Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 18. Nov. 2014 - 2 Sa 123/14

bei uns veröffentlicht am18.11.2014

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage streiten die Parteien insbesondere um Fragen der Sozialauswahl.

2

Der im November 1965 geborene verheiratete Kläger ist seit Mai 1988 als Kfz-Schlosser in einer Autowerkstatt in A-Stadt beschäftigt, die seit Anfang der 90er Jahre von der Firma B. als markengebundene Werkstatt fortgeführt wurde. Die Beklagte, die auch schon viele Jahre in C-Stadt ein markengebundenes Autohaus betreibt, hat diesen Betrieb im Jahre 2007 erworben und hat die dort beschäftigten Arbeitnehmer einschließlich des Klägers weiter beschäftigt. Bei der Beklagten sind mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt.

3

Maßgebend war bis zum Ausspruch der Kündigung noch der ursprüngliche Arbeitsvertrag aus dem Jahre 1988 (Kopie hier Blatt 9 f). In Ziffer 1 des Arbeitsvertrages heißt es wörtlich "Als Arbeitsort wird A-Stadt vereinbart“. Das Arbeitsentgelt des Klägers betrug zuletzt 1.745,00 EUR brutto monatlich.

4

Die Beklagte hat sich entschlossen, die Betriebsstätte in A-Stadt zum 30. November 2013 zu schließen und hat daher alle dort beschäftigten Arbeitnehmer gekündigt bzw. ihnen – wie dem Kläger – eine Änderungskündigung ausgesprochen. Das Mietverhältnis über die Betriebsräume ist inzwischen gelöst. In den ehemaligen Betriebsräumen ist inzwischen ein Unternehmen der Landtechnik tätig.

5

Schon im Vorfeld der Schließung des Standortes A-Stadt waren die dort beschäftigten drei Kfz-Schlosser nach Angaben der Beklagten nicht mehr voll ausgelastet. Die Beklagte hatte daher ihre in A-Stadt beschäftigten Kfz-Schlosser – also auch den Kläger – gebeten, in eine befristete Beschäftigung bei einem befreundeten Autohaus in S. einzuwilligen. Dies sollte – so die Beklagte im Rechtsstreit – auch dazu dienen, dort einen guten Eindruck zu hinterlassen, da das befreundete Autohaus seinerzeit auf der Suche nach Kfz-Schlossern gewesen sei. Vor diesem Hintergrund war der Kläger von Oktober bis einschließlich Dezember 2013 bei dem Autohaus in S. tätig.

6

Obwohl die Beklagte meint, eine Sozialauswahl sei nicht durchzuführen, da alle Arbeitnehmer der Betriebsstätte gekündigt worden seien, hat sie vorsorglich anhand eines Punkteschemas die soziale Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer unter Einschluss der in C-Stadt tätigen Arbeitnehmer bewertet. Danach wird jedes vollendete Lebensjahr mit 1 Punkt bewertet und jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit mit 1,5 Punkten. Für Unterhaltspflichten gegenüber Kindern oder Ehegatten werden pro Unterhaltspflicht weitere 2 Punkte vergeben. In der mündlichen Verhandlung hat sich herausgestellt, dass für Ehegatten nur dann Punkte angesetzt wurden, wenn sie nicht selber berufstätig sind. Daher sind beim Kläger, allerdings auch bei seinen Sozialkonkurrenten, für die Ehefrauen keine Punkte vergeben worden.

7

Der Kläger hat nach dem Punkteschema unter Berücksichtigung seiner beiden Kinder insgesamt 89,5 Punkte erhalten; dabei hat er für sein Lebensalter 48 Punkte zugeschrieben bekommen, obwohl er erst kurz nach Ausspruch der Kündigung das 48. Lebensjahr vollendet hat. Der Kollege L. - geboren im Februar 1953, verheiratet, beschäftigt als Kfz-Mechaniker seit Oktober 1994 im Stammhaus in C-Stadt - hat danach 88 Punkte erhalten.

8

Trotz der nach Punkten größeren sozialen Schutzbedürftigkeit des Klägers hat sich die Beklagte entschlossen, ihn und nicht den Kollegen L. zu kündigen, wobei sie sich im Rechtsstreit darauf berufen hat, dass von einem sozialen Gleichstand auszugehen sei und sie bei der abschließenden Bewertung Herrn L. aufgrund seines deutlich höheren Lebensalters und der damit deutlich geringeren Erwerbschancen im Ergebnis als schutzbedürftiger angesehen habe. Außerdem wohne Herr L. betriebsnah und sei daher in der Lage, den Abschleppwagen außerhalb der regulären Arbeitszeiten bei Notwendigkeit schnell zum Einsatz zu bringen.

9

Mit Schreiben vom 30. Oktober 2013 hat die Beklagte daher das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Mai 2014 gekündigt und ihm im gleichen Schreiben angeboten, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen ab dem 1. Juni 2014 als Kfz-Aufbereiter im Autohaus der Beklagten in C-Stadt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden bei einem monatlichen Entgelt in Höhe von 872,50 EUR brutto fortzusetzen. Dieses Angebot hat der Kläger nicht angenommen.

10

Die Kündigungsschutzklage, die der Kläger mit einem Weiterbeschäftigungsantrag verbunden hat, ist beim Arbeitsgericht Rostock am 13. November 2013 eingegangen. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 25. März 2014 abgewiesen. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

11

Mit der Berufung, die keinen formalen Bedenken unterliegt, verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel in vollem Umfang weiter. Der Kläger meint, die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Sozialauswahl nach § 1 Absatz 3 KSchG hätten vor dem Gesetz keinen Bestand.

12

Zu Unrecht sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, der Kläger wäre wegen der arbeitsvertraglichen Festlegung des Arbeitsortes auf A-Stadt nicht mit den am Stammsitz in C-Stadt tätigen Arbeitnehmern vergleichbar. Schon durch seine freiwillige Beschäftigung bei dem befreundeten Unternehmen in S. sei es zu einer konkludenten Abänderung des Arbeitsvertrages in diesem Punkt gekommen. Jedenfalls habe die Beklagte dadurch Kenntnis davon erlangt, dass er auf den Fortbestand dieser Vertragsklausel zum Arbeitsort keinen Wert lege.

13

Da der Kläger mit den Beschäftigten am Standort in C-Stadt vergleichbar sei, fehle der Kündigung die soziale Rechtfertigung, denn der Kollege Langer sei sozial weniger schutzbedürftig als der Kläger und hätte daher statt des Klägers gekündigt werden müssen. Dies ergebe sich schon nach der Punktetabelle. Die Punktetabelle spiegele die soziale Schutzbedürftigkeit auch zutreffend wieder. Angesichts des demographischen Wandels sei es spekulativ zu sagen, ein gut ausgebildeter Arbeitnehmer im Alter von Herrn L. habe am Arbeitsmarkt deutlich weniger Chancen auf neue Arbeit als der Kläger, der auch schon fast 50 Jahre alt ist. Demgegenüber liege die soziale Schutzbedürftigkeit des Klägers wegen seiner Kinder geradezu auf der Hand. Im Übrigen sei auch er – der Kläger – in der Lage, den Abschleppwagen zu fahren und könne ähnlich schnell auf Anforderungen reagieren, wenn ihm erlaubt werde, den Abschleppwagen mit nach Hause zu nehmen.

14

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils

15

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten vom 30.10.2013 nicht zum 31.05.2014 beendet worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht;

16

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 31.05.2014 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Die Beklagte verteidigt das ergangene Urteil. Zutreffend sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagten vorliegend keine Sozialauswahl habe durchführen müssen. Aber selbst dann, wenn man vorliegend alle fachlich vergleichbaren Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einbeziehe, bleibe die Kündigung sozial gerechtfertigt. Man müsse davon ausgehen, dass der Kläger und Herr L. nach dem Punkteschema annähernd gleich sozial schutzbedürftig seien. Bei gleicher oder annähernd gleicher sozialer Schutzbedürftigkeit bei Anwendung eines Punkteschemas sei der Arbeitgeber berechtigt und verpflichtet, eine umfassende Bewertung der sozialen Schutzbedürftigkeit jenseits des Punkteschemas unter Berücksichtigung aller nach dem Gesetz relevanten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Daher sei es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte vorliegend mit Rücksicht auf das Lebensalter Herrn L. als schutzbedürftiger bewertet habe als den Kläger.

20

Im Übrigen habe die Beklagte berücksichtigt und auch berücksichtigen dürfen, dass Herr L. nahe am Arbeitsort wohnt und so kurzfristig für Abschleppaufträge zur Verfügung stehe. Selbst wenn man es dem Kläger erlauben würde, den Abschleppwagen mit zu sich nach Hause zu nehmen, was aber ohnehin schon verschiedenen Bedenken begegne, wäre der Standort des Wagens in A-Stadt am Wohnsitz des Klägers nicht so gut wie der Standort auf dem Betriebshof in C-Stadt.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zurecht hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Damit ist auch das übrige Begehren des Klägers nicht begründet.

23

Die streitige betriebsbedingte Kündigung vom 30. Oktober 2013 hat vor dem Gesetz Bestand. Insbesondere fehlt ihr nicht die nach § 1 KSchG notwendige soziale Rechtfertigung. Im Berufungsrechtszug steht zwischen den Parteien nicht mehr in Streit, dass der Arbeitsplatz des Klägers durch die Schließung des Autohauses in A-Stadt weggefallen ist und damit im Sinne von § 1 Absatz 2 KSchG ein Anlass bestanden hat, Personal zu reduzieren. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist aber auch unter Berücksichtigung der Anforderungen der Sozialauswahl nach § 1 Absatz 3 KSchG sozial gerechtfertigt.

I.

