungsklage. Die Klage ist bereits deshalb begründet, weil die im Antrag genannten Tarifverträge - aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel - im Grundsatz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar sind. Ob und inwieweit sie günstiger sind als die für das Arbeitsverhältnis der Parteien daneben normativ geltenden Tarifverträge, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Diese Frage ist ggf. zu klären, sobald der Kläger konkrete Ansprüche aus dem TVöD geltend macht (vgl. zur Durchführung eines Sachgruppenvergleichs BAG 15. April 2015 - 4 AZR 587/13 -).

25

III. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Eylert    

        

    Creutzfeldt    

        

    Rinck    

        

        

        

    Pfeil    

        

    Rupprecht    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 6. August 2009 - 7 Sa 1674/08 - aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 7. Oktober 2008 - 10 Ca 130/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, welche tariflichen Regelungen aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.

2

Der nicht tarifgebundene Kläger ist seit dem 26. August 1980 als Arbeitnehmer bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 3. September 1980, der seinerzeit mit der Deutschen Bundespost geschlossen wurde, heißt es ua.:

        

„Die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb) und die sonstigen Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost gelten in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien als vereinbart.“

3

Bereits im Jahr 1990 entstanden im Zuge der sog. Postreform I aus der Deutschen Bundespost die einzelnen Geschäftsbereiche - sog. öffentliche Unternehmen - Postdienst, Postbank und Fernmeldedienst, die nach wie vor (Teil-)Sondervermögen des Bundes bildeten. Der Kläger verblieb im Geschäftsbereich Deutsche Bundespost - Fernmeldedienst (ab 1992 Deutsche Bundespost - Telekom). Die Geschäftsbereiche wurden bei der sog. Postreform II durch das Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (vom 14. September 1994, BGBl. I S. 2325, 2339 - Postumwandlungsgesetz - PostUmwG) privatisiert. Aus dem Geschäftsbereich, in dem der Kläger tätig gewesen war, entstand nach § 1 Abs. 2 dritter Spiegelstrich PostUmwG die Deutsche Telekom AG(nachfolgend DT AG). Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde zum 1. Januar 1995 gemäß § 21 Abs. 1 dritter Spiegelstrich des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost(vom 14. September 1994, BGBl. I S. 2325, 2353 - Postpersonalrechtsgesetz - PostPersRG) auf die DT AG übergeleitet.

4

Die DT AG vereinbarte in der Folgezeit mit der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) Tarifverträge, die ua. die zuvor zwischen der Deutschen Bundespost und der DPG geschlossenen „Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost“ (nachfolgend TVArb) für den Bereich der DT AG abänderten. Eine weitgehende Ablösung der vormals mit der Deutschen Bundespost geschlossenen und auch noch nachfolgend geänderten Tarifverträge erfolgte anlässlich der Einführung des „Neuen Bewertungs- und Bezahlungssystems - NBBS“ zum 1. Juli 2001 in einem gesonderten Übergangstarifvertrag, dem Tarifvertrag zur Umstellung auf das NBBS.

5

Im Jahre 2007 gründete die DT AG drei Telekom Service Gesellschaften, darunter die Beklagte. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging infolge Betriebsübergangs mit dem 25. Juni 2007 auf diese über. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden auf das Arbeitsverhältnis des Klägers stets die jeweiligen für ihn einschlägigen Tarifverträge der Deutschen Bundespost und später die der DT AG angewendet. Die Beklagte schloss ebenfalls am 25. Juni 2007 mit der Gewerkschaft ver.di Haustarifverträge ab, darunter den Manteltarifvertrag (MTV DTTS) und den Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DTTS), die von den Tarifverträgen der DT AG ua. bei der Arbeitszeit und beim Entgelt Abweichungen enthalten. Mit Schreiben vom 9. Januar 2008 hat der Kläger erfolglos Ansprüche nach den vormals bei der DT AG bestehenden Tarifverträgen geltend gemacht.

6

Mit seiner Klage begehrt der Kläger ua. die Feststellung, dass auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge der DT AG mit dem Regelungsbestand vom 24. Juni 2007 anzuwenden sind. Er ist der Auffassung, ein solcher Feststellungsantrag sei zulässig, da mit ihm die Anwendbarkeit der Tarifverträge der DT AG auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis geklärt werde. Die Hilfsanträge seien für den Fall der Unzulässigkeit des Hauptantrages gestellt. Bei der arbeitsvertraglichen Regelung handele es sich um eine kleine dynamische Bezugnahmeklausel, die das Tarifwerk der Deutschen Bundespost und später dasjenige der DT AG zur Anwendung bringe. Da die DT AG kraft Gesetzes Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundespost - Telekom sei, würden die von ihr seit 1995 geschlossenen neuen Tarifverträge ohne weiteres von der Bezugnahmeklausel erfasst. Die mit der Beklagten geschlossenen Haustarifverträge hätten die mit der DT AG vereinbarten hingegen nicht im Wege einer Tarifsukzession ersetzt.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

I.    

festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zu der Beklagten die Tarifverträge der Deutschen Telekom AG, Tarifstand 24. Juni 2007, anzuwenden sind,

        

II.     

hilfsweise

        

1.    

Es wird festgestellt, dass die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers über den 1. Juli 2007 hinaus weiterhin 34 Stunden gem. den tariflichen Bestimmungen der Deutschen Telekom AG, Tarifstand 24. Juni 2007, beträgt.

        

2.    

Es wird festgestellt, dass entsprechend den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen zwischen dem Kläger und der Deutschen Telekom AG die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1. Juli 2007 ein monatliches Entgelt nach Lohngruppe T 6 GrST 4 nach dem Entgelttarifvertrag der Deutschen Telekom AG, Stand Juni 2007, in Höhe von 3.444,00 Euro brutto sowie eine monatliche vermögenswirksame Leistung in Höhe von 6,65 Euro zu zahlen.

        

3.    

Es wird festgestellt, dass entsprechend den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen zwischen dem Kläger und der Deutschen Telekom AG der Samstag kein Regelarbeitstag ist.

        

4.    

Es wird festgestellt, dass entsprechend den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen zwischen dem Kläger und der Deutschen Telekom AG der Heiligabend (24.12.), Silvester (31.12.) sowie der Samstag vor Ostersonntag und Pfingstsonntag keine regulären Arbeitstage sind.

        

5.    

Es wird festgestellt, dass entsprechend den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen zwischen dem Kläger und der Deutschen Telekom AG Samstag und Sonntag zusammenhängende reguläre freie Arbeitstage pro Woche sind.

        

6.    

Es wird festgestellt, dass entsprechend den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen zwischen dem Kläger und der Deutschen Telekom AG es keinen so genannten optimierten Dienstantritt gibt.

        

7.    

Es wird festgestellt, dass der Kläger entsprechend den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen zwischen dem Kläger und der Deutschen Telekom AG gem. § 26 des Manteltarifvertrages iVm. § 7 des Tarifvertrages über Sonderregelungen besonderen Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer bei der Deutschen Telekom AG, Tarifstand 24. Juni 2007, besitzt.

8

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

9

Der Feststellungsantrag sei wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig. Der Antrag sei nicht geeignet, den Streit zwischen den Parteien abschließend zu klären. Darüber hinaus sei die Klage unbegründet. Mit dem Betriebsübergang seien die für die DT AG geltenden Tarifbestimmungen durch die bei ihr geltenden Haustarifverträge ersetzt worden. Die vertragliche Verweisung sei zwar zunächst als eine sog. kleine dynamische Bezugnahmeklausel vereinbart worden. Ab dem 1. Juli 2001 habe jedoch eine Regelungslücke bestanden, weil die Tarifverträge vom Wortlaut nicht erfasst seien. Aus der zeitdynamischen Bezugnahme des Tarifwerks der Deutschen Bundespost ergebe sich der Parteiwille, auch die Tarifverträge der DT AG und die ihrer Nachfolgeeinheiten in Bezug zu nehmen. Die Vertragspraxis der Parteien zeige auch deren Willen, die jeweils einschlägigen Tarifverträge anzuwenden. Zudem habe mit der Gewerkschaft ver.di stets diejenige Gewerkschaft gehandelt, die - früher noch als Deutsche Postgewerkschaft - den TV Arb und die Nachfolgetarifverträge geschlossen habe. Es handele sich um eine unternehmensübergreifende und konzernbezogene Tarifeinigung mit Ablösungswillen. Diese Tarifsukzession setze sich mit der Aufgliederung in immer kleinere Konzerngesellschaften fort. Es sei Sinn und Zweck der Gleichstellungsabrede, gleiche Arbeitsbedingungen in dem jeweiligen Konzernunternehmen der DT AG sicherzustellen.

10

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag zu 1. zu Unrecht abgewiesen. Der Antrag ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts begründet. Der Kläger kann die Anwendung der Tarifverträge der DT AG mit dem Regelungsstand vom 24. Juni 2007 auf sein Arbeitsverhältnis aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel verlangen.

12

I. Der Feststellungsantrag zu 1. ist zulässig.

13

1. Der Feststellungsantrag bedarf der Auslegung. Er ist, obwohl er nach seinem Wortlaut nur gegenwartsbezogen formuliert ist, dahingehend zu verstehen, dass der Kläger die Anwendbarkeit der im Antrag genannten Tarifverträge ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs, dem 25. Juni 2007, festgestellt wissen will. Das ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers. Der Kläger hat bereits mit seinem Geltendmachungsschreiben die Anwendbarkeit der vormals bei der DT AG bestehenden Tarifverträge mit dem Regelungsbestand, der bei Ablauf des 24. Juni 2007 bestand, angemahnt. Dieses Verständnis seines Antrages hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt.

14

2. Der derart klargestellte Antrag ist entgegen der Auffassung der Beklagten zulässig. Damit fallen die Hilfsanträge nicht zur Entscheidung an.

15

Eine Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage -. Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (st. Rspr., s. nur BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11 mwN, BAGE 128, 165). Mit dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellten Begehren kann der Streit der Parteien über Grund und Umfang insbesondere der zukünftigen Leistungspflichten, die sich aus der Bezugnahmeklausel in seinem Arbeitsvertrag vom 3. September 1980 ergeben, geklärt werden. Dass die Beklagte einer gerichtlichen Feststellung nicht Folge leisten will, trägt sie selbst nicht vor. Für ein solches zukünftiges Verhalten fehlt es auch an Anhaltspunkten. Aufgrund der Befriedungsfunktion eines Feststellungsurteils ist der Kläger entgegen dem Vorbringen der Beklagten auch nicht gehalten, eine Leistungsklage zu erheben (BAG 5. November 2003 - 4 AZR 632/02 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 108, 224; 9. Mai 2007 - 4 AZR 319/06 - Rn. 15, AP BGB § 305c Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 12). Entgegen der Auffassung der Beklagten bleibt auch etwa nicht ungeklärt, welche Ausschlussfristen zu beachten sind. Die von der Beklagten geschlossenen Tarifverträge gelten nicht nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG für das Arbeitsverhältnis des tarifungebundenen Klägers.

16

II. Der Feststellungsantrag zu 1. ist begründet. Die Tarifverträge der DT AG sind kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem tariflichen Regelungsbestand vom 24. Juni 2007, dem Tag vor dem Betriebsübergang auf die Beklagte, anzuwenden. Das ergibt eine ergänzende Auslegung der vereinbarten Bezugnahmeklausel, bei der es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Senatsrechtsprechung handelt. Diese erfasst nach dem Betriebsübergang auf die Beklagte allerdings nicht die von ihr geschlossenen Haustarifverträge, weil sie auch im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung weder als Tarifwechselklausel noch als eine Bezugnahmeklausel verstanden werden kann, die jedenfalls auf die im Konzern der DT AG für die einzelnen Konzernunternehmen jeweils einschlägigen Tarifverträge verweist.

17

1. Die Parteien stimmen zu Recht darin überein, dass es sich bei der Bezugnahmeregelung in dem 1980 geschlossenen Arbeitsvertrag um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Senatsrechtsprechung handelt.

18

a) Nach dieser Rechtsprechung waren bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers - anders als bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern - Verweisungsklauseln wie diejenige in dem Arbeitsvertrag der Parteien in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen. Dies beruhte auf der Vorstellung, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrages zu kommen und damit - bei deren genereller Verwendung - zu dessen Geltung für alle Beschäftigten (vgl. nur BAG 21. August 2002 - 4 AZR 263/01 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 102, 275; 25. September 2002 - 4 AZR 294/01 - zu II 2 f bb der Gründe, BAGE 103, 9; 1. Dezember 2004 - 4 AZR 50/04 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 113, 40 ). Diese Auslegungsregel hält der Senat nicht mehr aufrecht. Er wendet sie aus Gründen des Vertrauensschutzes aber weiterhin auf die Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind ( st. Rspr., vgl. nur BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 18 und 22 jeweils mwN, BAGE 132, 261; 26. August 2009 - 4 AZR 285/08 - Rn. 49, BAGE 132, 10; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 26 ff., BAGE 122, 74; 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326).

19

b) Da die im Arbeitsvertrag enthaltene Verweisung auf die Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost im Jahre 1980 vereinbart worden ist, kommt bei dessen Auslegung weiterhin die frühere Senatsrechtsprechung zum Tragen. Danach ist die Bezugnahmeklausel des Arbeitsvertrages eine Gleichstellungsabrede. Sie verweist auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge, an die die damalige Arbeitgeberin tarifgebunden war. Auf diese Weise sind deren Regelungen mit der sich aus dem Charakter als Gleichstellungsabrede ergebenden Maßgabe Inhalt des Arbeitsvertrages des Klägers geworden.

20

2. Nach dem Arbeitsvertrag sind für das Arbeitsverhältnis die Anwendung der „Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb) und die sonstigen Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost … in ihrer jeweiligen Fassung“ vereinbart. Diese Abrede enthält eine dynamische Bezugnahme, die den TV Arb und die sonstigen Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost erfasst.

21

a) Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag handelt es sich um einen Formularvertrag, dessen Inhalt als Allgemeine Geschäftsbedingung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen ist, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten ( BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 12, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44 ). Die Auslegung durch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden (st. Rspr., vgl. nur BAG 30. August 2000 - 4 AZR 581/99 - zu I 1 b der Gründe mwN, BAGE 95, 296). Dies gilt auch für Bezugnahmeklauseln (BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - aaO; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 24, BAGE 122, 74).

22

b) Danach enthält der Arbeitsvertrag eine zeitdynamische Bezugnahme auf die jeweiligen Regelungen des TV Arb einschließlich der hierzu geschlossenen Zusatztarifverträge, die aber nicht inhaltsdynamisch ausgestaltet ist.

23

aa) Im Arbeitsvertrag knüpfen die Parteien hinsichtlich der Arbeitsbedingungen an die für den Bereich der damaligen Deutschen Bundespost im Arbeiterbereich tariflich vereinbarten Regelungen an und gestalten sie zeitdynamisch. Davon gehen die Parteien übereinstimmend aus und dem entsprach auch die arbeitsvertragliche Praxis. Damit wollte die Deutsche Bundespost in ihren Betrieben das für sie geltende Tarifwerk anwenden und die dort stattfindende tarifliche Entwicklung auch in den Arbeitsverhältnissen der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer nachvollziehen.

24

bb) Die Bezugnahme erfasst von ihrem Wortlaut her jedenfalls nicht die den TV Arb und seine Zusatztarifverträge ersetzenden Tarifverträge der DT AG im Zuge der Vereinbarung der Tarifverträge des NBBS. Diese sind keine „jeweilige Fassung“ des TV Arb und der ihn ergänzenden oder ändernden Tarifverträge und wurden zudem nicht von der Deutschen Bundespost, sondern von einem der drei Nachfolgeunternehmen, der DT AG, geschlossen. Der Arbeitsvertrag ist hinsichtlich der Bezugnahme nur zeitdynamisch auf den TV Arb, nicht aber inhaltsdynamisch auf die Tarifverträge der DT AG ausgestaltet (s. auch BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 18, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 10. Juni 2009 - 4 AZR 194/08 - Rn. 38, AP BGB § 157 Nr. 38; jeweils zum BAT). Ob die von der DT AG und der DPG seit Beginn des Jahres 1995 geschlossenen Tarifverträge, die den TV Arb und die Zusatztarifverträge für den Bereich der DT AG - teilweise unter Beibehaltung der Bezeichnung „TV Arb“ - änderten und ergänzten, noch ohne weiteres von der Bezugnahmeregelung erfasst waren, obwohl sie auf Arbeitgeberseite von der DT AG und nicht von der Deutschen Bundespost geschlossen worden waren, muss der Senat vorliegend nicht entscheiden.

25

3. Die Anwendbarkeit der Regelungen der vom Kläger angeführten Tarifverträge mit dem Regelungsstand vom 24. Juni 2007 ergibt sich jedenfalls aufgrund einer ergänzenden Auslegung der im Arbeitsvertrag enthaltenen Bezugnahmeklausel in Form einer sog. Gleichstellungsabrede. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält aufgrund des Übergangs der Deutschen Bundespost im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf die DT AG zum 1. Januar 1995 und durch die Ablösung der fortgeschriebenen Regelungen des TV Arb und der ihn ergänzenden Tarifverträge durch die Einführung des NBBS und der in diesem Zusammenhang geschlossenen Tarifverträge jedenfalls spätestens seit dem 1. Juli 2001 eine nachträglich eingetretene Regelungslücke, die im Wege einer zulässigen ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist.

26

a) Der Arbeitsvertrag ist, weil er nachträglich lückenhaft geworden ist, einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich.

27

aa) Voraussetzung der ergänzenden Vertragsauslegung ist, dass die Vereinbarung eine Regelungslücke iSe. planwidrigen Unvollständigkeit aufweist (BAG 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - Rn. 25; 21. April 2009 - 3 AZR 640/07 - Rn. 33, BAGE 130, 202). Eine Regelungslücke liegt dabei nur vor, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder zwar nicht übersehen, aber doch bewusst offengelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und die Annahme der fehlenden Regelungsbedürftigkeit sich nachträglich als unzutreffend herausstellt. Von einer Planwidrigkeit kann nur die Rede sein, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrages eine diesem einvernehmlichen Regelungsplan angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist (BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 23 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 21. April 2009 - 3 AZR 640/07 - aaO).

28

bb) Danach ist die Bezugnahme im Arbeitsvertrag lückenhaft. Aus der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme auf das jeweils geltende tarifliche Regelungswerk für die Arbeiter der Deutschen Bundespost ergibt sich der Wille der Parteien, die Arbeitsbedingungen nicht in einer bestimmten Weise festzuschreiben, sondern sie - dynamisch - an der Tarifentwicklung im Bereich der Deutschen Bundespost auszurichten. Das Arbeitsverhältnis wird in seiner Entwicklung an diejenigen Arbeitsbedingungen gebunden, die für die Arbeitnehmer gelten, die von dem in Bezug genommenen Tarifvertrag erfasst werden.

29

Die Parteien haben allerdings, wie sie übereinstimmend vorgetragen haben, bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht bedacht, dass die Deutsche Bundespost privatisiert und im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf drei rechtlich selbständige Aktiengesellschaften übergeht und infolgedessen der TV Arb durch die Deutsche Bundespost nicht mehr fortgeführt werden könnte, weshalb für diesen Fall eine Regelung im Arbeitsvertrag fehlt. Durch die fast vollständige Ersetzung des tariflichen Regelungswerks für die Arbeiter der Deutschen Bundespost im Bereich der DT AG zum 1. Juli 2001 durch das neue Tarifwerk im Rahmen des NBBS war der bestehende Vertrag spätestens seit dem 1. Juli 2001 lückenhaft geworden.

30

Ob die DT AG als einer der drei Rechtsnachfolger der Deutschen Bundespost aufgrund der Regelung in § 21 Abs. 1 PostPersG in die von dieser geschlossenen Tarifverträge tatsächlich im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge eingetreten ist, wie es der Kläger meint, und was im Ergebnis zu einer „Verdreifachung“ des bestehenden Tarifwerks auf drei Rechtsnachfolger geführt hätte, muss der Senat nicht abschließend entscheiden. Denn jedenfalls die Tarifverträge, die im Rahmen des NBBS geschlossen wurden, werden von der Bezugnahmeklausel nicht mehr erfasst (unter II 2 b bb).

31

b) Eine nachträglich entstandene Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Diese ergibt, dass die Parteien die für den Kläger einschlägigen Tarifverträge der DT AG vereinbart hätten. Ob der Kläger und die DT AG durch ihre Vertragspraxis nach dem 1. Juli 2001 bis zum Betriebsübergang auf die Beklagte im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses konkludent die Bezugnahmeklausel dahingehend abgeändert haben, es sollen die Tarifverträge der DT AG zur Anwendung kommen, muss, auch wenn vieles hierfür spricht, daher nicht abschließend entschieden werden (dazu etwa BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 25, BAGE 128, 73), da sich deren Anwendbarkeit jedenfalls infolge einer ergänzenden Vertragsauslegung ergibt.

32

aa) Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung tritt an die Stelle der lückenhaften Klausel diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Geschäftsbedingung bekannt gewesen wäre (st. Rspr., etwa BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 31, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 22, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44 ; 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 26, BAGE 122, 182). Die ergänzende Vertragsauslegung im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat sich zu orientieren an einem objektiv-generalisierenden, am Willen und Interesse der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise, ausgerichteten Maßstab, und nicht nur an dem der konkret beteiligten Personen (BGH 7. März 1989 - KZR 15/87 - zu II 1 der Gründe mwN, BGHZ 107, 273). Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Maßgebender Zeitpunkt für die Feststellung und Bewertung des mutmaßlichen typisierten Parteiwillens und der Interessenlage ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, da die ergänzende Vertragsauslegung eine anfängliche Regelungslücke rückwirkend schließt (BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - aaO; BGH 12. Oktober 2005 - IV ZR 162/03 - zu B IV 1 b der Gründe, BGHZ 164, 297). Das gilt auch, wenn eine Lücke sich erst nachträglich als Folge des weiteren Verlaufs der Dinge ergeben hat (BGH 6. Juli 1989 - III ZR 35/88 - zu II 4 a der Gründe, NJW-RR 1989, 1490). Zunächst ist hierfür an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit irgend möglich, sind danach Lücken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrages „zu Ende gedacht“ werden (BGH 20. September 1993 - II ZR 104/92 - zu 2 der Gründe, BGHZ 123, 281).

33

bb) Ausgehend von diesen Maßstäben hätten die Parteien redlicherweise für den Fall des Wegfalls der ursprünglichen Tarifvertragspartei Deutsche Bundespost auf Arbeitgeberseite infolge der Postreform II und der damit verbundenen partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf die DT AG sowie der sich nachfolgend vollziehenden Ablösung der Tarifverträge der Deutschen Bundespost durch das tarifliche Regelungswerk der DT AG dessen arbeitsvertragliche Bezugnahme vereinbart, weil eine statische Regelung der Arbeitsbedingungen nach dem TV Arb und den weiteren Tarifverträgen für die Arbeiter, sei es in dem Regelungsbestand zum Jahreswechsel 1995 oder zum 1. Juli 2001, nicht ihren Interessen entsprach.

34

Zwar handelt es sich bei der Ersetzung des TV Arb durch das Tarifwerk der DT AG nicht um eine von den denselben Tarifvertragsparteien vereinbarte Tarifsukzession innerhalb des Anwendungsbereichs des bisherigen Tarifvertrages, wie es etwa im Bereich des öffentlichen Dienstes durch die weitgehende Ersetzung des BAT durch die Nachfolgetarifverträge der Fall gewesen ist (dazu ausf. BAG 22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 24 ff. mwN, BAGE 130, 286). Das würde nicht berücksichtigen, dass es nicht nur zu einer Ablösung des TV Arb sowie der ihn ändernden und ergänzenden Tarifverträge gekommen ist, sondern auch zu einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge in Bezug auf die ursprüngliche Tarifvertragspartei „Deutsche Bundespost“, die im weiteren Verlauf drei voneinander differierende Tarifvertragswerke in den Unternehmen DT AG, Deutsche Post AG und Deutsche Postbank AG hervorgebracht hat.

35

Jedenfalls für den Kläger, der seit Beginn seiner Tätigkeit stets als Fernmeldehandwerker in dem Unternehmensbereich tätig gewesen ist, der später den Geschäftsbereich Fernmeldedienst und nachfolgend Telekom bildete und anschließend auf die DT AG übergegangen ist, ist davon auszugehen, dass die Arbeitsvertragsparteien in diesem speziellen Fall einer Gesamtrechtsnachfolge auf drei Nachfolgeunternehmen unter Wegfall der ursprünglichen Tarifvertragspartei von den dann bestehenden Nachfolgeregelungen diejenigen Tarifbestimmungen in Bezug genommen hätten, die dem Tätigkeitsbereich des Klägers entsprechen. Dies sind die Tarifverträge der DT AG. Dem entspricht auch die Vertragspraxis der damaligen Arbeitsvertragsparteien - des Klägers und der DT AG -, die bis zum Betriebsübergang im Jahre 2007 stets dieses Tarifwerk angewendet haben.

36

4. Infolge des Betriebsübergangs auf die Beklagte hat sich an dieser Rechtslage nichts geändert. Die so begründeten, aus dem in Bezug genommenen Tarifwerk herrührenden individualvertraglichen Rechte und Pflichten wurden nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten als Erwerberin(vgl. BAG 17. November 2010 - 4 AZR 391/09 - Rn. 19, NZA 2011, 356; 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - BAGE 105, 284; 26. September 2001 - 4 AZR 544/00 - BAGE 99, 120), und zwar, weil es sich um eine Gleichstellungsabrede handelt (oben II 1 a), mit dem tariflichen Regelungsbestand vom 24. Juni 2007. Die Bezugnahme erstreckt sich dagegen nicht auf die von der Beklagten geschlossenen Tarifverträge.

37

a) Die Bezugnahmeklausel erfasst nicht die bei der Beklagten bestehenden Tarifverträge. Besondere Umstände, die eine erweiternde Auslegung der Bezugnahmeklausel ermöglichen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Für eine weitere ergänzende Vertragsauslegung fehlt es an der erforderlichen Vertragslücke. Ein anderes ergibt sich nicht aus dem Charakter der Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede.

38

aa) Die Bezugnahmeklausel erfasst nach ihrem Inhalt nicht die bei der Beklagten geschlossenen Tarifverträge.

39

(1) Der Wortlaut der Bezugnahmeklausel gibt keine ausreichenden Hinweise darauf, dass eine Tarifwechselklausel oder zumindest eine Bezugnahme vereinbart worden ist, die die jeweiligen Tarifverträge von einzelnen Konzernunternehmen der DT AG erfasst. Das gilt auch für die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bestehende Bezugnahmeregelung. Es bestehen selbst unter Berücksichtigung der Vertragspraxis bei der DT AG bis zum Betriebsübergang im Jahre 2007 keine Anhaltspunkte dafür, es sollten über die von der DT AG selbst geschlossenen Tarifregelungen weitere Tarifverträge anderer Tarifvertragsparteien erfasst werden. Anhaltspunkte, die ursprüngliche Bezugnahmeklausel sei bereits ihrem Wortlaut nach als Tarifwechselklausel auszulegen, sind nicht erkennbar. Das gilt auch für ihren Inhalt aufgrund der ergänzenden Vertragsauslegung.

40

(2) Auch für die von der Beklagten in Anspruch genommene Auslegung dahingehend, jedenfalls innerhalb einzelner Konzernunternehmen sollten im Falle von Unternehmensabspaltungen oder Neugründungen von Tochterunternehmen mit nachfolgenden (Teil-)Betriebsübergängen die dort jeweils einschlägigen Tarifverträge angewendet werden, gibt es weder im Vertragswortlaut noch in der folgenden Vertragspraxis einen hinreichenden Anhaltspunkt. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, es solle die Tarifentwicklung nicht nur bei der DT AG, sondern auch bei von ihr gegründeten Tochterunternehmen jeweils nachvollzogen werden, selbst wenn die DT AG und die von ihr geschlossenen und arbeitsvertraglich - mit - in Bezug genommenen Tarifverträge weiterhin bestehen und als solche auch weiterentwickelt werden.

41

(3) Eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die bei der Beklagten geltenden Haustarifverträge kann dem Arbeitsvertrag der Parteien nicht im Wege einer - weiteren - ergänzenden Vertragsauslegung entnommen werden. Weder liegt ein Fall der Tarifsukzession vor, wie die Beklagte meint, noch besteht eine Vertragslücke.

42

Eine von den denselben Tarifvertragsparteien vereinbarte Tarifsukzession innerhalb des Geltungsbereichs des bisherigen Tarifvertrages, wie sie etwa im Bereich des öffentlichen Dienstes durch die weitgehende Ersetzung des BAT durch die Nachfolgetarifverträge geschehen ist (dazu ausf. BAG 22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 24 ff. mwN, BAGE 130, 286), ist vorliegend nicht gegeben. Vielmehr bestehen die Tarifverträge bei der DT AG nach wie vor fort. Deshalb fehlt es auch an einer Vertragslücke, weil das Bezugnahmeobjekt - anders als der TV Arb und die dazu geschlossenen Zusatztarifverträge spätestens zum 1. Juli 2001 - nicht weggefallen ist.

43

(4) Ebenso wenig hat ein „abgestimmtes Verhalten“ von Tarifvertragsparteien Einfluss auf die Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Ihr eventueller Gestaltungswille als nicht am Arbeitsvertrag Beteiligte ist für die Auslegung einer einzelvertraglichen Bezugnahmeklausel ohne Bedeutung (BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 20, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 16, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Allein der Umstand, dass die DT AG vor dem Betriebsübergang Spartentarifverträge hätte schließen können, die dann von der Bezugnahmeklausel hätten erfasst sein können, führt nicht dazu, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag nun - da dies nicht geschehen ist - entsprechend korrigierend auszulegen wäre. Der DT AG wäre es - eine Einigung mit der vertragsschließenden Gewerkschaft vorausgesetzt - zwar unbenommen gewesen, Spartentarifverträge für ihr Unternehmen abzuschließen. Aber selbst dann würde die Bezugnahmeklausel im Falle eines nachfolgenden Betriebsübergangs nur die von der DT AG geschlossenen Tarifverträge erfassen, nicht aber nachfolgende Tarifverträge der Beklagten, die diese inhaltlich fortsetzen.

44

bb) Dafür, dass die Bezugnahmeklausel über ihren Wortlaut hinaus auch einen Wechsel auf die jeweils einschlägigen Tarifverträge in Konzernunternehmen der DT AG mit erfassen soll, spricht nichts.

45

(1) Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Bezugnahme auf das Tarifwerk einer bestimmten Branche über ihren Wortlaut hinaus nur dann als große dynamische Verweisung - Bezugnahme auf den jeweils für den Betrieb fachlich bzw. betrieblich geltenden Tarifvertrag - ausgelegt werden, wenn sich dies aus besonderen Umständen ergibt (st. Rspr., 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 21 mwN, BAGE 128, 165; 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 17, BAGE 124, 34; 25. September 2002 - 4 AZR 294/01 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 103, 9).

46

(2) Ein derartiges am Wortlaut der Bezugnahmeklausel orientiertes Auslegungsergebnis gilt auch, wenn die Arbeitsvertragsparteien vertraglich die Anwendung eines beim Arbeitgeber geltenden Haustarifvertrages vereinbaren und diesen in der Klausel namentlich bezeichnen. In Bezug genommen ist dann nur der genannte Tarifvertrag oder das betreffende Tarifwerk in seiner jeweiligen Fassung und - was durch Auslegung der Klausel zu ermitteln ist - die ergänzenden, ändernden und ggf. ersetzenden Tarifverträge.

47

Auch hier haben die Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit, die Rechtsfolge eines Tarifwechsels, etwa weil wie hier ein anderer Arbeitgeber an einen anderen abgeschlossenen Tarifvertrag gebunden ist, ausdrücklich zu vereinbaren. Sie bestimmen mit ihrer vertraglichen Abrede den Umfang der Bezugnahme. Wollen die Arbeitsvertragsparteien für den Fall einer durch einen Betriebsübergang geänderten Tarifbindung des Arbeitgebers an einen anderen Tarifvertrag erreichen, dass durch eine vertragliche Bezugnahme das im neuen Unternehmen geltende Tarifrecht zur Anwendung kommt, haben sie die Möglichkeit, den Typus der Tarifwechselklausel zu wählen. Schlicht unterstellt werden kann der Wille zum Tarifwechsel nicht (st. Rspr., s. nur BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 22 mwN, BAGE 128, 165). Solcher Tarifwechselklauseln hat sich die Beklagte im Übrigen auch in den später von ihr geschlossenen Arbeitsverträgen nach dem unstreitigen Vorbringen des Klägers bedient.

48

Das Argument der Beklagten, die vertragliche Bezugnahme sei dann anders zu beurteilen, wenn es sich lediglich um einen Arbeitgeberwechsel infolge eines Betriebsübergangs innerhalb derselben Branche handelt, verkennt, dass es sich hier um die Auslegung einer vertraglichen Abrede handelt. Hierfür ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob sich die Tarifgebundenheit durch einen Verbandswechsel des Arbeitgebers ändert oder das Arbeitsverhältnis infolge eines Betriebsübergangs auf einen anders tarifgebundenen Arbeitgeber übergeht. Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob ein solcher Vorgang mit einem Branchenwechsel einhergeht (vgl. BAG 22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 27, BAGE 130, 286; 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 23, BAGE 128, 165).

49

(3) Die Beklagte kann sich schließlich nicht erfolgreich auf die Entscheidung des Senats vom 4. September 1996 (- 4 AZR 135/95 - BAGE 84, 97) stützen. Die damalige Entscheidung betraf zwar eine arbeitsvertragliche Verweisungsklausel, die keine Tarifwechselklausel zum Inhalt hatte, und im Fall des Verbandswechsels des Arbeitgebers korrigierend dahingehend ausgelegt wurde, dass eine Verweisung auf den jeweils für den Betrieb geltenden Tarifvertrag vereinbart sei. Grundlage dieses Verständnisses war der Umstand, dass der Vertragspartner der von unterschiedlichen Arbeitgeberverbänden abgeschlossenen Tarifverträge jeweils dieselbe Gewerkschaft war, der auch die damalige Klägerin angehört hatte. Soweit der Senat in der wiedergegebenen Rechtsprechung angenommen hat, in solchen Fallgestaltungen sei eine korrigierende Auslegung über den eindeutigen Wortlaut der Bezugnahmeklausel hinaus möglich, hat er diese kritisierte Rechtsprechung (s. nur Buchner Anm. EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 7; kritisch auch Annuß BB 1999, 2558; Danne SAE 1998, 111; Dauner-Lieb SAE 1999, 47; Kohte AuA 1997, 171) ausdrücklich aufgegeben (BAG 22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 73, BAGE 130, 286; im Anschluss an 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 24 f., BAGE 128, 165; relativierend bereits 30. August 2000 - 4 AZR 581/99 - zu I 1 c bb der Gründe, BAGE 95, 296 ).

50

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten führt der Umstand, dass die Verweisung im Arbeitsvertrag als Gleichstellungsabrede auszulegen ist, nicht zu einem Wechsel des auf vertraglicher Grundlage anwendbaren Tarifrechts. Das lässt sich weder aus Wortlaut und Sinn der Vertragsklausel noch aus dem Gedanken einer hierauf aufbauenden „entsprechenden Anwendung“ des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB herleiten, die die Beklagte anführt.

51

(1) Das mit dem Begriff „Gleichstellungsabrede“ gekennzeichnete Auslegungsergebnis einer Bezugnahmeklausel hatte und hat in der Rechtsprechung des Senats nicht den Inhalt, den am Vertrag beteiligten Arbeitnehmer in jeder Hinsicht wie ein Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft oder zumindest tarifrechtlich wie einen an den in Bezug genommenen Tarifvertrag gebundenen Arbeitnehmer zu behandeln. Es ging und geht stets nur um die vertragsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers, ihn also lediglich vertraglich hinsichtlich des in Bezug genommenen Tarifvertrages oder Tarifwerks so zu stellen, als wäre er an diesen Tarifvertrag gebunden. Wesentliche Rechtsfolge dieses Auslegungsergebnisses war es, die sich aus dem Wortlaut der Bezugnahme ergebende Dynamik der einzelvertraglich anwendbaren Tarifverträge auf die Zeit zu begrenzen, in der der Arbeitgeber ohnehin im Verhältnis zu tarifgebundenen Arbeitnehmern durch seine Verbandsmitgliedschaft an die Tarifentwicklung gebunden war. Eine Gleichstellung, die auch einen für Gewerkschaftsmitglieder normativ, beispielsweise aufgrund von § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB, eintretenden Tarifwechsel vertraglich nachvollzieht, kann zwar vereinbart werden; ein derartiger Regelungswille muss aber im Vertragswortlaut erkennbar zum Ausdruck kommen (BAG 17. November 2010 - 4 AZR 391/09 - Rn. 31, NZA 2011, 356). Das ist vorliegend nicht der Fall.

52

(2) In seinem Urteil vom 29. August 2007 hat der Senat im Einzelnen begründet, warum im Verhältnis zwischen einer vertraglich vereinbarten Tarifgeltung und einem normativ geltenden Tarifvertrag im Hinblick auf die unterschiedlichen Regelungsebenen entgegen der Auffassung der Beklagten eine entsprechende Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB nicht in Betracht kommt(-  4 AZR 767/06  - Rn. 19 mwN, BAGE 124, 34 zu den hierzu in der Literatur vertretenen Auffassungen). Der Senat nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

53

Die Vorschrift des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ist nicht dazu bestimmt, auf beim Veräußerer vertraglich begründete Rechte und Pflichten Einfluss zu nehmen. § 613a Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BGB regeln ausschließlich den Erhalt von ursprünglich normativ begründeten Besitzständen nach einem Betriebsübergang, in dessen Folge die Voraussetzungen für eine normative Weitergeltung entfallen sind. Vertragliche Rechtspositionen, auch wenn sie in einer privatautonomen Einbeziehung von Tarifrecht ihren Grund haben, gehen ohne weiteres und uneingeschränkt nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB über. Ein anderes Verständnis stünde im Übrigen auch im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1 der Betriebsübergangs-Richtlinie 2001/23/EG vom 12. März 2001, wonach Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsvertrag ohne weiteres auf den Erwerber übergehen (s. nur BAG 17. November 2010 - 4 AZR 391/09 - Rn. 23, NZA 2011, 356).

54

(3) Der weitere Einwand der Beklagten, dem Arbeitgeber werde bei einem Vertragsverständnis, das nicht zu einer Einbeziehung des bei ihm geltenden Tarifrechts führe, kein wirksames Instrument zur Verfügung gestellt, mit dem er in Ausübung seines Grundrechts des Art. 9 Abs. 3 GG „konstitutive einzelvertragliche Ansprüche jedenfalls ihrer ebenfalls tarifgebundenen Arbeitnehmer ändern … könnte“, weshalb es zu einem Verstoß gegen das Koalitionsgrundrecht komme, geht bereits im Ansatz fehl. Die Beklagte übersieht die unterschiedlichen Regelungsebenen tarifvertraglicher und individualvertraglicher Vereinbarungen.

55

Gegenstand kollektiver Regelungen durch tarifliche Inhaltsnormen ist die Festsetzung allgemeiner und gleicher Mindestarbeitsbedingungen. Die Möglichkeit, demgegenüber günstigere Arbeitsbedingungen einzelvertraglich zu vereinbaren, kann ein Tarifvertrag auch für tarifgebundene Arbeitsverhältnisse nicht einschränken (BAG 23. März 2011 - 4 AZR 366/09 - Rn. 41, NZA 2011, 920). Ebenso wenig kann ein Tarifvertrag bestehende individualvertraglich vereinbarte Rechte abändern oder verkürzen (s. nur BAG 18. August 1971 - 4 AZR 342/70 - BAGE 23, 399: Anrechnungsklausel). Von daher ist schon im Ansatz eine Verletzung des Koalitionsgrundrechts im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gewährleistete Tarifautonomie ausgeschlossen. Das Recht, Tarifverträge mit unmittelbarer und zwingender Wirkung für die Tarifgebundenen zu vereinbaren - § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG - bleibt der Beklagten unbenommen. Ebenso unbeeinträchtigt davon bleiben allerdings auch die einzelvertraglich vereinbarten günstigeren Regelungen, die im Wege des Sachgruppenvergleichs (st. Rspr., etwa BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 60 mwN, BAGE 131, 176) zu ermitteln sind.

56

dd) Dem vorliegenden Ergebnis steht auch nicht die „Rechtsfolgenbetrachtung“ der Beklagten entgegen, wonach es im Falle von zwei aufeinanderfolgenden Betriebsübergängen zu einer nicht mehr auflösbaren Kollision des nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformierten Rechts kommen soll. Es könne dann nicht mehr geklärt werden, in welchem Verhältnis einzelvertraglich vereinbarte Regelungen und vormalige tariflich geltende Regelungen, die nun transformiert worden seien, zueinander stünden. Die Beklagte berücksichtigt nicht, dass die nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformierten Normen nicht dergestalt Inhalt der individualvertraglichen Abrede werden, wie dies bei der vertraglichen Bezugnahme von Tarifverträgen der Fall ist; sie behalten vielmehr ihren kollektiv-rechtlichen Charakter bei (ausf. BAG 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 61 ff., BAGE 130, 237). Deshalb ist ein Günstigkeitsvergleich entgegen ihrer Auffassung ohne weiteres möglich und geboten, wenn es zu einem zweiten Betriebsübergang auf einen tarifungebundenen Erwerber kommt (dazu BAG 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 30, aaO).

57

b) Eine korrigierende Auslegung im Sinne der Beklagten ist schließlich nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes geboten.

58

aa) Die Beklagte verkennt, dass sich der in den Entscheidungen des Senats zur Gleichstellungsabrede gewährte Vertrauensschutz nicht darauf bezieht, ob eine Klausel als Tarifwechselklausel auszulegen ist oder nicht.

59

(1) Der Gleichstellungsgehalt einer solchen Vereinbarung ist nach der früheren Rechtsprechung auf den Zusammenhang zwischen der Dynamik der Bezugnahme und der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die bezeichneten Tarifverträge beschränkt (BAG 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 17 f., BAGE 124, 34; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 27, BAGE 122, 74). Nur insoweit wendet der Senat die frühere Rechtsprechung auf „Altverträge“, also vor dem 1. Januar 2002 geschlossene Arbeitsverträge an und gewährt in diesem Rahmen Vertrauensschutz (st. Rspr., vgl. nur BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 18 und 22 jeweils mwN, BAGE 132, 261; 26. August 2009 - 4 AZR 285/08 - Rn. 49, BAGE 132, 10; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 26 ff., BAGE 122, 74; 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326).

60

(2) Demgegenüber hat der Senat für die Annahme einer Tarifwechselklausel stets besondere und von der Annahme einer Gleichstellungsabrede unabhängige Voraussetzungen für notwendig erachtet (s. nur BAG 30. August 2000 - 4 AZR 581/99 - zu I 1 c bb der Gründe, BAGE 95, 296; 16. Oktober 2002 - 4 AZR 467/01 - zu I 1 b aa und bb aaa der Gründe, BAGE 103, 141).

61

bb) Die Beklagte kann sich schließlich nicht deshalb auf Vertrauensschutz berufen, weil das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (11. August 2004 - 2 Sa 475/03 -) ihre Rechtsauffassung geteilt hat.

62

Die Gewährung von Vertrauensschutz in eine höchstrichterliche Rechtsprechung setzt voraus, dass die betroffene Partei in die Fortgeltung einer bisherigen Rechtsprechung vertrauen durfte. Selbst eine einzelne höchstgerichtliche Entscheidung reicht nicht aus, die Gewährung von Vertrauensschutz zu begründen. Für die vorliegende Fallgestaltung gibt es keine die Vertragsauslegung der Beklagten stützende höchstrichterliche Rechtsprechung, weshalb ein Vertrauensschutz schon deshalb ausscheidet (BAG 29. August 2007 - 4 AZR 765/06 - Rn. 31 f., AuR 2008, 181).

63

III. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revsion nach § 91 ZPO zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Creutzfeldt    

        

    Treber    

        

        

        

    H. Klotz    

        

    Th. Hess    

                 

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 22. Januar 2008 - 14 Sa 87/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen tariflichen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung eines Aufschlags zur Urlaubsvergütung.

2

Der Kläger, Mitglied des Marburger Bundes, war vom 1. August 2000 bis zum 31. Dezember 2007 als Arzt in der Weiterbildung bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte ist Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV). Dem Arbeitsverhältnis liegt der am 12. März 2004 geschlossene Arbeitsvertrag zugrunde, in dessen § 2 es heißt:

        

„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den ihn ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für die Arbeitgeberin jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge und bezirklichen Regelungen Anwendung. …“

3

Der Marburger Bund hatte 1994 mit der Deutschen Angestelltengewerkschaft(DAG) eine Vereinbarung über eine tarifliche Zusammenarbeit geschlossen, in der diese ua. zum Abschluss von Tarifverträgen bevollmächtigt wurde. Auf dieser Grundlage erfolgten auch Tarifabschlüsse durch die Rechtsnachfolgerin der DAG, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Im Verlauf der Tarifvertragsverhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) im Jahre 2005 widerrief der Marburger Bund gegenüber der Gewerkschaft ver.di die zum Abschluss von Tarifverträgen erteilte Vollmacht und forderte zugleich die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) zu Tarifvertragsverhandlungen über einen Tarifvertrag für Ärzte auf. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (TVöD/VKA) wurde ua. von der Gewerkschaft ver.di und der VKA nach Zugang des Widerrufs der Vollmacht am 13. September 2005 unterzeichnet und trat am 1. Oktober 2005 in Kraft. Der Marburger Bund kündigte den BAT zum 31. Dezember 2005. Der später zwischen dem Marburger Bund und der VKA geschlossene Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) trat nach § 40 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA am 1. August 2006 in Kraft.

4

Die Beklagte leitete den Kläger zum 1. Oktober 2005 gemäß dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts(vom 13. September 2005, TVÜ-VKA) in das Tarifrecht des TVöD über. Der Kläger widersprach bereits mit Schreiben vom 26. September 2005 der ihm mitgeteilten Überleitung. Im Zeitraum vom 15. bis zum 31. Oktober 2005 nahm der Kläger Erholungsurlaub in Anspruch. Die Beklagte zahlte ihm für diese Zeit keinen Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 BAT. Bis zum Monat September 2005 hatte sie auf Grundlage dieser Tarifregelung dem Kläger einen Aufschlag von 57,16 Euro je Urlaubstag gezahlt. Mit Schreiben vom 5. Mai 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Anspruch nicht bestehe, weil sein Arbeitsverhältnis unter den Bedingungen des TVöD noch keine drei volle Monate bestanden habe. Mit Schreiben vom 6. Februar 2007 macht der Marburger Bund für den Kläger die Zulage iHv. insgesamt 628,76 Euro brutto erfolglos geltend.

5

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter. Der Anspruch ergebe sich aufgrund seiner Mitgliedschaft im Marburger Bund kraft unmittelbarer beiderseitiger Tarifbindung an den BAT nach dessen § 47 Abs. 2. Selbst wenn man entgegen der Auffassung des Klägers von einer rechtmäßigen Überleitung in den TVöD ausgehen würde, sei sein Anspruch nach § 21 TVöD in Höhe von 552,40 Euro begründet, so wie es die Beklagte hilfsweise berechnet habe.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 628,76 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 13. April 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach dem Grundsatz der Tarifeinheit sei allein der speziellere TVöD anwendbar. Die Voraussetzungen der Nachfolgeregelung des § 47 Abs. 2 BAT in § 21 TVöD seien nicht erfüllt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers habe im Oktober 2005 noch keinen vollen Kalendermonat bestanden. Arbeitsverhältnisse iSd. § 21 TVöD seien nur solche unter der Geltung des betreffenden Tarifvertrages. Beschäftigungszeiträume vor dem 1. Oktober 2005 blieben daher unberücksichtigt.

8

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Der Kläger hat nach gerichtlichem Hinweis des Senats weiter vorgetragen, er habe neben dem Schreiben des Marburger Bundes vom 6. Februar 2007 bereits mit einer E-Mail vom 1. Januar 2006 und mit einer weiteren E-Mail vom 31. Januar 2006 seine Ansprüche schriftlich geltend gemacht. Der Senat hat mit Beschluss vom 27. Januar 2010 an den Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts eine Divergenzanfrage gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG gerichtet. Der Zehnte Senat hat mit Beschluss vom 23. Juni 2010 (- 10 AS 3/10 -) über die Anfrage des erkennenden Senats entschieden.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem Kläger den Aufschlag zum Urlaubsentgelt nach § 47 Abs. 2 BAT zu Recht zugesprochen. Der zwischen den Parteien im Streitzeitraum unmittelbar und zwingend geltende BAT wird nicht durch den TVöD nach dem Grundsatz der Tarifeinheit aufgrund einer bei der Beklagten bestehenden Tarifpluralität verdrängt.

10

I. Der Kläger kann kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Parteien an den BAT gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG für den in Anspruch genommenen Erholungsurlaub einen Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 BAT in der geforderten und zwischen den Parteien für den Fall der Geltung des BAT nicht umstrittenen Höhe von insgesamt 628,76 Euro brutto verlangen.

11

Für das Arbeitsverhältnis galt der BAT unmittelbar und zwingend nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG, da der Kläger im Streitzeitraum Mitglied des Marburger Bundes und die Beklagte Mitglied im KAV war. Für die elf in Anspruch genommenen Urlaubstage ergibt dies nach § 47 Abs. 2 Unterabschnitt 1 BAT den eingeklagten Betrag. Nach den durch das Landesarbeitsgericht gemäß § 69 Abs. 3 ArbGG in Bezug genommenen Feststellungen des Arbeitsgerichts hat die Beklagte dem Kläger im Kalenderjahr 2005 bis einschließlich des Monats September einen Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 Unterabschnitt 1 BAT auf Grundlage des Kalenderjahres 2004(vgl. BAG 13. Februar 1996 - 9 AZR 798/93 - AP BAT § 47 Nr. 19) in Höhe von 57,16 Euro brutto je Urlaubstag gezahlt.

12

II. Der für die Mitglieder des Marburger Bundes bis zum 31. Dezember 2005 nach wie vor geltende BAT wird nicht nach dem sogenannten Grundsatz der Tarifeinheit durch den am 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen TVöD und aufgrund der damit bei der Beklagten eingetretenen Tarifpluralität als speziellerer Tarifvertrag verdrängt.

13

1. Im streitgegenständlichen Zeitraum bestand bei der Beklagten eine Tarifpluralität.

14

a) Tarifpluralität liegt vor, wenn der Betrieb des Arbeitgebers vom Geltungsbereich zweier von verschiedenen Gewerkschaften geschlossenen Tarifverträge für Arbeitsverhältnisse derselben Art erfasst wird, an die der Arbeitgeber gebunden ist, während für den jeweiligen Arbeitnehmer je nach Tarifgebundenheit nur einer der beiden Tarifverträge Anwendung findet(etwa BAG 24. Januar 1990 - 4 AZR 561/89 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 126 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6; 5. September 1990 - 4 AZR 59/90 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 19 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 5; 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330; s. auch BAG 14. Juni 1989 - 4 AZR 200/89 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4).

15

In einem solchen Fall ist nach der genannten Rechtsprechung die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers und die „potentielle Möglichkeit“ ausreichend, dass ein der vertragsschließenden Gewerkschaft angehörender Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt ist(BAG 14. Juni 1989 - 4 AZR 200/89 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4; 24. Januar 1990 - 4 AZR 561/89 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 126 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6; s. auch BAG 24. September 1975 - 4 AZR 471/74 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 11; 29. November 1978 - 4 AZR 304/77 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 12 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 2).

16

b) Danach bestand bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum eine Tarifpluralität. Die Beklagte war aufgrund ihrer Mitgliedschaft im KAV nach § 3 Abs. 1 TVG sowohl unmittelbar an den zwischen der VKA und der Gewerkschaft ver.di geschlossenen TVöD/VKA gebunden als auch an den zwischen der VKA und dem Marburger Bund geschlossenen, im Streitzeitraum zwischen Oktober und Dezember 2005 im Verhältnis zwischen den Prozessparteien noch vollwirksamen BAT. Dass der persönliche Geltungsbereich des TV-Ärzte/VKA nicht alle Arbeitnehmer bei der Beklagten erfasst, ist für das Vorliegen einer Tarifpluralität unerheblich(vgl. etwa BAG 26. Januar 1994 - 10 AZR 611/92 - zu II 4 d der Gründe, BAGE 75, 298). Ob bei der Beklagten ein beschäftigter Arbeitnehmer aufgrund einer Mitgliedschaft in den Gewerkschaften, die den TVöD/VKA geschlossen haben, unmittelbar tarifgebunden ist, ist nach der dargestellten Rechtsprechung (unter a) ohne Bedeutung.

17

2. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats steht einer Tarifpluralität entgegen, dass nach dem Grundsatz der Tarifeinheit in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag Anwendung finden soll. Deshalb sei eine Tarifpluralität im Falle einer unmittelbaren Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an verschiedene Tarifverträge - sei es aufgrund Allgemeinverbindlichkeit, sei es kraft Organisationszugehörigkeit - in aller Regel dahin aufzulösen, dass nach dem Grundsatz der Spezialität der dem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten stehende und deshalb den Eigenarten und Erfordernissen des Betriebs und der darin tätigen Arbeitnehmer am besten Rechnung tragende Tarifvertrag den anderen Tarifvertrag verdrängt(ausf. BAG 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330, 337; weiterhin BAG 14. Juni 1989 - 4 AZR 200/89 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4; 5. September 1990 - 4 AZR 59/90 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 19 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 5). Der Grundsatz der Tarifeinheit besage, „dass in jedem Betrieb grundsätzlich für alle in diesem Betrieb begründeten Arbeitsverhältnisse nur ein Tarifvertrag anzuwenden ist“ (so erstmals BAG 29. März 1957 - 1 AZR 208/55 - BAGE 4, 37, 40, allerdings im Hinblick auf die Auflösung einer Tarifkonkurrenz; nachfolgend BAG 19. Dezember 1958 - 1 AZR 55/58 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6; den Grundsatz der Tarifeinheit im Hinblick auf die Situation einer Tarifkonkurrenz erwähnt auch BAG 22. Februar 1957 - 1 AZR 536/55 - BAGE 3, 351; s. weiterhin BAG 29. November 1978 4 AZR 304/77 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 12 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 2).

18

Der Vierte Senat(s. dazu BAG 14. Juni 1989 - 4 AZR 200/89 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4; 5. September 1990 - 4 AZR 59/90 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 19 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 5; 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330) hat den Grundsatz der Tarifeinheit im Wesentlichen - wenn auch mit Nuancen in den einzelnen Entscheidungen - damit begründet, dass dieses letztlich auf dem Ordnungsgedanken beruhende Prinzip zwar im Tarifvertragsgesetz keinen Niederschlag gefunden habe; der Grundsatz folge aber aus den übergeordneten Prinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Das Tarifvertragsgesetz enthalte keine Regelungen für diesen Fall, weshalb eine Regelungslücke bestehe. Bei dem Grundsatz der Tarifeinheit handele es sich um ein allgemein anerkanntes Rechtsprinzip. Die Gewerkschaft des spezielleren Tarifvertrages könne wegen der größeren Sachnähe das stärkere Recht für sich in Anspruch nehmen. Die Anwendung mehrerer Tarifverträge nebeneinander führe zu rechtlichen und tatsächlichen Unzuträglichkeiten, die durch den Grundsatz der Tarifeinheit vermieden würden. Der betriebseinheitliche Vorrang des spezielleren Tarifvertrages ermögliche „eine rechtlich klare und tatsächlich praktikable Lösung“. Zudem werde die problematische, rein tatsächlich auch nicht immer durchzuführende Abgrenzung zwischen Inhalts- und Betriebsnormen eines Tarifvertrages (§ 3 Abs. 1 und 2 TVG) vermieden.

19

Die Folgen der Verdrängung eines allgemeineren Tarifvertrages mit dem vollständigen Verlust des Tarifschutzes der hieran gebundenen Arbeitnehmer sei im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hinzunehmen. Die betroffenen Arbeitnehmer könnten durch den Beitritt zu der anderen Gewerkschaft tariflichen Schutz erlangen. Die Situation unterscheide sich nicht von der nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG, der bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates ausschließe und insoweit auch die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer erfasse. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit schütze nur den Kernbereich des Tarifvertragssystems. Die Verdrängung eines Tarifvertrages berühre diesen nicht. Schließlich könne die betroffene Koalition einen noch spezielleren Tarifvertrag abschließen, für ihn werben und sich entsprechend betätigen.

20

3. Diese Rechtsprechung ist in der Literatur überwiegend auf Ablehnung gestoßen(aus der Kommentarliteratur ErfK/Dieterich 10. Aufl. Art. 9 GG Rn. 85; ErfK/Franzen § 4 TVG Rn. 71; DFL/Krebber 2. Aufl. § 4 TVG Rn. 55 ff.; Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 4 Rn. 132 ff.; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 271 ff.; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 156 ff.; Däubler/Zwanziger TVG 2. Aufl. § 4 Rn. 940 ff.; weiterhin Wiedemann Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 11; ders. Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 12; Konzen RdA 1978, 146 ff.; Müller NZA 1989, 449, 451 ff.; Reuter JuS 1992, 105 ff.; Kraft RdA 1992, 161 ff.; Vogg Anm. EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 7; Hohenstatt DB 1992, 1678 ff.; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; Reuter JuS 1992, 105 ff.; Salje SAE 1993, 79 ff.; Loritz ZTR 1993, 91, 98; Merten BB 1993, 572 ff.; Wiedemann/Arnold ZTR 1994, 399, 402 ff.; Fenn FS Kissel 1994 S. 213 ff.; Reichold SAE 1995, 21 ff.; Wank Anm. EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 9; Kohte SAE 1996, 14 ff.; Däubler NZA 1996, 225, 230; B. Gaul NZA 1998, 9, 15; Hanau RdA 1998, 65, 69 f.; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 334 ff.; ders. in Jacobs/Krause/Oetker Tarifvertragsrecht § 7 Rn. 228 ff.; ders. NZA 2008, 325 ff.; ders. FS Buchner 2009 S. 343, 343 f.; Waas Tarifkonkurrenz und Tarifpluralität 1999 S. 123 ff., 133 ff.; Wendeling-Schröder Anm. zu LAG Niedersachsen 12. November 1999 - 3 Sa 780/99 - LAGE TVG § 4 Tarifpluralität Nr. 3; Franzen RdA 2001, 1, 7 f.; Band Tarifkonkurrenz, Tarifpluralität und der Grundsatz der Tarifeinheit 2003 S. 84 ff., 119 ff.; Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 370 ff.; ders. BB 2005, 2633, 2639 f.; s. auch ders. NZA 2006, 642, 644 f.; Lindemann/Simon BB 2006, 1852, 1855 ff.; Harwart Tarifkollision S. 318 ff.; Reichold RdA 2007, 321, 324 f.; ders. in Lehmann Tarifverträge der Zukunft 2008 S. 146 ff.; Lautenschläger Der Grundsatz der Tarifeinheit bei Tarifpluralität nach dem Employment Relations Act 1999, 2009 S. 32 ff.; Zachert Anm. AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66; Franzen ZfA 2009, 297, 305 ff.; Niebeling/Gründel NZA 2009, 1003 ff.; Deinert NZA 2009, 1176 ff.; Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 535 ff.; Brecht-Heitzmann Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 503, 505 ff.; Braun ArbRB 2010, 115 ff.; kritisch auch Schaub BB 1995, 2003, 2005; Friedrich FS Schaub 1998 S. 183, 203; Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 736; Greiner Rechtsfragen der Koalitions-, Tarif- und Arbeitskampfpluralität 2010 S. 302 ff., 337 ff.; jedenfalls bei sogenannter gewillkürter Tarifpluralität kritisch Bayreuther in Lehmann Tarifverträge der Zukunft 2008 S. 130, 140 f.; ders. NZA 2007, 187 ff.; Schubert FS Wendeling-Schröder 2009 S. 59, 76 f.; Schliemann Beil. zu NZA 24/2000 S. 24, 32; ders. FS Hromadka 2008 S. 359, 369 ff.; für Tarifverträge zwischen Gewerkschaften, die nicht sämtlich dem Deutschen Gewerkschaftsbund angehören abl. auch HWK/Henssler 4. Aufl. § 4 TVG Rn. 58 ff.; den Grundsatz der Tarifeinheit bei Tarifpluralität dagegen befürwortend Säcker/Oetker ZfA 1993, 1 ff.; Heinze/Ricken ZfA 2001, 159 ff.; Buchner BB 2003, 2121, 2122 ff.; kritisch noch ders. RdA 1997, 259, 267; Hromadka Gedächtnisschrift Heinze 2005 S. 383 ff.; weiterhin Meyer DB 2006, 1271 ff.; Wallisch FS Löwisch 2007 S. 429 ff., Feudner RdA 2008, 104 ff. ; Kempen FS Hromadka 2008 S. 177, 182 ff.; anders noch ders. NZA 2003, 415, 417; Giesen NZA 2009, 11 ff.; Koch Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes 1994 Rn. 203 ff.; Scholz FS Buchner 2009 S. 827, 828 ff.; Hromadka/Schmitt-Rolfes NZA 2010, 687 ff.; wohl auch Oetker NZA 2010 Beil. Nr. 1 S. 13, 26; für eine Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Mehrheitsprinzip statt nach dem Spezialitätsprinzip Berg/Platow/Schoof/Unterhinninghofen Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht 2. Aufl. § 4 TVG Rn. 58 ff.).

21

4. Der Senat gibt seine bisherige Rechtsprechung zur Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Grundsatz der Tarifeinheit zu Gunsten des spezielleren Tarifvertrages im Falle einer unmittelbaren Tarifgebundenheit des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG auf. Die Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen(§ 1 Abs. 1 TVG),gelten nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG in den jeweiligen von seinem Geltungsbereich erfassten Arbeitsverhältnissen eines Betriebes unmittelbar und zwingend. Diese durch das Tarifvertragsgesetz vorgesehene, auf das einzelne Arbeitsverhältnis bezogene Bindung wird nicht dadurch verdrängt, dass für den Betrieb kraft Tarifgebundenheit des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG mehr als ein Tarifvertrag für Arbeitsverhältnisse derselben Art gilt, für die jeweiligen Arbeitsverhältnisse im Falle einer Tarifgebundenheit eines oder mehrerer Arbeitnehmer allerdings jeweils nur ein Tarifvertrag. Eine solche aufgrund unmittelbarer Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG eingetretene Tarifpluralität kann für die genannten Rechtsnormen nicht nach dem Grundsatz der Tarifeinheit dahingehend aufgelöst werden, dass hinsichtlich dieser Normen nur ein Tarifvertrag „für den Betrieb“ gilt. Ein solcher Rechtsgrundsatz besteht nicht. Eine Verdrängung der nach § 4 Abs. 1 TVG in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen geltenden tariflichen Normen ist weder aufgrund praktischer Schwierigkeiten noch wegen einer sonst erforderlichen Abgrenzung von Inhalts- und Betriebsnormen geboten. Die Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung, die zur Verdrängung tariflicher Normen führt, sind vorliegend nicht gegeben. Die Verdrängung eines Tarifvertrages ist auch mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren. Ob es sich bei dem TVöD um einen gegenüber dem BAT spezielleren Tarifvertrag handelt, wie die Beklagte meint, kann deshalb dahinstehen.

22

a) Das Tarifvertragsgesetz ordnet in § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG die unmittelbare und zwingende Wirkung der Normen eines Tarifvertrages im Arbeitsverhältnis beiderseits Tarifgebundener an. Sofern der Tarifvertrag von tariffähigen Koalitionen im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit geschlossen wurde, entfalten die Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen(§ 1 Abs. 1 TVG), unmittelbare und zwingende Wirkung zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen. Die Bindung eines Arbeitsverhältnisses an einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG beruht dabei auf privatautonomen Entscheidungen. Der Inhalt und die gesetzlich angeordnete Wirkungsweise des Tarifvertrages erlangen Legitimation durch die freie Entscheidung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Mitglied einer Koalition zu werden (BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 140/01 - zu B I 1 der Gründe mwN, BAGE 102, 65). Der Abschluss von Tarifverträgen und die damit bewirkte Normsetzung ist kollektiv ausgeübte Privatautonomie (BAG 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - Rn. 55, BAGE 119, 103; 27. November 2002 - 7 AZR 414/01 - zu B I 3 a der Gründe mwN, AP BGB § 620 Altersgrenze Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 1; 30. August 2000 - 4 AZR 563/99 - zu I 2 c der Gründe, BAGE 95, 277; weiterhin BAG 26. August 2009 - 4 AZR 294/08 - Rn. 30). Die Tarifvertragsparteien und ihre Mitglieder haben dadurch ihr Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG wahrgenommen und Regelungen zu bestimmten Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen geschaffen. Wer Mitglied in der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft ist, will insbesondere an den von dieser in Tarifverträgen vereinbarten Mindestbedingungen teilhaben.

