Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 14. Apr. 2015 - 2 Sa 85/14

bei uns veröffentlicht am14.04.2015

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 13. März 2014 zum Aktenzeichen 6 Ca 1621/13 teilweise wie folgt abgeändert.

a) Der Kündigungsschutzantrag (Urteilstenor zu 1) wird abgewiesen;

b) die Klage wird hinsichtlich des Urteilstenors zu 2 abgewiesen, soweit das Arbeitsgericht den Beklagten zur Zahlung von mehr als 2.011,25 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. September 2013 verurteilt hat;

c) die Kosten des Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht (Urteilstenor zu 3) trägt der Kläger zu 35 Prozent und im Übrigen der Beklagte.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 70 Prozent. Die übrigen Kosten trägt der Beklagte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie um Entgelt für August 2013.

2

Der Kläger, polnischer Staatsbürger mit Zweitwohnsitz im hiesigen Bezirk, ist mindestens seit dem 18. Dezember 2008 auf dem Betriebsgelände der LFW L. Fleisch- und Wurstspezialitäten GmbH & Co. KG (im Folgenden abgekürzt mit LFW bezeichnet) als Zerleger im Bereich der Fleischzerlegung tätig. Das Arbeitsverhältnis bestand anfangs zu einer LWL GmbH mit Sitz in A-Stadt, deren Geschäftsführerin Frau I. B. war. Die LWL GmbH hat für die LFW Teilleistungen im Produktionsprozess auf deren Betriebsgelände erbracht, insbesondere im Bereich der Fleischzerlegung und bei der Verpackung der von LFW hergestellten Produkte.

3

Der Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der LWL GmbH lautet auszugsweise wie folgt (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichte Kopie, hier Blatt 37 ff Bezug genommen).

4

"§ 5 Vergütung

5

Der/Die Arbeitnehmer(in) erhält einen Brutto-Stundenlohn in Höhe von 7,50 €. Der Arbeitnehmer erhält eine monatliche Anwesenheitsprämie in Höhe von 100,00 €.

6

Dem Arbeitnehmer werden die Kosten der doppelten Haushaltsführung bis zu einem Höchstbetrag von 400,00 € ersetzt (Nachweis über Meldung an seinem auswärtigen Wohnsitz muss erbracht werden). Die Anwesenheitsprämie sowie die Erstattung der doppelten Haushaltsführungskosten werden bei Krankheit pro angefangene Woche um je ein Viertel verringert.

7

Das Arbeitsentgelt wird jeweils zum 10. des Folgemonats fällig und erfolgt bargeldlos. Die Gewährung sonstiger Leistungen, soweit diese nicht anderweitig zwingend vorgeschrieben sind, erfolgt freiwillig, mit der Maßgabe, dass auch durch eine wiederholte Zahlung ein Rechtsanspruch für die Zukunft nicht begründet wird. Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeiten sind durch das gezahlte Bruttogehalt abgegolten.

8

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, über seine Vergütungen und sonstige Leistungen Stillschweigen zu bewahren…

9

§ 9 Geheimhaltung

10

Der Arbeitnehmer wird über alle Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers sowie alle sonstigen ihm im Rahmen seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Angelegenheiten und Vorgänge des Arbeitgebers Stillschweigen bewahren. Der Arbeitnehmer wird dafür sorgen, dass Dritte nicht unbefugt Kenntnis erhalten. Dies gilt insbesondere für Kalkulations- und Verkaufsunterlagen, Kunden-, Personal- und Vertragsverhältnisse jeder Art. Die Geheimhaltungsverpflichtung gilt auch für Angelegenheiten und Vorgänge, die Geschäftspartner des Arbeitgebers betreffen. Die Verpflichtung zur Geheimhaltung sämtlicher Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus.

11

Ein Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht ist ein wichtiger Grund, der den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung dieses Vertrages berechtigt. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es nicht. Übt der Arbeitgeber in einem Fall das Recht zur fristlosen Kündigung nicht aus, so berührt die das Recht zur außerordentlichen Kündigung in einem Wiederholungsfall nicht. Weitergehende Ansprüche des Arbeitgebers, insbesondere die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, bleiben unberührt. Gegenüber den Ansprüchen des Arbeitgebers, wegen Verstößen gegen diese Geheimhaltungspflicht, kann der Arbeitnehmer nicht aufrechnen…

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§ 11 Arbeits- und Geschäftsunterlagen

13

Die Anfertigung von Aufzeichnungen und Unterlagen aller Art sowie die Überlassung von Arbeitsunterlagen erfolgt ausschließlich zu dienstlichen Zwecken für den dienstlichen Gebrauch. Der Arbeitnehmer wird alle Arbeits- und Geschäftsunterlagen ordnungsgemäß aufbewahren und dafür Sorge tragen, dass Dritte nicht Einsicht bzw. diese an sich nehmen können. Die vorbezeichneten Gegenstände sind bei Beendigung dieses Vertrages oder bei Freistellung herauszugeben und im Betrieb des Arbeitgebers an diesen zu übergeben. Ein Zurückbehaltungsrecht ist ausgeschlossen. Auf Wunsch des Arbeitgebers wird der Arbeitnehmer ausdrücklich versichern, dass die genannten Gegenstände vollständig herausgegeben und insbesondere keine Abschriften, Kopien oder Mehrstücke behalten zu haben…

14

§ 18 Vertragsstrafe

15

Tritt der Arbeitnehmer seine Tätigkeit vertragswidrig nicht an oder beendet er sie vertragswidrig vorzeitig, so wird für jeden angefangenen Monat, in dem der Arbeitnehmer vertragswidrig nicht tätig ist, eine Vertragsstrafe in Höhe von 1/12 eines Jahresverdienstes unter Berücksichtigung sämtlicher Verdienstbestandteile verwirkt. Zugrunde zu legen sind diejenigen Bezüge, die der Arbeitnehmer in dem Vertragsbruch vorausgegangenen 12 Monaten erhalten hat. Hat das Arbeitsverhältnis noch keine 12 Monate bestanden oder noch nicht begonnen, so ist der Betrag zugrunde zu legen, der vertragsmäßig bis zum Ablauf von 12 Monaten bei ordnungsgemäßer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erzielt worden wäre.

16

Die Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe durch den Arbeitnehmer besteht in gleicher Weise, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos kündigt, weil ein wichtiger Grund von Seiten des Arbeitnehmers vorliegt. Weitergehende Ansprüche des Arbeitgebers und insbesondere die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bleiben unberührt. Gegenüber diesen Ansprüchen des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer nicht aufrechnen…"

17

Rechtsnachfolgerin der LWL GmbH war die B. Lebensmittel GmbH. Das ist zwischen den Parteien unstreitig, weshalb Einzelheiten zu dem Vorgang und Zeitpunkt der Rechtsnachfolge nicht aufgeklärt sind.

18

Geschäftsgegenstand der B. Lebensmittel GmbH war der Großhandel mit sowie die Verarbeitung, Bearbeitung und Verpackung von Lebensmitteln. Die B. Lebensmittel GmbH war aufgrund von drei Verträgen für die LFW auf deren Betriebsgelände tätig. Die Verträge hatten sich auf Fleischverpackungs- und SB-Fleischverpackungsarbeiten, Wurstverpackungsarbeiten sowie auf Fleischzerlegearbeiten bezogen. Im Rahmen dieser Verträge war die B. Lebensmittel GmbH mit ihren Arbeitnehmern ausschließlich in den Betriebsräumen der LFW an deren Maschinen tätig. Sie hat keine eigenen Produktionsanlagen unterhalten. Der Kläger war auch in dieser Zeit im Bereich der Zerlegerarbeiten auf dem Betriebsgelände der LFW eingesetzt.

19

Mit Schreiben vom 19. März 2013 hat die B. Lebensmittel GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beim Amtsgericht Schwerin beantragt. Mit Beschluss vom 20. März 2013 hat das Amtsgericht Schwerin sodann den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt (580 IN 66/13). Der Beklagte hat den Betrieb in Zusammenarbeit mit der Schuldnerin zunächst fortgeführt. Dazu hat er, weil die Verträge mit LFW nach seinem Dafürhalten nicht mehr auskömmlich waren, Gespräche zur Preisanpassung mit LFW aufgenommen. Die Preisanpassungsgespräche sind ohne Erfolg geblieben. Im Gegenzug hat LFW die Verträge über die Zusammenarbeit nach und nach alle gekündigt, den hier interessierenden Vertrag über die Fleischzerlegearbeiten mit Schreiben vom 30. Mai 2013 zum 31. August 2013 (Kopie hier Blatt 72). Mit Beschluss vom 1. Juni 2013 hat sodann das Amtsgericht Schwerin das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. Lebensmittel GmbH eröffnet und den Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte hat auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst versucht, den Betrieb fortzuführen.

20

Am 23. Juli 2013 hat die LFW dem Beklagten schließlich mitgeteilt, dass die Aufgaben im Bereich der Fleischzerlegearbeiten ab dem 1. September 2013 von der polnischen Firma W. Sp.z.o.o. (im Folgenden abgekürzt als W. bezeichnet) ausgeführt würden und daher Verhandlungen über die weitere Zusammenarbeit keinen Sinn machen würden.

21

Da W. kein eigenes Personal stellen konnte, hat die LFW für die Arbeitnehmer des Beklagten am 24. Juli 2013 eine Betriebsversammlung durchgeführt, auf der auch Vertreter von W. anwesend waren. Auf dieser Betriebsversammlung erhielten die Arbeitnehmer des Beklagten das Angebot, bei W. zu den bisherigen Konditionen weiterzuarbeiten. Da weder LFW noch W. die Einzelheiten dieser Konditionen kannten, wurden die an der Übernahme interessierten Arbeitnehmer aufgefordert, ihre bisherigen Arbeitsverträge und die letzte Lohnabrechnung vorzulegen. Der Beklagte war zu dieser Betriebsversammlung nicht eingeladen, allerdings haben seine Arbeitnehmer mit Führungsaufgaben vor Ort daran teilgenommen, beispielsweise der Betriebs- und Produktionsleiter der Herr F., der Leiter der Abteilung Fleischzerlegung Herr A., die kaufmännische Leiterin Frau B. sowie die Leiterin des Bereichs SB-Verpackung Frau S..

22

Von den anwesenden Arbeitnehmern haben wohl nahezu alle die Bereitschaft gezeigt, zukünftig unter Regie von W. die bisherigen Arbeiten weiter fortzuführen; dem Gericht ist jedenfalls kein Name eines Arbeitnehmers mitgeteilt worden, der sich für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beklagten entschieden hat. Die Arbeitnehmer – unter anderem auch der Kläger – haben daher in den Folgetagen beim Beklagten die Herausgabe einer Kopie ihres Arbeitsvertrages verlangt und haben diesen anschließend bei LFW bzw. bei W. abgegeben.

23

W. seinerseits hat bereits mit Schreiben vom 24. Juli 2013 (Kopie hier Blatt 43) dem Beklagten mitgeteilt, dass man ab September 2013 der neue Subunternehmer für die Fleischzerlegearbeiten bei LFW sei und man daran interessiert sei, alle Mitarbeiter des Beklagten in diesem Bereich mit ihren aktuellen arbeitsvertraglichen Bedingungen zu übernehmen. Der Beklagte wurde gebeten, eine Weiterbeschäftigung ab dem 1. September 2013 durch Abschluss von Aufhebungsverträgen zu ermöglichen. Der Beklagte war grundsätzlich bereit, ein Einvernehmen mit W. zu erzielen, er wollte jedoch, dass W. dafür eine Gegenleistung erbringt, mit der zumindest die Kosten abgegolten werden, die die Insolvenzschuldnerin in die bei LFW beschäftigten Arbeitnehmer investiert hat (Kosten der Anwerbung und Kosten der Beibringung der Gesundheitszeugnisse und sonstiger Papiere). Ein Einvernehmen konnte nicht erzielt werden, es ist nicht einmal klar, ob es überhaupt ernsthafte Verhandlungen auf das Anschreiben vom 24. Juli 2013 hin gegeben hat.

24

Einige Wochen später am 12. August 2013 hat auch der Beklagte eine Betriebsversammlung für die Arbeitnehmer aus dem Bereich der Fleischzerlegung abgehalten. Er hat die Arbeitnehmer dabei über die wirtschaftliche Situation unterrichtet, insbesondere über den Umstand, dass der Vertrag über die Fleischzerlegearbeiten von LFW nicht über den 31. August 2013 fortgesetzt werde. Er hat den betroffenen Arbeitnehmern in Aussicht gestellt, sie könnten möglicherweise auf Ersatzarbeitsplätzen in W. bzw. L. weiterbeschäftigt werden.