24

Das Arbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass es vorliegend keiner Sozialauswahl bedurfte, weil im Arbeitsvertrag des Klägers A-Stadt als Arbeitsort festgelegt sei und er daher nicht einseitig per Weisung auf einen Arbeitsplatz eines fachlich vergleichbaren weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmers in C-Stadt hätte versetzt werden können (Seite 7 des Urteilsabdrucks).

25

Das Berufungsgericht lässt offen, ob sich die Entscheidung des Arbeitsgerichts auf diese Überlegung stützen lässt. Immerhin hat der Kläger im Rahmen des Einsatzes bei dem befreundeten Autohaus in S. sich ohne weiteres freiwillig bereit erklärt, Arbeit für die Beklagte auch außerhalb von A-Stadt aufzunehmen. Das deutet darauf hin, dass er selbst die Arbeitsvertragsklausel zum Arbeitsort nicht mehr als gültig ansieht oder er jedenfalls auf der Einhaltung dieser Verabredung keinen besonderen Wert legt. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass der Arbeitsvertrag der Parteien noch unter Geltung des Arbeitsgesetzbuchs der DDR vom 16. Juni 1977 (GBl. I S. 371 – AGB DDR) abgeschlossen wurde und nach § 40 AGB DDR die Regelung des Arbeitsortes zum notwendigen Inhalt des Arbeitsvertrages gehörte. Die Regelung dürfte also weniger einem Regelungsbedürfnis der Vertragsparteien geschuldet gewesen sein, als vielmehr dem Willen, dem Gesetz zu genügen. Sollte die Regelung tatsächlich nur dem Willen geschuldet gewesen sein, dem Gesetz zu genügen, spricht viel dafür, dass die Regelung mit dem Außerkrafttreten des AGB DDR im Rahmen des Einigungsvertrages im Oktober 1990 ohnehin entfallen ist.

II.

26

Die Frage kann auf sich beruhen. Selbst wenn man hier zu Gunsten des Klägers annimmt, im Arbeitsverhältnis der Parteien gäbe es keine Festlegung auf den Arbeitsort A-Stadt, wäre die vorliegende Kündigung sozial gerechtfertigt, da Fehler im Rahmen der Sozialauswahl nicht erkennbar sind. Das hat das Arbeitsgericht in einer zusätzlichen Überlegung, der sich das Berufungsgericht ausdrücklich anschließt, zutreffend festgestellt.

27

Nach § 1 Absatz 3 KSchG fehlt einer Kündigung auch dann die soziale Rechtfertigung, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat (Sozialauswahl).

28

Nach dem Gesetzeswortlaut sind die sozialen Gesichtspunkte "ausreichend“ zu berücksichtigen. Dem Arbeitgeber kommt damit bei der Gewichtung der Sozialkriterien ein Wertungsspielraum zu. Die Auswahlentscheidung muss sozial vertretbar sein, muss aber nicht unbedingt der Entscheidung entsprechen, die das Gericht getroffen hätte, wenn es eigenverantwortlich soziale Erwägungen hätte anstellen sollen. Der dem Arbeitgeber vom Gesetz eingeräumte Wertungsspielraum führt dazu, dass nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer mit Erfolg die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl rügen können (BAG 22. März 2012 – 2 AZR 167/11 – NZA 2012, 1040 = AP Nr. 99 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; BAG 31. Mai 2007 – 2 AZR 276/06 – BAGE 123, 1 = AP Nr. 94 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl = DB 2008, 1106; BAG 18. Januar 2007 – 2 AZR 796/05 – AP Nr. 89 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl = DB 2007, 2097). Gerade bei einer ähnlich hohen sozialen Schutzbedürftigkeit verschiedener vergleichbarer Arbeitnehmer kann es daher mehrere unterschiedliche Entscheidungen im Rahmen der Sozialauswahl geben, die alle den gesetzlichen Anforderungen genügen.

29

Gemessen an diesem Maßstab fehlt der Auswahlentscheidung zu Lasten des Klägers vorliegend die soziale Rechtfertigung im Sinne von § 1 Absatz 3 KSchG nicht, denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger gegenüber seinem Kollegen L. deutlich schutzbedürftiger ist.

30

Zum einen ergibt sich dies nicht aus der Rangfolge unter Zugrundelegung des Punkteschemas, nach dem beide Arbeitnehmer auf nahezu 90 Punkte kommen. Der Unterschied zwischen beiden beträgt nur 1,5 Punkte. Das ist kein Unterschied, der den Kläger deutlich schutzbedürftiger macht.

31

Die Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht schon allein aus dem Umstand, dass die Beklagte eine Auswahlentscheidung getroffen hat, die von der nach dem Punktesystem sich ergebenden Rangfolge abweicht. Insoweit trifft es zwar zu, dass das Bundesarbeitsgericht zu der jetzt gültigen Gesetzesfassung von § 1 Absatz 3 KSchG mehrfach entschieden hat, dass eine abschließende umfassende Einzelfallbetrachtung nicht mehr notwendig sei, der Arbeitgeber also berechtigt ist, seine Auswahl allein nach der Rangfolge aufgrund des Punktestands vorzunehmen (BAG 24. Oktober 2013 – 6 AZR 854/11 – BAGE 146, 234 = AP Nr. 12 zu § 125 InsO = DB 2014, 66; BAG 9. November 2006 – 2 AZR 812/05 – BAGE 120, 137 = AP Nr. 87 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl = DB 2007, 1087). Daraus kann aber nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, es sei nach der heutigen Gesetzeslage gar nicht mehr erlaubt, im Grenzbereich bei vergleichbar hoher sozialer Schutzbedürftigkeit im Einzelfall eine Entscheidung zu treffen, die vom reinen Punktewert abweicht.

32

Eine deutlich höhere Schutzbedürftigkeit des Klägers ergibt sich auch nicht bei Betrachtung der Faktoren, die hier die Schutzbedürftigkeit der beiden Arbeitnehmer begründen. Die soziale Schutzbedürftigkeit des Klägers resultiert insbesondere aus seinen beiden unterhaltsbedürftigen Kindern und seiner langen Betriebszugehörigkeit. Die Schutzbedürftigkeit von Herrn L. ergibt sich aus seinem hohen Lebensalter. Keiner dieser drei Gesichtspunkte hat einen eindeutigen Vorrang vor den anderen. Die Rechtsprechung verlangt vielmehr nur, dass diese drei Gesichtspunkte wie alle gesetzlich genannten Gesichtspunkte überhaupt berücksichtigt werden. Dabei hat der Arbeitgeber einen Spielraum, wie er die Gesichtspunkte im Verhältnis zueinander gewichtet. Unter diesem Blickwinkel ist die starke Betonung des hohen Lebensalters und damit der schlechten Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt durch die Beklagte zumindest noch vertretbar. Jedenfalls sieht sich das Gericht außer Stande, den Kläger angesichts seiner sozialen Situation als deutlich schutzbedürftiger anzusehen.

III.

33

Da das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet ist, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf weitere Beschäftigung (Klageantrag zu 2). Aus demselben Grund kann auch offen bleiben, welche nähere Bedeutung der letzte Halbsatz im klägerischen Kündigungsschutzantrag ("sondern darüber hinaus fortbesteht“) hat.

IV.

34

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger, da sein Rechtsmittel keinen Erfolg hatte (§ 97 ZPO).

35

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 18. Nov. 2014 - 2 Sa 123/14

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Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

Insolvenzordnung - InsO | § 125 Interessenausgleich und Kündigungsschutz


(1) Ist eine Betriebsänderung (§ 111 des Betriebsverfassungsgesetzes) geplant und kommt zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat ein Interessenausgleich zustande, in dem die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, namentlich bezeichnet sind, so
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 18. Nov. 2014 - 2 Sa 123/14 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


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Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


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Tenor 1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Mai 2011 - 2 Sa 1975/10 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. März 2012 - 2 AZR 167/11

bei uns veröffentlicht am 22.03.2012

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 9. November 2010 - 14 Sa 1068/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
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Tenor 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 16. August 2017, Az. 7 Ca 273/17, wird zurückgewiesen. 2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 16. Augu

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Referenzen

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 9. November 2010 - 14 Sa 1068/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf betriebliche Gründe gestützten Kündigung sowie Ansprüche auf Weiterbeschäftigung und Zahlung von Weihnachtsgeld.

2

Der Kläger ist 1954 geboren, verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Zum Zeitpunkt der Kündigung war lediglich ein Kind auf der Lohnsteuerkarte eingetragen. Er ist gelernter Kfz-Mechaniker und Werkzeugmacher. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie. Sie stellt ua. Spulen für die Drahtaufwicklung her.

3

Seit dem 12. Oktober 1987 war der Kläger bei der Beklagten als sogenannter Servicemitarbeiter in der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik tätig. Seine Tätigkeit bestand zu 60 vH aus Servicedienstleistungen, einschließlich Reparaturtätigkeiten der bei der Beklagten vorhandenen Maschinen, 40 vH seiner Tätigkeit entfielen auf Rüstvorgänge an den Maschinen. Der Kläger durfte elektrische Arbeiten nur an Maschinen mit Spannungen bis 220 Volt durchführen.

4

Aufgrund von Auftrags- und Umsatzrückgängen entschloss sich die Beklagte im Jahr 2009, neben anderen Maßnahmen der Kostenreduzierung in sämtlichen Unternehmensbereichen einen Stellenabbau durchzuführen. Sie vereinbarte unter dem 31. August 2009 mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan. Dieser sieht unter Ziffer 4.3 die Bildung folgender Altersgruppen für die Durchführung der Sozialauswahl vor:

        

„-    

Altersgruppe 1:

0 bis Lebensalter von 25 Jahren,

        

-       

Altersgruppe 2:

Lebensalter oberhalb von 25 Jahren

                          

bis 35 Jahren

        

-       

Altersgruppe 3:

Lebensalter oberhalb von 35 Jahren

                          

bis 45 Jahren

        

-       

Altersgruppe 4:

Lebensalter oberhalb von 45 Jahren

                          

bis 55 Jahren

        

-       

Altersgruppe 5:

Lebensalter oberhalb von 55 Jahren.“

5

Dabei erfolgte die Altersgruppenbildung in den Arbeitnehmergruppen Einrichter, Kleber, Logistik/Lager/Versand, Sachbearbeiter, Schichtführer, Spritzgießer, Vorrichtungsbau/Mechatronik sowie Werkzeugmacher.