23

Der Umstand, dass Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 TVG an verschiedene Tarifverträge gebunden sein können, hindert die unmittelbare und zwingende Wirkung nach § 4 Abs. 1 TVG nicht. Damit ist es nach dem eindeutigen Wortlaut des Tarifvertragsgesetzes möglich, dass für verschiedene Arbeitnehmer im Betrieb unterschiedliche Tarifverträge gelten(Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 379). Tarifpluralität ist im System des Tarifvertragsgesetzes angelegt (s. nur Fenn FS Kissel 1994 S. 213, 229; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 375 f.; Konzen RdA 1978, 146, 150; Kraft RdA 1992, 161, 166).

24

b) Eine Rechtsgrundlage, die gesetzlich angeordnete Rechtsfolge einer Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien auszuschließen, obwohl deren gesetzliche Voraussetzungen vorliegen, besteht nicht.

25

aa) Der Grundsatz der Tarifeinheit, für den weder eine ausdrückliche noch eine gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtsgrundlage besteht(anders nur Heinze/Ricken ZfA 2001, 159, 174  ff.), kann nicht auf übergeordnete Prinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gestützt werden (so schon Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; s. auch Kraft RdA 1992, 162, 166; Konzen RdA 1978, 146, 150 ff.; Reuter JuS 1992, 105 ff.). Rechtsprinzipien sind leitende Gedanken einer möglichen oder bestehenden rechtlichen Regelung, jedoch nicht die positive Regelung selbst. Ihnen fehlt die der Anwendung auf den Einzelfall fähige Norm mit bestimmtem Tatbestand und bestimmter Rechtsfolge (Bydlinski Juristische Methodenlehre 1982 S. 132; Esser Grundsatz und Norm in der richterlichen Rechtsfortbildung des Privatrechts Neuauflage 1970 S. 20, 259 ff.; ebenso Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 390 ff.; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; Kraft RdA 1991, 161, 166; alle mwN). Sie können deshalb eine rechtliche Regelung nicht unmittelbar außer Kraft setzen.

26

bb) Darüber hinaus handelt der dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip zuzuordnende Grundsatz der Rechtssicherheit von der Klarheit und Bestimmtheit der Normen, und das Prinzip der Rechtsklarheit davon, dass den Normunterworfenen die auf sie und ihr Verhalten anzuwendenden Regeln so klar, bestimmt und eindeutig vor Augen geführt werden, dass sie disponieren können(BVerfG 12. Januar 1967 - 1 BvR 169/63 - zu C III 1 a der Gründe, BVerfGE 21, 73; weiterhin BVerfG 19. Februar 1962 - 2 BvR 650/60 - zu II 2 a der Gründe, BVerfGE 14, 13; 14. Februar 1978 - 2 BvR 406/77 - zu B I 2 a der Gründe, BVerfGE 47, 239). Es geht bei beiden Prinzipien nicht um die praktischen Auswirkungen der Anwendung von Normen, wie sie die Befürworter des Grundsatzes der Tarifeinheit vor Augen haben.

27

cc) Hinzu kommt, dass Rechtsklarheit und Rechtssicherheit durch die Auflösung einer Tarifpluralität häufig nicht erreicht werden können. Bis zur rechtskräftigen Klärung, welcher „speziellere“ Tarifvertrag im Betrieb gilt(zu den unterschiedlichen Maßstäben anlässlich der Tarifauseinandersetzung bei der Deutschen Bahn AG im Jahre 2007 s. nur die Nw. bei Franzen ZfA 2009, 297, 306, Fn. 53), bestehen Unsicherheiten über den Inhalt des Arbeitsverhältnisses (Fenn FS Kissel 1994 S. 213, 230 f.; Reuter JuS 1992, 105, 106 f.; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 164; ebenso Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 390 f.; Franzen ZfA 2009, 297, 306).

28

c) Die Verdrängung bestehender Tarifverträge im Falle einer Tarifpluralität, an die die Arbeitsvertragsparteien nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar gebunden sind, kann nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung durch einen Grundsatz der Tarifeinheit begründet werden. Es besteht nicht die hierfür notwendige planwidrige Lücke im Gesetz. Die durch den Grundsatz der Rechts- und Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 GG gezogenen Grenzen(dazu BVerfG 19. Oktober 1983 - 2 BvR 485/80 und 486/80 - zu II 1 der Gründe, BVerfGE 65, 182) stehen einer solchen Rechtsfortbildung entgegen.

29

aa) Eine planwidrige Gesetzeslücke liegt nicht schon dann vor, wenn ein Sachverhalt nicht geregelt ist. Vielmehr ist erforderlich, dass für den mit dem Gesetz verfolgten Zweck - den „gesetzgeberischen Plan“ - eine Regelung erforderlich wäre, diese aber nicht getroffen wurde(s. nur Fenn FS Kissel 1994 S. 213, 229). Ein eventuelles rechtspolitisches Versäumnis des Gesetzgebers begründet keine der Rechtsfortbildung zugängliche Regelungslücke. Maßgebend ist dabei, ob das Gesetz nach seiner eigenen Regelungsabsicht tatsächlich unvollständig ist oder ob die in ihm getroffene Entscheidung nur rechtspolitisch kritisiert werden kann (s. nur Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft S. 192 ff., 195).

30

bb) Nach diesen Maßstäben weist das Tarifvertragsgesetz keine planwidrige Regelungslücke hinsichtlich der Anwendbarkeit mehrerer in einem Betrieb nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG geltenden Tarifverträge auf, soweit die einzelnen Arbeitsverhältnisse jeweils nur einem Tarifvertrag unterliegen.

31

(1) Eine Lücke im Tarifvertragsgesetz lässt sich nicht anhand der Entstehungsgeschichte des Tarifvertragsgesetzes begründen(statt vieler Franzen ZfA 2009, 297, 305; Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 736; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; sowie ausf. Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 64 ff.) . Die Annahme, der Gesetzgeber habe eine Tarifpluralität wegen der Entwicklung der Gewerkschaften zu Einheitsgewerkschaften als nicht regelungsbedürftig angesehen und eine abweichende Entwicklung nicht gesehen (so Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 7 ff.; ebenso Hromadka NZA 2008, 384, 386; s. auch Oetker NZA 2010 Beil. Nr. 1, S. 13, 26), weshalb man nicht davon ausgehen könne, er habe eine Tarifpluralität durch § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG „abgesegnet“(Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 8), lässt sich auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertragsgesetzes nicht stützen.

32

Der „Stuttgarter Entwurf“ des Arbeitsrechtsausschusses des Länderrates vom Juli 1948 kann entgegen der früheren Senatsrechtsprechung(BAG 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330) hierzu nicht herangezogen werden. Soweit dieser in § 8 eine Kollisionsregel für den Fall vorgeschlagen hatte, dass „ein Arbeitsverhältnis in den Geltungsbereich mehrerer Tarifverträge fällt“(Materialien zur Entstehung des TVG abgedruckt in ZfA 1973, 129 ff.), behandelt er eine Tarifkonkurrenz. Die im Verlauf der Gesetzgebung getroffene Erwägung, eine nähere Ausgestaltung der Konkurrenzproblematik der Wissenschaft und der Rechtsprechung zu überlassen, bezieht sich auf diese Tarifkonkurrenz und gerade nicht auf die der Rechtsprechung und Wissenschaft schon damals bekannte (dazu ausf. etwa Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 376 f.; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 159) Frage der Tarifpluralität (Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 378 f.; Franzen ZfA 2009, 296, 305; Jacobs aaO S. 374 ff. mwN in Fn. 250; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20).

33

Der historische Gesetzgeber ist auch nicht davon ausgegangen, dass eine Tarifpluralität im Betrieb ohnehin nicht eintreten werde, weil sie durch das „Ordnungsprinzip der Gewerkschaften“ ausgeschlossen sei(so Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 7 ff., 9). Dem steht schon entgegen, dass die DAG bereits im Jahre 1945 gegründet worden war, der Deutsche Gewerkschaftsbund aber erst am 13. Oktober 1949, mithin mehr als ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des TVG. Damit war das angeführte Ordnungsprinzip der Gewerkschaften bereits auf die Möglichkeit von Tarifpluralität angelegt (vgl. zB Schliemann FS Hromadka 2008 S. 359, 371).

34

(2) Auch die gesetzliche Systematik spricht gegen die Annahme einer Gesetzeslücke. Das folgt auch aus § 3 Abs. 2 TVG, selbst wenn man der Regelung einen „(sehr verhaltenen) Hinweis auf eine Tarifeinheit im Betrieb“(so Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 379) entnehmen wollte. § 3 Abs. 2 TVG spricht gerade dafür, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, Individualnormen aus unterschiedlichen Tarifverträgen fänden in einem Betrieb nebeneinander Anwendung. Denn nur dann ist es erforderlich, für die Betriebsnormen, bei denen es eine fortbestehende Tarifpluralität nicht geben kann, eine notwendig betriebseinheitliche Regelung vorzusehen (s. nur Franzen ZfA 2009, 297, 305). Gleiches gilt für die Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen nach § 3 Abs. 2 TVG(Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 379; Kraft FS Zöllner 1998 S. 831, 836; Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 538; aA Hromadka/Schmitt-Rolfes NZA 2010, 687, 688 ).

35

(3) Schließlich hat der Gesetzgeber an dieser Unterscheidung zwischen Individualnormen iSd. § 1, § 3 Abs. 1 TVG und Betriebs- und betriebsverfassungsrechtlichen Normen nach § 3 Abs. 2 TVG bei den zwischenzeitlich erfolgten Änderungen des Tarifvertragsgesetzes(idF der Bekanntmachung vom 25. August 1969 [BGBl. I S. 1323], zuletzt geändert Artikel 223 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 [BGBl. I S. 2407]) festgehalten, weshalb auch nicht von einer sekundären oder nachträglichen Gesetzeslücke ausgegangen werden kann (s. nur Franzen ZfA 2009, 279, 306; aA Hromadka NZA 2008, 384, 385 f., 389; Oetker NZA 2010 Beil. 1, S. 13, 26; Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 8 f.).

36

(4) Der Gesetzgeber geht zudem, wie § 613a Abs. 1 BGB zeigt, davon aus, dass zwei verschiedene Tarifverträge im Betrieb Anwendung finden können. Die Ablösung der nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformierten Regelungen(dazu BAG 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 61 ff., EzA BGB 2002 § 613a Nr. 110)erfordert die kongruente Tarifgebundenheit beider Arbeitsvertragsparteien. Danach kann es durch einen Betriebsübergang zu verschiedenen im Betrieb anwendbaren Tarifverträgen kommen. Ein Ordnungsprinzip der betrieblichen Tarifeinheit steht dem nicht entgegen (BAG 21. Februar 2001 - 4 AZR 18/00 - zu B I 2 b ee [5] der Gründe, BAGE 97, 107). Die Existenz parallel anwendbarer tarifvertraglicher Regelungswerke in einem Betrieb wird dadurch anerkannt (s. dazu auch Kohte SAE 1996, 14, 17: Koexistenz als „gesetzliches Leitbild“; ähnlich Kania DB 1996, 1921, 1923).

37

d) Die Auflösung einer Tarifpluralität durch den Grundsatz der Tarifeinheit ist nicht im Wege einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung möglich. Deren Voraussetzungen liegen nicht vor.

38

aa) Angesichts des beschleunigten Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse und der begrenzten Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers gehört die Anpassung des geltenden Rechts an veränderte Umstände zu den Aufgaben der Dritten Gewalt(BVerfG 12. November 1997 - 1 BvR 479/92, 307/94 - zu B I 2 a der Gründe, BVerfGE 96, 375), die nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO dem Bundesarbeitsgericht zugewiesen ist. Die Befugnis zur Rechtsfortbildung besteht jedoch nicht schrankenlos, sondern wird durch Art. 20 Abs. 2 und 3 GG begrenzt. Mit den Grundsätzen der Gewaltenteilung und Gesetzesbindung wäre es nicht vereinbar, wenn sich die Gerichte aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begäben, also objektiv betrachtet sich der Bindung an Gesetz und Recht entzögen (BVerfG 3. November 1992 - 1 BvR 1243/88 - zu B II 2 b der Gründe, BVerfGE 87, 273, 279 ff.). Die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung setzt deshalb voraus, dass das Gesetz lückenhaft ist, wobei sich die Unvollständigkeit der rechtlichen Regelung nicht wie bei der Analogie am Plan des Gesetzes selbst, sondern an den Erfordernissen der Gesamtrechtsordnung misst (BVerfG 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - zu C IV 1 der Gründe mwN, BVerfGE 34, 269). Diese kann sich aus der Verfassung, insbesondere den Grundrechten (BVerfG 12. November 1997 - 1 BvR 479/92, 307/94 - zu B I 2 a der Gründe, aaO) oder einem unabweisbaren Bedürfnis des Rechtsverkehrs ergeben (etwa BGH 14. Dezember 2006 - IX ZR 92/05 - zu II 2 c bb [1] der Gründe, BGHZ 170, 187). Es muss einsichtig gemacht werden können, dass das geschriebene Gesetz seine Funktion, ein Rechtsproblem zu lösen, nicht mehr erfüllt (BVerfG 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - zu C IV 1 der Gründe mwN, aaO). Fragen der Zweckmäßigkeit, insbesondere der Praktikabilität, können eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung grundsätzlich nicht begründen (BAG 12. November 1992 - 8 AZR 157/92 - zu I 2 der Gründe, BAGE 71, 355).

39

bb) Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung nicht vor.

40

(1) Die für den Grundsatz der Tarifeinheit angeführten „unüberwindlichen praktischen Probleme“(Zusammenstellung der verschiedenen verwendeten Begrifflichkeiten etwa bei Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 393 f. mwN in Fn. 364 ff.) bei der Anwendung verschiedener Tarifverträge im Betrieb können die Verdrängung geltender Tarifnormen nicht begründen. Sie bestehen teilweise nicht oder sind - ggfl. durch die Rechtsprechung - zu lösen.

41

(a) Dabei ist schon fraglich, ob die Anwendung von verschiedenen Tarifverträgen in einem Betrieb auch unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts wie etwa der elektronischen Datenverarbeitung bei der Anwendbarkeit der unterschiedlichen Rechtsnormen zu größeren Problemen bei der betrieblichen Durchführung der Bestimmungen führt(s. nur Bayreuther NZA 2007, 187, 188 ff.; Meyer DB 2006, 1271, 1272; Hromadka Gedächtnisschrift Heinze S. 283, 287; Reichold RdA 2007, 321, 325; anders Buchner BB 2003, 2121, 2122). Solche werden auch vorliegend von der Beklagten weder angeführt noch sind sie sonst ersichtlich.

42

(b) Selbst wenn man bei Aufrechterhaltung einer Tarifpluralität generell von Anwendungs- und Durchführungsproblemen für den Arbeitgeber ausgehen wollte, können diese keine Grundlage für eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung sein. Schwierigkeiten bei der Anwendung einer Norm rechtfertigen nicht deren Derogation(BAG 10. März 1987 - 8 AZR 146/84 - zu I 7 a der Gründe, BAGE 54, 232, 240; 26. Januar 1993 - 1 AZR 303/92 - zu II 2 b ee der Gründe, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 102 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 109). Auch reichen Zweckmäßigkeitsgründe oder das Koordinierungsinteresse des Arbeitgebers allein nicht aus (Kraft RdA 1992, 161, 166; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; Reichold RdA 2007, 321, 324 f.; Wiedemann/Wank TVG § 4 Rn. 277 ). Eine zweckmäßigere Handhabung vermag auch kein unabweisbares Verkehrsbedürfnis zu begründen.

43

(c) Ebenso kann die angeführte „tatsächlich auch nicht durchzuführende Abgrenzung zwischen Inhalts- und Betriebsnormen eines Tarifvertrages“(BAG 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330) nicht zur Verdrängung tariflicher Regelungen herangezogen werden.

44

Die Trennung der beiden Normbereiche ist in § 3 TVG gesetzlich vorgesehen. Es ist Aufgabe der Rechtsprechung, diese differenzierende gesetzliche Vorschrift anzuwenden(Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG § 4 Rn. 160; Merten BB 1993, 572, 574). Diese wird in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch wahrgenommen (vgl. etwa 27. April 1988 - 7 AZR 593/87 - zu I 3 b der Gründe, BAGE 58, 183; 26. April 1990 - 1 ABR 84/87 - zu B V der Gründe, BAGE 64, 368). Ein Tarifvertrag kann stets Inhaltsnormen, betriebliche Normen und betriebsverfassungsrechtliche Normen enthalten. Aufgrund der unterschiedlichen Bindungswirkung nach § 3 Abs. 1 TVG und § 3 Abs. 2 TVG(dazu BAG 26. April 1990 - 1 ABR 84/87 - zu B V 2 a der Gründe, aaO) ist für jede Tarifnorm getrennt zu prüfen, um welche Art von Norm es sich handelt (BAG 21. Januar 1987 - 4 AZR 486/86 - AP GG Art. 9 Nr. 46). Das gilt schon für Betriebe, in denen der Arbeitgeber nur an einen Tarifvertrag gebunden ist. Auch dann muss aufgrund der unterschiedlichen Gebundenheit nach § 3 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 TVG festgestellt werden, welche Art von tariflicher Regelung vorliegt. Das Erfordernis würde in gleicher Weise im Falle eines nach dem Grundsatz der Tarifeinheit verdrängten Tarifvertrages bestehen, weil für die an ihn gebundenen Arbeitnehmer festgestellt werden müsste, welche Betriebs- und betriebsverfassungsrechtlichen Normen des anderen Tarifvertrages im Verhältnis zu ihnen normativ gelten und welche Normen dieses Tarifvertrages, weil es sich um Inhaltsnormen handelt, nicht ohne Weiteres.

45

(2) Die unzulässige Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit bei der Einstellung(dazu BAG 2. Juni 1987 - 1 AZR 651/85 - BAGE 54, 353; 28. März 2000 - 1 ABR 16/99 - BAGE 94, 169) führt im Falle einer Tarifpluralität nicht zu „tatsächlichen Unzuträglichkeiten“.

46

Die Gewerkschaftsmitgliedschaft ist stets von Bedeutung, wenn der Arbeitnehmer tarifliche Leistungspflichten des Arbeitgebers kraft unmittelbarer Tarifgeltung beansprucht(s. nur Wank Anm. EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 9). Auch im Falle der Auflösung der Tarifpluralität durch Verdrängung eines Tarifvertrages wäre zu ermitteln, wer an den spezielleren Tarifvertrag gebunden ist (Wiedemann/Arnold ZTR 1994, 443, 445). Selbst wenn man trotz des Schutzes durch § 612a BGB(dazu Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20)eine Offenbarungspflicht im laufenden Arbeitsverhältnis nicht anerkennt, bleibt es dem Arbeitgeber unbenommen, zunächst nur diejenigen Leistungen zu erbringen, die den Nicht- oder Andersorganisierten zustehen (Wiedemann/Wank TVG § 4 Rn. 277; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG § 4 Rn. 162; Danne SAE 1998, 111, 115; Bayreuther BB 2005, 2633, 2640 m. Fn. 68). Im Streitfalle ist der Arbeitnehmer nach den allgemeinen Grundsätzen gehalten, seine Tarifgebundenheit darzulegen und ggf. zu beweisen, wenn er tarifvertragliche Rechte geltend macht (s. nur jüngst Nebeling/Gründel NZA 2009, 1003, 1004). Nichts anderes gilt im Übrigen im Recht der schwerbehinderten Menschen. Soweit dort einschlägige Rechte oder Ansprüche geltend gemacht werden, sind auch in diesem Rechtsbereich keine Unzuträglichkeiten angemahnt worden ( Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 407).

47

(3) Der Grundsatz der Tarifeinheit in Fällen einer Tarifpluralität kann als gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung nicht deshalb gerechtfertigt werden, weil sonst durch drohende „ständige kaum sinnvoll handhabbare Tarifauseinandersetzungen und ständige Streiks mit verheerenden Auswirkungen“(Hromadka NZA 2008, 383, 387) eine Funktionsunfähigkeit des Tarifvertragssystems eintrete. Allein ein als möglich angesehener „Überbietungswettbewerb“ der Gewerkschaften oder Funktionsverlust der Friedenspflicht bei nicht abgestimmten Tarifverhandlungen (Hromadka Gedächtnisschrift Heinze 2005, S. 384, 388; ähnlich Meyer DB 2006, 1271, 1272 f.; ders. NZA 2006, 1387, 1390; Otto FS Konzen 2006 S. 663 ff.; s. auch Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Jahresgutachten 2007/2008 [2007] S. 36 ff.) oder eine befürchtete Vervielfachung von Arbeitskämpfen (Giesen NZA 2009, 11, 15 f., 17; s. auch Feudner RdA 2008, 104, 105) sind keine hinreichenden Gesichtspunkte, die die Verdrängung eines geltenden Tarifvertrages im Wege der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung legitimieren könnten.

48

(a) Unabhängig von der Frage, ob tatsächlich Anhaltspunkte für einen Funktionsverlust des Tarifvertragssystems aus den vorgebrachten Besorgnissen gefolgert werden können, handelt es sich hierbei um Rechtsfragen des Arbeitskampfrechts, nicht aber um solche des Tarifrechts zur Auflösung einer möglichen Tarifpluralität.

49

Der Arbeitskampf gehört zu den verfassungsrechtlich geschützten Mitteln, weil von ihm die Verfolgung eines wesentlichen Koalitionszwecks, der Abschluss von Tarifverträgen, abhängt. Arbeitskampfmaßnahmen werden jedenfalls insoweit vom Grundrecht der Koalitionsfreiheit geschützt, als sie allgemein erforderlich sind, um eine funktionierende Tarifautonomie sicherzustellen( BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212; BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 33, EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 143 ). Schon aufgrund dieser Funktionsbezogenheit des Arbeitskampfrechts folgt nicht das Tarifrecht dem Arbeitskampfrecht, sondern vielmehr das Arbeitskampfrecht dem Tarifrecht (ebenso Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 540; Deinert NZA 2009, 1176, 1182 mwN in Fn. 101; Franzen ZfA 2009, 297, 311; wohl auch Bayreuther NZA 2008, 12, 15 ff.). Etwaige Rechtsfragen des Arbeitskampfrechts infolge einer bestehenden Tarifpluralität sind in diesem Rechtsbereich zu lösen (s. im hiesigen Zusammenhang etwa die Beiträge von Bayreuther NZA 2008, 12 ff.; Giesen NZA 2009, 11, 14 ff.; Hirdina NZA 2009, 997 ff.; Jacobs FS Buchner 2009 S. 342 ff.; Meyer FS Adomeit 2008 S. 459 ff.; von Steinau-Steinrück/Glanz NZA 2009, 113 ff.). Sie sind nicht geeignet, die Auflösung einer Tarifpluralität durch Verdrängung der Regelungen eines vollwirksamen Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit zu rechtfertigen.

50

Deshalb muss der Senat vorliegend auch nicht darüber befinden, ob die Verdrängung eines Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit überhaupt geeignet wäre, die angeführten Szenarien zu verhindern oder ob er nicht vielmehr zunächst einmal Tarifpluralität, also den Abschluss mehrerer Tarifverträge über denselben Regelungsgegenstand, gerade voraussetzt(so BAG 14. Dezember 2004 - 1 ABR 51/03 - Rn. 63, BAGE 113, 82; s. auch BAG 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 67, 330, wonach es der Koalition unbenommen ist, sich um den Abschluss eines spezielleren, den konkurrierenden Tarifvertrag verdrängenden Tarifvertrages zu bemühen). Es kann weiterhin dahinstehen, ob einer konkurrierenden Koalition im Hinblick auf das nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Grundrecht der kollektiven Koalitionsfreiheit die Befugnis zur im Zweifel kampfweisen Durchsetzung eines Tarifvertrages tatsächlich abgesprochen werden kann(ablehnend Bayreuther NZA 2006, 642, 646 f.; Deinert NZA 2009, 1176, 1180 f., 1182; Franzen ZfA 2009, 297, 311 mwN in Fn. 78; Jacobs NZA 2008, 325, 329; deutlich Reichold RdA 2007, 321, 327: „waghalsige, dogmatisch mehrfach unschlüssige Konstruktion“; s. auch die Fallgestaltung in BAG 26. Oktober 1971 - 1 AZR 113/68 - zu A II 3 b der Gründe, BAGE 23, 484).

51

(b) Es ist derzeit auch nicht ersichtlich, dass das geltende Tarifvertragssystem seine Funktion im Falle von Tarifpluralitäten, zu denen es tatsächlich schon gekommen ist und die auch tatsächlich praktiziert werden, nicht mehr wahrnehmen kann, so dass eine Rechtsfortbildung nach den genannten Grundsätzen vorliegend auch deshalb ausscheidet.

52

e) Ungeachtet der fehlenden Voraussetzungen für eine Rechtsfortbildung, die zur Verdrängung eines nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend geltenden Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit führen könnte, wäre eine solche mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG auch nicht zu vereinbaren.

53

aa) Die in den Entscheidungen des Senats zur Begründung des Grundsatzes der Tarifeinheit vertretene Auffassung einer Beschränkung des Grundrechtsschutzes der Koalition durch Art. 9 Abs. 3 GG auf einen „Kernbereich des Tarifvertragssystems“(oben unter 2 mwN) kann nicht mehr herangezogen werden. Der Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG ist nicht von vornherein auf einen Kernbereich solcher koalitionsgemäßer Betätigungen beschränkt, die für die Erreichung des Koalitionszwecks unerlässlich sind. Er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (grdl. BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 3 b der Gründe, BVerfGE 93, 352; weiterhin BVerfG 24. Februar 1999 - 1 BvR 123/93 - zu B II 2 b aa der Gründe, BVerfGE 100, 214; 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394; BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 33, EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 143 ; 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - Rn. 39, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96; 18. März 2009 -  4 AZR 64/08 - Rn. 117, AP TVG § 3 Nr. 41 = EzA GG Art. 9 Nr. 98; 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 40, BAGE 117, 137) . Soweit die Verfolgung des Koalitionszwecks von dem Einsatz bestimmter Mittel abhängt, werden auch diese vom Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst(BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 84, 212) . Die Koalitionen müssen ihren verfassungsrechtlich anerkannten Zweck, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern, insbesondere durch den Abschluss von Tarifverträgen erfüllen können (s. nur BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 365; ebenso BVerfG 10. Januar 1995 - 1 BvF 1/90 ua. - zu B II 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 26).

54

bb) Die Verdrängung eines von einer Gewerkschaft geschlossenen Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit stellt sowohl einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit der tarifschließenden Gewerkschaft als auch in die individuelle Koalitionsfreiheit des an diesen gebundenen Gewerkschaftsmitglieds dar.

55

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts schützt das Doppelgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG zum einen den Einzelnen in seiner Freiheit, eine Vereinigung zur Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten oder sie zu verlassen. Geschützt ist zum anderen auch die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen(s. nur BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe mwN, NZA 2007, 394; BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 11 mwN, BAGE 123, 134). Der Schutz erstreckt sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen und umfasst insbesondere die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht (BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 365; 29. Dezember 2004 - 1 BvR 2283/03 ua. - zu C II 3 a der Gründe, AP AEntG § 3 Nr. 2; 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - zu B II 1 der Gründe mwN, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 136; BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 33, EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 143 ). Beim Abschluss von Tarifverträgen sollen die Gewerkschaften frei sein ( BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212 ). Sie können daher selbst bestimmen, mit wem, für welchen Arbeitnehmerkreis und für welche Unternehmen oder welchen Betrieb sie im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit einen Tarifvertrag abschließen möchten. Sie sind nicht auf einen Kernbereich unerlässlicher koalitionsspezifischer Maßnahmen und damit möglicherweise auf den Abschluss speziellerer Tarifverträge beschränkt.

56

In diese Grundrechtsposition der Gewerkschaften greift die Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Grundsatz der Tarifeinheit ein, da sie die unmittelbare und zwingende Wirkung des weniger speziellen Tarifvertrages außer Kraft setzt. Die Verdrängung eines nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG geltenden Tarifvertrages zur Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Grundsatz der Tarifeinheit stellt einen Eingriff in das Grundrecht der Koalitionsfreiheit dar(so auch BVerfG 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - zu C I 2 der Gründe, BVerfGE 94, 268, im Falle des § 57a HRG, der die Nr. 1 und 2 SR 2y BAT außer Kraft setzte; weiterhin BVerfG 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - zu B 2 der Gründe, BVerfGE 103, 293, zur Regelung in § 10 BUrlG aF; sowie BVerfG 10. Januar 1995 - 1 BvF 1/90 ua. - zu B II 1 c aa der Gründe, BVerfGE 92, 26, zu § 21 Abs. 4 Satz 3 FlRG; BAG 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 91, 210). Durch die Verdrängung eines geltenden Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit wird in das durch das Tarifvertragsgesetz bereits ausgestaltete Grundrecht der Koalitionsfreiheit (zur Ausgestaltung von Art. 9 Abs. 3 GG durch das TVG s. nur BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b aa der Gründe, BVerfGE 4, 96, 106 ), von dem die Tarifvertragsparteien durch den Abschluss eines Tarifvertrages bereits Gebrauch gemacht haben, dergestalt eingegriffen, dass die konkrete Rechtsposition - die Geltung des Tarifvertrages - nur aufgrund der Koalitionsrechtsausübung einer anderen konkurrierenden Gewerkschaft wieder entzogen wird (Engels RdA 2008, 331, 334 f. mwN in Fn. 75; Burkiczak Grundgesetz und Deregulierung des Tarifvertragsrechts 2006 S. 171, 253 ff.; Franzen ZfA 2009, 297, 304, 309; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 439; aA Hromadka/Schmitt-Rolfes NZA 2010, 687, 689; Hromadka NZA 2008, 384, 387; Buchner BB 2003, 2121, 2128; die lediglich eine Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit annehmen).

57

Damit wird ein von den Tarifvertragsparteien erstrittenes Verhandlungsergebnis zulasten der Gewerkschaft abgeändert und ihr Erfolg nachträglich bei einem Firmentarifvertrag ganz oder bei einem Flächentarifvertrag zumindest teilweise entwertet. Der Abschluss von Tarifverträgen für alle bei einer Gewerkschaft organisierten Arbeitnehmer ist aber zentraler Bestandteil ihrer Koalitionsfreiheit(BVerfG 10. Januar 1995 - 1 BvF 1/90 ua. - zu B II 1 c bb der Gründe, BVerfGE 92, 26). Die Entwertung dieser ihrer Koalitionsrechtsausübung kann ihre Verhandlungsposition für die Zukunft ebenso schwächen wie ihre Attraktivität, Mitglieder zu werben oder zu erhalten. Durch solche Folgen wird die Tarifautonomie beeinträchtigt (BVerfG 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - zu B 2 der Gründe, BVerfGE 103, 293). Durch die Verdrängung derjenigen tariflichen Regelungen, die gegenüber einem bereits für den Arbeitgeber geltenden Tarifvertrag nicht spezieller sind, kann der Zugang zu einem bestimmten Betrieb, Unternehmen, uU zu einem ganzen Wirtschaftszweig versperrt werden (Wiedemann/Wank TVG § 4 Rn. 277), wodurch auch die Koalitionsbestandsgarantie betroffen werden kann. Denn die Erhaltung und der Ausbau des Mitgliederbestandes sind als bestandssichernde Maßnahmen vom Grundrecht der Koalitionsfreiheit erfasst ( BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 93, 352 ) .

58

(2) Die Auflösung einer Tarifpluralität greift zudem in die individuelle positive Koalitionsfreiheit der Mitglieder derjenigen Gewerkschaft ein, die den verdrängten Tarifvertrag geschlossen hat(Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 442 mwN in Fn. 646; so schon Konzen RdA 1978, 145, 148: „Verkürzung des Tarifschutzes“) . Die individuelle Koalitionsfreiheit umfasst nicht nur das Recht, sich zu Koalitionen zusammenzuschließen und sich für sie zu betätigen, sondern - als Hauptzweck der Mitgliedschaft - den Schutz der von der ausgewählten Koalition geschlossenen Tarifverträge in Anspruch nehmen zu können.

59

cc) Allenfalls zum Schutz von gleichermaßen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsgütern und Gemeinwohlbelangen könnte die von Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit, obwohl ohne Gesetzesvorbehalt verbürgt, eingeschränkt werden(BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe mwN, NZA 2007, 394; 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 3 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212) . Allerdings dürfen dem Betätigungsrecht der Koalition nur solche Schranken gezogen werden, die im konkreten Fall zum Schutz der betroffenen Rechtsgüter von der Sache her geboten sind (BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - aaO; 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 3 b der Gründe mwN, BVerfGE 93, 352). Die dazu erforderliche Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit durch die Rechtsordnung obliegt in erster Linie dem Gesetzgeber ( BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - zu B II 1 b bb der Gründe mwN, BVerfGE 44, 322; BAG 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - Rn. 40, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96). Dort, wo die gesetzlichen Vorgaben - wie etwa auf dem Gebiet des Arbeitskampfrechts - unzureichend sind oder fehlen, haben anstelle des Gesetzgebers die Gerichte für eine sachgerechte Ausgestaltung der Betätigungsfreiheit zu sorgen (BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 2 a der Gründe, BVerfGE 84, 212) .

60

Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass Einschränkungen der verfassungsrechtlich garantierten Betätigungsfreiheit der Koalitionen nur dann mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar sind, wenn sie entweder dem Schutz des jeweiligen Koalitionspartners und damit gerade der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie oder dem Schutz der Grundrechte Dritter dienen oder sie durch die Rücksicht auf andere Rechte mit Verfassungsrang gerechtfertigt sind(BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 3 a der Gründe, aaO; 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 94, 368) .

61

dd) Der durch eine Verdrängung tariflicher Regelungen erfolgte Eingriff in die individuelle und die kollektive Koalitionsfreiheit ist nach den vorgenannten Maßstäben nicht gerechtfertigt.

62

(1) Die Notwendigkeit der Auflösung einer Tarifpluralität kann nicht damit begründet werden, es handele sich bei dem Grundsatz der Tarifeinheit um einen „richtungweisenden Maßstab rechtlicher Normierung“, der vor Art. 9 Abs. 3 GG bestehen könne(Hromadka Gedächtnisschrift Heinze 2005 S. 383, 393; anders bereits Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20 ). Weiterhin kann auch nicht eine „verfassungsrechtlich anerkannte Ordnungsfunktion des Tarifwesens“ als mögliche Grundlage herangezogen werden (so aber Hanau RdA 2008, 98, 99). Weder dem Tarifvertragsgesetz noch dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG kann eine rechtlich verbindliche Vorgabe der betriebseinheitlichen Geltung von denjenigen Tarifnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, entnommen werden. Die mit dem Koalitionsgrundrecht verbundene Zielvorstellung der „sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens“ beinhaltet keine rechtlich vorgegebene Ordnung, wonach tarifliche Normen betriebseinheitlich gelten müssten, die vorliegend eine Einschränkung der grundrechtlichen Freiheiten rechtfertigen könnte. Die Ordnungsfunktion von Tarifverträgen ist entsprechend der von Verfassungs wegen vorgegebenen mitgliedschaftlichen Struktur der Koalitionen nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf die unmittelbar Tarifgebundenen beschränkt.

63

(a) Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verfolgt den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, dem von der staatlichen Rechtssetzung ausgesparten Raum des Arbeitslebens im einzelnen durch Tarifverträge autonom zu regeln(BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - zu B II 1 b bb der Gründe, BVerfGE 44, 322; grdl. BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b bb der Gründe, BVerfGE 4, 96; weiterhin etwa BVerfG 6. Mai 1964 - 1 BvR 79/62 - zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 18, 18; 1. März 1979 - 1 BvR 532/77 ua. - zu C IV 1, 2 b cc der Gründe, BVerfGE 50, 290; 20. Oktober 1981 - 1 BvR 404/78 - zu B I der Gründe, BVerfGE 58, 233; 2. März 1993 - 1 BvR 1213/85 - zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 88, 103; 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 - zu C I 2 c der Gründe, BVerfGE 92, 365). Bei dieser Zweckverfolgung durch den Abschluss von Tarifverträgen sollen die Vereinigungen nach dem Willen des Grundgesetzes frei sein (BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212 ).

64

Mit dem Tarifvertragsgesetz hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen für ein gesetzlich gesichertes tarifvertragliches Regelungsverfahren in Ausgestaltung der verfassungsrechtlich abgesicherten Tarifautonomie geschaffen(so schon BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b aa der Gründe, BVerfGE 4, 96). Die Tarifvertragsparteien regeln auf dessen Grundlage (privat-)autonom, mit welchen tarifpolitischen Forderungen (dazu BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 99, BAGE 122, 134) sie für ihre Mitglieder tarifvertragliche Regelungen mit welchem Tarifvertragspartner setzen wollen und letztlich vereinbaren.

65

Dabei regelt das Tarifvertragsgesetz das Zustandekommen und die Wirkung von Tarifverträgen. Es enthält dafür - gerade anders als § 3 Abs. 2 und 3 TVG für betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Rechtsnormen eines Tarifvertrages - keine gesetzlichen Vorgaben, die auf eine bestimmte inhaltliche Ordnung des Tarifvertragssystems iSe. tarifeinheitlichen Regelung der Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen im jeweiligen Betrieb ausgerichtet sind oder eine solche gar rechtlich vorschreiben. Es kann deshalb offenbleiben, ob der einfache Gesetzgeber eine Regelung überhaupt schaffen könnte, die in einer derart weit reichenden Weise in die verfassungsrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit eingreift.

66

Die Ordnungsfunktion eines Tarifvertrages ist durch die nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf die Mitglieder beschränkte Rechtssetzungsmacht der Tarifvertragsparteien begrenzt. Insoweit wird der Tarifvertrag im Hinblick auf die von ihm gesetzten Rechtsnormen - wie jeder Vertrag - seiner Ordnungsfunktion gerecht(Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 374, 393 f.; Koop Das Tarifvertragssystem zwischen Koalitionsmonopolismus und Koalitionspluralismus 2009 S. 277 ff., 281). Eine über die Ordnung der Vertragsbeziehungen seiner Mitglieder hinausgehende Ordnungsfunktion des Tarifvertrages, namentlich in Richtung auf eine „sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens“ dergestalt, die Arbeitsverhältnisse im Betrieb einheitlich zu regeln, ist durch das Tarifvertragsgesetz rechtlich nicht vorgegeben (Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 153; Däubler in ders. [Hrsg.] TVG 2. Aufl. Rn. 81; Dieterich AuR 2001, 390, 391; ders. Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 539 ff.; Jacobs aaO; Kempen in ders./Zachert [Hrsg.] TVG 4. Aufl., Einl. Rn. 99; Konzen RdA 1978, 146, 153; Koop Das Tarifvertragssystem zwischen Koalitionsmonopolismus und Koalitionspluralismus 2009 S. 283; Schliemann FS Hromadka 2008 S. 359, 371, 377 f.: „korrespondiert kein rechtlich fundierter Grundsatz“; ähnlich Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 740).

67

(b) Der Grundsatz der betrieblichen Tarifeinheit ist auch kein verfassungsrechtliches Element der grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie, welches die Verdrängung von Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, begründen könnte.

68

Der Annahme einer von Verfassungs wegen vorgesehenen notwendigen tarifeinheitlichen Regelung für den jeweiligen Betrieb steht bereits entgegen, dass die Koalitionsfreiheit in erster Linie als Freiheitsgrundrecht strukturiert(s. nur BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 365) und auf einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Koalitionen angelegt ist. Art. 9 Abs. 3 GG überlässt es den tariffähigen Koalitionen, in Ausübung ihrer kollektiven Privatautonomie im Rahmen der Verfahrensregelungen des Tarifvertragsrechts autonom durch Tarifverträge die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu regeln. Dieses Zurücktreten des Staates zugunsten der Tarifparteien gewinnt seinen Sinn ebenso sehr aus dem Gesichtspunkt, dass die unmittelbar Betroffenen besser wissen und besser aushandeln können, was ihren beiderseitigen Interessen und dem gemeinsamen Interesse entspricht, als der demokratische Gesetzgeber, wie aus dem Zusammenhang mit dem für die Gestaltung nicht öffentlich-rechtlicher Beziehungen charakteristischen Prinzip der Privatautonomie, im Grunde also der Entscheidung des Grundgesetzes zugunsten des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats (BVerfG 27. Februar 1973 - 2 BvL 27/69 - zu B II 4 a der Gründe, BVerfGE 34, 307). Dabei hat der Gesetzgeber den Koalitionen im Tarifvertragsgesetz das Mittel des Tarifvertrages an die Hand gegeben, damit sie die von Art. 9 Abs. 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens verwirklichen können (BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - zu B II 1 b aa der Gründe, BVerfGE 44, 322).

69

Dies erfolgt auch im Wettbewerb mit anderen Koalitionen(BVerfG 6. Mai 1964 - 1 BvR 79/62 - zu B III 2 c der Gründe, BVerfGE 18, 18; 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74 ua. - zu B II 2 c der Gründe, BVerfGE 55, 7). Zu dem durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionspluralismus gehört, dass die Koalitionen in Konkurrenz treten(BAG 31. Mai 2005 - 1 AZR 141/04 - Rn. 31, BAGE 115, 58). Dieser Wettbewerb wird auch im Rahmen der durch das Tarifvertragsgesetz ausgestalteten kollektiven Privatautonomie ausgetragen. Tarifpluralität ist deshalb Folge des verfassungsrechtlich vorgesehenen und geschützten Koalitionspluralismus (s. dazu nur Franzen ZfA 2009, 297, 307 f.; Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 539; Kraft RdA 1992, 159, 168; Konzen RdA 1978, 146, 154).

70

Der in frühen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts verwendete Begriff der „sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens“ steht diesem Verständnis nicht entgegen. Die sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens ist „einer der Zwecke des Tarifvertragssystems“(BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b bb der Gründe, BVerfGE 4, 96), nicht aber eine verfassungsrechtlich verbindliche Vorgabe, die den Grundsatz der betrieblichen Tarifeinheit rechtfertigen könnte. Die in Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verankerte Tarifautonomie verfolgt den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, den von der staatlichen Rechtssetzung ausgesparten Raum des Arbeitslebens im Einzelnen durch Tarifverträge „autonom“ zu regeln(oben unter [aa] mwN). Nur insoweit dient die Koalitionsfreiheit der sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens (BVerfG 1. März 1979 - 1 BvR 532/77 ua. - zu C IV 1 der Gründe, BVerfGE 50, 290; zu dieser Rechtsprechung des BVerfG s. auch Richardi FS Buchner 2008 S. 731, 739 f.). Auf welchem Wege die Koalitionen die verfassungsrechtliche Erwartung der sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens verwirklichen, ist im Rahmen der rechtlichen Ausgestaltung des Tarifvertragswesens ihnen überlassen und fordert von Verfassungs wegen keine betriebseinheitlichen Tarifregelungen.

71

(2) Soweit weiterhin angenommen wird, die „Kartellfunktion“ des Tarifvertrages und das Ziel einer „regelmäßigen Ordnung“ der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen erforderten funktionell, dass am Ende des Koalitionswettbewerbs eine tarifeinheitliche Regelung für das konkrete betriebliche Arbeitsfeld bestehe(Kempen FS Hromadka 2008 S.  177, 185  ff.; s. auch ders. FS 50 Jahre BAG 2005 S. 729 f., 733; ebenso Scholz FS Buchner 2009 S.  827, 828  ff.; ähnlich Berg/Platow/Schoof/Unterhinninghofen Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht 2. Aufl. § 4 TVG Rn. 58b ), ist dies in dem Art. 9 Abs. 3 GG konkretisierenden Tarifvertragsgesetz für die hier ausschließlich infrage stehenden Rechtsnormen eines Tarifvertrages nicht geregelt. Die sogenannte Kartellfunktion, die in der Vereinheitlichung von Arbeitsbedingungen liegt, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, beruht als solche nicht auf einer normativen Festlegung durch das geltende Tarifvertragsrecht (Däubler in ders. [Hrsg.] TVG Rn.  83, so auch Kempen in ders./Zachert [Hrsg.] TVG Einl. I Rn.  103; Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 145; abl. auch Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 540 f. ). Ein solches funktionelles Erfordernis kann aus den bereits genannten Gründen (unter [a] [bb] ) dem Koalitionsgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG nicht entnommen werden. Eine mögliche Kartellwirkung ergibt sich lediglich über § 4 Abs. 1 TVG auf der Ebene der an den einzelnen Tarifvertrag Gebundenen und auch hier nur hinsichtlich der Geltung von Mindestarbeitsbedingungen(§ 4 Abs. 3 TVG).

72

(3) Die angeführten Zweckmäßigkeits- oder Praktikabilitätserwägungen stellen keine mit der Koalitionsfreiheit kollidierenden Rechtsgüter des Arbeitgebers von gleichermaßen verfassungsrechtlichem Rang(zu diesem Erfordernis BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394) dar, die nach den genannten Maßstäben einen Eingriff in die individuelle und die kollektive Koalitionsfreiheit rechtfertigen können (s. nur Reichold RdA 2007, 321, 324 f.; Engels RdA 2008, 331, 335; Jacobs NZA 2008, 325, 329). Ein Ordnungsziel der betriebseinheitlichen Tarifgeltung wäre allein auf den einzelnen Betrieb bezogen und betriebswirtschaftlich ausgerichtet ( Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 439 ) . Ebenso wenig können etwaige „Effizienzgewinne tarifvertraglich installierter allgemeiner Arbeitsbedingungen“ (Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 12) eine Einschränkung des Koalitionsgrundrechts begründen; allein ordnungspolitische Vorstellungen, die nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen (oben unter [3]), können eine solche nicht rechtfertigen (in diese Richtung aber Buchner BB 2003, 2121, 2127; ebenso Hromadka NZA 2008, 384, 392: „Tarifeinheit … ist geeignet, eine sinnvolle Ordnung im Betrieb herzustellen“).

73

(4) Es sind auch derzeit keine Anzeichen dafür erkennbar, dass ein solcher Eingriff in die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften und ihrer Mitglieder zur Wahrung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie(zu diesem Kriterium als mögliche Rechtfertigung eines Eingriffs BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 2 c der Gründe, BVerfGE 92, 365) erforderlich wäre. Soweit angeführt wird, im Falle einer Tarifpluralität könne das Tarifvertragssystem seine Aufgabe nicht mehr wahrnehmen (Hromadka Gedächtnisschrift Heinze S. 383, 394, unter Hinweis auf die Gefahr „ständiger Tarifverhandlungen und Streiks“, dazu oben unter dd [2] [a] [cc]; Buchner BB 2003, 2121, 2128; Feudner BB 2007, 2459, 2462; Scholz FS Buchner 2009 S. 827, 828 f.; s. auch Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 11: „Gemeinwohlinteresse an einem funktionierenden Tarifsystem zur sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens“), ohne die Funktionsunfähigkeit der Tarifautonomie näher zu begründen, wird übersehen, dass Tarifeinheit keine Funktionsbedingung der Tarifautonomie ist (ErfK/Dieterich 10. Aufl. Art. 9 GG Rn. 68a; Reichold RdA 2007, 321, 324; s. auch Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 740 ). Eine Bedrohung des Bestandes der Tarifverträge der Mehrheitsgewerkschaften, die Scholz anlässlich des Tarifkonflikts bei der Deutschen Bahn ausmachen und daraus einen „verfassungsunmittelbaren Konflikt“ auf der Ebene der Koalitionsrechtsgarantie folgern will (FS Buchner 2009 S. 827, 829), ist rechtstatsächlich nicht erkennbar. Auch sind keine schwer überwindbaren Schwierigkeiten für die Gestaltung des Tarifrechts in Richtung auf Tarifklarheit und Rechtssicherheit erkennbar oder absehbar (dazu BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b bb der Gründe, BVerfGE 4, 96), die die Verdrängung eines Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit begründen könnten.

74

(5) Für eine Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Gemeinwohlbelange(dazu BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C II 2 a der Gründe, BVerfGE 92, 365) durch eine Pluralität tariflicher Regelungen im Betrieb gibt es derzeit keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte.

75

ee) Schließlich ist die in den Entscheidungen zum Grundsatz der Tarifeinheit herangezogene Parallele zu § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG nicht geeignet, den Eingriff in die Koalitionsfreiheit derjenigen Arbeitnehmer (mit) zu begründen, die der Gewerkschaft angehören, die den verdrängten Tarifvertrag geschlossen hat. § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG bezweckt den Schutz der Tarifautonomie und setzt dabei das Rangverhältnis zwischen Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung voraus. Demgegenüber hindert der Grundsatz der Tarifeinheit die Koalitionsbetätigung im Betrieb, indem er zumindest einen Tarifvertrag verdrängt und betrifft zudem ranggleiche Regelungen. Die Vorschrift kann nicht dazu herangezogen werden, Tarifgebundene von den sie schützenden Tarifnormen auszuschließen(zB Kraft RdA 1993, 161, 168; Hanau RdA 1998, 65, 69; Merten BB 1993, 572, 575). Bei den tariflichen Regelungen iSd. § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG handelt es sich zudem häufig um Betriebs- oder Betriebsverfassungsnormen im Sinne von § 3 Abs. 2 TVG. Bei diesen ist die gleichzeitige Geltung verschiedener tarifvertraglicher Normen, die für dasselbe Arbeitsverhältnis denselben Regelungsgegenstand betreffen (Tarifkonkurrenz), ausgeschlossen. Arbeitnehmern, die an den bei der hier notwendigen Kollisionsauflösung verdrängten Tarifvertrag gebunden sind, bleibt aufgrund der hierfür allein erforderlichen Tarifgebundenheit des Arbeitgebers zumindest der Schutz des verdrängenden Tarifvertrages, auch wenn sie nicht Mitglied der hieran beteiligten Gewerkschaft sind.

76

5.Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die nach alledem auch weiterhin zu Grunde zu legende Geltung des BAT kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit nicht aufgrund der individualvertraglichen Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien ausgeschlossen. Selbst wenn diese sich - wie die Revision meint - nach Inkrafttreten des TVöD auf diesen erstrecken sollte, bestünde bei dem Kläger keine Tarifkonkurrenz, die zur Verdrängung des BAT führen würde. Die individualvertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages führt nicht zu dessen tarifrechtlicher Geltung mit der Folge, dass seine Bestimmungen infolge einer Tarifkonkurrenz nach dem Spezialitätsprinzip verdrängt werden könnten. Es handelt sich vielmehr um eine einzelvertragliche Regelung von Arbeitsbedingungen. Deshalb kann es auch nicht zu einer Konkurrenz kommen, weil nicht zwei Tarifverträge gleichzeitig für das Arbeitsverhältnis des Klägers Geltung beanspruchen (BAG 29.  August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 20, BAGE 124, 34, unter Aufgabe von BAG 23. März 2005 - 4 AZR 203/04 - BAGE 114, 186). Ist der Arbeitnehmer an einen Tarifvertrag gebunden, gilt im Verhältnis zu den vertraglichen Regelungen, auch wenn sie tarifvertragliche Bestimmungen zum Gegenstand des Arbeitsvertrages machen, das tarifrechtliche Günstigkeitsprinzip gemäß § 4 Abs. 3 TVG(s. auch BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 34, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 39), im anderen Fall bleibt es bei der unmittelbaren und zwingenden Wirkung kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit.

77

Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 23. März 2005(- 4 AZR 203/04 - BAGE 114, 186) geltend gemacht hat, das Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG sei vorliegend nicht anwendbar und sie habe bei Verwendung der Bezugnahmeklausel auf diese Rechtsprechung vertraut, ist dies in mehrfacher Hinsicht ohne Bedeutung. Es ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit die Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrages am 12. März 2004 auf diese erst später ergangene Entscheidung vertraut haben will. Der Senat hat in der genannten Entscheidung eine Verdrängung des Günstigkeitsprinzips zudem nur für den Fall angenommen, dass beide konkurrierenden Tarifverträge - Verbandstarifvertrag zum einen und Firmentarifvertrag zum anderen - auch vertraglich in Bezug genommen waren und von derselben Gewerkschaft geschlossen wurden (23. März 20054 AZR 203/04 - zu I 1 b cc [2] der Gründe, aaO). Beide Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Abgesehen davon reicht eine einzelne höchstgerichtliche Entscheidung nicht aus, die Gewährung von Vertrauensschutz zu begründen (BAG 29. August 2007 - 4 AZR 765/06 - Rn. 32, SAE 2008, 365).

78

III. Der Kläger hat durch die E-Mail vom 31. Januar 2006 die tarifvertragliche Ausschlussfrist nach § 70 Satz 1 BAT gewahrt. Diese genügte dem Schriftformerfordernis iSd. § 70 BAT.

79

1. Das zwischen den Parteien unstreitige Vorbringen des Klägers zur Geltendmachung seines Anspruchs konnte vom Senat berücksichtigt werden.

80

a) Zwar unterliegt nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Dazu gehört auch das Parteivorbringen in Schriftsätzen und Anlagen, auf die im Berufungsurteil Bezug genommen wird. Neues tatsächliches Vorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen. Es kann aber ausnahmsweise berücksichtigt werden, wenn das Revisionsgericht erstmals gemäß § 139 Abs. 2 ZPO auf eine bisher nicht beachtete, entscheidungserhebliche Rechtslage hingewiesen hat. Die Parteien können dann an der Rechtslage ausgerichtete Tatsachen vortragen, die auch eine Sachentscheidung rechtfertigen können(BAG 9. Oktober 1973 - 1 ABR 6/73 - zu III 2 der Gründe, BAGE 25, 325; GK-ArbGG/Mikosch Stand November 2009 § 73 Rn. 81; ebenso Müller-Glöge in Germelmann ua. ArbGG 7. Aufl. § 74 Rn. 121, für den Fall eines unstreitigen Vorbringens).

81

b) Danach konnte der Kläger ergänzend zur rechtzeitigen Geltendmachung vortragen. Die Vorinstanzen haben weder den Umstand berücksichtigt, dass der Kläger zur Wahrung der Ausschlussfrist nichts vorgetragen hatte, noch ihm einen dahingehenden rechtlichen Hinweis erteilt und der Klage gleichwohl stattgegeben. Insoweit war - wie durch den Senat geschehen - den Parteien nach § 139 Abs. 2 ZPO Gelegenheit zu geben, ergänzend vorzutragen. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Empfang der beiden E-Mails des Klägers bestätigt.

82

2. Der Kläger hat seinen Anspruch auf Urlaubsaufschlag durch seine E-Mail vom 31. Januar 2006 und damit nach Fälligkeit des Anspruchs(dazu BAG 24. Oktober 1990 - 6 AZR 37/89 - zu B V 2 der Gründe, BAGE 66, 154) geltend gemacht.

83

a) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Dies braucht zwar nicht wörtlich, muss jedoch hinreichend klar geschehen. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung bestehen wird(BAG 5. April 1995 - 5 AZR 961/93 - zu 2 b der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 130 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 111). Die Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und dessen Höhe, dh. der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Klarheit ersichtlich gemacht wird. Der Sinn und Zweck der Regelung besteht darin, dem Schuldner den behaupteten Anspruch so zu kennzeichnen, dass er sich über Inhalt und Umfang klar werden kann und dem Gläubiger die Erhebung einer formellen Klage zunächst erspart wird. Deshalb müssen für den Arbeitgeber die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, erkennbar sein. Eine rechtliche Begründung ist nicht erforderlich (BAG 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - zu II 3 b der Gründe mwN, AP BAT-O § 70 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 136).

84

b) Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, ob der Kläger bereits mit seiner E-Mail vom 1. Januar 2006 einen Anspruch auf Urlaubsaufschlag entsprechend den genannten Anforderungen geltend gemacht hat. Jedenfalls mit der E-Mail vom 31. Januar 2006 hat er gegenüber der Beklagten mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen gegeben, dass er nicht nur eine bloße Überprüfung der Urlaubsabrechnung erbittet, sondern auch die Zahlung der noch ausstehenden Urlaubsvergütung von ihr erwartet.

85

aa) Mit einer E-Mail vom 1. Januar 2006 wandte sich der Kläger an die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten. Darin heißt es ua.:

        

„Zu meiner aktuellen Abrechnung bleiben … auf jeden Fall noch zwei Fragen zur Seite 7, die den Monat Oktober 2005 betrifft:

        

1.   

Wann ist mit der Auszahlung der entsprechenden Urlaubsvergütung für die 11 Urlaubstage im Zeitraum vom 15.-31.10. zu rechnen? (kann ich hier dann gleich auf die 3 Urlaubstage vom 01.11. bis 06.11. hinweisen?)

        

…       

        

Mit freundlichen Grüßen

        

H G

        

**********************************************

        

Dr. med H G

        

Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie

        

und operative Intensivmedizin

        

Universitätsklinikum M

        

… “

86

Die Beklagte teilte dem Kläger am 4. Januar 2006 gleichfalls durch E-Mail mit, dass seine Fragen zum Urlaubsaufschlag an den Leiter des Entgeltbereichs weitergeleitet würden. Der Kläger fragte am 31. Januar 2006 unter Verwendung der Antwortfunktion des E-Mail-Programms bei der Beklagten nach:

        

„… möchte ich kurz … nachfragen,

        

a) wann ich mit einer Rückmeldung bezüglich der im Vormonat nicht überwiesenen Urlaubsvergütung (kein Urlaubsgeld) für die 11 Urlaubstage im Zeitraum 15.-31.10.2005 … und der Überweisung des entsprechenden Betrages rechnen kann?

        

…       

        

Mit freundlichen Grüßen

        

H G

        

**********************************

        

Dr. med. H G

        

…“   

87

bb) Das ist für eine Geltendmachung zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfristen ausreichend. Grund und Höhe des Anspruchs sind dabei mit der Benennung des maßgebenden Zeitraums und der geforderten Urlaubsvergütung hinreichend deutlich bezeichnet. Die fehlende Verwendung des tariflichen Begriffs „Urlaubsaufschlag“ ist unschädlich. Der Beklagten wurde diejenige Kenntnis vermittelt, die erforderlich ist, um sich mit der Berechtigung eines bestimmten Anspruchs auseinandersetzen zu können. Da der Kläger sich auf seine im Vormonat Dezember 2005 nicht ausgezahlte Urlaubsvergütung für den Urlaub im Monat Oktober 2005 bezieht, ist erkennbar, dass sich sein Verlangen auf den im Monat Dezember fällig gewordenen Teil der Urlaubsvergütung, den nicht zur Auszahlung gelangten Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 BAT bezieht. In diesem Sinne hat die Beklagte bereits die ähnlich lautende E-Mail des Klägers vom 1. Januar 2006 verstanden. Das zeigt ihre Antwort vom 4. Januar 2006, in der sie selbst den Urlaubsaufschlag nennt.

88

3. Die tarifliche Ausschlussfrist hat der Kläger nicht deshalb versäumt, weil er seinen entstandenen Anspruch(dazu BAG 22. Januar 2009 - 6 AZR 5/08 - Rn. 13 ff., AP BAT § 70 Nr. 39)lediglich durch eine E-Mail geltend gemacht hat. Zur Wahrung der Ausschlussfrist und des Schriftlichkeitsgebots nach § 70 Satz 1 BAT bedarf es nicht der Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB. Es genügt die Einhaltung der Textform des § 126b BGB. Deren Anforderungen wird die E-Mail vom 31. Januar 2006 gerecht.

89

a) Die E-Mail vom 31. Januar 2006 erfüllt nicht die Voraussetzungen, die § 126 Abs. 1 BGB an die Form einer Urkunde stellt, wenn durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben ist. Es bedarf dann der eigenhändigen Unterzeichnung der Urkunde durch Namensunterschrift von Seiten des Ausstellers. Daran fehlt es hier.

90

b) Der Formwirksamkeit der E-Mail nach § 70 Satz 1 BAT steht dieser Umstand allerdings nicht entgegen. Für sie genügt die Einhaltung der Textform des § 126b BGB(ebenso LAG Düsseldorf 25. Juli 2007 - 12 Sa 944/07 -; Hessisches LAG 6. August 2009 - 14 Sa 563/09 - zu 1 der Gründe; ArbG Krefeld 31. Oktober 2005 - 5 Ca 2199/05 - m. abl. Anm. Peetz/Rose DB 2006, 2346; Gotthardt/Beck NZA 2002, 876, 883; Röger NJW 2004, 1764, 1767; wohl auch ErfK/Preis § 218 BGB Rn. 62; aA Schmitt SAE 2001, 306 f.; wie hier für die Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG: BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 29 ff., AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12).

91

aa) Die §§ 126 ff. BGB gelten unmittelbar nur für Rechtsgeschäfte. Die Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist ist kein Rechtsgeschäft, sondern rechtsgeschäftsähnliche Handlung. Auf eine solche sind die §§ 126 ff. BGB allenfalls analog anwendbar. Das setzt jeweils die gleiche Interessenlage wie bei Rechtsgeschäften voraus. Diese ist bei der schriftlichen Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT nur im Hinblick auf § 126b BGB gegeben.

92

(1) Die Geltendmachung im Sinne einer tariflichen Ausschlussfrist ist keine Willenserklärung, sondern rechtsgeschäftsähnliche Handlung(BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 313/99 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 96, 28; 20. Februar 2001 - 9 AZR 46/00 - zu II 2 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Gaststätten Nr. 11 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 139; 6. September 2001 - 8 AZR 59/01 - zu 5 b aa der Gründe, EzBAT §§ 22, 23 BAT M Nr. 91; 17. September 2003 - 4 AZR 540/02 - zu III 1 der Gründe, BAGE 107, 304).

93

(2) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das in § 126 BGB vorgesehene Formerfordernis trotz des offenen Wortlauts der Vorschrift auf Rechtsgeschäfte beschränkt. Auf rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen ist die Bestimmung nicht unmittelbar anzuwenden(BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 32, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12; 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 27, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11; 17. September 2003 - 4 AZR 540/02 - zu III 3 der Gründe, BAGE 107, 304; 11. Juni 2002 - 1 ABR 43/01 - zu B IV 1 b aa der Gründe mwN, BAGE 101, 298; 11. Oktober 2000 - 5 AZR 313/99 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 96, 28; Soergel/Hefermehl BGB Bd. 2 13. Aufl. § 126 Rn. 2; Gragert/Wehe NZA 2001, 311, 312; Köhler AcP 182 (1982) 126, 151; Anschütz/Kohte JR 2001, 263, 264; aA Gotthardt/Beck NZA 2002, 876, 883; Röger NJW 2004, 1764, 1765; die jedoch alle eine Auslegung der die Schriftform anordnenden Regelung für zulässig erachten). Daran hat die Ergänzung des § 126 BGB um § 126a und § 126b BGB durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl. I S. 1542) nichts geändert (aA Röger NJW 2004, 1764, 1765). Auch die neu eingefügten §§ 126a, 126b BGB sind vielmehr wegen des fortbestehenden Sachzusammenhangs mit den Bestimmungen über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte unmittelbar nur auf Willenserklärungen anwendbar. Für rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen gelten sie allenfalls entsprechend (BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 33, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12; 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 27 ff., AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11; vgl. dagegen BGH 14. März 2006 - VI ZR 335/04 - zu II 1 a aa der Gründe, NJW 2006, 2482: „Vorschriften über das Wirksamwerden von Willenserklärungen gelten im Fall von § 12 Abs. 3 VVG entsprechend“).

94

(3) Eine entsprechende Anwendung von § 126 BGB(zu den Voraussetzungen BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 36, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11)auf die Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist des § 70 BAT ist nicht geboten. Normzweck und Interessenlage verlangen nicht nach einer eigenhändigen Unterzeichnung der schriftlichen Erklärung durch Namensunterschrift des Beschäftigten. Ausschlussfristen dienen dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit im Vertragsverhältnis. Der Schuldner soll binnen einer angemessenen Frist darauf hingewiesen werden müssen, ob und welche Ansprüche gegen ihn noch geltend gemacht werden (BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 313/99 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 96, 28). Sinn und Zweck einer Ausschlussfrist erfordern es deshalb nicht, dass bei Anordnung einer schriftlichen Geltendmachung das Schreiben die eigenhändige Namensunterschrift trägt. Entscheidend ist vielmehr, dass dem Geltendmachungsschreiben die Erhebung bestimmter, als noch offen bezeichneter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch Lesen einer textlichen Nachricht entnommen werden kann.