25

Mit Schreiben vom 16. August 2013 (in Kopie hier Blatt 35) teilte W. dem Kläger und den anderen Arbeitnehmern des Beklagten im Bereich der Fleischzerlegung mit, dass man nunmehr mit LFW einen Werkvertrag über den Bereich Fleischzerlegungsarbeiten ab dem 1. September 2013 abgeschlossen habe, man von einem Betriebsübergang zum 1. September 2013 nach § 613a BGB ausgehe und man daher in die Rechte und Pflichten des bisherigen Arbeitgebers des Klägers eintreten werde.

26

Der Beklagte hat sodann am 21. August 2013 eine weitere Betriebsversammlung für die Arbeitnehmer aus dem Bereich der Fleischzerlegung durchgeführt. In dieser hat er die Arbeitnehmer vorsorglich über die Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB auf W. aufgeklärt. Trotz konkreter Nachfrage seitens des Beklagten hatte sich dort keiner der anwesenden Arbeitnehmer dazu erklärt, ob er W. signalisiert hatte, nach dort zu wechseln.

27

Der Kläger hat seine Tätigkeit im Bereich der Fleischzerlegung wie gewohnt an seinem bisherigen Arbeitsplatz auch ab September 2013 ausgeführt. Am 2. September 2013 (erster Arbeitstag des Monats) ermittelten die Führungsmitarbeiter des Beklagten, Herr A. und Frau B., welche Arbeitnehmer zur W. gewechselt waren und teilten dies dem Beklagten mit. Sie benannten dabei auch den Kläger und nahezu alle anderen Arbeitnehmer, die bisher für den Beklagten auf dem Betriebsgeländer der LFW Fleischzerlegearbeiten erledigt hatten. Insgesamt sind dem Beklagten 37 Arbeitnehmer aus dem Bereich der Fleischzerlegung gemeldet worden, die nunmehr für W. arbeiten (vgl. Anlage B 3, hier Blatt 36).

28

Der Beklagte hat daraufhin das Arbeitsverhältnis zum Kläger – wie zu allen anderen Mitarbeitern, die seit September 2013 für W. tätig geworden sind – mit Schreiben vom 5. September 2013 (Kopie hier Blatt 4) außerordentlich und fristlos gekündigt. Dem Kläger ging dieses Schreiben noch am 5. September 2013 zu.

29

Eine Vergütung hat der Beklagte für den letzten Monat der Zusammenarbeit mit dem Kläger (August 2013) nicht mehr geleistet. Über den Umfang der vom Kläger für den Beklagten in diesem Monat erbrachten Arbeitsleistungen herrscht teilweise Streit. Unstreitig hat der Kläger in diesem Monat regulär bis einschließlich 22. August 2013 gearbeitet und hat sodann bis Monatsende noch eine Woche Erholungsurlaub gehabt. Der Beklagte geht davon aus, der Kläger habe im August bis zum Urlaub insgesamt 122,5 Stunden gearbeitet. Davon geht auch der Kläger aus, der allerdings meint, er hätte noch viel mehr, nämlich insgesamt 179,5 Stunden Arbeit bis zum Urlaubsantritt geleistet.

30

Mit seiner am 19. September 2013 beim Arbeitsgericht Schwerin eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die außerordentliche Kündigung vom 5. September 2013 und begehrt Vergütungszahlung für den Monat August 2013 in Höhe von 2.438,75 EUR brutto.

31

Während des Rechtsstreits hat der Beklagte mit außergerichtlichem Schreiben vom 4. November 2013 (Kopie hier Blatt 44) vom Kläger die Zahlung in Höhe von 9.994,99 EUR gefordert. Er hat dabei auch die Aufrechnung mit eventuell noch offenen Lohnforderungen aus der Vergangenheit erklärt und später erklärt, ergänzend mache er aus diesem Grunde auch ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Lohnforderung geltend. Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2014 (hier Blatt 23 ff) hat der Beklagte sodann die Vertragsstrafe im Rahmen einer Widerklage in voller Höhe rechtshängig gemacht.

32

Das Arbeitsgericht Schwerin hat mit Urteil vom 13. März 2014 (6 Ca 1621/13) über die von beiden Parteien gestellten Anträge wie folgt entschieden:

33

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 05.09.13, zugestellt am 05.09.13, beendet worden ist.

34

2. Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger 2.438,75 EUR brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26.09.2013 zu zahlen.

35

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

36

4. Der Streitwert wird auf 19.749,99 EUR festgesetzt.

37

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

38

In den Gründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Kündigung sei unwirksam, weil es an einem wichtigen Grund fehle. Den Zahlungsanspruch (Entgelt August 2013) hat das Arbeitsgericht in voller Höhe zugesprochen, da der Beklagte sich nicht substantiiert zur behaupteten Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden eingelassen habe und die stundenunabhängigen Vergütungsbestandteile aus betrieblicher Übung geschuldet seien. – Unter dem Gliederungspunkt III. hat das Arbeitsgericht die Abweisung der Widerklage (Vertragsstrafe) begründet, im Kern mit dem Argument, die Vertragsstrafenregelung aus dem Arbeitsvertrag sei nach §§ 305 ff BGB unwirksam, da sie eine Übersicherung bewirke und unverhältnismäßig sei. – Den auf 19.749,99 EUR festgesetzten Streitwert begründet das Arbeitsgericht mit dem dreifachen Monatsbrutto für die Kündigungsschutzklage (3 x 2.438,75 EUR), zuzüglich 2.438,75 EUR für den Zahlungsantrag des Klägers zuzüglich weiterer 9.994,99 EUR für den Widerklagezahlungsantrag des Beklagten. – Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

39

Mit der rechtzeitig eingereichten und rechtzeitig begründeten Berufung greift der Beklagte das arbeitsgerichtliche Urteil an, soweit das Arbeitsgericht über die klägerischen Sachanträge (Kündigungsschutz und Zahlung August 2013) entschieden hat.

40

Der Beklagte vertritt die Auffassung, es liege ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung bereits aufgrund der Herausgabe des Arbeitsvertrages und der Abrechnung durch den Kläger an LFW bzw. W. vor. Der Kläger habe mit diesem Verhalten gegen die Geheimhaltungspflicht aus § 9 des Arbeitsvertrages verstoßen. Durch die Kenntnis der Personalkosten sei W. in die Lage versetzt worden, Rückschlüsse auf die Kostenstruktur des fortgeführten Betriebes der Schuldnerin zu ziehen um mit diesem Wissen wirtschaftlichen Druck auf den Beklagten auszuüben oder ihn zu unterbieten und aus dem Geschäft zu drängen. Durch die Aufnahme des Arbeitsverhältnisses mit W. werde der Schuldnerin die wirtschaftliche Grundlage für die Fortführung des Betriebes entzogen. Zudem sei der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit bei W. ab dem 1. September 2013 nicht mehr in der Lage, seine Arbeitskraft dem Beklagten zur Verfügung zu stellen.

41

Im Weiteren habe der Kläger durch sein Verhalten Vertragsbruch im Sinne von § 18 des Arbeitsvertrages begangen, indem er bereits während seines noch mit der Schuldnerin bestehenden Arbeitsverhältnisses seine Tätigkeit für das Konkurrenzunternehmen W. ab September 2013 vorbereitet und sodann aufgenommen habe.

42

Durch die Vertragsverstöße sei dem Beklagten ein großer Schaden entstanden, da die Belegschaft das einziges Geschäftspotential des fortgeführten Betriebes dargestellt habe. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass heutzutage eingespielte Teams, die das Handwerk der Fleischzerlegung beherrschen, nur schwer zu finden seien. Hätten der Kläger und seine Kollegen zu den Arbeitsverträgen zum Beklagten gestanden, wäre es ein Leichtes gewesen, mit W. einen Preis für den Wunsch nach Übernahme des Personals auszuhandeln, mit dem zumindest die in diesen Belegschaftsteil investierten Kosten in Form der Anwerbekosten und der Kosten der Gesundheitszeugnisse und sonstigen Papiere, die der Beklagte auf ein bis zwei Monatsgehälter pro Arbeitnehmer beziffert, für die Masse hätten gewonnen werden können. Durch den Geheimnisverrat und den anschließenden Vertragsbruch habe der Beklagte auch jegliches Druckmittel in den Vertragsverhandlungen mit LFW verloren. Hätten die Arbeitnehmer zu ihren vertraglichen Pflichten zum Beklagten gestanden, wäre LFW wegen der drohenden Engpässe im Bereich der Fleischzerlegung unter Druck geraten und er – der Beklagte – wäre dann in der Lage gewesen, mit LFW bessere Preise für die Leistungen auszuhandeln.

43

Der vom Arbeitsgericht für den Monat August 2013 ausgeurteilte Lohn sei überhöht. Im August seien für den Kläger einschließlich des Urlaubs lediglich 162,25 Stunden zu vergüten gewesen. Die weiter vom Kläger geltend gemachten Entgeltbestandteile (Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit, Anwesenheitsprämie, Entschädigung wegen doppelter Haushaltsführung) seien nicht geschuldet, denn es handele sich laut Vertrag um freiwillige Zahlungen, und der Beklagte habe sich entschieden, für August 2013 sämtliche freiwilligen Leistungen einzustellen.

44

Der so berechnete geringere Vergütungsanspruch des Klägers stehe allerdings nicht zur Auszahlung an, da er einredebehaftet sei. Der Kläger habe eine Vertragsstrafe in Höhe eines halben Netto-Jahresgehalts, das sich hier auf 9.994,99 EUR belaufe, zu leisten. Mit diesem Anspruch werde gegen den Vergütungsanspruch des Klägers aufgerechnet, hilfsweise ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt.

45

Der Beklagte beantragt,

46

das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 13. März 2014 – 6 Ca 1621/13 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.

47

Der Kläger beantragt,

48

die Berufung zurückzuweisen.

49

Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Zutreffend habe das Arbeitsgericht angenommen, die streitbefangene Kündigung sei rechtsunwirksam, weil es an einem wichtigen Grund im Sinne von § 626 Absatz 1 BGB fehle. Die von dem Beklagten behauptete angebliche Vertragspflichtverletzung sei nicht geeignet, ohne Abmahnung eine Kündigung rechtfertigen zu können. Im Übrigen sei die Frist des § 626 Absatz 2 BGB nicht eingehalten, denn aufgrund der Teilnahme leitender Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin an der von LFW einberufenen Betriebsversammlung vom 24. Juli 2013 habe der Beklagte Kenntnis von allen maßgeblichen Umständen gehabt.

50

Der Kläger geht davon aus, dass ihm für den Monat August 2013 eine Bruttovergütung in Höhe von 2.438,75 EUR zustehe. Diese setze sich zusammen aus einem Teilbetrag in Höhe von 1.346,25 EUR brutto für 179,5 Arbeitsstunden je 7,50 EUR und aus weiteren 281,25 EUR brutto für 37,5 Urlaubsstunden. Außerdem habe er 90 Stunden Nachtarbeit geleistet, wofür ihm pro Stunde ein Zuschlag in Höhe von 1,875 EUR brutto (25 Prozent eines Stundenlohns) zustehe, was weitere 168,75 EUR brutto ergebe. Für 38 Stunden Sonntagsarbeit (mit Aufschlag in Höhe von 50 Prozent) stünden ihm weitere 142,50 EUR brutto zu. Letztlich stehe ihm auch die Anwesenheitsprämie in Höhe von 100 EUR brutto zu sowie der Zuschlag für Heimfahrten in Höhe von 400 EUR. Die Insolvenzschuldnerin und auch der Beklagte habe das Entgelt immer auf Basis dieser Eckwerte berechnet und zur Auszahlung gebracht, es sei nicht ersichtlich, weshalb dies nicht für den August 2013 gelten sollte.

51

Der Vergütungsanspruch stehe auch zur Auszahlung an. Dem Beklagten stünden keine Gegenansprüche zu. Das habe das Arbeitsgericht zutreffend entschieden. Die arbeitsvertragliche Vertragsstrafenregelung sei schon nach §§ 305 ff BGB unwirksam.

52

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2015 und auf den nachgelassenen Schriftsatz des Beklagten vom 3. März 2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

53

Die Berufung des Beklagten, die keinen Zulässigkeitsbedenken begegnet, ist teilweise begründet.

54

Auf Nachfrage des Gerichts im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2015 hat der Beklagte nochmals bestätigt, dass sich die Berufung nur dagegen richtet, dass das Arbeitsgericht Schwerin ausweislich des Tenors des Urteils, den klägerischen Sachanträgen (Kündigungsschutz und Entgelt für August 2013) entsprochen hat. Er hat zur Begründung dabei nochmals seine Rechtsauffassung vorgetragen, dass eine Sachentscheidung über seinen Widerklageantrag bisher nicht vorliege, da der Urteilstenor dazu keine Aussage treffe, er also insoweit keine Berufung einlegen könne. Es kann dahinstehen, ob die Rechtsauffassung des Beklagten zur Frage, ob das Arbeitsgericht auch über seine Widerklage entschieden hat, tragfähig ist. Jedenfalls hat der Beklagte für das hiesige Berufungsverfahren klargestellt, dass sich seine hier streitige Berufung nur darauf bezieht, dass das Arbeitsgericht den Klageanträgen entsprochen hat.