6

Ziffer 4.3 des Interessenausgleichs und Sozialplans regelt sodann die Verteilung von sog. persönlichen Sozialpunkten für die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorgesehenen Kriterien für den Stichtag 31. Juli 2009.

7

Weiter ist in Ziffer 4.3 des Interessenausgleichs und Sozialplans bestimmt:

        

„In den Fällen, in denen eine Altersgruppenbildung vorgenommen wurde, war diese erforderlich, um die Altersstruktur im Betrieb zu erhalten. Die Anzahl der erforderlichen Entlassungen wurde prozentual auf die jeweiligen Altersgruppen verteilt. Innerhalb der Altersgruppe erfolgt eine soziale Auswahl dergestalt, dass diejenigen Arbeitnehmer für personelle Maßnahmen herangezogen wurden, die innerhalb der Altersgruppe die geringste Punktzahl aufweisen.

        

Von der sozialen Auswahl ausgenommen, wurden jeweils diejenigen Mitarbeiter, deren Fortbeschäftigung aus betrieblichen Interessen erforderlich ist. Diese Mitarbeiter sind in der diesem Interessenausgleich beigefügten Anlage 1 namentlich benannt.

        

Die nach dem vorstehenden Auswahlverfahren von personellen Maßnahmen betroffenen Mitarbeiter sind namentlich in der Anlage 2 zu diesem Interessenausgleich aufgeführt. Die Anlage 2 ist nicht Bestandteil dieses Interessenausgleiches und wird von den Betriebsparteien auch nicht unterzeichnet.“

8

In der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik waren zuletzt elf Arbeitnehmer beschäftigt. Davon gehörten der Altersgruppe 1 allein der Arbeitnehmer H, der Altersgruppe 2 die Arbeitnehmer S und P, der Altersgruppe 3 die Arbeitnehmer A, F, O und E, der Altersgruppe 4 die Arbeitnehmer Fa, B und M und der Altersgruppe 5 allein der Kläger an. Nachdem sich die nötigen Rüstvorgänge 2009 reduziert hatten und darüber hinaus regelmäßige Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten fremdvergeben worden waren, verringerte sich der Beschäftigungsbedarf in der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik auf sechs Vollzeitstellen. Insgesamt wurde die Gesamtbelegschaft von 181 Mitarbeitern um 48 Mitarbeiter verkleinert.

9

Neben dem Kläger waren die Arbeitnehmer P, A, O und Fa in der Anlage 2 zum Interessenausgleich vom 31. August 2009 aufgeführt. Der Mitarbeiter M war Betriebsratsmitglied. Die Mitarbeiter H, F und B gehörten zu den in der Anlage 1 zum Interessenausgleich vom 31. August 2009 aufgeführten Mitarbeitern, die wegen besonderer Kenntnisse aus der Sozialauswahl ausgenommen wurden.

10

Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 26. Oktober 2009 ordentlich zum 31. Mai 2010.

11

Die Beklagte zahlte in der Vergangenheit ein Weihnachtsgeld von durchschnittlich 70 vH einer Bruttomonatsvergütung. In den Aushängen der Jahre 2003 bis 2005 war ausgeführt, gekündigte Mitarbeiter seien von der Weihnachtsgeldzahlung ausgenommen. Im Jahr 2006 unterzeichneten fast alle Belegschaftsangehörigen, darunter der Kläger, einen Änderungsvertrag, der neben einer Arbeitszeitverlängerung von 37,5 auf 40 Wochenstunden einen Freiwilligkeitsvorbehalt für jegliche Art von Gratifikationen enthielt. Im Dezember 2009 teilte die Beklagte durch Aushang mit, dass sie im laufenden Jahr nur „ein Weihnachtsgeld in Höhe von 400,00 Euro (incl. der ausstehenden Einmalzahlung in Höhe von 100,00 Euro)“ zahle. Mitarbeiter, die zum 1. Dezember 2009 „im Kündigungsverhältnis“ stünden, seien von der Zahlung ausgenommen. Der Kläger erhielt kein Weihnachtsgeld.

12

Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung vom 26. Oktober 2009 gewandt. Er hat diese für sozialwidrig iSd. § 1 KSchG gehalten und die soziale Auswahl gerügt. Der Kläger hat gemeint, er sei sozial schutzwürdiger als ua. der Mitarbeiter H. Es bestünden keine Gründe, diesen aus der Sozialauswahl herauszunehmen. Die Altersgruppenbildung sei unzulässig. Er hat ferner geltend gemacht, ihm stehe zumindest ein Weihnachtsgeld in Höhe von 400,00 Euro nach Maßgabe des Aushangs aus dem Dezember 2009 zu. Dieses sei mit der Abrechnung für November 2009 fällig gewesen.

13

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2009 nicht beendet worden ist;

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Mitarbeiter der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik weiter zu beschäftigen;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 400,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Dezember 2009 zu zahlen.

14

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung für berechtigt gehalten. Sie habe fünf Arbeitsplätze aus der Gruppe Vorrichtungsbau/Mechatronik abbauen müssen. Hierbei habe sie alle Altersgruppen gleichmäßig behandelt und aus jeder Altersgruppe einen Arbeitnehmer entlassen. Im Bereich der Altersgruppe 1 sei das nicht möglich gewesen, da der aus der sozialen Auswahl herausgenommene Mitarbeiter H der einzige Vertreter seiner Altersgruppe sei. Dessen Herausnahme sei wegen seiner Ausbildung als Mechatroniker gerechtfertigt. Er sei in der Lage, alle elektrischen Anlagen oder Steuerungseinheiten zu reparieren, während der Kläger über solche vertieften Kenntnisse eines Mechatronikers nicht verfüge. Aufgrund dieser Herausnahme habe sie in der ohnehin überrepräsentierten Altersgruppe 3 zwei Arbeitnehmer entlassen. Die Altersgruppe 5 sei allein durch den Kläger repräsentiert worden, so dass sie dessen Arbeitsverhältnis habe kündigen müssen. Eine Altersgruppenbildung sei grundsätzlich zulässig. Dies gelte auch für die konkrete Ausgestaltung im vorliegenden Fall. Von einem legitimen Ziel der Altersgruppenbildung sei bei einer Betriebsänderung auszugehen. Die Gruppenbildung sei auch nicht willkürlich und unter Berücksichtigung sachfremder Erwägungen oder gar zufällig erfolgt. Vor dem 30. September 2009 habe der Altersdurchschnitt der Belegschaft 45,7 Jahre betragen, nach den Entlassungen sei er mit 45,5 Jahren annähernd gleich geblieben.

15

Ein Anspruch des Klägers auf Weihnachtsgeld bestehe nicht. Gekündigte Mitarbeiter seien von dieser Leistung ausgeschlossen gewesen.

16

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr im noch rechtshängigen Umfang stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung vom 26. Oktober 2009 zu Recht als sozial ungerechtfertigt angesehen (I.). Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (II.). Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der Sondervergütung von 400,00 Euro für das Jahr 2009 (III.).

18

I. Die Kündigung vom 26. Oktober 2009 ist sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG. Die Beklagte hat bei der Auswahl des Klägers soziale Gesichtspunkte gem. § 1 Abs. 3 KSchG nicht ausreichend berücksichtigt. Ob die Auswahl zudem grob fehlerhaft iSd. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG war, bedarf keiner Entscheidung. § 1 Abs. 5 KSchG findet im Streitfall keine Anwendung. Die Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer in der Anlage 2 zum Interessenausgleich ist ausdrücklich nicht dessen Bestandteil.

19

1. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung trotz Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse iSd. Abs. 2 sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Der Arbeitgeber hat in die Sozialauswahl diejenigen Arbeitnehmer einzubeziehen, die miteinander vergleichbar sind. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse sowie nach dem Inhalt der von ihnen vertraglich geschuldeten Aufgaben austauschbar sind (st. Rspr., BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 41; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07  - Rn. 64, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Nach dem Gesetzeswortlaut ( § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ) sind die sozialen Gesichtspunkte „ausreichend“ zu berücksichtigen. Dem Arbeitgeber kommt damit bei der Gewichtung der Sozialkriterien ein Wertungsspielraum zu. Die Auswahlentscheidung muss sozial vertretbar sein, muss aber nicht unbedingt der Entscheidung entsprechen, die das Gericht getroffen hätte, wenn es eigenverantwortlich soziale Erwägungen hätte anstellen sollen. Der dem Arbeitgeber vom Gesetz eingeräumte Wertungsspielraum führt dazu, dass nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer mit Erfolg die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl rügen können (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 276/06 - Rn. 64, BAGE 123, 1; 18. Januar 2007 - 2 AZR 796/05 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 89 = EzA KSchG § 2 Nr. 64).

20

2. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Beklagte selbst unter Berücksichtigung dieses Wertungsspielraums bei der Auswahl des Klägers soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend iSd. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG berücksichtigt hat. Der Kläger ist deutlich schutzwürdiger als der Arbeitnehmer H, dessen Arbeitsverhältnis nicht gekündigt wurde.

21

a) Der Arbeitnehmer H gehört zu der Gruppe der mit dem Kläger vergleichbaren und daher in die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG grundsätzlich einzubeziehenden Arbeitnehmer.