95

Diesem Informations- und Klarstellungszweck genügt eine dem Arbeitgeber zugegangene schriftliche Erklärung auch ohne eigenhändige Namensunterschrift des Beschäftigten. Die Gewährleistung der Identitäts- und die Vollständigkeitsfunktion ist zwar auch für eine Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT unverzichtbar. Sie verlangt aber nicht notwendig nach einer Originalunterschrift. Person und Identität des Erklärenden stehen schon dann fest, wenn dessen Name angegeben wird. Der Arbeitgeber kann dann erkennen, von wem die Erklärung abgegeben wurde. Vollständigkeit und inhaltlicher Abschluss der Erklärung lassen sich durch die Anbringung einer Grußformel, die maschinenschriftliche Namenswiedergabe oder Ähnliches unmissverständlich kenntlich machen(zu § 99 Abs. 3 BetrVG BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 40, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11). Damit wird die Identität dessen, der etwas verlangt, ausgewiesen und durch die Abschlusserklärung noch hinreichend legitimiert (nicht eindeutig BAG 17. September 2003 - 4 AZR 540/02 - zu III 4 der Gründe, BAGE 107, 304). Das ohne eine Originalunterschrift möglicherweise geringfügig höhere Fälschungsrisiko einer Geltendmachung durch eine E-Mail, welches zumindest den unberechtigten Zugriff auf die Zugangsberechtigung zur Nutzung des E-Mail-Kontos erfordern würde, kann angesichts der rechtlichen Unschädlichkeit einer falschen Mitteilung (s. auch BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 41, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11) und der geringen Wahrscheinlichkeit einer (böswilligen) Wahrnehmung fremder Rechte (Gotthardt/Beck NZA 2002, 876, 883) vernachlässigt werden.

96

(4) Nach der objektiven Sach- und Interessenlage bei der Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT ist die entsprechende Anwendung von § 126b BGB geboten und ausreichend. Nach dieser Bestimmung muss, wenn eine Textform vorgeschrieben ist, die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden. Auf diese Weise stellt § 126b BGB auch ohne das Erfordernis eigenhändiger Unterzeichnung sicher, dass die Identitäts- und Vollständigkeitsfunktionen einer schriftlichen Erklärung neben der ohnehin gegebenen Dokumentationsfunktion gewahrt sind(BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 45, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11).

97

bb) Die E-Mail vom 31. Januar 2006 genügt den Erfordernissen des § 126b BGB. Sie ist zwar keine „Urkunde“. Die in ihr enthaltene Erklärung ist aber auf eine andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben worden. Der Inhalt einer elektronischen Datei mit Schriftzeichen kann vom Empfänger entweder gespeichert und damit bei Bedarf jederzeit aufgerufen oder zumindest ausgedruckt und auf diese Weise dauerhaft wiedergegeben werden. Die E-Mail des Klägers enthält seinen Namen und seine Anschrift. Der Abschluss der Erklärung ist durch eine Grußformel und die Wiederholung des Namens eindeutig kenntlich gemacht.

98

IV. Der Senat ist nicht an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil er nicht von der Rechtsprechung eines anderen Senats abweicht. Der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 4 ArbGG bedarf es nicht.

99

1. Der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat auf den Anfragebeschluss des Senats von 27. Januar 2010(- 4 AZR 549/08 (A) -) mit Beschluss vom 23. Juni 2010 entschieden, dass er sich der Auffassung des Senats anschließt, wonach „die Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen eines Betriebes unmittelbar gelten und diese durch das Tarifvertragsgesetz vorgesehene Geltung nicht dadurch verdrängt wird, dass für den Betrieb kraft Tarifbindung des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG mehr als ein Tarifvertrag gilt, für Arbeitsverhältnisse derselben Art im Falle einer Tarifbindung eines oder mehrerer Arbeitnehmer allerdings jeweils nur ein Tarifvertrag („Tarifpluralität“)“. Es bestehe „kein hinreichender Grund, die damit im Gesetz angelegte Möglichkeit auszuschließen, dass für verschiedene Arbeitnehmer im Betrieb unterschiedliche Tarifverträge gelten“ (BAG 23. Juni 2010 - 10 AS 3/10 -).

100

2. Eine Anfrage an den Ersten Senat ist nicht erforderlich.

101

a) Die Entscheidung des Ersten Senats vom 29. März 1957 behandelt einen Fall der Tarifkonkurrenz. Der Senat führt zwar aus, der Grundsatz der Tarifeinheit besage auch, dass in jedem Betrieb grundsätzlich für alle in diesem Betrieb begründeten Arbeitsverhältnisse nur ein Tarifvertrag anzuwenden ist(- 1 AZR 208/55 - BAGE 4, 37, 38). Diese Ausführungen waren allerdings nicht entscheidungserheblich im Hinblick auf die Auflösung einer eventuellen Tarifpluralität. In einer weiteren Entscheidung war eine Tarifpluralität nicht aufzulösen (19. Dezember 1958 - 1 AZR 55/58 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6), so dass es an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage fehlt. Das gilt auch für die Entscheidungen des Ersten Senats vom 22. März 1994 (- 1 ABR 47/93 - zu B III 1 a der Gründe, EzA TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 10),vom 14. Dezember 2004 (- 1 ABR 51/03 - zu III 2 h der Gründe, BAGE 113, 82) und vom 28. März 2006 (- 1 ABR 58/04 - zu B III 3 b bb [1] [a] der Gründe, BAGE 117, 308).

102

b) Zudem ist hinsichtlich der Entscheidung vom 29. März 1957(- 1 AZR 208/55 - BAGE 4, 37, 38) der Vierte Senat aufgrund einer Änderung in der Geschäftsverteilung mittlerweile anstelle des damals zuständigen Ersten Senats für die vorliegende Rechtsfrage allein zuständig. Nach I Nr. 1 des damals maßgebenden Geschäftsverteilungsplans waren dem Ersten Senat die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG zugewiesen, bei denen es sich um das Rechtsgebiet des „Allgemeinen Tarifrechts“ handelt. Für das Tarifvertragsrecht ist nach Nr. 4.1 des maßgebenden Geschäftsverteilungsplans der Vierte Senat ausschließlich zuständig. Eine Anfrage beim Ersten Senat, ob er an seiner Rechtsauffassung festhält, wäre auch deshalb entbehrlich, § 45 Abs. 3 Satz 2 ArbGG(vgl. dazu auch BAG 20. August 2002 - 9 AZR 750/00 - zu I 4 c cc der Gründe, BAGE 102, 260; 7. November 2000 - 1 ABR 55/99 - zu B IV 2 der Gründe, BAGE 96, 200).

103

3. Der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 4 ArbGG bedarf es nicht.

104

a) § 45 Abs. 4 ArbGG setzt voraus, dass eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Vorlage erforderlich machen.

105

Eine grundsätzliche Bedeutung kann nicht schon dann angenommen werden, dass sich die hier zu entscheidende Rechtsfrage auf eine Vielzahl von Fällen auswirkt. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht bisher für den hinsichtlich der Zulassung der Revision maßgeblichen Begriff der grundsätzlichen Bedeutung in § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG angenommen, diese könne sich auch aus der Anzahl der von einer Rechtsfrage betroffenen Rechtsverhältnisse ergeben(vgl. etwa BAG 26. September 2000 - 3 AZN 181/00 - zu II 2 der Gründe mwN, BAGE 95, 372). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf die Voraussetzungen für eine Vorlage nach § 45 Abs. 4 ArbGG übertragen werden. Während § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Frage regelt, wann eine vereinheitlichende Entscheidung durch das Revisionsgericht herbeizuführen ist, dient die Vorlage an den Großen Senat dazu, in den besonderen Fällen, in denen eine Entscheidung durch die einzelnen Senate der Bedeutung der Rechtsfrage nicht gerecht wird, eine Klärung herbeizuführen(BAG 28. Juli 2009 - 3 AZR 250/07 - Rn. 24; s. auch Prütting in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 45 Rn. 29 mwN auch zur Gegenauffassung).

106

b) Die vorliegende Rechtsfrage berührt - neben der Zuständigkeit des Zehnten Senats, an den die Divergenzanfrage gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG gestellt wurde - allein die Zuständigkeit des für das Tarifrecht zuständigen Fachsenats, dem als Spruchkörper eines obersten Bundesgerichts in erster Linie die Aufgabe der Sicherung der Rechtseinheit und der Rechtsfortbildung übertragen ist. Es handelt sich nicht um eine Rechtsfrage, die sich für die Rechtsprechung anderer Senate des Bundesarbeitsgerichts in gleicher Weise stellt oder stellen wird(zu diesem Kriterium GK-ArbGG/Dörner Stand April 2009 § 45 Rn. 54 mwN; Schwab/Weth/Liebscher ArbGG 2. Aufl. § 45 Rn. 34; zu § 132 Abs. 4 GVG MünchKommZPO/Zimmermann Bd. 3 § 132 GVG Rn. 23; vgl. auch Prütting/Gehrlein/Arenhövel ZPO 2. Aufl. § 132 GVG Rn. 12). Stellt die Rechtsfrage nach dem Fortbestand oder der Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit den rechtlichen Schwerpunkt eines Rechtsstreits dar, ist hierfür stets der Vierte Senat zuständig (Geschäftsverteilungsplan des Bundesarbeitsgerichts für das Geschäftsjahr 2010 A. 1; ebenso für die Vorjahre).

107

c) Ob § 45 Abs. 4 ArbGG wegen Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter(Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verfassungswidrig ist (dazu ausführlich GK-ArbGG/Dörner Stand April 2009 § 45 Rn. 36 ff. mwN), kann vorliegend dahinstehen.

108

V. Die Kosten der erfolglosen Revision hat die Beklagte nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Creutzfeldt    

        

    Treber    

        

        

        

    Hardebusch    

        

    Vorderwülbecke    

                 

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. April 2013 - 6 Sa 2000/12 - hinsichtlich der Ziff. 3. und Ziff. 4. aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

3. Die weitergehende Revision der Beklagten sowie die Revision des Klägers werden zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 2/3, die Beklagte 1/3 zu zahlen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit der Tarifverträge der D T AG auf ihr Arbeitsverhältnis, den Umfang der vom Kläger zu leistenden Wochenarbeitszeit sowie weitergehende Vergütungsansprüche.

2

Der Kläger, Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), und Betriebsratsmitglied, ist seit 1986 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen in Vollzeit beschäftigt. Im noch mit der D B abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 1. Februar 1991 heißt es ua.:

„Für das Arbeitsverhältnis gelten die für das in Art. 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet vereinbarten Bestimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten/Arbeiter der D B T (TV Ang. (Ost) bzw. TV Arb (Ost)) und der sonstigen für das genannte Gebiet vereinbarten Tarifverträge der D B T in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart.“

3

Zum 1. Januar 1995 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers im Zuge der Postreform und der Privatisierung der T auf die D T AG (im Folgenden: DT AG) übergeleitet. In der Folgezeit wurden auf das Arbeitsverhältnis die jeweiligen Tarifverträge der D B und später die der DT AG, insbesondere der Manteltarifvertrag (MTV DTAG), der Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DTAG) und die Entgelttarifverträge (ETV DTAG) angewandt. Danach betrug die tarifvertragliche wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte 34 Stunden. Auf der Grundlage der tarifvertraglichen Regelungen der DT AG belief sich das Entgelt des Klägers im Jahr 2007 auf 40.911,80 Euro brutto. Am 25. Juni 2007 ging sein Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte über.

4

Ebenfalls am 25. Juni 2007 schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di ua. einen Manteltarifvertrag (MTV DTTS), einen Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DTTS) und einen Entgelttarifvertrag (ETV DTTS 2007). Diese Haustarifverträge enthalten insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeiten sowie der Zusammensetzung und Höhe der Vergütung Abweichungen von den bei der DT AG geltenden Tarifverträgen. Der ETV DTTS wurde seither mehrfach geändert. Im Jahr 2011 belief sich das Jahreszielentgelt des Klägers bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden auf 43.753,00 Euro, das tatsächlich erzielte Jahresentgelt auf 43.658,98 Euro brutto. In den Jahren 2012 und 2013 betrug das Jahreszielentgelt des Klägers 44.760,00 Euro und 45.700,00 Euro.

5

Mit Schreiben vom 13. November 2011 forderte der Kläger die Beklagte unter Bezugnahme auf mehrere Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Juli 2011 auf, für sein Arbeitsverhältnis wieder die Tarifverträge der DT AG anzuwenden, soweit diese günstiger seien als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten. Insbesondere forderte er, ihn wieder mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 34 Stunden zu beschäftigen und die sich für die letzten sechs Monate ergebende Arbeitszeitdifferenz seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Mit Schreiben vom 12. Januar 2012 wies die Beklagte die Forderungen zurück.

6

Mit seiner Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, die Tarifverträge der DT AG seien - soweit sie günstiger seien - auf sein Arbeitsverhältnis weiter anzuwenden. Als Vollzeitbeschäftigter sei er im Hinblick auf den zwischen den beiden Manteltarifverträgen vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich lediglich mit der im MTV DT AG vorgesehenen regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 34 Stunden zu beschäftigen. Die Beklagte habe die von ihm in der Zeit vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 darüber hinaus geleisteten Stunden zu vergüten. Insoweit hat er zuletzt 3,5 Stunden wöchentlich bei einem Stundensatz von 23,06 Euro brutto zuzüglich eines Mehrarbeitszuschlags von 25 vH geltend gemacht.

7

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Belang - zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Bestimmungen der Tarifverträge der D T AG mit Tarifstand 24. Juni 2007 kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden, soweit sie günstiger sind als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten,

2. festzustellen, dass seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gem. § 11 Abs. 1 MTV der D T AG (Tarifstand 24. Juni 2007) 34 Stunden beträgt,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 16. Mai 2011 bis 31. Dezember 2011 einen weiteren Betrag in Höhe von 3.329,29 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2012 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne sich nicht auf die für das Arbeitsverhältnis der Parteien statisch fortwirkenden Tarifverträge der DT AG stützen. Durch die widerspruchslose Weiterarbeit über mehr als vier Jahre habe er die praktizierte Vertragsänderung in die Anwendbarkeit der Haustarifverträge akzeptiert. Er habe sein Recht verwirkt, sich auf die Anwendbarkeit der Tarifverträge der DT AG zu berufen. Diese Tarifverträge mit dem Stand des 24. Juni 2007 seien auch nicht günstiger als die zwischen den Parteien normativ geltenden Haustarifverträge der Beklagten.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag zu 1. und 2. (im Tenor unter 2. und 3.) vollständig sowie dem Antrag zu 3. (im Tenor unter 4.) iHv. 582,11 Euro brutto stattgegeben. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren in Höhe von 2.747,18 Euro brutto nebst Zinsen weiter. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision weiterhin die Klageabweisung in vollem Umfang.

Entscheidungsgründe

10

Auf die Revision der Beklagten war das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben. Soweit das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 2. und des Zahlungsantrags iHv. 582,11 Euro brutto stattgegeben hat, war die Entscheidung aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Im Übrigen waren die Revision der Beklagten ebenso wie die Revision des Klägers, mit der er weitere Zahlungen für Mehrarbeit gefordert hat, zurückzuweisen.

11

A. Die Revision der Beklagten ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag zu 1. stattgegeben hat. Das Landesarbeitsgericht hat den zulässigen Feststellungsantrag zu Recht als begründet angesehen.

12

I. Der Klageantrag zu 1. ist zulässig.

13

1. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht der Zusatz „soweit sie günstiger sind als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten“ nicht entgegen. Der Kläger verfolgt mit seinem Feststellungsantrag das Ziel, eine rechtskräftige Grundlage für die Vornahme eines Günstigkeitsvergleichs zu erlangen. Damit handelt es sich bei dem Zusatz nicht um einen einschränkenden - möglicherweise nicht hinreichend bestimmten - Teil eines Feststellungsantrags, sondern lediglich um ein - als Antragsbestandteil rechtlich nicht erforderliches (vgl. BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 19) - Begründungselement.

14

2. Für den Antrag besteht auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

15

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Dieses besondere Feststellungsinteresse muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., etwa BAG 27. August 2014 - 4 AZR 518/12 - Rn. 15; 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 14, BAGE 124, 240). Dabei kann sich die Feststellungsklage auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (sog. Elementenfeststellungsklage). Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (st. Rspr., s. nur BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11 mwN, BAGE 128, 165).

16

b) Durch eine Entscheidung über die begehrte Feststellung wird jedenfalls die zwischen den Parteien streitige Frage abschließend geklärt, ob die tariflichen Regelungen der DT AG aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme überhaupt heranzuziehen sind. Dies rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses selbst dann, wenn es nachfolgend doch noch zu weiteren Rechtsstreitigkeiten darüber kommen sollte, ob sich einzelne Rechte und Pflichten aus den Tarifverträgen der DT AG als günstigere einzelvertragliche Regelung im Arbeitsverhältnis der Parteien durchsetzen oder ob sie durch die firmentarifvertragliche Regelung verdrängt werden(vgl. BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 991/12 - Rn. 12; 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 23 mwN).

17

II. Der Feststellungsantrag zu 1. ist begründet.

18

1. Die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag vom 1. Februar 1991 verweist - nach gebotener Auslegung - auf die Tarifverträge der DT AG (Tarifstand 24. Juni 2007).

19

a) Bei der vorliegenden vertraglichen Bezugnahmeklausel handelt es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats. Sie verweist auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge, an die die damalige Arbeitgeberin, die D B, gebunden war (ausf. zu einer nahezu gleich lautenden Regelung BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 17 ff., BAGE 138, 269).

20

b) Die Anwendbarkeit der Tarifverträge der DT AG ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Bezugnahmeregelung, sie folgt aber aus deren ergänzender Auslegung. Das hat der Senat in zahlreichen tatsächlich und rechtlich gleichgelagerten Fallgestaltungen bereits mehrfach entschieden und ausführlich begründet. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen ( BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 22 ff. mwN, BAGE 138, 269; weiterhin 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 39 f. mwN; 14. Dezember 2011 - 4 AZR 179/10 - Rn. 28 ff.; 16. November 2011 - 4 AZR 822/09 - Rn. 21 ff.).

21

c) Der Senat hat auch in zahlreichen vergleichbaren Fällen entschieden und ausführlich begründet (vgl. BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 36 ff. mwN, BAGE 138, 269; weiterhin 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 45 ff. mwN; 16. November 2011 - 4 AZR 822/09 - Rn. 21, 42 ff.; 14. Dezember 2011 - 4 AZR 179/10 - Rn. 38 ff.), dass die von der Beklagten geschlossenen Haustarifverträge von der Bezugnahmeklausel nicht erfasst werden. Sie ist keine sog. Tarifwechselklausel und kann auch nicht als eine solche verstanden werden.

22

2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger sein Recht, sich auf den Inhalt der vertraglichen Abrede zu berufen, nicht verwirkt hat (§ 242 BGB). Dabei kann offenbleiben (siehe bereits die Entscheidung des Senats 22. Februar 2012 - 4 AZR 580/10 - Rn. 43), ob gegen die Geltendmachung der vertraglichen Grundlage des Arbeitsverhältnisses bei einer einseitigen Änderung seiner praktischen Durchführung überhaupt der Einwand der Verwirkung erhoben werden kann oder ob in diesem Fall nicht allein die Grundsätze einer - möglicherweise konkludenten - Vertragsänderung anzuwenden sind. Das Landesarbeitsgericht ist jedenfalls zutreffend davon ausgegangen, sowohl das im Rahmen einer Verwirkung nach Treu und Glauben neben dem Zeitmoment erforderliche Umstandsmoment als auch das Zumutbarkeitsmoment (zu diesen Voraussetzungen etwa BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 43 mwN) seien in keinem Fall gegeben. Schon deshalb scheidet eine Verwirkung aus.

23

a) Der Kläger war nicht verpflichtet, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass er sich vorbehält, seine Rechte geltend zu machen. Auch aus der widerspruchslosen Durchführung des Arbeitsverhältnisses auf Basis der Haustarifverträge der Beklagten ergibt sich keine besonders vertrauensbegründende Verhaltensweise des Klägers (ausf. in einem ähnlichen gelagerten Sachverhalt BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 44 ff.). Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt auch nicht deshalb etwas anderes, weil er in seiner Eigenschaft als Mitglied des bei ihr bestehenden Betriebsrats die Höhergruppierung nach den Tarifverträgen der Beklagten akzeptiert hat. Auch insoweit fehlt es an einem „aktiven Verhalten“ des Klägers und damit an Anhaltspunkten, dass die Beklagte als Schuldnerin davon ausgehen konnte, er kenne als Gläubiger seine Rechte und mache sie gleichwohl über längere Zeit hinweg bewusst nicht geltend (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 47; 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 34 mwN).

24

b) Den Kläger trifft auch weder eine Pflicht, das Unterrichtungsschreiben zu überprüfen noch eine solche, den Arbeitgeber auf dessen möglicherweise fehlerhafte Rechtsauffassung hinzuweisen (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 580/10 - Rn. 50 f. mwN). Für die Annahme, ihm seien die fehlerhaften Angaben in den Unterrichtungsschreiben vor Veröffentlichung der Entscheidungen des Senats vom 6. Juli 2011 (- 4 AZR 706/09 - ua.) bekannt gewesen und er sei „in Kenntnis seiner Rechte treuwidrig gegenüber der Beklagten untätig geblieben“, fehlt es an Anhaltspunkten.

25

c) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es die Kenntnis des Klägers um die Problematik der Bezugnahmeklausel in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied nicht berücksichtigt habe, ist unzulässig. Es fehlt schon an einem Vortrag der Beklagten zur Kausalität zwischen Verfahrensmangel und Ergebnis des Berufungsurteils als Bestandteil einer zulässigen Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO (vgl. nur BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 16; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 12).

26

B. Soweit das Landesarbeitsgericht dem zulässigen (zu den Voraussetzungen oben A I 2 a) Feststellungsantrag zu 2. sowie dem Zahlungsbegehren teilweise stattgegeben hat, ist die Revision der Beklagten begründet. Demgegenüber ist die Revision des Klägers, soweit er weitere Vergütung für den Zeitraum vom 16. Mai bis zum 31. Dezember 2011 begehrt hat, unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Aus den auf sein Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträgen der DT AG ergibt sich weder, dass seine regelmäßige Wochenarbeitszeit als Vollzeitbeschäftigter 34 Stunden beträgt, noch kann er aus ihnen weitergehende Zahlungsansprüche für den genannten Zeitraum herleiten. Die Tarifverträge der DT AG sind insoweit nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG als die Haustarifverträge der Beklagten.

27

I. Eine Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen (vgl. nur BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 691/08 - Rn. 43). Hiernach treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertraglichen Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ergibt ein Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung (sog. Günstigkeitsvergleich).

28

1. Zu vergleichen sind dabei die durch Auslegung zu ermittelnden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen, die in einem inneren Zusammenhang stehen (sog. Sachgruppenvergleich, s. nur BAG 21. April 2010 - 4 AZR 768/08 - Rn. 39, BAGE 134, 130; 30. März 2004 - 1 AZR 85/03 - zu II 4 b bb der Gründe mwN; ErfK/Franzen 15. Aufl. TVG § 4 Rn. 38; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 532; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 470 ff.; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 38). Ein sog. Gesamtvergleich, dh. die Gegenüberstellung des vollständigen Arbeitsvertrags auf der einen und des gesamten Tarifvertrags auf der anderen Seite, kommt ebenso wenig in Betracht wie ein punktueller Vergleich von Einzelregelungen, auch wenn aufgrund einer umfassenden arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel der Sache nach zwei Tarifverträge miteinander zu vergleichen sind (vgl. BAG 12. Dezember 2012 - 4 AZR 328/11 - Rn. 46; 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 20, BAGE 124, 34; aA Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 543; ErfK/Franzen TVG § 4 Rn. 37; Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 3 Rn. 291). Die aufgrund einzelvertraglicher Verweisungsklausel auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvorschriften haben auch bei einer umfassenden Inbezugnahme lediglich individualvertraglichen Charakter. Der Durchführung eines Gesamtvergleichs steht bereits der Wortlaut des § 4 Abs. 3 TVG („Regelungen“) entgegen, der nicht auf eine Gesamtregelung oder einen Tarifvertrag abstellt(JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 37). Abweichende Abmachungen sind danach nur zulässig, „soweit“ sie ua. eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Es kommt deshalb nicht auf die Günstigkeit der Gesamtheit der abweichenden Regelungen, sondern vielmehr nur der einander entsprechenden Teile, dh. Sachgruppen, an. Im Übrigen wäre ein Gesamtvergleich mangels einheitlicher Vergleichsmaßstäbe praktisch kaum durchführbar (vgl. BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 60, BAGE 131, 176; Löwisch/Rieble § 4 TVG 3. Aufl. Rn. 531; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 37).

29

2. Für die Durchführung eines Günstigkeitsvergleichs sind die abstrakten Regelungen maßgebend, nicht das Ergebnis ihrer Anwendung im Einzelfall. Hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die betreffende Regelung günstiger ist oder nicht (sog. ambivalente Regelung), ist keine „Günstigkeit“ iSv. § 4 Abs. 3 TVG gegeben(BAG 17. April 2002 - 5 AZR 644/00 - zu II 4 b der Gründe; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; für den Vergleich einzelvertraglicher und gesetzlicher Kündigungsfristen zuletzt: BAG 29. Januar 2015 - 2 AZR 280/14 - Rn. 19; weiterhin Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 562; ErfK/Franzen 15. Aufl. TVG § 4 Rn. 40; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 690). Dies gilt unabhängig davon, ob die Parteien des Arbeitsvertrags die vertraglichen Regelungen vor oder nach Inkrafttreten des Tarifvertrags vereinbart haben (BAG 17. April 2013 - 4 AZR 592/11 - Rn. 14, BAGE 145, 37; 25. Juli 2001 - 10 AZR 391/00 - zu II 2 a bb (2) der Gründe).

30

3. Der Günstigkeitsvergleich ist anhand eines objektiven Beurteilungsmaßstabs vorzunehmen. Maßgebend ist die Einschätzung eines verständigen Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 405; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 553; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 689; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 44; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 451; für eine Kollision von Betriebsvereinbarung und einzelvertraglicher Abrede: BAG 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 244). Auf die subjektive Einschätzung des betroffenen Arbeitnehmers kommt es nicht an. Ist die einzelvertragliche Regelung bei objektiver Betrachtung gleich oder gleichwertig (sog. neutrale Regelung), ist sie nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG.

31

4. Die Günstigkeit einer einzelvertraglichen Regelung gegenüber einer normativ geltenden Tarifnorm muss bereits im Voraus - also unabhängig von den konkreten Bedingungen des jeweiligen Anwendungsfalls - feststehen (BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 42; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe). Der Günstigkeitsvergleich ist erstmals in dem Zeitpunkt durchzuführen, in dem die normativ geltende tarifvertragliche Regelung mit der abweichenden vertraglichen Regelung kollidiert (BAG 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 47; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 558). Dabei ist ein repräsentativer Zeitraum zugrunde zu legen. Bestimmt sich das Arbeitsentgelt nach einer einzelvertraglichen oder tarifvertraglichen Regelung etwa als Jahresentgelt und schwankt die monatliche Auszahlung, ist auf das Kalenderjahr abzustellen. Ändert sich mindestens eine der zu vergleichenden Regelungen - etwa der arbeitsvertraglich (dynamisch) in Bezug genommene oder der normativ geltende Tarifvertrag -, ist ein erneuter Günstigkeitsvergleich durchzuführen (Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 419; Thüsing/Braun/Forst Kap. 7 Rn. 47; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 48; aA Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 558). Dies kann - insbesondere bei Zusammentreffen eines statisch in Bezug genommenen Tarifwerks mit einem normativ geltenden Tarifvertrag - dazu führen, dass sich die einzelvertragliche Regelung zunächst als günstiger erweist, dies sich aber aufgrund von Anpassungen der kraft Tarifgebundenheit geltenden Regelungen ändert.

32

5. Ist nach diesen Maßstäben objektiv nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die vom normativ geltenden Tarifvertrag abweichende Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist - sei es, weil es sich um eine „ambivalente“, sei es, weil es sich um eine „neutrale“ Regelung handelt -, verbleibt es bei der zwingenden Geltung des Tarifvertrags (BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 43; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 39, 45; Thüsing/Braun/Forst Kap. 7 Rn. 46; Henssler/Moll/Bepler Teil 9, Rn. 178). Das folgt sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der systematischen Stellung von § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG als gesetzlichem Ausnahmetatbestand. Der Gesetzgeber hat eine Abweichung vom Grundsatz der zwingenden Wirkung geltender Tarifnormen (Regel) nur für den Fall vorgesehen, dass die betreffende Regelung „günstiger“ ist als die tarifliche Norm (Ausnahme). Ist die Günstigkeit der abweichenden Regelung nicht sicher feststellbar, greift § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG nicht ein (vgl. Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 420; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 478; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 690; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 562; JKOS/Jacobs § 7 Rn. 48 mwN). Nach dem in § 4 TVG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen gebührt den normativ geltenden Tarifverträgen Vorrang vor dem individuell vereinbarten Arbeitsvertrag. Dementsprechend trägt der Arbeitnehmer nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen sich die Günstigkeit der abweichenden Regelung ergibt.

33

II. In Anwendung dieser Grundsätze sind die aufgrund der vertraglichen Bezugnahmeklausel auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Tarifverträge der DT AG - jedenfalls für die streitgegenständlichen Zeiträume - hinsichtlich der in beiden Tarifwerken geregelten „Vollzeitarbeitsverhältnisse“ nicht günstiger als die normativ geltenden Tarifbedingungen der DTTS.

34

1. Das Landesarbeitsgericht hat im Ausgangspunkt zu Recht die Dauer der Arbeitszeit und das dem Kläger als Gegenleistung zustehende Entgelt zu einer Sachgruppe zusammengefasst.

35

a) Die Dauer der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung und das ihm dafür zustehende Arbeitsentgelt stehen als Teile der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten in einem engen, inneren sachlichen Zusammenhang (BAG 12. Dezember 2012 - 4 AZR 328/11 - Rn. 46; vgl. auch BAG 10. April 2014 - 2 AZR 812/12 -; 10. Februar 1999 - 2 AZR 422/98 - zu III 2 der Gründe, BAGE 91, 22). Die Günstigkeit einer kürzeren oder längeren Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitsverhältnisses lässt sich ebenso wenig isoliert beurteilen, wie das Arbeitsentgelt ohne Rücksicht auf die hierfür aufzuwendende Arbeitszeit.

36

Allein der Umstand, dass Arbeitszeit und Arbeitsentgelt zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände betreffen, führt nicht zu einer unterschiedlichen Sachgruppenzuordnung (so aber LAG Baden-Württemberg 14. Juni 1989 - 9 Sa 145/88 -). Es geht nicht darum, Arbeitszeit auf der einen und Arbeitsentgelt auf der anderen Seite miteinander zu vergleichen. Zu vergleichen sind vielmehr die - sachlich in untrennbarem Zusammenhang stehenden - Regelungen von Arbeitszeit und Arbeitsentgelt in dem einen in Anspruch genommenen Regelwerk mit denen in einem anderen kraft Tarifgebundenheit geltenden Regelwerk.

37

aa) Eine längere Arbeitszeit ist nicht per se deshalb „ungünstiger“, weil mit ihr ein Verlust an Freizeit einhergeht (so aber Däubler Tarifvertragsrecht 3. Aufl. Rn. 218; ähnlich Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 428). Ist nämlich die verlängerte Arbeitszeit mit einer Erhöhung des Arbeitsentgelts verknüpft, führt die Arbeitszeitverlängerung gleichzeitig zu einer Steigerung der Verdienstmöglichkeit, die für einen Arbeitnehmer, der aus welchen Gründen auch immer an einem höheren Entgelt interessiert ist, insgesamt betrachtet günstiger sein mag. Ungünstiger kann sie hingegen für den Arbeitnehmer sein, dem es wichtiger ist, diese Zeit zur freien Verfügung zu haben. Umgekehrt kann eine - einzelvertragliche - Verlängerung der Arbeitszeit nicht mit der Begründung als günstiger angesehen werden, die Arbeit diene zur „Persönlichkeitsentfaltung“ (vgl. dazu Schweibert, Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit durch Tarifvertrag, S. 201). Das wird bereits daran deutlich, dass ein Arbeitnehmer regelmäßig nicht bereit sein wird, um der „Selbstverwirklichung“ willen unentgeltlich länger zu arbeiten (Kühnast, Die Grenzen zwischen tariflicher und privatautonomer Regelungsbefugnis, S. 287). Vielmehr hängt die Beurteilung, ob eine kürzere oder längere Arbeitszeit günstiger ist, immer auch davon ab, welche Gegenleistung der Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung erhält.

38

bb) Aus dem Zusammenhang zwischen zu zahlendem Entgelt und der hierfür aufzuwendenden Arbeitszeit folgt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht, dass der Günstigkeitsvergleich ausschließlich auf der Grundlage eines zu ermittelnden Arbeitsentgelts pro Stunde durchzuführen wäre. Die Annahme, ein höheres Stundenentgelt sei stets als für den Arbeitnehmer günstiger anzusehen, trifft nicht zu. Die Arbeitszeit ist nicht lediglich ein unselbständiger Berechnungsfaktor des Arbeitsentgelts. Vielmehr ist beim Vergleich von „Vollzeitarbeitsverhältnissen“ auch die Anzahl der maßgebenden Stunden in die Betrachtung einzubeziehen, weil anderenfalls eine mit der geringeren Arbeitszeit einhergehende Entgeltabsenkung unberücksichtigt bliebe. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn man dem Arbeitnehmer gestattete, die höheren Arbeitszeiten des einen Regelwerks mit dem höheren Stundenentgelt des anderen Regelwerks zu kombinieren. Dies liefe aber auf einen Einzelvergleich hinaus. Ein solcher ist abzulehnen, weil er sachliche Regelungszusammenhänge auseinander risse (vgl. zB JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 36).

39

cc) Ferner verdeutlichen die Fälle, in denen in einem höheren Arbeitsentgelt eine pauschale Abgeltung von Überstunden enthalten ist, den sachlichen Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und Arbeitsentgelt. Selbst wenn eine solche (arbeitsvertragliche) Regelung nur dann klar und verständlich ist, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen (vgl. nur BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 16), lassen sich Arbeitszeit und Entgelt gleichwohl nicht voneinander trennen, weil unklar bleibt, ob die pauschal vergüteten Überstunden tatsächlich anfallen. Den Günstigkeitsvergleich in der Weise durchzuführen, dass der Arbeitnehmer nur die reguläre Arbeitszeit zu erbringen hätte, dafür aber das höhere Entgelt fordern könnte, würde hierbei zu unsachgerechten Ergebnissen führen.

40

b) Zur Sachgruppe „Arbeitszeit und Arbeitsentgelt“ gehört - wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zu Recht angenommen hat - regelmäßig neben der festgelegten Arbeitszeit das Arbeitsentgelt im engeren Sinne. Soweit sich dieses aus einem fixen und einem variablen Teil zusammensetzt, sind beide Bestandteile zu berücksichtigen. Nicht zur Sachgruppe „Arbeitszeit und Arbeitsentgelt“ gehört, entgegen der Auffassung der Beklagten, hingegen eine Beschäftigungsgarantie. Die Hauptleistungspflichten auf der einen und eine Beschäftigungsgarantie auf der anderen Seite sind unterschiedlich geartete Regelungsgegenstände, für deren Bewertung es keinen gemeinsamen Maßstab gibt. Eine Beschäftigungssicherung durch den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen ist daher nicht geeignet, Verschlechterungen bei der Arbeitszeit oder dem Arbeitsentgelt zu rechtfertigen (st. Rspr. BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 60, BAGE 131, 176; 24. September 2008 - 6 AZR 657/07 - Rn. 29, BAGE 128, 63; 6. November 2007 - 1 AZR 862/06 - Rn. 24, BAGE 124, 323; 7. November 2002 - 2 AZR 742/00 - zu B I 1 d bb (2) der Gründe, BAGE 103, 265).

41

2. Der im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung vorzunehmende Sachgruppenvergleich führt hiernach dazu, dass die für das Arbeitsverhältnis der Parteien einzelvertraglich weiterhin - statisch - anwendbaren Regelungen der Tarifverträge der DT AG betreffend die Arbeitszeit und das Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG sind.

42

a) Soweit der Kläger Zahlungsansprüche geltend macht, ist der Günstigkeitsvergleich nach Maßgabe der das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitraum vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 bestimmenden Regelungen vorzunehmen.

43

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger im Jahr 2007 bei einer Vollzeittätigkeit von 34 Stunden pro Woche ein Jahresentgelt von 40.911,80 Euro erhalten. Im Jahr 2011 betrug das Jahreszielentgelt des - weiterhin vollzeitbeschäftigten - Klägers auf der Grundlage der bei der Beklagten geltenden Haustarifverträge 43.753,00 Euro.

44

bb) Ob für die Durchführung des Günstigkeitsvergleichs bei einem variablen Entgelt auf das für einen vergleichbaren Arbeitnehmer erzielbare Entgelt oder auf das festgelegte oder durchschnittliche Jahreszielentgelt abzustellen ist, musste der Senat vorliegend in Anbetracht des im Jahre 2011 tatsächlich gezahlten Entgelts von 43.658,98 Euro nicht abschließend entscheiden. Das Jahreszielentgelt war objektiv und subjektiv - jedenfalls im Prinzip - erreichbar. Besondere Umstände, die - wenn überhaupt - zu einer anderen Bewertung führen könnten, hat der Kläger nicht dargetan.

45

cc) Damit lag das Entgelt des Klägers nach den bei der Beklagten geltenden Tarifverträgen im streitgegenständlichen Zeitraum in jedem Fall höher als dasjenige, das er nach den Tarifregelungen der DT AG (Stand 24. Juni 2007) erhalten hätte. Aufgrund des höheren Gesamtverdienstes im betreffenden Zeitraum bei einer erhöhten Arbeitszeit als vollbeschäftigter Arbeitnehmer lassen sich die arbeitsvertraglichen Regelungen im Vergleich zu den tarifvertraglichen Regelungen nicht als günstiger, sondern - lediglich - als ambivalent qualifizieren. Anhaltspunkte dafür, dass das höhere Jahreszielentgelt des Klägers auf anderen Faktoren als den tarifvertraglichen Entgeltbestimmungen beruht, sind nicht ersichtlich. Die statisch auf das Arbeitsverhältnis der Parteien weiterhin anwendbaren Tarifverträge der DT AG mit Stand vom 24. Juni 2007 vermögen deshalb die normativ geltenden tariflichen Regelungen nicht zu verdrängen. Da der Kläger danach auf der Grundlage der bei der Beklagten geltenden Tarifverträge ordnungsgemäß vergütet worden ist, kann er insoweit keine weitergehenden Zahlungsansprüche geltend machen.

46

dd) Die vom Kläger beanspruchten Mehrarbeitszuschläge iHv. 25 vH stehen ihm unabhängig von einem vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich bereits deshalb nicht zu, weil es sich bei den betreffenden Stunden nicht um Mehrarbeit im tariflichen Sinne handelt. Gem. § 13 Abs. 1 MTV DTAG ist Mehrarbeit die über die für den Arbeitnehmer betrieblich festgelegte wöchentliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit. Die betrieblich festgelegte Arbeitszeit betrug seit dem Betriebsübergang auf die Beklagte nicht mehr 34, sondern 38 Stunden in der Woche. Soweit die - nicht tragenden - Ausführungen im Urteil vom 21. November 2012 (- 4 AZR 231/10 -) ein anderes Ergebnis entnommen werden könnte, hält der Senat - klarstellend - daran nicht fest.

47

b) Hinsichtlich des mit dem Antrag zu 2. verfolgten Feststellungsbegehrens, dass die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers 34 Stunden wöchentlich beträgt, ist der Günstigkeitsvergleich getrennt nach Zeitabschnitten vorzunehmen.

48

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lag das Jahreszielentgelt des Klägers 2011 bei 43.753,00 Euro, 2012 bei 44.760,00 Euro und 2013 bei 45.700,00 Euro. In jedem Zeitraum lag das Entgelt damit über dem Jahresentgelt, welches der Kläger auf der Grundlage der nach der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel anwendbaren Tarifverträge der DT AG mit Stand 24. Juni 2007 erhalten hätte.

49

bb) Danach führt der Günstigkeitsvergleich nach den dargestellten Maßstäben auch bezüglich der weiteren Zeiträume dazu, dass die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifbestimmungen ambivalent und folglich nicht günstiger sind als die normativ geltenden. Anhaltspunkte dafür, dass das höhere Jahreszielentgelt auf anderen Faktoren als den tarifvertraglichen Entgeltbestimmungen beruht, hat der darlegungspflichtige Kläger auch insoweit nicht vorgetragen.

50

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Treber    

        

    Rinck    

        

        

        

    Hannig    

        

    Kriegelsteiner    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 22. Januar 2008 - 14 Sa 87/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen tariflichen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung eines Aufschlags zur Urlaubsvergütung.

2

Der Kläger, Mitglied des Marburger Bundes, war vom 1. August 2000 bis zum 31. Dezember 2007 als Arzt in der Weiterbildung bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte ist Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV). Dem Arbeitsverhältnis liegt der am 12. März 2004 geschlossene Arbeitsvertrag zugrunde, in dessen § 2 es heißt:

        

„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den ihn ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für die Arbeitgeberin jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge und bezirklichen Regelungen Anwendung. …“

3

Der Marburger Bund hatte 1994 mit der Deutschen Angestelltengewerkschaft(DAG) eine Vereinbarung über eine tarifliche Zusammenarbeit geschlossen, in der diese ua. zum Abschluss von Tarifverträgen bevollmächtigt wurde. Auf dieser Grundlage erfolgten auch Tarifabschlüsse durch die Rechtsnachfolgerin der DAG, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Im Verlauf der Tarifvertragsverhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) im Jahre 2005 widerrief der Marburger Bund gegenüber der Gewerkschaft ver.di die zum Abschluss von Tarifverträgen erteilte Vollmacht und forderte zugleich die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) zu Tarifvertragsverhandlungen über einen Tarifvertrag für Ärzte auf. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (TVöD/VKA) wurde ua. von der Gewerkschaft ver.di und der VKA nach Zugang des Widerrufs der Vollmacht am 13. September 2005 unterzeichnet und trat am 1. Oktober 2005 in Kraft. Der Marburger Bund kündigte den BAT zum 31. Dezember 2005. Der später zwischen dem Marburger Bund und der VKA geschlossene Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) trat nach § 40 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA am 1. August 2006 in Kraft.

4

Die Beklagte leitete den Kläger zum 1. Oktober 2005 gemäß dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts(vom 13. September 2005, TVÜ-VKA) in das Tarifrecht des TVöD über. Der Kläger widersprach bereits mit Schreiben vom 26. September 2005 der ihm mitgeteilten Überleitung. Im Zeitraum vom 15. bis zum 31. Oktober 2005 nahm der Kläger Erholungsurlaub in Anspruch. Die Beklagte zahlte ihm für diese Zeit keinen Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 BAT. Bis zum Monat September 2005 hatte sie auf Grundlage dieser Tarifregelung dem Kläger einen Aufschlag von 57,16 Euro je Urlaubstag gezahlt. Mit Schreiben vom 5. Mai 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Anspruch nicht bestehe, weil sein Arbeitsverhältnis unter den Bedingungen des TVöD noch keine drei volle Monate bestanden habe. Mit Schreiben vom 6. Februar 2007 macht der Marburger Bund für den Kläger die Zulage iHv. insgesamt 628,76 Euro brutto erfolglos geltend.

5

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter. Der Anspruch ergebe sich aufgrund seiner Mitgliedschaft im Marburger Bund kraft unmittelbarer beiderseitiger Tarifbindung an den BAT nach dessen § 47 Abs. 2. Selbst wenn man entgegen der Auffassung des Klägers von einer rechtmäßigen Überleitung in den TVöD ausgehen würde, sei sein Anspruch nach § 21 TVöD in Höhe von 552,40 Euro begründet, so wie es die Beklagte hilfsweise berechnet habe.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 628,76 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 13. April 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach dem Grundsatz der Tarifeinheit sei allein der speziellere TVöD anwendbar. Die Voraussetzungen der Nachfolgeregelung des § 47 Abs. 2 BAT in § 21 TVöD seien nicht erfüllt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers habe im Oktober 2005 noch keinen vollen Kalendermonat bestanden. Arbeitsverhältnisse iSd. § 21 TVöD seien nur solche unter der Geltung des betreffenden Tarifvertrages. Beschäftigungszeiträume vor dem 1. Oktober 2005 blieben daher unberücksichtigt.

8

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Der Kläger hat nach gerichtlichem Hinweis des Senats weiter vorgetragen, er habe neben dem Schreiben des Marburger Bundes vom 6. Februar 2007 bereits mit einer E-Mail vom 1. Januar 2006 und mit einer weiteren E-Mail vom 31. Januar 2006 seine Ansprüche schriftlich geltend gemacht. Der Senat hat mit Beschluss vom 27. Januar 2010 an den Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts eine Divergenzanfrage gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG gerichtet. Der Zehnte Senat hat mit Beschluss vom 23. Juni 2010 (- 10 AS 3/10 -) über die Anfrage des erkennenden Senats entschieden.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem Kläger den Aufschlag zum Urlaubsentgelt nach § 47 Abs. 2 BAT zu Recht zugesprochen. Der zwischen den Parteien im Streitzeitraum unmittelbar und zwingend geltende BAT wird nicht durch den TVöD nach dem Grundsatz der Tarifeinheit aufgrund einer bei der Beklagten bestehenden Tarifpluralität verdrängt.

10

I. Der Kläger kann kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Parteien an den BAT gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG für den in Anspruch genommenen Erholungsurlaub einen Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 BAT in der geforderten und zwischen den Parteien für den Fall der Geltung des BAT nicht umstrittenen Höhe von insgesamt 628,76 Euro brutto verlangen.

11

Für das Arbeitsverhältnis galt der BAT unmittelbar und zwingend nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG, da der Kläger im Streitzeitraum Mitglied des Marburger Bundes und die Beklagte Mitglied im KAV war. Für die elf in Anspruch genommenen Urlaubstage ergibt dies nach § 47 Abs. 2 Unterabschnitt 1 BAT den eingeklagten Betrag. Nach den durch das Landesarbeitsgericht gemäß § 69 Abs. 3 ArbGG in Bezug genommenen Feststellungen des Arbeitsgerichts hat die Beklagte dem Kläger im Kalenderjahr 2005 bis einschließlich des Monats September einen Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 Unterabschnitt 1 BAT auf Grundlage des Kalenderjahres 2004(vgl. BAG 13. Februar 1996 - 9 AZR 798/93 - AP BAT § 47 Nr. 19) in Höhe von 57,16 Euro brutto je Urlaubstag gezahlt.

12

II. Der für die Mitglieder des Marburger Bundes bis zum 31. Dezember 2005 nach wie vor geltende BAT wird nicht nach dem sogenannten Grundsatz der Tarifeinheit durch den am 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen TVöD und aufgrund der damit bei der Beklagten eingetretenen Tarifpluralität als speziellerer Tarifvertrag verdrängt.

13

1. Im streitgegenständlichen Zeitraum bestand bei der Beklagten eine Tarifpluralität.

14

a) Tarifpluralität liegt vor, wenn der Betrieb des Arbeitgebers vom Geltungsbereich zweier von verschiedenen Gewerkschaften geschlossenen Tarifverträge für Arbeitsverhältnisse derselben Art erfasst wird, an die der Arbeitgeber gebunden ist, während für den jeweiligen Arbeitnehmer je nach Tarifgebundenheit nur einer der beiden Tarifverträge Anwendung findet(etwa BAG 24. Januar 1990 - 4 AZR 561/89 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 126 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6; 5. September 1990 - 4 AZR 59/90 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 19 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 5; 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330; s. auch BAG 14. Juni 1989 - 4 AZR 200/89 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4).

15

In einem solchen Fall ist nach der genannten Rechtsprechung die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers und die „potentielle Möglichkeit“ ausreichend, dass ein der vertragsschließenden Gewerkschaft angehörender Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt ist(BAG 14. Juni 1989 - 4 AZR 200/89 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4; 24. Januar 1990 - 4 AZR 561/89 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 126 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6; s. auch BAG 24. September 1975 - 4 AZR 471/74 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 11; 29. November 1978 - 4 AZR 304/77 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 12 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 2).

16

b) Danach bestand bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum eine Tarifpluralität. Die Beklagte war aufgrund ihrer Mitgliedschaft im KAV nach § 3 Abs. 1 TVG sowohl unmittelbar an den zwischen der VKA und der Gewerkschaft ver.di geschlossenen TVöD/VKA gebunden als auch an den zwischen der VKA und dem Marburger Bund geschlossenen, im Streitzeitraum zwischen Oktober und Dezember 2005 im Verhältnis zwischen den Prozessparteien noch vollwirksamen BAT. Dass der persönliche Geltungsbereich des TV-Ärzte/VKA nicht alle Arbeitnehmer bei der Beklagten erfasst, ist für das Vorliegen einer Tarifpluralität unerheblich(vgl. etwa BAG 26. Januar 1994 - 10 AZR 611/92 - zu II 4 d der Gründe, BAGE 75, 298). Ob bei der Beklagten ein beschäftigter Arbeitnehmer aufgrund einer Mitgliedschaft in den Gewerkschaften, die den TVöD/VKA geschlossen haben, unmittelbar tarifgebunden ist, ist nach der dargestellten Rechtsprechung (unter a) ohne Bedeutung.

17

2. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats steht einer Tarifpluralität entgegen, dass nach dem Grundsatz der Tarifeinheit in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag Anwendung finden soll. Deshalb sei eine Tarifpluralität im Falle einer unmittelbaren Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an verschiedene Tarifverträge - sei es aufgrund Allgemeinverbindlichkeit, sei es kraft Organisationszugehörigkeit - in aller Regel dahin aufzulösen, dass nach dem Grundsatz der Spezialität der dem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten stehende und deshalb den Eigenarten und Erfordernissen des Betriebs und der darin tätigen Arbeitnehmer am besten Rechnung tragende Tarifvertrag den anderen Tarifvertrag verdrängt(ausf. BAG 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330, 337; weiterhin BAG 14. Juni 1989 - 4 AZR 200/89 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4; 5. September 1990 - 4 AZR 59/90 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 19 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 5). Der Grundsatz der Tarifeinheit besage, „dass in jedem Betrieb grundsätzlich für alle in diesem Betrieb begründeten Arbeitsverhältnisse nur ein Tarifvertrag anzuwenden ist“ (so erstmals BAG 29. März 1957 - 1 AZR 208/55 - BAGE 4, 37, 40, allerdings im Hinblick auf die Auflösung einer Tarifkonkurrenz; nachfolgend BAG 19. Dezember 1958 - 1 AZR 55/58 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6; den Grundsatz der Tarifeinheit im Hinblick auf die Situation einer Tarifkonkurrenz erwähnt auch BAG 22. Februar 1957 - 1 AZR 536/55 - BAGE 3, 351; s. weiterhin BAG 29. November 1978 4 AZR 304/77 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 12 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 2).

18

Der Vierte Senat(s. dazu BAG 14. Juni 1989 - 4 AZR 200/89 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4; 5. September 1990 - 4 AZR 59/90 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 19 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 5; 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330) hat den Grundsatz der Tarifeinheit im Wesentlichen - wenn auch mit Nuancen in den einzelnen Entscheidungen - damit begründet, dass dieses letztlich auf dem Ordnungsgedanken beruhende Prinzip zwar im Tarifvertragsgesetz keinen Niederschlag gefunden habe; der Grundsatz folge aber aus den übergeordneten Prinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Das Tarifvertragsgesetz enthalte keine Regelungen für diesen Fall, weshalb eine Regelungslücke bestehe. Bei dem Grundsatz der Tarifeinheit handele es sich um ein allgemein anerkanntes Rechtsprinzip. Die Gewerkschaft des spezielleren Tarifvertrages könne wegen der größeren Sachnähe das stärkere Recht für sich in Anspruch nehmen. Die Anwendung mehrerer Tarifverträge nebeneinander führe zu rechtlichen und tatsächlichen Unzuträglichkeiten, die durch den Grundsatz der Tarifeinheit vermieden würden. Der betriebseinheitliche Vorrang des spezielleren Tarifvertrages ermögliche „eine rechtlich klare und tatsächlich praktikable Lösung“. Zudem werde die problematische, rein tatsächlich auch nicht immer durchzuführende Abgrenzung zwischen Inhalts- und Betriebsnormen eines Tarifvertrages (§ 3 Abs. 1 und 2 TVG) vermieden.

19

Die Folgen der Verdrängung eines allgemeineren Tarifvertrages mit dem vollständigen Verlust des Tarifschutzes der hieran gebundenen Arbeitnehmer sei im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hinzunehmen. Die betroffenen Arbeitnehmer könnten durch den Beitritt zu der anderen Gewerkschaft tariflichen Schutz erlangen. Die Situation unterscheide sich nicht von der nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG, der bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates ausschließe und insoweit auch die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer erfasse. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit schütze nur den Kernbereich des Tarifvertragssystems. Die Verdrängung eines Tarifvertrages berühre diesen nicht. Schließlich könne die betroffene Koalition einen noch spezielleren Tarifvertrag abschließen, für ihn werben und sich entsprechend betätigen.

20

3. Diese Rechtsprechung ist in der Literatur überwiegend auf Ablehnung gestoßen(aus der Kommentarliteratur ErfK/Dieterich 10. Aufl. Art. 9 GG Rn. 85; ErfK/Franzen § 4 TVG Rn. 71; DFL/Krebber 2. Aufl. § 4 TVG Rn. 55 ff.; Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 4 Rn. 132 ff.; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 271 ff.; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 156 ff.; Däubler/Zwanziger TVG 2. Aufl. § 4 Rn. 940 ff.; weiterhin Wiedemann Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 11; ders. Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 12; Konzen RdA 1978, 146 ff.; Müller NZA 1989, 449, 451 ff.; Reuter JuS 1992, 105 ff.; Kraft RdA 1992, 161 ff.; Vogg Anm. EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 7; Hohenstatt DB 1992, 1678 ff.; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; Reuter JuS 1992, 105 ff.; Salje SAE 1993, 79 ff.; Loritz ZTR 1993, 91, 98; Merten BB 1993, 572 ff.; Wiedemann/Arnold ZTR 1994, 399, 402 ff.; Fenn FS Kissel 1994 S. 213 ff.; Reichold SAE 1995, 21 ff.; Wank Anm. EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 9; Kohte SAE 1996, 14 ff.; Däubler NZA 1996, 225, 230; B. Gaul NZA 1998, 9, 15; Hanau RdA 1998, 65, 69 f.; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 334 ff.; ders. in Jacobs/Krause/Oetker Tarifvertragsrecht § 7 Rn. 228 ff.; ders. NZA 2008, 325 ff.; ders. FS Buchner 2009 S. 343, 343 f.; Waas Tarifkonkurrenz und Tarifpluralität 1999 S. 123 ff., 133 ff.; Wendeling-Schröder Anm. zu LAG Niedersachsen 12. November 1999 - 3 Sa 780/99 - LAGE TVG § 4 Tarifpluralität Nr. 3; Franzen RdA 2001, 1, 7 f.; Band Tarifkonkurrenz, Tarifpluralität und der Grundsatz der Tarifeinheit 2003 S. 84 ff., 119 ff.; Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 370 ff.; ders. BB 2005, 2633, 2639 f.; s. auch ders. NZA 2006, 642, 644 f.; Lindemann/Simon BB 2006, 1852, 1855 ff.; Harwart Tarifkollision S. 318 ff.; Reichold RdA 2007, 321, 324 f.; ders. in Lehmann Tarifverträge der Zukunft 2008 S. 146 ff.; Lautenschläger Der Grundsatz der Tarifeinheit bei Tarifpluralität nach dem Employment Relations Act 1999, 2009 S. 32 ff.; Zachert Anm. AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66; Franzen ZfA 2009, 297, 305 ff.; Niebeling/Gründel NZA 2009, 1003 ff.; Deinert NZA 2009, 1176 ff.; Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 535 ff.; Brecht-Heitzmann Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 503, 505 ff.; Braun ArbRB 2010, 115 ff.; kritisch auch Schaub BB 1995, 2003, 2005; Friedrich FS Schaub 1998 S. 183, 203; Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 736; Greiner Rechtsfragen der Koalitions-, Tarif- und Arbeitskampfpluralität 2010 S. 302 ff., 337 ff.; jedenfalls bei sogenannter gewillkürter Tarifpluralität kritisch Bayreuther in Lehmann Tarifverträge der Zukunft 2008 S. 130, 140 f.; ders. NZA 2007, 187 ff.; Schubert FS Wendeling-Schröder 2009 S. 59, 76 f.; Schliemann Beil. zu NZA 24/2000 S. 24, 32; ders. FS Hromadka 2008 S. 359, 369 ff.; für Tarifverträge zwischen Gewerkschaften, die nicht sämtlich dem Deutschen Gewerkschaftsbund angehören abl. auch HWK/Henssler 4. Aufl. § 4 TVG Rn. 58 ff.; den Grundsatz der Tarifeinheit bei Tarifpluralität dagegen befürwortend Säcker/Oetker ZfA 1993, 1 ff.; Heinze/Ricken ZfA 2001, 159 ff.; Buchner BB 2003, 2121, 2122 ff.; kritisch noch ders. RdA 1997, 259, 267; Hromadka Gedächtnisschrift Heinze 2005 S. 383 ff.; weiterhin Meyer DB 2006, 1271 ff.; Wallisch FS Löwisch 2007 S. 429 ff., Feudner RdA 2008, 104 ff. ; Kempen FS Hromadka 2008 S. 177, 182 ff.; anders noch ders. NZA 2003, 415, 417; Giesen NZA 2009, 11 ff.; Koch Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes 1994 Rn. 203 ff.; Scholz FS Buchner 2009 S. 827, 828 ff.; Hromadka/Schmitt-Rolfes NZA 2010, 687 ff.; wohl auch Oetker NZA 2010 Beil. Nr. 1 S. 13, 26; für eine Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Mehrheitsprinzip statt nach dem Spezialitätsprinzip Berg/Platow/Schoof/Unterhinninghofen Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht 2. Aufl. § 4 TVG Rn. 58 ff.).

21

4. Der Senat gibt seine bisherige Rechtsprechung zur Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Grundsatz der Tarifeinheit zu Gunsten des spezielleren Tarifvertrages im Falle einer unmittelbaren Tarifgebundenheit des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG auf. Die Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen(§ 1 Abs. 1 TVG),gelten nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG in den jeweiligen von seinem Geltungsbereich erfassten Arbeitsverhältnissen eines Betriebes unmittelbar und zwingend. Diese durch das Tarifvertragsgesetz vorgesehene, auf das einzelne Arbeitsverhältnis bezogene Bindung wird nicht dadurch verdrängt, dass für den Betrieb kraft Tarifgebundenheit des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG mehr als ein Tarifvertrag für Arbeitsverhältnisse derselben Art gilt, für die jeweiligen Arbeitsverhältnisse im Falle einer Tarifgebundenheit eines oder mehrerer Arbeitnehmer allerdings jeweils nur ein Tarifvertrag. Eine solche aufgrund unmittelbarer Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG eingetretene Tarifpluralität kann für die genannten Rechtsnormen nicht nach dem Grundsatz der Tarifeinheit dahingehend aufgelöst werden, dass hinsichtlich dieser Normen nur ein Tarifvertrag „für den Betrieb“ gilt. Ein solcher Rechtsgrundsatz besteht nicht. Eine Verdrängung der nach § 4 Abs. 1 TVG in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen geltenden tariflichen Normen ist weder aufgrund praktischer Schwierigkeiten noch wegen einer sonst erforderlichen Abgrenzung von Inhalts- und Betriebsnormen geboten. Die Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung, die zur Verdrängung tariflicher Normen führt, sind vorliegend nicht gegeben. Die Verdrängung eines Tarifvertrages ist auch mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren. Ob es sich bei dem TVöD um einen gegenüber dem BAT spezielleren Tarifvertrag handelt, wie die Beklagte meint, kann deshalb dahinstehen.

22

a) Das Tarifvertragsgesetz ordnet in § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG die unmittelbare und zwingende Wirkung der Normen eines Tarifvertrages im Arbeitsverhältnis beiderseits Tarifgebundener an. Sofern der Tarifvertrag von tariffähigen Koalitionen im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit geschlossen wurde, entfalten die Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen(§ 1 Abs. 1 TVG), unmittelbare und zwingende Wirkung zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen. Die Bindung eines Arbeitsverhältnisses an einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG beruht dabei auf privatautonomen Entscheidungen. Der Inhalt und die gesetzlich angeordnete Wirkungsweise des Tarifvertrages erlangen Legitimation durch die freie Entscheidung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Mitglied einer Koalition zu werden (BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 140/01 - zu B I 1 der Gründe mwN, BAGE 102, 65). Der Abschluss von Tarifverträgen und die damit bewirkte Normsetzung ist kollektiv ausgeübte Privatautonomie (BAG 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - Rn. 55, BAGE 119, 103; 27. November 2002 - 7 AZR 414/01 - zu B I 3 a der Gründe mwN, AP BGB § 620 Altersgrenze Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 1; 30. August 2000 - 4 AZR 563/99 - zu I 2 c der Gründe, BAGE 95, 277; weiterhin BAG 26. August 2009 - 4 AZR 294/08 - Rn. 30). Die Tarifvertragsparteien und ihre Mitglieder haben dadurch ihr Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG wahrgenommen und Regelungen zu bestimmten Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen geschaffen. Wer Mitglied in der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft ist, will insbesondere an den von dieser in Tarifverträgen vereinbarten Mindestbedingungen teilhaben.

23

Der Umstand, dass Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 TVG an verschiedene Tarifverträge gebunden sein können, hindert die unmittelbare und zwingende Wirkung nach § 4 Abs. 1 TVG nicht. Damit ist es nach dem eindeutigen Wortlaut des Tarifvertragsgesetzes möglich, dass für verschiedene Arbeitnehmer im Betrieb unterschiedliche Tarifverträge gelten(Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 379). Tarifpluralität ist im System des Tarifvertragsgesetzes angelegt (s. nur Fenn FS Kissel 1994 S. 213, 229; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 375 f.; Konzen RdA 1978, 146, 150; Kraft RdA 1992, 161, 166).

24

b) Eine Rechtsgrundlage, die gesetzlich angeordnete Rechtsfolge einer Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien auszuschließen, obwohl deren gesetzliche Voraussetzungen vorliegen, besteht nicht.

25

aa) Der Grundsatz der Tarifeinheit, für den weder eine ausdrückliche noch eine gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtsgrundlage besteht(anders nur Heinze/Ricken ZfA 2001, 159, 174  ff.), kann nicht auf übergeordnete Prinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gestützt werden (so schon Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; s. auch Kraft RdA 1992, 162, 166; Konzen RdA 1978, 146, 150 ff.; Reuter JuS 1992, 105 ff.). Rechtsprinzipien sind leitende Gedanken einer möglichen oder bestehenden rechtlichen Regelung, jedoch nicht die positive Regelung selbst. Ihnen fehlt die der Anwendung auf den Einzelfall fähige Norm mit bestimmtem Tatbestand und bestimmter Rechtsfolge (Bydlinski Juristische Methodenlehre 1982 S. 132; Esser Grundsatz und Norm in der richterlichen Rechtsfortbildung des Privatrechts Neuauflage 1970 S. 20, 259 ff.; ebenso Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 390 ff.; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; Kraft RdA 1991, 161, 166; alle mwN). Sie können deshalb eine rechtliche Regelung nicht unmittelbar außer Kraft setzen.

26

bb) Darüber hinaus handelt der dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip zuzuordnende Grundsatz der Rechtssicherheit von der Klarheit und Bestimmtheit der Normen, und das Prinzip der Rechtsklarheit davon, dass den Normunterworfenen die auf sie und ihr Verhalten anzuwendenden Regeln so klar, bestimmt und eindeutig vor Augen geführt werden, dass sie disponieren können(BVerfG 12. Januar 1967 - 1 BvR 169/63 - zu C III 1 a der Gründe, BVerfGE 21, 73; weiterhin BVerfG 19. Februar 1962 - 2 BvR 650/60 - zu II 2 a der Gründe, BVerfGE 14, 13; 14. Februar 1978 - 2 BvR 406/77 - zu B I 2 a der Gründe, BVerfGE 47, 239). Es geht bei beiden Prinzipien nicht um die praktischen Auswirkungen der Anwendung von Normen, wie sie die Befürworter des Grundsatzes der Tarifeinheit vor Augen haben.