I.

55

Die Berufung ist begründet, soweit das Arbeitsgericht dem Kündigungsschutzantrag entsprochen hat, denn zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 5. September 2013 war der Beklagte bereits nicht mehr Arbeitgeber des Klägers. Vielmehr war das Arbeitsverhältnis bereits Anfang September 2013 nach § 613a BGB auf W. als neuen Arbeitgeber übergegangen.

1.

56

Ein Erfolg im Kündigungsschutzprozess setzt nach der der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts voraus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung (noch) ein Arbeitsverhältnis zu dem Kündigenden besteht. Das gilt auch im Falle eines möglichen Betriebsübergangs. Die Kündigung des Altarbeitgebers nach Betriebsübertragung auf einen Neuarbeitgeber geht mangels eines zwischen den Prozessparteien bestehenden Arbeitsverhältnisses ins Leere; eine gleichwohl erhobene Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer solchen Kündigung ist damit unbegründet, denn ein Arbeitsverhältnis besteht nicht mehr (BAG 15. Dezember 2005 – 8 AZR 202/05 – AP Nr. 294 zu § 613a BGB = NZA 2006, 597; BAG 20. März 2003 – 8 AZR 312/02 – NJW 2003, 3581 = NZA 2003, 1338 = ZIP 2003, 1557; BAG 18. April 2002 – 8 AZR 346/01 – AP Nr. 232 zu § 613a BGB = NZA 2002, 1207 = NZI 2002, 620; vgl. auch ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 175 und ErfK-Kiel § 4 KSchG RNr. 19).

2.

57

Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Bereich der Fleischzerlegung, in dem der Kläger tätig ist, ist zum 1. September 2013 im Wege des Teilbetriebsübergangs nach § 613a BGB auf die Firma W. übergegangen. Der Beklagte war daher zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 5. September 2013 nicht mehr Arbeitgeber des Klägers.

a)

58

Nach § 613a Absatz 1 BGB gehen die Arbeitsverhältnisse im Falle der Übertragung des Betriebes von dem bisherigen Arbeitgeber auf einen neuen Arbeitgeber per Gesetz automatisch über (Betriebsübergang).

59

Ein Betriebsübergang kann nicht nur durch einen förmlichen Verkauf eines Betriebes bewirkt werden, sondern auch durch alle anderen denkbaren Rechtsgeschäfte, die dazu führen, dass der neue Inhaber des Betriebes im Ergebnis tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, diesen zu führen (vgl. ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 59). Das Tatbestandsmerkmal "durch Rechtsgeschäft" aus § 613a BGB wird heute also sehr weit ausgelegt und es dient eigentlich nur noch dazu, hoheitliche Übertragungsakte und Fälle der Gesamtrechtsnachfolge aus dem Anwendungsbereich von § 613a BGB auszuschließen (vgl. BAG 18. August 2011 – 8 AZR 230/10 – AP Nr. 412 zu § 613a BGB = ZInsO 2011, 2083 = NZA 2012, 267). Insbesondere ist es anerkannt, dass § 613a BGB nicht notwendig ein Rechtsgeschäft zwischen dem Betriebsveräußerer und dem Betriebserwerber voraussetzt (BAG 18. August 2011 aaO). Dies ist beispielsweise in der Rechtsprechung bereits anerkannt für den Fall, dass der Betriebserwerber mit dem Verpächter des Betriebes einen Pachtvertrag abschließt und damit den bisherigen Pächter aus der Rolle als Inhaber des Betriebes verdrängt (BAG 25. Februar 1981 – 5 AZR 991/78 – BAGE 35, 104 = AP Nr. 24 zu § 613a BGB = DB 1981, 1140). In diesem Sinne kann es bei bestimmten Betrieben, den sog. betriebsmittelarmen Betrieben, für einen Betriebsübergang auch ausreichen, wenn der neue Arbeitgeber den nach Anzahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft durch Abschluss neuer Arbeitsverträge übernimmt (BAG 21. Juni 2012 AP Nr. 434 zu § 613a BGB = NZA-RR 2013, 6).

60

Andererseits stellt die bloße Auftragsnachfolge, die hier aus der Sicht von LFW zwischen dem Beklagten und W. stattgefunden hat, für sich genommen noch keinen Betriebsübergang dar (vgl. ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 37). Entscheidend wird vielmehr heute darauf abgestellt, ob eine „wirtschaftliche Einheit“ den Inhaber gewechselt hat und der Neuinhaber diese Einheit in gleicher Weise oder zumindest in vergleichbarer Weise wie der Altinhaber für seine wirtschaftlichen Zwecke nutzt, die wirtschaftliche Einheit also ihre Identität, ihren Wiedererkennungswert, wahrt. Entscheidend ist demnach, ob durch die Übernahme des wesentlichen Personals gleichzeitig auch die Arbeitsorganisation und die Betriebsmethoden übernommen werden (vgl. ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 28).

b)

61

Gemessen an diesem Maßstab ist vorliegend die wirtschaftliche Einheit "Fleischzerlegung" vom Beklagten auf W. im Sinne von § 613a BGB übergegangen, weil W. den nach Anzahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft dieser Einheit durch Abschluss neuer Arbeitsverträge übernommen hat.

62

Die Abteilung Fleischzerlegung im Betrieb der Schuldnerin, der vom Beklagten fortgeführt wurde, stellt in diesem Sinne eine wirtschaftliche Einheit dar, da mit der Abteilung innerhalb des Betriebes ein eigenständiger Zweck verfolgt wurde, der gegenüber dem Zweck der übrigen Abteilungen (Verpackung von Fleischprodukten) abgrenzbar ist. Die Abteilung war auch organisatorisch eigenständig gewesen, denn sie wurde von einem nur für diese Abteilung zuständigen Vorgesetzten geführt (zuletzt Herrn A.), was sich unter anderem in dem von ihm aufgestellten Dienstplänen, die nur für diese Abteilung galten, ausdrückt. Dem Bereich der Fleischzerlegung war auch ein fester Mitarbeiterstamm zugeordnet, der im Regelbetrieb auch nur dort eingesetzt wurde. Ein regelmäßiger Personalaustausch mit den anderen Abteilungen des Betriebes scheiterte schon an den speziellen Kenntnissen und Fähigkeiten, die für die Mitarbeit im Bereich der Fleischzerlegung benötigt werden.

63

W. als Auftragsnachfolger des Beklagten hat auch den nach Anzahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft dieser Einheit übernommen. Das folgt schon daraus, dass W. alle dort eingesetzten Fachkräfte übernommen hat. Das Gericht hat allerdings weder positiv noch negativ festgestellt, ob auch der Vorgesetzte Herr A. von W. übernommen wurde. Die Frage kann aber auch dahinstehen. Denn der Wert dieser Einheit besteht auch nach der Auffassung des Beklagten, die er in Zusammenhang mit dem von ihm geltend gemachten Schaden vertritt, nicht in der – auswechselbaren – Führungskraft des Teams, sondern in dem funktionsfähigen und eingespielten Team an sich. Damit steht auch fest, dass mit der Übernahme der Fachkräfte dieser Abteilung der nach Sachkunde wesentliche Teil der Belegschaft nunmehr unter dem neuen Inhaber der Einheit arbeitet.

64

Obwohl dazu nur wenige Informationen vorliegen, muss das Gericht auch davon ausgehen, dass W. diese Einheit in gleicher oder vergleichbarer Weise nutzt wie der Beklagte. Darauf deutet schon der Umstand hin, dass die Arbeit dieser Einheit in den Produktionsprozess bei LFW eingebettet ist und LFW seine Produktionsabläufe mit Eintritt von W. in den Auftrag nicht abgeändert hat. Ergänzend stellt das Gericht darauf ab, dass der Kläger – und auch die Kläger in den zahlreichen Parallelverfahren – ohne Widerspruch des Beklagten schildern, dass sich an der Art und Weise der Arbeit vor und nach dem ersten Arbeitstag bei W. am 2. September 2013 nichts geändert hat.

65

Der damit nach § 613a BGB gegebene Betriebsübergang der Abteilung Fleischzerlegung vom Beklagten auf W. kann nicht dadurch ausgeschlossen sein, dass der Betriebsübergang – wenn man den Vortrag des Beklagten zu Grunde legt – von der Belegschaft im Bereich der Fleischzerlegung durch ihr möglicherweise sogar vertragswidriges Verhalten mit provoziert worden ist. Dass durch die heutige Auslegung des § 613a BGB, die durch die europarechtliche Sichtweise und durch Entscheidungen des EuGH dazu vorgeprägt ist, dazu führen kann, dass es der Betriebserwerber gelegentlich in der Hand hat, durch sein Verhalten ein Betriebsübergang zu bewirken oder auszuschließen, ist bereits mehrfach Gegenstand juristischer Betrachtung gewesen (vgl. nur die Nachweise bei ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 39). Dies ist die unausweichliche Folge der Anerkennung des Umstandes, dass ein Betriebsübergang bei den sog. betriebsmittelarmen Betrieben – hier vorliegend – auch allein durch Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft erfolgen kann. Da diese Übernahme im Regelfall durch den Abschluss von Arbeitsverträgen erfolgt, an denen auch die Arbeitnehmer beteiligt sind, gehört es auch zu den vielleicht unerwünschten aber unvermeidlichen Nebeneffekten dieser neuen Rechtsprechung, dass eine Belegschaft, die sich einig ist und auf einen willigen Auftragsübernehmer trifft, tatsächlich in der Lage ist, einen Betriebsübergang zu provozieren. Soweit damit anerkennenswerte Geschäftsinteressen des Altarbeitgebers beeinträchtigt werden, kann dieses Problem nicht auf der Ebene des § 613a BGB gelöst werden.

3.

66

Da der Beklagte zum Zeitpunkt des Ausspruchs seiner Kündigung schon nicht mehr Arbeitgeber des Klägers war, geht seine Kündigung vom 5. September 2013 ins Leere. Der Kündigungsschutzantrag des Klägers ist schon aus diesem Grunde abzuweisen. Für die Entscheidung des Falles kommt es daher nicht darauf an, ob die vom Beklagten vorgebrachten Gründe für seine Kündigung, diese zu rechtfertigen geeignet sind.

II.

67

Die Berufung ist teilweise begründet, soweit sich der Beklagte dagegen wendet, dass das Arbeitsgericht dem Kläger für den Monat August 2013 Entgelt in Höhe von 2.438,75 EUR zugesprochen hat.

68

Tatsächlich steht dem Kläger für diesen Monat Entgelt lediglich in Höhe von 2.011,25 EUR brutto zu. Im Umfang des zu viel ausgeurteilten Betrages (427,50 EUR) ist die Berufung des Beklagten erfolgreich. Im Einzelnen gilt folgendes.

1.

69

Dem Kläger steht für August 2013 für tatsächlich geleistete Arbeit Entgelt für 122,5 Stunden zu je 7,50 EUR brutto zu, was insgesamt 918,75 EUR brutto ergibt.

70

Die Anzahl der Stunden ergibt sich aus den Aufzeichnungen des Vorgesetzten des Klägers, Herrn A., die der Beklagte mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 3. März 2015 vorgelegt hat (Kopien hier Blatt 189 ff). Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger über die von Herrn A. dokumentierten Stunden hinaus weitere Arbeitsstunden im August 2013 abgeleistet hat.

71

Der Kläger bezieht sich für seinen Stundenansatz auf die elektronisch erstellten Protokolle an den Drehkreuzen, die an den Zugängen zum Betriebsgelände bei LFW angebracht sind (Anlage zum klägerischen Schriftsatz vom 7. Februar 2014, hier Blatt 59 ff). Dort werden für alle Arbeitnehmer, die auf dem Betriebsgelände arbeiten und die daher eine Art Betriebsausweis bei sich führen müssen, die Zeitpunkte registriert und abgespeichert, zu dem sie diese Drehkreuze passieren. Dabei wird auch registriert, in welcher Richtung die Drehkreuze passiert wurden ("in Produktion" bzw. "aus Produktion"). Ein Vergleich der Aufzeichnungen an den Drehkreuzen mit den Aufzeichnungen des Vorgesetzten des Klägers ergibt allerdings praktisch keine Unterschiede bezüglich der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden. Umgekehrt formuliert, auch aus den Aufzeichnungen an den Drehkreuzen lässt sich der klägerische Ansatz von 179,5 Arbeitsstunden im August 2013 bis zum Antritt des Urlaubs des Klägers nicht nachvollziehen.