22

b) Der Kläger ist deutlich schutzwürdiger. Er ist verheiratet, ist zumindest einem Kind zum Unterhalt verpflichtet und war am maßgeblichen Stichtag 55 Jahre alt sowie 22 Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Der ebenfalls verheiratete und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtige Arbeitnehmer H war zum Stichtag 24 Jahre alt und seit sieben Jahren bei der Beklagten beschäftigt. Nach dem im Interessenausgleich vom 31. August 2009 vereinbarten Punkteschema erreichte er 47 Sozialpunkte, der Kläger dagegen - selbst bei Berücksichtigung nur eines unterhaltsberechtigten Kindes - 92 Punkte. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, angesichts dieser Unterschiede sowohl bei der Beschäftigungsdauer als auch beim Lebensalter, die sich ebenso in der Anzahl der erreichten Sozialpunkte ausdrückten, sei der Kläger als deutlich schutzwürdiger anzusehen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsurteil kann in dieser Hinsicht vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob es den Inhalt der Norm selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 276/06 - Rn. 63, BAGE 123, 1; 6. Juli 2006 -  2 AZR 442/05  - zu B II 3 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 82 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 69). Dem hält das angefochtene Urteil stand. Der Kläger war mehr als doppelt so alt wie der Arbeitnehmer H, zudem mehr als dreimal so lang bei der Beklagten beschäftigt. Er erzielte nach Ziffer 4.3 des Interessenausgleichs etwa doppelt so viele Sozialpunkte wie der Mitarbeiter H. Das Landesarbeitsgericht durfte unter diesen Umständen ohne rechtliche Bedenken annehmen, der Kläger sei der sozial deutlich schutzwürdigere.

23

3. Das Landesarbeitsgericht hat ferner ohne Rechtsfehler angenommen, der Arbeitnehmer H habe nicht deshalb von der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ausgenommen werden dürfen, weil seine Weiterbeschäftigung im berechtigten betrieblichen Interesse gelegen hätte(§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG).

24

a) Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sind in die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ua. diejenigen Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.

25

b) Die vom Arbeitgeber mit der Herausnahme verfolgten Interessen müssen auch im Kontext der Sozialauswahl berechtigt sein. Das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers ist im Rahmen des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG gegen das betriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Herausnahme des sog. Leistungsträgers abzuwägen. Je schwerer dabei das soziale Interesse wiegt, desto gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers sein. An dieser Ansicht, die er zu § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG in seiner vom 1. Oktober 1996 bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung vertreten hat (BAG 12. April 2002 - 2 AZR 706/00 - zu II 4 b bb (1) der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 56 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 48), hält der Senat für die seit dem 1. Januar 2004 geltende - identische - Fassung der Bestimmung fest. Aus dem Umstand, dass § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG von 1999 bis 2003 mit einem anderen Wortlaut galt, folgt entgegen der Auffassung der Beklagten nichts für das Verständnis der Vorschrift in ihrer früheren und wieder aktuellen Fassung.

26

c) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht für die Herausnahme des Arbeitnehmers H aus der Sozialauswahl ein berechtigtes betriebliches Interesse iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG verneint hat.

27

aa) Es ist von der zutreffenden fachlichen Qualifikation des Arbeitnehmers ausgegangen. Es hat dessen Ausbildung als Mechatroniker ebenso berücksichtigt wie dessen Qualifikation in der Bedienung und Optimierung der sog. Handlinger und der Fehlerbehebung in diesem Bereich. Es hat ferner dessen Qualifikation im Bereich der „Reis“-Roboter und des „Reinraums“ beachtet. Die Revision erhebt insoweit keine Einwände.

28

bb) Das Landesarbeitsgericht hat den Begriff des „berechtigten betrieblichen Interesses“ in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht verkannt. Es hat ihn - anders als die Beklagte meint - nicht dahin ausgelegt, ein berechtigtes betriebliches Interesse in diesem Sinne könne nur dann gegeben sein, wenn die Weiterbeschäftigung des aus der Sozialauswahl herausgenommenen Arbeitnehmers „notwendig“ sei. Es hat lediglich den Umstand, dass die Beklagte die betriebliche Notwendigkeit einer Weiterbeschäftigung von Herrn H nicht dargelegt habe, bei der erforderlichen Abwägung mit den Belangen des Klägers berücksichtigt. Es hat angenommen, damit sei der betriebliche Nutzen einer Weiterbeschäftigung von Herrn H nicht so erheblich, dass er das soziale Schutzbedürfnis des Klägers überwiegen könne. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Den betrieblichen Vorteil einer Beschäftigung des breiter qualifizierten und damit flexibler einsetzbaren Arbeitnehmers H hat das Landesarbeitsgericht gewürdigt. Diejenigen Tätigkeiten, die Qualifikationen voraussetzten, über die der Kläger nicht verfüge, könnten aber auch von anderen Arbeitnehmern mit bzw. anderweitig erledigt werden. Gegen diese Feststellungen hat die Beklagte keine Verfahrensrügen erhoben.

29

4. Die Auswahl des Klägers ist ebenso wenig unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ordnungsgemäß. Zwar ist regelmäßig vom Vorliegen berechtigter betrieblicher Interessen an einer Abweichung von der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG auszugehen, wenn Massenkündigungen aufgrund einer Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG erfolgen. In diesen Fällen ist die bestehende Altersstruktur der Belegschaft in der Regel gefährdet und liegt zu deren Erhaltung eine Auswahl unter Bildung von Altersgruppen grundsätzlich im berechtigten betrieblichen Interesse (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Die konkrete Altersgruppenbildung muss aber zur Sicherung der bestehenden Altersstruktur der Belegschaft auch geeignet sein. Daran fehlt es im Streitfall.

30

a) Inwieweit Kündigungen Auswirkungen auf die Altersstruktur des Betriebs haben und welche Nachteile sich daraus ergeben, hängt von den betrieblichen Verhältnissen ab und kann nicht abstrakt für alle denkbaren Situationen beschrieben werden. Dementsprechend muss der Arbeitgeber, wenn er sich auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen will, zu diesen Auswirkungen und möglichen Nachteilen konkret vortragen( BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 65; 18. März 2010 - 2 AZR 468/08  - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 184 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 83). Jedenfalls dann, wenn die Anzahl der Entlassungen innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer im Verhältnis zur Anzahl aller Arbeitnehmer des Betriebs die Schwellenwerte des § 17 KSchG erreicht, kommen ihm dabei Erleichterungen zugute; in diesem Fall ist ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Beibehaltung der Altersstruktur - widerlegbar - indiziert ( BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - aaO; 18. März 2010 - 2 AZR 468/08  - Rn. 24, aaO; 6. November 2008 -  2 AZR 523/07  - Rn. 54, BAGE 128, 238 ).

31

b) Im Streitfall ist der Schwellenwert gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG bezogen auf die insgesamt entlassenen Arbeitnehmer überschritten. Die Gesamtbelegschaft von 181 Mitarbeitern wurde um 48 Mitarbeiter reduziert. Mit Blick auf die Anzahl der fünf Arbeitnehmer, die in der Gruppe der mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer zu entlassen waren, war der Schwellenwert des § 17 KSchG bezogen auf die Anzahl aller Arbeitnehmer im Betrieb hingegen nicht erreicht. Ob die Erleichterung bei der Darlegung des berechtigten betrieblichen Interesses an einer Altersgruppenbildung iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG, die dem Arbeitgeber bei einer Massenkündigung gewährt wird, auch in einem solchen Fall berechtigt ist, bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn dies anzunehmen wäre, war die Altersgruppenbildung im Streitfall zur Erhaltung der Altersstruktur ungeeignet und deshalb eine Abweichung von den Grundsätzen nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht gerechtfertigt.

32

c) Nicht zu beanstanden ist, dass Arbeitgeber und Betriebsrat in Ziffer 4.3 des Interessenausgleichs vom 31. August 2009 die Bildung von Altersgruppen für die untereinander vergleichbaren Arbeitnehmer vereinbart haben. In die Sozialauswahl sind nur miteinander vergleichbare Arbeitnehmer einzubeziehen. Auch die Altersgruppen sind dementsprechend innerhalb der Gruppen der vergleichbaren Arbeitnehmer zu bilden. Es dient auch gerade der Erhaltung der Altersstruktur, dass nach Ziffer 4.3 des Interessenausgleichs die Anzahl der in den einzelnen Bereichen erforderlichen Entlassungen auf die jeweiligen Altersgruppen proportional zu deren Stärke verteilt werden sollten.

33

d) Die konkrete Ausgestaltung der Altersgruppen war im Streitfall zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur dennoch nicht geeignet. Sind mehrere Gruppen vergleichbarer Arbeitnehmer von den Entlassungen betroffen, muss auch innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppe eine proportionale Berücksichtigung der Altersgruppen an den Entlassungen möglich sein. Die betriebsweite Sicherung der bestehenden Altersstruktur muss die Folge der proportionalen Beteiligung der Altersgruppen an den Entlassungen innerhalb der einzelnen Vergleichsgruppen sein. Eine vergleichsgruppenübergreifende Anwendung des Altersgruppenschemas ist rechtlich ausgeschlossen. Es ist das Wesen der Sozialauswahl, dass sie innerhalb der Vergleichsgruppen zu erfolgen hat. Nur dort kann deshalb eine Sicherung der Altersstruktur - mit positiven Effekten für den Betrieb insgesamt - angestrebt werden.

34

aa) In der Gruppe der mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer war eine proportionale Beteiligung der Altersgruppen an den Entlassungen nicht möglich. Als rechnerische Größe ergab sich bei der Ermittlung der Anzahl der in den jeweiligen Altersgruppen betroffenen Arbeitnehmer teilweise ein Wert unter 1. Nach ihrer Stärke entfielen auf die drei mittleren Altersgruppen insgesamt vier zu entlassende Arbeitnehmer, während aus den Altersgruppen 1 und 5 rechnerisch gleichermaßen je 0,45 Arbeitnehmer zu entlassen gewesen wären. Damit war eine proportionale Berücksichtigung der Altersgruppen nicht möglich. Tatsächlich sank das Durchschnittsalter in dieser Vergleichsgruppe durch die ausgesprochenen Kündigungen um 2,66 Jahre. Ein freies Ermessen, ob dem Kläger als einzigem Vertreter der Altersgruppe 5 oder dem Arbeitnehmer H als alleinigem Vertreter der Altersgruppe 1 zu kündigen war, stand der Beklagten nicht zu. Bei § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG handelt es sich um eine Ausnahmeregelung zu Satz 1 der Vorschrift(BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 306/06 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 123, 20; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 628, 630; ErfK/Oetker 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 342). Liegen die Voraussetzungen für eine Abweichung von den Grundsätzen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht vor, verbleibt es bei diesen.