27

cc) Hinzu kommt, dass Rechtsklarheit und Rechtssicherheit durch die Auflösung einer Tarifpluralität häufig nicht erreicht werden können. Bis zur rechtskräftigen Klärung, welcher „speziellere“ Tarifvertrag im Betrieb gilt(zu den unterschiedlichen Maßstäben anlässlich der Tarifauseinandersetzung bei der Deutschen Bahn AG im Jahre 2007 s. nur die Nw. bei Franzen ZfA 2009, 297, 306, Fn. 53), bestehen Unsicherheiten über den Inhalt des Arbeitsverhältnisses (Fenn FS Kissel 1994 S. 213, 230 f.; Reuter JuS 1992, 105, 106 f.; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 164; ebenso Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 390 f.; Franzen ZfA 2009, 297, 306).

28

c) Die Verdrängung bestehender Tarifverträge im Falle einer Tarifpluralität, an die die Arbeitsvertragsparteien nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar gebunden sind, kann nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung durch einen Grundsatz der Tarifeinheit begründet werden. Es besteht nicht die hierfür notwendige planwidrige Lücke im Gesetz. Die durch den Grundsatz der Rechts- und Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 GG gezogenen Grenzen(dazu BVerfG 19. Oktober 1983 - 2 BvR 485/80 und 486/80 - zu II 1 der Gründe, BVerfGE 65, 182) stehen einer solchen Rechtsfortbildung entgegen.

29

aa) Eine planwidrige Gesetzeslücke liegt nicht schon dann vor, wenn ein Sachverhalt nicht geregelt ist. Vielmehr ist erforderlich, dass für den mit dem Gesetz verfolgten Zweck - den „gesetzgeberischen Plan“ - eine Regelung erforderlich wäre, diese aber nicht getroffen wurde(s. nur Fenn FS Kissel 1994 S. 213, 229). Ein eventuelles rechtspolitisches Versäumnis des Gesetzgebers begründet keine der Rechtsfortbildung zugängliche Regelungslücke. Maßgebend ist dabei, ob das Gesetz nach seiner eigenen Regelungsabsicht tatsächlich unvollständig ist oder ob die in ihm getroffene Entscheidung nur rechtspolitisch kritisiert werden kann (s. nur Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft S. 192 ff., 195).

30

bb) Nach diesen Maßstäben weist das Tarifvertragsgesetz keine planwidrige Regelungslücke hinsichtlich der Anwendbarkeit mehrerer in einem Betrieb nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG geltenden Tarifverträge auf, soweit die einzelnen Arbeitsverhältnisse jeweils nur einem Tarifvertrag unterliegen.

31

(1) Eine Lücke im Tarifvertragsgesetz lässt sich nicht anhand der Entstehungsgeschichte des Tarifvertragsgesetzes begründen(statt vieler Franzen ZfA 2009, 297, 305; Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 736; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; sowie ausf. Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 64 ff.) . Die Annahme, der Gesetzgeber habe eine Tarifpluralität wegen der Entwicklung der Gewerkschaften zu Einheitsgewerkschaften als nicht regelungsbedürftig angesehen und eine abweichende Entwicklung nicht gesehen (so Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 7 ff.; ebenso Hromadka NZA 2008, 384, 386; s. auch Oetker NZA 2010 Beil. Nr. 1, S. 13, 26), weshalb man nicht davon ausgehen könne, er habe eine Tarifpluralität durch § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG „abgesegnet“(Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 8), lässt sich auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertragsgesetzes nicht stützen.

32

Der „Stuttgarter Entwurf“ des Arbeitsrechtsausschusses des Länderrates vom Juli 1948 kann entgegen der früheren Senatsrechtsprechung(BAG 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330) hierzu nicht herangezogen werden. Soweit dieser in § 8 eine Kollisionsregel für den Fall vorgeschlagen hatte, dass „ein Arbeitsverhältnis in den Geltungsbereich mehrerer Tarifverträge fällt“(Materialien zur Entstehung des TVG abgedruckt in ZfA 1973, 129 ff.), behandelt er eine Tarifkonkurrenz. Die im Verlauf der Gesetzgebung getroffene Erwägung, eine nähere Ausgestaltung der Konkurrenzproblematik der Wissenschaft und der Rechtsprechung zu überlassen, bezieht sich auf diese Tarifkonkurrenz und gerade nicht auf die der Rechtsprechung und Wissenschaft schon damals bekannte (dazu ausf. etwa Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 376 f.; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 159) Frage der Tarifpluralität (Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 378 f.; Franzen ZfA 2009, 296, 305; Jacobs aaO S. 374 ff. mwN in Fn. 250; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20).

33

Der historische Gesetzgeber ist auch nicht davon ausgegangen, dass eine Tarifpluralität im Betrieb ohnehin nicht eintreten werde, weil sie durch das „Ordnungsprinzip der Gewerkschaften“ ausgeschlossen sei(so Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 7 ff., 9). Dem steht schon entgegen, dass die DAG bereits im Jahre 1945 gegründet worden war, der Deutsche Gewerkschaftsbund aber erst am 13. Oktober 1949, mithin mehr als ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des TVG. Damit war das angeführte Ordnungsprinzip der Gewerkschaften bereits auf die Möglichkeit von Tarifpluralität angelegt (vgl. zB Schliemann FS Hromadka 2008 S. 359, 371).

34

(2) Auch die gesetzliche Systematik spricht gegen die Annahme einer Gesetzeslücke. Das folgt auch aus § 3 Abs. 2 TVG, selbst wenn man der Regelung einen „(sehr verhaltenen) Hinweis auf eine Tarifeinheit im Betrieb“(so Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 379) entnehmen wollte. § 3 Abs. 2 TVG spricht gerade dafür, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, Individualnormen aus unterschiedlichen Tarifverträgen fänden in einem Betrieb nebeneinander Anwendung. Denn nur dann ist es erforderlich, für die Betriebsnormen, bei denen es eine fortbestehende Tarifpluralität nicht geben kann, eine notwendig betriebseinheitliche Regelung vorzusehen (s. nur Franzen ZfA 2009, 297, 305). Gleiches gilt für die Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen nach § 3 Abs. 2 TVG(Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 379; Kraft FS Zöllner 1998 S. 831, 836; Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 538; aA Hromadka/Schmitt-Rolfes NZA 2010, 687, 688 ).

35

(3) Schließlich hat der Gesetzgeber an dieser Unterscheidung zwischen Individualnormen iSd. § 1, § 3 Abs. 1 TVG und Betriebs- und betriebsverfassungsrechtlichen Normen nach § 3 Abs. 2 TVG bei den zwischenzeitlich erfolgten Änderungen des Tarifvertragsgesetzes(idF der Bekanntmachung vom 25. August 1969 [BGBl. I S. 1323], zuletzt geändert Artikel 223 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 [BGBl. I S. 2407]) festgehalten, weshalb auch nicht von einer sekundären oder nachträglichen Gesetzeslücke ausgegangen werden kann (s. nur Franzen ZfA 2009, 279, 306; aA Hromadka NZA 2008, 384, 385 f., 389; Oetker NZA 2010 Beil. 1, S. 13, 26; Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 8 f.).

36

(4) Der Gesetzgeber geht zudem, wie § 613a Abs. 1 BGB zeigt, davon aus, dass zwei verschiedene Tarifverträge im Betrieb Anwendung finden können. Die Ablösung der nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformierten Regelungen(dazu BAG 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 61 ff., EzA BGB 2002 § 613a Nr. 110)erfordert die kongruente Tarifgebundenheit beider Arbeitsvertragsparteien. Danach kann es durch einen Betriebsübergang zu verschiedenen im Betrieb anwendbaren Tarifverträgen kommen. Ein Ordnungsprinzip der betrieblichen Tarifeinheit steht dem nicht entgegen (BAG 21. Februar 2001 - 4 AZR 18/00 - zu B I 2 b ee [5] der Gründe, BAGE 97, 107). Die Existenz parallel anwendbarer tarifvertraglicher Regelungswerke in einem Betrieb wird dadurch anerkannt (s. dazu auch Kohte SAE 1996, 14, 17: Koexistenz als „gesetzliches Leitbild“; ähnlich Kania DB 1996, 1921, 1923).

37

d) Die Auflösung einer Tarifpluralität durch den Grundsatz der Tarifeinheit ist nicht im Wege einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung möglich. Deren Voraussetzungen liegen nicht vor.

38

aa) Angesichts des beschleunigten Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse und der begrenzten Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers gehört die Anpassung des geltenden Rechts an veränderte Umstände zu den Aufgaben der Dritten Gewalt(BVerfG 12. November 1997 - 1 BvR 479/92, 307/94 - zu B I 2 a der Gründe, BVerfGE 96, 375), die nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO dem Bundesarbeitsgericht zugewiesen ist. Die Befugnis zur Rechtsfortbildung besteht jedoch nicht schrankenlos, sondern wird durch Art. 20 Abs. 2 und 3 GG begrenzt. Mit den Grundsätzen der Gewaltenteilung und Gesetzesbindung wäre es nicht vereinbar, wenn sich die Gerichte aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begäben, also objektiv betrachtet sich der Bindung an Gesetz und Recht entzögen (BVerfG 3. November 1992 - 1 BvR 1243/88 - zu B II 2 b der Gründe, BVerfGE 87, 273, 279 ff.). Die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung setzt deshalb voraus, dass das Gesetz lückenhaft ist, wobei sich die Unvollständigkeit der rechtlichen Regelung nicht wie bei der Analogie am Plan des Gesetzes selbst, sondern an den Erfordernissen der Gesamtrechtsordnung misst (BVerfG 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - zu C IV 1 der Gründe mwN, BVerfGE 34, 269). Diese kann sich aus der Verfassung, insbesondere den Grundrechten (BVerfG 12. November 1997 - 1 BvR 479/92, 307/94 - zu B I 2 a der Gründe, aaO) oder einem unabweisbaren Bedürfnis des Rechtsverkehrs ergeben (etwa BGH 14. Dezember 2006 - IX ZR 92/05 - zu II 2 c bb [1] der Gründe, BGHZ 170, 187). Es muss einsichtig gemacht werden können, dass das geschriebene Gesetz seine Funktion, ein Rechtsproblem zu lösen, nicht mehr erfüllt (BVerfG 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - zu C IV 1 der Gründe mwN, aaO). Fragen der Zweckmäßigkeit, insbesondere der Praktikabilität, können eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung grundsätzlich nicht begründen (BAG 12. November 1992 - 8 AZR 157/92 - zu I 2 der Gründe, BAGE 71, 355).

39

bb) Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung nicht vor.

40

(1) Die für den Grundsatz der Tarifeinheit angeführten „unüberwindlichen praktischen Probleme“(Zusammenstellung der verschiedenen verwendeten Begrifflichkeiten etwa bei Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 393 f. mwN in Fn. 364 ff.) bei der Anwendung verschiedener Tarifverträge im Betrieb können die Verdrängung geltender Tarifnormen nicht begründen. Sie bestehen teilweise nicht oder sind - ggfl. durch die Rechtsprechung - zu lösen.

41

(a) Dabei ist schon fraglich, ob die Anwendung von verschiedenen Tarifverträgen in einem Betrieb auch unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts wie etwa der elektronischen Datenverarbeitung bei der Anwendbarkeit der unterschiedlichen Rechtsnormen zu größeren Problemen bei der betrieblichen Durchführung der Bestimmungen führt(s. nur Bayreuther NZA 2007, 187, 188 ff.; Meyer DB 2006, 1271, 1272; Hromadka Gedächtnisschrift Heinze S. 283, 287; Reichold RdA 2007, 321, 325; anders Buchner BB 2003, 2121, 2122). Solche werden auch vorliegend von der Beklagten weder angeführt noch sind sie sonst ersichtlich.

42

(b) Selbst wenn man bei Aufrechterhaltung einer Tarifpluralität generell von Anwendungs- und Durchführungsproblemen für den Arbeitgeber ausgehen wollte, können diese keine Grundlage für eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung sein. Schwierigkeiten bei der Anwendung einer Norm rechtfertigen nicht deren Derogation(BAG 10. März 1987 - 8 AZR 146/84 - zu I 7 a der Gründe, BAGE 54, 232, 240; 26. Januar 1993 - 1 AZR 303/92 - zu II 2 b ee der Gründe, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 102 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 109). Auch reichen Zweckmäßigkeitsgründe oder das Koordinierungsinteresse des Arbeitgebers allein nicht aus (Kraft RdA 1992, 161, 166; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; Reichold RdA 2007, 321, 324 f.; Wiedemann/Wank TVG § 4 Rn. 277 ). Eine zweckmäßigere Handhabung vermag auch kein unabweisbares Verkehrsbedürfnis zu begründen.

43

(c) Ebenso kann die angeführte „tatsächlich auch nicht durchzuführende Abgrenzung zwischen Inhalts- und Betriebsnormen eines Tarifvertrages“(BAG 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330) nicht zur Verdrängung tariflicher Regelungen herangezogen werden.

44

Die Trennung der beiden Normbereiche ist in § 3 TVG gesetzlich vorgesehen. Es ist Aufgabe der Rechtsprechung, diese differenzierende gesetzliche Vorschrift anzuwenden(Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG § 4 Rn. 160; Merten BB 1993, 572, 574). Diese wird in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch wahrgenommen (vgl. etwa 27. April 1988 - 7 AZR 593/87 - zu I 3 b der Gründe, BAGE 58, 183; 26. April 1990 - 1 ABR 84/87 - zu B V der Gründe, BAGE 64, 368). Ein Tarifvertrag kann stets Inhaltsnormen, betriebliche Normen und betriebsverfassungsrechtliche Normen enthalten. Aufgrund der unterschiedlichen Bindungswirkung nach § 3 Abs. 1 TVG und § 3 Abs. 2 TVG(dazu BAG 26. April 1990 - 1 ABR 84/87 - zu B V 2 a der Gründe, aaO) ist für jede Tarifnorm getrennt zu prüfen, um welche Art von Norm es sich handelt (BAG 21. Januar 1987 - 4 AZR 486/86 - AP GG Art. 9 Nr. 46). Das gilt schon für Betriebe, in denen der Arbeitgeber nur an einen Tarifvertrag gebunden ist. Auch dann muss aufgrund der unterschiedlichen Gebundenheit nach § 3 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 TVG festgestellt werden, welche Art von tariflicher Regelung vorliegt. Das Erfordernis würde in gleicher Weise im Falle eines nach dem Grundsatz der Tarifeinheit verdrängten Tarifvertrages bestehen, weil für die an ihn gebundenen Arbeitnehmer festgestellt werden müsste, welche Betriebs- und betriebsverfassungsrechtlichen Normen des anderen Tarifvertrages im Verhältnis zu ihnen normativ gelten und welche Normen dieses Tarifvertrages, weil es sich um Inhaltsnormen handelt, nicht ohne Weiteres.

45

(2) Die unzulässige Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit bei der Einstellung(dazu BAG 2. Juni 1987 - 1 AZR 651/85 - BAGE 54, 353; 28. März 2000 - 1 ABR 16/99 - BAGE 94, 169) führt im Falle einer Tarifpluralität nicht zu „tatsächlichen Unzuträglichkeiten“.

46

Die Gewerkschaftsmitgliedschaft ist stets von Bedeutung, wenn der Arbeitnehmer tarifliche Leistungspflichten des Arbeitgebers kraft unmittelbarer Tarifgeltung beansprucht(s. nur Wank Anm. EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 9). Auch im Falle der Auflösung der Tarifpluralität durch Verdrängung eines Tarifvertrages wäre zu ermitteln, wer an den spezielleren Tarifvertrag gebunden ist (Wiedemann/Arnold ZTR 1994, 443, 445). Selbst wenn man trotz des Schutzes durch § 612a BGB(dazu Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20)eine Offenbarungspflicht im laufenden Arbeitsverhältnis nicht anerkennt, bleibt es dem Arbeitgeber unbenommen, zunächst nur diejenigen Leistungen zu erbringen, die den Nicht- oder Andersorganisierten zustehen (Wiedemann/Wank TVG § 4 Rn. 277; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG § 4 Rn. 162; Danne SAE 1998, 111, 115; Bayreuther BB 2005, 2633, 2640 m. Fn. 68). Im Streitfalle ist der Arbeitnehmer nach den allgemeinen Grundsätzen gehalten, seine Tarifgebundenheit darzulegen und ggf. zu beweisen, wenn er tarifvertragliche Rechte geltend macht (s. nur jüngst Nebeling/Gründel NZA 2009, 1003, 1004). Nichts anderes gilt im Übrigen im Recht der schwerbehinderten Menschen. Soweit dort einschlägige Rechte oder Ansprüche geltend gemacht werden, sind auch in diesem Rechtsbereich keine Unzuträglichkeiten angemahnt worden ( Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 407).

47

(3) Der Grundsatz der Tarifeinheit in Fällen einer Tarifpluralität kann als gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung nicht deshalb gerechtfertigt werden, weil sonst durch drohende „ständige kaum sinnvoll handhabbare Tarifauseinandersetzungen und ständige Streiks mit verheerenden Auswirkungen“(Hromadka NZA 2008, 383, 387) eine Funktionsunfähigkeit des Tarifvertragssystems eintrete. Allein ein als möglich angesehener „Überbietungswettbewerb“ der Gewerkschaften oder Funktionsverlust der Friedenspflicht bei nicht abgestimmten Tarifverhandlungen (Hromadka Gedächtnisschrift Heinze 2005, S. 384, 388; ähnlich Meyer DB 2006, 1271, 1272 f.; ders. NZA 2006, 1387, 1390; Otto FS Konzen 2006 S. 663 ff.; s. auch Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Jahresgutachten 2007/2008 [2007] S. 36 ff.) oder eine befürchtete Vervielfachung von Arbeitskämpfen (Giesen NZA 2009, 11, 15 f., 17; s. auch Feudner RdA 2008, 104, 105) sind keine hinreichenden Gesichtspunkte, die die Verdrängung eines geltenden Tarifvertrages im Wege der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung legitimieren könnten.

48

(a) Unabhängig von der Frage, ob tatsächlich Anhaltspunkte für einen Funktionsverlust des Tarifvertragssystems aus den vorgebrachten Besorgnissen gefolgert werden können, handelt es sich hierbei um Rechtsfragen des Arbeitskampfrechts, nicht aber um solche des Tarifrechts zur Auflösung einer möglichen Tarifpluralität.

49

Der Arbeitskampf gehört zu den verfassungsrechtlich geschützten Mitteln, weil von ihm die Verfolgung eines wesentlichen Koalitionszwecks, der Abschluss von Tarifverträgen, abhängt. Arbeitskampfmaßnahmen werden jedenfalls insoweit vom Grundrecht der Koalitionsfreiheit geschützt, als sie allgemein erforderlich sind, um eine funktionierende Tarifautonomie sicherzustellen( BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212; BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 33, EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 143 ). Schon aufgrund dieser Funktionsbezogenheit des Arbeitskampfrechts folgt nicht das Tarifrecht dem Arbeitskampfrecht, sondern vielmehr das Arbeitskampfrecht dem Tarifrecht (ebenso Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 540; Deinert NZA 2009, 1176, 1182 mwN in Fn. 101; Franzen ZfA 2009, 297, 311; wohl auch Bayreuther NZA 2008, 12, 15 ff.). Etwaige Rechtsfragen des Arbeitskampfrechts infolge einer bestehenden Tarifpluralität sind in diesem Rechtsbereich zu lösen (s. im hiesigen Zusammenhang etwa die Beiträge von Bayreuther NZA 2008, 12 ff.; Giesen NZA 2009, 11, 14 ff.; Hirdina NZA 2009, 997 ff.; Jacobs FS Buchner 2009 S. 342 ff.; Meyer FS Adomeit 2008 S. 459 ff.; von Steinau-Steinrück/Glanz NZA 2009, 113 ff.). Sie sind nicht geeignet, die Auflösung einer Tarifpluralität durch Verdrängung der Regelungen eines vollwirksamen Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit zu rechtfertigen.

50

Deshalb muss der Senat vorliegend auch nicht darüber befinden, ob die Verdrängung eines Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit überhaupt geeignet wäre, die angeführten Szenarien zu verhindern oder ob er nicht vielmehr zunächst einmal Tarifpluralität, also den Abschluss mehrerer Tarifverträge über denselben Regelungsgegenstand, gerade voraussetzt(so BAG 14. Dezember 2004 - 1 ABR 51/03 - Rn. 63, BAGE 113, 82; s. auch BAG 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 67, 330, wonach es der Koalition unbenommen ist, sich um den Abschluss eines spezielleren, den konkurrierenden Tarifvertrag verdrängenden Tarifvertrages zu bemühen). Es kann weiterhin dahinstehen, ob einer konkurrierenden Koalition im Hinblick auf das nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Grundrecht der kollektiven Koalitionsfreiheit die Befugnis zur im Zweifel kampfweisen Durchsetzung eines Tarifvertrages tatsächlich abgesprochen werden kann(ablehnend Bayreuther NZA 2006, 642, 646 f.; Deinert NZA 2009, 1176, 1180 f., 1182; Franzen ZfA 2009, 297, 311 mwN in Fn. 78; Jacobs NZA 2008, 325, 329; deutlich Reichold RdA 2007, 321, 327: „waghalsige, dogmatisch mehrfach unschlüssige Konstruktion“; s. auch die Fallgestaltung in BAG 26. Oktober 1971 - 1 AZR 113/68 - zu A II 3 b der Gründe, BAGE 23, 484).

51

(b) Es ist derzeit auch nicht ersichtlich, dass das geltende Tarifvertragssystem seine Funktion im Falle von Tarifpluralitäten, zu denen es tatsächlich schon gekommen ist und die auch tatsächlich praktiziert werden, nicht mehr wahrnehmen kann, so dass eine Rechtsfortbildung nach den genannten Grundsätzen vorliegend auch deshalb ausscheidet.

52

e) Ungeachtet der fehlenden Voraussetzungen für eine Rechtsfortbildung, die zur Verdrängung eines nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend geltenden Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit führen könnte, wäre eine solche mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG auch nicht zu vereinbaren.

53

aa) Die in den Entscheidungen des Senats zur Begründung des Grundsatzes der Tarifeinheit vertretene Auffassung einer Beschränkung des Grundrechtsschutzes der Koalition durch Art. 9 Abs. 3 GG auf einen „Kernbereich des Tarifvertragssystems“(oben unter 2 mwN) kann nicht mehr herangezogen werden. Der Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG ist nicht von vornherein auf einen Kernbereich solcher koalitionsgemäßer Betätigungen beschränkt, die für die Erreichung des Koalitionszwecks unerlässlich sind. Er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (grdl. BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 3 b der Gründe, BVerfGE 93, 352; weiterhin BVerfG 24. Februar 1999 - 1 BvR 123/93 - zu B II 2 b aa der Gründe, BVerfGE 100, 214; 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394; BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 33, EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 143 ; 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - Rn. 39, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96; 18. März 2009 -  4 AZR 64/08 - Rn. 117, AP TVG § 3 Nr. 41 = EzA GG Art. 9 Nr. 98; 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 40, BAGE 117, 137) . Soweit die Verfolgung des Koalitionszwecks von dem Einsatz bestimmter Mittel abhängt, werden auch diese vom Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst(BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 84, 212) . Die Koalitionen müssen ihren verfassungsrechtlich anerkannten Zweck, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern, insbesondere durch den Abschluss von Tarifverträgen erfüllen können (s. nur BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 365; ebenso BVerfG 10. Januar 1995 - 1 BvF 1/90 ua. - zu B II 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 26).

54

bb) Die Verdrängung eines von einer Gewerkschaft geschlossenen Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit stellt sowohl einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit der tarifschließenden Gewerkschaft als auch in die individuelle Koalitionsfreiheit des an diesen gebundenen Gewerkschaftsmitglieds dar.

55

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts schützt das Doppelgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG zum einen den Einzelnen in seiner Freiheit, eine Vereinigung zur Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten oder sie zu verlassen. Geschützt ist zum anderen auch die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen(s. nur BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe mwN, NZA 2007, 394; BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 11 mwN, BAGE 123, 134). Der Schutz erstreckt sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen und umfasst insbesondere die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht (BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 365; 29. Dezember 2004 - 1 BvR 2283/03 ua. - zu C II 3 a der Gründe, AP AEntG § 3 Nr. 2; 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - zu B II 1 der Gründe mwN, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 136; BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 33, EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 143 ). Beim Abschluss von Tarifverträgen sollen die Gewerkschaften frei sein ( BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212 ). Sie können daher selbst bestimmen, mit wem, für welchen Arbeitnehmerkreis und für welche Unternehmen oder welchen Betrieb sie im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit einen Tarifvertrag abschließen möchten. Sie sind nicht auf einen Kernbereich unerlässlicher koalitionsspezifischer Maßnahmen und damit möglicherweise auf den Abschluss speziellerer Tarifverträge beschränkt.

56

In diese Grundrechtsposition der Gewerkschaften greift die Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Grundsatz der Tarifeinheit ein, da sie die unmittelbare und zwingende Wirkung des weniger speziellen Tarifvertrages außer Kraft setzt. Die Verdrängung eines nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG geltenden Tarifvertrages zur Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Grundsatz der Tarifeinheit stellt einen Eingriff in das Grundrecht der Koalitionsfreiheit dar(so auch BVerfG 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - zu C I 2 der Gründe, BVerfGE 94, 268, im Falle des § 57a HRG, der die Nr. 1 und 2 SR 2y BAT außer Kraft setzte; weiterhin BVerfG 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - zu B 2 der Gründe, BVerfGE 103, 293, zur Regelung in § 10 BUrlG aF; sowie BVerfG 10. Januar 1995 - 1 BvF 1/90 ua. - zu B II 1 c aa der Gründe, BVerfGE 92, 26, zu § 21 Abs. 4 Satz 3 FlRG; BAG 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 91, 210). Durch die Verdrängung eines geltenden Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit wird in das durch das Tarifvertragsgesetz bereits ausgestaltete Grundrecht der Koalitionsfreiheit (zur Ausgestaltung von Art. 9 Abs. 3 GG durch das TVG s. nur BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b aa der Gründe, BVerfGE 4, 96, 106 ), von dem die Tarifvertragsparteien durch den Abschluss eines Tarifvertrages bereits Gebrauch gemacht haben, dergestalt eingegriffen, dass die konkrete Rechtsposition - die Geltung des Tarifvertrages - nur aufgrund der Koalitionsrechtsausübung einer anderen konkurrierenden Gewerkschaft wieder entzogen wird (Engels RdA 2008, 331, 334 f. mwN in Fn. 75; Burkiczak Grundgesetz und Deregulierung des Tarifvertragsrechts 2006 S. 171, 253 ff.; Franzen ZfA 2009, 297, 304, 309; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 439; aA Hromadka/Schmitt-Rolfes NZA 2010, 687, 689; Hromadka NZA 2008, 384, 387; Buchner BB 2003, 2121, 2128; die lediglich eine Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit annehmen).

57

Damit wird ein von den Tarifvertragsparteien erstrittenes Verhandlungsergebnis zulasten der Gewerkschaft abgeändert und ihr Erfolg nachträglich bei einem Firmentarifvertrag ganz oder bei einem Flächentarifvertrag zumindest teilweise entwertet. Der Abschluss von Tarifverträgen für alle bei einer Gewerkschaft organisierten Arbeitnehmer ist aber zentraler Bestandteil ihrer Koalitionsfreiheit(BVerfG 10. Januar 1995 - 1 BvF 1/90 ua. - zu B II 1 c bb der Gründe, BVerfGE 92, 26). Die Entwertung dieser ihrer Koalitionsrechtsausübung kann ihre Verhandlungsposition für die Zukunft ebenso schwächen wie ihre Attraktivität, Mitglieder zu werben oder zu erhalten. Durch solche Folgen wird die Tarifautonomie beeinträchtigt (BVerfG 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - zu B 2 der Gründe, BVerfGE 103, 293). Durch die Verdrängung derjenigen tariflichen Regelungen, die gegenüber einem bereits für den Arbeitgeber geltenden Tarifvertrag nicht spezieller sind, kann der Zugang zu einem bestimmten Betrieb, Unternehmen, uU zu einem ganzen Wirtschaftszweig versperrt werden (Wiedemann/Wank TVG § 4 Rn. 277), wodurch auch die Koalitionsbestandsgarantie betroffen werden kann. Denn die Erhaltung und der Ausbau des Mitgliederbestandes sind als bestandssichernde Maßnahmen vom Grundrecht der Koalitionsfreiheit erfasst ( BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 93, 352 ) .

58

(2) Die Auflösung einer Tarifpluralität greift zudem in die individuelle positive Koalitionsfreiheit der Mitglieder derjenigen Gewerkschaft ein, die den verdrängten Tarifvertrag geschlossen hat(Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 442 mwN in Fn. 646; so schon Konzen RdA 1978, 145, 148: „Verkürzung des Tarifschutzes“) . Die individuelle Koalitionsfreiheit umfasst nicht nur das Recht, sich zu Koalitionen zusammenzuschließen und sich für sie zu betätigen, sondern - als Hauptzweck der Mitgliedschaft - den Schutz der von der ausgewählten Koalition geschlossenen Tarifverträge in Anspruch nehmen zu können.

59

cc) Allenfalls zum Schutz von gleichermaßen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsgütern und Gemeinwohlbelangen könnte die von Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit, obwohl ohne Gesetzesvorbehalt verbürgt, eingeschränkt werden(BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe mwN, NZA 2007, 394; 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 3 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212) . Allerdings dürfen dem Betätigungsrecht der Koalition nur solche Schranken gezogen werden, die im konkreten Fall zum Schutz der betroffenen Rechtsgüter von der Sache her geboten sind (BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - aaO; 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 3 b der Gründe mwN, BVerfGE 93, 352). Die dazu erforderliche Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit durch die Rechtsordnung obliegt in erster Linie dem Gesetzgeber ( BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - zu B II 1 b bb der Gründe mwN, BVerfGE 44, 322; BAG 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - Rn. 40, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96). Dort, wo die gesetzlichen Vorgaben - wie etwa auf dem Gebiet des Arbeitskampfrechts - unzureichend sind oder fehlen, haben anstelle des Gesetzgebers die Gerichte für eine sachgerechte Ausgestaltung der Betätigungsfreiheit zu sorgen (BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 2 a der Gründe, BVerfGE 84, 212) .

60

Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass Einschränkungen der verfassungsrechtlich garantierten Betätigungsfreiheit der Koalitionen nur dann mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar sind, wenn sie entweder dem Schutz des jeweiligen Koalitionspartners und damit gerade der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie oder dem Schutz der Grundrechte Dritter dienen oder sie durch die Rücksicht auf andere Rechte mit Verfassungsrang gerechtfertigt sind(BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 3 a der Gründe, aaO; 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 94, 368) .

61

dd) Der durch eine Verdrängung tariflicher Regelungen erfolgte Eingriff in die individuelle und die kollektive Koalitionsfreiheit ist nach den vorgenannten Maßstäben nicht gerechtfertigt.

62

(1) Die Notwendigkeit der Auflösung einer Tarifpluralität kann nicht damit begründet werden, es handele sich bei dem Grundsatz der Tarifeinheit um einen „richtungweisenden Maßstab rechtlicher Normierung“, der vor Art. 9 Abs. 3 GG bestehen könne(Hromadka Gedächtnisschrift Heinze 2005 S. 383, 393; anders bereits Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20 ). Weiterhin kann auch nicht eine „verfassungsrechtlich anerkannte Ordnungsfunktion des Tarifwesens“ als mögliche Grundlage herangezogen werden (so aber Hanau RdA 2008, 98, 99). Weder dem Tarifvertragsgesetz noch dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG kann eine rechtlich verbindliche Vorgabe der betriebseinheitlichen Geltung von denjenigen Tarifnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, entnommen werden. Die mit dem Koalitionsgrundrecht verbundene Zielvorstellung der „sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens“ beinhaltet keine rechtlich vorgegebene Ordnung, wonach tarifliche Normen betriebseinheitlich gelten müssten, die vorliegend eine Einschränkung der grundrechtlichen Freiheiten rechtfertigen könnte. Die Ordnungsfunktion von Tarifverträgen ist entsprechend der von Verfassungs wegen vorgegebenen mitgliedschaftlichen Struktur der Koalitionen nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf die unmittelbar Tarifgebundenen beschränkt.

63

(a) Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verfolgt den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, dem von der staatlichen Rechtssetzung ausgesparten Raum des Arbeitslebens im einzelnen durch Tarifverträge autonom zu regeln(BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - zu B II 1 b bb der Gründe, BVerfGE 44, 322; grdl. BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b bb der Gründe, BVerfGE 4, 96; weiterhin etwa BVerfG 6. Mai 1964 - 1 BvR 79/62 - zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 18, 18; 1. März 1979 - 1 BvR 532/77 ua. - zu C IV 1, 2 b cc der Gründe, BVerfGE 50, 290; 20. Oktober 1981 - 1 BvR 404/78 - zu B I der Gründe, BVerfGE 58, 233; 2. März 1993 - 1 BvR 1213/85 - zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 88, 103; 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 - zu C I 2 c der Gründe, BVerfGE 92, 365). Bei dieser Zweckverfolgung durch den Abschluss von Tarifverträgen sollen die Vereinigungen nach dem Willen des Grundgesetzes frei sein (BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212 ).

64

Mit dem Tarifvertragsgesetz hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen für ein gesetzlich gesichertes tarifvertragliches Regelungsverfahren in Ausgestaltung der verfassungsrechtlich abgesicherten Tarifautonomie geschaffen(so schon BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b aa der Gründe, BVerfGE 4, 96). Die Tarifvertragsparteien regeln auf dessen Grundlage (privat-)autonom, mit welchen tarifpolitischen Forderungen (dazu BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 99, BAGE 122, 134) sie für ihre Mitglieder tarifvertragliche Regelungen mit welchem Tarifvertragspartner setzen wollen und letztlich vereinbaren.

65

Dabei regelt das Tarifvertragsgesetz das Zustandekommen und die Wirkung von Tarifverträgen. Es enthält dafür - gerade anders als § 3 Abs. 2 und 3 TVG für betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Rechtsnormen eines Tarifvertrages - keine gesetzlichen Vorgaben, die auf eine bestimmte inhaltliche Ordnung des Tarifvertragssystems iSe. tarifeinheitlichen Regelung der Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen im jeweiligen Betrieb ausgerichtet sind oder eine solche gar rechtlich vorschreiben. Es kann deshalb offenbleiben, ob der einfache Gesetzgeber eine Regelung überhaupt schaffen könnte, die in einer derart weit reichenden Weise in die verfassungsrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit eingreift.

66

Die Ordnungsfunktion eines Tarifvertrages ist durch die nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf die Mitglieder beschränkte Rechtssetzungsmacht der Tarifvertragsparteien begrenzt. Insoweit wird der Tarifvertrag im Hinblick auf die von ihm gesetzten Rechtsnormen - wie jeder Vertrag - seiner Ordnungsfunktion gerecht(Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 374, 393 f.; Koop Das Tarifvertragssystem zwischen Koalitionsmonopolismus und Koalitionspluralismus 2009 S. 277 ff., 281). Eine über die Ordnung der Vertragsbeziehungen seiner Mitglieder hinausgehende Ordnungsfunktion des Tarifvertrages, namentlich in Richtung auf eine „sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens“ dergestalt, die Arbeitsverhältnisse im Betrieb einheitlich zu regeln, ist durch das Tarifvertragsgesetz rechtlich nicht vorgegeben (Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 153; Däubler in ders. [Hrsg.] TVG 2. Aufl. Rn. 81; Dieterich AuR 2001, 390, 391; ders. Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 539 ff.; Jacobs aaO; Kempen in ders./Zachert [Hrsg.] TVG 4. Aufl., Einl. Rn. 99; Konzen RdA 1978, 146, 153; Koop Das Tarifvertragssystem zwischen Koalitionsmonopolismus und Koalitionspluralismus 2009 S. 283; Schliemann FS Hromadka 2008 S. 359, 371, 377 f.: „korrespondiert kein rechtlich fundierter Grundsatz“; ähnlich Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 740).

67

(b) Der Grundsatz der betrieblichen Tarifeinheit ist auch kein verfassungsrechtliches Element der grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie, welches die Verdrängung von Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, begründen könnte.

68

Der Annahme einer von Verfassungs wegen vorgesehenen notwendigen tarifeinheitlichen Regelung für den jeweiligen Betrieb steht bereits entgegen, dass die Koalitionsfreiheit in erster Linie als Freiheitsgrundrecht strukturiert(s. nur BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 365) und auf einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Koalitionen angelegt ist. Art. 9 Abs. 3 GG überlässt es den tariffähigen Koalitionen, in Ausübung ihrer kollektiven Privatautonomie im Rahmen der Verfahrensregelungen des Tarifvertragsrechts autonom durch Tarifverträge die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu regeln. Dieses Zurücktreten des Staates zugunsten der Tarifparteien gewinnt seinen Sinn ebenso sehr aus dem Gesichtspunkt, dass die unmittelbar Betroffenen besser wissen und besser aushandeln können, was ihren beiderseitigen Interessen und dem gemeinsamen Interesse entspricht, als der demokratische Gesetzgeber, wie aus dem Zusammenhang mit dem für die Gestaltung nicht öffentlich-rechtlicher Beziehungen charakteristischen Prinzip der Privatautonomie, im Grunde also der Entscheidung des Grundgesetzes zugunsten des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats (BVerfG 27. Februar 1973 - 2 BvL 27/69 - zu B II 4 a der Gründe, BVerfGE 34, 307). Dabei hat der Gesetzgeber den Koalitionen im Tarifvertragsgesetz das Mittel des Tarifvertrages an die Hand gegeben, damit sie die von Art. 9 Abs. 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens verwirklichen können (BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - zu B II 1 b aa der Gründe, BVerfGE 44, 322).

69

Dies erfolgt auch im Wettbewerb mit anderen Koalitionen(BVerfG 6. Mai 1964 - 1 BvR 79/62 - zu B III 2 c der Gründe, BVerfGE 18, 18; 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74 ua. - zu B II 2 c der Gründe, BVerfGE 55, 7). Zu dem durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionspluralismus gehört, dass die Koalitionen in Konkurrenz treten(BAG 31. Mai 2005 - 1 AZR 141/04 - Rn. 31, BAGE 115, 58). Dieser Wettbewerb wird auch im Rahmen der durch das Tarifvertragsgesetz ausgestalteten kollektiven Privatautonomie ausgetragen. Tarifpluralität ist deshalb Folge des verfassungsrechtlich vorgesehenen und geschützten Koalitionspluralismus (s. dazu nur Franzen ZfA 2009, 297, 307 f.; Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 539; Kraft RdA 1992, 159, 168; Konzen RdA 1978, 146, 154).

70

Der in frühen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts verwendete Begriff der „sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens“ steht diesem Verständnis nicht entgegen. Die sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens ist „einer der Zwecke des Tarifvertragssystems“(BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b bb der Gründe, BVerfGE 4, 96), nicht aber eine verfassungsrechtlich verbindliche Vorgabe, die den Grundsatz der betrieblichen Tarifeinheit rechtfertigen könnte. Die in Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verankerte Tarifautonomie verfolgt den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, den von der staatlichen Rechtssetzung ausgesparten Raum des Arbeitslebens im Einzelnen durch Tarifverträge „autonom“ zu regeln(oben unter [aa] mwN). Nur insoweit dient die Koalitionsfreiheit der sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens (BVerfG 1. März 1979 - 1 BvR 532/77 ua. - zu C IV 1 der Gründe, BVerfGE 50, 290; zu dieser Rechtsprechung des BVerfG s. auch Richardi FS Buchner 2008 S. 731, 739 f.). Auf welchem Wege die Koalitionen die verfassungsrechtliche Erwartung der sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens verwirklichen, ist im Rahmen der rechtlichen Ausgestaltung des Tarifvertragswesens ihnen überlassen und fordert von Verfassungs wegen keine betriebseinheitlichen Tarifregelungen.

71

(2) Soweit weiterhin angenommen wird, die „Kartellfunktion“ des Tarifvertrages und das Ziel einer „regelmäßigen Ordnung“ der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen erforderten funktionell, dass am Ende des Koalitionswettbewerbs eine tarifeinheitliche Regelung für das konkrete betriebliche Arbeitsfeld bestehe(Kempen FS Hromadka 2008 S.  177, 185  ff.; s. auch ders. FS 50 Jahre BAG 2005 S. 729 f., 733; ebenso Scholz FS Buchner 2009 S.  827, 828  ff.; ähnlich Berg/Platow/Schoof/Unterhinninghofen Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht 2. Aufl. § 4 TVG Rn. 58b ), ist dies in dem Art. 9 Abs. 3 GG konkretisierenden Tarifvertragsgesetz für die hier ausschließlich infrage stehenden Rechtsnormen eines Tarifvertrages nicht geregelt. Die sogenannte Kartellfunktion, die in der Vereinheitlichung von Arbeitsbedingungen liegt, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, beruht als solche nicht auf einer normativen Festlegung durch das geltende Tarifvertragsrecht (Däubler in ders. [Hrsg.] TVG Rn.  83, so auch Kempen in ders./Zachert [Hrsg.] TVG Einl. I Rn.  103; Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 145; abl. auch Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 540 f. ). Ein solches funktionelles Erfordernis kann aus den bereits genannten Gründen (unter [a] [bb] ) dem Koalitionsgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG nicht entnommen werden. Eine mögliche Kartellwirkung ergibt sich lediglich über § 4 Abs. 1 TVG auf der Ebene der an den einzelnen Tarifvertrag Gebundenen und auch hier nur hinsichtlich der Geltung von Mindestarbeitsbedingungen(§ 4 Abs. 3 TVG).

72

(3) Die angeführten Zweckmäßigkeits- oder Praktikabilitätserwägungen stellen keine mit der Koalitionsfreiheit kollidierenden Rechtsgüter des Arbeitgebers von gleichermaßen verfassungsrechtlichem Rang(zu diesem Erfordernis BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394) dar, die nach den genannten Maßstäben einen Eingriff in die individuelle und die kollektive Koalitionsfreiheit rechtfertigen können (s. nur Reichold RdA 2007, 321, 324 f.; Engels RdA 2008, 331, 335; Jacobs NZA 2008, 325, 329). Ein Ordnungsziel der betriebseinheitlichen Tarifgeltung wäre allein auf den einzelnen Betrieb bezogen und betriebswirtschaftlich ausgerichtet ( Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 439 ) . Ebenso wenig können etwaige „Effizienzgewinne tarifvertraglich installierter allgemeiner Arbeitsbedingungen“ (Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 12) eine Einschränkung des Koalitionsgrundrechts begründen; allein ordnungspolitische Vorstellungen, die nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen (oben unter [3]), können eine solche nicht rechtfertigen (in diese Richtung aber Buchner BB 2003, 2121, 2127; ebenso Hromadka NZA 2008, 384, 392: „Tarifeinheit … ist geeignet, eine sinnvolle Ordnung im Betrieb herzustellen“).

73

(4) Es sind auch derzeit keine Anzeichen dafür erkennbar, dass ein solcher Eingriff in die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften und ihrer Mitglieder zur Wahrung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie(zu diesem Kriterium als mögliche Rechtfertigung eines Eingriffs BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 2 c der Gründe, BVerfGE 92, 365) erforderlich wäre. Soweit angeführt wird, im Falle einer Tarifpluralität könne das Tarifvertragssystem seine Aufgabe nicht mehr wahrnehmen (Hromadka Gedächtnisschrift Heinze S. 383, 394, unter Hinweis auf die Gefahr „ständiger Tarifverhandlungen und Streiks“, dazu oben unter dd [2] [a] [cc]; Buchner BB 2003, 2121, 2128; Feudner BB 2007, 2459, 2462; Scholz FS Buchner 2009 S. 827, 828 f.; s. auch Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 11: „Gemeinwohlinteresse an einem funktionierenden Tarifsystem zur sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens“), ohne die Funktionsunfähigkeit der Tarifautonomie näher zu begründen, wird übersehen, dass Tarifeinheit keine Funktionsbedingung der Tarifautonomie ist (ErfK/Dieterich 10. Aufl. Art. 9 GG Rn. 68a; Reichold RdA 2007, 321, 324; s. auch Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 740 ). Eine Bedrohung des Bestandes der Tarifverträge der Mehrheitsgewerkschaften, die Scholz anlässlich des Tarifkonflikts bei der Deutschen Bahn ausmachen und daraus einen „verfassungsunmittelbaren Konflikt“ auf der Ebene der Koalitionsrechtsgarantie folgern will (FS Buchner 2009 S. 827, 829), ist rechtstatsächlich nicht erkennbar. Auch sind keine schwer überwindbaren Schwierigkeiten für die Gestaltung des Tarifrechts in Richtung auf Tarifklarheit und Rechtssicherheit erkennbar oder absehbar (dazu BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b bb der Gründe, BVerfGE 4, 96), die die Verdrängung eines Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit begründen könnten.

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(5) Für eine Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Gemeinwohlbelange(dazu BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C II 2 a der Gründe, BVerfGE 92, 365) durch eine Pluralität tariflicher Regelungen im Betrieb gibt es derzeit keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte.

75

ee) Schließlich ist die in den Entscheidungen zum Grundsatz der Tarifeinheit herangezogene Parallele zu § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG nicht geeignet, den Eingriff in die Koalitionsfreiheit derjenigen Arbeitnehmer (mit) zu begründen, die der Gewerkschaft angehören, die den verdrängten Tarifvertrag geschlossen hat. § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG bezweckt den Schutz der Tarifautonomie und setzt dabei das Rangverhältnis zwischen Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung voraus. Demgegenüber hindert der Grundsatz der Tarifeinheit die Koalitionsbetätigung im Betrieb, indem er zumindest einen Tarifvertrag verdrängt und betrifft zudem ranggleiche Regelungen. Die Vorschrift kann nicht dazu herangezogen werden, Tarifgebundene von den sie schützenden Tarifnormen auszuschließen(zB Kraft RdA 1993, 161, 168; Hanau RdA 1998, 65, 69; Merten BB 1993, 572, 575). Bei den tariflichen Regelungen iSd. § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG handelt es sich zudem häufig um Betriebs- oder Betriebsverfassungsnormen im Sinne von § 3 Abs. 2 TVG. Bei diesen ist die gleichzeitige Geltung verschiedener tarifvertraglicher Normen, die für dasselbe Arbeitsverhältnis denselben Regelungsgegenstand betreffen (Tarifkonkurrenz), ausgeschlossen. Arbeitnehmern, die an den bei der hier notwendigen Kollisionsauflösung verdrängten Tarifvertrag gebunden sind, bleibt aufgrund der hierfür allein erforderlichen Tarifgebundenheit des Arbeitgebers zumindest der Schutz des verdrängenden Tarifvertrages, auch wenn sie nicht Mitglied der hieran beteiligten Gewerkschaft sind.

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5.Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die nach alledem auch weiterhin zu Grunde zu legende Geltung des BAT kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit nicht aufgrund der individualvertraglichen Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien ausgeschlossen. Selbst wenn diese sich - wie die Revision meint - nach Inkrafttreten des TVöD auf diesen erstrecken sollte, bestünde bei dem Kläger keine Tarifkonkurrenz, die zur Verdrängung des BAT führen würde. Die individualvertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages führt nicht zu dessen tarifrechtlicher Geltung mit der Folge, dass seine Bestimmungen infolge einer Tarifkonkurrenz nach dem Spezialitätsprinzip verdrängt werden könnten. Es handelt sich vielmehr um eine einzelvertragliche Regelung von Arbeitsbedingungen. Deshalb kann es auch nicht zu einer Konkurrenz kommen, weil nicht zwei Tarifverträge gleichzeitig für das Arbeitsverhältnis des Klägers Geltung beanspruchen (BAG 29.  August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 20, BAGE 124, 34, unter Aufgabe von BAG 23. März 2005 - 4 AZR 203/04 - BAGE 114, 186). Ist der Arbeitnehmer an einen Tarifvertrag gebunden, gilt im Verhältnis zu den vertraglichen Regelungen, auch wenn sie tarifvertragliche Bestimmungen zum Gegenstand des Arbeitsvertrages machen, das tarifrechtliche Günstigkeitsprinzip gemäß § 4 Abs. 3 TVG(s. auch BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 34, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 39), im anderen Fall bleibt es bei der unmittelbaren und zwingenden Wirkung kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit.

77

Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 23. März 2005(- 4 AZR 203/04 - BAGE 114, 186) geltend gemacht hat, das Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG sei vorliegend nicht anwendbar und sie habe bei Verwendung der Bezugnahmeklausel auf diese Rechtsprechung vertraut, ist dies in mehrfacher Hinsicht ohne Bedeutung. Es ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit die Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrages am 12. März 2004 auf diese erst später ergangene Entscheidung vertraut haben will. Der Senat hat in der genannten Entscheidung eine Verdrängung des Günstigkeitsprinzips zudem nur für den Fall angenommen, dass beide konkurrierenden Tarifverträge - Verbandstarifvertrag zum einen und Firmentarifvertrag zum anderen - auch vertraglich in Bezug genommen waren und von derselben Gewerkschaft geschlossen wurden (23. März 20054 AZR 203/04 - zu I 1 b cc [2] der Gründe, aaO). Beide Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Abgesehen davon reicht eine einzelne höchstgerichtliche Entscheidung nicht aus, die Gewährung von Vertrauensschutz zu begründen (BAG 29. August 2007 - 4 AZR 765/06 - Rn. 32, SAE 2008, 365).

78

III. Der Kläger hat durch die E-Mail vom 31. Januar 2006 die tarifvertragliche Ausschlussfrist nach § 70 Satz 1 BAT gewahrt. Diese genügte dem Schriftformerfordernis iSd. § 70 BAT.

79

1. Das zwischen den Parteien unstreitige Vorbringen des Klägers zur Geltendmachung seines Anspruchs konnte vom Senat berücksichtigt werden.

80

a) Zwar unterliegt nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Dazu gehört auch das Parteivorbringen in Schriftsätzen und Anlagen, auf die im Berufungsurteil Bezug genommen wird. Neues tatsächliches Vorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen. Es kann aber ausnahmsweise berücksichtigt werden, wenn das Revisionsgericht erstmals gemäß § 139 Abs. 2 ZPO auf eine bisher nicht beachtete, entscheidungserhebliche Rechtslage hingewiesen hat. Die Parteien können dann an der Rechtslage ausgerichtete Tatsachen vortragen, die auch eine Sachentscheidung rechtfertigen können(BAG 9. Oktober 1973 - 1 ABR 6/73 - zu III 2 der Gründe, BAGE 25, 325; GK-ArbGG/Mikosch Stand November 2009 § 73 Rn. 81; ebenso Müller-Glöge in Germelmann ua. ArbGG 7. Aufl. § 74 Rn. 121, für den Fall eines unstreitigen Vorbringens).

81

b) Danach konnte der Kläger ergänzend zur rechtzeitigen Geltendmachung vortragen. Die Vorinstanzen haben weder den Umstand berücksichtigt, dass der Kläger zur Wahrung der Ausschlussfrist nichts vorgetragen hatte, noch ihm einen dahingehenden rechtlichen Hinweis erteilt und der Klage gleichwohl stattgegeben. Insoweit war - wie durch den Senat geschehen - den Parteien nach § 139 Abs. 2 ZPO Gelegenheit zu geben, ergänzend vorzutragen. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Empfang der beiden E-Mails des Klägers bestätigt.

82

2. Der Kläger hat seinen Anspruch auf Urlaubsaufschlag durch seine E-Mail vom 31. Januar 2006 und damit nach Fälligkeit des Anspruchs(dazu BAG 24. Oktober 1990 - 6 AZR 37/89 - zu B V 2 der Gründe, BAGE 66, 154) geltend gemacht.

83

a) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Dies braucht zwar nicht wörtlich, muss jedoch hinreichend klar geschehen. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung bestehen wird(BAG 5. April 1995 - 5 AZR 961/93 - zu 2 b der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 130 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 111). Die Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und dessen Höhe, dh. der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Klarheit ersichtlich gemacht wird. Der Sinn und Zweck der Regelung besteht darin, dem Schuldner den behaupteten Anspruch so zu kennzeichnen, dass er sich über Inhalt und Umfang klar werden kann und dem Gläubiger die Erhebung einer formellen Klage zunächst erspart wird. Deshalb müssen für den Arbeitgeber die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, erkennbar sein. Eine rechtliche Begründung ist nicht erforderlich (BAG 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - zu II 3 b der Gründe mwN, AP BAT-O § 70 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 136).

84

b) Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, ob der Kläger bereits mit seiner E-Mail vom 1. Januar 2006 einen Anspruch auf Urlaubsaufschlag entsprechend den genannten Anforderungen geltend gemacht hat. Jedenfalls mit der E-Mail vom 31. Januar 2006 hat er gegenüber der Beklagten mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen gegeben, dass er nicht nur eine bloße Überprüfung der Urlaubsabrechnung erbittet, sondern auch die Zahlung der noch ausstehenden Urlaubsvergütung von ihr erwartet.

85

aa) Mit einer E-Mail vom 1. Januar 2006 wandte sich der Kläger an die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten. Darin heißt es ua.:

        

„Zu meiner aktuellen Abrechnung bleiben … auf jeden Fall noch zwei Fragen zur Seite 7, die den Monat Oktober 2005 betrifft:

        

1.   

Wann ist mit der Auszahlung der entsprechenden Urlaubsvergütung für die 11 Urlaubstage im Zeitraum vom 15.-31.10. zu rechnen? (kann ich hier dann gleich auf die 3 Urlaubstage vom 01.11. bis 06.11. hinweisen?)

        

…       

        

Mit freundlichen Grüßen

        

H G

        

**********************************************

        

Dr. med H G

        

Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie

        

und operative Intensivmedizin

        

Universitätsklinikum M

        

… “

86

Die Beklagte teilte dem Kläger am 4. Januar 2006 gleichfalls durch E-Mail mit, dass seine Fragen zum Urlaubsaufschlag an den Leiter des Entgeltbereichs weitergeleitet würden. Der Kläger fragte am 31. Januar 2006 unter Verwendung der Antwortfunktion des E-Mail-Programms bei der Beklagten nach:

        

„… möchte ich kurz … nachfragen,

        

a) wann ich mit einer Rückmeldung bezüglich der im Vormonat nicht überwiesenen Urlaubsvergütung (kein Urlaubsgeld) für die 11 Urlaubstage im Zeitraum 15.-31.10.2005 … und der Überweisung des entsprechenden Betrages rechnen kann?

        

…       

        

Mit freundlichen Grüßen

        

H G

        

**********************************

        

Dr. med. H G

        

…“   

87

bb) Das ist für eine Geltendmachung zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfristen ausreichend. Grund und Höhe des Anspruchs sind dabei mit der Benennung des maßgebenden Zeitraums und der geforderten Urlaubsvergütung hinreichend deutlich bezeichnet. Die fehlende Verwendung des tariflichen Begriffs „Urlaubsaufschlag“ ist unschädlich. Der Beklagten wurde diejenige Kenntnis vermittelt, die erforderlich ist, um sich mit der Berechtigung eines bestimmten Anspruchs auseinandersetzen zu können. Da der Kläger sich auf seine im Vormonat Dezember 2005 nicht ausgezahlte Urlaubsvergütung für den Urlaub im Monat Oktober 2005 bezieht, ist erkennbar, dass sich sein Verlangen auf den im Monat Dezember fällig gewordenen Teil der Urlaubsvergütung, den nicht zur Auszahlung gelangten Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 BAT bezieht. In diesem Sinne hat die Beklagte bereits die ähnlich lautende E-Mail des Klägers vom 1. Januar 2006 verstanden. Das zeigt ihre Antwort vom 4. Januar 2006, in der sie selbst den Urlaubsaufschlag nennt.

88

3. Die tarifliche Ausschlussfrist hat der Kläger nicht deshalb versäumt, weil er seinen entstandenen Anspruch(dazu BAG 22. Januar 2009 - 6 AZR 5/08 - Rn. 13 ff., AP BAT § 70 Nr. 39)lediglich durch eine E-Mail geltend gemacht hat. Zur Wahrung der Ausschlussfrist und des Schriftlichkeitsgebots nach § 70 Satz 1 BAT bedarf es nicht der Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB. Es genügt die Einhaltung der Textform des § 126b BGB. Deren Anforderungen wird die E-Mail vom 31. Januar 2006 gerecht.

89

a) Die E-Mail vom 31. Januar 2006 erfüllt nicht die Voraussetzungen, die § 126 Abs. 1 BGB an die Form einer Urkunde stellt, wenn durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben ist. Es bedarf dann der eigenhändigen Unterzeichnung der Urkunde durch Namensunterschrift von Seiten des Ausstellers. Daran fehlt es hier.

90

b) Der Formwirksamkeit der E-Mail nach § 70 Satz 1 BAT steht dieser Umstand allerdings nicht entgegen. Für sie genügt die Einhaltung der Textform des § 126b BGB(ebenso LAG Düsseldorf 25. Juli 2007 - 12 Sa 944/07 -; Hessisches LAG 6. August 2009 - 14 Sa 563/09 - zu 1 der Gründe; ArbG Krefeld 31. Oktober 2005 - 5 Ca 2199/05 - m. abl. Anm. Peetz/Rose DB 2006, 2346; Gotthardt/Beck NZA 2002, 876, 883; Röger NJW 2004, 1764, 1767; wohl auch ErfK/Preis § 218 BGB Rn. 62; aA Schmitt SAE 2001, 306 f.; wie hier für die Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG: BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 29 ff., AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12).

91

aa) Die §§ 126 ff. BGB gelten unmittelbar nur für Rechtsgeschäfte. Die Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist ist kein Rechtsgeschäft, sondern rechtsgeschäftsähnliche Handlung. Auf eine solche sind die §§ 126 ff. BGB allenfalls analog anwendbar. Das setzt jeweils die gleiche Interessenlage wie bei Rechtsgeschäften voraus. Diese ist bei der schriftlichen Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT nur im Hinblick auf § 126b BGB gegeben.

92

(1) Die Geltendmachung im Sinne einer tariflichen Ausschlussfrist ist keine Willenserklärung, sondern rechtsgeschäftsähnliche Handlung(BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 313/99 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 96, 28; 20. Februar 2001 - 9 AZR 46/00 - zu II 2 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Gaststätten Nr. 11 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 139; 6. September 2001 - 8 AZR 59/01 - zu 5 b aa der Gründe, EzBAT §§ 22, 23 BAT M Nr. 91; 17. September 2003 - 4 AZR 540/02 - zu III 1 der Gründe, BAGE 107, 304).

93

(2) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das in § 126 BGB vorgesehene Formerfordernis trotz des offenen Wortlauts der Vorschrift auf Rechtsgeschäfte beschränkt. Auf rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen ist die Bestimmung nicht unmittelbar anzuwenden(BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 32, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12; 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 27, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11; 17. September 2003 - 4 AZR 540/02 - zu III 3 der Gründe, BAGE 107, 304; 11. Juni 2002 - 1 ABR 43/01 - zu B IV 1 b aa der Gründe mwN, BAGE 101, 298; 11. Oktober 2000 - 5 AZR 313/99 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 96, 28; Soergel/Hefermehl BGB Bd. 2 13. Aufl. § 126 Rn. 2; Gragert/Wehe NZA 2001, 311, 312; Köhler AcP 182 (1982) 126, 151; Anschütz/Kohte JR 2001, 263, 264; aA Gotthardt/Beck NZA 2002, 876, 883; Röger NJW 2004, 1764, 1765; die jedoch alle eine Auslegung der die Schriftform anordnenden Regelung für zulässig erachten). Daran hat die Ergänzung des § 126 BGB um § 126a und § 126b BGB durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl. I S. 1542) nichts geändert (aA Röger NJW 2004, 1764, 1765). Auch die neu eingefügten §§ 126a, 126b BGB sind vielmehr wegen des fortbestehenden Sachzusammenhangs mit den Bestimmungen über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte unmittelbar nur auf Willenserklärungen anwendbar. Für rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen gelten sie allenfalls entsprechend (BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 33, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12; 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 27 ff., AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11; vgl. dagegen BGH 14. März 2006 - VI ZR 335/04 - zu II 1 a aa der Gründe, NJW 2006, 2482: „Vorschriften über das Wirksamwerden von Willenserklärungen gelten im Fall von § 12 Abs. 3 VVG entsprechend“).

94

(3) Eine entsprechende Anwendung von § 126 BGB(zu den Voraussetzungen BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 36, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11)auf die Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist des § 70 BAT ist nicht geboten. Normzweck und Interessenlage verlangen nicht nach einer eigenhändigen Unterzeichnung der schriftlichen Erklärung durch Namensunterschrift des Beschäftigten. Ausschlussfristen dienen dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit im Vertragsverhältnis. Der Schuldner soll binnen einer angemessenen Frist darauf hingewiesen werden müssen, ob und welche Ansprüche gegen ihn noch geltend gemacht werden (BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 313/99 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 96, 28). Sinn und Zweck einer Ausschlussfrist erfordern es deshalb nicht, dass bei Anordnung einer schriftlichen Geltendmachung das Schreiben die eigenhändige Namensunterschrift trägt. Entscheidend ist vielmehr, dass dem Geltendmachungsschreiben die Erhebung bestimmter, als noch offen bezeichneter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch Lesen einer textlichen Nachricht entnommen werden kann.

95

Diesem Informations- und Klarstellungszweck genügt eine dem Arbeitgeber zugegangene schriftliche Erklärung auch ohne eigenhändige Namensunterschrift des Beschäftigten. Die Gewährleistung der Identitäts- und die Vollständigkeitsfunktion ist zwar auch für eine Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT unverzichtbar. Sie verlangt aber nicht notwendig nach einer Originalunterschrift. Person und Identität des Erklärenden stehen schon dann fest, wenn dessen Name angegeben wird. Der Arbeitgeber kann dann erkennen, von wem die Erklärung abgegeben wurde. Vollständigkeit und inhaltlicher Abschluss der Erklärung lassen sich durch die Anbringung einer Grußformel, die maschinenschriftliche Namenswiedergabe oder Ähnliches unmissverständlich kenntlich machen(zu § 99 Abs. 3 BetrVG BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 40, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11). Damit wird die Identität dessen, der etwas verlangt, ausgewiesen und durch die Abschlusserklärung noch hinreichend legitimiert (nicht eindeutig BAG 17. September 2003 - 4 AZR 540/02 - zu III 4 der Gründe, BAGE 107, 304). Das ohne eine Originalunterschrift möglicherweise geringfügig höhere Fälschungsrisiko einer Geltendmachung durch eine E-Mail, welches zumindest den unberechtigten Zugriff auf die Zugangsberechtigung zur Nutzung des E-Mail-Kontos erfordern würde, kann angesichts der rechtlichen Unschädlichkeit einer falschen Mitteilung (s. auch BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 41, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11) und der geringen Wahrscheinlichkeit einer (böswilligen) Wahrnehmung fremder Rechte (Gotthardt/Beck NZA 2002, 876, 883) vernachlässigt werden.

96

(4) Nach der objektiven Sach- und Interessenlage bei der Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT ist die entsprechende Anwendung von § 126b BGB geboten und ausreichend. Nach dieser Bestimmung muss, wenn eine Textform vorgeschrieben ist, die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden. Auf diese Weise stellt § 126b BGB auch ohne das Erfordernis eigenhändiger Unterzeichnung sicher, dass die Identitäts- und Vollständigkeitsfunktionen einer schriftlichen Erklärung neben der ohnehin gegebenen Dokumentationsfunktion gewahrt sind(BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 45, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11).

97

bb) Die E-Mail vom 31. Januar 2006 genügt den Erfordernissen des § 126b BGB. Sie ist zwar keine „Urkunde“. Die in ihr enthaltene Erklärung ist aber auf eine andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben worden. Der Inhalt einer elektronischen Datei mit Schriftzeichen kann vom Empfänger entweder gespeichert und damit bei Bedarf jederzeit aufgerufen oder zumindest ausgedruckt und auf diese Weise dauerhaft wiedergegeben werden. Die E-Mail des Klägers enthält seinen Namen und seine Anschrift. Der Abschluss der Erklärung ist durch eine Grußformel und die Wiederholung des Namens eindeutig kenntlich gemacht.

98

IV. Der Senat ist nicht an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil er nicht von der Rechtsprechung eines anderen Senats abweicht. Der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 4 ArbGG bedarf es nicht.