72

Gemeinsam ergibt sich aus den beiden Aufzeichnungen, dass der Kläger im August an 16 Tagen gearbeitet hat (1. August, 4. bis 8. August, 11. bis 15. August, 18. bis 22. August). Auch der aufgezeichnete Arbeitsbeginn an den Arbeitstagen muss bei wertender Betrachtung als gleichlautend angesehen werden. Während nach der Aufstellung von Herrn A. die Arbeit regelmäßig zur vollen Stunde angefangen hat (beispielsweise 22:00 Uhr oder 24:00 Uhr) hat der Kläger nach den Aufzeichnungen von LFW das Drehkreuz im Regelfall rund 20 Minuten früher passiert. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die Arbeitszeit dementsprechend früher begonnen hat. Denn zwischen den Parteien ist es unstreitig, dass die Arbeitszeit nicht mit dem Passieren des Drehkreuzes beginnt, sondern am Arbeitsplatz zu dem nach dem Schichtplan vorgesehenen Beginn der Arbeit.

73

Selbst wenn sich in dem Betrieb des Beklagten die Praxis eingeschlichen haben sollte, dass die Arbeitnehmer die Arbeiten schon vor dem offiziellen Beginn ihrer Arbeitszeit nach Schichtplan durch Ablösung der zuvor tätigen Schicht begonnen hatten, würde sich daraus keine andere Anzahl der vom Kläger im August 2013 geleisteten Stunden ergeben, denn aus den Aufzeichnungen an den Drehkreuzen ergibt sich auch, dass der Kläger genauso häufig im August 2013 das Drehkreuz in Richtung "aus Produktion" passiert hat vor dem schichtplanmäßigen Ende seiner Arbeitszeit. Zu keinem der Arbeitstage des Klägers im August 2013 kann ein Passieren des Drehkreuzes zum Feierabend hin festgestellt werden, das wesentlich später als das schichtplanmäßige Ende der Arbeitszeit liegt.

74

Auch soweit man aus den an den Drehkreuzen protokollierten Ereignissen Rückschlüsse auf die Pausenzeiten des Klägers ziehen kann, ergeben sich praktisch keine Abweichungen zu den Aufzeichnungen des Herrn A.. Nach den Aufzeichnungen von Herrn A. wurde die Arbeit immer durch 30 Minuten andauernde Pausen unterbrochen. Je nach Schichtlänge und Schichtlage waren ein bis drei Pausen pro Schicht vorgesehen. Alle von Herrn A. aufgezeichneten Pausen spiegeln sich in den Aufzeichnungen an den Drehkreuzen wider. Allerdings gibt es nicht zu jedem Pausenbeginn und zu jedem Pausenende ein entsprechendes Protokollereignis an den Drehkreuzen. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass es die damit zusammenhängenden Pausen gar nicht gegeben hat. Vielmehr muss man davon ausgehen, dass entweder die Anlage an den Drehkreuzen eine gewisse Fehlerquote aufweist oder dass es für die Arbeitnehmer Möglichkeiten des Betretens und Verlassens des Betriebsgeländes ohne Passieren der Drehkreuze gibt. Das schließt das Gericht aus der Absurdität der Ereignisse, wenn man von einer vollständigen Aufzeichnung der Vorgänge ausgeht, denn dann hätte der Kläger den Betrieb an einzelnen Tagen mehrfach verlassen ohne ihn zwischendurch wieder betreten zu haben. – Insgesamt führen die an den Drehkreuzen im Regelfall festgehaltenen Zeiten scheinbar zu kürzeren Pausen als von Herrn A. angegeben. Aber auch dies kann nicht als Hinweis auf zusätzliche Arbeitszeiten gewertet werden, denn unstreitig bedurfte es einer gewissen Zeit, um vom Arbeitsplatz, an dem die Arbeitszeit beginnt und endet, zum Drehkreuz zu gelangen.

75

Der Rechtsstreit ist auch insoweit entscheidungsreif, denn der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter haben mehrfach auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung betont, dass sie über weitere Erkenntnisquellen bezüglich der tatsächlichen Arbeitszeit des Klägers im August 2013 außerhalb der Protokolle an den Drehkreuzen nicht verfügen. Ein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung auf Basis der aus der Sicht des Beklagten erstmals mit nachgelassenem Schriftsatz vom 3. März 2015 konkret vorgetragenen Arbeitszeiten des Klägers ist daher nicht geboten.

2.

76

Dem Kläger stehen für die im August 2013 genommene Urlaubswoche wie vom Kläger begehrt 281,25 EUR brutto zu. Dieser Posten ist zwischen den Parteien nicht in Streit.

3.

77

Dem Kläger steht für seine Arbeit im August 2013 auch ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 168,75 EUR brutto zu.

78

Aus den vom Kläger abgereichten Lohnabrechnungen für das Jahr 2013 ergibt sich, dass der Kläger bei Nachtarbeit stets einen Zuschlag in Höhe von 25 Prozent auf seinen Stundenlohn erhalten hat. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ihm dieser Zuschlag im August 2013 nicht zustehen sollte. Der Arbeitgeber ist nach § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz verpflichtet, dem Nacharbeitnehmer zusätzliche Urlaubstage oder einen angemessenen Aufschlag auf den Lohn für Nachtarbeit zu zahlen. Da nicht ersichtlich ist, dass der Beklagte oder zuvor die Schuldnerin Zusatzurlaub gewährt hat, hat der Beklagte mit der Zahlung des Zuschlags einer gesetzlichen Pflicht entsprochen. Von einer freiwilligen Leistung, die der Beklagte im August 2013 einstellen konnte, kann daher keine Rede sein. Da es sich um einen gesetzlichen Anspruch handelt, kann insoweit aber auch keine betriebliche Übung entstanden sein.

79

Zur Anzahl der im August 2013 geleisteten Nachtarbeitsstunden hat der Beklagte nicht Stellung genommen. Das Gericht legt seiner Entscheidung die klägerische Angabe von 90 Nachtarbeitsstunden zu Grunde, da eine überschlägige Prüfung der Anzahl der Nachtarbeitsstunden anhand der Aufzeichnungen von Herrn A. über die Einsatzzeiten des Klägers bei Zugrundelegung des Nachtarbeitsbegriffs aus § 2 Absatz 3 Arbeitszeitgesetz eine Zahl in dieser Größenordnung ergeben hat.

4.

80

Dem Kläger steht für seine Arbeit im August 2013 auch ein Sonntagsarbeitszuschlag in Höhe von 142,50 EUR brutto zu.

81

Aus den vom Kläger abgereichten Lohnabrechnungen für das Jahr 2013 ergibt sich, dass der Kläger bei Sonntags- und Feiertagsarbeit stets einen Zuschlag in Höhe von 50 Prozent auf seinen Stundenlohn erhalten hat. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ihm dieser Zuschlag im August 2013 nicht zustehen sollte. Diese Leistung ist im Arbeitsvertrag zwar nicht vorgesehen, durch die regelmäßige Zahlung ist allerdings eine vertragsähnliche betriebliche Übung entstanden, aus der sich der Anspruch ergibt.

82

Selbst wenn man mit dem Beklagten davon ausgehen will, dass er sich durch den Freiwilligkeitsvorbehalt in § 5 Absatz 3 des Arbeitsvertrages wirksam gegen das Entstehen einer betrieblichen Übung abgesichert habe, steht dem Kläger der Zuschlag für August 2013 dennoch zu. Denn auch wenn der Beklagte den Zuschlag nur freiwillig und ohne Rechtsbindung gezahlt hat, kann er sich davon nur mit Wirkung für die Zukunft befreien. Der Arbeitnehmer muss für die laufende Abrechnungsperiode wissen, welche Gegenleistung er für seine Tätigkeit erwarten kann. Damit ist es unvereinbar anzunehmen, der Arbeitgeber sei berechtigt, nach Entgegennahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ohne vorherigen Hinweis auf die Einstellung der freiwilligen Entgeltbestandteile im Rahmen der nachträglichen Abrechnung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers die freiwilligen Leistungen zu kürzen.

83

Zur Anzahl der im August 2013 geleisteten Sonntagsarbeitsstunden hat der Beklagte nicht Stellung genommen. Das Gericht legt seiner Entscheidung die klägerische Angabe von 38 Sonntagsarbeitsstunden zu Grunde, da eine überschlägige Prüfung der Anzahl der Stunden anhand der Aufzeichnungen von Herrn A. über die Einsatzzeiten des Klägers eine Zahl in dieser Größenordnung ergeben hat.

5.

84

Dem Kläger steht schließlich für August 2013 die Anwesenheitsprämie nach § 5 des Arbeitsvertrages (in der Klageschrift als "Pünktlichkeitsprämie" bezeichnet) in Höhe von 100 EUR brutto zu, sowie weitere 400 EUR brutto, die nach dem Arbeitsvertrag für die "Kosten der doppelten Haushaltsführung" der Arbeitnehmer gezahlt werden.

85

Aus den vom Kläger vorgelegten Lohnabrechnungen ergibt sich, dass diese auch vertraglich vereinbarten Leistungen regelmäßig gezahlt wurden. Dass ein Fall der vereinbarten und gelebten Möglichkeit der nur anteiligen Gewährung dieser Leistungen gegeben ist, hat der Beklagte nicht vorgetragen und es gibt auch keine Anhaltspunkte für eine Kürzungsmöglichkeit, da der Kläger seine Arbeitspflicht in diesem Monat vollständig erfüllt hat.

86

Für das Argument des Beklagten, diese Entgeltbestandteile seien auch nur freiwillig zu zahlen, gibt es keine Anhaltspunkte.

6.

87

Das Entgelt für August 2013 steht auch zur Auszahlung an. Insbesondere ist der Anspruch nicht ganz oder teilweise durch Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen, derer sich der Beklagte berühmt, untergegangen.

88

Die Aufrechnung ist bereits unzulässig, denn gegen eine Bruttolohnforderung kann keine Aufrechnung erklärt werden.

89

Gegen Bruttolohnforderungen des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber nicht mit Gegenansprüchen aufrechnen, es sei denn die Höhe der Abzüge ist bekannt. Aufgerechnet werden kann nur gegen Nettolohnforderungen des Arbeitnehmers. Denn andernfalls wäre nicht klar, in welcher Höhe das Gericht über die Gegenforderung entschieden hat. Nach § 322 Absatz 2 ZPO ist "die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig". Der Umfang der Rechtskraft darf aber nicht unklar bleiben. Auch wenn die Klage aufgrund der Aufrechnung abgewiesen werden soll, muss feststehen, in welcher Höhe die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung erloschen ist (BAG 16. März 1994 - 5 AZR 411/92 - und BAG 13. November 1980 - 5 AZR 572/78 ; so auch BAG 5. Dezember 2002 - 6 AZR 569/01 - AP Nr. 32 zu § 394 BGB = NJW 2003, 2189 = NZA 2003, 802 für den umgekehrten Fall, dass der Arbeitnehmer seine Brutto-Lohnforderung gegen eine Arbeitgeberforderung zur Aufrechnung stellt; vgl. auch LAG Mecklenburg-Vorpommern 30. August 2011 – 5 Sa 11/11).

90

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte zwar berichtet, dass das Augustentgelt des Klägers inzwischen sogar in der vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Höhe abgerechnet sei, was damit zusammenhängt, dass der Kläger erfolgreich die Zwangsvollstreckung aus dem arbeitsgerichtlichen Urteil betrieben hat. Der Kammervorsitzende hatte dies in der mündlichen Verhandlung damit kommentiert, dass damit ja wohl die formale Hürde, die bisher gegen die Zulässigkeit der Aufrechnung bestanden hat, überwunden wäre. Trotz dieses Hinweises ist die Lohnabrechnung mit dem nachgelassenen Schriftsatz nicht zur Akte gereicht worden, so dass es prozessual dabei bleiben muss, dass die Aufrechnung vorliegend unzulässig ist.

91

Auch ein Zurückbehaltungsrecht steht dem Beklagten bezüglich des Entgeltes für August 2013 nicht zu. Die zu Gunsten der Arbeitnehmer bestehenden Lohnpfändungs- und Lohnaufrechnungsgrenzen können nicht dadurch umgangen werden, dass sich der Arbeitgeber stattdessen auf ein Zurückbehaltungsrecht beruft. Ein solches besteht nur in dem Rahmen, in dem der Arbeitgeber auch zur Aufrechnung des Lohnes berechtigt wäre, wobei er nach § 394 BGB die Pfändungsfreigrenzen aus §§ 850 ff ZPO zu beachten hat. Dass von dem Arbeitseinkommen des Klägers ein Teil nach §§ 850 ff ZPO pfändbar ist, hat der Beklagte nicht schlüssig dargelegt. Angesichts des bescheidenen Stundenlohns des Klägers liegt es auch nicht nahe, hier von einer teilweise pfändbaren Forderung auszugehen.

III.

1.

92

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 70 Prozent und im Übrigen der Beklagte. Diese Kostenquote ergibt sich aus §§ 92 Absatz 1, 97 Absatz 2 ZPO.