35

bb) Die Auswahl des Klägers war auch nicht dann ordnungsgemäß, wenn - wie die Beklagte geltend macht - der Altersdurchschnitt im Betrieb nach Durchführung des Personalabbaus nur um 0,2 Jahre gesunken sein sollte. Dies wäre nicht die Folge einer proportionalen Beteiligung der Altersgruppen innerhalb der einzelnen Vergleichsgruppen, sondern das betriebsweite arithmetische Ergebnis aus den verschiedenen Disproportionalitäten bei der Beteiligung der Altersgruppen an den Entlassungen. So waren von den 48 zu entlassenden Arbeitnehmern nur 39 überhaupt von der Altersgruppenbildung betroffen. Bei den übrigen neun Arbeitnehmern erfolgte keine Altersgruppenbildung, weil in deren Vergleichsgruppen jeweils entweder nur ein Arbeitnehmer oder alle Arbeitnehmer zu entlassen waren. In den acht Vergleichsgruppen, auf welche sich die 39 von der Altersgruppenbildung betroffenen Arbeitnehmer verteilten, waren zudem überwiegend jeweils nur drei und demnach weniger Arbeitnehmer zu entlassen, als Altersgruppen - fünf - zu bilden waren. Auch in der Vergleichsgruppe des Klägers war, wie ausgeführt, eine proportionale Berücksichtigung der Altersgruppen nicht möglich.

36

II. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Rechtsstreits gerichtet. Dieser ist rechtskräftig abgeschlossen.

37

III. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgelds in Höhe von 400,00 Euro für das Jahr 2009. Der Anspruch folgt aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. der im Aushang vom Dezember 2009 liegenden Gesamtzusage. Da der Kläger in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, erfüllt er die darin genannten Voraussetzungen. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Zahlung mit der Abrechnung für November 2009 fällig wurde.

38

IV. Die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor     

        

        

        

    Beckerle    

        

    Torsten Falke     

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Mai 2011 - 2 Sa 1975/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch eine auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung aufgelöst wurde.

2

Der 1970 geborene, unverheiratete Kläger war seit Oktober 1998 als Werkzeugmacher bei der Schuldnerin, der T GmbH & Co. KG, beschäftigt. Die Schuldnerin war ein Unternehmen der Automobilzulieferindustrie.

3

Mit Beschluss vom 2. Dezember 2009 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

4

Der Beklagte und der im Betrieb der Schuldnerin gebildete Betriebsrat schlossen am 10. Februar 2010 einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Der von beiden Betriebsparteien auf jeder Seite unterzeichnete Interessenausgleich lautet auszugsweise:

        

II. Kündigungen/Freistellungen

        

1. …   

        

… Zwischenzeitlich ist es gelungen, einen Betriebserwerber zu finden, mit dem in Kürze ein Kaufvertrag wirksam werden kann. Der Betriebserwerber ist jedoch nur in der Lage, das Ziel, den Standort H langfristig zu erhalten, zu erreichen, wenn hohe Einsparungen realisiert werden, um die Kosten dem tatsächlichen, um 30 % gesunkenen Umsatzvolumen anzupassen. … Die Restrukturierung der Beschäftigungsstruktur ist durch entsprechenden Personalabbau zu erreichen.

        

Es wurde ein tatsächlicher Beschäftigungsbedarf für ca. 460 Arbeitsplätze am Standort H ermittelt. Die ursprünglich in H bestehenden ca. 604 Arbeitsplätze wurden vor und in der Insolvenz, insbesondere durch Auslaufen befristeter Arbeitsverträge, auf aktuell ca. 509 Arbeitsplätze reduziert. Der nun noch erforderliche Abbau von Arbeitsplätzen durch entsprechenden Personalabbau soll durch den Ausspruch von 48 betriebsbedingten Beendigungskündigungen nach Abschluss eines entsprechenden Interessenausgleichs erfolgen. Hinzu kommt, dass gegenüber zwei Arbeitnehmern verhaltensbedingte Kündigungen ausgesprochen werden bzw. worden sind, deren Arbeitsplätze (Produktionshelfer) ebenfalls nicht wieder besetzt werden.

        

2. Der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat sind sich darüber einig, dass eine Fortführung des Geschäftsbetriebes nur möglich ist, wenn die Anzahl der Mitarbeiter auf etwa 460 reduziert wird. Daher ist es erforderlich, die Arbeitsverhältnisse mit den nachfolgend aufgeführten Mitarbeitern aus betriebsbedingten Gründen zum nächstzulässigen Termin im Sinne des § 113 InsO zu kündigen. Die nachfolgende Auflistung stellt die Namensliste im Sinne von § 125 InsO dar.

        

…       

                 
        

44    

St    

S       

        

…       

                 
        

3. Der Betriebsrat wurde über die für die Sozialauswahl relevanten Merkmale aller Mitarbeiter der Gesellschaft unter Vorlage von Personallisten unterrichtet. Die dem Betriebsrat überreichten Personallisten enthalten unter anderem Angaben zur Person und zu den Sozialdaten im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG (Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung).

        

4. Die Parteien haben nachstehende Auswahlrichtlinie gem. § 1 Abs. 4 KSchG i. V. m. § 95 BetrVG vereinbart, nach der die sozialen Gesichtspunkte bei der Auswahl von Mitarbeitern zu den beabsichtigten Kündigungen zu werten sind:

                 
        

Lebensalter

        

Für jedes vollendete Lebensjahr 1 Punkt

        

Maximal 55 Punkte

                 
        

Betriebszugehörigkeit

        

Für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit 1 Punkt

        

Für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit ab

        

dem 11. Beschäftigungsjahr 2 Punkte

        

Maximal 70 Punkte

                 
        

Unterhaltspflichten

        

Verheiratet 8 Punkte

        

Je Kind 4 Punkte

                 
        

Schwerbehinderung

        

Schwerbehinderung im Sinne der §§ 85 ff. SGB IX bis zu einem Grad der Behinderung von GdB 50 oder Gleichstellung 5 Punkte

        

je 1 weiterer Punkt pro 10 GdB mehr

                 
        

Als Stichtag für die Berechnung wurde der 01.02.2010 zugrunde gelegt.

        

…       

        

III. Anhörungsverfahren gemäß § 102 BetrVG

        

1. Bei den Verhandlungen über den Interessenausgleich und der Erstellung der Namensliste lagen dem Betriebsrat die Sozialdaten im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG sämtlicher Arbeitnehmer vor. Mit der Erstellung der Namensliste ist gleichzeitig das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG zur Kündigung der in der Namensliste genannten Arbeitnehmer eingeleitet worden. Die Erörterungen, die zur Erstellung der Namensliste geführt haben, sind gleichzeitig die förmlichen Informationen des Betriebsrats über die Kündigungsgründe gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Dies wurde dem Betriebsrat vor Beginn der Verhandlungen über den Interessenausgleich mitgeteilt.

        

Der Betriebsrat hatte Gelegenheit, über die beabsichtigten Kündigungen zu beraten.

        

…       

        

Der Betriebsrat gibt folgende abschließende Stellungnahme ab:

        

Den Kündigungen widerspricht der Betriebsrat nicht. Der Betriebsrat betrachtet das Anhörungsverfahren damit als abgeschlossen.

        

…       

        

IV. Information und Stellungnahme des Betriebsrats gemäß § 17 KSchG

        

1. Dem Betriebsrat wurden im Sinne des § 17 KSchG die zweckdienlichen Auskünfte wie folgt erteilt:

        

a) Gründe für die geplanten Entlassungen: Siehe Ziffer II. 1. dieses Interessenausgleichs

        

b) Zahl und Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer: Siehe Namensliste in Verbindung mit der überreichten Personalliste

        

c) Zahl und Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer: Gemäß der überreichten Personalliste

        

d) Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen: Siehe Ziffer II. 2. dieses Interessenausgleichs

        

e) Kriterien für die Berechnung etwaiger Abfindungen: Lebensalter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung

        

2. Der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat haben die Möglichkeiten beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mindern.

        

3. Der Betriebsrat gibt folgende Stellungnahme gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 ab:

        

Der Betriebsrat hat sich ausführlich mit den geplanten Entlassungen befasst und ist der Auffassung, dass die geplanten Entlassungen unvermeidbar sind, und sieht keine andere Möglichkeit, damit zumindest die danach noch vorhandenen Arbeitsplätze erhalten werden können.

        

…“    

5

Der Kläger ist unter Nr. 44 der Namensliste benannt. In dem Interessenausgleich wurden 51 Vergleichsgruppen gebildet. Die Betriebsparteien bildeten für drei der 51 Vergleichsgruppen fünf Altersgruppen (bis 24 Jahre, 25 bis 34 Jahre, 35 bis 44 Jahre, 45 bis 54 Jahre, ab 55 Jahre). Der Kläger war neben 21 weiteren Arbeitnehmern der Vergleichsgruppe Nr. 10 „Instandhalter Mechanik/Werkzeugbau“ zugeordnet. Er gehörte der Altersgruppe 35 bis 44 Jahre an. Für die Vergleichsgruppe Nr. 10 waren folgende Kündigungen geplant:

        

Altersgruppe

Beschäftigte Arbeitnehmer

Kündigungen

        

Bis 24 Jahre

1       

0       

        

25 bis 34 Jahre

4       

1       

        

35 bis 44 Jahre

7       

1       

        

45 bis 54 Jahre

8       

2       

        

Ab 55 Jahre

2       

0       

6

Von den sieben Arbeitsverhältnissen der Vergleichs- und Altersgruppe des Klägers wurde nur sein Arbeitsverhältnis gekündigt. In seiner Vergleichs- und Altersgruppe wies der Kläger nach dem Punkteschema der Auswahlliste mit 51 Punkten zwei Sozialpunkte mehr als der Arbeitnehmer Y mit 49 Punkten auf.