99

1. Der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat auf den Anfragebeschluss des Senats von 27. Januar 2010(- 4 AZR 549/08 (A) -) mit Beschluss vom 23. Juni 2010 entschieden, dass er sich der Auffassung des Senats anschließt, wonach „die Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen eines Betriebes unmittelbar gelten und diese durch das Tarifvertragsgesetz vorgesehene Geltung nicht dadurch verdrängt wird, dass für den Betrieb kraft Tarifbindung des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG mehr als ein Tarifvertrag gilt, für Arbeitsverhältnisse derselben Art im Falle einer Tarifbindung eines oder mehrerer Arbeitnehmer allerdings jeweils nur ein Tarifvertrag („Tarifpluralität“)“. Es bestehe „kein hinreichender Grund, die damit im Gesetz angelegte Möglichkeit auszuschließen, dass für verschiedene Arbeitnehmer im Betrieb unterschiedliche Tarifverträge gelten“ (BAG 23. Juni 2010 - 10 AS 3/10 -).

100

2. Eine Anfrage an den Ersten Senat ist nicht erforderlich.

101

a) Die Entscheidung des Ersten Senats vom 29. März 1957 behandelt einen Fall der Tarifkonkurrenz. Der Senat führt zwar aus, der Grundsatz der Tarifeinheit besage auch, dass in jedem Betrieb grundsätzlich für alle in diesem Betrieb begründeten Arbeitsverhältnisse nur ein Tarifvertrag anzuwenden ist(- 1 AZR 208/55 - BAGE 4, 37, 38). Diese Ausführungen waren allerdings nicht entscheidungserheblich im Hinblick auf die Auflösung einer eventuellen Tarifpluralität. In einer weiteren Entscheidung war eine Tarifpluralität nicht aufzulösen (19. Dezember 1958 - 1 AZR 55/58 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6), so dass es an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage fehlt. Das gilt auch für die Entscheidungen des Ersten Senats vom 22. März 1994 (- 1 ABR 47/93 - zu B III 1 a der Gründe, EzA TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 10),vom 14. Dezember 2004 (- 1 ABR 51/03 - zu III 2 h der Gründe, BAGE 113, 82) und vom 28. März 2006 (- 1 ABR 58/04 - zu B III 3 b bb [1] [a] der Gründe, BAGE 117, 308).

102

b) Zudem ist hinsichtlich der Entscheidung vom 29. März 1957(- 1 AZR 208/55 - BAGE 4, 37, 38) der Vierte Senat aufgrund einer Änderung in der Geschäftsverteilung mittlerweile anstelle des damals zuständigen Ersten Senats für die vorliegende Rechtsfrage allein zuständig. Nach I Nr. 1 des damals maßgebenden Geschäftsverteilungsplans waren dem Ersten Senat die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG zugewiesen, bei denen es sich um das Rechtsgebiet des „Allgemeinen Tarifrechts“ handelt. Für das Tarifvertragsrecht ist nach Nr. 4.1 des maßgebenden Geschäftsverteilungsplans der Vierte Senat ausschließlich zuständig. Eine Anfrage beim Ersten Senat, ob er an seiner Rechtsauffassung festhält, wäre auch deshalb entbehrlich, § 45 Abs. 3 Satz 2 ArbGG(vgl. dazu auch BAG 20. August 2002 - 9 AZR 750/00 - zu I 4 c cc der Gründe, BAGE 102, 260; 7. November 2000 - 1 ABR 55/99 - zu B IV 2 der Gründe, BAGE 96, 200).

103

3. Der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 4 ArbGG bedarf es nicht.

104

a) § 45 Abs. 4 ArbGG setzt voraus, dass eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Vorlage erforderlich machen.

105

Eine grundsätzliche Bedeutung kann nicht schon dann angenommen werden, dass sich die hier zu entscheidende Rechtsfrage auf eine Vielzahl von Fällen auswirkt. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht bisher für den hinsichtlich der Zulassung der Revision maßgeblichen Begriff der grundsätzlichen Bedeutung in § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG angenommen, diese könne sich auch aus der Anzahl der von einer Rechtsfrage betroffenen Rechtsverhältnisse ergeben(vgl. etwa BAG 26. September 2000 - 3 AZN 181/00 - zu II 2 der Gründe mwN, BAGE 95, 372). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf die Voraussetzungen für eine Vorlage nach § 45 Abs. 4 ArbGG übertragen werden. Während § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Frage regelt, wann eine vereinheitlichende Entscheidung durch das Revisionsgericht herbeizuführen ist, dient die Vorlage an den Großen Senat dazu, in den besonderen Fällen, in denen eine Entscheidung durch die einzelnen Senate der Bedeutung der Rechtsfrage nicht gerecht wird, eine Klärung herbeizuführen(BAG 28. Juli 2009 - 3 AZR 250/07 - Rn. 24; s. auch Prütting in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 45 Rn. 29 mwN auch zur Gegenauffassung).

106

b) Die vorliegende Rechtsfrage berührt - neben der Zuständigkeit des Zehnten Senats, an den die Divergenzanfrage gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG gestellt wurde - allein die Zuständigkeit des für das Tarifrecht zuständigen Fachsenats, dem als Spruchkörper eines obersten Bundesgerichts in erster Linie die Aufgabe der Sicherung der Rechtseinheit und der Rechtsfortbildung übertragen ist. Es handelt sich nicht um eine Rechtsfrage, die sich für die Rechtsprechung anderer Senate des Bundesarbeitsgerichts in gleicher Weise stellt oder stellen wird(zu diesem Kriterium GK-ArbGG/Dörner Stand April 2009 § 45 Rn. 54 mwN; Schwab/Weth/Liebscher ArbGG 2. Aufl. § 45 Rn. 34; zu § 132 Abs. 4 GVG MünchKommZPO/Zimmermann Bd. 3 § 132 GVG Rn. 23; vgl. auch Prütting/Gehrlein/Arenhövel ZPO 2. Aufl. § 132 GVG Rn. 12). Stellt die Rechtsfrage nach dem Fortbestand oder der Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit den rechtlichen Schwerpunkt eines Rechtsstreits dar, ist hierfür stets der Vierte Senat zuständig (Geschäftsverteilungsplan des Bundesarbeitsgerichts für das Geschäftsjahr 2010 A. 1; ebenso für die Vorjahre).

107

c) Ob § 45 Abs. 4 ArbGG wegen Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter(Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verfassungswidrig ist (dazu ausführlich GK-ArbGG/Dörner Stand April 2009 § 45 Rn. 36 ff. mwN), kann vorliegend dahinstehen.

108

V. Die Kosten der erfolglosen Revision hat die Beklagte nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Creutzfeldt    

        

    Treber    

        

        

        

    Hardebusch    

        

    Vorderwülbecke    

                 

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. April 2013 - 6 Sa 2000/12 - hinsichtlich der Ziff. 3. und Ziff. 4. aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

3. Die weitergehende Revision der Beklagten sowie die Revision des Klägers werden zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 2/3, die Beklagte 1/3 zu zahlen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit der Tarifverträge der D T AG auf ihr Arbeitsverhältnis, den Umfang der vom Kläger zu leistenden Wochenarbeitszeit sowie weitergehende Vergütungsansprüche.

2

Der Kläger, Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), und Betriebsratsmitglied, ist seit 1986 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen in Vollzeit beschäftigt. Im noch mit der D B abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 1. Februar 1991 heißt es ua.:

„Für das Arbeitsverhältnis gelten die für das in Art. 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet vereinbarten Bestimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten/Arbeiter der D B T (TV Ang. (Ost) bzw. TV Arb (Ost)) und der sonstigen für das genannte Gebiet vereinbarten Tarifverträge der D B T in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart.“

3

Zum 1. Januar 1995 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers im Zuge der Postreform und der Privatisierung der T auf die D T AG (im Folgenden: DT AG) übergeleitet. In der Folgezeit wurden auf das Arbeitsverhältnis die jeweiligen Tarifverträge der D B und später die der DT AG, insbesondere der Manteltarifvertrag (MTV DTAG), der Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DTAG) und die Entgelttarifverträge (ETV DTAG) angewandt. Danach betrug die tarifvertragliche wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte 34 Stunden. Auf der Grundlage der tarifvertraglichen Regelungen der DT AG belief sich das Entgelt des Klägers im Jahr 2007 auf 40.911,80 Euro brutto. Am 25. Juni 2007 ging sein Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte über.

4

Ebenfalls am 25. Juni 2007 schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di ua. einen Manteltarifvertrag (MTV DTTS), einen Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DTTS) und einen Entgelttarifvertrag (ETV DTTS 2007). Diese Haustarifverträge enthalten insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeiten sowie der Zusammensetzung und Höhe der Vergütung Abweichungen von den bei der DT AG geltenden Tarifverträgen. Der ETV DTTS wurde seither mehrfach geändert. Im Jahr 2011 belief sich das Jahreszielentgelt des Klägers bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden auf 43.753,00 Euro, das tatsächlich erzielte Jahresentgelt auf 43.658,98 Euro brutto. In den Jahren 2012 und 2013 betrug das Jahreszielentgelt des Klägers 44.760,00 Euro und 45.700,00 Euro.

5

Mit Schreiben vom 13. November 2011 forderte der Kläger die Beklagte unter Bezugnahme auf mehrere Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Juli 2011 auf, für sein Arbeitsverhältnis wieder die Tarifverträge der DT AG anzuwenden, soweit diese günstiger seien als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten. Insbesondere forderte er, ihn wieder mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 34 Stunden zu beschäftigen und die sich für die letzten sechs Monate ergebende Arbeitszeitdifferenz seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Mit Schreiben vom 12. Januar 2012 wies die Beklagte die Forderungen zurück.

6

Mit seiner Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, die Tarifverträge der DT AG seien - soweit sie günstiger seien - auf sein Arbeitsverhältnis weiter anzuwenden. Als Vollzeitbeschäftigter sei er im Hinblick auf den zwischen den beiden Manteltarifverträgen vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich lediglich mit der im MTV DT AG vorgesehenen regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 34 Stunden zu beschäftigen. Die Beklagte habe die von ihm in der Zeit vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 darüber hinaus geleisteten Stunden zu vergüten. Insoweit hat er zuletzt 3,5 Stunden wöchentlich bei einem Stundensatz von 23,06 Euro brutto zuzüglich eines Mehrarbeitszuschlags von 25 vH geltend gemacht.

7

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Belang - zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Bestimmungen der Tarifverträge der D T AG mit Tarifstand 24. Juni 2007 kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden, soweit sie günstiger sind als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten,

2. festzustellen, dass seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gem. § 11 Abs. 1 MTV der D T AG (Tarifstand 24. Juni 2007) 34 Stunden beträgt,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 16. Mai 2011 bis 31. Dezember 2011 einen weiteren Betrag in Höhe von 3.329,29 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2012 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne sich nicht auf die für das Arbeitsverhältnis der Parteien statisch fortwirkenden Tarifverträge der DT AG stützen. Durch die widerspruchslose Weiterarbeit über mehr als vier Jahre habe er die praktizierte Vertragsänderung in die Anwendbarkeit der Haustarifverträge akzeptiert. Er habe sein Recht verwirkt, sich auf die Anwendbarkeit der Tarifverträge der DT AG zu berufen. Diese Tarifverträge mit dem Stand des 24. Juni 2007 seien auch nicht günstiger als die zwischen den Parteien normativ geltenden Haustarifverträge der Beklagten.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag zu 1. und 2. (im Tenor unter 2. und 3.) vollständig sowie dem Antrag zu 3. (im Tenor unter 4.) iHv. 582,11 Euro brutto stattgegeben. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren in Höhe von 2.747,18 Euro brutto nebst Zinsen weiter. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision weiterhin die Klageabweisung in vollem Umfang.

Entscheidungsgründe

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Auf die Revision der Beklagten war das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben. Soweit das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 2. und des Zahlungsantrags iHv. 582,11 Euro brutto stattgegeben hat, war die Entscheidung aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Im Übrigen waren die Revision der Beklagten ebenso wie die Revision des Klägers, mit der er weitere Zahlungen für Mehrarbeit gefordert hat, zurückzuweisen.

11

A. Die Revision der Beklagten ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag zu 1. stattgegeben hat. Das Landesarbeitsgericht hat den zulässigen Feststellungsantrag zu Recht als begründet angesehen.

12

I. Der Klageantrag zu 1. ist zulässig.

13

1. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht der Zusatz „soweit sie günstiger sind als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten“ nicht entgegen. Der Kläger verfolgt mit seinem Feststellungsantrag das Ziel, eine rechtskräftige Grundlage für die Vornahme eines Günstigkeitsvergleichs zu erlangen. Damit handelt es sich bei dem Zusatz nicht um einen einschränkenden - möglicherweise nicht hinreichend bestimmten - Teil eines Feststellungsantrags, sondern lediglich um ein - als Antragsbestandteil rechtlich nicht erforderliches (vgl. BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 19) - Begründungselement.

14

2. Für den Antrag besteht auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

15

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Dieses besondere Feststellungsinteresse muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., etwa BAG 27. August 2014 - 4 AZR 518/12 - Rn. 15; 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 14, BAGE 124, 240). Dabei kann sich die Feststellungsklage auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (sog. Elementenfeststellungsklage). Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (st. Rspr., s. nur BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11 mwN, BAGE 128, 165).

16

b) Durch eine Entscheidung über die begehrte Feststellung wird jedenfalls die zwischen den Parteien streitige Frage abschließend geklärt, ob die tariflichen Regelungen der DT AG aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme überhaupt heranzuziehen sind. Dies rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses selbst dann, wenn es nachfolgend doch noch zu weiteren Rechtsstreitigkeiten darüber kommen sollte, ob sich einzelne Rechte und Pflichten aus den Tarifverträgen der DT AG als günstigere einzelvertragliche Regelung im Arbeitsverhältnis der Parteien durchsetzen oder ob sie durch die firmentarifvertragliche Regelung verdrängt werden(vgl. BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 991/12 - Rn. 12; 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 23 mwN).

17

II. Der Feststellungsantrag zu 1. ist begründet.

18

1. Die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag vom 1. Februar 1991 verweist - nach gebotener Auslegung - auf die Tarifverträge der DT AG (Tarifstand 24. Juni 2007).

19

a) Bei der vorliegenden vertraglichen Bezugnahmeklausel handelt es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats. Sie verweist auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge, an die die damalige Arbeitgeberin, die D B, gebunden war (ausf. zu einer nahezu gleich lautenden Regelung BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 17 ff., BAGE 138, 269).

20

b) Die Anwendbarkeit der Tarifverträge der DT AG ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Bezugnahmeregelung, sie folgt aber aus deren ergänzender Auslegung. Das hat der Senat in zahlreichen tatsächlich und rechtlich gleichgelagerten Fallgestaltungen bereits mehrfach entschieden und ausführlich begründet. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen ( BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 22 ff. mwN, BAGE 138, 269; weiterhin 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 39 f. mwN; 14. Dezember 2011 - 4 AZR 179/10 - Rn. 28 ff.; 16. November 2011 - 4 AZR 822/09 - Rn. 21 ff.).

21

c) Der Senat hat auch in zahlreichen vergleichbaren Fällen entschieden und ausführlich begründet (vgl. BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 36 ff. mwN, BAGE 138, 269; weiterhin 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 45 ff. mwN; 16. November 2011 - 4 AZR 822/09 - Rn. 21, 42 ff.; 14. Dezember 2011 - 4 AZR 179/10 - Rn. 38 ff.), dass die von der Beklagten geschlossenen Haustarifverträge von der Bezugnahmeklausel nicht erfasst werden. Sie ist keine sog. Tarifwechselklausel und kann auch nicht als eine solche verstanden werden.

22

2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger sein Recht, sich auf den Inhalt der vertraglichen Abrede zu berufen, nicht verwirkt hat (§ 242 BGB). Dabei kann offenbleiben (siehe bereits die Entscheidung des Senats 22. Februar 2012 - 4 AZR 580/10 - Rn. 43), ob gegen die Geltendmachung der vertraglichen Grundlage des Arbeitsverhältnisses bei einer einseitigen Änderung seiner praktischen Durchführung überhaupt der Einwand der Verwirkung erhoben werden kann oder ob in diesem Fall nicht allein die Grundsätze einer - möglicherweise konkludenten - Vertragsänderung anzuwenden sind. Das Landesarbeitsgericht ist jedenfalls zutreffend davon ausgegangen, sowohl das im Rahmen einer Verwirkung nach Treu und Glauben neben dem Zeitmoment erforderliche Umstandsmoment als auch das Zumutbarkeitsmoment (zu diesen Voraussetzungen etwa BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 43 mwN) seien in keinem Fall gegeben. Schon deshalb scheidet eine Verwirkung aus.

23

a) Der Kläger war nicht verpflichtet, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass er sich vorbehält, seine Rechte geltend zu machen. Auch aus der widerspruchslosen Durchführung des Arbeitsverhältnisses auf Basis der Haustarifverträge der Beklagten ergibt sich keine besonders vertrauensbegründende Verhaltensweise des Klägers (ausf. in einem ähnlichen gelagerten Sachverhalt BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 44 ff.). Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt auch nicht deshalb etwas anderes, weil er in seiner Eigenschaft als Mitglied des bei ihr bestehenden Betriebsrats die Höhergruppierung nach den Tarifverträgen der Beklagten akzeptiert hat. Auch insoweit fehlt es an einem „aktiven Verhalten“ des Klägers und damit an Anhaltspunkten, dass die Beklagte als Schuldnerin davon ausgehen konnte, er kenne als Gläubiger seine Rechte und mache sie gleichwohl über längere Zeit hinweg bewusst nicht geltend (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 47; 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 34 mwN).

24

b) Den Kläger trifft auch weder eine Pflicht, das Unterrichtungsschreiben zu überprüfen noch eine solche, den Arbeitgeber auf dessen möglicherweise fehlerhafte Rechtsauffassung hinzuweisen (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 580/10 - Rn. 50 f. mwN). Für die Annahme, ihm seien die fehlerhaften Angaben in den Unterrichtungsschreiben vor Veröffentlichung der Entscheidungen des Senats vom 6. Juli 2011 (- 4 AZR 706/09 - ua.) bekannt gewesen und er sei „in Kenntnis seiner Rechte treuwidrig gegenüber der Beklagten untätig geblieben“, fehlt es an Anhaltspunkten.

25

c) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es die Kenntnis des Klägers um die Problematik der Bezugnahmeklausel in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied nicht berücksichtigt habe, ist unzulässig. Es fehlt schon an einem Vortrag der Beklagten zur Kausalität zwischen Verfahrensmangel und Ergebnis des Berufungsurteils als Bestandteil einer zulässigen Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO (vgl. nur BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 16; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 12).

26

B. Soweit das Landesarbeitsgericht dem zulässigen (zu den Voraussetzungen oben A I 2 a) Feststellungsantrag zu 2. sowie dem Zahlungsbegehren teilweise stattgegeben hat, ist die Revision der Beklagten begründet. Demgegenüber ist die Revision des Klägers, soweit er weitere Vergütung für den Zeitraum vom 16. Mai bis zum 31. Dezember 2011 begehrt hat, unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Aus den auf sein Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträgen der DT AG ergibt sich weder, dass seine regelmäßige Wochenarbeitszeit als Vollzeitbeschäftigter 34 Stunden beträgt, noch kann er aus ihnen weitergehende Zahlungsansprüche für den genannten Zeitraum herleiten. Die Tarifverträge der DT AG sind insoweit nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG als die Haustarifverträge der Beklagten.

27

I. Eine Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen (vgl. nur BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 691/08 - Rn. 43). Hiernach treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertraglichen Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ergibt ein Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung (sog. Günstigkeitsvergleich).

28

1. Zu vergleichen sind dabei die durch Auslegung zu ermittelnden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen, die in einem inneren Zusammenhang stehen (sog. Sachgruppenvergleich, s. nur BAG 21. April 2010 - 4 AZR 768/08 - Rn. 39, BAGE 134, 130; 30. März 2004 - 1 AZR 85/03 - zu II 4 b bb der Gründe mwN; ErfK/Franzen 15. Aufl. TVG § 4 Rn. 38; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 532; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 470 ff.; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 38). Ein sog. Gesamtvergleich, dh. die Gegenüberstellung des vollständigen Arbeitsvertrags auf der einen und des gesamten Tarifvertrags auf der anderen Seite, kommt ebenso wenig in Betracht wie ein punktueller Vergleich von Einzelregelungen, auch wenn aufgrund einer umfassenden arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel der Sache nach zwei Tarifverträge miteinander zu vergleichen sind (vgl. BAG 12. Dezember 2012 - 4 AZR 328/11 - Rn. 46; 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 20, BAGE 124, 34; aA Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 543; ErfK/Franzen TVG § 4 Rn. 37; Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 3 Rn. 291). Die aufgrund einzelvertraglicher Verweisungsklausel auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvorschriften haben auch bei einer umfassenden Inbezugnahme lediglich individualvertraglichen Charakter. Der Durchführung eines Gesamtvergleichs steht bereits der Wortlaut des § 4 Abs. 3 TVG („Regelungen“) entgegen, der nicht auf eine Gesamtregelung oder einen Tarifvertrag abstellt(JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 37). Abweichende Abmachungen sind danach nur zulässig, „soweit“ sie ua. eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Es kommt deshalb nicht auf die Günstigkeit der Gesamtheit der abweichenden Regelungen, sondern vielmehr nur der einander entsprechenden Teile, dh. Sachgruppen, an. Im Übrigen wäre ein Gesamtvergleich mangels einheitlicher Vergleichsmaßstäbe praktisch kaum durchführbar (vgl. BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 60, BAGE 131, 176; Löwisch/Rieble § 4 TVG 3. Aufl. Rn. 531; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 37).

29

2. Für die Durchführung eines Günstigkeitsvergleichs sind die abstrakten Regelungen maßgebend, nicht das Ergebnis ihrer Anwendung im Einzelfall. Hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die betreffende Regelung günstiger ist oder nicht (sog. ambivalente Regelung), ist keine „Günstigkeit“ iSv. § 4 Abs. 3 TVG gegeben(BAG 17. April 2002 - 5 AZR 644/00 - zu II 4 b der Gründe; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; für den Vergleich einzelvertraglicher und gesetzlicher Kündigungsfristen zuletzt: BAG 29. Januar 2015 - 2 AZR 280/14 - Rn. 19; weiterhin Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 562; ErfK/Franzen 15. Aufl. TVG § 4 Rn. 40; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 690). Dies gilt unabhängig davon, ob die Parteien des Arbeitsvertrags die vertraglichen Regelungen vor oder nach Inkrafttreten des Tarifvertrags vereinbart haben (BAG 17. April 2013 - 4 AZR 592/11 - Rn. 14, BAGE 145, 37; 25. Juli 2001 - 10 AZR 391/00 - zu II 2 a bb (2) der Gründe).

30

3. Der Günstigkeitsvergleich ist anhand eines objektiven Beurteilungsmaßstabs vorzunehmen. Maßgebend ist die Einschätzung eines verständigen Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 405; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 553; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 689; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 44; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 451; für eine Kollision von Betriebsvereinbarung und einzelvertraglicher Abrede: BAG 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 244). Auf die subjektive Einschätzung des betroffenen Arbeitnehmers kommt es nicht an. Ist die einzelvertragliche Regelung bei objektiver Betrachtung gleich oder gleichwertig (sog. neutrale Regelung), ist sie nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG.

31

4. Die Günstigkeit einer einzelvertraglichen Regelung gegenüber einer normativ geltenden Tarifnorm muss bereits im Voraus - also unabhängig von den konkreten Bedingungen des jeweiligen Anwendungsfalls - feststehen (BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 42; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe). Der Günstigkeitsvergleich ist erstmals in dem Zeitpunkt durchzuführen, in dem die normativ geltende tarifvertragliche Regelung mit der abweichenden vertraglichen Regelung kollidiert (BAG 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 47; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 558). Dabei ist ein repräsentativer Zeitraum zugrunde zu legen. Bestimmt sich das Arbeitsentgelt nach einer einzelvertraglichen oder tarifvertraglichen Regelung etwa als Jahresentgelt und schwankt die monatliche Auszahlung, ist auf das Kalenderjahr abzustellen. Ändert sich mindestens eine der zu vergleichenden Regelungen - etwa der arbeitsvertraglich (dynamisch) in Bezug genommene oder der normativ geltende Tarifvertrag -, ist ein erneuter Günstigkeitsvergleich durchzuführen (Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 419; Thüsing/Braun/Forst Kap. 7 Rn. 47; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 48; aA Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 558). Dies kann - insbesondere bei Zusammentreffen eines statisch in Bezug genommenen Tarifwerks mit einem normativ geltenden Tarifvertrag - dazu führen, dass sich die einzelvertragliche Regelung zunächst als günstiger erweist, dies sich aber aufgrund von Anpassungen der kraft Tarifgebundenheit geltenden Regelungen ändert.

32

5. Ist nach diesen Maßstäben objektiv nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die vom normativ geltenden Tarifvertrag abweichende Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist - sei es, weil es sich um eine „ambivalente“, sei es, weil es sich um eine „neutrale“ Regelung handelt -, verbleibt es bei der zwingenden Geltung des Tarifvertrags (BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 43; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 39, 45; Thüsing/Braun/Forst Kap. 7 Rn. 46; Henssler/Moll/Bepler Teil 9, Rn. 178). Das folgt sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der systematischen Stellung von § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG als gesetzlichem Ausnahmetatbestand. Der Gesetzgeber hat eine Abweichung vom Grundsatz der zwingenden Wirkung geltender Tarifnormen (Regel) nur für den Fall vorgesehen, dass die betreffende Regelung „günstiger“ ist als die tarifliche Norm (Ausnahme). Ist die Günstigkeit der abweichenden Regelung nicht sicher feststellbar, greift § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG nicht ein (vgl. Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 420; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 478; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 690; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 562; JKOS/Jacobs § 7 Rn. 48 mwN). Nach dem in § 4 TVG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen gebührt den normativ geltenden Tarifverträgen Vorrang vor dem individuell vereinbarten Arbeitsvertrag. Dementsprechend trägt der Arbeitnehmer nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen sich die Günstigkeit der abweichenden Regelung ergibt.

33

II. In Anwendung dieser Grundsätze sind die aufgrund der vertraglichen Bezugnahmeklausel auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Tarifverträge der DT AG - jedenfalls für die streitgegenständlichen Zeiträume - hinsichtlich der in beiden Tarifwerken geregelten „Vollzeitarbeitsverhältnisse“ nicht günstiger als die normativ geltenden Tarifbedingungen der DTTS.

34

1. Das Landesarbeitsgericht hat im Ausgangspunkt zu Recht die Dauer der Arbeitszeit und das dem Kläger als Gegenleistung zustehende Entgelt zu einer Sachgruppe zusammengefasst.

35

a) Die Dauer der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung und das ihm dafür zustehende Arbeitsentgelt stehen als Teile der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten in einem engen, inneren sachlichen Zusammenhang (BAG 12. Dezember 2012 - 4 AZR 328/11 - Rn. 46; vgl. auch BAG 10. April 2014 - 2 AZR 812/12 -; 10. Februar 1999 - 2 AZR 422/98 - zu III 2 der Gründe, BAGE 91, 22). Die Günstigkeit einer kürzeren oder längeren Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitsverhältnisses lässt sich ebenso wenig isoliert beurteilen, wie das Arbeitsentgelt ohne Rücksicht auf die hierfür aufzuwendende Arbeitszeit.

36

Allein der Umstand, dass Arbeitszeit und Arbeitsentgelt zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände betreffen, führt nicht zu einer unterschiedlichen Sachgruppenzuordnung (so aber LAG Baden-Württemberg 14. Juni 1989 - 9 Sa 145/88 -). Es geht nicht darum, Arbeitszeit auf der einen und Arbeitsentgelt auf der anderen Seite miteinander zu vergleichen. Zu vergleichen sind vielmehr die - sachlich in untrennbarem Zusammenhang stehenden - Regelungen von Arbeitszeit und Arbeitsentgelt in dem einen in Anspruch genommenen Regelwerk mit denen in einem anderen kraft Tarifgebundenheit geltenden Regelwerk.

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aa) Eine längere Arbeitszeit ist nicht per se deshalb „ungünstiger“, weil mit ihr ein Verlust an Freizeit einhergeht (so aber Däubler Tarifvertragsrecht 3. Aufl. Rn. 218; ähnlich Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 428). Ist nämlich die verlängerte Arbeitszeit mit einer Erhöhung des Arbeitsentgelts verknüpft, führt die Arbeitszeitverlängerung gleichzeitig zu einer Steigerung der Verdienstmöglichkeit, die für einen Arbeitnehmer, der aus welchen Gründen auch immer an einem höheren Entgelt interessiert ist, insgesamt betrachtet günstiger sein mag. Ungünstiger kann sie hingegen für den Arbeitnehmer sein, dem es wichtiger ist, diese Zeit zur freien Verfügung zu haben. Umgekehrt kann eine - einzelvertragliche - Verlängerung der Arbeitszeit nicht mit der Begründung als günstiger angesehen werden, die Arbeit diene zur „Persönlichkeitsentfaltung“ (vgl. dazu Schweibert, Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit durch Tarifvertrag, S. 201). Das wird bereits daran deutlich, dass ein Arbeitnehmer regelmäßig nicht bereit sein wird, um der „Selbstverwirklichung“ willen unentgeltlich länger zu arbeiten (Kühnast, Die Grenzen zwischen tariflicher und privatautonomer Regelungsbefugnis, S. 287). Vielmehr hängt die Beurteilung, ob eine kürzere oder längere Arbeitszeit günstiger ist, immer auch davon ab, welche Gegenleistung der Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung erhält.

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bb) Aus dem Zusammenhang zwischen zu zahlendem Entgelt und der hierfür aufzuwendenden Arbeitszeit folgt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht, dass der Günstigkeitsvergleich ausschließlich auf der Grundlage eines zu ermittelnden Arbeitsentgelts pro Stunde durchzuführen wäre. Die Annahme, ein höheres Stundenentgelt sei stets als für den Arbeitnehmer günstiger anzusehen, trifft nicht zu. Die Arbeitszeit ist nicht lediglich ein unselbständiger Berechnungsfaktor des Arbeitsentgelts. Vielmehr ist beim Vergleich von „Vollzeitarbeitsverhältnissen“ auch die Anzahl der maßgebenden Stunden in die Betrachtung einzubeziehen, weil anderenfalls eine mit der geringeren Arbeitszeit einhergehende Entgeltabsenkung unberücksichtigt bliebe. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn man dem Arbeitnehmer gestattete, die höheren Arbeitszeiten des einen Regelwerks mit dem höheren Stundenentgelt des anderen Regelwerks zu kombinieren. Dies liefe aber auf einen Einzelvergleich hinaus. Ein solcher ist abzulehnen, weil er sachliche Regelungszusammenhänge auseinander risse (vgl. zB JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 36).

39

cc) Ferner verdeutlichen die Fälle, in denen in einem höheren Arbeitsentgelt eine pauschale Abgeltung von Überstunden enthalten ist, den sachlichen Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und Arbeitsentgelt. Selbst wenn eine solche (arbeitsvertragliche) Regelung nur dann klar und verständlich ist, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen (vgl. nur BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 16), lassen sich Arbeitszeit und Entgelt gleichwohl nicht voneinander trennen, weil unklar bleibt, ob die pauschal vergüteten Überstunden tatsächlich anfallen. Den Günstigkeitsvergleich in der Weise durchzuführen, dass der Arbeitnehmer nur die reguläre Arbeitszeit zu erbringen hätte, dafür aber das höhere Entgelt fordern könnte, würde hierbei zu unsachgerechten Ergebnissen führen.

40

b) Zur Sachgruppe „Arbeitszeit und Arbeitsentgelt“ gehört - wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zu Recht angenommen hat - regelmäßig neben der festgelegten Arbeitszeit das Arbeitsentgelt im engeren Sinne. Soweit sich dieses aus einem fixen und einem variablen Teil zusammensetzt, sind beide Bestandteile zu berücksichtigen. Nicht zur Sachgruppe „Arbeitszeit und Arbeitsentgelt“ gehört, entgegen der Auffassung der Beklagten, hingegen eine Beschäftigungsgarantie. Die Hauptleistungspflichten auf der einen und eine Beschäftigungsgarantie auf der anderen Seite sind unterschiedlich geartete Regelungsgegenstände, für deren Bewertung es keinen gemeinsamen Maßstab gibt. Eine Beschäftigungssicherung durch den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen ist daher nicht geeignet, Verschlechterungen bei der Arbeitszeit oder dem Arbeitsentgelt zu rechtfertigen (st. Rspr. BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 60, BAGE 131, 176; 24. September 2008 - 6 AZR 657/07 - Rn. 29, BAGE 128, 63; 6. November 2007 - 1 AZR 862/06 - Rn. 24, BAGE 124, 323; 7. November 2002 - 2 AZR 742/00 - zu B I 1 d bb (2) der Gründe, BAGE 103, 265).

41

2. Der im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung vorzunehmende Sachgruppenvergleich führt hiernach dazu, dass die für das Arbeitsverhältnis der Parteien einzelvertraglich weiterhin - statisch - anwendbaren Regelungen der Tarifverträge der DT AG betreffend die Arbeitszeit und das Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG sind.

42

a) Soweit der Kläger Zahlungsansprüche geltend macht, ist der Günstigkeitsvergleich nach Maßgabe der das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitraum vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 bestimmenden Regelungen vorzunehmen.

43

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger im Jahr 2007 bei einer Vollzeittätigkeit von 34 Stunden pro Woche ein Jahresentgelt von 40.911,80 Euro erhalten. Im Jahr 2011 betrug das Jahreszielentgelt des - weiterhin vollzeitbeschäftigten - Klägers auf der Grundlage der bei der Beklagten geltenden Haustarifverträge 43.753,00 Euro.

44

bb) Ob für die Durchführung des Günstigkeitsvergleichs bei einem variablen Entgelt auf das für einen vergleichbaren Arbeitnehmer erzielbare Entgelt oder auf das festgelegte oder durchschnittliche Jahreszielentgelt abzustellen ist, musste der Senat vorliegend in Anbetracht des im Jahre 2011 tatsächlich gezahlten Entgelts von 43.658,98 Euro nicht abschließend entscheiden. Das Jahreszielentgelt war objektiv und subjektiv - jedenfalls im Prinzip - erreichbar. Besondere Umstände, die - wenn überhaupt - zu einer anderen Bewertung führen könnten, hat der Kläger nicht dargetan.

45

cc) Damit lag das Entgelt des Klägers nach den bei der Beklagten geltenden Tarifverträgen im streitgegenständlichen Zeitraum in jedem Fall höher als dasjenige, das er nach den Tarifregelungen der DT AG (Stand 24. Juni 2007) erhalten hätte. Aufgrund des höheren Gesamtverdienstes im betreffenden Zeitraum bei einer erhöhten Arbeitszeit als vollbeschäftigter Arbeitnehmer lassen sich die arbeitsvertraglichen Regelungen im Vergleich zu den tarifvertraglichen Regelungen nicht als günstiger, sondern - lediglich - als ambivalent qualifizieren. Anhaltspunkte dafür, dass das höhere Jahreszielentgelt des Klägers auf anderen Faktoren als den tarifvertraglichen Entgeltbestimmungen beruht, sind nicht ersichtlich. Die statisch auf das Arbeitsverhältnis der Parteien weiterhin anwendbaren Tarifverträge der DT AG mit Stand vom 24. Juni 2007 vermögen deshalb die normativ geltenden tariflichen Regelungen nicht zu verdrängen. Da der Kläger danach auf der Grundlage der bei der Beklagten geltenden Tarifverträge ordnungsgemäß vergütet worden ist, kann er insoweit keine weitergehenden Zahlungsansprüche geltend machen.

46

dd) Die vom Kläger beanspruchten Mehrarbeitszuschläge iHv. 25 vH stehen ihm unabhängig von einem vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich bereits deshalb nicht zu, weil es sich bei den betreffenden Stunden nicht um Mehrarbeit im tariflichen Sinne handelt. Gem. § 13 Abs. 1 MTV DTAG ist Mehrarbeit die über die für den Arbeitnehmer betrieblich festgelegte wöchentliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit. Die betrieblich festgelegte Arbeitszeit betrug seit dem Betriebsübergang auf die Beklagte nicht mehr 34, sondern 38 Stunden in der Woche. Soweit die - nicht tragenden - Ausführungen im Urteil vom 21. November 2012 (- 4 AZR 231/10 -) ein anderes Ergebnis entnommen werden könnte, hält der Senat - klarstellend - daran nicht fest.

47

b) Hinsichtlich des mit dem Antrag zu 2. verfolgten Feststellungsbegehrens, dass die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers 34 Stunden wöchentlich beträgt, ist der Günstigkeitsvergleich getrennt nach Zeitabschnitten vorzunehmen.

48

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lag das Jahreszielentgelt des Klägers 2011 bei 43.753,00 Euro, 2012 bei 44.760,00 Euro und 2013 bei 45.700,00 Euro. In jedem Zeitraum lag das Entgelt damit über dem Jahresentgelt, welches der Kläger auf der Grundlage der nach der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel anwendbaren Tarifverträge der DT AG mit Stand 24. Juni 2007 erhalten hätte.

49

bb) Danach führt der Günstigkeitsvergleich nach den dargestellten Maßstäben auch bezüglich der weiteren Zeiträume dazu, dass die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifbestimmungen ambivalent und folglich nicht günstiger sind als die normativ geltenden. Anhaltspunkte dafür, dass das höhere Jahreszielentgelt auf anderen Faktoren als den tarifvertraglichen Entgeltbestimmungen beruht, hat der darlegungspflichtige Kläger auch insoweit nicht vorgetragen.

50

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Treber    

        

    Rinck    

        

        

        

    Hannig    

        

    Kriegelsteiner    

                 

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. April 2013 - 6 Sa 2000/12 - hinsichtlich der Ziff. 3. und Ziff. 4. aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

3. Die weitergehende Revision der Beklagten sowie die Revision des Klägers werden zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 2/3, die Beklagte 1/3 zu zahlen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit der Tarifverträge der D T AG auf ihr Arbeitsverhältnis, den Umfang der vom Kläger zu leistenden Wochenarbeitszeit sowie weitergehende Vergütungsansprüche.

2

Der Kläger, Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), und Betriebsratsmitglied, ist seit 1986 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen in Vollzeit beschäftigt. Im noch mit der D B abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 1. Februar 1991 heißt es ua.:

„Für das Arbeitsverhältnis gelten die für das in Art. 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet vereinbarten Bestimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten/Arbeiter der D B T (TV Ang. (Ost) bzw. TV Arb (Ost)) und der sonstigen für das genannte Gebiet vereinbarten Tarifverträge der D B T in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart.“

3

Zum 1. Januar 1995 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers im Zuge der Postreform und der Privatisierung der T auf die D T AG (im Folgenden: DT AG) übergeleitet. In der Folgezeit wurden auf das Arbeitsverhältnis die jeweiligen Tarifverträge der D B und später die der DT AG, insbesondere der Manteltarifvertrag (MTV DTAG), der Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DTAG) und die Entgelttarifverträge (ETV DTAG) angewandt. Danach betrug die tarifvertragliche wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte 34 Stunden. Auf der Grundlage der tarifvertraglichen Regelungen der DT AG belief sich das Entgelt des Klägers im Jahr 2007 auf 40.911,80 Euro brutto. Am 25. Juni 2007 ging sein Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte über.

4

Ebenfalls am 25. Juni 2007 schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di ua. einen Manteltarifvertrag (MTV DTTS), einen Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DTTS) und einen Entgelttarifvertrag (ETV DTTS 2007). Diese Haustarifverträge enthalten insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeiten sowie der Zusammensetzung und Höhe der Vergütung Abweichungen von den bei der DT AG geltenden Tarifverträgen. Der ETV DTTS wurde seither mehrfach geändert. Im Jahr 2011 belief sich das Jahreszielentgelt des Klägers bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden auf 43.753,00 Euro, das tatsächlich erzielte Jahresentgelt auf 43.658,98 Euro brutto. In den Jahren 2012 und 2013 betrug das Jahreszielentgelt des Klägers 44.760,00 Euro und 45.700,00 Euro.

5

Mit Schreiben vom 13. November 2011 forderte der Kläger die Beklagte unter Bezugnahme auf mehrere Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Juli 2011 auf, für sein Arbeitsverhältnis wieder die Tarifverträge der DT AG anzuwenden, soweit diese günstiger seien als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten. Insbesondere forderte er, ihn wieder mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 34 Stunden zu beschäftigen und die sich für die letzten sechs Monate ergebende Arbeitszeitdifferenz seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Mit Schreiben vom 12. Januar 2012 wies die Beklagte die Forderungen zurück.

6

Mit seiner Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, die Tarifverträge der DT AG seien - soweit sie günstiger seien - auf sein Arbeitsverhältnis weiter anzuwenden. Als Vollzeitbeschäftigter sei er im Hinblick auf den zwischen den beiden Manteltarifverträgen vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich lediglich mit der im MTV DT AG vorgesehenen regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 34 Stunden zu beschäftigen. Die Beklagte habe die von ihm in der Zeit vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 darüber hinaus geleisteten Stunden zu vergüten. Insoweit hat er zuletzt 3,5 Stunden wöchentlich bei einem Stundensatz von 23,06 Euro brutto zuzüglich eines Mehrarbeitszuschlags von 25 vH geltend gemacht.

7

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Belang - zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Bestimmungen der Tarifverträge der D T AG mit Tarifstand 24. Juni 2007 kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden, soweit sie günstiger sind als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten,

2. festzustellen, dass seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gem. § 11 Abs. 1 MTV der D T AG (Tarifstand 24. Juni 2007) 34 Stunden beträgt,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 16. Mai 2011 bis 31. Dezember 2011 einen weiteren Betrag in Höhe von 3.329,29 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2012 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne sich nicht auf die für das Arbeitsverhältnis der Parteien statisch fortwirkenden Tarifverträge der DT AG stützen. Durch die widerspruchslose Weiterarbeit über mehr als vier Jahre habe er die praktizierte Vertragsänderung in die Anwendbarkeit der Haustarifverträge akzeptiert. Er habe sein Recht verwirkt, sich auf die Anwendbarkeit der Tarifverträge der DT AG zu berufen. Diese Tarifverträge mit dem Stand des 24. Juni 2007 seien auch nicht günstiger als die zwischen den Parteien normativ geltenden Haustarifverträge der Beklagten.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag zu 1. und 2. (im Tenor unter 2. und 3.) vollständig sowie dem Antrag zu 3. (im Tenor unter 4.) iHv. 582,11 Euro brutto stattgegeben. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren in Höhe von 2.747,18 Euro brutto nebst Zinsen weiter. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision weiterhin die Klageabweisung in vollem Umfang.

Entscheidungsgründe

10

Auf die Revision der Beklagten war das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben. Soweit das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 2. und des Zahlungsantrags iHv. 582,11 Euro brutto stattgegeben hat, war die Entscheidung aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Im Übrigen waren die Revision der Beklagten ebenso wie die Revision des Klägers, mit der er weitere Zahlungen für Mehrarbeit gefordert hat, zurückzuweisen.

11

A. Die Revision der Beklagten ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag zu 1. stattgegeben hat. Das Landesarbeitsgericht hat den zulässigen Feststellungsantrag zu Recht als begründet angesehen.

12

I. Der Klageantrag zu 1. ist zulässig.

13

1. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht der Zusatz „soweit sie günstiger sind als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten“ nicht entgegen. Der Kläger verfolgt mit seinem Feststellungsantrag das Ziel, eine rechtskräftige Grundlage für die Vornahme eines Günstigkeitsvergleichs zu erlangen. Damit handelt es sich bei dem Zusatz nicht um einen einschränkenden - möglicherweise nicht hinreichend bestimmten - Teil eines Feststellungsantrags, sondern lediglich um ein - als Antragsbestandteil rechtlich nicht erforderliches (vgl. BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 19) - Begründungselement.

14

2. Für den Antrag besteht auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

15

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Dieses besondere Feststellungsinteresse muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., etwa BAG 27. August 2014 - 4 AZR 518/12 - Rn. 15; 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 14, BAGE 124, 240). Dabei kann sich die Feststellungsklage auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (sog. Elementenfeststellungsklage). Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (st. Rspr., s. nur BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11 mwN, BAGE 128, 165).

16

b) Durch eine Entscheidung über die begehrte Feststellung wird jedenfalls die zwischen den Parteien streitige Frage abschließend geklärt, ob die tariflichen Regelungen der DT AG aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme überhaupt heranzuziehen sind. Dies rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses selbst dann, wenn es nachfolgend doch noch zu weiteren Rechtsstreitigkeiten darüber kommen sollte, ob sich einzelne Rechte und Pflichten aus den Tarifverträgen der DT AG als günstigere einzelvertragliche Regelung im Arbeitsverhältnis der Parteien durchsetzen oder ob sie durch die firmentarifvertragliche Regelung verdrängt werden(vgl. BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 991/12 - Rn. 12; 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 23 mwN).

17

II. Der Feststellungsantrag zu 1. ist begründet.

18

1. Die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag vom 1. Februar 1991 verweist - nach gebotener Auslegung - auf die Tarifverträge der DT AG (Tarifstand 24. Juni 2007).

19

a) Bei der vorliegenden vertraglichen Bezugnahmeklausel handelt es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats. Sie verweist auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge, an die die damalige Arbeitgeberin, die D B, gebunden war (ausf. zu einer nahezu gleich lautenden Regelung BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 17 ff., BAGE 138, 269).

20

b) Die Anwendbarkeit der Tarifverträge der DT AG ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Bezugnahmeregelung, sie folgt aber aus deren ergänzender Auslegung. Das hat der Senat in zahlreichen tatsächlich und rechtlich gleichgelagerten Fallgestaltungen bereits mehrfach entschieden und ausführlich begründet. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen ( BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 22 ff. mwN, BAGE 138, 269; weiterhin 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 39 f. mwN; 14. Dezember 2011 - 4 AZR 179/10 - Rn. 28 ff.; 16. November 2011 - 4 AZR 822/09 - Rn. 21 ff.).

21

c) Der Senat hat auch in zahlreichen vergleichbaren Fällen entschieden und ausführlich begründet (vgl. BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 36 ff. mwN, BAGE 138, 269; weiterhin 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 45 ff. mwN; 16. November 2011 - 4 AZR 822/09 - Rn. 21, 42 ff.; 14. Dezember 2011 - 4 AZR 179/10 - Rn. 38 ff.), dass die von der Beklagten geschlossenen Haustarifverträge von der Bezugnahmeklausel nicht erfasst werden. Sie ist keine sog. Tarifwechselklausel und kann auch nicht als eine solche verstanden werden.

22

2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger sein Recht, sich auf den Inhalt der vertraglichen Abrede zu berufen, nicht verwirkt hat (§ 242 BGB). Dabei kann offenbleiben (siehe bereits die Entscheidung des Senats 22. Februar 2012 - 4 AZR 580/10 - Rn. 43), ob gegen die Geltendmachung der vertraglichen Grundlage des Arbeitsverhältnisses bei einer einseitigen Änderung seiner praktischen Durchführung überhaupt der Einwand der Verwirkung erhoben werden kann oder ob in diesem Fall nicht allein die Grundsätze einer - möglicherweise konkludenten - Vertragsänderung anzuwenden sind. Das Landesarbeitsgericht ist jedenfalls zutreffend davon ausgegangen, sowohl das im Rahmen einer Verwirkung nach Treu und Glauben neben dem Zeitmoment erforderliche Umstandsmoment als auch das Zumutbarkeitsmoment (zu diesen Voraussetzungen etwa BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 43 mwN) seien in keinem Fall gegeben. Schon deshalb scheidet eine Verwirkung aus.

23

a) Der Kläger war nicht verpflichtet, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass er sich vorbehält, seine Rechte geltend zu machen. Auch aus der widerspruchslosen Durchführung des Arbeitsverhältnisses auf Basis der Haustarifverträge der Beklagten ergibt sich keine besonders vertrauensbegründende Verhaltensweise des Klägers (ausf. in einem ähnlichen gelagerten Sachverhalt BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 44 ff.). Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt auch nicht deshalb etwas anderes, weil er in seiner Eigenschaft als Mitglied des bei ihr bestehenden Betriebsrats die Höhergruppierung nach den Tarifverträgen der Beklagten akzeptiert hat. Auch insoweit fehlt es an einem „aktiven Verhalten“ des Klägers und damit an Anhaltspunkten, dass die Beklagte als Schuldnerin davon ausgehen konnte, er kenne als Gläubiger seine Rechte und mache sie gleichwohl über längere Zeit hinweg bewusst nicht geltend (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 47; 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 34 mwN).

24

b) Den Kläger trifft auch weder eine Pflicht, das Unterrichtungsschreiben zu überprüfen noch eine solche, den Arbeitgeber auf dessen möglicherweise fehlerhafte Rechtsauffassung hinzuweisen (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 580/10 - Rn. 50 f. mwN). Für die Annahme, ihm seien die fehlerhaften Angaben in den Unterrichtungsschreiben vor Veröffentlichung der Entscheidungen des Senats vom 6. Juli 2011 (- 4 AZR 706/09 - ua.) bekannt gewesen und er sei „in Kenntnis seiner Rechte treuwidrig gegenüber der Beklagten untätig geblieben“, fehlt es an Anhaltspunkten.

25

c) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es die Kenntnis des Klägers um die Problematik der Bezugnahmeklausel in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied nicht berücksichtigt habe, ist unzulässig. Es fehlt schon an einem Vortrag der Beklagten zur Kausalität zwischen Verfahrensmangel und Ergebnis des Berufungsurteils als Bestandteil einer zulässigen Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO (vgl. nur BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 16; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 12).

26

B. Soweit das Landesarbeitsgericht dem zulässigen (zu den Voraussetzungen oben A I 2 a) Feststellungsantrag zu 2. sowie dem Zahlungsbegehren teilweise stattgegeben hat, ist die Revision der Beklagten begründet. Demgegenüber ist die Revision des Klägers, soweit er weitere Vergütung für den Zeitraum vom 16. Mai bis zum 31. Dezember 2011 begehrt hat, unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Aus den auf sein Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträgen der DT AG ergibt sich weder, dass seine regelmäßige Wochenarbeitszeit als Vollzeitbeschäftigter 34 Stunden beträgt, noch kann er aus ihnen weitergehende Zahlungsansprüche für den genannten Zeitraum herleiten. Die Tarifverträge der DT AG sind insoweit nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG als die Haustarifverträge der Beklagten.

27

I. Eine Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen (vgl. nur BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 691/08 - Rn. 43). Hiernach treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertraglichen Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ergibt ein Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung (sog. Günstigkeitsvergleich).

28

1. Zu vergleichen sind dabei die durch Auslegung zu ermittelnden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen, die in einem inneren Zusammenhang stehen (sog. Sachgruppenvergleich, s. nur BAG 21. April 2010 - 4 AZR 768/08 - Rn. 39, BAGE 134, 130; 30. März 2004 - 1 AZR 85/03 - zu II 4 b bb der Gründe mwN; ErfK/Franzen 15. Aufl. TVG § 4 Rn. 38; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 532; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 470 ff.; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 38). Ein sog. Gesamtvergleich, dh. die Gegenüberstellung des vollständigen Arbeitsvertrags auf der einen und des gesamten Tarifvertrags auf der anderen Seite, kommt ebenso wenig in Betracht wie ein punktueller Vergleich von Einzelregelungen, auch wenn aufgrund einer umfassenden arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel der Sache nach zwei Tarifverträge miteinander zu vergleichen sind (vgl. BAG 12. Dezember 2012 - 4 AZR 328/11 - Rn. 46; 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 20, BAGE 124, 34; aA Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 543; ErfK/Franzen TVG § 4 Rn. 37; Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 3 Rn. 291). Die aufgrund einzelvertraglicher Verweisungsklausel auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvorschriften haben auch bei einer umfassenden Inbezugnahme lediglich individualvertraglichen Charakter. Der Durchführung eines Gesamtvergleichs steht bereits der Wortlaut des § 4 Abs. 3 TVG („Regelungen“) entgegen, der nicht auf eine Gesamtregelung oder einen Tarifvertrag abstellt(JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 37). Abweichende Abmachungen sind danach nur zulässig, „soweit“ sie ua. eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Es kommt deshalb nicht auf die Günstigkeit der Gesamtheit der abweichenden Regelungen, sondern vielmehr nur der einander entsprechenden Teile, dh. Sachgruppen, an. Im Übrigen wäre ein Gesamtvergleich mangels einheitlicher Vergleichsmaßstäbe praktisch kaum durchführbar (vgl. BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 60, BAGE 131, 176; Löwisch/Rieble § 4 TVG 3. Aufl. Rn. 531; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 37).

29

2. Für die Durchführung eines Günstigkeitsvergleichs sind die abstrakten Regelungen maßgebend, nicht das Ergebnis ihrer Anwendung im Einzelfall. Hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die betreffende Regelung günstiger ist oder nicht (sog. ambivalente Regelung), ist keine „Günstigkeit“ iSv. § 4 Abs. 3 TVG gegeben(BAG 17. April 2002 - 5 AZR 644/00 - zu II 4 b der Gründe; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; für den Vergleich einzelvertraglicher und gesetzlicher Kündigungsfristen zuletzt: BAG 29. Januar 2015 - 2 AZR 280/14 - Rn. 19; weiterhin Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 562; ErfK/Franzen 15. Aufl. TVG § 4 Rn. 40; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 690). Dies gilt unabhängig davon, ob die Parteien des Arbeitsvertrags die vertraglichen Regelungen vor oder nach Inkrafttreten des Tarifvertrags vereinbart haben (BAG 17. April 2013 - 4 AZR 592/11 - Rn. 14, BAGE 145, 37; 25. Juli 2001 - 10 AZR 391/00 - zu II 2 a bb (2) der Gründe).

30

3. Der Günstigkeitsvergleich ist anhand eines objektiven Beurteilungsmaßstabs vorzunehmen. Maßgebend ist die Einschätzung eines verständigen Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 405; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 553; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 689; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 44; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 451; für eine Kollision von Betriebsvereinbarung und einzelvertraglicher Abrede: BAG 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 244). Auf die subjektive Einschätzung des betroffenen Arbeitnehmers kommt es nicht an. Ist die einzelvertragliche Regelung bei objektiver Betrachtung gleich oder gleichwertig (sog. neutrale Regelung), ist sie nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG.

31

4. Die Günstigkeit einer einzelvertraglichen Regelung gegenüber einer normativ geltenden Tarifnorm muss bereits im Voraus - also unabhängig von den konkreten Bedingungen des jeweiligen Anwendungsfalls - feststehen (BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 42; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe). Der Günstigkeitsvergleich ist erstmals in dem Zeitpunkt durchzuführen, in dem die normativ geltende tarifvertragliche Regelung mit der abweichenden vertraglichen Regelung kollidiert (BAG 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 47; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 558). Dabei ist ein repräsentativer Zeitraum zugrunde zu legen. Bestimmt sich das Arbeitsentgelt nach einer einzelvertraglichen oder tarifvertraglichen Regelung etwa als Jahresentgelt und schwankt die monatliche Auszahlung, ist auf das Kalenderjahr abzustellen. Ändert sich mindestens eine der zu vergleichenden Regelungen - etwa der arbeitsvertraglich (dynamisch) in Bezug genommene oder der normativ geltende Tarifvertrag -, ist ein erneuter Günstigkeitsvergleich durchzuführen (Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 419; Thüsing/Braun/Forst Kap. 7 Rn. 47; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 48; aA Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 558). Dies kann - insbesondere bei Zusammentreffen eines statisch in Bezug genommenen Tarifwerks mit einem normativ geltenden Tarifvertrag - dazu führen, dass sich die einzelvertragliche Regelung zunächst als günstiger erweist, dies sich aber aufgrund von Anpassungen der kraft Tarifgebundenheit geltenden Regelungen ändert.

32

5. Ist nach diesen Maßstäben objektiv nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die vom normativ geltenden Tarifvertrag abweichende Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist - sei es, weil es sich um eine „ambivalente“, sei es, weil es sich um eine „neutrale“ Regelung handelt -, verbleibt es bei der zwingenden Geltung des Tarifvertrags (BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 43; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 39, 45; Thüsing/Braun/Forst Kap. 7 Rn. 46; Henssler/Moll/Bepler Teil 9, Rn. 178). Das folgt sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der systematischen Stellung von § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG als gesetzlichem Ausnahmetatbestand. Der Gesetzgeber hat eine Abweichung vom Grundsatz der zwingenden Wirkung geltender Tarifnormen (Regel) nur für den Fall vorgesehen, dass die betreffende Regelung „günstiger“ ist als die tarifliche Norm (Ausnahme). Ist die Günstigkeit der abweichenden Regelung nicht sicher feststellbar, greift § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG nicht ein (vgl. Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 420; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 478; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 690; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 562; JKOS/Jacobs § 7 Rn. 48 mwN). Nach dem in § 4 TVG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen gebührt den normativ geltenden Tarifverträgen Vorrang vor dem individuell vereinbarten Arbeitsvertrag. Dementsprechend trägt der Arbeitnehmer nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen sich die Günstigkeit der abweichenden Regelung ergibt.

33

II. In Anwendung dieser Grundsätze sind die aufgrund der vertraglichen Bezugnahmeklausel auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Tarifverträge der DT AG - jedenfalls für die streitgegenständlichen Zeiträume - hinsichtlich der in beiden Tarifwerken geregelten „Vollzeitarbeitsverhältnisse“ nicht günstiger als die normativ geltenden Tarifbedingungen der DTTS.

34

1. Das Landesarbeitsgericht hat im Ausgangspunkt zu Recht die Dauer der Arbeitszeit und das dem Kläger als Gegenleistung zustehende Entgelt zu einer Sachgruppe zusammengefasst.

35

a) Die Dauer der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung und das ihm dafür zustehende Arbeitsentgelt stehen als Teile der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten in einem engen, inneren sachlichen Zusammenhang (BAG 12. Dezember 2012 - 4 AZR 328/11 - Rn. 46; vgl. auch BAG 10. April 2014 - 2 AZR 812/12 -; 10. Februar 1999 - 2 AZR 422/98 - zu III 2 der Gründe, BAGE 91, 22). Die Günstigkeit einer kürzeren oder längeren Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitsverhältnisses lässt sich ebenso wenig isoliert beurteilen, wie das Arbeitsentgelt ohne Rücksicht auf die hierfür aufzuwendende Arbeitszeit.

36

Allein der Umstand, dass Arbeitszeit und Arbeitsentgelt zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände betreffen, führt nicht zu einer unterschiedlichen Sachgruppenzuordnung (so aber LAG Baden-Württemberg 14. Juni 1989 - 9 Sa 145/88 -). Es geht nicht darum, Arbeitszeit auf der einen und Arbeitsentgelt auf der anderen Seite miteinander zu vergleichen. Zu vergleichen sind vielmehr die - sachlich in untrennbarem Zusammenhang stehenden - Regelungen von Arbeitszeit und Arbeitsentgelt in dem einen in Anspruch genommenen Regelwerk mit denen in einem anderen kraft Tarifgebundenheit geltenden Regelwerk.

37

aa) Eine längere Arbeitszeit ist nicht per se deshalb „ungünstiger“, weil mit ihr ein Verlust an Freizeit einhergeht (so aber Däubler Tarifvertragsrecht 3. Aufl. Rn. 218; ähnlich Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 428). Ist nämlich die verlängerte Arbeitszeit mit einer Erhöhung des Arbeitsentgelts verknüpft, führt die Arbeitszeitverlängerung gleichzeitig zu einer Steigerung der Verdienstmöglichkeit, die für einen Arbeitnehmer, der aus welchen Gründen auch immer an einem höheren Entgelt interessiert ist, insgesamt betrachtet günstiger sein mag. Ungünstiger kann sie hingegen für den Arbeitnehmer sein, dem es wichtiger ist, diese Zeit zur freien Verfügung zu haben. Umgekehrt kann eine - einzelvertragliche - Verlängerung der Arbeitszeit nicht mit der Begründung als günstiger angesehen werden, die Arbeit diene zur „Persönlichkeitsentfaltung“ (vgl. dazu Schweibert, Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit durch Tarifvertrag, S. 201). Das wird bereits daran deutlich, dass ein Arbeitnehmer regelmäßig nicht bereit sein wird, um der „Selbstverwirklichung“ willen unentgeltlich länger zu arbeiten (Kühnast, Die Grenzen zwischen tariflicher und privatautonomer Regelungsbefugnis, S. 287). Vielmehr hängt die Beurteilung, ob eine kürzere oder längere Arbeitszeit günstiger ist, immer auch davon ab, welche Gegenleistung der Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung erhält.

38

bb) Aus dem Zusammenhang zwischen zu zahlendem Entgelt und der hierfür aufzuwendenden Arbeitszeit folgt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht, dass der Günstigkeitsvergleich ausschließlich auf der Grundlage eines zu ermittelnden Arbeitsentgelts pro Stunde durchzuführen wäre. Die Annahme, ein höheres Stundenentgelt sei stets als für den Arbeitnehmer günstiger anzusehen, trifft nicht zu. Die Arbeitszeit ist nicht lediglich ein unselbständiger Berechnungsfaktor des Arbeitsentgelts. Vielmehr ist beim Vergleich von „Vollzeitarbeitsverhältnissen“ auch die Anzahl der maßgebenden Stunden in die Betrachtung einzubeziehen, weil anderenfalls eine mit der geringeren Arbeitszeit einhergehende Entgeltabsenkung unberücksichtigt bliebe. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn man dem Arbeitnehmer gestattete, die höheren Arbeitszeiten des einen Regelwerks mit dem höheren Stundenentgelt des anderen Regelwerks zu kombinieren. Dies liefe aber auf einen Einzelvergleich hinaus. Ein solcher ist abzulehnen, weil er sachliche Regelungszusammenhänge auseinander risse (vgl. zB JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 36).

39

cc) Ferner verdeutlichen die Fälle, in denen in einem höheren Arbeitsentgelt eine pauschale Abgeltung von Überstunden enthalten ist, den sachlichen Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und Arbeitsentgelt. Selbst wenn eine solche (arbeitsvertragliche) Regelung nur dann klar und verständlich ist, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen (vgl. nur BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 16), lassen sich Arbeitszeit und Entgelt gleichwohl nicht voneinander trennen, weil unklar bleibt, ob die pauschal vergüteten Überstunden tatsächlich anfallen. Den Günstigkeitsvergleich in der Weise durchzuführen, dass der Arbeitnehmer nur die reguläre Arbeitszeit zu erbringen hätte, dafür aber das höhere Entgelt fordern könnte, würde hierbei zu unsachgerechten Ergebnissen führen.

40

b) Zur Sachgruppe „Arbeitszeit und Arbeitsentgelt“ gehört - wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zu Recht angenommen hat - regelmäßig neben der festgelegten Arbeitszeit das Arbeitsentgelt im engeren Sinne. Soweit sich dieses aus einem fixen und einem variablen Teil zusammensetzt, sind beide Bestandteile zu berücksichtigen. Nicht zur Sachgruppe „Arbeitszeit und Arbeitsentgelt“ gehört, entgegen der Auffassung der Beklagten, hingegen eine Beschäftigungsgarantie. Die Hauptleistungspflichten auf der einen und eine Beschäftigungsgarantie auf der anderen Seite sind unterschiedlich geartete Regelungsgegenstände, für deren Bewertung es keinen gemeinsamen Maßstab gibt. Eine Beschäftigungssicherung durch den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen ist daher nicht geeignet, Verschlechterungen bei der Arbeitszeit oder dem Arbeitsentgelt zu rechtfertigen (st. Rspr. BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 60, BAGE 131, 176; 24. September 2008 - 6 AZR 657/07 - Rn. 29, BAGE 128, 63; 6. November 2007 - 1 AZR 862/06 - Rn. 24, BAGE 124, 323; 7. November 2002 - 2 AZR 742/00 - zu B I 1 d bb (2) der Gründe, BAGE 103, 265).

41

2. Der im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung vorzunehmende Sachgruppenvergleich führt hiernach dazu, dass die für das Arbeitsverhältnis der Parteien einzelvertraglich weiterhin - statisch - anwendbaren Regelungen der Tarifverträge der DT AG betreffend die Arbeitszeit und das Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG sind.

42

a) Soweit der Kläger Zahlungsansprüche geltend macht, ist der Günstigkeitsvergleich nach Maßgabe der das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitraum vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 bestimmenden Regelungen vorzunehmen.

43

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger im Jahr 2007 bei einer Vollzeittätigkeit von 34 Stunden pro Woche ein Jahresentgelt von 40.911,80 Euro erhalten. Im Jahr 2011 betrug das Jahreszielentgelt des - weiterhin vollzeitbeschäftigten - Klägers auf der Grundlage der bei der Beklagten geltenden Haustarifverträge 43.753,00 Euro.