93

Die Berufung des Beklagten war in Bezug auf den Kündigungsschutzantrag des Klägers erfolgreich. Der Kündigungsschutzantrag wird nach § 42 Absatz 2 GKG mit einem Vierteljahreseinkommen des Arbeitnehmers bewertet. Aus den vom Kläger abgereichten Lohnabrechnungen für die erste Jahreshälfte 2013 ergibt sich, dass der Kläger in diesem Halbjahr insgesamt 12.063,80 EUR brutto verdient hatte, was einem durchschnittlichen Monatseinkommen in Höhe von 2.010 EUR brutto entspricht, woraus sich das Vierteljahreseinkommen in Höhe von 6.030 EUR brutto ergibt.

94

Dem ist an sich der Wert des Berufungserfolges (427,50 EUR) des angegriffenen Zahlungsantrages (2.438,75 EUR) hinzuzufügen. Davon sieht das Berufungsgericht allerdings in Hinblick auf § 97 Absatz 2 ZPO vorliegend ab. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung hinsichtlich des Zahlungsantrages selbst zu tragen auch soweit seine Berufung Erfolg hatte, denn der Erfolg beruht auf dem Vortrag in dem zweitinstanzlich nachgelassenen Schriftsatz vom 3. März 2015 bezüglich der konkreten Arbeitsstunden des Klägers im August 2013. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Beklagte daran gehindert war, diesen für den Erfolg notwendigen Prozessvortrag nicht bereits vor dem Arbeitsgericht zu leisten. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass das Arbeitsgericht bei einer näheren Prüfung der vom Kläger selbst abgereichten Protokolle der Drehkreuzereignisse selbst hätte erkennen können, dass die klägerische Forderung hinsichtlich der zu Grunde gelegten Stunden deutlich überhöht war. Denn zum einen hat der Beklagte die generelle Eignung der Drehkreuzprotokolle als Hilfsmittel zur Erkenntnis der klägerischen Arbeitszeiten bestritten und zum anderen ist das Gericht nicht verpflichtet, sich sozusagen von Amts wegen mit von den Parteien in den Rechtsstreit eingeführten Anlagen zu beschäftigen, ohne dass im Parteivortrag erläutert wird, was sich aus welchen Stellen der eingereichten Anlagen ergibt. Das hat der Kläger bei Einreichung der Protokolle nicht getan, musste dies zum damaligen Zeitpunkt allerdings auch nicht, da der Beklagte seinerzeit die vom Kläger behaupteten Stunden lediglich mit Nichtwissen bestritten hatte, was angesichts der Organisation und Führung der Arbeit durch den Beklagten als Arbeitgeber vom Arbeitsgericht zutreffend als unbeachtliches Bestreiten bewertet wurde.

95

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind daher im Verhältnis 6.030 zu 2.438,75 zu quoteln, woraus das Berufungsgericht eine Kostenquote zu Lasten des Klägers im Umfang von 70 Prozent ermittelt hat. Die übrigen Kosten der Berufung hat der Beklagte zu tragen.

2.

96

Die für das Berufungsverfahren festgesetzte Verteilung der Kosten kann nicht auf die arbeitsgerichtliche Kostenentscheidung übertragen werden, da der Beklagte nur teilweise Berufung eingelegt hatte, und vor dem Arbeitsgericht auch seine Widerklage anhängig war. Der vom Beklagten eingenommene Rechtsstandpunkt, das Arbeitsgericht habe es versäumt, über seine Widerklage zu entscheiden, wird vom Berufungsgericht nicht geteilt. Aus Punkt III. der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts und aus der Bestimmung des Streitwerts geht mit der notwendigen Sicherheit hervor, dass das Arbeitsgericht auch über die Widerklage entschieden hat, dies allerdings im Tenor seiner Entscheidung nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht hat.

97

Berücksichtigt man, dass die Kündigungsschutzklage des Klägers keinen Erfolg hat, ergibt sich die im Berufungsurteil ausgewiesene Kostenquote für die arbeitsgerichtliche Entscheidung.

3.

98

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG liegen nicht vor.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 14. Apr. 2015 - 2 Sa 85/14

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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

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(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 14. Apr. 2015 - 2 Sa 85/14 zitiert 12 §§.

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bei uns veröffentlicht am 18.08.2015

Tenor 1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 29. Januar 2014 (3 Ca 2413/13) wie folgt teilweise abgeändert: a) Die Kündigungsschutzklage (Urteilstenor zu 1) wird abgewiesen; b) Die Zahlungsklage (U

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(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 25. Februar 2010 - 5 Sa 1567/09 - aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 22. Oktober 2009 - 9 Ca 51/09 - mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 1 des Tenors des Urteils zur Klarstellung wie folgt neu gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass das zwischen der Klägerin und der H GmbH begründete Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten fortbesteht.

Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Übergang des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf den Beklagten und dessen Verpflichtung zu ihrer Weiterbeschäftigung.

2

Die Klägerin trat zum 1. Oktober 1992 in ein Arbeitsverhältnis bei der H GmbH (im Folgenden: H GmbH) als Hausdame ein.

3

Die H GmbH betrieb als Pächterin das F-Hotel, das sich auf dem Grundstück G befindet. Eigentümerin dieses Grundstücks ist die Firma I GmbH (im Folgenden: I GmbH).

4

Nachdem ein Gläubiger der I GmbH aufgrund einer eingetragenen Grundschuld gegen diese Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet hatte, bestellte das Amtsgericht Hannover mit Beschluss vom 3. Januar 2008 den Beklagten zum Zwangsverwalter des Grundbesitzes G.

5

Zunächst zahlte die H GmbH den monatlich geschuldeten Pachtzins weiter, stellte jedoch im Verlauf des Jahres 2008 die Zahlung an den Beklagten ein. Zum 10. Dezember 2008 war der Rückstand auf über 330.000,00 Euro angewachsen, so dass der Beklagte mit Schreiben vom selben Tage die fristlose Kündigung des Pachtvertrags erklärte, zur Räumung und Herausgabe des Pachtobjekts eine Frist bis zum 28. Februar 2009 setzte und das Vermieterpfandrecht geltend machte.

6

Da eine Räumung des Grundstücks nicht erfolgte, erhob der Beklagte vor dem Landgericht Hannover Räumungsklage. Mit rechtskräftig gewordenem Versäumnisurteil vom 22. April 2009 verurteilte das Landgericht Hannover die H GmbH, das Grundstück G an den Beklagten herauszugeben.

7

Nachdem der Beklagte das Amtsgericht Hannover als Vollstreckungsgericht davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass mit der Räumung des Zwangsverwaltungsobjekts die Einstellung des Geschäftsbetriebs verbunden wäre, genehmigte das Amtsgericht Hannover mit Beschluss vom 29. Mai 2009 dem Beklagten gemäß § 10 Zwangsverwalterverordnung(ZwVwV) die Fortführung des gewerblichen Hotelbetriebs. Zur Begründung ist im Beschluss ua. ausgeführt, dass die Einstellung des Geschäftsbetriebs weder im Interesse der Gläubiger noch der Schuldnerin wäre.

8

Da die H GmbH auch auf ein Urteil des Landgerichts Hannover das Grundstück nicht räumte, betrieb der Beklagte gegen die H GmbH die Zwangsräumung. Am 18. Juni 2009 setzte der Gerichtsvollzieher die H GmbH aus dem Besitz der Hotelräumlichkeiten und wies den Beklagten in die Räume ein. Dazu übergab der Gerichtsvollzieher dem Beklagten die Generalschlüsselkarte des Hotels und vier Generalschlüssel.

9

Zur Fortführung des Hotelbetriebs schloss der Beklagte in der Folgezeit mit allen Mitarbeitern des F-Hotels außer der Klägerin neue Arbeitsverträge. Das Hotel wird vom Beklagten unter dem bisherigen Namen „F“ fortgeführt.

10

Mit Schreiben vom 24. Juni 2009 unterrichtete die H GmbH die Klägerin über den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Beklagten. Auszugsweise lautet das Schreiben:

        

„Sehr geehrte Frau Fa,

        

das F Hotel geht auf den neuen Arbeitgeber, Herrn Dr. N als Zwangsverwalter über.

        

Der neue Arbeitgeber trägt die Bezeichnung Herr Dr. N, als Zwangsverwalter G und hat seinen Sitz in Ha.

        

Der Betriebsübergang wurde am 18.06.2009 vollzogen.

        

Rechtliche Grundlage des Überganges ist die Herausgabe des Geschäftsbetriebes.

        

Die Arbeitsbedingungen gelten aufgrund des Arbeitsvertrages und der anwendbaren Tarifverträge weiter.“

11

Die Klägerin meint, ihr Arbeitsverhältnis sei auf den Beklagten übergegangen, da die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB vorlägen.

12

Die Klägerin hat zuletzt beantragt:

        

1.    

Es wird festgestellt, dass das zwischen der Klägerin und der H GmbH begründete Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten fortbesteht.

        

2.    

Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Hausdame weiterzubeschäftigen.

13

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

14

Er vertritt die Ansicht, ein „Betriebsübergang nach § 613a BGB“ liege mangels eines Übergangs „durch Rechtsgeschäft“ nicht vor. Der Beklagte leite seine Rechte zur Fortführung des Hotelbetriebs allein aus Hoheitsakten, nämlich der Anordnung der Zwangsverwaltung und der Genehmigung der Führung des Hotelbetriebs durch das Amtsgericht Hannover her.

15

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter, während der Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Ihr Arbeitsverhältnis ist im Wege eines Betriebsübergangs auf den Beklagten übergegangen.

17

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: § 613a BGB sehe als Voraussetzung für einen Betriebsübergang vor, dass der Übergang durch ein Rechtsgeschäft erfolge. Das Merkmal durch „Rechtsgeschäft“ diene der Abgrenzung von Übergängen aufgrund Gesetzes und hoheitlicher Maßnahmen. Bei der Anordnung einer Zwangsverwaltung eines Grundstücks bewirke dies nur die Beschlagnahme dieses Grundstücks und der in §§ 20 f., 148 Abs. 1 ZVG näher bezeichneten Gegenstände. Soweit der Zwangsverwalter zur Fortführung des Gewerbebetriebs Gegenstände oder Rechte des Schuldners benötige, die nicht der Beschlagnahme durch die Zwangsverwaltung unterliegen, müsse er Verträge mit dem Schuldner abschließen. Eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen dem Schuldner als „Veräußerer“ und dem Zwangsverwalter als „Erwerber“ bestehe erst dann, wenn der Zwangsverwalter Rechtsgeschäfte zur Nutzung der nicht von der Beschlagnahme erfassten Gegenstände und Rechte mit dem Schuldner abschließe. Zwar könnten solche Vereinbarungen auch stillschweigend getroffen werden, jedoch sei eine entsprechende Willensbekundung des Schuldners notwendig. Fehle diese, liege auch kein Rechtsgeschäft im Sinne von § 613a BGB vor. Eine Willensbekundung allein durch den Zwangsverwalter genüge nicht, um die Rechtsfolgen des § 613a BGB auszulösen. Da eine Willensbekundung der H GmbH nicht festzustellen sei, scheide ein Rechtsgeschäft und damit auch ein Betriebsübergang nach § 613a BGB aus. Davon abgesehen liege ein hoheitlicher Übertragungsvorgang vor. Der Beklagte habe den von ihm fortgeführten Hotelbetrieb im Wege der Zwangsvollstreckung erhalten. Wesentliche Grundlage für die Befugnis, den Hotelbetrieb fortzusetzen, sei der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 29. Mai 2009 gewesen. Die an der zweckmäßigen Nutzung des Gewerbebetriebs orientierte Gerichtsentscheidung (§ 10 ZwVwV) habe hoheitlichen Charakter, selbst wenn sie auf einem Antrag und Willensentschluss des Zwangsverwalters beruhe. Ein Rechtsgeschäft im Sinne von § 613a BGB liege damit nicht vor, weshalb mangels Betriebsübergangs das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht auf den Beklagten übergegangen sei.

18

II. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

19

1. Die zulässige Feststellungsklage ist begründet. Das ursprünglich mit der H GmbH begründete Arbeitsverhältnis der Klägerin ist im Wege eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Beklagten übergegangen und besteht mit diesem fort.

20

a) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts sind die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 BGB gegeben.

21

aa) Ein Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit „Betrieb“ bei einem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falles. Als Teilaspekte der Gesamtwürdigung zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebs, der Übergang materieller Betriebsmittel wie bewegliche Güter und Gebäude, der Wert immaterieller Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen, der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen ergeben, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (BAG 13. Dezember 2007 - 8 AZR 937/06 - mwN, AP BGB § 613a Nr. 341 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 88).

22

In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte.