7

Der Beklagte zeigte mit Schreiben vom 11. Februar 2010 gegenüber der Agentur für Arbeit H die Entlassung von 48 Arbeitnehmern an. Die Agentur für Arbeit H teilte dem Beklagten unter dem 18. Februar 2010 mit, die angezeigten 48 Entlassungen könnten mit der geplanten Wirkung in der Freifrist durchgeführt werden, die sich an die am 11. März 2010 endende Regelsperrfrist anschließe. Die Massenentlassungsanzeige sei am 11. Februar 2010 wirksam geworden.

8

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 12. Februar 2010 zum 31. Mai 2010.

9

Der Kläger hat sich mit seiner am 25. Februar 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen die Kündigung gewandt. Er hat die Unterrichtung des Betriebsrats und die Massenentlassungsanzeige für nicht ordnungsgemäß gehalten. Die soziale Auswahl sei grob fehlerhaft. Das folge schon daraus, dass der Beklagte mit seinem Kündigungsentschluss von der Auswahlrichtlinie abgewichen sei. Er habe nicht das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers Y gekündigt, der nach dem Punkteschema sozial am stärksten gewesen sei. Es sei auch nicht erkennbar, dass es erforderlich gewesen sei, Altersgruppen zu bilden, um eine ausgewogene Personalstruktur zu erhalten oder zu schaffen. Weshalb nur für drei Vergleichsgruppen Altersgruppen gebildet worden seien, sei ebenso wenig ersichtlich. Ferner seien die Arbeitsverhältnisse vergleichbarer Arbeitnehmer in der „Instandhaltung Mechanik/Werkzeugbau“ nicht gekündigt worden, obwohl die Arbeitnehmer keinen Kündigungsschutz genossen hätten. Dabei handle es sich um die ehemaligen Auszubildenden B und Sh, die erst im Januar 2010 einen Arbeitsvertrag erhalten hätten. Auch der frühere Leiharbeitnehmer Bi habe erst im Dezember 2009 einen Arbeitsvertrag mit dem Beklagten geschlossen.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 12. Februar 2010 nicht beendet wurde.

60    

11

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die soziale Auswahl sei objektiv nicht grob fehlerhaft. Ihm habe bei Abweichungen bis zu zehn Sozialpunkten nach dem übereinstimmenden Willen der Betriebsparteien ein Beurteilungsspielraum zugestanden, obwohl die Auswahlrichtlinie einen solchen nicht ausdrücklich erkennen lasse. Dieser Beurteilungsspielraum sei bei einem Abstand von nur zwei Sozialpunkten nicht überschritten. Die Betriebsparteien hätten ferner angenommen, der Kläger sei aufgrund seiner Arbeitsleistung und Arbeitsmoral am ehesten entbehrlich gewesen. Dieser Umstand sei in den Interessenausgleichsverhandlungen erörtert worden. Die Altersgruppenbildung sei nicht zu beanstanden.

12

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision will der Beklagte die Klage weiter abgewiesen wissen.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die soziale Auswahl sei grob fehlerhaft, weil der Beklagte gegen die im Interessenausgleich enthaltene Auswahlrichtlinie verstoßen habe. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht darüber entscheiden, ob die Kündigung wirksam ist. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

14

A. Der beklagte Insolvenzverwalter ist nach wie vor passiv legitimiert. Es ist nicht festgestellt, ob und ggf. wann es nach Zugang der Kündigung zu einem Betriebsübergang kam. Selbst wenn der Betrieb der Schuldnerin veräußert worden sein sollte, wäre der Beklagte noch immer passiv legitimiert. Der betriebsveräußernde Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis vor einem Betriebsübergang gekündigt hat, bleibt für die gerichtliche Klärung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung auch nach dem Betriebsübergang passiv legitimiert. §§ 265, 325 ZPO sind in einem solchen Fall entsprechend anzuwenden(vgl. für die st. Rspr. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 21; 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - zu II 3 d der Gründe, BAGE 114, 362).

15

B. Der Senat kann aufgrund der getroffenen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilen, ob die Kündigung vom 12. Februar 2010 das Arbeitsverhältnis der Parteien mit der dreimonatigen Frist des § 113 Satz 2 InsO zum 31. Mai 2010 beendete.

16

I. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO bejaht. Es hat auch zutreffend erkannt, dass die soziale Auswahl der Arbeitnehmer nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann. Die Kündigung ist aufgrund einer Betriebsänderung erfolgt. Der Kläger ist in einem zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleich namentlich bezeichnet. Es steht jedoch noch nicht fest, ob die Kündigung vom 12. Februar 2010 den Vorgaben der § 1 Abs. 3 KSchG, § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO genügt oder ob die Sozialauswahl grob fehlerhaft ist.

17

1. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen.

18

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO sind erfüllt. Darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

19

aa) Die Kündigung beruht auf einer Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG.

20

(1) Um eine Betriebsänderung handelt es sich auch bei einem bloßen Personalabbau, wenn die Zahlen und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht sind. Ausschlaggebend ist die Zahl der in einem Betrieb erfolgenden Kündigungen im Verhältnis zur Zahl der in der Regel in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Der Begriff des Betriebs in § 17 KSchG entspricht dem der §§ 1, 4 BetrVG(st. Rspr., vgl. zB BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 17; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 17).

21

(2) Der Personalabbau überschritt hier die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG. Maßgeblich für die Berechnung des Schwellenwerts war die im Betrieb H, in dem der Kläger tätig war, beschäftigte Zahl von 509 Arbeitnehmern. In diesem Betrieb waren 48 Arbeitnehmer von den (beabsichtigten) Kündigungen betroffen, wie sich aus Nr. II 1 Abs. 4 Satz 3 des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 ergibt. Die Namen der 48 zu kündigenden Arbeitnehmer finden sich in der Namensliste, die in Nr. II 2 des Interessenausgleichs integriert ist. Die Mindestbeschäftigtenzahl von 500 Arbeitnehmern und der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG von mindestens 30 zu Entlassenden waren damit erreicht.

22

bb) Die in den Interessenausgleichstext einbezogene und vom Beklagten und vom Betriebsrat unterzeichnete Namensliste weist den Namen des Klägers unter Nr. 44 aus.

23

b) Der Kläger hat die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht widerlegt. Er hat dazu nichts vorgebracht. Die Vermutung, dass die Kündigung betriebsbedingt ist, ist erst dann widerlegt, wenn der Arbeitnehmer substantiiert darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass der nach dem Interessenausgleich in Betracht kommende betriebliche Grund in Wirklichkeit nicht besteht (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 520/11 - Rn. 25; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 17, BAGE 140, 169).

24

c) Der Kläger hat nicht behauptet, die Sachlage habe sich nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich iSv. § 125 Abs. 1 Satz 2 InsO geändert. Eine wesentliche Änderung der Sachlage ist nur anzunehmen, wenn im Kündigungszeitpunkt davon auszugehen ist, dass die Geschäftsgrundlage entfallen ist. Das ist zu bejahen, wenn nicht ernsthaft bezweifelt werden kann, dass beide Betriebsparteien oder eine von ihnen den Interessenausgleich in Kenntnis der späteren Änderung nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 38; 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 32). Darauf hat sich der Kläger nicht berufen.

25

2. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann nicht angenommen werden, dass die soziale Auswahl grob fehlerhaft iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist.

26

a) Die soziale Auswahl kann nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Dieser Prüfungsmaßstab gilt nicht nur für die Auswahlkriterien und ihre relative Gewichtung selbst. Auch die Bildung der auswahlrelevanten Arbeitnehmergruppe kann gerichtlich lediglich auf grobe Fehler überprüft werden. Die Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede soziale Ausgewogenheit vermissen lässt (st. Rspr., vgl. für § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 38 f., BAGE 140, 169; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 21; s. auch BT-Drucks. 15/1204 S. 12). Die getroffene Auswahl muss sich mit Blick auf den klagenden Arbeitnehmer im Ergebnis als grob fehlerhaft erweisen. Nicht entscheidend ist, ob das Auswahlverfahren zu beanstanden ist (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 39 mwN, aaO).

27

b) Diesen Anforderungen wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht gerecht.

28

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft, weil der Beklagte die Auswahlentscheidung zulasten des Klägers getroffen habe, obwohl er das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers Y hätte kündigen müssen, der zwei Sozialpunkte weniger aufgewiesen habe. Die im Interessenausgleich enthaltene, als Betriebsvereinbarung einzuordnende Auswahlrichtlinie iSv. § 95 BetrVG lege die Auswahlkriterien als Rechtsnorm verbindlich fest und lasse keine Ausnahmen zu. Die Betriebsparteien hätten gerade nicht nur eine Vorauswahl getroffen und dem Arbeitgeber die abschließende Beurteilung des Einzelfalls überlassen. Es komme daher nicht auf die abweichende Bewertung der Betriebsparteien in der Namensliste des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 an.

29

bb) Diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt nicht alle wesentlichen Umstände.

30

(1) Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, dass es sich bei der in Nr. II 4 des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 enthaltenen Regelung um eine Auswahlrichtlinie iSv. § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG, § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, also um eine Betriebsvereinbarung iSv. § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG handelt.