44

bb) Ob für die Durchführung des Günstigkeitsvergleichs bei einem variablen Entgelt auf das für einen vergleichbaren Arbeitnehmer erzielbare Entgelt oder auf das festgelegte oder durchschnittliche Jahreszielentgelt abzustellen ist, musste der Senat vorliegend in Anbetracht des im Jahre 2011 tatsächlich gezahlten Entgelts von 43.658,98 Euro nicht abschließend entscheiden. Das Jahreszielentgelt war objektiv und subjektiv - jedenfalls im Prinzip - erreichbar. Besondere Umstände, die - wenn überhaupt - zu einer anderen Bewertung führen könnten, hat der Kläger nicht dargetan.

45

cc) Damit lag das Entgelt des Klägers nach den bei der Beklagten geltenden Tarifverträgen im streitgegenständlichen Zeitraum in jedem Fall höher als dasjenige, das er nach den Tarifregelungen der DT AG (Stand 24. Juni 2007) erhalten hätte. Aufgrund des höheren Gesamtverdienstes im betreffenden Zeitraum bei einer erhöhten Arbeitszeit als vollbeschäftigter Arbeitnehmer lassen sich die arbeitsvertraglichen Regelungen im Vergleich zu den tarifvertraglichen Regelungen nicht als günstiger, sondern - lediglich - als ambivalent qualifizieren. Anhaltspunkte dafür, dass das höhere Jahreszielentgelt des Klägers auf anderen Faktoren als den tarifvertraglichen Entgeltbestimmungen beruht, sind nicht ersichtlich. Die statisch auf das Arbeitsverhältnis der Parteien weiterhin anwendbaren Tarifverträge der DT AG mit Stand vom 24. Juni 2007 vermögen deshalb die normativ geltenden tariflichen Regelungen nicht zu verdrängen. Da der Kläger danach auf der Grundlage der bei der Beklagten geltenden Tarifverträge ordnungsgemäß vergütet worden ist, kann er insoweit keine weitergehenden Zahlungsansprüche geltend machen.

46

dd) Die vom Kläger beanspruchten Mehrarbeitszuschläge iHv. 25 vH stehen ihm unabhängig von einem vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich bereits deshalb nicht zu, weil es sich bei den betreffenden Stunden nicht um Mehrarbeit im tariflichen Sinne handelt. Gem. § 13 Abs. 1 MTV DTAG ist Mehrarbeit die über die für den Arbeitnehmer betrieblich festgelegte wöchentliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit. Die betrieblich festgelegte Arbeitszeit betrug seit dem Betriebsübergang auf die Beklagte nicht mehr 34, sondern 38 Stunden in der Woche. Soweit die - nicht tragenden - Ausführungen im Urteil vom 21. November 2012 (- 4 AZR 231/10 -) ein anderes Ergebnis entnommen werden könnte, hält der Senat - klarstellend - daran nicht fest.

47

b) Hinsichtlich des mit dem Antrag zu 2. verfolgten Feststellungsbegehrens, dass die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers 34 Stunden wöchentlich beträgt, ist der Günstigkeitsvergleich getrennt nach Zeitabschnitten vorzunehmen.

48

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lag das Jahreszielentgelt des Klägers 2011 bei 43.753,00 Euro, 2012 bei 44.760,00 Euro und 2013 bei 45.700,00 Euro. In jedem Zeitraum lag das Entgelt damit über dem Jahresentgelt, welches der Kläger auf der Grundlage der nach der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel anwendbaren Tarifverträge der DT AG mit Stand 24. Juni 2007 erhalten hätte.

49

bb) Danach führt der Günstigkeitsvergleich nach den dargestellten Maßstäben auch bezüglich der weiteren Zeiträume dazu, dass die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifbestimmungen ambivalent und folglich nicht günstiger sind als die normativ geltenden. Anhaltspunkte dafür, dass das höhere Jahreszielentgelt auf anderen Faktoren als den tarifvertraglichen Entgeltbestimmungen beruht, hat der darlegungspflichtige Kläger auch insoweit nicht vorgetragen.

50

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Treber    

        

    Rinck    

        

        

        

    Hannig    

        

    Kriegelsteiner    

                 

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. April 2013 - 6 Sa 2000/12 - hinsichtlich der Ziff. 3. und Ziff. 4. aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

3. Die weitergehende Revision der Beklagten sowie die Revision des Klägers werden zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 2/3, die Beklagte 1/3 zu zahlen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit der Tarifverträge der D T AG auf ihr Arbeitsverhältnis, den Umfang der vom Kläger zu leistenden Wochenarbeitszeit sowie weitergehende Vergütungsansprüche.

2

Der Kläger, Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), und Betriebsratsmitglied, ist seit 1986 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen in Vollzeit beschäftigt. Im noch mit der D B abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 1. Februar 1991 heißt es ua.:

„Für das Arbeitsverhältnis gelten die für das in Art. 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet vereinbarten Bestimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten/Arbeiter der D B T (TV Ang. (Ost) bzw. TV Arb (Ost)) und der sonstigen für das genannte Gebiet vereinbarten Tarifverträge der D B T in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart.“

3

Zum 1. Januar 1995 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers im Zuge der Postreform und der Privatisierung der T auf die D T AG (im Folgenden: DT AG) übergeleitet. In der Folgezeit wurden auf das Arbeitsverhältnis die jeweiligen Tarifverträge der D B und später die der DT AG, insbesondere der Manteltarifvertrag (MTV DTAG), der Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DTAG) und die Entgelttarifverträge (ETV DTAG) angewandt. Danach betrug die tarifvertragliche wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte 34 Stunden. Auf der Grundlage der tarifvertraglichen Regelungen der DT AG belief sich das Entgelt des Klägers im Jahr 2007 auf 40.911,80 Euro brutto. Am 25. Juni 2007 ging sein Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte über.

4

Ebenfalls am 25. Juni 2007 schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di ua. einen Manteltarifvertrag (MTV DTTS), einen Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DTTS) und einen Entgelttarifvertrag (ETV DTTS 2007). Diese Haustarifverträge enthalten insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeiten sowie der Zusammensetzung und Höhe der Vergütung Abweichungen von den bei der DT AG geltenden Tarifverträgen. Der ETV DTTS wurde seither mehrfach geändert. Im Jahr 2011 belief sich das Jahreszielentgelt des Klägers bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden auf 43.753,00 Euro, das tatsächlich erzielte Jahresentgelt auf 43.658,98 Euro brutto. In den Jahren 2012 und 2013 betrug das Jahreszielentgelt des Klägers 44.760,00 Euro und 45.700,00 Euro.

5

Mit Schreiben vom 13. November 2011 forderte der Kläger die Beklagte unter Bezugnahme auf mehrere Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Juli 2011 auf, für sein Arbeitsverhältnis wieder die Tarifverträge der DT AG anzuwenden, soweit diese günstiger seien als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten. Insbesondere forderte er, ihn wieder mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 34 Stunden zu beschäftigen und die sich für die letzten sechs Monate ergebende Arbeitszeitdifferenz seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Mit Schreiben vom 12. Januar 2012 wies die Beklagte die Forderungen zurück.

6

Mit seiner Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, die Tarifverträge der DT AG seien - soweit sie günstiger seien - auf sein Arbeitsverhältnis weiter anzuwenden. Als Vollzeitbeschäftigter sei er im Hinblick auf den zwischen den beiden Manteltarifverträgen vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich lediglich mit der im MTV DT AG vorgesehenen regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 34 Stunden zu beschäftigen. Die Beklagte habe die von ihm in der Zeit vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 darüber hinaus geleisteten Stunden zu vergüten. Insoweit hat er zuletzt 3,5 Stunden wöchentlich bei einem Stundensatz von 23,06 Euro brutto zuzüglich eines Mehrarbeitszuschlags von 25 vH geltend gemacht.

7

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Belang - zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Bestimmungen der Tarifverträge der D T AG mit Tarifstand 24. Juni 2007 kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden, soweit sie günstiger sind als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten,

2. festzustellen, dass seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gem. § 11 Abs. 1 MTV der D T AG (Tarifstand 24. Juni 2007) 34 Stunden beträgt,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 16. Mai 2011 bis 31. Dezember 2011 einen weiteren Betrag in Höhe von 3.329,29 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2012 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne sich nicht auf die für das Arbeitsverhältnis der Parteien statisch fortwirkenden Tarifverträge der DT AG stützen. Durch die widerspruchslose Weiterarbeit über mehr als vier Jahre habe er die praktizierte Vertragsänderung in die Anwendbarkeit der Haustarifverträge akzeptiert. Er habe sein Recht verwirkt, sich auf die Anwendbarkeit der Tarifverträge der DT AG zu berufen. Diese Tarifverträge mit dem Stand des 24. Juni 2007 seien auch nicht günstiger als die zwischen den Parteien normativ geltenden Haustarifverträge der Beklagten.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag zu 1. und 2. (im Tenor unter 2. und 3.) vollständig sowie dem Antrag zu 3. (im Tenor unter 4.) iHv. 582,11 Euro brutto stattgegeben. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren in Höhe von 2.747,18 Euro brutto nebst Zinsen weiter. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision weiterhin die Klageabweisung in vollem Umfang.

Entscheidungsgründe

10

Auf die Revision der Beklagten war das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben. Soweit das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 2. und des Zahlungsantrags iHv. 582,11 Euro brutto stattgegeben hat, war die Entscheidung aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Im Übrigen waren die Revision der Beklagten ebenso wie die Revision des Klägers, mit der er weitere Zahlungen für Mehrarbeit gefordert hat, zurückzuweisen.

11

A. Die Revision der Beklagten ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag zu 1. stattgegeben hat. Das Landesarbeitsgericht hat den zulässigen Feststellungsantrag zu Recht als begründet angesehen.

12

I. Der Klageantrag zu 1. ist zulässig.

13

1. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht der Zusatz „soweit sie günstiger sind als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten“ nicht entgegen. Der Kläger verfolgt mit seinem Feststellungsantrag das Ziel, eine rechtskräftige Grundlage für die Vornahme eines Günstigkeitsvergleichs zu erlangen. Damit handelt es sich bei dem Zusatz nicht um einen einschränkenden - möglicherweise nicht hinreichend bestimmten - Teil eines Feststellungsantrags, sondern lediglich um ein - als Antragsbestandteil rechtlich nicht erforderliches (vgl. BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 19) - Begründungselement.

14

2. Für den Antrag besteht auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

15

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Dieses besondere Feststellungsinteresse muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., etwa BAG 27. August 2014 - 4 AZR 518/12 - Rn. 15; 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 14, BAGE 124, 240). Dabei kann sich die Feststellungsklage auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (sog. Elementenfeststellungsklage). Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (st. Rspr., s. nur BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11 mwN, BAGE 128, 165).

16

b) Durch eine Entscheidung über die begehrte Feststellung wird jedenfalls die zwischen den Parteien streitige Frage abschließend geklärt, ob die tariflichen Regelungen der DT AG aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme überhaupt heranzuziehen sind. Dies rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses selbst dann, wenn es nachfolgend doch noch zu weiteren Rechtsstreitigkeiten darüber kommen sollte, ob sich einzelne Rechte und Pflichten aus den Tarifverträgen der DT AG als günstigere einzelvertragliche Regelung im Arbeitsverhältnis der Parteien durchsetzen oder ob sie durch die firmentarifvertragliche Regelung verdrängt werden(vgl. BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 991/12 - Rn. 12; 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 23 mwN).

17

II. Der Feststellungsantrag zu 1. ist begründet.

18

1. Die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag vom 1. Februar 1991 verweist - nach gebotener Auslegung - auf die Tarifverträge der DT AG (Tarifstand 24. Juni 2007).

19

a) Bei der vorliegenden vertraglichen Bezugnahmeklausel handelt es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats. Sie verweist auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge, an die die damalige Arbeitgeberin, die D B, gebunden war (ausf. zu einer nahezu gleich lautenden Regelung BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 17 ff., BAGE 138, 269).

20

b) Die Anwendbarkeit der Tarifverträge der DT AG ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Bezugnahmeregelung, sie folgt aber aus deren ergänzender Auslegung. Das hat der Senat in zahlreichen tatsächlich und rechtlich gleichgelagerten Fallgestaltungen bereits mehrfach entschieden und ausführlich begründet. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen ( BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 22 ff. mwN, BAGE 138, 269; weiterhin 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 39 f. mwN; 14. Dezember 2011 - 4 AZR 179/10 - Rn. 28 ff.; 16. November 2011 - 4 AZR 822/09 - Rn. 21 ff.).

21

c) Der Senat hat auch in zahlreichen vergleichbaren Fällen entschieden und ausführlich begründet (vgl. BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 36 ff. mwN, BAGE 138, 269; weiterhin 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 45 ff. mwN; 16. November 2011 - 4 AZR 822/09 - Rn. 21, 42 ff.; 14. Dezember 2011 - 4 AZR 179/10 - Rn. 38 ff.), dass die von der Beklagten geschlossenen Haustarifverträge von der Bezugnahmeklausel nicht erfasst werden. Sie ist keine sog. Tarifwechselklausel und kann auch nicht als eine solche verstanden werden.

22

2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger sein Recht, sich auf den Inhalt der vertraglichen Abrede zu berufen, nicht verwirkt hat (§ 242 BGB). Dabei kann offenbleiben (siehe bereits die Entscheidung des Senats 22. Februar 2012 - 4 AZR 580/10 - Rn. 43), ob gegen die Geltendmachung der vertraglichen Grundlage des Arbeitsverhältnisses bei einer einseitigen Änderung seiner praktischen Durchführung überhaupt der Einwand der Verwirkung erhoben werden kann oder ob in diesem Fall nicht allein die Grundsätze einer - möglicherweise konkludenten - Vertragsänderung anzuwenden sind. Das Landesarbeitsgericht ist jedenfalls zutreffend davon ausgegangen, sowohl das im Rahmen einer Verwirkung nach Treu und Glauben neben dem Zeitmoment erforderliche Umstandsmoment als auch das Zumutbarkeitsmoment (zu diesen Voraussetzungen etwa BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 43 mwN) seien in keinem Fall gegeben. Schon deshalb scheidet eine Verwirkung aus.

23

a) Der Kläger war nicht verpflichtet, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass er sich vorbehält, seine Rechte geltend zu machen. Auch aus der widerspruchslosen Durchführung des Arbeitsverhältnisses auf Basis der Haustarifverträge der Beklagten ergibt sich keine besonders vertrauensbegründende Verhaltensweise des Klägers (ausf. in einem ähnlichen gelagerten Sachverhalt BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 44 ff.). Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt auch nicht deshalb etwas anderes, weil er in seiner Eigenschaft als Mitglied des bei ihr bestehenden Betriebsrats die Höhergruppierung nach den Tarifverträgen der Beklagten akzeptiert hat. Auch insoweit fehlt es an einem „aktiven Verhalten“ des Klägers und damit an Anhaltspunkten, dass die Beklagte als Schuldnerin davon ausgehen konnte, er kenne als Gläubiger seine Rechte und mache sie gleichwohl über längere Zeit hinweg bewusst nicht geltend (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 47; 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 34 mwN).

24

b) Den Kläger trifft auch weder eine Pflicht, das Unterrichtungsschreiben zu überprüfen noch eine solche, den Arbeitgeber auf dessen möglicherweise fehlerhafte Rechtsauffassung hinzuweisen (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 580/10 - Rn. 50 f. mwN). Für die Annahme, ihm seien die fehlerhaften Angaben in den Unterrichtungsschreiben vor Veröffentlichung der Entscheidungen des Senats vom 6. Juli 2011 (- 4 AZR 706/09 - ua.) bekannt gewesen und er sei „in Kenntnis seiner Rechte treuwidrig gegenüber der Beklagten untätig geblieben“, fehlt es an Anhaltspunkten.

25

c) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es die Kenntnis des Klägers um die Problematik der Bezugnahmeklausel in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied nicht berücksichtigt habe, ist unzulässig. Es fehlt schon an einem Vortrag der Beklagten zur Kausalität zwischen Verfahrensmangel und Ergebnis des Berufungsurteils als Bestandteil einer zulässigen Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO (vgl. nur BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 16; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 12).

26

B. Soweit das Landesarbeitsgericht dem zulässigen (zu den Voraussetzungen oben A I 2 a) Feststellungsantrag zu 2. sowie dem Zahlungsbegehren teilweise stattgegeben hat, ist die Revision der Beklagten begründet. Demgegenüber ist die Revision des Klägers, soweit er weitere Vergütung für den Zeitraum vom 16. Mai bis zum 31. Dezember 2011 begehrt hat, unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Aus den auf sein Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträgen der DT AG ergibt sich weder, dass seine regelmäßige Wochenarbeitszeit als Vollzeitbeschäftigter 34 Stunden beträgt, noch kann er aus ihnen weitergehende Zahlungsansprüche für den genannten Zeitraum herleiten. Die Tarifverträge der DT AG sind insoweit nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG als die Haustarifverträge der Beklagten.

27

I. Eine Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen (vgl. nur BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 691/08 - Rn. 43). Hiernach treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertraglichen Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ergibt ein Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung (sog. Günstigkeitsvergleich).

28

1. Zu vergleichen sind dabei die durch Auslegung zu ermittelnden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen, die in einem inneren Zusammenhang stehen (sog. Sachgruppenvergleich, s. nur BAG 21. April 2010 - 4 AZR 768/08 - Rn. 39, BAGE 134, 130; 30. März 2004 - 1 AZR 85/03 - zu II 4 b bb der Gründe mwN; ErfK/Franzen 15. Aufl. TVG § 4 Rn. 38; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 532; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 470 ff.; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 38). Ein sog. Gesamtvergleich, dh. die Gegenüberstellung des vollständigen Arbeitsvertrags auf der einen und des gesamten Tarifvertrags auf der anderen Seite, kommt ebenso wenig in Betracht wie ein punktueller Vergleich von Einzelregelungen, auch wenn aufgrund einer umfassenden arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel der Sache nach zwei Tarifverträge miteinander zu vergleichen sind (vgl. BAG 12. Dezember 2012 - 4 AZR 328/11 - Rn. 46; 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 20, BAGE 124, 34; aA Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 543; ErfK/Franzen TVG § 4 Rn. 37; Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 3 Rn. 291). Die aufgrund einzelvertraglicher Verweisungsklausel auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvorschriften haben auch bei einer umfassenden Inbezugnahme lediglich individualvertraglichen Charakter. Der Durchführung eines Gesamtvergleichs steht bereits der Wortlaut des § 4 Abs. 3 TVG („Regelungen“) entgegen, der nicht auf eine Gesamtregelung oder einen Tarifvertrag abstellt(JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 37). Abweichende Abmachungen sind danach nur zulässig, „soweit“ sie ua. eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Es kommt deshalb nicht auf die Günstigkeit der Gesamtheit der abweichenden Regelungen, sondern vielmehr nur der einander entsprechenden Teile, dh. Sachgruppen, an. Im Übrigen wäre ein Gesamtvergleich mangels einheitlicher Vergleichsmaßstäbe praktisch kaum durchführbar (vgl. BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 60, BAGE 131, 176; Löwisch/Rieble § 4 TVG 3. Aufl. Rn. 531; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 37).

29

2. Für die Durchführung eines Günstigkeitsvergleichs sind die abstrakten Regelungen maßgebend, nicht das Ergebnis ihrer Anwendung im Einzelfall. Hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die betreffende Regelung günstiger ist oder nicht (sog. ambivalente Regelung), ist keine „Günstigkeit“ iSv. § 4 Abs. 3 TVG gegeben(BAG 17. April 2002 - 5 AZR 644/00 - zu II 4 b der Gründe; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; für den Vergleich einzelvertraglicher und gesetzlicher Kündigungsfristen zuletzt: BAG 29. Januar 2015 - 2 AZR 280/14 - Rn. 19; weiterhin Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 562; ErfK/Franzen 15. Aufl. TVG § 4 Rn. 40; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 690). Dies gilt unabhängig davon, ob die Parteien des Arbeitsvertrags die vertraglichen Regelungen vor oder nach Inkrafttreten des Tarifvertrags vereinbart haben (BAG 17. April 2013 - 4 AZR 592/11 - Rn. 14, BAGE 145, 37; 25. Juli 2001 - 10 AZR 391/00 - zu II 2 a bb (2) der Gründe).

30

3. Der Günstigkeitsvergleich ist anhand eines objektiven Beurteilungsmaßstabs vorzunehmen. Maßgebend ist die Einschätzung eines verständigen Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 405; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 553; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 689; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 44; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 451; für eine Kollision von Betriebsvereinbarung und einzelvertraglicher Abrede: BAG 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 244). Auf die subjektive Einschätzung des betroffenen Arbeitnehmers kommt es nicht an. Ist die einzelvertragliche Regelung bei objektiver Betrachtung gleich oder gleichwertig (sog. neutrale Regelung), ist sie nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG.

31

4. Die Günstigkeit einer einzelvertraglichen Regelung gegenüber einer normativ geltenden Tarifnorm muss bereits im Voraus - also unabhängig von den konkreten Bedingungen des jeweiligen Anwendungsfalls - feststehen (BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 42; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe). Der Günstigkeitsvergleich ist erstmals in dem Zeitpunkt durchzuführen, in dem die normativ geltende tarifvertragliche Regelung mit der abweichenden vertraglichen Regelung kollidiert (BAG 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 47; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 558). Dabei ist ein repräsentativer Zeitraum zugrunde zu legen. Bestimmt sich das Arbeitsentgelt nach einer einzelvertraglichen oder tarifvertraglichen Regelung etwa als Jahresentgelt und schwankt die monatliche Auszahlung, ist auf das Kalenderjahr abzustellen. Ändert sich mindestens eine der zu vergleichenden Regelungen - etwa der arbeitsvertraglich (dynamisch) in Bezug genommene oder der normativ geltende Tarifvertrag -, ist ein erneuter Günstigkeitsvergleich durchzuführen (Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 419; Thüsing/Braun/Forst Kap. 7 Rn. 47; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 48; aA Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 558). Dies kann - insbesondere bei Zusammentreffen eines statisch in Bezug genommenen Tarifwerks mit einem normativ geltenden Tarifvertrag - dazu führen, dass sich die einzelvertragliche Regelung zunächst als günstiger erweist, dies sich aber aufgrund von Anpassungen der kraft Tarifgebundenheit geltenden Regelungen ändert.

32

5. Ist nach diesen Maßstäben objektiv nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die vom normativ geltenden Tarifvertrag abweichende Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist - sei es, weil es sich um eine „ambivalente“, sei es, weil es sich um eine „neutrale“ Regelung handelt -, verbleibt es bei der zwingenden Geltung des Tarifvertrags (BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 43; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 39, 45; Thüsing/Braun/Forst Kap. 7 Rn. 46; Henssler/Moll/Bepler Teil 9, Rn. 178). Das folgt sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der systematischen Stellung von § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG als gesetzlichem Ausnahmetatbestand. Der Gesetzgeber hat eine Abweichung vom Grundsatz der zwingenden Wirkung geltender Tarifnormen (Regel) nur für den Fall vorgesehen, dass die betreffende Regelung „günstiger“ ist als die tarifliche Norm (Ausnahme). Ist die Günstigkeit der abweichenden Regelung nicht sicher feststellbar, greift § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG nicht ein (vgl. Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 420; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 478; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 690; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 562; JKOS/Jacobs § 7 Rn. 48 mwN). Nach dem in § 4 TVG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen gebührt den normativ geltenden Tarifverträgen Vorrang vor dem individuell vereinbarten Arbeitsvertrag. Dementsprechend trägt der Arbeitnehmer nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen sich die Günstigkeit der abweichenden Regelung ergibt.

33

II. In Anwendung dieser Grundsätze sind die aufgrund der vertraglichen Bezugnahmeklausel auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Tarifverträge der DT AG - jedenfalls für die streitgegenständlichen Zeiträume - hinsichtlich der in beiden Tarifwerken geregelten „Vollzeitarbeitsverhältnisse“ nicht günstiger als die normativ geltenden Tarifbedingungen der DTTS.

34

1. Das Landesarbeitsgericht hat im Ausgangspunkt zu Recht die Dauer der Arbeitszeit und das dem Kläger als Gegenleistung zustehende Entgelt zu einer Sachgruppe zusammengefasst.

35

a) Die Dauer der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung und das ihm dafür zustehende Arbeitsentgelt stehen als Teile der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten in einem engen, inneren sachlichen Zusammenhang (BAG 12. Dezember 2012 - 4 AZR 328/11 - Rn. 46; vgl. auch BAG 10. April 2014 - 2 AZR 812/12 -; 10. Februar 1999 - 2 AZR 422/98 - zu III 2 der Gründe, BAGE 91, 22). Die Günstigkeit einer kürzeren oder längeren Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitsverhältnisses lässt sich ebenso wenig isoliert beurteilen, wie das Arbeitsentgelt ohne Rücksicht auf die hierfür aufzuwendende Arbeitszeit.

36

Allein der Umstand, dass Arbeitszeit und Arbeitsentgelt zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände betreffen, führt nicht zu einer unterschiedlichen Sachgruppenzuordnung (so aber LAG Baden-Württemberg 14. Juni 1989 - 9 Sa 145/88 -). Es geht nicht darum, Arbeitszeit auf der einen und Arbeitsentgelt auf der anderen Seite miteinander zu vergleichen. Zu vergleichen sind vielmehr die - sachlich in untrennbarem Zusammenhang stehenden - Regelungen von Arbeitszeit und Arbeitsentgelt in dem einen in Anspruch genommenen Regelwerk mit denen in einem anderen kraft Tarifgebundenheit geltenden Regelwerk.

37

aa) Eine längere Arbeitszeit ist nicht per se deshalb „ungünstiger“, weil mit ihr ein Verlust an Freizeit einhergeht (so aber Däubler Tarifvertragsrecht 3. Aufl. Rn. 218; ähnlich Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 428). Ist nämlich die verlängerte Arbeitszeit mit einer Erhöhung des Arbeitsentgelts verknüpft, führt die Arbeitszeitverlängerung gleichzeitig zu einer Steigerung der Verdienstmöglichkeit, die für einen Arbeitnehmer, der aus welchen Gründen auch immer an einem höheren Entgelt interessiert ist, insgesamt betrachtet günstiger sein mag. Ungünstiger kann sie hingegen für den Arbeitnehmer sein, dem es wichtiger ist, diese Zeit zur freien Verfügung zu haben. Umgekehrt kann eine - einzelvertragliche - Verlängerung der Arbeitszeit nicht mit der Begründung als günstiger angesehen werden, die Arbeit diene zur „Persönlichkeitsentfaltung“ (vgl. dazu Schweibert, Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit durch Tarifvertrag, S. 201). Das wird bereits daran deutlich, dass ein Arbeitnehmer regelmäßig nicht bereit sein wird, um der „Selbstverwirklichung“ willen unentgeltlich länger zu arbeiten (Kühnast, Die Grenzen zwischen tariflicher und privatautonomer Regelungsbefugnis, S. 287). Vielmehr hängt die Beurteilung, ob eine kürzere oder längere Arbeitszeit günstiger ist, immer auch davon ab, welche Gegenleistung der Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung erhält.

38

bb) Aus dem Zusammenhang zwischen zu zahlendem Entgelt und der hierfür aufzuwendenden Arbeitszeit folgt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht, dass der Günstigkeitsvergleich ausschließlich auf der Grundlage eines zu ermittelnden Arbeitsentgelts pro Stunde durchzuführen wäre. Die Annahme, ein höheres Stundenentgelt sei stets als für den Arbeitnehmer günstiger anzusehen, trifft nicht zu. Die Arbeitszeit ist nicht lediglich ein unselbständiger Berechnungsfaktor des Arbeitsentgelts. Vielmehr ist beim Vergleich von „Vollzeitarbeitsverhältnissen“ auch die Anzahl der maßgebenden Stunden in die Betrachtung einzubeziehen, weil anderenfalls eine mit der geringeren Arbeitszeit einhergehende Entgeltabsenkung unberücksichtigt bliebe. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn man dem Arbeitnehmer gestattete, die höheren Arbeitszeiten des einen Regelwerks mit dem höheren Stundenentgelt des anderen Regelwerks zu kombinieren. Dies liefe aber auf einen Einzelvergleich hinaus. Ein solcher ist abzulehnen, weil er sachliche Regelungszusammenhänge auseinander risse (vgl. zB JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 36).

39

cc) Ferner verdeutlichen die Fälle, in denen in einem höheren Arbeitsentgelt eine pauschale Abgeltung von Überstunden enthalten ist, den sachlichen Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und Arbeitsentgelt. Selbst wenn eine solche (arbeitsvertragliche) Regelung nur dann klar und verständlich ist, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen (vgl. nur BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 16), lassen sich Arbeitszeit und Entgelt gleichwohl nicht voneinander trennen, weil unklar bleibt, ob die pauschal vergüteten Überstunden tatsächlich anfallen. Den Günstigkeitsvergleich in der Weise durchzuführen, dass der Arbeitnehmer nur die reguläre Arbeitszeit zu erbringen hätte, dafür aber das höhere Entgelt fordern könnte, würde hierbei zu unsachgerechten Ergebnissen führen.

40

b) Zur Sachgruppe „Arbeitszeit und Arbeitsentgelt“ gehört - wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zu Recht angenommen hat - regelmäßig neben der festgelegten Arbeitszeit das Arbeitsentgelt im engeren Sinne. Soweit sich dieses aus einem fixen und einem variablen Teil zusammensetzt, sind beide Bestandteile zu berücksichtigen. Nicht zur Sachgruppe „Arbeitszeit und Arbeitsentgelt“ gehört, entgegen der Auffassung der Beklagten, hingegen eine Beschäftigungsgarantie. Die Hauptleistungspflichten auf der einen und eine Beschäftigungsgarantie auf der anderen Seite sind unterschiedlich geartete Regelungsgegenstände, für deren Bewertung es keinen gemeinsamen Maßstab gibt. Eine Beschäftigungssicherung durch den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen ist daher nicht geeignet, Verschlechterungen bei der Arbeitszeit oder dem Arbeitsentgelt zu rechtfertigen (st. Rspr. BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 60, BAGE 131, 176; 24. September 2008 - 6 AZR 657/07 - Rn. 29, BAGE 128, 63; 6. November 2007 - 1 AZR 862/06 - Rn. 24, BAGE 124, 323; 7. November 2002 - 2 AZR 742/00 - zu B I 1 d bb (2) der Gründe, BAGE 103, 265).

41

2. Der im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung vorzunehmende Sachgruppenvergleich führt hiernach dazu, dass die für das Arbeitsverhältnis der Parteien einzelvertraglich weiterhin - statisch - anwendbaren Regelungen der Tarifverträge der DT AG betreffend die Arbeitszeit und das Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG sind.

42

a) Soweit der Kläger Zahlungsansprüche geltend macht, ist der Günstigkeitsvergleich nach Maßgabe der das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitraum vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 bestimmenden Regelungen vorzunehmen.

43

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger im Jahr 2007 bei einer Vollzeittätigkeit von 34 Stunden pro Woche ein Jahresentgelt von 40.911,80 Euro erhalten. Im Jahr 2011 betrug das Jahreszielentgelt des - weiterhin vollzeitbeschäftigten - Klägers auf der Grundlage der bei der Beklagten geltenden Haustarifverträge 43.753,00 Euro.

44

bb) Ob für die Durchführung des Günstigkeitsvergleichs bei einem variablen Entgelt auf das für einen vergleichbaren Arbeitnehmer erzielbare Entgelt oder auf das festgelegte oder durchschnittliche Jahreszielentgelt abzustellen ist, musste der Senat vorliegend in Anbetracht des im Jahre 2011 tatsächlich gezahlten Entgelts von 43.658,98 Euro nicht abschließend entscheiden. Das Jahreszielentgelt war objektiv und subjektiv - jedenfalls im Prinzip - erreichbar. Besondere Umstände, die - wenn überhaupt - zu einer anderen Bewertung führen könnten, hat der Kläger nicht dargetan.

45

cc) Damit lag das Entgelt des Klägers nach den bei der Beklagten geltenden Tarifverträgen im streitgegenständlichen Zeitraum in jedem Fall höher als dasjenige, das er nach den Tarifregelungen der DT AG (Stand 24. Juni 2007) erhalten hätte. Aufgrund des höheren Gesamtverdienstes im betreffenden Zeitraum bei einer erhöhten Arbeitszeit als vollbeschäftigter Arbeitnehmer lassen sich die arbeitsvertraglichen Regelungen im Vergleich zu den tarifvertraglichen Regelungen nicht als günstiger, sondern - lediglich - als ambivalent qualifizieren. Anhaltspunkte dafür, dass das höhere Jahreszielentgelt des Klägers auf anderen Faktoren als den tarifvertraglichen Entgeltbestimmungen beruht, sind nicht ersichtlich. Die statisch auf das Arbeitsverhältnis der Parteien weiterhin anwendbaren Tarifverträge der DT AG mit Stand vom 24. Juni 2007 vermögen deshalb die normativ geltenden tariflichen Regelungen nicht zu verdrängen. Da der Kläger danach auf der Grundlage der bei der Beklagten geltenden Tarifverträge ordnungsgemäß vergütet worden ist, kann er insoweit keine weitergehenden Zahlungsansprüche geltend machen.

46

dd) Die vom Kläger beanspruchten Mehrarbeitszuschläge iHv. 25 vH stehen ihm unabhängig von einem vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich bereits deshalb nicht zu, weil es sich bei den betreffenden Stunden nicht um Mehrarbeit im tariflichen Sinne handelt. Gem. § 13 Abs. 1 MTV DTAG ist Mehrarbeit die über die für den Arbeitnehmer betrieblich festgelegte wöchentliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit. Die betrieblich festgelegte Arbeitszeit betrug seit dem Betriebsübergang auf die Beklagte nicht mehr 34, sondern 38 Stunden in der Woche. Soweit die - nicht tragenden - Ausführungen im Urteil vom 21. November 2012 (- 4 AZR 231/10 -) ein anderes Ergebnis entnommen werden könnte, hält der Senat - klarstellend - daran nicht fest.

47

b) Hinsichtlich des mit dem Antrag zu 2. verfolgten Feststellungsbegehrens, dass die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers 34 Stunden wöchentlich beträgt, ist der Günstigkeitsvergleich getrennt nach Zeitabschnitten vorzunehmen.

48

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lag das Jahreszielentgelt des Klägers 2011 bei 43.753,00 Euro, 2012 bei 44.760,00 Euro und 2013 bei 45.700,00 Euro. In jedem Zeitraum lag das Entgelt damit über dem Jahresentgelt, welches der Kläger auf der Grundlage der nach der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel anwendbaren Tarifverträge der DT AG mit Stand 24. Juni 2007 erhalten hätte.

49

bb) Danach führt der Günstigkeitsvergleich nach den dargestellten Maßstäben auch bezüglich der weiteren Zeiträume dazu, dass die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifbestimmungen ambivalent und folglich nicht günstiger sind als die normativ geltenden. Anhaltspunkte dafür, dass das höhere Jahreszielentgelt auf anderen Faktoren als den tarifvertraglichen Entgeltbestimmungen beruht, hat der darlegungspflichtige Kläger auch insoweit nicht vorgetragen.

50

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Treber    

        

    Rinck    

        

        

        

    Hannig    

        

    Kriegelsteiner    

                 

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. April 2013 - 6 Sa 2000/12 - hinsichtlich der Ziff. 3. und Ziff. 4. aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

3. Die weitergehende Revision der Beklagten sowie die Revision des Klägers werden zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 2/3, die Beklagte 1/3 zu zahlen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit der Tarifverträge der D T AG auf ihr Arbeitsverhältnis, den Umfang der vom Kläger zu leistenden Wochenarbeitszeit sowie weitergehende Vergütungsansprüche.

2

Der Kläger, Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), und Betriebsratsmitglied, ist seit 1986 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen in Vollzeit beschäftigt. Im noch mit der D B abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 1. Februar 1991 heißt es ua.:

„Für das Arbeitsverhältnis gelten die für das in Art. 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet vereinbarten Bestimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten/Arbeiter der D B T (TV Ang. (Ost) bzw. TV Arb (Ost)) und der sonstigen für das genannte Gebiet vereinbarten Tarifverträge der D B T in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart.“

3

Zum 1. Januar 1995 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers im Zuge der Postreform und der Privatisierung der T auf die D T AG (im Folgenden: DT AG) übergeleitet. In der Folgezeit wurden auf das Arbeitsverhältnis die jeweiligen Tarifverträge der D B und später die der DT AG, insbesondere der Manteltarifvertrag (MTV DTAG), der Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DTAG) und die Entgelttarifverträge (ETV DTAG) angewandt. Danach betrug die tarifvertragliche wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte 34 Stunden. Auf der Grundlage der tarifvertraglichen Regelungen der DT AG belief sich das Entgelt des Klägers im Jahr 2007 auf 40.911,80 Euro brutto. Am 25. Juni 2007 ging sein Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte über.

4

Ebenfalls am 25. Juni 2007 schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di ua. einen Manteltarifvertrag (MTV DTTS), einen Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DTTS) und einen Entgelttarifvertrag (ETV DTTS 2007). Diese Haustarifverträge enthalten insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeiten sowie der Zusammensetzung und Höhe der Vergütung Abweichungen von den bei der DT AG geltenden Tarifverträgen. Der ETV DTTS wurde seither mehrfach geändert. Im Jahr 2011 belief sich das Jahreszielentgelt des Klägers bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden auf 43.753,00 Euro, das tatsächlich erzielte Jahresentgelt auf 43.658,98 Euro brutto. In den Jahren 2012 und 2013 betrug das Jahreszielentgelt des Klägers 44.760,00 Euro und 45.700,00 Euro.

5

Mit Schreiben vom 13. November 2011 forderte der Kläger die Beklagte unter Bezugnahme auf mehrere Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Juli 2011 auf, für sein Arbeitsverhältnis wieder die Tarifverträge der DT AG anzuwenden, soweit diese günstiger seien als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten. Insbesondere forderte er, ihn wieder mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 34 Stunden zu beschäftigen und die sich für die letzten sechs Monate ergebende Arbeitszeitdifferenz seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Mit Schreiben vom 12. Januar 2012 wies die Beklagte die Forderungen zurück.

6

Mit seiner Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, die Tarifverträge der DT AG seien - soweit sie günstiger seien - auf sein Arbeitsverhältnis weiter anzuwenden. Als Vollzeitbeschäftigter sei er im Hinblick auf den zwischen den beiden Manteltarifverträgen vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich lediglich mit der im MTV DT AG vorgesehenen regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 34 Stunden zu beschäftigen. Die Beklagte habe die von ihm in der Zeit vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 darüber hinaus geleisteten Stunden zu vergüten. Insoweit hat er zuletzt 3,5 Stunden wöchentlich bei einem Stundensatz von 23,06 Euro brutto zuzüglich eines Mehrarbeitszuschlags von 25 vH geltend gemacht.

7

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Belang - zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Bestimmungen der Tarifverträge der D T AG mit Tarifstand 24. Juni 2007 kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden, soweit sie günstiger sind als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten,

2. festzustellen, dass seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gem. § 11 Abs. 1 MTV der D T AG (Tarifstand 24. Juni 2007) 34 Stunden beträgt,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 16. Mai 2011 bis 31. Dezember 2011 einen weiteren Betrag in Höhe von 3.329,29 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2012 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne sich nicht auf die für das Arbeitsverhältnis der Parteien statisch fortwirkenden Tarifverträge der DT AG stützen. Durch die widerspruchslose Weiterarbeit über mehr als vier Jahre habe er die praktizierte Vertragsänderung in die Anwendbarkeit der Haustarifverträge akzeptiert. Er habe sein Recht verwirkt, sich auf die Anwendbarkeit der Tarifverträge der DT AG zu berufen. Diese Tarifverträge mit dem Stand des 24. Juni 2007 seien auch nicht günstiger als die zwischen den Parteien normativ geltenden Haustarifverträge der Beklagten.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag zu 1. und 2. (im Tenor unter 2. und 3.) vollständig sowie dem Antrag zu 3. (im Tenor unter 4.) iHv. 582,11 Euro brutto stattgegeben. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren in Höhe von 2.747,18 Euro brutto nebst Zinsen weiter. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision weiterhin die Klageabweisung in vollem Umfang.

Entscheidungsgründe

10

Auf die Revision der Beklagten war das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben. Soweit das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 2. und des Zahlungsantrags iHv. 582,11 Euro brutto stattgegeben hat, war die Entscheidung aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Im Übrigen waren die Revision der Beklagten ebenso wie die Revision des Klägers, mit der er weitere Zahlungen für Mehrarbeit gefordert hat, zurückzuweisen.

11

A. Die Revision der Beklagten ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag zu 1. stattgegeben hat. Das Landesarbeitsgericht hat den zulässigen Feststellungsantrag zu Recht als begründet angesehen.

12

I. Der Klageantrag zu 1. ist zulässig.

13

1. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht der Zusatz „soweit sie günstiger sind als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten“ nicht entgegen. Der Kläger verfolgt mit seinem Feststellungsantrag das Ziel, eine rechtskräftige Grundlage für die Vornahme eines Günstigkeitsvergleichs zu erlangen. Damit handelt es sich bei dem Zusatz nicht um einen einschränkenden - möglicherweise nicht hinreichend bestimmten - Teil eines Feststellungsantrags, sondern lediglich um ein - als Antragsbestandteil rechtlich nicht erforderliches (vgl. BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 19) - Begründungselement.

14

2. Für den Antrag besteht auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

15

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Dieses besondere Feststellungsinteresse muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., etwa BAG 27. August 2014 - 4 AZR 518/12 - Rn. 15; 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 14, BAGE 124, 240). Dabei kann sich die Feststellungsklage auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (sog. Elementenfeststellungsklage). Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (st. Rspr., s. nur BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11 mwN, BAGE 128, 165).

16

b) Durch eine Entscheidung über die begehrte Feststellung wird jedenfalls die zwischen den Parteien streitige Frage abschließend geklärt, ob die tariflichen Regelungen der DT AG aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme überhaupt heranzuziehen sind. Dies rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses selbst dann, wenn es nachfolgend doch noch zu weiteren Rechtsstreitigkeiten darüber kommen sollte, ob sich einzelne Rechte und Pflichten aus den Tarifverträgen der DT AG als günstigere einzelvertragliche Regelung im Arbeitsverhältnis der Parteien durchsetzen oder ob sie durch die firmentarifvertragliche Regelung verdrängt werden(vgl. BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 991/12 - Rn. 12; 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 23 mwN).

17

II. Der Feststellungsantrag zu 1. ist begründet.

18

1. Die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag vom 1. Februar 1991 verweist - nach gebotener Auslegung - auf die Tarifverträge der DT AG (Tarifstand 24. Juni 2007).

19

a) Bei der vorliegenden vertraglichen Bezugnahmeklausel handelt es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats. Sie verweist auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge, an die die damalige Arbeitgeberin, die D B, gebunden war (ausf. zu einer nahezu gleich lautenden Regelung BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 17 ff., BAGE 138, 269).

20

b) Die Anwendbarkeit der Tarifverträge der DT AG ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Bezugnahmeregelung, sie folgt aber aus deren ergänzender Auslegung. Das hat der Senat in zahlreichen tatsächlich und rechtlich gleichgelagerten Fallgestaltungen bereits mehrfach entschieden und ausführlich begründet. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen ( BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 22 ff. mwN, BAGE 138, 269; weiterhin 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 39 f. mwN; 14. Dezember 2011 - 4 AZR 179/10 - Rn. 28 ff.; 16. November 2011 - 4 AZR 822/09 - Rn. 21 ff.).

21

c) Der Senat hat auch in zahlreichen vergleichbaren Fällen entschieden und ausführlich begründet (vgl. BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 36 ff. mwN, BAGE 138, 269; weiterhin 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 45 ff. mwN; 16. November 2011 - 4 AZR 822/09 - Rn. 21, 42 ff.; 14. Dezember 2011 - 4 AZR 179/10 - Rn. 38 ff.), dass die von der Beklagten geschlossenen Haustarifverträge von der Bezugnahmeklausel nicht erfasst werden. Sie ist keine sog. Tarifwechselklausel und kann auch nicht als eine solche verstanden werden.

22

2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger sein Recht, sich auf den Inhalt der vertraglichen Abrede zu berufen, nicht verwirkt hat (§ 242 BGB). Dabei kann offenbleiben (siehe bereits die Entscheidung des Senats 22. Februar 2012 - 4 AZR 580/10 - Rn. 43), ob gegen die Geltendmachung der vertraglichen Grundlage des Arbeitsverhältnisses bei einer einseitigen Änderung seiner praktischen Durchführung überhaupt der Einwand der Verwirkung erhoben werden kann oder ob in diesem Fall nicht allein die Grundsätze einer - möglicherweise konkludenten - Vertragsänderung anzuwenden sind. Das Landesarbeitsgericht ist jedenfalls zutreffend davon ausgegangen, sowohl das im Rahmen einer Verwirkung nach Treu und Glauben neben dem Zeitmoment erforderliche Umstandsmoment als auch das Zumutbarkeitsmoment (zu diesen Voraussetzungen etwa BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 43 mwN) seien in keinem Fall gegeben. Schon deshalb scheidet eine Verwirkung aus.

23

a) Der Kläger war nicht verpflichtet, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass er sich vorbehält, seine Rechte geltend zu machen. Auch aus der widerspruchslosen Durchführung des Arbeitsverhältnisses auf Basis der Haustarifverträge der Beklagten ergibt sich keine besonders vertrauensbegründende Verhaltensweise des Klägers (ausf. in einem ähnlichen gelagerten Sachverhalt BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 44 ff.). Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt auch nicht deshalb etwas anderes, weil er in seiner Eigenschaft als Mitglied des bei ihr bestehenden Betriebsrats die Höhergruppierung nach den Tarifverträgen der Beklagten akzeptiert hat. Auch insoweit fehlt es an einem „aktiven Verhalten“ des Klägers und damit an Anhaltspunkten, dass die Beklagte als Schuldnerin davon ausgehen konnte, er kenne als Gläubiger seine Rechte und mache sie gleichwohl über längere Zeit hinweg bewusst nicht geltend (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 47; 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 34 mwN).

24

b) Den Kläger trifft auch weder eine Pflicht, das Unterrichtungsschreiben zu überprüfen noch eine solche, den Arbeitgeber auf dessen möglicherweise fehlerhafte Rechtsauffassung hinzuweisen (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 580/10 - Rn. 50 f. mwN). Für die Annahme, ihm seien die fehlerhaften Angaben in den Unterrichtungsschreiben vor Veröffentlichung der Entscheidungen des Senats vom 6. Juli 2011 (- 4 AZR 706/09 - ua.) bekannt gewesen und er sei „in Kenntnis seiner Rechte treuwidrig gegenüber der Beklagten untätig geblieben“, fehlt es an Anhaltspunkten.

25

c) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es die Kenntnis des Klägers um die Problematik der Bezugnahmeklausel in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied nicht berücksichtigt habe, ist unzulässig. Es fehlt schon an einem Vortrag der Beklagten zur Kausalität zwischen Verfahrensmangel und Ergebnis des Berufungsurteils als Bestandteil einer zulässigen Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO (vgl. nur BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 16; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 12).

26

B. Soweit das Landesarbeitsgericht dem zulässigen (zu den Voraussetzungen oben A I 2 a) Feststellungsantrag zu 2. sowie dem Zahlungsbegehren teilweise stattgegeben hat, ist die Revision der Beklagten begründet. Demgegenüber ist die Revision des Klägers, soweit er weitere Vergütung für den Zeitraum vom 16. Mai bis zum 31. Dezember 2011 begehrt hat, unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Aus den auf sein Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträgen der DT AG ergibt sich weder, dass seine regelmäßige Wochenarbeitszeit als Vollzeitbeschäftigter 34 Stunden beträgt, noch kann er aus ihnen weitergehende Zahlungsansprüche für den genannten Zeitraum herleiten. Die Tarifverträge der DT AG sind insoweit nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG als die Haustarifverträge der Beklagten.

27

I. Eine Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen (vgl. nur BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 691/08 - Rn. 43). Hiernach treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertraglichen Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ergibt ein Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung (sog. Günstigkeitsvergleich).

28

1. Zu vergleichen sind dabei die durch Auslegung zu ermittelnden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen, die in einem inneren Zusammenhang stehen (sog. Sachgruppenvergleich, s. nur BAG 21. April 2010 - 4 AZR 768/08 - Rn. 39, BAGE 134, 130; 30. März 2004 - 1 AZR 85/03 - zu II 4 b bb der Gründe mwN; ErfK/Franzen 15. Aufl. TVG § 4 Rn. 38; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 532; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 470 ff.; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 38). Ein sog. Gesamtvergleich, dh. die Gegenüberstellung des vollständigen Arbeitsvertrags auf der einen und des gesamten Tarifvertrags auf der anderen Seite, kommt ebenso wenig in Betracht wie ein punktueller Vergleich von Einzelregelungen, auch wenn aufgrund einer umfassenden arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel der Sache nach zwei Tarifverträge miteinander zu vergleichen sind (vgl. BAG 12. Dezember 2012 - 4 AZR 328/11 - Rn. 46; 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 20, BAGE 124, 34; aA Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 543; ErfK/Franzen TVG § 4 Rn. 37; Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 3 Rn. 291). Die aufgrund einzelvertraglicher Verweisungsklausel auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvorschriften haben auch bei einer umfassenden Inbezugnahme lediglich individualvertraglichen Charakter. Der Durchführung eines Gesamtvergleichs steht bereits der Wortlaut des § 4 Abs. 3 TVG („Regelungen“) entgegen, der nicht auf eine Gesamtregelung oder einen Tarifvertrag abstellt(JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 37). Abweichende Abmachungen sind danach nur zulässig, „soweit“ sie ua. eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Es kommt deshalb nicht auf die Günstigkeit der Gesamtheit der abweichenden Regelungen, sondern vielmehr nur der einander entsprechenden Teile, dh. Sachgruppen, an. Im Übrigen wäre ein Gesamtvergleich mangels einheitlicher Vergleichsmaßstäbe praktisch kaum durchführbar (vgl. BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 60, BAGE 131, 176; Löwisch/Rieble § 4 TVG 3. Aufl. Rn. 531; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 37).

29

2. Für die Durchführung eines Günstigkeitsvergleichs sind die abstrakten Regelungen maßgebend, nicht das Ergebnis ihrer Anwendung im Einzelfall. Hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die betreffende Regelung günstiger ist oder nicht (sog. ambivalente Regelung), ist keine „Günstigkeit“ iSv. § 4 Abs. 3 TVG gegeben(BAG 17. April 2002 - 5 AZR 644/00 - zu II 4 b der Gründe; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; für den Vergleich einzelvertraglicher und gesetzlicher Kündigungsfristen zuletzt: BAG 29. Januar 2015 - 2 AZR 280/14 - Rn. 19; weiterhin Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 562; ErfK/Franzen 15. Aufl. TVG § 4 Rn. 40; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 690). Dies gilt unabhängig davon, ob die Parteien des Arbeitsvertrags die vertraglichen Regelungen vor oder nach Inkrafttreten des Tarifvertrags vereinbart haben (BAG 17. April 2013 - 4 AZR 592/11 - Rn. 14, BAGE 145, 37; 25. Juli 2001 - 10 AZR 391/00 - zu II 2 a bb (2) der Gründe).

30

3. Der Günstigkeitsvergleich ist anhand eines objektiven Beurteilungsmaßstabs vorzunehmen. Maßgebend ist die Einschätzung eines verständigen Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 405; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 553; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 689; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 44; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 451; für eine Kollision von Betriebsvereinbarung und einzelvertraglicher Abrede: BAG 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 244). Auf die subjektive Einschätzung des betroffenen Arbeitnehmers kommt es nicht an. Ist die einzelvertragliche Regelung bei objektiver Betrachtung gleich oder gleichwertig (sog. neutrale Regelung), ist sie nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG.

31

4. Die Günstigkeit einer einzelvertraglichen Regelung gegenüber einer normativ geltenden Tarifnorm muss bereits im Voraus - also unabhängig von den konkreten Bedingungen des jeweiligen Anwendungsfalls - feststehen (BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 42; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe). Der Günstigkeitsvergleich ist erstmals in dem Zeitpunkt durchzuführen, in dem die normativ geltende tarifvertragliche Regelung mit der abweichenden vertraglichen Regelung kollidiert (BAG 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 47; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 558). Dabei ist ein repräsentativer Zeitraum zugrunde zu legen. Bestimmt sich das Arbeitsentgelt nach einer einzelvertraglichen oder tarifvertraglichen Regelung etwa als Jahresentgelt und schwankt die monatliche Auszahlung, ist auf das Kalenderjahr abzustellen. Ändert sich mindestens eine der zu vergleichenden Regelungen - etwa der arbeitsvertraglich (dynamisch) in Bezug genommene oder der normativ geltende Tarifvertrag -, ist ein erneuter Günstigkeitsvergleich durchzuführen (Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 419; Thüsing/Braun/Forst Kap. 7 Rn. 47; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 48; aA Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 558). Dies kann - insbesondere bei Zusammentreffen eines statisch in Bezug genommenen Tarifwerks mit einem normativ geltenden Tarifvertrag - dazu führen, dass sich die einzelvertragliche Regelung zunächst als günstiger erweist, dies sich aber aufgrund von Anpassungen der kraft Tarifgebundenheit geltenden Regelungen ändert.

32

5. Ist nach diesen Maßstäben objektiv nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die vom normativ geltenden Tarifvertrag abweichende Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist - sei es, weil es sich um eine „ambivalente“, sei es, weil es sich um eine „neutrale“ Regelung handelt -, verbleibt es bei der zwingenden Geltung des Tarifvertrags (BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 43; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 39, 45; Thüsing/Braun/Forst Kap. 7 Rn. 46; Henssler/Moll/Bepler Teil 9, Rn. 178). Das folgt sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der systematischen Stellung von § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG als gesetzlichem Ausnahmetatbestand. Der Gesetzgeber hat eine Abweichung vom Grundsatz der zwingenden Wirkung geltender Tarifnormen (Regel) nur für den Fall vorgesehen, dass die betreffende Regelung „günstiger“ ist als die tarifliche Norm (Ausnahme). Ist die Günstigkeit der abweichenden Regelung nicht sicher feststellbar, greift § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG nicht ein (vgl. Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 420; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 478; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 690; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 562; JKOS/Jacobs § 7 Rn. 48 mwN). Nach dem in § 4 TVG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen gebührt den normativ geltenden Tarifverträgen Vorrang vor dem individuell vereinbarten Arbeitsvertrag. Dementsprechend trägt der Arbeitnehmer nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen sich die Günstigkeit der abweichenden Regelung ergibt.

33

II. In Anwendung dieser Grundsätze sind die aufgrund der vertraglichen Bezugnahmeklausel auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Tarifverträge der DT AG - jedenfalls für die streitgegenständlichen Zeiträume - hinsichtlich der in beiden Tarifwerken geregelten „Vollzeitarbeitsverhältnisse“ nicht günstiger als die normativ geltenden Tarifbedingungen der DTTS.

34

1. Das Landesarbeitsgericht hat im Ausgangspunkt zu Recht die Dauer der Arbeitszeit und das dem Kläger als Gegenleistung zustehende Entgelt zu einer Sachgruppe zusammengefasst.

35

a) Die Dauer der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung und das ihm dafür zustehende Arbeitsentgelt stehen als Teile der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten in einem engen, inneren sachlichen Zusammenhang (BAG 12. Dezember 2012 - 4 AZR 328/11 - Rn. 46; vgl. auch BAG 10. April 2014 - 2 AZR 812/12 -; 10. Februar 1999 - 2 AZR 422/98 - zu III 2 der Gründe, BAGE 91, 22). Die Günstigkeit einer kürzeren oder längeren Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitsverhältnisses lässt sich ebenso wenig isoliert beurteilen, wie das Arbeitsentgelt ohne Rücksicht auf die hierfür aufzuwendende Arbeitszeit.

36

Allein der Umstand, dass Arbeitszeit und Arbeitsentgelt zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände betreffen, führt nicht zu einer unterschiedlichen Sachgruppenzuordnung (so aber LAG Baden-Württemberg 14. Juni 1989 - 9 Sa 145/88 -). Es geht nicht darum, Arbeitszeit auf der einen und Arbeitsentgelt auf der anderen Seite miteinander zu vergleichen. Zu vergleichen sind vielmehr die - sachlich in untrennbarem Zusammenhang stehenden - Regelungen von Arbeitszeit und Arbeitsentgelt in dem einen in Anspruch genommenen Regelwerk mit denen in einem anderen kraft Tarifgebundenheit geltenden Regelwerk.

37

aa) Eine längere Arbeitszeit ist nicht per se deshalb „ungünstiger“, weil mit ihr ein Verlust an Freizeit einhergeht (so aber Däubler Tarifvertragsrecht 3. Aufl. Rn. 218; ähnlich Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 428). Ist nämlich die verlängerte Arbeitszeit mit einer Erhöhung des Arbeitsentgelts verknüpft, führt die Arbeitszeitverlängerung gleichzeitig zu einer Steigerung der Verdienstmöglichkeit, die für einen Arbeitnehmer, der aus welchen Gründen auch immer an einem höheren Entgelt interessiert ist, insgesamt betrachtet günstiger sein mag. Ungünstiger kann sie hingegen für den Arbeitnehmer sein, dem es wichtiger ist, diese Zeit zur freien Verfügung zu haben. Umgekehrt kann eine - einzelvertragliche - Verlängerung der Arbeitszeit nicht mit der Begründung als günstiger angesehen werden, die Arbeit diene zur „Persönlichkeitsentfaltung“ (vgl. dazu Schweibert, Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit durch Tarifvertrag, S. 201). Das wird bereits daran deutlich, dass ein Arbeitnehmer regelmäßig nicht bereit sein wird, um der „Selbstverwirklichung“ willen unentgeltlich länger zu arbeiten (Kühnast, Die Grenzen zwischen tariflicher und privatautonomer Regelungsbefugnis, S. 287). Vielmehr hängt die Beurteilung, ob eine kürzere oder längere Arbeitszeit günstiger ist, immer auch davon ab, welche Gegenleistung der Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung erhält.

38

bb) Aus dem Zusammenhang zwischen zu zahlendem Entgelt und der hierfür aufzuwendenden Arbeitszeit folgt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht, dass der Günstigkeitsvergleich ausschließlich auf der Grundlage eines zu ermittelnden Arbeitsentgelts pro Stunde durchzuführen wäre. Die Annahme, ein höheres Stundenentgelt sei stets als für den Arbeitnehmer günstiger anzusehen, trifft nicht zu. Die Arbeitszeit ist nicht lediglich ein unselbständiger Berechnungsfaktor des Arbeitsentgelts. Vielmehr ist beim Vergleich von „Vollzeitarbeitsverhältnissen“ auch die Anzahl der maßgebenden Stunden in die Betrachtung einzubeziehen, weil anderenfalls eine mit der geringeren Arbeitszeit einhergehende Entgeltabsenkung unberücksichtigt bliebe. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn man dem Arbeitnehmer gestattete, die höheren Arbeitszeiten des einen Regelwerks mit dem höheren Stundenentgelt des anderen Regelwerks zu kombinieren. Dies liefe aber auf einen Einzelvergleich hinaus. Ein solcher ist abzulehnen, weil er sachliche Regelungszusammenhänge auseinander risse (vgl. zB JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 36).

39

cc) Ferner verdeutlichen die Fälle, in denen in einem höheren Arbeitsentgelt eine pauschale Abgeltung von Überstunden enthalten ist, den sachlichen Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und Arbeitsentgelt. Selbst wenn eine solche (arbeitsvertragliche) Regelung nur dann klar und verständlich ist, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen (vgl. nur BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 16), lassen sich Arbeitszeit und Entgelt gleichwohl nicht voneinander trennen, weil unklar bleibt, ob die pauschal vergüteten Überstunden tatsächlich anfallen. Den Günstigkeitsvergleich in der Weise durchzuführen, dass der Arbeitnehmer nur die reguläre Arbeitszeit zu erbringen hätte, dafür aber das höhere Entgelt fordern könnte, würde hierbei zu unsachgerechten Ergebnissen führen.

40

b) Zur Sachgruppe „Arbeitszeit und Arbeitsentgelt“ gehört - wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zu Recht angenommen hat - regelmäßig neben der festgelegten Arbeitszeit das Arbeitsentgelt im engeren Sinne. Soweit sich dieses aus einem fixen und einem variablen Teil zusammensetzt, sind beide Bestandteile zu berücksichtigen. Nicht zur Sachgruppe „Arbeitszeit und Arbeitsentgelt“ gehört, entgegen der Auffassung der Beklagten, hingegen eine Beschäftigungsgarantie. Die Hauptleistungspflichten auf der einen und eine Beschäftigungsgarantie auf der anderen Seite sind unterschiedlich geartete Regelungsgegenstände, für deren Bewertung es keinen gemeinsamen Maßstab gibt. Eine Beschäftigungssicherung durch den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen ist daher nicht geeignet, Verschlechterungen bei der Arbeitszeit oder dem Arbeitsentgelt zu rechtfertigen (st. Rspr. BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 60, BAGE 131, 176; 24. September 2008 - 6 AZR 657/07 - Rn. 29, BAGE 128, 63; 6. November 2007 - 1 AZR 862/06 - Rn. 24, BAGE 124, 323; 7. November 2002 - 2 AZR 742/00 - zu B I 1 d bb (2) der Gründe, BAGE 103, 265).

41

2. Der im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung vorzunehmende Sachgruppenvergleich führt hiernach dazu, dass die für das Arbeitsverhältnis der Parteien einzelvertraglich weiterhin - statisch - anwendbaren Regelungen der Tarifverträge der DT AG betreffend die Arbeitszeit und das Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG sind.

42

a) Soweit der Kläger Zahlungsansprüche geltend macht, ist der Günstigkeitsvergleich nach Maßgabe der das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitraum vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 bestimmenden Regelungen vorzunehmen.

43

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger im Jahr 2007 bei einer Vollzeittätigkeit von 34 Stunden pro Woche ein Jahresentgelt von 40.911,80 Euro erhalten. Im Jahr 2011 betrug das Jahreszielentgelt des - weiterhin vollzeitbeschäftigten - Klägers auf der Grundlage der bei der Beklagten geltenden Haustarifverträge 43.753,00 Euro.

44

bb) Ob für die Durchführung des Günstigkeitsvergleichs bei einem variablen Entgelt auf das für einen vergleichbaren Arbeitnehmer erzielbare Entgelt oder auf das festgelegte oder durchschnittliche Jahreszielentgelt abzustellen ist, musste der Senat vorliegend in Anbetracht des im Jahre 2011 tatsächlich gezahlten Entgelts von 43.658,98 Euro nicht abschließend entscheiden. Das Jahreszielentgelt war objektiv und subjektiv - jedenfalls im Prinzip - erreichbar. Besondere Umstände, die - wenn überhaupt - zu einer anderen Bewertung führen könnten, hat der Kläger nicht dargetan.

45

cc) Damit lag das Entgelt des Klägers nach den bei der Beklagten geltenden Tarifverträgen im streitgegenständlichen Zeitraum in jedem Fall höher als dasjenige, das er nach den Tarifregelungen der DT AG (Stand 24. Juni 2007) erhalten hätte. Aufgrund des höheren Gesamtverdienstes im betreffenden Zeitraum bei einer erhöhten Arbeitszeit als vollbeschäftigter Arbeitnehmer lassen sich die arbeitsvertraglichen Regelungen im Vergleich zu den tarifvertraglichen Regelungen nicht als günstiger, sondern - lediglich - als ambivalent qualifizieren. Anhaltspunkte dafür, dass das höhere Jahreszielentgelt des Klägers auf anderen Faktoren als den tarifvertraglichen Entgeltbestimmungen beruht, sind nicht ersichtlich. Die statisch auf das Arbeitsverhältnis der Parteien weiterhin anwendbaren Tarifverträge der DT AG mit Stand vom 24. Juni 2007 vermögen deshalb die normativ geltenden tariflichen Regelungen nicht zu verdrängen. Da der Kläger danach auf der Grundlage der bei der Beklagten geltenden Tarifverträge ordnungsgemäß vergütet worden ist, kann er insoweit keine weitergehenden Zahlungsansprüche geltend machen.