23

Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs ein. Voraussetzung ist, dass der bisherige Inhaber seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb einstellt und der Übernehmer die wirtschaftliche Einheit im Wesentlichen unverändert fortführt. Maßgebliches Kriterium für den Übergang ist die tatsächliche Weiterführung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es wegen des Merkmals der Fortführung des Betriebs nicht (vgl. BAG 6. April 2006 - 8 AZR 222/04 - BAGE 117, 349 = AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49). Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn der Inhaber des Betriebs wechselt, indem der Erwerber unter Wahrung der Betriebsidentität an die Stelle des Veräußerers tritt. Maßgeblich ist die Weiterführung der Geschäftstätigkeit durch diejenige Person, die nunmehr für den Betrieb als Inhaber „verantwortlich“ ist (BAG 15. Dezember 2005 - 8 AZR 202/05 - AP BGB § 613a Nr. 294). Verantwortlich ist die Person, die den Betrieb im eigenen Namen führt und nach außen als Betriebsinhaber auftritt (vgl. BAG 20. März 2003 - 8 AZR 312/02 - EzA BGB 2002 § 613a Nr. 7).

24

bb) Nach diesen Grundsätzen liegt im Streitfalle ein Betriebsübergang iSd. § 613a BGB vor.

25

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts führt der Beklagte den Hotelbetrieb des F-Hotels fort. Dies ist auch zwischen den Parteien unstreitig. Insbesondere tritt der vom Beklagten geführte Hotelbetrieb am Markt unverändert als „F-Hotel“ auf. Damit nutzt der Beklagte die vom vorherigen Betriebsinhaber erreichte Marktstellung. Ziel der unternehmerischen Tätigkeit bleibt nach wie vor die Bereitstellung von Tagungsräumen, Unterkünften, Freizeiteinrichtungen sowie die Verpflegung der Hotelgäste. Da bei betriebsmittelgeprägten Betrieben, wozu auch Hotelkomplexe gehören, die sächlichen Betriebsmittel wie Gebäude und Einrichtungsgegenstände prägend sind (vgl. BAG 21. August 2008 - 8 AZR 201/07 - AP BGB § 613a Nr. 353 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 95) ist entscheidend, dass der Beklagte den gesamten Gebäudekomplex mit Einrichtungsgegenständen für den Betrieb des F-Hotels unverändert nutzt. Eine Unterbrechung der Tätigkeit im Hotelbetrieb ergibt sich nicht und wird vom Beklagten auch nicht behauptet. Keine ausschlaggebende Bedeutung kommt demgegenüber der Übernahme sämtlicher Arbeitnehmer - mit Ausnahme der Klägerin - zu, da es sich bei Mitarbeitern von Hotels nicht um Spezialisten handelt, deren Fachkenntnisse für die Betriebsführung von ausschlaggebender Bedeutung sind und die nur mit besonderem Aufwand auf dem Arbeitsmarkt zu gewinnen sind (vgl. BAG 21. August 2008 - 8 AZR 201/07 - aaO).

26

Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts liegt auch ein Betriebsübergang „durch Rechtsgeschäft“ im Sinne von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB vor.

27

Nach dem Wortlaut des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB erfasst die Norm nur den Übergang „durch Rechtsgeschäft“. Das Tatbestandsmerkmal des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB „durch Rechtsgeschäft“ ist weit zu verstehen. Der Begriff „Rechtsgeschäft“ erfasst alle Fälle einer Fortführung der wirtschaftlichen Einheit im Rahmen vertraglicher und sonstiger rechtsgeschäftlicher Beziehungen, ohne dass unmittelbar Vertragsbeziehungen zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber bestehen müssen (BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 917/06 - mwN, AP BGB § 613a Nr. 333 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 82). Das Tatbestandsmerkmal soll den Anwendungsbereich der Vorschrift nicht einschränken, sondern ihn gegenüber den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge und der Übertragung aufgrund Hoheitsaktes abgrenzen (vgl. BAG 6. April 2006 - 8 AZR 222/04 - BAGE 117, 349 = AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49). Die unmittelbare Anwendung der Norm soll dann - und nur dann - ausscheiden, wenn der Übergang von Arbeitsverhältnissen direkt auf gesetzlicher Grundlage bzw. auf Grundlage eines Hoheitsaktes und ohne Zwischenschaltung eines Rechtsgeschäfts erfolgt (vgl. HWK/Willemsen 4. Aufl. § 613a BGB Rn. 186, 192). Letztlich ist das Merkmal „durch Rechtsgeschäft“ untechnisch als „derivativer Erwerb“ der Betriebsinhaberstellung zu verstehen (vgl. ErfK/Preis 11. Aufl. § 613a BGB Rn. 59), weshalb es auch keiner unmittelbaren rechtsgeschäftlichen Vereinbarung zwischen dem bisherigen und dem neuen Betriebsinhaber bedarf (vgl. BAG 25. Februar 1981 - 5 AZR 991/78 - BAGE 35, 104 = AP BGB § 613a Nr. 24 = EzA BGB § 613a Nr. 28). Auch die Richtlinie 2001/23/EG setzt nicht voraus, dass zwischen Veräußerer und Erwerber unmittelbare vertragliche Beziehungen bestehen. Daher werden auch Fälle erfasst, in denen der Betrieb vom bisherigen Pächter an einen neuen Pächter übergeben (vgl. BAG 25. Februar 1981 - 5 AZR 991/78 - aaO) oder der verpachtete Betrieb an den Verpächter zurückgegeben wird, wobei ein Betriebsübergang auf den Verpächter nur dann vorliegt, wenn dieser den Betrieb tatsächlich selbst weiterführt (vgl. BAG 18. März 1999 - 8 AZR 159/98 - BAGE 91, 121 = AP BGB § 613a Nr. 189 = EzA BGB § 613a Nr. 177).

28

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hätte das Landesarbeitsgericht einen Betriebsübergang „durch Rechtsgeschäft“ nicht verneinen dürfen.

29

Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Anordnung der Zwangsverwaltung eines Grundstücks die Beschlagnahme des Grundstücks und der in §§ 20 f., 148 ZVG näher bezeichneten Gegenstände bewirkt. Nur insoweit wird dem Schuldner die Verwaltung und Nutzung gemäß § 148 Abs. 2 ZVG entzogen und dem Zwangsverwalter übertragen. Ein Eintritt des Zwangsverwalters in die schuldrechtlichen Verträge des Schuldners mit Dritten ist damit grundsätzlich nicht verbunden. Soweit der Zwangsverwalter zur Fortführung des Gewerbebetriebs Gegenstände oder Rechte des Schuldners benötigt, die nicht der Beschlagnahme durch die Zwangsverwaltung unterliegen, muss er entsprechende Verträge mit dem Schuldner abschließen. Werden - ggf. auch stillschweigend - solche Vereinbarungen geschlossen, stellen diese eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen dem Schuldner als „Veräußerer“ und dem Zwangsverwalter als „Erwerber“ her, die das Merkmal des Rechtsgeschäfts im Sinne von § 613a BGB ausfüllt(vgl. BAG 9. Januar 1980 - 5 AZR 21/78 - AP BGB § 613a Nr. 19 = EzA BGB § 613a Nr. 25; 14. Oktober 1982 - 2 AZR 811/79 - AP BGB § 613a Nr. 36 = EzA BGB § 613a Nr. 38).

30

Soweit das Landesarbeitsgericht diese Rechtsprechung, die den Fall betrifft, dass Schuldner und „Veräußerer“ personenidentisch sind, auf den Streitfall anwendet und das Fehlen vertraglicher Beziehungen zwischen Betriebsveräußerer und dem Beklagten als Zwangsverwalter feststellt, übersieht das Landesarbeitsgericht, dass vorliegend nicht der Schuldner Betriebsveräußerer ist, sondern als Betriebsveräußerin nur die H GmbH in Betracht kommt, die das Hotel auf dem Grundstück der I GmbH (Schuldnerin) gepachtet hatte. Die H GmbH nutzt damit das in besonderer Weise für den gewerblichen Betrieb ausgebaute Grundstück als Pächter. Für den betriebsmittelgeprägten Hotelbetrieb sind die Gebäude von zentraler Bedeutung. Der Pächter ist dann Betriebsinhaber, wenn er den Betrieb - wie vorliegend die H GmbH - im eigenen Namen führt. Für den Fall des Bestehens eines Miet- oder Pachtvertrags trifft § 152 Abs. 2 ZVG für die Zwangsverwaltung eine Sonderregelung. Er bestimmt, dass Miet- und Pachtverträge auch dem Verwalter gegenüber wirksam sind, wenn das Grundstück vor der Beschlagnahme einem Mieter oder Pächter überlassen worden ist. In diesem Falle tritt der Zwangsverwalter in gültige Miet- und Pachtverträge ein. Er hat alle Rechte und Pflichten des Schuldners vor der Beschlagnahme. Er kann daher alle Rechte aus dem fortbestehenden Vertragsverhältnis geltend machen (BGH 9. März 2005 - VIII ZR 330/03 - NJW-RR 2005, 1029). So ist der Zwangsverwalter auch berechtigt, gegen den Mieter bzw. Pächter die Zwangsvollstreckung zu betreiben oder den Miet- bzw. Pachtvertrag nach den gesetzlichen oder vertraglichen Bedingungen zu kündigen (vgl. BGH 9. März 2005 - VIII ZR 330/03 - aaO).

31

Die I GmbH hatte das mit dem Hotelkomplex bebaute Grundstück vor der Beschlagnahme an die H GmbH verpachtet. Folglich trat der Beklagte als Zwangsverwalter in das Pachtverhältnis zwischen der I GmbH (Schuldnerin) und der H GmbH ein und erlangte alle Rechte als Verpächter, die zuvor der I GmbH zugestanden hatten. Damit liegt eine grundsätzlich andere Ausgangslage vor, als sie der Rechtsprechung des 5. Senats (BAG 9. Januar 1980 - 5 AZR 21/78 - AP BGB § 613a Nr. 19 = EzA BGB § 613a Nr. 25) zugrunde lag. Zum Zwangsverwalter war der Beklagte zwar durch öffentlich-rechtlichen Hoheitsakt bestellt worden, er übte jedoch in Bezug auf den Pachtvertrag der Schuldnerin als Verpächterin privatrechtliche Befugnisse aus (vgl. Stöber ZVG 19. Aufl. § 152 ZVG Rn. 2; Böttcher/Keller in Böttcher ZVG 5. Aufl. § 152 ZVG Rn. 5).

32

Da § 152 Abs. 2 ZVG den Eintritt des Beklagten in das zwischen der Schuldnerin und der H GmbH geschlossene Pachtverhältnis anordnet, besteht keine grundsätzlich andere Situation als in den sonstigen Fällen der Rückgabe eines verpachteten Betriebs an den Verpächter nach Ablauf des Pachtverhältnisses verbunden mit einer tatsächlichen Fortführung des Betriebs durch den bisherigen Verpächter. Der Beklagte hatte den Pachtvertrag mit Schreiben vom 10. Dezember 2008 gekündigt, wozu er nach Maßgabe von § 152 Abs. 1, 2 ZVG befugt war. Indem er das Pachtobjekt nach erfolgter Zwangsvollstreckung (zurück)erhalten hatte, konnte er alle wesentlichen Betriebsmittel, insb. den gesamten Gebäudekomplex nutzen, um mit diesen die arbeitstechnischen Zwecke des Betriebs (Bereitstellung von Tagungsräumen, Unterkünften, Freizeiteinrichtungen sowie die Verpflegung der Hotelgäste) weiterzuverfolgen. Von dieser Nutzungsmöglichkeit hat der Beklagte auch Gebrauch gemacht. Zu der Fortführung des Hotelbetriebs war der Beklagte in seiner Funktion als Zwangsverwalter auch grundsätzlich befugt (vgl. BGH 14. April 2005 - V ZB 16/05 - BGHZ 163, 9). Er führte den Hotelbetrieb in eigener Verantwortung ohne Eintritt einer zeitlichen Unterbrechung weiter. Wie das Bundesarbeitsgericht entschieden hat, liegt ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang auch bei einem „Rückfall“ eines Betriebs auf den Verpächter vor, wenn dieser den Betrieb tatsächlich selbst weiterführt (vgl. BAG 18. März 1999 - 8 AZR 159/98 - BAGE 91, 121 = AP BGB § 613a Nr. 189 = EzA BGB § 613a Nr. 177).

33

Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen, ob der Zwangsverwalter den Betrieb selbst fortführt oder an einen Dritten verpachtet. Wenn er ihn nicht selbst fortführt, sondern an einen Dritten verpachtet, findet § 613a BGB Anwendung. Nichts anderes kann gelten, wenn der Zwangsverwalter den Betrieb selbst fortführt (vgl. Staudinger/Annuß [2011] § 613a BGB Rn. 131; vgl. auch Birkholz Betriebsübergang nach § 613a BGB in der Insolvenz S. 108, 117 ff.), nachdem der Pachtvertrag durch Kündigung beendet wurde. Dabei ist es unerheblich, dass dem Beklagten die rechtsgeschäftlichen Befugnisse als Verpächter erst durch § 152 Abs. 2 ZVG eingeräumt werden. Denn der Zwangsverwalter übt nur die privatrechtlichen Befugnisse aus, wie sie sich aus dem Pachtverhältnis ergeben und es Zweck und Ausmaß der Zwangsverwaltung erfordern. Ohne Belang ist auch, dass der Beklagte die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Betriebsmittel und damit die tatsächliche Fortführungsmöglichkeit erst durch Zwangsräumung am 18. Juni 2009, also infolge der Zwangsvollstreckung, erhalten hat. Dass der Beklagte die ihm zustehenden Rechte zunächst gerichtlich und anschließend noch mittels Zwangsvollstreckung durchsetzen musste, ändert an deren rechtsgeschäftlichem Charakter nichts.