31

(a) Der Senat kann offenlassen, ob der gesamte Interessenausgleich in diesem besonderen Fall der Verbindung von Auswahlrichtlinie und Namensliste zugleich die Rechtsnatur einer Betriebsvereinbarung aufweist.

32

(aa) Die Betriebsparteien können einen Interessenausgleich einschließlich einer darin enthaltenen Auswahlrichtlinie auch als Betriebsvereinbarung schließen (vgl. zu einem solchen Fall BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 4, BAGE 128, 238; Lingemann/Beck NZA 2009, 577, 578).

33

(bb) Hier sind sowohl der Interessenausgleich als Gesamtheit der getroffenen Regelungen als auch die Auswahlrichtlinie und die Namensliste im Besonderen von beiden Betriebsparteien unterschrieben. Die Auswahlrichtlinie ist deswegen schon nach ihrem Wortlaut eine schriftformgerechte Betriebsvereinbarung iSv. § 77 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Sie bezeichnet sich selbst als Auswahlrichtlinie iSv. § 1 Abs. 4 KSchG iVm. § 95 BetrVG, nach der die sozialen Gesichtspunkte bei der Auswahl von Mitarbeitern zu den beabsichtigten Kündigungen zu werten sind.

34

(b) Der Qualifikation von Nr. II 4 des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 als Auswahlrichtlinie iSv. § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG iVm. § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG steht nicht entgegen, dass sich die Bestimmung auf eine konkrete Massenkündigung bezieht. Ein Punkteschema für die soziale Auswahl ist auch dann eine nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Auswahlrichtlinie, wenn der Arbeitgeber es nicht generell auf alle künftigen betriebsbedingten Kündigungen, sondern nur auf konkret bevorstehende Kündigungen anwenden will(vgl. BAG 9. November 2006 - 2 AZR 509/05 - Rn. 32, BAGE 120, 115; 6. Juli 2006 - 2 AZR 442/05 - Rn. 30; grundlegend 26. Juli 2005 - 1 ABR 29/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 115, 239; abl. Lingemann/Beck Anm. AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 87 zu 4; Quecke RdA 2007, 335, 336 ff.).

35

(2) Es kann dahinstehen, ob die in Nr. II 4 des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 enthaltene Auswahlrichtlinie wirksam ist, obwohl sie neben den von § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO genannten sozialen Gesichtspunkten der Dauer der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters und der Unterhaltspflichten auch die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zu beachtende Schwerbehinderung und die Gleichstellung von Arbeitnehmern mit schwerbehinderten Menschen berücksichtigt. Das ist deshalb nicht unproblematisch, weil der Namensliste in Nr. II 2 des Interessenausgleichs zumindest in weiten Teilen die Auswahlrichtlinie in Nr. II 4 des Interessenausgleichs zugrunde liegt, die beiden Regelungskomplexe also miteinander verknüpft sind. Jedenfalls dürfen zusätzliche Faktoren über die in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG genannten Gesichtspunkte hinaus nicht berücksichtigt werden(vgl. BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 46). Sonst wird der gemilderte Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit nicht ausgelöst (vgl. BAG 18. Oktober 2006 - 2 AZR 473/05 - Rn. 28, BAGE 120, 18). Allenfalls kommt eine Ergänzung in der Gewichtung der Grunddaten aus § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG in Betracht, wenn sich die ergänzenden Faktoren unmittelbar auf die Grunddaten beziehen(vgl. BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 46). Wird unterstellt, dass die Berücksichtigung der Schwerbehinderung und der Gleichstellung die Wirksamkeit der Auswahlrichtlinie nicht hindert, ist nicht erkennbar, dass sie gegen Diskriminierungsverbote des AGG verstößt oder in ihrer konkreten Ausgestaltung zu beanstanden ist.

36

(a) Die Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG verfolgt das Ziel, ältere Arbeitnehmer, die typischerweise schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, besser zu schützen. Die damit verbundene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ist unionsrechtskonform(vgl. näher BAG 27. September 2012 - 2 AZR 520/11 - Rn. 52 mwN; 28. Juni 2012 -  6 AZR 682/10  - Rn. 24 ; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 48 ff. mwN, BAGE 140, 169).

37

(b) Die Auswahlrichtlinie ist unter der Voraussetzung, dass die Frage der von ihr berücksichtigten Schwerbehinderung und der Gleichstellung dahingestellt bleibt, auch in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht zu beanstanden.

38

(aa) Die Betriebsparteien haben dem Lebensalter kein unangemessen hohes Gewicht beigemessen. Dass sie die Betriebszugehörigkeit im Verhältnis zum Alter ab dem elften Beschäftigungsjahr stärker gewichtet haben, ist mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar und wird vom Kläger nicht gerügt.

39

(bb) Der Wirksamkeit des Punktesystems steht nicht entgegen, dass es keine abschließende Einzelfallbetrachtung des Beklagten vorsieht. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG idF des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) muss der Arbeitgeber die im Gesetz ausdrücklich bezeichneten Grunddaten berücksichtigen. Ob er darüber hinaus andere Gesichtspunkte einbeziehen darf, ist dem Gesetz nicht unmittelbar zu entnehmen. Der Arbeitgeber braucht neben den im Gesetz vorgeschriebenen Kriterien jedenfalls keine weiteren Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Ein Punktesystem muss deshalb keine individuelle Abschlussprüfung mehr vorsehen (vgl. BAG 9. November 2006 - 2 AZR 812/05 - Rn. 29 mwN, BAGE 120, 137).

40

(3) Wird zugunsten des Klägers unterstellt, dass die Berücksichtigung der Schwerbehinderung und der Gleichstellung von Arbeitnehmern für die Wirksamkeit der Auswahlrichtlinie unschädlich ist, kommt ihr auch die Wirkung der § 1 Abs. 4 KSchG, § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu. Sie privilegiert den Arbeitgeber hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs. Ist in einer Betriebsvereinbarung iSv. § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, kann diese Gewichtung nach § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Sie ist grob fehlerhaft, wenn sie jede Ausgewogenheit vermissen lässt, einzelne Sozialdaten also überhaupt nicht, eindeutig unzureichend oder mit eindeutig überhöhter Bedeutung berücksichtigt wurden. Darüber hinaus bindet sich der Arbeitgeber selbst an die in der Auswahlrichtlinie getroffene Bewertung (vgl. BAG 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 13; 5. Juni 2008 -  2 AZR 907/06  - Rn. 19).

41

(4) Das Landesarbeitsgericht hat jedoch außer Acht gelassen, dass die Betriebsparteien die in der Auswahlrichtlinie vorgenommene Bewertung (teilweise) revidieren konnten, indem sie nicht den Arbeitnehmer Y, sondern den Kläger in die Namensliste unter Nr. II 2 des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 aufnahmen.

42

(a) Die Betriebsparteien können Vereinbarungen über die personelle Auswahl bei späterer oder schon bei zeitgleicher Gelegenheit - etwa bei Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste - ändern. Setzen sie sich in einem bestimmten Punkt gemeinsam über die Auswahlrichtlinie hinweg, ist die Namensliste zumindest dann maßgeblich, wenn Interessenausgleich und Auswahlrichtlinie - wie hier - von denselben Betriebsparteien herrühren (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 45, BAGE 140, 169; Lingemann/Rolf NZA 2005, 264, 268).

43

(b) Der Kläger hätte deshalb Tatsachen darlegen müssen, aus denen sich bei objektiver Betrachtung ergibt, dass die Gewichtung der Sozialkriterien bei seiner Auswahl zur Kündigung anstelle des Arbeitnehmers Y im Auswahlergebnis grob fehlerhaft iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO war. Eine solche grobe Fehlerhaftigkeit ist weder dargelegt noch ersichtlich. Vielmehr weist der Arbeitnehmer Y nur den verhältnismäßig geringfügigen Unterschied von zwei Punkten nach dem von der Namensliste insoweit aufgehobenen Punktesystem der Auswahlrichtlinie auf. Während auf den Kläger am Stichtag des 1. Februar 2010 51 Punkte entfielen, wies der Arbeitnehmer Y 49 Punkte auf. Solche geringfügigen Unterschiede können eine grobe Fehlerhaftigkeit des Auswahlergebnisses iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO jedenfalls für sich genommen nicht begründen(vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 49; 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 28). Das Gesetz räumt den Betriebsparteien sowohl in § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG als auch in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO einen weiten Spielraum bei der Gewichtung der Sozialkriterien ein(vgl. für § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG BAG 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 13; für § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 32).

44

c) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob die soziale Auswahl im Hinblick auf das Auswahlergebnis der Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers grob fehlerhaft iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist.

45

aa) Das Landesarbeitsgericht wird Feststellungen zu der Frage der Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer B, Sh und Bi treffen müssen. Es wird aufgrund dieser Feststellungen zu würdigen haben, ob die Auswahl des Klägers im Verhältnis zu diesen Arbeitnehmern im Ergebnis grob fehlerhaft ist, weil der auswahlrelevante Personenkreis offensichtlich zu eng gezogen wurde.

46

bb) Das Berufungsgericht wird bei seiner erneuten Prüfung der groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl davon auszugehen haben, dass die Sozialauswahl nicht unter Berücksichtigung der von den Betriebsparteien vereinbarten Altersgruppen vorzunehmen war. Die Altersgruppenbildung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG war in der Vergleichsgruppe des Klägers nicht geeignet, eine ausgewogene Altersstruktur zu erhalten oder zu schaffen.

47

(1) Entgegen der in den Vorinstanzen geäußerten Auffassung des Klägers ist eine Altersgruppenbildung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht bereits deshalb unzulässig, weil das Lebensalter als Auswahlkriterium berücksichtigt wird. Das ist unabhängig von einer Altersgruppenbildung durch § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorgegeben. Die in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG eröffnete Möglichkeit, die Auswahl zum Zweck der Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur innerhalb von Altersgruppen vorzunehmen, verstößt auch nicht gegen § 7 Abs. 1 und 2 iVm. §§ 1, 3 AGG sowie das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung und seine Ausgestaltung durch die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 (vgl. etwa BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 25; 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10  - Rn. 28  ff.; 15. Dezember 2011 -  2 AZR 42/10  - Rn. 46 ff., BAGE 140, 169).