46

dd) Die vom Kläger beanspruchten Mehrarbeitszuschläge iHv. 25 vH stehen ihm unabhängig von einem vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich bereits deshalb nicht zu, weil es sich bei den betreffenden Stunden nicht um Mehrarbeit im tariflichen Sinne handelt. Gem. § 13 Abs. 1 MTV DTAG ist Mehrarbeit die über die für den Arbeitnehmer betrieblich festgelegte wöchentliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit. Die betrieblich festgelegte Arbeitszeit betrug seit dem Betriebsübergang auf die Beklagte nicht mehr 34, sondern 38 Stunden in der Woche. Soweit die - nicht tragenden - Ausführungen im Urteil vom 21. November 2012 (- 4 AZR 231/10 -) ein anderes Ergebnis entnommen werden könnte, hält der Senat - klarstellend - daran nicht fest.

47

b) Hinsichtlich des mit dem Antrag zu 2. verfolgten Feststellungsbegehrens, dass die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers 34 Stunden wöchentlich beträgt, ist der Günstigkeitsvergleich getrennt nach Zeitabschnitten vorzunehmen.

48

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lag das Jahreszielentgelt des Klägers 2011 bei 43.753,00 Euro, 2012 bei 44.760,00 Euro und 2013 bei 45.700,00 Euro. In jedem Zeitraum lag das Entgelt damit über dem Jahresentgelt, welches der Kläger auf der Grundlage der nach der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel anwendbaren Tarifverträge der DT AG mit Stand 24. Juni 2007 erhalten hätte.

49

bb) Danach führt der Günstigkeitsvergleich nach den dargestellten Maßstäben auch bezüglich der weiteren Zeiträume dazu, dass die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifbestimmungen ambivalent und folglich nicht günstiger sind als die normativ geltenden. Anhaltspunkte dafür, dass das höhere Jahreszielentgelt auf anderen Faktoren als den tarifvertraglichen Entgeltbestimmungen beruht, hat der darlegungspflichtige Kläger auch insoweit nicht vorgetragen.

50

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Treber    

        

    Rinck    

        

        

        

    Hannig    

        

    Kriegelsteiner    

                 

Tenor

Auf die Revisionen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Oktober 2014 - 6 Sa 106/14 - aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger künftig eine Altersrente nach der „D-Versorgungsordnung“ zu gewähren hat.

2

Der im März 1952 geborene Kläger wurde zum 1. Juli 1986 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der D mbH (im Folgenden D) eingestellt. Im „Dienstvertrag“ des Klägers vom 17. April 1986 ist in § 1 Abs. 5 vorgesehen, dass - soweit im Vertrag nichts anderes vereinbart ist - „für das Dienstverhältnis ergänzend der Tarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken in seiner jeweils gültigen Fassung“ Anwendung findet. Zuvor war der Kläger bei der C Aktiengesellschaft beschäftigt; diese hatte ihn beim Bverein (im Folgenden B) versichert.

3

Den bis zum 1. April 1984 eingestellten Arbeitnehmern der D waren Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine Unterstützungskasse zugesagt. In einem sog. Sozialkatalog von Oktober 1984, der ua. eine Zusammenstellung der von der D erbrachten Sozialleistungen enthält, war unter Nr. 4 vorgesehen, dass die D in Einzelfällen freiwillig Zahlungen für eine Zusatzversicherung der Mitarbeiter übernimmt, wobei die Leistungen der Zusatzversicherung, soweit sie auf Beitragszahlungen der D beruhten, auf die Leistungen der betrieblichen Unterstützungskasse angerechnet werden.

4

Zum Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in das Unternehmen bereitete die D eine Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung für die nach dem 31. März 1984 eingestellten Arbeitnehmer vor. Diese wurde in der Folgezeit mit dem Betriebsrat verhandelt.

5

Der Kläger blieb nach Beginn seines Arbeitsverhältnisses mit der D freiwillig beim B weiterversichert. Mit Schreiben vom 9. Januar 1987 erklärte die D dem Kläger ua.:

        

„...   

        

Weiterhin zahlen wir Ihnen ab Januar 1987 monatlich DM 245,-- als Beitragszuschuß zur Altersversorgung des B. Durch diese Regelung sind Sie von der betrieblichen Altersversorgung der D ausgenommen. …“

6

Der Kläger hat das Schreiben unter der Überschrift „Einverstanden“ unterzeichnet.

7

Zum 1. September 1987 trat bei der D die „Versorgungsordnung für Mitarbeiter mit Dienstantritt ab dem 1. April 1984 in der Fassung vom 28. September 1988“ (im Folgenden VO 1988) als Anlage 3 der „Betriebsvereinbarung zur Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung in der Fassung vom 28. September 1988“ in Kraft. Die VO 1988 bestimmt auszugsweise:

        

㤠1

        

Kreis der Versorgungsberechtigten

        

(1)     

Jeder regelmäßig beschäftigte Mitarbeiter (weiblich oder männlich), der bei Inkrafttreten dieser Versorgungsordnung in einem Arbeitsverhältnis zu unserem Unternehmen steht oder danach mit ihm ein Arbeitsverhältnis begründet, erwirbt mit Vollendung des 17. Lebensjahres (Aufnahmealter) eine Anwartschaft auf betriebliche Versorgungsleistung nach Maßgabe dieser Versorgungsordnung.

        

…       

        
        

(3)     

Von der Aufnahme in das Versorgungswerk sind ausgeschlossen:

                 

a)    

Aushilfsweise, befristet beziehungsweise geringfügig im Sinne des § 8 SGB IV oder unregelmäßig Beschäftigte.

                 

b)    

Mitarbeiter, die vor dem 1. April 1984 in das Unternehmen eingetreten sind.

        

…       

        
        

§ 15

        

Anrechnungen

        

…       

        
        

(3)     

Erhält ein Versorgungsempfänger Versorgungsleistungen oder Renten, die aus Mitteln eines anderen Arbeitgebers stammen oder mit dessen Beitragsbeteiligung erworben worden sind, so werden Leistungen insoweit angerechnet, als sie in Zeiten verdient wurden, die … als Vordienstzeiten angerechnet werden.“

8

Die VO 1988 wurde durch die „Versorgungsordnung zur Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung für Mitarbeiter mit Dienstantritt ab dem 1. April 1984 in der Fassung vom 25. September 1991“ (im Folgenden VO 1991) abgelöst. Die zitierten Regelungen in § 1 und § 15 blieben unverändert.

9

Der Kläger schloss mit der D und dem B am 26. Juli 1993 eine Vereinbarung, aufgrund derer die D bezüglich der freiwilligen Weiterversicherung des Klägers zum 1. Juli 1986 Versicherungsnehmerin des B wurde. Eine entsprechende Vereinbarung traf auch die Beklagte mit dem Kläger und dem B am 12. September 1994; danach wurde die Beklagte zum 1. Oktober 1993 Versicherungsnehmerin des B. Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin zahlten 2/3 der Beiträge an den B, der Kläger zahlte 1/3 der Beiträge. Darüber hinaus schlossen die Parteien unter dem Datum des 1. Januar 2002 eine Vereinbarung über eine Entgeltumwandlung. Nach Nr. 1 dieser Vereinbarung war ein Teil der monatlichen Bruttovergütung des Klägers für den Aufbau von Versorgungsanwartschaften beim B zu verwenden.

10

Aufgrund einer Betriebsvereinbarung trat bei der Beklagten die „DVersorgungsordnung“ idF vom 6. Dezember 2007 (im Folgenden VO 2007) in Kraft. In dieser ist auszugsweise Folgendes geregelt:

        

„§ 2 Persönlicher Geltungsbereich

        

(1)     

Von dieser Versorgungsregelung werden Mitarbeiter erfasst, die ihr Arbeitsverhältnis entweder

                 

a)    

vor dem 01.01.1999 zur D GmbH oder einem ihr verbundenen Unternehmen …

                 

begründet haben und in diesem Zeitpunkt noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet hatten und deren Arbeitsverhältnis bis heute zur … oder einem anderen Konzernunternehmen besteht, das diese Versorgungsregelung durch Dienst- oder Betriebsvereinbarung abgeschlossen hat.

        

…       

        
        

(3)     

Nicht erfasst sind Mitarbeiter, die bei der D mbH oder einem ihr verbundenen Unternehmen vor dem 01.04.1984 eingetreten sind ...

        

(4)     

Nicht erfasst sind auch Mitarbeiter, die eine einzelvertragliche Zusage erhalten oder erhalten haben.

        

…       

        
        

§ 17 Anrechnungen

        

…       

        
        

(3)     

Erhält ein Versorgungsempfänger Versorgungsleistungen oder Renten, die aus Mitteln eines anderen Arbeitgebers stammen oder mit dessen Beitragsbeteiligung erworben worden sind, so werden Leistungen insoweit angerechnet, als sie in Zeiten erdient wurden, die als Vordienstzeiten mit zur anrechnungsfähigen Dienstzeit … gehören.“

11

Der Kläger schied aufgrund einer Vorruhestandsvereinbarung vom 8. Mai 2007 mit Ablauf des 30. Juni 2009 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus. In der Vorruhestandsvereinbarung war ua. vereinbart:

        

„...   

        
        

7.    

Ein Zuschuss zu den Beiträgen an den B während des Vorruhestandes wird in Anlehnung an den Teil VI: Vorruhestands-Tarifvertrag gemäß § 4 Ziff. 2 in der jeweils gültigen Fassung gewährt.

        

8.    

Mit Beginn des Vorruhestandes erlöschen alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, soweit diese nicht vorstehend geregelt sind oder bis zum Beginn des Vorruhestandes schriftlich geltend gemacht wurden.“

12

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse ihm ab dem Bezug der gesetzlichen Altersrente eine Altersrente nach der VO 2007 gewähren. Er falle unter den persönlichen Anwendungsbereich der VO 2007. § 2 Abs. 4 VO 2007 sei unwirksam. Die Regelung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da sie Arbeitnehmer mit individuellen Zusagen ohne sachlichen Grund schlechter stelle. Außerdem entziehe sie ihm - dem Kläger - ohne zwingenden Grund seine auf der Grundlage der VO 1988 bzw. 1991 bereits erdienten Anwartschaften. Die Vereinbarung vom 9. Januar 1987 enthalte keinen Verzicht auf seine Ansprüche aus der VO 2007; der damalige Personalleiter habe ihm bei Abschluss der Vereinbarung erklärt, die Versicherung beim B sei günstiger als eine betriebliche Altersversorgung bei der D. Jedenfalls sei ein etwaiger Verzicht nach § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG unwirksam. Die Zusage von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über den B sei nicht günstiger als eine Versorgung nach den bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin geltenden Versorgungsordnungen.

13

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

festzustellen, dass er gegen die Beklagte ab dem Zeitpunkt seines Eintritts in die gesetzliche Altersrente einen Anspruch auf die betriebliche Altersversorgung der Beklagten gemäß der Versorgungsregelung DVersorgungsordnung in der Fassung vom 6. Dezember 2007 hat.

14

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, dem Kläger stehe kein Anspruch auf künftige Zahlung einer Altersrente nach der VO 2007 zu. Nach § 2 Abs. 4 VO 2007 sei er von deren Geltungsbereich ausgenommen. Die Regelung sei wirksam. Die mit ihr einhergehende Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern mit Individualzusagen sei sachlich gerechtfertigt, da bei diesen der Versorgungsbedarf bereits gedeckt sei. § 2 Abs. 4 VO 2007 greife auch nicht in einen vom Kläger nach den früheren Versorgungsordnungen erdienten Besitzstand ein. Der Kläger habe sich in der Vereinbarung vom 9. Januar 1987 für eine Altersversorgung über den B entschieden. Die Vereinbarung verstoße nicht gegen § 77 Abs. 4 BetrVG. Sie enthalte keinen Verzicht des Klägers auf etwaige künftige Ansprüche aus einem Versorgungswerk für nach dem 31. März 1984 eingestellte Mitarbeiter. Vielmehr habe man sich lediglich in tatsächlicher Hinsicht über die Teilnahme am Versorgungswerk der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin geeinigt. Jedenfalls habe der Betriebsrat einen möglichen Verzicht des Klägers auf Ansprüche aus der VO durch § 2 Abs. 4 VO 2007 genehmigt. Auch das Günstigkeitsprinzip finde keine Anwendung. Zumindest müsse für einen Günstigkeitsvergleich auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der VO 1988 abgestellt werden. Zu diesem Zeitpunkt seien etwaige Anwartschaften des Klägers nach der VO 1988 - im Gegensatz zu den Anwartschaften beim B - noch verfallbar gewesen.

15

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass der Kläger gegen die Beklagte ab dem Zeitpunkt des Eintritts in die gesetzliche Altersrente eine „unverfallbare Anwartschaft“ auf betriebliche Altersversorgung gemäß der VO 2007 unter Anrechnung der Leistungen des B hat, soweit diese auf Beitragszahlungen der Beklagten beruhen; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger begehrt mit seiner Revision die uneingeschränkte Klagestattgabe. Die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision das Ziel einer vollständigen Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

16

Die Revisionen des Klägers und der Beklagten sind erfolgreich. Ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist, kann der Senat auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

17

I. Die Revision des Klägers hat allerdings nicht bereits deshalb Erfolg, weil das Landesarbeitsgericht gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen hat.

18

1. Nach § 308 Abs. 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zu- oder abzusprechen, was nicht beantragt ist. Die Regelung ist Ausdruck der im Zivilprozess geltenden Dispositionsmaxime. Das Gericht darf nur über den geltend gemachten Anspruch und Streitgegenstand entscheiden. Die Antragsbindung besteht sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht (vgl. etwa BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 864/12 - Rn. 16 mwN). Das Gericht darf und muss ein „Weniger“ zuerkennen, wenn dieses Begehren im jeweiligen Sachantrag enthalten ist. Etwas anderes gilt, wenn es sich nicht um „Weniger“, sondern um etwas „Anderes“ handelt. Dies ist durch Auslegung des Klageantrags zu ermitteln (vgl. BAG 19. Mai 2015 - 3 AZR 771/13 - Rn. 20 mwN, BAGE 151, 343).

19

2. Danach liegt kein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO vor. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger nur „Weniger“, nicht aber etwas „Anderes“ als beantragt zugesprochen. Der Kläger erstrebt mit seiner Klage die Feststellung, die Beklagte habe ihm künftig eine Altersrente nach der VO 2007 zu gewähren. Das Landesarbeitsgericht hat die vom Kläger begehrte Feststellung nicht in vollem Umfang getroffen, sondern unter Anrechnung derjenigen Leistungen, die der Kläger vom B erhalten wird, soweit sie auf Beitragszahlungen der Beklagten beruhen. Damit ist es lediglich bei der Höhe der festgestellten Leistungspflicht hinter dem Begehren des Klägers zurückgeblieben.

20

II. Die Revisionen der Parteien sind jedoch deshalb begründet, weil weder die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts seine Annahme tragen, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung einer künftigen Altersrente nach der VO 2007 zu, noch mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung eine Anrechnung der dem Kläger vom B gewährten Leistungen - soweit diese auf Beitragszahlungen der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beruhen - auf eine Altersrente des Klägers nach der VO 2007 angenommen werden durfte.

21

1. Das Landesarbeitsgericht ist auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger könne von der Beklagten die künftige Zahlung einer Altersrente nach der VO 2007 verlangen. Ob der Kläger gegen die Beklagte ab dem Bezug einer gesetzlichen Altersrente einen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente nach der VO 2007 hat, kann der Senat bislang nicht abschließend beurteilen. Hierzu fehlt es an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen.

22

a) Der Kläger fällt nach § 2 Abs. 1 Buchst. a VO 2007 grundsätzlich in den persönlichen Geltungsbereich der VO 2007, da sein Arbeitsverhältnis zu der Rechtsvorgängerin der Beklagten - der D - vor dem 1. Januar 1999 begonnen hat, er zu diesem Zeitpunkt noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet hatte und sein Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der VO 2007 im Jahr 2007 noch nicht beendet war. Allerdings nimmt § 2 Abs. 4 VO 2007 ua. Mitarbeiter, die bereits eine Individualzusage erhalten haben, vom persönlichen Geltungsbereich der VO 2007 aus. Zu dieser Personengruppe gehört der Kläger.

23

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat dem Kläger in der Vereinbarung vom 9. Januar 1987 zugesagt, ihm einen monatlichen Zuschuss zu seiner freiwilligen Weiterversicherung beim B zu gewähren. Hieran anknüpfend haben die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin mit dem Kläger und dem B am 26. Juli 1993 bzw. 12. September 1994 Vereinbarungen getroffen, aufgrund derer sie seit dem 1. Juli 1986 bzw. 1. Oktober 1993 zum Zwecke der freiwilligen Weiterversicherung des Klägers Versicherungsnehmerinnen des B wurden. Damit wurde dem Kläger zumindest konkludent eine individuelle Zusage auf Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über den B und somit im Durchführungsweg Pensionskasse erteilt.

24

b) Die Beklagte ist deshalb nur dann verpflichtet, dem Kläger eine Altersrente nach der VO 2007 zu gewähren, wenn die Regelung in § 2 Abs. 4 VO 2007 unwirksam wäre. Ob dies der Fall ist, kann anhand der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht beurteilt werden.

25

aa) Anders als das Landesarbeitsgericht meint, ist die Regelung in § 2 Abs. 4 VO 2007 nicht bereits wegen eines Verstoßes gegen das Günstigkeitsprinzip insgesamt unwirksam, weil sie es der Beklagten ermöglicht, Arbeitnehmer der nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG zwingenden Wirkung der VO 2007 zu entziehen, indem sie ihnen eine einzelvertragliche Versorgungzusage erteilt.

26

Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen die Betriebsparteien befugt sind, die zwingende Wirkung einer Betriebsvereinbarung zur Disposition zu stellen, indem sie den Arbeitsvertragsparteien erlauben, von dieser zu Lasten des Arbeitnehmers abzuweichen. § 2 Abs. 4 VO 2007 nimmt sowohl Arbeitnehmer, denen die Beklagte oder ihre Rechtsvorgängerin bei Inkrafttreten der VO 2007 bereits Einzelzusagen erteilt hatte, aus ihrem Geltungsbereich aus als auch Arbeitnehmer, denen erst nach diesem Zeitpunkt noch individuelle Versorgungszusagen von der Beklagten erteilt wurden. Soweit § 2 Abs. 4 VO 2007 die Gruppe der Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - bei Inkrafttreten der VO 2007 bereits über eine individuelle Versorgungszusage verfügten, aus dem Geltungsbereich der VO 2007 ausschließt, führt die Regelung nicht dazu, dass die Betriebsparteien die zwingenden Wirkungen der VO 2007 nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG zur Disposition der Beklagten oder der Arbeitsvertragsparteien gestellt haben. Vielmehr entfalten die Regelungen der VO 2007 bezogen auf diese Arbeitnehmer von vornherein keine unmittelbare und zwingende Wirkung, da sie nicht in den Geltungsbereich der VO 2007 fallen. Damit scheidet ein Verstoß gegen das Günstigkeitsprinzip insoweit aus.

27

Lediglich bezogen auf die Gruppe der Arbeitnehmer, denen die Beklagte in der Zeit nach Inkrafttreten der VO 2007 Einzelzusagen erteilt hat, könnte die Zulässigkeit von § 2 Abs. 4 VO 2007 fraglich sein, weil die Regelung dazu führen kann, dass die für die Arbeitnehmer zunächst zwingend geltende VO 2007 - trotz ggf. ungünstigerer Einzelzusage - nicht mehr im Arbeitsverhältnis zur Anwendung gelangt. Diese Frage kann jedoch dahinstehen. Selbst wenn man zugunsten des Klägers annehmen würde, eine derartige Regelung sei unzulässig, hätte dies nicht die gesamte Unwirksamkeit von § 2 Abs. 4 VO 2007 zur Folge. § 2 Abs. 4 VO 2007 ist in Bezug auf die beiden von ihm erfassten Arbeitnehmergruppen teilbar; der verbleibende Teil der Norm enthielte auch ohne den unwirksamen Teil noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung (vgl. für die Frage der Gesamtunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung etwa BAG 16. August 2011 - 1 AZR 314/10 - Rn. 20 mwN). Daher führte ein etwaiger Verstoß von § 2 Abs. 4 VO 2007 gegen das Günstigkeitsprinzip nicht dazu, dass der Kläger nicht mehr vom Geltungsbereich der VO 2007 ausgeschlossen wäre.

28

Aus diesem Grund kommt es vorliegend auch nicht darauf an, ob - wie vom Kläger in der Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht - die Regelung in § 2 Abs. 4 VO 2007 wegen einer unzulässigen Nichtausübung bzw. eines Verzichts auf die Ausübung von Mitbestimmungsrechten nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG rechtlichen Bedenken begegnen könnte. Dieser Einwand beträfe ebenfalls nur die Arbeitnehmer, denen die Beklagte noch nach Inkrafttreten der VO 2007 Einzelzusagen erteilt hat, nicht aber die Gruppe von Mitarbeitern, die zu diesem Zeitpunkt bereits über Individualzusagen verfügten.

29

bb) § 2 Abs. 4 VO 2007 ist entgegen der Annahme des Klägers auch nicht deshalb unwirksam, weil die Regelung gegen die aufgrund von § 75 Abs. 1 BetrVG auf Betriebsvereinbarungen anwendbaren Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit verstößt.

30

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterliegen Betriebsvereinbarungen, die Versorgungsansprüche aus einer früheren Betriebsvereinbarung einschränken, einer Rechtskontrolle anhand der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit, die der Senat für Versorgungsanwartschaften durch ein dreistufiges Prüfungsschema präzisiert hat (vgl. etwa BAG 15. Mai 2012 - 3 AZR 11/10 - Rn. 24 und 25 mwN, BAGE 141, 259). Danach kann der unter der Geltung der bisherigen Ordnung und in dem Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden. Das setzt zwingende Gründe voraus. Zuwächse, die sich - wie etwa bei endgehaltsbezogenen Zusagen - dienstzeitunabhängig aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden. Für Eingriffe in dienstzeitabhängige, noch nicht erdiente Zuwachsraten genügen sachlich-proportionale Gründe (vgl. etwa BAG 23. Februar 2016 - 3 AZR 961/13 - Rn. 41 mwN).

31

(2) Es kann dahinstehen, ob die VO 2007 in unzulässiger Weise in bereits vom Kläger nach der VO 1988 und der nachfolgenden VO 1991 erworbene Anwartschaften eingreift. Selbst wenn man davon ausginge, die VO 2007 führe zu einem nicht gerechtfertigten Eingriff, weil sie einerseits die VO 1991 vollständig ablöst, andererseits dem Kläger als Inhaber einer Individualzusage seinen nach den Vorgängerregelungen der VO 2007 schon erdienten Besitzstand vollständig entzieht, hätte dies nicht die Unwirksamkeit von § 2 Abs. 4 VO 2007 zur Folge. Ein unzulässiger Eingriff einer ablösenden Betriebsvereinbarung in einen bis zum Ablösungsstichtag bereits erdienten und entsprechend § 2 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ermittelten Teilbetrag sowie in die weiteren dienstzeitabhängigen, noch nicht erdienten Zuwachsraten führt nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit lediglich dazu, dass die Ablösung insoweit unwirksam ist. Dies hat zur Folge, dass sich die Versorgung des Arbeitnehmers weiterhin nach der vorhergehenden Versorgungsordnung richtet, auf deren Fortbestand er vertraut hat und vertrauen durfte. Für den Kläger wäre dies die VO 1991. Ansprüche auf Leistungen nach der VO 1991 sind, wie der Wortlaut des Klageantrags sowie die dazu gegebene Begründung zeigt, jedoch nicht streitgegenständlich. Im Hinblick hierauf kommt es auch nicht darauf an, ob der in § 2 Abs. 4 VO 2007 geregelte Ausschluss von Arbeitnehmern mit Individualzusage aus dem persönlichen Geltungsbereich der VO 2007 schon - wie von der Beklagten erstmals in der Revision vorgetragen - in einer Vorgängerfassung der VO 2007 vom 15. November 2004 enthalten war.

32

cc) Ob die Regelung in § 2 Abs. 4 VO 2007 unwirksam ist, weil sie gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz(§ 75 Abs. 1 BetrVG) verstößt, kann mangels erforderlicher tatsächlicher Feststellungen derzeit nicht abschließend beurteilt werden.

33

(1) Nach § 75 Abs. 1 BetrVG haben die Betriebsparteien darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Zu diesen Grundsätzen gehört der Gleichbehandlungsgrundsatz, dem der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Sind für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Rechte oder Pflichten vorgesehen, verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. etwa BAG 10. November 2015 - 3 AZR 576/14 - Rn. 21 mwN). Maßgeblich ist insoweit vor allem der Regelungszweck. Dieser muss die Gruppenbildung rechtfertigen. Gerechtfertigt ist eine Gruppenbildung, wenn sie einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist. Der Differenzierungsgrund muss die in der Regelung getroffene Rechtsfolge tragen (vgl. BAG 16. Februar 2010 - 3 AZR 216/09 - Rn. 31, BAGE 133, 158 sowie für den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz BAG 15. November 2011 - 3 AZR 113/10 - Rn. 45).

34

(2) Ob danach die durch § 2 Abs. 4 VO 2007 bewirkte Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern mit einer Individualzusage gerechtfertigt ist, lässt sich anhand der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht beurteilen. Grundsätzlich sind die Betriebsparteien berechtigt, Arbeitnehmer von einem kollektiven Versorgungssystem des Arbeitgebers auszuschließen, wenn der mit diesem verfolgte Versorgungszweck bereits durch individuell vom Arbeitgeber zugesagte Leistungen erreicht wird. Dementsprechend können grundsätzlich auch Arbeitnehmer, denen bereits eine individuelle Zusage auf eine betriebliche Altersversorgung erteilt wurde, von einem kollektiven Versorgungswerk ausgenommen werden. Der vollständige Ausschluss solcher Arbeitnehmer ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn die Betriebsparteien - unter Berücksichtigung des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums und ihrer Einschätzungsprärogative (dazu BAG 16. Februar 2010 - 3 AZR 216/09 - Rn. 31, BAGE 133, 158) - davon ausgehen konnten, dass die Arbeitnehmer mit individuellen Zusagen im Versorgungsfall typischerweise eine zumindest annähernd gleichwertige Versorgung erhalten. Dies gilt auch vorliegend.

35

Der Umstand, dass Arbeitnehmer mit Individualzusagen noch in den Kreis der nach den Vorgängerregelungen der VO 2007 - der VO 1988 und der VO 1991 - Versorgungsberechtigten aufgenommen waren, führt nicht dazu, dass an die Rechtfertigung der nunmehr durch § 2 Abs. 4 VO 2007 begründeten Ungleichbehandlung erhöhte Anforderungen zu stellen wären. Den Betriebsparteien bleibt es vorbehalten, ihre Regelungsziele zu ändern, soweit dies den allgemein an die Gleichbehandlung zu stellenden Anforderungen genügt. Berechtigte Erwartungen, die bis zu einer Änderung der Betriebsvereinbarung erworben wurden, sind durch die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit, die ihren Niederschlag im dreistufigen Prüfungsschema gefunden haben, ausreichend geschützt. Die gegenteilige Auffassung im Urteil vom 28. Juni 2011 (- 3 AZR 448/09 - für den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz) gibt der Senat auf.

36

Das Landesarbeitsgericht hat bislang keine Feststellungen getroffen, ob diejenigen Arbeitnehmer, denen die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin Einzelzusagen erteilt hat, üblicherweise eine Versorgung erhalten, die annähernd dem Versorgungsniveau nach der VO 2007 entspricht. Auch der Vortrag der Beklagten lässt dies bislang nicht erkennen.

37

2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger müsse sich auf einen Anspruch auf künftige Zahlung einer Altersrente nach der VO 2007 die ihm vom B gewährten Leistungen, soweit diese auf Beitragszahlungen der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beruhen, analog Nr. 4 des Sozialkatalogs anrechnen lassen, ist ebenfalls rechtsfehlerhaft. Auf diese Begründung kann eine Anrechnung der dem Kläger vom B gewährten Leistungen nicht gestützt werden. Die Voraussetzungen für eine Analogie liegen nicht vor.

38

Eine Analogiefähigkeit der Regelungen des Sozialkatalogs scheidet aus, da dieser keine normativ geltenden Bestimmungen enthält. Zudem haben die Betriebsparteien in § 17 VO 2007 eine Anrechnungsregelung getroffen, so dass es bereits an der für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke in der VO 2007 fehlt.

39

III. Der Rechtsstreit ist auch nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

40

1. Die Klage ist nicht bereits deshalb unbegründet, weil die VO 2007 bei einer unterstellten Unwirksamkeit des § 2 Abs. 4 VO 2007 insgesamt unwirksam wäre.

41

Der Normcharakter einer Betriebsvereinbarung gebietet es, im Interesse der Kontinuität eine einmal gesetzte Ordnung aufrechtzuerhalten, soweit sie ihre Funktion auch ohne den unwirksamen Teil noch entfalten kann. Eine Betriebsvereinbarung ist daher lediglich teilunwirksam, wenn der verbleibende Teil auch ohne die unwirksame Bestimmung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält (vgl. etwa BAG 16. August 2011 - 1 AZR 314/10 - Rn. 20 mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Selbst wenn § 2 Abs. 4 VO 2007 unwirksam wäre, enthielte die VO 2007 ohne den in § 2 Abs. 4 geregelten Ausschluss von Arbeitnehmern mit Individualzusagen eine in sich geschlossene sinnvolle Regelung.

42

2. Die Klage kann auch nicht mit der Begründung abgewiesen werden, dem Kläger stünde selbst bei einer Einbeziehung in den Geltungsbereich der VO 2007 kein Anspruch auf eine Altersrente nach dieser Versorgungsordnung zu, weil die Regelungen der ihm individuell erteilten Zusage auf Leistungen über den B günstiger sind als die Bestimmungen der VO 2007.

43

a) Im Fall der Unwirksamkeit von § 2 Abs. 4 VO 2007 hätte der Kläger nach deren Regelungen Betriebsrentenanwartschaften erworben, obwohl er - als Inhaber einer einzelvertraglichen Zusage - sowohl nach dem Willen der Betriebsparteien der VO 2007 als auch nach dem Inhalt der Vereinbarung vom 9. Januar 1987 ausschließlich Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung beim B erwerben sollte. Die mit Inkrafttreten der VO 2007 eintretende Regelkollision zwischen den nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG normativ geltenden Bestimmungen der VO 2007 und der individualvertraglichen Versorgungszusage des Klägers wäre nach dem Günstigkeitsprinzip zu lösen.

44

aa) Grundsätzlich gilt im Verhältnis von vertraglich begründeten Ansprüchen und anspruchsbegründenden Normen einer Betriebsvereinbarung das Günstigkeitsprinzip. Zwar ist dies in § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG nicht ausdrücklich angeordnet. Die gesetzliche Regelung ist jedoch unvollständig. Sie wird durch das Günstigkeitsprinzip ergänzt. Dieses in § 4 Abs. 3 TVG nur unvollkommen geregelte Prinzip ist Ausdruck eines umfassenden Grundsatzes, der unabhängig von der Art der Rechtsquelle auch außerhalb des Tarifvertragsgesetzes und damit auch für das Verhältnis von vertraglichen Ansprüchen zu den Inhaltsnormen einer Betriebsvereinbarung Geltung beansprucht(vgl. BAG 16. September 1986 - GS 1/82 - zu C II 3 a, b der Gründe, BAGE 53, 42; 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 55). Danach treten die nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend geltenden Normen einer Betriebsvereinbarung hinter einzelvertragliche Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück.

45

bb) Ob eine einzelvertragliche Vereinbarung abweichende günstigere Regelungen gegenüber einer Betriebsvereinbarung enthält, ergibt ein Vergleich zwischen der Regelung im Arbeitsvertrag und in der Betriebsvereinbarung (sog. Günstigkeitsvergleich). Dieser ist erstmals in dem Zeitpunkt durchzuführen, in dem die normativ geltenden Regelungen der Betriebsvereinbarung mit der abweichenden vertraglichen Regelung kollidieren (vgl. für § 4 Abs. 3 TVG BAG 15. April 2015 - 4 AZR 587/13 - Rn. 31 mwN, BAGE 151, 221). Dabei ist ein sog. Sachgruppenvergleich vorzunehmen, dh. die in einem inneren Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen sind zu vergleichen. Die Günstigkeit einer einzelvertraglichen Regelung gegenüber einer normativ geltenden Bestimmung einer Betriebsvereinbarung muss bereits im Voraus - also unabhängig von den konkreten Bedingungen des jeweiligen Anwendungsfalls - feststehen (vgl. für § 4 Abs. 3 TVG BAG 15. April 2015 - 4 AZR 587/13 - Rn. 31, aaO; 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 42, BAGE 150, 184; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228). Hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die betreffende Regelung günstiger ist oder nicht (sog. ambivalente Regelung), ist keine Günstigkeit gegeben (siehe für den Vergleich einzelvertraglicher und tarifvertraglicher Regelungen BAG 15. April 2015 - 4 AZR 587/13 - Rn. 29, aaO; für den Vergleich einzelvertraglicher und gesetzlicher Kündigungsfristen BAG 29. Januar 2015 - 2 AZR 280/14 - Rn. 19, BAGE 150, 337). Dies gilt unabhängig davon, ob die Parteien der individualvertraglichen Regelung diese vor oder nach Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung vereinbart haben. Ist objektiv nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die von der normativ geltenden Betriebsvereinbarung abweichende Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist, verbleibt es bei der zwingenden Geltung der Betriebsvereinbarung (vgl. für § 4 Abs. 3 TVG BAG 15. April 2015 - 4 AZR 587/13 - Rn. 32, aaO). Die Partei, die sich auf die Günstigkeit einer individualvertraglichen Vereinbarung gegenüber den unmittelbar und zwingend geltenden Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung beruft, ist für das Vorliegen dieser Voraussetzung darlegungs- und beweispflichtig.

46

b) Danach wären die Regelungen der dem Kläger individuell erteilten Versorgungszusage über Leistungen des B entgegen der Ansicht der Beklagten nicht von vornherein günstiger als die kollidierenden Bestimmungen der VO 2007.

47

Die Beklagte hat nicht behauptet, dass die dem Kläger bei Eintritt des Versorgungsfalls „Alter“ vom B zu gewährende Altersrente höher wäre als eine etwaige ihm nach der VO 2007 zu zahlende Betriebsrente. Anhaltspunkte hierfür sind auch nicht ersichtlich. Die Beklagte beruft sich vielmehr allein darauf, dass beim erstmaligen Zusammentreffen der vertraglichen Versorgungszusage mit der - der VO 2007 vorangehenden - VO 1988 die Anwartschaft nach der VO 1988 im Gegensatz zu der beim B erworbenen noch nicht unverfallbar war. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Bei Inkrafttreten der VO 1988 war zwar unklar, ob der Kläger eine unverfallbare Anwartschaft nach der VO 1988 erwerben oder sein Arbeitsverhältnis zuvor enden würde. Diese Unklarheit führt jedoch dazu, dass sich die vertraglichen Regelungen im Vergleich zu den Regelungen in der VO 1988 nicht als günstiger, sondern - lediglich - als ambivalent qualifizieren lassen. Gleiches gilt für das Zusammentreffen der Individualzusage mit den nachfolgenden VO 1991 und VO 2007.

48

3. Die Klage ist auch nicht deshalb erfolglos, weil der Kläger wirksam auf künftige Ansprüche aus der VO 2007 verzichtet hätte. Es bedarf keiner Entscheidung, ob - wie unausgesprochen vom Landesarbeitsgericht angenommen - die Vereinbarung vom 9. Januar 1987, nach der der Kläger von der betrieblichen Altersversorgung der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin „ausgenommen sein soll“, als Verzicht des Klägers auf künftige Ansprüche aus einem kollektiven Versorgungswerk der Beklagten und damit auch aus der VO 2007 auszulegen ist. Selbst wenn man hiervon ausginge, führte dies vorliegend nicht zu einem anderen Ergebnis; denn ein etwaiger Verzicht des Klägers wäre nach § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG iVm. § 134 BGB unwirksam.

49

a) Nach § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG kann der Arbeitnehmer auf Ansprüche, die ihm durch eine Betriebsvereinbarung eingeräumt werden, wirksam nur mit Zustimmung des Betriebsrats verzichten. Fehlt diese, ist ein individualrechtlicher Verzicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig(vgl. etwa BAG 30. März 2004 - 1 AZR 85/03 - zu II 4 b aa der Gründe). Die Regelung erfasst alle Formen des Verzichts. Lediglich Tatsachenvergleiche, durch die Meinungsverschiedenheiten über die tatsächlichen Voraussetzungen von Ansprüchen einer Betriebsvereinbarung ausgeräumt werden, sind von § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG nicht erfasst(vgl. BAG 31. Juli 1996 - 10 AZR 138/96 -).

50

b) Damit wäre ein etwaiger in der Vereinbarung vom 9. Januar 1987 liegender Verzicht des Klägers auf künftige Ansprüche aus der VO 2007 nach § 134 BGB unwirksam.

51

aa) Entgegen der Ansicht der Beklagten enthält die Vereinbarung vom 9. Januar 1987 keinen Tatsachenvergleich. Die Vereinbarung beseitigte keine tatsächliche Ungewissheit, da bei ihrem Abschluss keine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Kläger und der D darüber bestand, ob der Kläger die tatsächlichen Voraussetzungen für den Erwerb von Anwartschaften aus einem bei dieser geltenden Versorgungswerk erfüllte. Ein solches existierte im Januar 1987 lediglich für vor dem 1. April 1984 eingestellte Mitarbeiter, nicht aber für Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - erst danach eingestellt worden waren.

52

bb) Der Betriebsrat hat mit der Regelung in § 2 Abs. 4 VO 2007 einem etwaigen Verzicht des Klägers auf seine künftigen Ansprüche aus der VO 2007 auch nicht zugestimmt. Die Regelung enthält - unabhängig von der Frage, ob sie wirksam ist - keine Zustimmung des Betriebsrats nach § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG zu einem Verzicht der dort genannten Mitarbeiter auf mögliche Ansprüche aus der VO 2007. Zwar können die Betriebsparteien in einer Betriebsvereinbarung Regelungen treffen, nach denen Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen auf Ansprüche aus derselben wirksam verzichten können (vgl. BAG 11. Dezember 2007 - 1 AZR 824/06 - Rn. 37). Eine solche Regelung trifft § 2 Abs. 4 VO 2007 jedoch nicht. Die Norm regelt nicht die Zulässigkeit des Verzichts von Arbeitnehmern mit Individualzusage auf Ansprüche aus der VO 2007, sondern legt nur den persönlichen Anwendungsbereich der VO 2007 fest. Durch die Vorschrift sollen lediglich alle Arbeitnehmer mit einer Individualzusage von der Geltung der VO 2007 ausgenommen werden, unabhängig davon, ob sie auf etwaige Ansprüche aus dieser Versorgungsordnung verzichtet haben.

53

cc) Ein möglicher Verzicht des Klägers auf etwaige künftige Ansprüche aus der VO 2007 wäre im Übrigen auch nicht deshalb wirksam, weil die Vereinbarung vom 9. Januar 1987 für den Kläger insgesamt günstiger ist als die VO 2007. Ein individualrechtlicher Verzicht auf Ansprüche aus einer Betriebsvereinbarung wäre zwar auch dann zulässig, wenn sich der Arbeitnehmer bei einem Günstigkeitsvergleich durch die in dem Verzicht enthaltene Vereinbarung insgesamt besser stellt (vgl. etwa BAG 30. März 2004 - 1 AZR 85/03 - zu II 4 b bb der Gründe; 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 244). Die Regelungen der dem Kläger individuell erteilten Versorgungszusage wären allerdings - wie bereits ausgeführt - nicht von vornherein günstiger als die Bestimmungen der VO 2007.

54

4. Die Klage ist auch nicht deshalb abweisungsreif, weil künftige Ansprüche des Klägers aus der VO 2007 nach Nr. 8 der Vorruhestandsvereinbarung erloschen wären. Ob diese Regelung überhaupt Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erfasst, kann offenbleiben. Selbst wenn man dies annähme, wären mögliche Ansprüche des Klägers aus der VO 2007 nicht erloschen, da Nr. 8 der Vorruhestandsvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG nach § 134 BGB unwirksam wäre. § 3 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG verbietet nicht nur die Abfindung einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft durch eine einmalige Zahlung, sondern auch den entschädigungslosen Erlass einer Versorgungsanwartschaft in Vereinbarungen, die im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen wurden(vgl. BAG 17. Juni 2014 - 3 AZR 412/13 - Rn. 50 mwN).

55

5. Das Begehren des Klägers ist auch nicht deswegen unbegründet, weil ihm Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegenstünden.

56

a) Ein etwaiger künftiger Anspruch des Klägers auf eine Altersrente nach Maßgabe der VO 2007 wäre nicht nach § 242 BGB verwirkt. Eine Verwirkung der den Arbeitnehmern durch eine Betriebsvereinbarung eingeräumten Rechte ist nach § 77 Abs. 4 Satz 3 BetrVG ausgeschlossen.

57

b) Dem Kläger ist die Verfolgung seines Klagebegehrens auch nicht nach dem aus § 242 BGB folgenden Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) verwehrt. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausginge, dieser Grundsatz könne der Geltendmachung von Ansprüchen aus einer Betriebsvereinbarung entgegengehalten werden und der Kläger habe sich in der Vergangenheit widersprüchlich verhalten, rechtfertigte dies keine Klageabweisung. Die Rechtsordnung lässt widersprüchliches Verhalten grundsätzlich zu. Widersprüchliches Verhalten ist erst dann missbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand entstanden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BAG 11. November 2014 - 3 AZR 849/11 - Rn. 64 mwN). Beides ist nicht der Fall. Die Beklagte konnte nicht darauf vertrauen, der Kläger werde keine Versorgungsansprüche aus der VO 2007 geltend machen.

58

IV. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht wird Feststellungen darüber zu treffen haben, ob die Arbeitnehmer, denen die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin Einzelzusagen erteilt hat, typischerweise eine Versorgung erhalten, die in etwa dem Versorgungsniveau nach der VO 2007 entspricht. Im Übrigen wird das Landesarbeitsgericht bei seiner Entscheidung Folgendes zu berücksichtigen haben:

59

1. Sollte es zu dem Ergebnis kommen, die Regelung in § 2 Abs. 4 VO 2007 sei unwirksam und der Kläger damit in den Geltungsbereich der VO 2007 einbezogen, wird es zu beachten haben, dass sich der Kläger - wie im Ergebnis vom Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen - auf seine künftige Altersrente nach der VO 2007 Leistungen des B teilweise anrechnen lassen muss. Die Voraussetzungen des in § 17 Abs. 3 VO 2007 normierten Anrechnungstatbestands sind zwar nicht gegeben. Eine Anrechnung von Leistungen des B ergäbe sich jedoch aus der Wirkungsweise des § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG iVm. dem - nach dem Vorgesagten hier anwendbaren - Günstigkeitsprinzip.

60

a) Bei einer Kollision zwischen den Regelungen einer Betriebsvereinbarung und einer einzelvertraglichen Vereinbarung gelangt die Betriebsvereinbarung im Arbeitsverhältnis zur Anwendung, wenn die einzelvertragliche Vereinbarung keine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung enthält. Dies folgt aus § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG iVm. dem Günstigkeitsprinzip. Da die Betriebsparteien individualrechtliche Rechtspositionen der Arbeitnehmer nicht wirksam beseitigen oder verschlechtern können (vgl. BAG 15. Februar 2011 - 3 AZR 54/09 - Rn. 54; 6. November 2007 - 1 AZR 862/06 - Rn. 23, BAGE 124, 323), führt die Regelung in der Betriebsvereinbarung weder zur Unwirksamkeit noch zur endgültigen Ablösung der arbeitsvertraglichen Vereinbarung (vgl. BAG 15. Februar 2011 - 3 AZR 54/09 - Rn. 54; 28. März 2000 - 1 AZR 366/99 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 94, 179). Vielmehr kommt die nicht günstigere individualvertragliche Vereinbarung lediglich für die Dauer der Geltung der Betriebsvereinbarung nicht zur Anwendung, da die Normen der Betriebsvereinbarung sie für die Zeit ihrer Wirkung verdrängen (vgl. BAG 15. Februar 2011 - 3 AZR 54/09 - Rn. 54; 21. September 1989 - 1 AZR 454/88 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 62, 360). Dies gilt unabhängig davon, ob die arbeitsvertragliche Vereinbarung vor oder nach Abschluss der Betriebsvereinbarung getroffen worden ist (vgl. BAG 21. September 1989 - 1 AZR 454/88 - zu IV 3 der Gründe, aaO; 28. März 2000 - 1 AZR 366/99 - zu II 2 a der Gründe, aaO).

61

b) Die einzelvertragliche Zusage des Klägers kollidierte - bei einer Unwirksamkeit von § 2 Abs. 4 VO 2007 - nicht erstmals mit den Bestimmungen der VO 2007, sondern bereits mit ihren Vorgängerregelungen, der VO 1988 und der nachfolgenden VO 1991. Die beiden Betriebsvereinbarungen sind nicht so auszulegen, dass neben den durch sie gewährten Versorgungsansprüchen auch solche aus individualvertraglichen Zusagen garantiert werden sollen.

62

Zwar enthielten beide Versorgungsordnungen keine § 2 Abs. 4 VO 2007 entsprechende Einschränkung ihres Geltungsbereichs für Arbeitnehmer mit einzelvertraglicher Zusage. Daher wurde der Kläger nach § 1 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Buchst. b VO 1988 bzw. 1991 von diesen Versorgungsordnungen erfasst. Auch ist es - wie vom Kläger geltend gemacht - grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer die Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gleichzeitig über mehrere verschiedene Durchführungswege zusagt. Die Wertungen der VO 1988 bzw. 1991 bieten jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die ab dem 1. April 1984 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin eingestellten Arbeitnehmer für ihre Beschäftigungszeiten bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtvorgängerin Versorgungsanwartschaften sowohl aufgrund einer etwaigen Individualzusage als auch zusätzlich aufgrund der VO 1988 und der VO 1991 erwerben sollten.

63

Bereits § 1 Abs. 3 Buchst. b VO 1988 bzw. VO 1991 lässt erkennen, dass die Betriebsparteien nicht zusätzlich zu einer bereits bestehenden Versorgung den Arbeitnehmern weitere betriebliche Altersversorgungsleistungen über einen anderen Durchführungsweg gewähren wollten. Denn die Regelung schließt diejenigen Arbeitnehmer aus dem erstmals durch die VO 1988 begründeten Versorgungswerk aus, die vor dem 1. April 1984 in das Unternehmen eingetreten waren und denen damit bereits eine Versorgung über eine Unterstützungskasse zugesagt worden war. Auch § 17 Abs. 3 VO 1988 bzw. VO 1991 lässt sich entnehmen, dass die Leistungen nach diesen Versorgungsordnungen nicht zusätzlich zu einer bereits individuell versprochenen Versorgung gewährt werden sollen. Nach dieser Norm sind sogar Versorgungsleistungen, die aus Mitteln eines anderen Arbeitgebers stammen oder mit dessen Beitragsbeteiligung erworben worden sind, auf die Leistungen der Beklagten anzurechnen, wenn sie in den Zeiten erdient wurden, die die Beklagte ihrerseits nach Maßgabe der VO 1988 und VO 1991 als Vordienstzeiten angerechnet hat.

64

c) Der Vereinbarung vom 9. Januar 1987 lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass ihre Regelungen neben einer Betriebsvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung Anwendung finden sollen. Vielmehr sollte der Kläger gerade aus dem bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu erwartenden kollektiven Versorgungswerk ausgeschlossen werden und stattdessen eine individuell zugesagte Versorgung beim B erhalten. Damit sollte auch nach der Individualvereinbarung nur ein System der betrieblichen Altersversorgung für den Kläger gelten. Rechtlich unerheblich ist, ob der Personalleiter der Beklagten dem Kläger bei Abschluss der Vereinbarung erklärt hat, die Aufrechterhaltung der Versorgung durch den B sei besser als die zu erwartende betriebliche Altersversorgung. Der Kläger konnte eine solche noch während der Verhandlungen über die VO 1988 abgegebene Erklärung vor deren Inkrafttreten nur als eine unverbindliche Einschätzung auffassen.

65

d) Die Kollision einer nicht günstigeren vertraglichen Vereinbarung mit den Normen einer Betriebsvereinbarung zum selben Regelungsgegenstand führt grundsätzlich dazu, dass die individualvertragliche Vereinbarung für die Dauer der Geltung der Betriebsvereinbarung verdrängt wird und damit im Arbeitsverhältnis nicht zur Anwendung gelangt.

66

Vorliegend haben die Parteien die individualvertragliche Vereinbarung durchgeführt und Beträge an den B gezahlt. Der Kläger hat daher auf der Grundlage der von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin erbrachten Beiträge zum B gegenüber diesem rechtswirksam einen Anspruch auf Zahlung von Leistungen bei Eintritt eines Versicherungsfalls erworben. Aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, dem Kläger und dem B vom 26. Juli 1993 und 12. September 1994 scheidet eine Rückabwicklung der verdrängten individualvertraglichen Vereinbarung vom 9. Januar 1987 aus. Deshalb kann ein Zustand, der bestünde, wenn die Parteien die Individualzusage des Klägers nicht vollzogen hätten, nicht ohne Weiteres erreicht werden. Dies ist nur möglich, wenn Leistungen, die der Kläger bei Eintritt des Versorgungsfalls vom B erhalten wird, auf die ihm ggf. nach der VO 2007 zustehende Altersrente angerechnet werden.

67

e) § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG stünde einer solchen Anrechnung von Leistungen des B nicht entgegen. Da die Leistungen des B sowohl arbeitgeber- als auch arbeitnehmerfinanziert waren, hindert diese Norm eine Anrechnung nicht. Auch aus den Entscheidungen des Senats vom 23. Februar 1988 (- 3 AZR 100/86 -), 6. Juni 1989 (- 3 AZR 668/87 -), 5. September 1989 (- 3 AZR 654/87 -) und 26. März 1996 (- 3 AZR 1023/94 -) kann der Kläger nichts anderes ableiten. Die genannten Entscheidungen beziehen sich nicht auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer individualvertraglich anstelle eines zwingend kollektivrechtlich geltenden Versorgungssystems zugesagt hatte.

68

2. Das Landesarbeitsgericht wird ggf. jedoch zu beachten haben, dass eine Anrechnung von Leistungen des B auf die dem Kläger möglicherweise nach der VO 2007 zustehende Altersrente nur in dem Umfang in Betracht kommt, in dem die individuelle Zusage des Klägers auf Leistungen des B mit dem kollektiven Versorgungswerk nach der VO 2007 kollidiert.

69

a) Da die VO 2007 ausschließlich eine arbeitgeberfinanzierte Altersversorgung regelt, müsste sich der Kläger nur solche Leistungen des B auf die Altersrente nach der VO 2007 anrechnen lassen, die auf Beiträgen der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beruhen. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen. Soweit der Kläger Leistungen des B erhält, die auf seinen Eigenbeiträgen beruhen, kommt eine Anrechnung nicht in Betracht. Auch die Beklagte verlangt dies nicht.

70

b) Darüber hinaus wäre eine Anrechnung von Leistungen des B, die auf den Beiträgen der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beruhen, nur in dem Umfang möglich, in dem der Kläger aufgrund der VO 2007 für Beschäftigungszeiten Anwartschaften erworben hat. Hierbei wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass nach § 5 Abs. 1 VO 2007 als anrechnungsfähige Dienstzeit grundsätzlich nur die Zeit gilt, die der Mitarbeiter in dem Unternehmen verbracht hat. Da der Kläger danach in der Zeit vom Beginn seines Arbeitsverhältnisses am 1. Juli 1986 bis zu dessen Beendigung mit Ablauf des 30. Juni 2009 Anwartschaften nach der VO 2007 erworben hätte, könnten die Leistungen des B grundsätzlich nur insoweit angerechnet werden, als sie auf in diesem Zeitraum von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin gezahlten Beiträgen beruhen.

71

Soweit die Beklagte für die Zeit nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund von Nr. 7 der Vorruhestandsvereinbarung weitere Beiträge zum B erbracht hat, käme eine Anrechnung der hierauf beruhenden Leistungen des B nur in Betracht, wenn die Beklagte gehalten wäre, die Zeiten des Vorruhestands auch im Rahmen der VO 2007 anwartschaftssteigernd zu berücksichtigen. Die VO 2007 selbst sieht dies zwar nicht vor. Das Landesarbeitsgericht wird aber erforderlichenfalls zu prüfen haben, ob sich eine Verpflichtung zur Anrechnung aus den Bestimmungen des in Nr. 7 der Vorruhestandsvereinbarung genannten „Vorruhestands-Tarifvertrags“ ergeben könnte. Bei der Anwendbarkeit dieses Tarifvertrags auf den Kläger wird das Landesarbeitsgericht ggf. zu beachten haben, dass mit der Klausel in § 1 Abs. 5 des Arbeitsvertrags des Klägers über ihren unmittelbaren Wortlaut hinaus nicht nur der „Tarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken in seiner jeweils gültigen Fassung“, sondern erkennbar das gesamte für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken geltende Tarifwerk und damit auch ein etwaiger „Vorruhestands-Tarifvertrag“ in Bezug genommen sein dürfte. Auch die Vorruhestandsvereinbarung enthält insoweit nichts Gegenteiliges.

72

V. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

        

    Zwanziger    

        

    Ahrendt    

        

    Wemheuer    

        

        

        

    Schmalz    

        

    Xaver Aschenbrenner    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. April 2013 - 6 Sa 2000/12 - hinsichtlich der Ziff. 3. und Ziff. 4. aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

3. Die weitergehende Revision der Beklagten sowie die Revision des Klägers werden zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 2/3, die Beklagte 1/3 zu zahlen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit der Tarifverträge der D T AG auf ihr Arbeitsverhältnis, den Umfang der vom Kläger zu leistenden Wochenarbeitszeit sowie weitergehende Vergütungsansprüche.

2

Der Kläger, Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), und Betriebsratsmitglied, ist seit 1986 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen in Vollzeit beschäftigt. Im noch mit der D B abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 1. Februar 1991 heißt es ua.:

„Für das Arbeitsverhältnis gelten die für das in Art. 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet vereinbarten Bestimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten/Arbeiter der D B T (TV Ang. (Ost) bzw. TV Arb (Ost)) und der sonstigen für das genannte Gebiet vereinbarten Tarifverträge der D B T in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart.“

3

Zum 1. Januar 1995 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers im Zuge der Postreform und der Privatisierung der T auf die D T AG (im Folgenden: DT AG) übergeleitet. In der Folgezeit wurden auf das Arbeitsverhältnis die jeweiligen Tarifverträge der D B und später die der DT AG, insbesondere der Manteltarifvertrag (MTV DTAG), der Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DTAG) und die Entgelttarifverträge (ETV DTAG) angewandt. Danach betrug die tarifvertragliche wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte 34 Stunden. Auf der Grundlage der tarifvertraglichen Regelungen der DT AG belief sich das Entgelt des Klägers im Jahr 2007 auf 40.911,80 Euro brutto. Am 25. Juni 2007 ging sein Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte über.

4

Ebenfalls am 25. Juni 2007 schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di ua. einen Manteltarifvertrag (MTV DTTS), einen Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DTTS) und einen Entgelttarifvertrag (ETV DTTS 2007). Diese Haustarifverträge enthalten insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeiten sowie der Zusammensetzung und Höhe der Vergütung Abweichungen von den bei der DT AG geltenden Tarifverträgen. Der ETV DTTS wurde seither mehrfach geändert. Im Jahr 2011 belief sich das Jahreszielentgelt des Klägers bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden auf 43.753,00 Euro, das tatsächlich erzielte Jahresentgelt auf 43.658,98 Euro brutto. In den Jahren 2012 und 2013 betrug das Jahreszielentgelt des Klägers 44.760,00 Euro und 45.700,00 Euro.

5

Mit Schreiben vom 13. November 2011 forderte der Kläger die Beklagte unter Bezugnahme auf mehrere Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Juli 2011 auf, für sein Arbeitsverhältnis wieder die Tarifverträge der DT AG anzuwenden, soweit diese günstiger seien als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten. Insbesondere forderte er, ihn wieder mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 34 Stunden zu beschäftigen und die sich für die letzten sechs Monate ergebende Arbeitszeitdifferenz seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Mit Schreiben vom 12. Januar 2012 wies die Beklagte die Forderungen zurück.

6

Mit seiner Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, die Tarifverträge der DT AG seien - soweit sie günstiger seien - auf sein Arbeitsverhältnis weiter anzuwenden. Als Vollzeitbeschäftigter sei er im Hinblick auf den zwischen den beiden Manteltarifverträgen vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich lediglich mit der im MTV DT AG vorgesehenen regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 34 Stunden zu beschäftigen. Die Beklagte habe die von ihm in der Zeit vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 darüber hinaus geleisteten Stunden zu vergüten. Insoweit hat er zuletzt 3,5 Stunden wöchentlich bei einem Stundensatz von 23,06 Euro brutto zuzüglich eines Mehrarbeitszuschlags von 25 vH geltend gemacht.

7

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Belang - zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Bestimmungen der Tarifverträge der D T AG mit Tarifstand 24. Juni 2007 kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden, soweit sie günstiger sind als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten,

2. festzustellen, dass seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gem. § 11 Abs. 1 MTV der D T AG (Tarifstand 24. Juni 2007) 34 Stunden beträgt,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 16. Mai 2011 bis 31. Dezember 2011 einen weiteren Betrag in Höhe von 3.329,29 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2012 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne sich nicht auf die für das Arbeitsverhältnis der Parteien statisch fortwirkenden Tarifverträge der DT AG stützen. Durch die widerspruchslose Weiterarbeit über mehr als vier Jahre habe er die praktizierte Vertragsänderung in die Anwendbarkeit der Haustarifverträge akzeptiert. Er habe sein Recht verwirkt, sich auf die Anwendbarkeit der Tarifverträge der DT AG zu berufen. Diese Tarifverträge mit dem Stand des 24. Juni 2007 seien auch nicht günstiger als die zwischen den Parteien normativ geltenden Haustarifverträge der Beklagten.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag zu 1. und 2. (im Tenor unter 2. und 3.) vollständig sowie dem Antrag zu 3. (im Tenor unter 4.) iHv. 582,11 Euro brutto stattgegeben. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren in Höhe von 2.747,18 Euro brutto nebst Zinsen weiter. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision weiterhin die Klageabweisung in vollem Umfang.

Entscheidungsgründe

10

Auf die Revision der Beklagten war das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben. Soweit das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 2. und des Zahlungsantrags iHv. 582,11 Euro brutto stattgegeben hat, war die Entscheidung aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Im Übrigen waren die Revision der Beklagten ebenso wie die Revision des Klägers, mit der er weitere Zahlungen für Mehrarbeit gefordert hat, zurückzuweisen.

11

A. Die Revision der Beklagten ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag zu 1. stattgegeben hat. Das Landesarbeitsgericht hat den zulässigen Feststellungsantrag zu Recht als begründet angesehen.

12

I. Der Klageantrag zu 1. ist zulässig.

13

1. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht der Zusatz „soweit sie günstiger sind als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten“ nicht entgegen. Der Kläger verfolgt mit seinem Feststellungsantrag das Ziel, eine rechtskräftige Grundlage für die Vornahme eines Günstigkeitsvergleichs zu erlangen. Damit handelt es sich bei dem Zusatz nicht um einen einschränkenden - möglicherweise nicht hinreichend bestimmten - Teil eines Feststellungsantrags, sondern lediglich um ein - als Antragsbestandteil rechtlich nicht erforderliches (vgl. BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 19) - Begründungselement.

14

2. Für den Antrag besteht auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

15

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Dieses besondere Feststellungsinteresse muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., etwa BAG 27. August 2014 - 4 AZR 518/12 - Rn. 15; 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 14, BAGE 124, 240). Dabei kann sich die Feststellungsklage auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (sog. Elementenfeststellungsklage). Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (st. Rspr., s. nur BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11 mwN, BAGE 128, 165).

16

b) Durch eine Entscheidung über die begehrte Feststellung wird jedenfalls die zwischen den Parteien streitige Frage abschließend geklärt, ob die tariflichen Regelungen der DT AG aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme überhaupt heranzuziehen sind. Dies rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses selbst dann, wenn es nachfolgend doch noch zu weiteren Rechtsstreitigkeiten darüber kommen sollte, ob sich einzelne Rechte und Pflichten aus den Tarifverträgen der DT AG als günstigere einzelvertragliche Regelung im Arbeitsverhältnis der Parteien durchsetzen oder ob sie durch die firmentarifvertragliche Regelung verdrängt werden(vgl. BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 991/12 - Rn. 12; 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 23 mwN).

17

II. Der Feststellungsantrag zu 1. ist begründet.

18

1. Die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag vom 1. Februar 1991 verweist - nach gebotener Auslegung - auf die Tarifverträge der DT AG (Tarifstand 24. Juni 2007).

19

a) Bei der vorliegenden vertraglichen Bezugnahmeklausel handelt es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats. Sie verweist auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge, an die die damalige Arbeitgeberin, die D B, gebunden war (ausf. zu einer nahezu gleich lautenden Regelung BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 17 ff., BAGE 138, 269).

20

b) Die Anwendbarkeit der Tarifverträge der DT AG ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Bezugnahmeregelung, sie folgt aber aus deren ergänzender Auslegung. Das hat der Senat in zahlreichen tatsächlich und rechtlich gleichgelagerten Fallgestaltungen bereits mehrfach entschieden und ausführlich begründet. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen ( BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 22 ff. mwN, BAGE 138, 269; weiterhin 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 39 f. mwN; 14. Dezember 2011 - 4 AZR 179/10 - Rn. 28 ff.; 16. November 2011 - 4 AZR 822/09 - Rn. 21 ff.).

21

c) Der Senat hat auch in zahlreichen vergleichbaren Fällen entschieden und ausführlich begründet (vgl. BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 36 ff. mwN, BAGE 138, 269; weiterhin 6. Juli 2011 - 4 AZR 494/09 - Rn. 45 ff. mwN; 16. November 2011 - 4 AZR 822/09 - Rn. 21, 42 ff.; 14. Dezember 2011 - 4 AZR 179/10 - Rn. 38 ff.), dass die von der Beklagten geschlossenen Haustarifverträge von der Bezugnahmeklausel nicht erfasst werden. Sie ist keine sog. Tarifwechselklausel und kann auch nicht als eine solche verstanden werden.

22

2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger sein Recht, sich auf den Inhalt der vertraglichen Abrede zu berufen, nicht verwirkt hat (§ 242 BGB). Dabei kann offenbleiben (siehe bereits die Entscheidung des Senats 22. Februar 2012 - 4 AZR 580/10 - Rn. 43), ob gegen die Geltendmachung der vertraglichen Grundlage des Arbeitsverhältnisses bei einer einseitigen Änderung seiner praktischen Durchführung überhaupt der Einwand der Verwirkung erhoben werden kann oder ob in diesem Fall nicht allein die Grundsätze einer - möglicherweise konkludenten - Vertragsänderung anzuwenden sind. Das Landesarbeitsgericht ist jedenfalls zutreffend davon ausgegangen, sowohl das im Rahmen einer Verwirkung nach Treu und Glauben neben dem Zeitmoment erforderliche Umstandsmoment als auch das Zumutbarkeitsmoment (zu diesen Voraussetzungen etwa BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 43 mwN) seien in keinem Fall gegeben. Schon deshalb scheidet eine Verwirkung aus.

23

a) Der Kläger war nicht verpflichtet, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass er sich vorbehält, seine Rechte geltend zu machen. Auch aus der widerspruchslosen Durchführung des Arbeitsverhältnisses auf Basis der Haustarifverträge der Beklagten ergibt sich keine besonders vertrauensbegründende Verhaltensweise des Klägers (ausf. in einem ähnlichen gelagerten Sachverhalt BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 44 ff.). Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt auch nicht deshalb etwas anderes, weil er in seiner Eigenschaft als Mitglied des bei ihr bestehenden Betriebsrats die Höhergruppierung nach den Tarifverträgen der Beklagten akzeptiert hat. Auch insoweit fehlt es an einem „aktiven Verhalten“ des Klägers und damit an Anhaltspunkten, dass die Beklagte als Schuldnerin davon ausgehen konnte, er kenne als Gläubiger seine Rechte und mache sie gleichwohl über längere Zeit hinweg bewusst nicht geltend (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 47; 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 34 mwN).