34

Auch der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 29. Mai 2009, der dem Beklagten nach § 10 ZwVwV die Fortführung des gewerblichen Hotelbetriebs genehmigte, machte den Übertragungsvorgang nicht zu einem hoheitlichen Akt.

35

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZwVwV hat der Zwangsverwalter die vorherige Zustimmung des Gerichts einzuholen, wenn er eine wesentliche Änderung der nach § 5 ZwVwV gebotenen Nutzung, dh. Vermietung oder Verpachtung, herbeiführen will. Dies wird der Zwangsverwalter dann in Betracht ziehen, wenn es dem Ziel dient, das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu benutzen (§ 152 Abs. 1 ZVG). Mit Zustimmung des Gerichts kann der Verwalter grundsätzlich alle wirtschaftlich sinnvollen Maßnahmen treffen (HK-ZV/Sievers § 152 ZVG Rn. 14). § 10 ZwVwV ergänzt dabei § 153 Abs. 1 ZVG, wonach das Vollstreckungsgericht den Verwalter nach Anhörung des Gläubigers und des Schuldners mit der erforderlichen Anweisung für die Verwaltung zu versehen hat. In § 153 ZVG kommt die verfahrensbeherrschende Stellung des Gerichts gegenüber dem Verwalter zum Ausdruck. Das Gericht hat die vorrangige Aufgabe, die Tätigkeit des Zwangsverwalters und die Rechtmäßigkeit seines Handelns zu überwachen, das mit dem Sinn der Zwangsverwaltung vereinbar sein muss (BGH 10. Dezember 2004 - IXa ZB 231/03 - BGHZ 161, 336). Das Aufsichtsrecht findet in § 153 Abs. 1 ZVG nur allgemein seinen Niederschlag und gibt Raum für eine Ausgestaltung im Einzelfall. Das Gericht muss beachten, dass der Verwalter sein Amt selbständig und eigenverantwortlich führt; es soll ihn in seinen Handlungsmöglichkeiten nicht zu sehr beschränken (vgl. Böttcher/Keller in Böttcher ZVG § 153 ZVG Rn. 1, 2). Dieses Aufsichtsrecht des Gerichts gegenüber dem Zwangsverwalter hat aber keine Auswirkungen auf den rechtlichen Charakter der Handlungen des Zwangsverwalters. Das in § 10 ZwVwV näher ausgestaltete Aufsichtsrecht soll allein die Zielerreichung der Zwangsverwaltung sicherstellen. Auch wenn § 10 ZwVwV nicht den Begriff der „Anweisung“ verwendet, handelt es sich bei den Zustimmungsvorbehalten in § 10 ZwVwV um Einzelanweisungen im Sinne von § 153 Abs. 1 ZVG(vgl. Böttcher/Keller in Böttcher ZVG § 153 ZVG Rn. 5). Weicht der Zwangsverwalter von einer ihm erteilten Anweisung ab, so kann er sich schadensersatzpflichtig machen; ferner kann Zwangsgeld gegen ihn festgesetzt werden oder er kann entlassen werden, § 153 Abs. 2 ZVG(vgl. Böttcher/Keller in Böttcher ZVG § 153 ZVG Rn. 8). Die Wirksamkeit des Zwangsverwalterhandelns im Außenverhältnis (ggü. Gläubigern, Schuldnern und Dritten) wird nicht davon berührt, dass der Verwalter eine nach § 10 ZwVwV gebotene gerichtliche Zustimmung nicht eingeholt oder eine Anweisung unbeachtet gelassen oder gegen sie in Einzelheiten verstoßen hat. Aufgabenkreis und Handlungsfähigkeit des Zwangsverwalters sind durch eine gerichtliche Anweisung gesetzlich nicht beschränkt (vgl. Stöber ZVG § 153 ZVG Rn. 3; Böttcher/Keller in Böttcher ZVG § 153 ZVG Rn. 9).

36

Mit dem Beschluss vom 29. Mai 2009 hat das Amtsgericht Hannover allein von seinem Aufsichtsrecht nach § 153 Abs. 1 ZVG Gebrauch gemacht. Auf die Handlungsmöglichkeiten des Beklagten im Außenverhältnis zur H GmbH bzw. auf den Eintritt des Beklagten in das Pachtverhältnis nach § 152 Abs. 2 ZVG hatte der Beschluss keine Auswirkungen. Im Verhältnis zur H GmbH konnte der Beklagte frei handeln. Der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 29. Mai 2009 räumte dem Beklagten im Außenverhältnis nicht erst eine besondere Befugnis ein. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es wegen des Merkmals der Fortführung des Betriebs ohnehin nicht (BAG 31. Januar 2008 - 8 AZR 2/07 - AP BGB § 613a Nr. 339). Für den Betriebsübergang entscheidend ist, dass die H GmbH als Betriebsinhaberin die wirtschaftliche Betätigung zur Führung des F-Hotels eingestellt hat und der Beklagte die Geschäftstätigkeit im eigenen Namen unter Wahrung der Identität des Betriebs „F-Hotel“ fortgesetzt hat. Damit trat er an die Stelle der H GmbH als Betriebsinhaber. Ob der Beklagte dabei subjektiv der Auffassung war, aufgrund seiner Verpflichtungen nach § 152 Abs. 1 ZVG zur Fortführung des Hotels verpflichtet zu sein, ist unerheblich. Entscheidend ist die tatsächliche Fortführung des Hotelbetriebs durch den Beklagten unter Wahrung der Identität des Betriebs. Letztlich geht auch der Bundesgerichtshof davon aus, dass sich die Aufrechterhaltung des Gewerbebetriebs des Schuldners durch den Zwangsverwalter selbst, verbunden mit der Übernahme der Betriebsorganisation und der Angestellten, „arbeitsrechtlich als Fortführung des schuldnerischen Betriebs darstellt“ ( BGH 14. April 2005 - V ZB 16/05 - BGHZ 163, 9).

37

b) Da die Klägerin zu keinem Zeitpunkt dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Beklagten widersprochen hat (§ 613a Abs. 6 BGB), steht ein Widerspruch dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Beklagten und damit der Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses mit diesem nicht entgegen.

38

2. Die zulässige Weiterbeschäftigungsklage ist ebenfalls begründet.

39

Der Beklagte ist zur Beschäftigung der Klägerin verpflichtet. Da das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf den Beklagten nach § 613a Abs. 1 BGB übergegangen ist, ist dieser Schuldner aller Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis geworden. Im nunmehr mit dem Beklagten fortbestehenden, ungekündigten Arbeitsverhältnis hat die Klägerin Anspruch auf tatsächliche vertragsgemäße Beschäftigung (vgl. BAG 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122 = AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14 = EzA BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 9). Überwiegend schützenswerte Interessen des Arbeitgebers, die der Beschäftigung entgegenstehen könnten, hat der Beklagte nicht geltend gemacht.

40

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Schuckmann    

        

    F. Avenarius    

                 

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.

Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen können jedoch geschuldete Beiträge aufgerechnet werden.

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um restliche Zahlungsansprüche aus einem zum 30. Juni 2009 beendeten Arbeitsverhältnis.

2

Der Kläger war bei der Beklagten als Disponent und Kraftfahrer mit einem Bruttomonatsentgelt in Höhe von 1.460,00 Euro (EG 4 des Haustarifvertrages) beschäftigt. Der Kläger hatte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 5. Juni 2009 zum 30. Juni 2009 gekündigt; beide Parteien gehen von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. Juni 2009 aus. Der Kläger hat sich anschließend als Fuhrunternehmer selbstständig gemacht und bedient jetzt einen lukrativen Auftrag, der zuvor von der Beklagten bedient wurde. Aus diesem Umstand leitet die Beklagte Gegenforderungen ab, mit denen sie gegenüber den klägerischen Forderungen, die dem Grunde und der Höhe nach nicht in Streit stehen, aufrechnet.

3

Für die letzten beiden Arbeitsmonate Mai und Juni 2009 hat die Beklagte jeweils die monatliche Arbeitsvergütung in Höhe von 1.460,00 Euro brutto nicht an den Kläger gezahlt (Klageantrag zu 1.). Aus den Jahren 2002 bis 2004 sind noch Entgeltforderungen des Klägers offen, die er seinerzeit wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten gestundet hatte. Dieser Posten beläuft sich auf 2.495,80 Euro brutto und wurde in dieser Höhe von der Beklagten außergerichtlich mit Schreiben vom 30. April 2007 anerkannt (Klageantrag zu 2.).

4

Auch die zuletzt noch offenen Spesen hat die Beklagte nicht mehr zur Auszahlung gebracht. Insoweit geht es um 664,00 Euro. Die Forderung setzt sich zusammen aus 244,00 Euro für April 2009, 258,00 Euro für Mai 2009 und 162,00 Euro für Juni 2009 (Klageantrag zu 3.). Schließlich geht es noch um Zahlungen, die der Kläger in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Beirat der Beklagten bisher erhalten hatte. Der Kläger ist Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats und er war auch Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Beirates gewesen. Für die Tätigkeit im Beirat hatte die Beklagte an den Kläger für das Jahr 2007 einen Betrag in Höhe von 1.500,00 Euro gezahlt. Diesen Betrag verlangt der Kläger mit der Klage nunmehr auch für das Jahr 2008 (Klageantrag zu 4.).

5

Der Kläger hat schon seit mehreren Jahren mit Kenntnis und Billigung der Beklagten ein Fuhrgewerbe angemeldet und beschäftigt dort seinen Sohn als LKW-Fahrer. In Konkurrenz zur Beklagten ist er damit jedenfalls bis in das Jahr 2009 hinein nicht getreten. Im April 2009 hat der Kläger dann allerdings für seinen Fuhrbetrieb einen LKW gekauft, mit dem er Milchtransporte übernehmen konnte. Die Beklagte hat über viele Jahre bis Juni 2009 einschließlich Milchtransporte für einen ihrer Kunden durchgeführt. Seit Juli 2009 führt der Kläger die Milchtransporte dieses Kunden mit seinem eigenen Fuhrunternehmen durch. Nachdem er sich diesen Auftrag sichern konnte, hatte er umgehend sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten gekündigt.

6

Die Beklagte hatte für die Milchtransporte mit dem nunmehr verlorenen Kunden regelmäßig zwei Fahrer eingesetzt. In zeitlichem Zusammenhang mit dem Auftragsverlust hat die Beklagte zwei ihrer Arbeitnehmer entlassen. Ihren Schaden erblickt sie darin, dass sie für diese zwei Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist noch Lohnkosten aufwenden musste. Sie beziffert den Schaden auf 8.468,95 Euro brutto (wegen der Einzelheiten wird auf die in Kopie überreichten Lohnabrechnungen Bezug genommen, hier Blatt 55 bis 61). Die Beklagte hat diese Gegenforderung gegenüber den klägerischen Forderungen mit Schriftsatz vom 25. September 2009 (hier Blatt 26) zur Aufrechnung gestellt. Die Abschriften dieses Schriftsatzes sind am 29. September 2009 durch das Arbeitsgericht an den Kläger weitergeleitet worden (Blatt 27 R).

7

Der Kläger macht gegen die Beklagte mit der im Juli 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage den gestundeten Vergütungsbetrag von 2.495,80 Euro brutto, die Arbeitsvergütung für die Monate Mai und Juni 2009 in Höhe von je 1.460,00 Euro sowie die Spesen in Höhe von insgesamt 664,00 Euro und eine Vergütung für die Beiratstätigkeit für das Jahr 2008 in Höhe von 1.500,00 Euro geltend.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 20. Juli 2010 in vollem Umfang entsprechen, den Streitwert auf 7.579,80 Euro festgesetzt und in der Hauptsache wie folgt tenoriert:

9

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.920,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.460,00 Euro seit 01.06.2009 und aus weiteren 1.460,00 Euro seit 01.07.2009 zu zahlen.

10

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.495,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.07.2009 zu zahlen.

11

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 664,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.07.2009 zu zahlen.

12

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.500,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.07.2009 zu zahlen.

13

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel der vollständigen Abweisung der Klage weiter.

14

Die Beklagte sieht sich durch eine unerlaubte Handlung des Klägers geschädigt, sie wirft dem Kläger vor, er habe ihren Kunden noch während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses abgeworben. Sie behauptet dazu, der Kläger habe schon während des Arbeitsverhältnisses Kontakt mit der Firma gehabt und habe dort erreicht, dass diese Firma den Milchtransportvertrag mit der Beklagten am 4. Juni 2009 kündigt und statt dessen einen Vertrag über die Fuhrleistungen mit dem Kläger schließt. Die für die Beklagte verlorenen Touren seien wirtschaftlich lukrativ gewesen und hätten einen monatlichen Gewinn von 9.000,00 Euro ermöglicht. Der Kläger habe bereits lange vor seiner Kündigung gewusst, dass er den Auftrag von der Firma bekommen werde.