48

(2) § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG erlaubt iVm. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO abweichend von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG eine Sozialauswahl im Rahmen von Altersgruppen, um eine ausgewogene Personalstruktur des Betriebs zu erhalten oder zu schaffen, wenn das im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.

49

(a) § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ermöglicht es dem Arbeitgeber - und über § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG oder § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO den Betriebsparteien -, bestimmte Arbeitnehmer im berechtigten betrieblichen Interesse von der Sozialauswahl auszunehmen(vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 11). Danach ist es zulässig, dass der Arbeitgeber innerhalb des zur Sozialauswahl anstehenden Personenkreises Altersgruppen nach sachlichen Kriterien bildet, die prozentuale Verteilung auf die Altersgruppen feststellt und die Gesamtzahl der auszusprechenden Kündigungen diesem Proporz entsprechend auf die einzelnen Altersgruppen verteilt. Folge ist, dass sich die Sozialauswahl iSv. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nur in den Gruppen vollzieht und sich der Anstieg des Lebensalters lediglich innerhalb der jeweiligen Altersgruppe auswirkt. Das kann dazu führen, dass das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, der wegen seines höheren Lebensalters in eine höhere Altersgruppe fällt, zu kündigen ist, während ein jüngerer Arbeitnehmer mit im Übrigen gleichen Sozialdaten allein durch die Zuordnung zu einer anderen Altersgruppe seinen Arbeitsplatz behält (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 60 mwN, BAGE 140, 169; s. auch 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 30; Krieger/Reinecke DB 2013, 1906, 1910). Ein berechtigtes betriebliches Interesse ist nur anzunehmen, wenn die im konkreten Fall vorgenommene Altersgruppenbildung tatsächlich geeignet ist, eine ausgewogene Personalstruktur zu sichern (vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 26; 22. März 2012 - 2 AZR 167/11  - Rn. 29 ).

50

(b) Nach diesen Grundsätzen war die Altersgruppenbildung in Vergleichsgruppe Nr. 10 „Instandhalter Mechanik/Werkzeugbau“ nicht geeignet, die bisherige Altersstruktur zu bewahren. Die Altersstruktur verschob sich in dieser Vergleichsgruppe, weil die unterste und die höchste Altersgruppe nicht von Kündigungen betroffen waren (vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 32).

51

(c) Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen die Betriebsparteien vereinbaren können, die Altersstruktur zu verbessern (bejahend LAG Rheinland-Pfalz 11. März 2010 - 10 Sa 581/09 - zu II der Gründe; in dem anderen Zusammenhang des legitimen Ziels iSv. § 10 Satz 1 und 2 AGG offengelassen von BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 49 f.). Die Altersgruppenbildung in der Vergleichsgruppe des Klägers war nicht geeignet, eine ausgewogene Altersstruktur iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO zu schaffen.

52

(aa) Der Arbeitgeber muss, wenn er sich auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen will, zu den Auswirkungen und möglichen Nachteilen von Kündigungen für die Altersstruktur der Belegschaft und damit verbundenen möglichen Nachteilen für den Betrieb konkret vortragen.

53

(aaa) Der Gesetzgeber gibt eine Altersgruppenbildung in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht zwingend vor. Er überlässt dem Arbeitgeber - bzw. ggf. den Betriebsparteien - das „Ob“ und das „Wie“ der Gruppenbildung. Er räumt dem Arbeitgeber bzw. den Betriebsparteien dabei einen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum ein. Inwieweit Kündigungen Auswirkungen auf die Altersstruktur des Betriebs haben und welche Nachteile sich daraus ergeben, hängt von den betrieblichen Verhältnissen ab und kann nicht abstrakt für alle denkbaren Fälle beschrieben werden. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen und möglichen Nachteile der Gruppenbildung deswegen im Einzelnen darlegen, wenn er sich auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen will(vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 65, BAGE 140, 169; 18. März 2010 - 2 AZR 468/08  - Rn. 23 ).

54

(bbb) Jedenfalls dann, wenn die Zahl der Kündigungen in einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer im Verhältnis zur Zahl aller Arbeitnehmer des Betriebs die Schwellenwerte des § 17 KSchG erreicht, kommen dem Arbeitgeber Erleichterungen zugute. In diesem Fall ist ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Beibehaltung der Altersstruktur - widerlegbar - indiziert (vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn.  28; 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 30; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10  - Rn. 65, BAGE 140, 169; 6. November 2008 -  2 AZR 523/07  - Rn. 54 , BAGE 128, 238 ).

55

(bb) Eine solche Indizwirkung scheidet im Streitfall aus. Der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG war zwar hinsichtlich der insgesamt zu entlassenden Arbeitnehmer überschritten. Die Gesamtbelegschaft von 509 Arbeitnehmern wurde um 48 Arbeitnehmer verringert. Bezogen auf die Zahl von vier Arbeitsverhältnissen, die in der Vergleichsgruppe des Klägers zu kündigen waren, war der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG aber bei Weitem nicht erreicht. Die Vergleichsgruppe weist weniger Kündigungen (vier) als Altersgruppen (fünf) auf (vgl. BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 35).

56

(cc) Ob die Darlegung des berechtigten betrieblichen Interesses an einer Altersgruppenbildung iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG auch dann zu erleichtern ist, wenn einer der Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG nur im Gesamtbetrieb, aber nicht in der Vergleichsgruppe erreicht ist, kann auf sich beruhen. Die Altersgruppenbildung war hier jedenfalls nicht geeignet, eine ausgewogene Altersstruktur herbeizuführen (vgl. für die Sicherung der Altersstruktur BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 31; s. auch 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn.  29). Der Beklagte ist seiner Darlegungslast nicht nachgekommen.

57

(aaa) Er hätte zunächst vortragen müssen, welche konkrete Altersstruktur die Betriebsparteien schaffen wollten, dh. ob sie den Altersdurchschnitt senken oder erhöhen wollten. Zudem hätte der Beklagte die Gründe dafür nennen müssen. Schlagwortartige Bezeichnungen genügen nicht. Sonst kann nicht überprüft werden, ob die Ungleichbehandlung durch das verfolgte Ziel gerechtfertigt ist (vgl. BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 50).

58

(bbb) Sollten die Betriebsparteien eine Verjüngung der Altersstruktur angestrebt haben, hätte das die Kündigung einer überproportional hohen Zahl älterer Arbeitnehmer in den höheren Altersgruppen der Vergleichsgruppe Nr. 10 vorausgesetzt. Das ist weder vorgetragen noch ersichtlich, zumal in dieser Vergleichsgruppe die höchste Altersgruppe der beiden Arbeitnehmer ab Vollendung des 55. Lebensjahres nicht von Kündigungen betroffen war.

59

(3) Sind danach die Voraussetzungen für eine Abweichung von den Grundsätzen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG durch die Bildung von Altersgruppen nicht erfüllt, hatte die Sozialauswahl ohne Rücksicht auf Altersgruppen zu erfolgen. Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, ob die soziale Auswahl dennoch im Auswahlergebnis nicht grob fehlerhaft ist. Die getroffene Auswahl muss sich gerade mit Blick auf den klagenden Arbeitnehmer im Ergebnis als grob fehlerhaft erweisen. Nicht entscheidend ist, dass das Auswahlverfahren zu beanstanden ist. Ein mangelhaftes Auswahlverfahren kann zu einem richtigen - nicht grob fehlerhaften - Auswahlergebnis führen (vgl. zB BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn.  34; 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09  - Rn. 19 ).

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II. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif. Die Revision kann nicht nach § 561 ZPO zurückgewiesen werden. Das Landesarbeitsgericht hat - nach seinem Lösungsweg konsequent - keine Feststellungen getroffen, die es dem Senat erlauben zu beurteilen, ob die Anhörung des Betriebsrats (§ 102 BetrVG) und die Massenentlassungsanzeige des Beklagten (§ 17 KSchG) ordnungsgemäß waren. Der Kläger hat diese formellen Unwirksamkeitsgründe gerügt.

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1. Das Landesarbeitsgericht wird bei seiner Prüfung zu beachten haben, dass der Arbeitgeber die Pflichten aus §§ 111, 102 Abs. 1 BetrVG und § 17 Abs. 2 KSchG gleichzeitig erfüllen kann. Er muss dabei hinreichend klarstellen, welche Verfahren durchgeführt werden sollen (vgl. nur BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 47 mwN).

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2. Aus Nr. II 3, Nr. III 1 Abs. 1 und Nr. IV 1, 2 des Interessenausgleichs vom 10. Februar 2010 geht ausdrücklich hervor, dass mit dem Interessenausgleichsverfahren zugleich die Unterrichtungspflichten aus § 102 Abs. 1 BetrVG und § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG sowie die Beratungspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG erfüllt werden sollten.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Augat    

        

    Cl. Peter    

                 

(1) Ist eine Betriebsänderung (§ 111 des Betriebsverfassungsgesetzes) geplant und kommt zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat ein Interessenausgleich zustande, in dem die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, namentlich bezeichnet sind, so ist § 1 des Kündigungsschutzgesetzes mit folgenden Maßgaben anzuwenden:

1.
es wird vermutet, daß die Kündigung der Arbeitsverhältnisse der bezeichneten Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb oder einer Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen entgegenstehen, bedingt ist;
2.
die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten und auch insoweit nur auf grobe Fehlerhaftigkeit nachgeprüft werden; sie ist nicht als grob fehlerhaft anzusehen, wenn eine ausgewogene Personalstruktur erhalten oder geschaffen wird.
Satz 1 gilt nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat.

(2) Der Interessenausgleich nach Absatz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 des Kündigungsschutzgesetzes.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.