24

b) Den Kläger trifft auch weder eine Pflicht, das Unterrichtungsschreiben zu überprüfen noch eine solche, den Arbeitgeber auf dessen möglicherweise fehlerhafte Rechtsauffassung hinzuweisen (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 580/10 - Rn. 50 f. mwN). Für die Annahme, ihm seien die fehlerhaften Angaben in den Unterrichtungsschreiben vor Veröffentlichung der Entscheidungen des Senats vom 6. Juli 2011 (- 4 AZR 706/09 - ua.) bekannt gewesen und er sei „in Kenntnis seiner Rechte treuwidrig gegenüber der Beklagten untätig geblieben“, fehlt es an Anhaltspunkten.

25

c) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es die Kenntnis des Klägers um die Problematik der Bezugnahmeklausel in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied nicht berücksichtigt habe, ist unzulässig. Es fehlt schon an einem Vortrag der Beklagten zur Kausalität zwischen Verfahrensmangel und Ergebnis des Berufungsurteils als Bestandteil einer zulässigen Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO (vgl. nur BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 16; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 12).

26

B. Soweit das Landesarbeitsgericht dem zulässigen (zu den Voraussetzungen oben A I 2 a) Feststellungsantrag zu 2. sowie dem Zahlungsbegehren teilweise stattgegeben hat, ist die Revision der Beklagten begründet. Demgegenüber ist die Revision des Klägers, soweit er weitere Vergütung für den Zeitraum vom 16. Mai bis zum 31. Dezember 2011 begehrt hat, unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Aus den auf sein Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträgen der DT AG ergibt sich weder, dass seine regelmäßige Wochenarbeitszeit als Vollzeitbeschäftigter 34 Stunden beträgt, noch kann er aus ihnen weitergehende Zahlungsansprüche für den genannten Zeitraum herleiten. Die Tarifverträge der DT AG sind insoweit nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG als die Haustarifverträge der Beklagten.

27

I. Eine Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen (vgl. nur BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 691/08 - Rn. 43). Hiernach treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertraglichen Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ergibt ein Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung (sog. Günstigkeitsvergleich).

28

1. Zu vergleichen sind dabei die durch Auslegung zu ermittelnden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen, die in einem inneren Zusammenhang stehen (sog. Sachgruppenvergleich, s. nur BAG 21. April 2010 - 4 AZR 768/08 - Rn. 39, BAGE 134, 130; 30. März 2004 - 1 AZR 85/03 - zu II 4 b bb der Gründe mwN; ErfK/Franzen 15. Aufl. TVG § 4 Rn. 38; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 532; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 470 ff.; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 38). Ein sog. Gesamtvergleich, dh. die Gegenüberstellung des vollständigen Arbeitsvertrags auf der einen und des gesamten Tarifvertrags auf der anderen Seite, kommt ebenso wenig in Betracht wie ein punktueller Vergleich von Einzelregelungen, auch wenn aufgrund einer umfassenden arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel der Sache nach zwei Tarifverträge miteinander zu vergleichen sind (vgl. BAG 12. Dezember 2012 - 4 AZR 328/11 - Rn. 46; 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 20, BAGE 124, 34; aA Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 543; ErfK/Franzen TVG § 4 Rn. 37; Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 3 Rn. 291). Die aufgrund einzelvertraglicher Verweisungsklausel auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvorschriften haben auch bei einer umfassenden Inbezugnahme lediglich individualvertraglichen Charakter. Der Durchführung eines Gesamtvergleichs steht bereits der Wortlaut des § 4 Abs. 3 TVG („Regelungen“) entgegen, der nicht auf eine Gesamtregelung oder einen Tarifvertrag abstellt(JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 37). Abweichende Abmachungen sind danach nur zulässig, „soweit“ sie ua. eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Es kommt deshalb nicht auf die Günstigkeit der Gesamtheit der abweichenden Regelungen, sondern vielmehr nur der einander entsprechenden Teile, dh. Sachgruppen, an. Im Übrigen wäre ein Gesamtvergleich mangels einheitlicher Vergleichsmaßstäbe praktisch kaum durchführbar (vgl. BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 60, BAGE 131, 176; Löwisch/Rieble § 4 TVG 3. Aufl. Rn. 531; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 37).

29

2. Für die Durchführung eines Günstigkeitsvergleichs sind die abstrakten Regelungen maßgebend, nicht das Ergebnis ihrer Anwendung im Einzelfall. Hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die betreffende Regelung günstiger ist oder nicht (sog. ambivalente Regelung), ist keine „Günstigkeit“ iSv. § 4 Abs. 3 TVG gegeben(BAG 17. April 2002 - 5 AZR 644/00 - zu II 4 b der Gründe; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; für den Vergleich einzelvertraglicher und gesetzlicher Kündigungsfristen zuletzt: BAG 29. Januar 2015 - 2 AZR 280/14 - Rn. 19; weiterhin Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 562; ErfK/Franzen 15. Aufl. TVG § 4 Rn. 40; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 690). Dies gilt unabhängig davon, ob die Parteien des Arbeitsvertrags die vertraglichen Regelungen vor oder nach Inkrafttreten des Tarifvertrags vereinbart haben (BAG 17. April 2013 - 4 AZR 592/11 - Rn. 14, BAGE 145, 37; 25. Juli 2001 - 10 AZR 391/00 - zu II 2 a bb (2) der Gründe).

30

3. Der Günstigkeitsvergleich ist anhand eines objektiven Beurteilungsmaßstabs vorzunehmen. Maßgebend ist die Einschätzung eines verständigen Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 405; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 553; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 689; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 44; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 451; für eine Kollision von Betriebsvereinbarung und einzelvertraglicher Abrede: BAG 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 244). Auf die subjektive Einschätzung des betroffenen Arbeitnehmers kommt es nicht an. Ist die einzelvertragliche Regelung bei objektiver Betrachtung gleich oder gleichwertig (sog. neutrale Regelung), ist sie nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG.

31

4. Die Günstigkeit einer einzelvertraglichen Regelung gegenüber einer normativ geltenden Tarifnorm muss bereits im Voraus - also unabhängig von den konkreten Bedingungen des jeweiligen Anwendungsfalls - feststehen (BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 42; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; 27. Januar 2004 - 1 AZR 148/03 - zu II 2 b aa der Gründe). Der Günstigkeitsvergleich ist erstmals in dem Zeitpunkt durchzuführen, in dem die normativ geltende tarifvertragliche Regelung mit der abweichenden vertraglichen Regelung kollidiert (BAG 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 47; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 558). Dabei ist ein repräsentativer Zeitraum zugrunde zu legen. Bestimmt sich das Arbeitsentgelt nach einer einzelvertraglichen oder tarifvertraglichen Regelung etwa als Jahresentgelt und schwankt die monatliche Auszahlung, ist auf das Kalenderjahr abzustellen. Ändert sich mindestens eine der zu vergleichenden Regelungen - etwa der arbeitsvertraglich (dynamisch) in Bezug genommene oder der normativ geltende Tarifvertrag -, ist ein erneuter Günstigkeitsvergleich durchzuführen (Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 419; Thüsing/Braun/Forst Kap. 7 Rn. 47; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 48; aA Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 558). Dies kann - insbesondere bei Zusammentreffen eines statisch in Bezug genommenen Tarifwerks mit einem normativ geltenden Tarifvertrag - dazu führen, dass sich die einzelvertragliche Regelung zunächst als günstiger erweist, dies sich aber aufgrund von Anpassungen der kraft Tarifgebundenheit geltenden Regelungen ändert.

32

5. Ist nach diesen Maßstäben objektiv nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die vom normativ geltenden Tarifvertrag abweichende Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist - sei es, weil es sich um eine „ambivalente“, sei es, weil es sich um eine „neutrale“ Regelung handelt -, verbleibt es bei der zwingenden Geltung des Tarifvertrags (BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 43; 12. April 1972 - 4 AZR 211/71 - BAGE 24, 228; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 39, 45; Thüsing/Braun/Forst Kap. 7 Rn. 46; Henssler/Moll/Bepler Teil 9, Rn. 178). Das folgt sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der systematischen Stellung von § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG als gesetzlichem Ausnahmetatbestand. Der Gesetzgeber hat eine Abweichung vom Grundsatz der zwingenden Wirkung geltender Tarifnormen (Regel) nur für den Fall vorgesehen, dass die betreffende Regelung „günstiger“ ist als die tarifliche Norm (Ausnahme). Ist die Günstigkeit der abweichenden Regelung nicht sicher feststellbar, greift § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG nicht ein (vgl. Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 420; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 478; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 690; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 562; JKOS/Jacobs § 7 Rn. 48 mwN). Nach dem in § 4 TVG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen gebührt den normativ geltenden Tarifverträgen Vorrang vor dem individuell vereinbarten Arbeitsvertrag. Dementsprechend trägt der Arbeitnehmer nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen sich die Günstigkeit der abweichenden Regelung ergibt.

33

II. In Anwendung dieser Grundsätze sind die aufgrund der vertraglichen Bezugnahmeklausel auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Tarifverträge der DT AG - jedenfalls für die streitgegenständlichen Zeiträume - hinsichtlich der in beiden Tarifwerken geregelten „Vollzeitarbeitsverhältnisse“ nicht günstiger als die normativ geltenden Tarifbedingungen der DTTS.

34

1. Das Landesarbeitsgericht hat im Ausgangspunkt zu Recht die Dauer der Arbeitszeit und das dem Kläger als Gegenleistung zustehende Entgelt zu einer Sachgruppe zusammengefasst.

35

a) Die Dauer der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung und das ihm dafür zustehende Arbeitsentgelt stehen als Teile der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten in einem engen, inneren sachlichen Zusammenhang (BAG 12. Dezember 2012 - 4 AZR 328/11 - Rn. 46; vgl. auch BAG 10. April 2014 - 2 AZR 812/12 -; 10. Februar 1999 - 2 AZR 422/98 - zu III 2 der Gründe, BAGE 91, 22). Die Günstigkeit einer kürzeren oder längeren Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitsverhältnisses lässt sich ebenso wenig isoliert beurteilen, wie das Arbeitsentgelt ohne Rücksicht auf die hierfür aufzuwendende Arbeitszeit.

36

Allein der Umstand, dass Arbeitszeit und Arbeitsentgelt zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände betreffen, führt nicht zu einer unterschiedlichen Sachgruppenzuordnung (so aber LAG Baden-Württemberg 14. Juni 1989 - 9 Sa 145/88 -). Es geht nicht darum, Arbeitszeit auf der einen und Arbeitsentgelt auf der anderen Seite miteinander zu vergleichen. Zu vergleichen sind vielmehr die - sachlich in untrennbarem Zusammenhang stehenden - Regelungen von Arbeitszeit und Arbeitsentgelt in dem einen in Anspruch genommenen Regelwerk mit denen in einem anderen kraft Tarifgebundenheit geltenden Regelwerk.

37

aa) Eine längere Arbeitszeit ist nicht per se deshalb „ungünstiger“, weil mit ihr ein Verlust an Freizeit einhergeht (so aber Däubler Tarifvertragsrecht 3. Aufl. Rn. 218; ähnlich Schubert/Zachert in Kempen/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 428). Ist nämlich die verlängerte Arbeitszeit mit einer Erhöhung des Arbeitsentgelts verknüpft, führt die Arbeitszeitverlängerung gleichzeitig zu einer Steigerung der Verdienstmöglichkeit, die für einen Arbeitnehmer, der aus welchen Gründen auch immer an einem höheren Entgelt interessiert ist, insgesamt betrachtet günstiger sein mag. Ungünstiger kann sie hingegen für den Arbeitnehmer sein, dem es wichtiger ist, diese Zeit zur freien Verfügung zu haben. Umgekehrt kann eine - einzelvertragliche - Verlängerung der Arbeitszeit nicht mit der Begründung als günstiger angesehen werden, die Arbeit diene zur „Persönlichkeitsentfaltung“ (vgl. dazu Schweibert, Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit durch Tarifvertrag, S. 201). Das wird bereits daran deutlich, dass ein Arbeitnehmer regelmäßig nicht bereit sein wird, um der „Selbstverwirklichung“ willen unentgeltlich länger zu arbeiten (Kühnast, Die Grenzen zwischen tariflicher und privatautonomer Regelungsbefugnis, S. 287). Vielmehr hängt die Beurteilung, ob eine kürzere oder längere Arbeitszeit günstiger ist, immer auch davon ab, welche Gegenleistung der Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung erhält.

38

bb) Aus dem Zusammenhang zwischen zu zahlendem Entgelt und der hierfür aufzuwendenden Arbeitszeit folgt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht, dass der Günstigkeitsvergleich ausschließlich auf der Grundlage eines zu ermittelnden Arbeitsentgelts pro Stunde durchzuführen wäre. Die Annahme, ein höheres Stundenentgelt sei stets als für den Arbeitnehmer günstiger anzusehen, trifft nicht zu. Die Arbeitszeit ist nicht lediglich ein unselbständiger Berechnungsfaktor des Arbeitsentgelts. Vielmehr ist beim Vergleich von „Vollzeitarbeitsverhältnissen“ auch die Anzahl der maßgebenden Stunden in die Betrachtung einzubeziehen, weil anderenfalls eine mit der geringeren Arbeitszeit einhergehende Entgeltabsenkung unberücksichtigt bliebe. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn man dem Arbeitnehmer gestattete, die höheren Arbeitszeiten des einen Regelwerks mit dem höheren Stundenentgelt des anderen Regelwerks zu kombinieren. Dies liefe aber auf einen Einzelvergleich hinaus. Ein solcher ist abzulehnen, weil er sachliche Regelungszusammenhänge auseinander risse (vgl. zB JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 36).

39

cc) Ferner verdeutlichen die Fälle, in denen in einem höheren Arbeitsentgelt eine pauschale Abgeltung von Überstunden enthalten ist, den sachlichen Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und Arbeitsentgelt. Selbst wenn eine solche (arbeitsvertragliche) Regelung nur dann klar und verständlich ist, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen (vgl. nur BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 16), lassen sich Arbeitszeit und Entgelt gleichwohl nicht voneinander trennen, weil unklar bleibt, ob die pauschal vergüteten Überstunden tatsächlich anfallen. Den Günstigkeitsvergleich in der Weise durchzuführen, dass der Arbeitnehmer nur die reguläre Arbeitszeit zu erbringen hätte, dafür aber das höhere Entgelt fordern könnte, würde hierbei zu unsachgerechten Ergebnissen führen.

40

b) Zur Sachgruppe „Arbeitszeit und Arbeitsentgelt“ gehört - wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zu Recht angenommen hat - regelmäßig neben der festgelegten Arbeitszeit das Arbeitsentgelt im engeren Sinne. Soweit sich dieses aus einem fixen und einem variablen Teil zusammensetzt, sind beide Bestandteile zu berücksichtigen. Nicht zur Sachgruppe „Arbeitszeit und Arbeitsentgelt“ gehört, entgegen der Auffassung der Beklagten, hingegen eine Beschäftigungsgarantie. Die Hauptleistungspflichten auf der einen und eine Beschäftigungsgarantie auf der anderen Seite sind unterschiedlich geartete Regelungsgegenstände, für deren Bewertung es keinen gemeinsamen Maßstab gibt. Eine Beschäftigungssicherung durch den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen ist daher nicht geeignet, Verschlechterungen bei der Arbeitszeit oder dem Arbeitsentgelt zu rechtfertigen (st. Rspr. BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 60, BAGE 131, 176; 24. September 2008 - 6 AZR 657/07 - Rn. 29, BAGE 128, 63; 6. November 2007 - 1 AZR 862/06 - Rn. 24, BAGE 124, 323; 7. November 2002 - 2 AZR 742/00 - zu B I 1 d bb (2) der Gründe, BAGE 103, 265).

41

2. Der im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung vorzunehmende Sachgruppenvergleich führt hiernach dazu, dass die für das Arbeitsverhältnis der Parteien einzelvertraglich weiterhin - statisch - anwendbaren Regelungen der Tarifverträge der DT AG betreffend die Arbeitszeit und das Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG sind.

42

a) Soweit der Kläger Zahlungsansprüche geltend macht, ist der Günstigkeitsvergleich nach Maßgabe der das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitraum vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 bestimmenden Regelungen vorzunehmen.

43

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger im Jahr 2007 bei einer Vollzeittätigkeit von 34 Stunden pro Woche ein Jahresentgelt von 40.911,80 Euro erhalten. Im Jahr 2011 betrug das Jahreszielentgelt des - weiterhin vollzeitbeschäftigten - Klägers auf der Grundlage der bei der Beklagten geltenden Haustarifverträge 43.753,00 Euro.

44

bb) Ob für die Durchführung des Günstigkeitsvergleichs bei einem variablen Entgelt auf das für einen vergleichbaren Arbeitnehmer erzielbare Entgelt oder auf das festgelegte oder durchschnittliche Jahreszielentgelt abzustellen ist, musste der Senat vorliegend in Anbetracht des im Jahre 2011 tatsächlich gezahlten Entgelts von 43.658,98 Euro nicht abschließend entscheiden. Das Jahreszielentgelt war objektiv und subjektiv - jedenfalls im Prinzip - erreichbar. Besondere Umstände, die - wenn überhaupt - zu einer anderen Bewertung führen könnten, hat der Kläger nicht dargetan.

45

cc) Damit lag das Entgelt des Klägers nach den bei der Beklagten geltenden Tarifverträgen im streitgegenständlichen Zeitraum in jedem Fall höher als dasjenige, das er nach den Tarifregelungen der DT AG (Stand 24. Juni 2007) erhalten hätte. Aufgrund des höheren Gesamtverdienstes im betreffenden Zeitraum bei einer erhöhten Arbeitszeit als vollbeschäftigter Arbeitnehmer lassen sich die arbeitsvertraglichen Regelungen im Vergleich zu den tarifvertraglichen Regelungen nicht als günstiger, sondern - lediglich - als ambivalent qualifizieren. Anhaltspunkte dafür, dass das höhere Jahreszielentgelt des Klägers auf anderen Faktoren als den tarifvertraglichen Entgeltbestimmungen beruht, sind nicht ersichtlich. Die statisch auf das Arbeitsverhältnis der Parteien weiterhin anwendbaren Tarifverträge der DT AG mit Stand vom 24. Juni 2007 vermögen deshalb die normativ geltenden tariflichen Regelungen nicht zu verdrängen. Da der Kläger danach auf der Grundlage der bei der Beklagten geltenden Tarifverträge ordnungsgemäß vergütet worden ist, kann er insoweit keine weitergehenden Zahlungsansprüche geltend machen.

46

dd) Die vom Kläger beanspruchten Mehrarbeitszuschläge iHv. 25 vH stehen ihm unabhängig von einem vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich bereits deshalb nicht zu, weil es sich bei den betreffenden Stunden nicht um Mehrarbeit im tariflichen Sinne handelt. Gem. § 13 Abs. 1 MTV DTAG ist Mehrarbeit die über die für den Arbeitnehmer betrieblich festgelegte wöchentliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit. Die betrieblich festgelegte Arbeitszeit betrug seit dem Betriebsübergang auf die Beklagte nicht mehr 34, sondern 38 Stunden in der Woche. Soweit die - nicht tragenden - Ausführungen im Urteil vom 21. November 2012 (- 4 AZR 231/10 -) ein anderes Ergebnis entnommen werden könnte, hält der Senat - klarstellend - daran nicht fest.

47

b) Hinsichtlich des mit dem Antrag zu 2. verfolgten Feststellungsbegehrens, dass die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers 34 Stunden wöchentlich beträgt, ist der Günstigkeitsvergleich getrennt nach Zeitabschnitten vorzunehmen.

48

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lag das Jahreszielentgelt des Klägers 2011 bei 43.753,00 Euro, 2012 bei 44.760,00 Euro und 2013 bei 45.700,00 Euro. In jedem Zeitraum lag das Entgelt damit über dem Jahresentgelt, welches der Kläger auf der Grundlage der nach der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel anwendbaren Tarifverträge der DT AG mit Stand 24. Juni 2007 erhalten hätte.

49

bb) Danach führt der Günstigkeitsvergleich nach den dargestellten Maßstäben auch bezüglich der weiteren Zeiträume dazu, dass die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifbestimmungen ambivalent und folglich nicht günstiger sind als die normativ geltenden. Anhaltspunkte dafür, dass das höhere Jahreszielentgelt auf anderen Faktoren als den tarifvertraglichen Entgeltbestimmungen beruht, hat der darlegungspflichtige Kläger auch insoweit nicht vorgetragen.

50

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Treber    

        

    Rinck    

        

        

        

    Hannig    

        

    Kriegelsteiner    

                 

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. Juli 2017 – Gz. 27 Ca 487/16 – wird zurückgewiesen.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. Juli 2017 – Gz. 27 Ca 487/16 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 80/100 und die Beklagte zu 20/100 zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Rahmen eines Feststellungsantrags darüber, ob auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis Tarifverträge für den Einzelhandel in Hamburg, insbesondere ein Entgelttarifvertrag in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden, ferner über daraus resultierende Vergütungsansprüche des Klägers.

2

Die Beklagte betreibt ein Einzelhandelsunternehmen mit einer Vielzahl von Filialen im Bundesgebiet. Der Kläger, der Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ist, ist seit dem 1. Juni 1994, zuletzt auf Grundlage eines Anstellungsvertrags vom 14. September 2004 (Anlage K 1, Bl. 11-12 d.A.) bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin in der Filiale X-Straße in Hamburg als Erstkraft in einer Abteilung beschäftigt. Der Anstellungsvertrag vom 14. September 2004, auf den im Übrigen Bezug genommen wird, lautet auszugsweise:

3

[...]

4

2. Sie erhalten für Ihre Tätigkeit eine Vergütung von Euro 2.324,00 __ brutto für 163,00___ Std./monatlich = 100% der tariflichen Monatsarbeitszeit.

5

Im vorstehenden Betrag sind enthalten:
nach Tarifgruppe GB III/01.09.1990 EUR _______ brutto

6

3. Etwaige die tariflichen Ansprüche übersteigende Mehrbezüge werden bei einer Veränderung der tariflichen Ansprüche verrechnet, es sei denn, dass ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen wird.
[...]

7

9. Sie erhalten Urlaub nach den jeweils geltenden Bestimmungen des Tarifvertrags und der Betriebsordnung
[...]

8

14. Die Bedingungen dieses Anstellungsvertrages behalten ihre Gültigkeit auch dann, wenn eine Änderung der bisherigen Tätigkeit und / oder eine Änderung des Entgelts – bei Teilzeitbeschäftigung auch der Arbeitszeit – eintritt. Im übrigen gelten die Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels , die Gesamtbetriebsvereinbarungen der K. AG, sowie die Betriebsordnung der o.g. Betriebsstelle in ihrer jeweils gültigen Fassung.

9

[...]“

10

Der zuvor zwischen den Parteien geschlossene Anstellungsvertrag datiert vom 5. Mai 1997 und enthält insoweit nahezu gleichlautende Formulierungen (vgl. Anlage B 3, Bl. 122 d.A.). Wegen des genauen Wortlautes der diesbezüglichen Regelungen wird auf die Anlage B 3 Bezug genommen.

11

Bis zum 6. Mai 2013 war die Beklagte Vollmitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbands, dem Landesverband des Hamburger Einzelhandels e.V.. Mit Kündigung vom 6. Mai 2013 (vgl. Anlage B 1, Bl. 113 d.A.) beendete die Beklagte ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband mit sofortiger Wirkung. Nach ihrem Verbandsaustritt zahlte sie an den Kläger nur noch ein „Tarifgehalt“ auf Basis des zum 6. Mai 2013 geltenden Entgelttarifvertrags des Hamburger Einzelhandels in Höhe von EUR 2.630,00 (vgl. Entgeltabrechnungen für April bis Oktober 2016, Anlagenkonvolut K3, Bl. 30 ff. d.A.). Tariflohnerhöhungen in 2013 bzw. den Folgejahren gab die Beklagte nicht mehr an den Kläger weiter.

12

Mit der am 23. November 2016 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen und der Beklagten am 2. Dezember 2016 zugestellten Klage macht der Kläger rückwirkend Differenzvergütung (monatlich EUR 262,00 brutto) für die Monate April 2016 bis November 2016, eine um EUR 111,50 brutto höhere Jahressonderzahlung und höhere Zahlungen für Sonntagsöffnungszeiten (EUR 163,75) geltend, die sich unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher Tariflohnerhöhungen auf Basis des Entgelttarifvertrags des Einzelhandels in Hamburg ergeben würden. Dabei streiten die Parteien darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf entsprechende Tariflohnerhöhungen aus den Tarifabschlüssen für die Jahre 2013 bis 2016 zusteht.

13

Zwischenzeitlich vereinbarte die Beklagte mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) einen sog. „Zukunftstarifvertrag K.“ (nachstehend: „Zukunftstarifvertrag“; Anlage B 2, Bl. 114-121 d.A.), der mit Wirkung zum 2. Dezember 2016 in Kraft trat. Der Zukunftstarifvertrag sieht unter A. III Ziffer 1. u.a. vor:

14

1. Aktuelles K.-Tarifentgelt

15

Mit Inkrafttreten dieses Tarifvertrags besteht ein Anspruch auf Tarifentgelt gemäß Tarifabschluss für die Tarifjahre 2011 bis 2013. Die zwischen den Tarifvertragsparteien in den Ländern vereinbarten Entgelterhöhungen aus den Tarifabschlüssen 2013 für die Tarifjahre 2013 und 2014 sowie 2015 für die Tarifjahre 2015 und 2016 werden ausgesetzt. Soweit für diese vor Abschluss dieses Tarifvertrags liegenden Zeiträume Ansprüche auf tarifliche Leistungen geltend gemacht werden, eingeklagt oder vereinbart wurden, bleiben diese Ansprüche unberührt, soweit sie bestehen.

16

Die Beklagte vergütet alle Mitarbeiter, auch den Kläger, nach dieser tariflichen Regelung, die weiterhin das Entgeltniveau auf dem Stand von Mai 2013 vorsieht. Im Gegenzug für die Aussetzung der Entgelterhöhungen wurde unter Abschnitt B. des Zukunftstarifvertrags eine Standort- und Beschäftigungssicherung bis zum 31. März 2021 geregelt.

17

Der Kläger hat vorgetragen, dass in seinem Anstellungsvertrag dynamisch auf die Tarifverträge des Einzelhandels in Hamburg verwiesen werde, so dass auch nach Beendigung der Tarifbindung der Beklagten die Tariflohnerhöhungen ab 2013 durch die Entgelttarifverträge für den Hamburger Einzelhandel an ihn weiterzugeben gewesen wären. Jedenfalls im Wege der Auslegung ergebe sich, dass die unter Ziffer 2 des Anstellungsvertrags der Parteien getroffene Vergütungsregelung keine statische Regelung, sondern lediglich eine Wissenserklärung beinhalte. Auch im Hinblick auf die Vergütung werde durch Ziffer 14 des Anstellungsvertrags auf die einschlägigen Entgelttarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Bezug genommen. Der Entgelttarifvertrag des Hamburger Einzelhandels, der aufgrund arbeitsvertraglicher, dynamischer Verweisung für das Arbeitsverhältnis gelte, werde unter Berücksichtigung des Günstigkeitsprinzips auch nicht ab Dezember 2016 durch den Zukunftstarifvertrag zwischen der ver.di und der Beklagten verdrängt.

18

Der Kläger hat beantragt,

19

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 2.350,25 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und weitere EUR 40,00 netto zu zahlen;

20

2. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge für den Einzelhandel in Hamburg in ihrer jeweils geltenden Fassung anwendbar sind und deshalb die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ein Tarifgehalt der Gruppe GB 3 nach 5 Berufsjahren des Entgelttarifvertrages für den Einzelhandel des Landes Hamburgs in der jeweils gültigen Fassung in Höhe von zur Zeit EUR 2.895,00 brutto zu zahlen.

21

Die Beklagte hat beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Die Beklagte hat vorgetragen, dass der Kläger keinen Anspruch auf Weitergabe der Tariflohnerhöhungen nach dem Entgelttarifvertrag des Einzelhandels in Hamburg habe. Für den Zeitraum bis 2. Dezember 2016 folge dies daraus, dass nach dem Verbandsaustritt der Beklagten am 6. Mai 2013 der Entgelttarifvertrag nur noch statisch auf dem Stand von Mai 2013 fortgelte, d.h. das Entgeltniveau auf diesem Stand eingefroren sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Anstellungsvertrag der Parteien, aus dem sich auch bzw. jedenfalls im Hinblick auf die Vergütung gerade keine „unbedingte zeitdynamische Verweisung“ herleiten lasse. Die unter Ziffer 2 des Anstellungsvertrags getroffene Entgeltregelung enthalte gerade keinerlei Hinweis auf eine dynamische Tarifgeltung, sondern lege eine absolute Gehaltssumme fest, was auch durch die Datumsangabe „Tarifgruppe GB III/01.09.1990“ bestätigt werde. Der Verweis in Ziffer 14 des Anstellungsvertrags beziehe sich gerade nicht auf die fixe Entgeltabrede in Ziffer 2, da danach der Tarifvertrag nur „im Übrigen“ und damit schon dem Wortlaut nach nur für Arbeitsbedingungen gelte, die nicht bereits im Anstellungsvertrag (abschließend) geregelt seien. Hinzu komme, dass der Zusatz „in ihrer jeweils gültigen Fassung“ sich ausschließlich auf die Betriebsordnung beziehe. Dementsprechend werde auch in der Urlaubsregelung der Ziffer 9 des Anstellungsvertrags ausdrücklich auf die „jeweils geltenden Bestimmungen des Tarifvertrages“ verwiesen. Ab dem 2. Dezember 2016 gelte im Übrigen auch für den Kläger der Zukunftstarifvertrag, und zwar normativ wie durch die individualvertragliche Verweisung des Anstellungsvertrags. Der Zukunftstarifvertrag gehe dann als speziellere Regelung den Flächentarifverträgen vor. Bei alledem – insbesondere bei dem Prüfungsmaßstab – sei schließlich zu berücksichtigen, dass der letzte Arbeitsvertrag mit dem Kläger zwar vom 14. September 2004 datiert, an den hier entscheidenden Stellen aber nur der Altvertrag vom 5. Mai 1997 wiederholt werde.

24

Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Urteil vom 19. Juli 2017 – Gz.: 27 Ca 486/16 – (Bl. 129 – 141 d.A.) der Klage insoweit hinsichtlich des Zahlungsantrages (Klagantrag zu 1) dahingehend stattgegeben, dass es die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger EUR 2.350,25 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2017 zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

25

Die Beklagte sei verpflichtet, an den Kläger für die Zeit bis zum 1. Dezember 2016 ein Tarifgehalt der Tarifgruppe GB III des Entgelttarifvertrags des Einzelhandels Hamburg in seiner jeweils gültigen Fassung zu zahlen. Daraus ergebe sich ein Anspruch des Klägers auf Differenzvergütung in Höhe von EUR 2.350,25 brutto. Der Anspruch ergibt sich zwar nicht bereits aus einer normativen Geltung der Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel, da diese nach dem Verbandsaustritt der Beklagten zum 6. Mai 2013 nur statisch fortgelten würden. Eine Auslegung von Ziffer 14 des Anstellungsvertrags der Parteien ergebe aber eine dynamische Verweisung auf die Tarifverträge für den Einzelhandel, weshalb auch nach Verbandsaustritt der Beklagten die Tariflohnerhöhungen in 2013 und den Folgejahren an den Kläger weiterzugeben seien. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts (Urteil vom 11. November 2015 – 3 Sa 1835/14 -) sei auszuführen, dass die Parteien in Ziffer 2 des Arbeitsvertrages und in der dort angeführten Tarifgruppe keine konstitutive Vereinbarung hinsichtlich der Eingruppierung getroffen, sondern lediglich eine „Wissenserklärung“ im Hinblick auf die damals aus ihrer Sicht zutreffende Tarifgruppe vorgenommen hätten. Auch habe die Beklagte als Klauselverwenderin durch die zweimaligen Bezugnahmen in Ziffer 2 des Vertrages auf tarifliche Regelungen signalisiert, dass sie nach Tarif vergüte. Dafür spreche auch Ziffer 3 des Vertrages, der ausdrücklich von tariflichen Ansprüchen und außertariflichen Zulagen, Prämien, Sonderzahlungen etc. spreche. Der durchschnittliche Arbeitnehmer dürfe eine solche Bezugnahme auf tarifliche Ansprüche und die Verknüpfung von individueller Arbeitszeit mit tariflicher Monatsarbeitszeit und eines bezifferten Euro-Betrages mit einer Tarifgruppe redlicherweise so verstehen, dass der in der Ziffer 2 genannte Euro-Betrag nicht statisch festgelegt sei, sondern sich entsprechend der Tariferhöhungen entwickeln solle. Umgekehrt würde ein redlicher Arbeitgeber, wenn er die von ihm gestellten Klauseln nicht so verstanden wissen wollte, die Bezugnahme auf tarifliche Ansprüche unterlassen und deutlich zum Ausdruck bringen, dass er nicht „nach Tarif“ zahlen will.

26

Bei der Formulierung in Ziffer 14 Satz 2 des Arbeitsvertrages, in dem einleitend „im Übrigen“ auf die Tarifverträge verwiesen wird, handele es erkennbar lediglich um eine Verknüpfung zum vorausgehenden Satz und nicht um eine Einschränkung dahin, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge lediglich insoweit gelten sollen, als der Vertrag keine Regelungen enthält. Dagegen spreche bereits die Wortwahl in Ziffer 2 und 3 des Vertrages, die ihrerseits bereits eine dynamische Bezugnahme enthalten. Im Übrigen gelte auch hier, dass ein redlicher Arbeitgeber, wenn er die von ihm gestellte Klausel (in Ziffer 14 Satz 2) nicht als konstitutive dynamische Bezugnahme verstanden wissen wollte, die Bezugnahme auf die Tarifverträge unterlassen hätte.

27

Es hätte – so das Arbeitsgericht – an der Beklagten gelegen, bei dem Abschluss des Arbeitsvertrags vom 14. September 2004 eine dynamische Verweisung, sofern diese nicht gewollt gewesen sei, ausdrücklich und für jedermann unmissverständlich auszuschließen. Insoweit ergebe sich auch kein anderer Prüfungsmaßstab, weil die Parteien schon vor dem 1. Januar 2002 ein ähnlich lautender Arbeitsvertrag verband, da die Parteien ihre Rechtsbeziehung mit dem streitgegenständlichen Arbeitsvertrag auf eine völlig neue Grundlage gestellt hätten. In diesem Zusammenhang hätte nach Auffassung des Arbeitsgerichts an der Beklagten gelegen, auch eine Vergütungsregelung klar zu formulieren. Dementsprechend könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Arbeitsvertragsparteien in Ziffer 2 ihres Vertrags eine eigenständige, feststehende arbeitsvertragliche Vereinbarung zur Lohnhöhe getroffen hätten. Vielmehr hätten sie dort schlicht die tarifliche Vergütung niedergeschrieben, die dann auch im Fall des Klägers mit Blick auf Ziffer 14 des Anstellungsvertrags und dem Verweis („im Übrigen“) u.a. auf den Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel in Hamburg „in der jeweils gültigen Fassung“ entsprechend den von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Lohnerhöhungen jedenfalls bis zum 1. Dezember 2016 zu erhöhen gewesen sei. Daran ändere auch die Bezugnahme auf ein bestimmtes Datum in Ziffer 2 des Arbeitsvertrags der Parteien („Tarifgruppe GB III/01.09.1990“) nichts, zumal kein Gehalt auf dem Entgeltniveau zum Stichtag 1. September 1990 festgeschrieben worden sei. Vielmehr beziehe sich die Datumsangabe auf ein bestimmtes Vergütungsgruppenverzeichnis, demnach der Kläger in Vergütungsgruppe GB III eingruppiert ist. Nach alledem könne der Kläger Vergütungsansprüche, die nicht bereits durch Erfüllung erloschen sind, in unstreitiger Höhe von EUR 2.350,25 von der Beklagten verlangen, ferner wegen Verzuges der Beklagten gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB eine Pauschale in Höhe von EUR 40,00.

28

Da ab dem 2. Dezember 2016 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Zukunftstarifvertrag sowohl normativ wie auch aufgrund einzelvertraglicher Verweisung Anwendung finde, sei der Feststellungsantrag des Klägers unbegründet. Die Tarifkonkurrenz, die sich aus der Verweisung des Anstellungsvertrags auf den Zukunftstarifvertrag einerseits sowie die Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels andererseits ergebe, sei nicht über das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG aufzulösen. Vielmehr gelte das Spezialitätsprinzip, wonach vorliegend der Zukunftstarifvertrag als speziellere Regelung die Verbandstarifverträge verdränge. Es sei davon auszugehen, dass die Parteien mit ihrer Verweisung dem Tarifvertrag Vorrang einräumen wollten, der dem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten stehe und deshalb den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebs und der darin tätigen Arbeitnehmer am besten trage. Dies sei der Zukunftstarifvertrag, der zeitlich nachfolgend als „maßgeschneiderter“ Firmentarifvertrag mit der gleichen Gewerkschaft geschlossen wurde. Im Übrigen ergebe sich auch nicht aus dem Zukunftstarifvertrag, dass keine Aussetzung der Tariflohnerhöhungen ab den Jahren 2013 stattfinde und sich Vergütungsansprüche weiterhin nach den Tarifverträgen für den Hamburger Einzelhandel richten. Insbesondere ergebe sich das nicht daraus, dass der Zukunftstarifvertrag unter A. III Ziff. 1 letzter Satz regelt, dass bestehende Ansprüche unberührt bleiben. Diese Formulierung beziehe sich ausdrücklich nur auf Ansprüche für die „vor Abschluss dieses Tarifvertrags liegenden Zeiträume“. Ziel der Tarifvertragsparteien sei es gewesen, im Gegenzug zu einer Standort- und Beschäftigungssicherung bis zum Ablauf des 31. März 2021 das Gehaltsniveau bei der Beklagten ab dem Geltung Zeitpunkt des Zukunftstarifvertrags einheitlich festzuschreiben und ggf. abzusenken.

29

Einer Gehaltsreduzierung des Klägers ab dem 2. Dezember 2016 aufgrund des Zukunftstarifvertrages stünden auch keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen. Eine zukünftige Erwartung des Klägers auf ein bestimmtes Gehalt sei nicht geschützt. Hinzu komme, dass auch der Kläger im Gegenzug zur Gehaltseinbuße eine Standort- und Beschäftigungssicherung erhalte.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

31

Gegen dieses am 24. Juli 2017 (Bl. 142 d.A.) ihm zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 15. August 2017 (Bl. 144-145 d.A.) beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung des Klägers ist am 25. September 2017 (Bl. 196 ff. d.A.), einem Montag, beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Gegen dieses am 26. Juli 2017 (Bl.143 d.A.) ihr zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 25. August 2017 (Bl. 151 ff. d.A.) beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung der Beklagten ist am 25. September 2017 (Bl. 156 ff. d.A.) beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

32

Der Kläger hält das arbeitsgerichtliche Urteil für unzutreffend, soweit der Feststellungsantrag abgewiesen worden ist, und verteidigt es, soweit es seinem Zahlungsantrag stattgegeben hat.

33

Er trägt vor, das Arbeitsgericht lege den Arbeitsvertrag unzutreffend und nur die Interessen des Arbeitgebers berücksichtigend aus. Zu berücksichtigen sei, dass ein Arbeitnehmer, der individualvertraglich die Anwendbarkeit eines Tarifvertrages vereinbart hat, im Regelfall an Interesse daran habe, dass der für ihn persönlich günstigste Tarifvertrag zur Anwendung komme. Zumindest in einem Stadtstaat wie Hamburg komme der Anwendbarkeit eines Flächentarifvertrages für den Arbeitnehmer entscheidende Bedeutung zu, um sich im Gehaltsniveau der Arbeitnehmer anderer verbandsangehöriger Unternehmen zu bewegen. So würden bei Flächentarifverträgen beispielsweise auch Lebenshaltungskosten eine Rolle spielen. Der arbeitsvertragliche Verweis auf Gesamtbetriebsvereinbarungen und die Betriebsordnung lasse den Umkehrschluss zu, dass es auf tariflicher Ebene der Beklagten auf die Geltung des Flächentarifvertrages angekommen sei. Es sei zu berichtigen, dass sich die Verweisung nur auf Flächentarifverträge beziehe. Der bundesweit gültige Zukunftstarifvertrag als Haustarifvertrag sei auch nicht spezieller als ein Tarifvertrag des Hamburger Einzelhandels. Zutreffend habe das Arbeitsgericht hingegen erkannt, dass sich aus der Gesamtschau von Ziffern 2 und 14 des Arbeitsvertrages eine Dynamik der Vergütungsregelung ergebe. Der Annahme eines Altvertrages stehe schon entgegen, dass die Parteien im Jahr 2004 einen komplett neuen Vertragstext unterzeichnet hätten und damit insgesamt der Vertragstext noch einmal bestätigt worden sei.

34

Der Kläger beantragt,

35

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils insgesamt nach den klägerischen Schlussanträgen erster Instanz zu entscheiden.

36

Die Beklagte beantragt,

37

1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen,

38

2. das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. Juli 2017 – Az. 27 Ca 486/16 – abzuändern, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger EUR 2.350,25 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2016 zu zahlen und die Klage insgesamt abzuweisen.

39

Der Kläger beantragt,

40

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

41

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit es den Feststellungsantrag abgewiesen hat, und hält es für unzutreffend, soweit sie zur Zahlung verurteilt worden ist.

42

So ergebe sich aus Ziffern 2 und 14 des Arbeitsvertrages keine dynamische Verweisung. Wie die Parteien des Arbeitsvertrages eine dynamische Verweisung hätten formulieren wollen, zeige die Urlaubsregelung in Ziffer 9 des Arbeitsvertrages. In Ziffer 2 des Arbeitsvertrages werde hingegen lediglich eine Tarifgruppe ohne jeden weiteren Bezug zu einem Tarifwerk oder einem „jeweils geltenden“ Tarifwerk hergestellt. Die Formulierung „Im übrigen“ in Ziffer 14 Satz 2 des Arbeitsvertrages zeige, dass hier nicht die bereits unter Ziffer 2 des Arbeitsvertrages geregelte Vergütung umfasst sein sollte. Vielmehr handele es sich bei Ziffer 14 um eine Bezugnahmeklausel als Auffangbestimmung. Schließlich sei die Bezugnahmeklausel in Ziffer 14 als Altregelung auszulegen, weil bei Neuabschluss des Arbeitsvertrages vom 14. September 2004 die Klausel unberührt geblieben und damit nicht zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht worden sei.

43

Der Zukunftstarifvertrag habe Vorrang vor dem Flächentarifvertrag. Soweit der Kläger mit seiner Berufung einwendet, der bundesweit geltende Zukunftstarifvertrag berücksichtige nicht die örtlichen Lebenshaltungskosten, sei darauf hinzuweisen, dass der Zukunftstarifvertrag die jeweils regional geltenden Tarifverträge anerkenne, d.h. für den Kläger nach wie vor die Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels gelten würden und durch den Zukunftstarifvertrag lediglich derzeit bestimmte Tariferhöhungen ausgesetzt seien.

44

Hinsichtlich des ergänzenden Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 25. September 2017 (Bl. 176 ff. d.A.), die Berufungsbegründung des Klägers vom 25. September 2017 (Bl. 200 ff. d.A.), die Berufungsbeantwortung der Beklagten vom 26. Oktober 2017 (Bl. 219 ff. d.A.) und auf die Berufungsbeantwortung des Klägers vom 9. November 2017 (Bl. 227 f. d.A.) verwiesen. Wegen des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen überreichten Unterlagen, ihrer Beweisantritte und ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Sitzungsprotokolle Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 und 3 ArbGG).

Entscheidungsgründe

A.

45

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

I.

46

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt sowie begründet worden (§ 64 Abs. 1, 2 und 6, § 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 519 Abs. 1 und 2, § 520 Abs. 1 und 3, § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

II.

47

Die Berufung des Klägers ist unbegründet, weil die hinsichtlich des Feststellungsantrages zulässige Klage unbegründet ist.

48

Die Tarifverträge für den Einzelhandel in Hamburg sind auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht in ihrer „jeweils geltenden Fassung“ anwendbar und die Beklagte ist nicht verpflichtet, an den Kläger ein Tarifgehalt der Gruppe GB 3 nach 5 Berufsjahren des Entgelttarifvertrages für den Einzelhandel des Landes Hamburgs „in der jeweils gültigen Fassung“ zu zahlen. Der Feststellungsantrag ist unbegründet, weil ab dem 2. Dezember 2016, d.h. dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zukunftstarifvertrages, dieser auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sowohl normativ als auch aufgrund einzelvertraglicher Verweisung Anwendung findet. Die in Ziff. A.III.1. und 2. des Zukunftstarifvertrages festgelegten Entgeltregelungen sind für das Arbeitsverhältnis derzeit maßgebend, nicht jedoch ein (Flächen-) „Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel des Landes Hamburgs“. Dementsprechend besteht nur ein Anspruch auf Tarifentgelt gemäß Tarifabschluss für die Tarifjahre 2011 bis 2013 (s. Ziffer A.III.1. Zukunftstarifvertrag), weshalb derzeit der zwischen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem Landesverband des Hamburger Einzelhandels e.V. geschlossene Gehaltstarifvertrag in der zur Zeit des Verbandsaustritts der Beklagten im Jahr 2013 geltenden Fassung Anwendung findet.

49

Dies hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Das weitere Vorbringen der Parteien in der Berufungsinstanz rechtfertigt kein anderes Ergebnis.

50

1. Der Zukunftstarifvertrag findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.

51

a) Er findet ab dem 2. Dezember 2016 gem. § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Die normative Geltung dieses Firmentarifvertrags ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger als Mitglied der vertragschließenden Gewerkschaft und die Beklagte als Partei des Tarifvertrages jeweils gemäß § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden sind.

52

b) Der Zukunftstarifvertrag findet zudem auch aufgrund arbeitsvertraglicher Verweisung gemäß Ziffer 14 des Anstellungsvertrages vom 14. September 2004 auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.

53

Die Verweisungsklausel in Ziffer 14 des Anstellungsvertrags vom 14. September 2004 umfasst den Zukunftstarifvertrag. Zwar verweist der Anstellungsvertrag danach nur auf die „Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels“, d.h. die Verbandstarifverträge. Die Auslegung der Verweisungsklausel ergibt aber, dass auch für den Betrieb geltende Firmentarifverträge für das Arbeitsverhältnis maßgebend sein sollen.

54

Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, aber zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2005 – 10 AZR 296/05 –, Rn. 15, juris). Bei der nach §§ 133, 157 BGB gebotenen Erforschung des wirklichen Willens der Vertragsparteien ist aber deren typische Interessenlage zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber will – für den Arbeitnehmer erkennbar – durch eine arbeitsvertragliche Verweisungsklausel die fachlich und betrieblich einschlägigen Tarifverträge in Bezug nehmen. Zu diesen gehört insbesondere ein vom Arbeitgeber abgeschlossener Firmentarifvertrag. Auch aus einem ausdrücklichen – wegen § 77 Abs. 4 BetrVG an sich überflüssigen – Hinweis auf die Geltung etwaiger Betriebsvereinbarungen ergibt sich, dass es dem Arbeitgeber gerade auf die Vereinbarung der für das Unternehmen und den Betrieb einschlägigen Rechtsnormen ankam (ebenso: BAG, Urteil vom 23. März 2005 – 4 AZR 203/04 –, Rn. 25, juris). Dazu gehört auch ein vom Arbeitgeber zur vorübergehenden Abänderung von Flächentarifverträgen abgeschlossener Haustarifvertrag (BAG, Urteil vom 23. Januar 2008 – 4 AZR 602/06 –, Rn. 24, juris).

55

Auch vorliegend ergab sich aus dem ausdrücklichen – wegen § 77 Abs. 4 BetrVG an sich überflüssigen – Hinweis in Ziffer 14 des Anstellungsvertrags vom 14. September 2004 auf die Geltung der Gesamtbetriebsvereinbarungen des Arbeitgebers sowie der Betriebsordnung, dass es der Beklagten (bzw. deren Rechtsvorgängerin) gerade auf die Vereinbarung der für das Unternehmen und den Betrieb einschlägigen Rechtsnormen ankam.

56

Soweit der Kläger mit der Berufung einwendet, eine solche Auslegung berücksichtige nicht oder nicht hinreichend die Interessen des Arbeitnehmers, der im Regelfall an Interesse daran habe, dass der für ihn persönlich günstigste Tarifvertrag zur Anwendung komme, wobei zumindest in einem Stadtstaat der Anwendbarkeit eines Flächentarifvertrages für den Arbeitnehmer entscheidende Bedeutung zukomme, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Auch der Kläger wollte sich an die Tarifverträge binden, die von der Beklagten (bzw. deren Rechtsvorgängerin) als Tarifvertragspartei oder Mitglied einer Tarifvertragspartei mit einer bestimmten Gewerkschaft abgeschlossen werden, auch in ihrer noch unbestimmten zukünftigen Fassung. Dafür, dass dies nach dem Willen der Parteien nur dann gelten sollte, wenn es sich dabei um Flächentarifverträge handelt, fehlt es an jedem Anhaltspunkt. Im Übrigen kann auch nicht im Einzelfall ohne weiteres festgestellt werden, ob ein Flächentarifvertrag mit einer branchenüblichen Vergütung in jedem Falle gegenüber einem Haustarifvertrag, der zwar ein geringeres Entgeltniveau enthält, dafür aber im Gegenzug Regelungen zu einer Standort- und Beschäftigungssicherung enthält, überhaupt eine günstigere Regelung darstellt, und deshalb in jedem Falle (nur) die Anwendung eines Flächentarifvertrages vom Arbeitnehmer gewollt war.

57

Der arbeitsvertragliche Verweis auf Gesamtbetriebsvereinbarungen und die Betriebsordnung lässt auch nicht den Umkehrschluss zu, dass es der Arbeitgeberin auf tariflicher Ebene der Beklagten nur auf die Geltung des Flächentarifvertrages angekommen sei. Vielmehr liegt bereits nach dem Wortlaut näher, dass möglichst für das Unternehmen bzw. den Betrieb (und auch die Arbeitnehmer) „maßgeschneiderte“ kollektive Regelungen Vorrang haben sollen.

58

2. Die individualrechtlich im Arbeitsvertrag der Parteien (auch) in Bezug genommenen Regelungen eines Flächenentgelttarifvertrages des Hamburger Einzelhandels (vom Kläger bezeichnet als „Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel des Landes Hamburgs“, gemeint wohl der zwischen dem Handelsverband Nord e.V. und der ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft geschlossene „Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel im Bundesland Hamburg“) in der jeweils geltenden Fassung setzen sich auch nicht nach dem tarifrechtlichen Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG gegenüber dem kraft § 4 Abs. 1 TVG normativ geltenden und ebenfalls aufgrund arbeitsvertraglicher Verweisung auf das Arbeitsverhältnis einwirkenden Zukunftstarifvertrag durch.

59

a) Stellt man darauf ab, dass sowohl der Zukunftstarifvertrag, als auch ein (Flächen-) Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel kraft arbeitsvertraglicher Verweisung gelten, da die Verweisungsklausel in Ziffer 14 des Arbeitsvertrages beide tariflichen Regelungen umfasst (s.o. A.II.1.b)), gilt der Grundsatz, dass sich bei einer Verweisung auf mehrere Tarifverträge die speziellere Regelung durchsetzt und die allgemeinere Regelung verdrängt (BAG, Urteil vom 23. Januar 2008 – 4 AZR 602/08 –, Rn. 28-30, juris).

60

Die speziellere Regelung ist hier der Zukunftstarifvertrag. Diese Regelung steht dem Betrieb und dem Unternehmen betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten. Soweit der Kläger einwendet, ein auf das Bundesland Hamburg begrenzter Flächentarifvertrag stehe aber räumlich näher als der bundesweite Zukunftstarifvertrag, führt dies zu keinem anderen Ergebnis, da auch der Zukunftstarifvertrag Regelungen nicht unabhängig von einer regionalen Situation (z.B. Berücksichtigung regionaler Lebenshaltungskosten) trifft, sondern durch die Festschreibung der Fortgeltung regionaler Tarifverträge – wenngleich auf dem Tarifniveau von 2013 – die regionale Unterschiede berücksichtigt.

61

Zu berücksichtigen ist, dass Firmentarifverträge gegenüber Verbandstarifverträgen regelmäßig die speziellere Regelung darstellen und, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hinweist, dass der Zukunftstarifvertrag ein auf die Situation der Beklagten „maßgeschneiderter“ Firmentarifvertrag ist, der mit der gleichen Gewerkschaft geschlossen wurde. Würde man der Rechtsauffassung des Klägers folgen, würde dies im Ergebnis bedeuten, dass – wie hier bei einer generellen Verweisung auf Tarifverträge – von vornherein nie die Möglichkeit bestünde, die Geltung der Regelungen eines Verbandstarifvertrags durch den Abschluss eines Firmentarifvertrags anzupassen.

62

b) Stellt man darauf ab, dass der Zukunftstarifvertrag gemäß § 4 Abs. 1 TVG normativ gilt und ein (Flächen-)Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel kraft arbeitsvertraglicher Verweisung, ergibt sich nichts anderes.

63

Zwar ist in einer solchen Konstellation das Günstigkeitsprinzip nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Es geht insoweit nicht um die Konkurrenz zweier Tarifverträge, sondern um die Konkurrenz einer arbeitsvertraglichen Regelung mit einem (auch) normativ wirkenden Tarifvertrag. Dies ist kein Fall der Tarifkonkurrenz zweier Normenverträge. Vielmehr wird das Verhältnis der arbeitsvertraglichen Regelung zu der normativ wirkenden tariflichen durch § 4 Abs. 3 TVG bestimmt (BAG, Urteil vom 29. August 2007 – 4 AZR 767/06 –, Rn. 20, juris, unter Aufgabe der diesbezüglich noch anderen früheren Rechtsauffassung, zuletzt im Urteil vom 23. März 2005 - 4 AZR 203/04 - BAGE 114, 186, 191 f.).

64

Allerdings bleibt es auch insoweit dabei, dass die arbeitsvertragliche Regelung des Klägers nicht günstiger ist als der (auch) normativ wirkende Zukunftstarifvertrag, weil auch nach dem Arbeitsvertrag der Zukunftstarifvertrag anzuwenden ist (s.o. A.II.1.b)).

III.

65

Soweit das Arbeitsgericht im Tenor des Urteils vom 19. Juli 2017 zu Gunsten des Klägers nicht auch die beantragte Verzugspauschale gemäß § 288 Abs. 5 BGB tenoriert hat, geht das Berufungsgericht davon aus, dass dies nicht Gegenstand der Berufung des Klägers ist. Unabhängig von der Frage, ob es sich insoweit um eine Unrichtigkeit des erstinstanzlichen Urteils iSd. § 319 ZPO handeln könnte, zumal das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen zu Ziffer II.1.c. Ausführungen zur Begründetheit einer solchen Pauschale gemacht hat, wendet sich der Kläger nicht gegen eine etwaige diesbezügliche (Teil-) Abweisung seines Zahlungsantrages. Zwar hat der Kläger in der Berufungsinstanz beantragt, „insgesamt nach den klägerischen Schlussanträgen erster Instanz zu entscheiden“. In seiner Berufungsbegründung sowie in seiner Berufungsbeantwortung auf die Berufung der Beklagten geht der Kläger jedoch mit keinem Wort auf eine Teilabweisung des Klagantrages zu 1) ein und wendet sich erkennbar nur gegen die zu seinen Lasten ergangene Abweisung des Feststellungsantrages und verteidigt das Urteil hinsichtlich der zu seinen Gunsten tenorierten Zahlungsverpflichtung der Beklagten.

B.

66

Auch die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

I.

67

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt sowie begründet worden (§ 64 Abs. 1, 2 und 6, § 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 519 Abs. 1 und 2, § 520 Abs. 1 und 3, § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

II.

68

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, weil der zulässige Zahlungsantrag des Klägers begründet ist. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger für die Zeit bis zum 1. Dezember 2016 ein Tarifgehalt der Tarifgruppe 3 des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel in seiner jeweils gültigen Fassung zu zahlen.

69

1. Die Auslegung von Ziffern 2, 3 und 14 des Anstellungsvertrags vom 14. September 2004 ergibt, dass eine dynamische Verweisung auf die Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel vereinbart wurde und daher auch nach Verbandsaustritt der Beklagten die Tariflohnerhöhungen in 2013 und den Folgejahren an den Kläger weiterzugeben waren.

70

a) In Ziffer 2 des Arbeitsvertrages und in der dort angeführten Tarifgruppe GB III haben die Parteien keine konstitutive Vereinbarung hinsichtlich einer Eingruppierung des Klägers getroffen, sondern lediglich eine „Wissenserklärung“ im Hinblick auf die damals aus ihrer Sicht zutreffende Tarifgruppe vorgenommen.

71

Daran ändert auch die Bezugnahme auf ein bestimmtes Datum („Tarifgruppe GB III/01.09.1990“) in Ziffer 2 des Arbeitsvertrages vom 14. September 2004 nichts. Die Arbeitsvertragsparteien haben damit unstreitig kein Gehalt auf dem Entgeltniveau zum Stichtag 1. September 1990 festgeschrieben. Vielmehr bezieht sich die Datumsangabe auf ein bestimmtes Vergütungsgruppenverzeichnis, demnach der Kläger in Vergütungsgruppe GB III eingruppiert wurde.

72

b) Die Beklagte signalisiert als Klauselverwenderin durch die zweimaligen Bezugnahmen in Ziffer 2 des Vertrages auf tarifliche Regelungen, dass sie nach Tarif vergüte. Einerseits wird in Ziffer 2 des Arbeitsvertrages die individuelle Arbeitszeit des Klägers von 163 Stunden monatlich mit der „tariflichen Monatsarbeitszeit“ ins Verhältnis gesetzt und darüber hinaus die „Tarifgruppe GB III“ genannt.

73

Die Berufung der Beklagten berücksichtigt auch nicht hinreichend, dass für die Frage, ob eine dynamische tarifliche Vergütung vereinbart wurde, auch Ziffer 3 des Arbeitsvertrages maßgebend ist. In dieser Ziffer sind ausdrücklich mehrfach „die tariflichen Ansprüche“, außerdem außertarifliche Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen angeführt.

74

Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf eine solche Bezugnahme auf tarifliche Ansprüche und die Verknüpfung von individueller Arbeitszeit mit tariflicher Monatsarbeitszeit und eines bezifferten Euro-Betrages mit einer Tarifgruppe redlicherweise so verstehen, dass der in der Ziffer 2 genannte Euro-Betrag nicht statisch festgelegt, sondern sich entsprechend der Tariferhöhungen entwickeln soll. Umgekehrt würde ein redlicher Arbeitgeber, wenn er die von ihm gestellten Klauseln nicht so verstanden wissen wollte, die Bezugnahme auf tarifliche Ansprüche unterlassen und deutlich zum Ausdruck bringen, dass er nicht „nach Tarif“ zahlen will (ebenso: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2015 – 3 Sa 1835/14 –, Rn. 38, juris m.w.N.).

75

Dass in Ziffer 9 des Arbeitsvertrages vom 14. September 2004 bezogen auf Urlaubsansprüche eine andere Formulierung der tariflichen Inbezugnahme verwendet wurde, führt nicht dazu, dass ein durchschnittlicher Arbeitnehmer darf die Bezugnahme auf tarifliche Vergütungsansprüche, die sich aus Ziffern 2, 3 und 14 des Arbeitsvertrages vom 14. September 2004 ergibt, anders verstehen müsste. Aus der Verwendung nur unterschiedlicher Formulierungen der Bezugnahme ergibt sich nicht, dass eine dynamische Bezugnahme hinsichtlich der Vergütung des Klägers ausgeschlossen sein sollte.

76

c) Wie das Arbeitsgericht weiter zutreffend ausführt, rechtfertigt sich ein anderes Ergebnis auch nicht im Hinblick auf Ziffer 14 Satz 2 des Arbeitsvertrages, in dem einleitend „im Übrigen“ auf die Tarifverträge verwiesen wird. Erkennbar handelt es sich bei der Formulierung „im Übrigen“ lediglich um eine Verknüpfung zum vorausgehenden Satz und nicht um eine Einschränkung dahin, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge lediglich insoweit gelten sollen, als der Vertrag keine Regelungen enthält. Dagegen spricht bereits - wie ausgeführt - die Wortwahl in Ziffer 2 und 3 des Vertrages, die ihrerseits bereits eine dynamische Bezugnahme enthalten. Im Übrigen gilt auch hier, dass ein redlicher Arbeitgeber, wenn er die von ihm gestellte Klausel (in Ziffer 14 Satz 2) nicht als konstitutive dynamische Bezugnahme verstanden wissen wollte, die Bezugnahme auf die Tarifverträge unterlassen hätte.

77

d) Auch ist zu berücksichtigen, dass die in Formulararbeitsverträgen gewählte Formulierung „gelten die Tarifverträge XV in ihrer jeweiligen Fassung“ nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine konstitutive dynamische Verweisung auf die genannten Tarifverträge darstellt. Dies gilt jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in dem die vertragliche Klausel in einem „Neuvertrag“ enthalten ist, der nach dem 1. Januar 2002 abgeschlossen wurde und die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist zahlen will (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2015 – 3 Sa 1835/14 –, Rn. 38, juris).

78

Tatsächlich hätte es nach alledem an der Beklagten gelegen, bei dem Abschluss des Arbeitsvertrags vom 14. September 2004 eine dynamische Verweisung, sofern diese nicht gewollt war, ausdrücklich und für jedermann unmissverständlich auszuschließen.

79

Insoweit ergibt sich auch kein anderer Prüfungsmaßstab, weil die Parteien schon vor dem 1. Januar 2002 ein ähnlich lautender Arbeitsvertrag (vgl. Anlage B 3.) verband. Bei Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind („Altverträge“), kommt es bei einer Vertragsänderung nach dem 1. Januar 2002 für die Beurteilung, ob es sich hinsichtlich der Auslegung dieser Klausel um einen Neu- oder Altvertrag handelt, darauf an, ob die Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist (BAG, Urteil vom 18. November 2009 – 4 AZR 514/08 –, BAGE 132, 261-267, Rn. 23). Vorliegend haben die Arbeitsvertragsparteien jedoch nach dem 1. Januar 2002 nicht nur einzelne Vertragsbedingungen i.S.e. Änderungsvertrages geändert, sondern ihre Rechtsbeziehung mit dem Arbeitsvertrag vom 14. September 2004 auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Dabei ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Regelungen, die insgesamt unter dem 14. September 2004 beidseits unterzeichnet worden sind, auch Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung waren. Es kann nämlich nicht unterstellt werden, dass sich Vertragsparteien vor Unterzeichnung eines neuen vollständig abgefassten Arbeitsvertrages keine Gedanken über den gesamten aufgeführten Inhalt machen. Vielmehr ist umgekehrt ohne Hinzutreten weiterer Umstände davon auszugehen, dass alle Klauseln auch Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung waren.

80

e) Nach alledem ergab sich nicht, dass die Arbeitsvertragsparteien in Ziffer 2 des Vertrags vom 14. September 2004 nur eine eigenständige, feststehende arbeitsvertragliche Vereinbarung zur Lohnhöhe getroffen haben. Vielmehr haben sie dort schlicht die tarifliche Vergütung niedergeschrieben, die dann auch im Fall des Klägers mit Blick auf Ziffer 14 des Anstellungsvertrags und dem Verweis („im Übrigen“) u.a. auf den Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel „in der jeweils gültigen Fassung“ entsprechend den von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Lohnerhöhungen jedenfalls bis zum 1. Dezember 2016 zu erhöhen war.

81

2. Für die Monate April bis einschließlich November 2016 ergibt sich daraus ein Anspruch des Klägers auf Differenzvergütung einschließlich höherer Jahressonderzahlung und höherer Zahlungen für Sonntagsöffnungszeiten in Höhe von EUR 2.350,25 brutto. Die Vergütungsansprüche, die nicht bereits durch Erfüllung erloschen sind, sind der Höhe nach mit EUR 2.350,25 brutto zwischen den Parteien unstreitig.

82

Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.

C.

I.

83

Gemäß § 97 Abs. 1 ZPO fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels der Partei zur Last, die es eingelegt hat. Beide Parteien haben ohne Erfolg Berufung eingelegt. Bleiben – wie hier – die Rechtsmittel beider Parteien erfolglos, sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach § 92 Abs. 1 ZPO zu quoteln (vgl. Flockenhaus in: Musielak/Voit, ZPO 14. Aufl., § 97 Rn 6 ).

II.

84

Gegen dieses Urteil ist die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zuzulassen, weil ein erforderlicher Zulassungsgrund nicht ersichtlich ist (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ArbGG).