15

Für die durch diese Vertragskündigung betroffenen Touren seien die Mitarbeiter M. B. und W. F. beschäftigt worden. Ihnen sei wegen Verlust der Touren gekündigt worden und sie seien dann zum 15. August 2009 bzw. zum 20. September 2009 ausgeschieden. Für den Mitarbeiter M. B. seien Personalkosten im Juli 2009 in Höhe von 2.128,24 Euro und für den August 2009 in Höhe von 885,93 Euro entstanden und für den Mitarbeiter W. F. für Juli 2009 in Höhe von 2.246,12 Euro, für August 2009 in Höhe von 2.053,83 Euro und für September 2009 in Höhe von 1.154,83 Euro. Den insoweit insgesamt gezahlten Personalkosten in Höhe von 8.468,95 Euro hätten Leistungen der Mitarbeiter B. und F. nicht mehr gegenüber gestanden, da sie ausschließlich die Touren für die abgeworbene Firma bedient hätten. Andere Beschäftigungsmöglichkeiten hätten für diese beiden Arbeitnehmer nicht bestanden.

16

Die Aufrechnung mit den klägerischen Forderungen sei auch ohne Rücksicht auf die Pfändungsfreigrenzen uneingeschränkt zulässig, da der Forderung der Beklagten eine vorsätzliche Schädigung zu Grunde liege. Das ergebe sich schon aus dem Vortrag der Beklagten. Aber selbst dann, wenn man hilfsweise auf den klägerischen Vortrag abstelle, ergebe sich eine vorsätzliche Schädigung, denn die vom Kläger eingeräumte Beteiligung an einer Ausschreibung stelle bereits ein Einwirken auf die abgeworbene Firma dar.

17

Die Gegenforderung der Beklagten sei auch nicht wegen Ablauf der Ausschlussfrist verfallen. Auf die Ausschlussfristen nach § 18 Ziffer 4 MTV könne sich der Kläger nicht berufen, da Ansprüche des Arbeitgebers von dieser Regelung nicht erfasst seien.

18

Die Beklagte beantragt,

19

das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern

20

und die Klage abzuweisen.

21

Der Kläger beantragt,

22

die Berufung zurückzuweisen.

23

Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Ein Schadenersatzanspruch der Beklagten sei nicht schlüssig vorgetragen. Die Aufrechnung scheitere jedenfalls an den Pfändungsfreigrenzen, außerdem sei die Gegenforderung auch schon nach § 18 Ziffer 4 MTV verfallen.

24

Die Firma, für die er inzwischen die Milchtransporte durchführe, habe den Auftrag für den Transport von Milch neu ausgeschrieben. Trotz entsprechender Informationen habe sich die Beklagte an der Ausschreibung nicht beteiligt. Neben ihm hätten sich noch andere Firmen an der Ausschreibung beteiligt und er habe den Zuschlag erhalten. Er habe diese Firma während des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zwar als Kraftfahrer angefahren, habe aber sonst keinen weiteren Kontakt zu ihr aufgenommen. Insbesondere habe er während seines Arbeitsverhältnisses nicht auf die Firma eingewirkt und diese zur Kündigung des Vertragsverhältnisses zur Beklagten bewegt.

25

Der Kläger bestreitet auch die Höhe des geltend gemachten Schadens. Die Mitarbeiter B. und F. seien nach dem Auftragsverlust bei den Milchtransporten für den Fernverkehr eingeteilt worden und hätten u.a. Touren nach Dänemark gefahren. Beide Arbeitnehmer hätten allerdings nicht im Fernverkehr eingesetzt werden wollen und allein deshalb hätten man sich einvernehmlich darauf geeinigt, das Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Kündigung zu beenden. Es bestehe aber kein Zusammenhang zu dem Auftragsverlust, was man schon daran erkenne, dass nach deren Kündigung zwei neue Fahrer eingestellt und ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer in ein unbefristet Arbeitsverhältnis übernommen worden sei.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

27

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht in vollem Umfang stattgegeben. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht.

I.

28

Hinsichtlich Grund und Höhe der klägerischen Forderungen besteht zwischen den Parteien kein Streit. Das hat bereits das Arbeitsgericht festgestellt, ohne dass diese Feststellung durch die Berufung angegriffen wurde.

29

Das Gericht sieht daher keinen Anlass, die vom Kläger begehrte Beiratsvergütung für 2008 in Höhe von 1.500,00 Euro (Klageantrag zu 4.) in Frage zu stellen, zu deren Anspruchsgrundlage der Kläger eigentlich gar nichts vorträgt. - Angesichts des fehlenden Streits um diesen Posten sieht das Gericht auch keinen Anlass der Frage nachzugehen, ob diese Forderung auf dem Arbeitsverhältnis beruht oder auf dem Betriebsratsamt des Klägers oder gar auf einem eigenen Wahlamt des Klägers als Mitglied im Beirat der Beklagten, obwohl dies streng genommen Auswirkungen auf die Verfahrensart haben könnte, in der der Anspruch vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen ist. Selbst wenn der Anspruch wegen § 2a Absatz 1 Nr. 1 oder 3 ArbGG im Beschlussverfahren nach § 80 ff ArbGG hätte behandelt werden müssen, lassen sich angesichts des Obsiegens des Klägers nur geringfügige Unterschiede der Verfahrensarten erkennen. Der Beklagten sind jedenfalls durch die Behandlung des Antrages in der möglicherweise falschen Verfahrensart keine Nachteile entstanden.

II.

30

Die Aufrechnung der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 25. September 2009 mit einer Gegenforderung in Höhe von 8.468,95 Euro brutto wegen der angeblich sinnlos aufgewendeten Lohnkosten geht ins Leere. Ihr stehen bereits formelle Probleme entgegen. Im Übrigen ist die Gegenforderung nicht schlüssig vorgetragen.

1.

31

Die Aufrechnung ist bereits unzulässig, soweit sie wegen der unstreitigen Bruttolohnforderungen des Klägers (Klageanträge zu 1. und 2.) erklärt wurde.

32

Gegen Bruttolohnforderungen des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber nicht mit Gegenansprüchen aufrechnen, es sei denn - der Fall liegt hier aber nicht vor - die Höhe der Abzüge ist bekannt. Aufgerechnet werden kann nur gegen Nettolohnforderungen des Arbeitnehmers. Denn andernfalls wäre nicht klar, in welcher Höhe das Gericht über die Gegenforderung entschieden hat. Nach § 322 Absatz 2 ZPO ist "die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig". Der Umfang der Rechtskraft darf aber nicht unklar bleiben. Auch wenn die Klage aufgrund der Aufrechnung abgewiesen werden soll, muss feststehen, in welcher Höhe die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung erloschen ist (BAG 16. März 1994 - 5 AZR 411/92 - und BAG 13. November 1980 - 5 AZR 572/78 - beide nicht veröffentlicht aber über juris.de verfügbar; so auch BAG 5. Dezember 2002 - 6 AZR 569/01 - AP Nr. 32 zu § 394 BGB = NJW 2003, 2189 = NZA 2003, 802 für den umgekehrten Fall, dass der Arbeitnehmer seine Brutto-Lohnforderung gegen eine Arbeitgeberforderung zur Aufrechnung stellt).

33

Vorliegend hatte die Beklagte zwar erstinstanzlich angekündigt, für die eingeklagten Löhne würden Abrechnungen vorgelegt werden, damit der Netto-Lohnanspruch des Klägers sichtbar wird, der Ankündigung sind jedoch keine Taten gefolgt.

2.

34

Die Aufrechnung ist auch unzulässig, soweit sie sich gegen den Spesenanspruch des Klägers (Klageantrag zu 3.) richtet.

35

Nach § 394 BGB ist eine Aufrechnung mit einer Gegenforderung nur möglich, soweit die damit zu erledigende Forderung der Pfändung unterliegt. Das ist hinsichtlich der Spesenforderung nicht der Fall. Spesenzahlungen sind Aufwendungsersatzleistungen des Arbeitgebers, die nach § 850a Nr. 3 ZPO vollständig von der Pfändung ausgeschlossen sind.

36

Die Beklagte hat auch nicht den Nachweis geführt, dass die Spesen "den Rahmen des Üblichen" übersteigen und damit (teilweise) pfändbar sind. Eines dahingehenden Hinweises des Gerichts brauchte es nicht, denn die Höhe der Spesen in den einzelnen Monaten zeigt, dass die Beklagte jedenfalls nicht mehr an Spesen gezahlt hat, als sie steuerlich begünstigt zahlen kann. Solange der Arbeitgeber Spesen nur in dem Umfang bezahlt, wie die Zahlung steuerlich begünstigt ist, sprengen seine Zahlungen nicht den Rahmen des Üblichen (BAG 30. Juni 1971 - 3 AZR 8/71 - AP Nr. 4 zu § 850a ZPO = DB 1971, 1923).

3.

37

Ob die Aufrechnung gegen die klägerische Forderung auf Beiratsvergütung in Höhe von 1.500,00 Euro (Klageantrag zu 4.) bereits unzulässig ist, kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, da sich die Parteien zum Grund und zur Anspruchsgrundlage dieser Forderung ausgeschwiegen haben. - Dieser Aspekt bedarf aber keiner weiteren Aufklärung, denn selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten von einer Aufrechnungslage ausgeht, greift die Aufrechnung nicht, da die Beklagte nicht schlüssig dargelegt hat, dass ihr durch den Verlust des Milchtransportauftrages der von ihr geltend gemachte Schaden entstanden ist. Dafür kann sogar zu Gunsten der Beklagten als wahr unterstellt werden, dass der Kläger sich den Milchtransportauftrag noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses vertragswidrig und unter Missachtung seines Wettbewerbsverbots beschafft hat.

38

Der Schadensersatzanspruch der Beklagten scheitert schon daran, dass hier nicht festgestellt werden kann, dass der Beklagten durch die Vergütung der beiden später dann ausgeschiedenen Arbeitnehmer B. und F. in den Monaten Juli, August und - bei Herrn F. - September 2009 ein Schaden in Höhe der gezahlten Vergütungen entstanden ist. Denn aus den von der Beklagten vorgelegten Lohnabrechnungen dieser beiden Kollegen für die streitigen Monate ergibt sich ohne jeden Zweifel, dass diese für die Beklagte in jener Zeit tatsächlich tätig gewesen sein müssen. Denn anders lässt sich die Abrechnung von "Erschwernis", "Leistungszuschlag", "Nachtzuschlag", "Sonntagszuschlag", "Verpflegungsmehraufwand stfr" oder beispielsweise von "Überstundenzuschlag" (alles zitiert aus den Lohnabrechnungen Blatt 55 ff der Akte) nicht erklären. Eine andere Erklärung konnte auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf die Frage des Gerichts nicht aufbieten. Wenn aber die Arbeitnehmer in jener Zeit für die Beklagte tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht haben, könnte ein Schaden wegen der dabei aufgewendeten Löhne allenfalls dann anerkannt werden, wenn der Nachweis geführt würde, dass deren Einsatz eigentlich unproduktiv gewesen sei. Dafür fehlt es an jeglichem Hinweis.

39

Ergänzend hat das Gericht bei seiner Verneinung des Schadenseintritts berücksichtigt, dass die klägerische Behauptung, nach dem Ausscheiden der Kollegen B. und F. habe die Beklagte zwei weitere Arbeitnehmer neu eingestellt, von dieser nicht substantiiert bestritten worden ist; die klägerische Behauptung gilt damit prozessual als unstreitig. Aus dem Umstand der Neueinstellung kann geschlossen werden, dass die Beklagte Bedarf für die Arbeitsleistung der später ausgeschiedenen Kollegen B. und F. gehabt hatte. Damit kann deren Vergütung aber nicht als Schaden angesehen werden, der vom Kläger zu ersetzen ist.

III.

40

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen, da ihr Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).

41

Die Revision kann nicht zugelassen werden, da die gesetzlichen Voraussetzungen aus § 72 ArbGG dafür nicht vorliegen.

Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen können jedoch geschuldete Beiträge aufgerechnet werden.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen sowie in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach geltend gemacht oder abgewehrt werden, ist der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Ist im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit die Höhe des Jahresbetrags nicht nach dem Antrag des Klägers bestimmt oder nach diesem Antrag mit vertretbarem Aufwand bestimmbar, ist der Streitwert nach § 52 Absatz 1 und 2 zu bestimmen.

(2) Für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet. Bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen ist der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags zur begehrten Vergütung maßgebend, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.

(3) Die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge werden dem Streitwert hinzugerechnet; dies gilt nicht in Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen. Der Einreichung der Klage steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleich, wenn die Klage alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.