Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 21. Juli 2015 - 2 Sa 140/14

bei uns veröffentlicht am21.07.2015

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsrechtsstreites trägt die Beklagte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grunde und um rückständige Vergütung. Die beklagte Arbeitgeberin macht im Berufungsrechtszug ihrerseits Zahlungsansprüche gegen die Klägerin im Wege der Aufrechnung und Widerklage geltend.

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Die Klägerin wurde mit Arbeitsvertrag vom 18. Dezember 2003 mit Wirkung ab 31. Dezember 2003 von der beklagten Rechtsanwältin in ihrer Kanzlei als Wirtschafts-helferin in Teilzeit mit 113 Monatsstunden eingestellt. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin die aus diesem Arbeitsvertrag resultierenden Arbeits-leistungen in dem Privathaushalt der Beklagten erbracht hat, der sich knapp 20 km außerhalb der Stadt A-Stadt in U. befindet. Für diese Tätigkeit erhielt die Klägerin zuletzt eine monatliche Vergütung in Höhe von 750,00 EUR brutto. Nach der Anzahl der in der Kanzlei tätigen Arbeitnehmer findet das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.

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Unstreitig hat die Klägerin zusätzlich zum Arbeitsentgelt auch Aufwendungsersatz erhalten in Höhe von jeweils um die 50,00 EUR monatlich. Dazu hat die Klägerin in der Kanzlei handgeschriebene Zettel eingereicht, auf denen Fahrten verzeichnet waren, wie sie im Rahmen ihrer Tätigkeit als Hauswirtschafterin angefallen sein könnten. In der Kanzlei ist auf Basis dieser Angaben und einem Ansatz von 0,27 EUR pro gefah-renem Kilometer ein maschinenschriftlicher Beleg hergestellt worden und das sich aus den Angaben ergebende Geld an die Klägerin ausgezahlt worden (erläuternd wird auf die Anlagen BK 1 und BK 2, hier Blatt 193 f Bezug genommen). Zwischen den Parteien ist streitig, ob es für diese Handhabung eine rechtsgeschäftliche Grundlage gibt und ob die entschädigten Fahrten tatsächlich angefallen sind.

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Unter dem 26. Februar 2010 haben die Parteien parallel dazu einen weiteren Arbeits-vertrag geschlossen, die Beklagte auftretend als "Hausverwaltung C." (Kopie als Anlage K 5 zur Akte gelangt, hier Blatt 13). Nach diesem Vertrag sollte die Klägerin im Rahmen eines sozialversicherungsfreien geringfügigen Beschäftigungs-verhältnisses ab März 2010 als Haushaltshilfe bei einer monatlichen Vergütung in Höhe von 392,00 EUR tätig werden. Tatsächlich hat die Klägerin zu den in diesem Vertrag vereinbarten Zeitpunkten (Mittwoch morgens und Freitag vormittags) Reinigungsleistungen in der Rechtsanwaltskanzlei der Beklagten in A-Stadt erbracht.

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Zuletzt kam die Beklagte ihren Lohnzahlungsverpflichtungen aus dem bzw. den Arbeitsverhältnissen nicht mehr nach. So hat die Beklagte zwar das Arbeitsverhältnis als "Wirtschaftshelferin" für die Monate August und September 2013 jeweils mit 750,00 EUR brutto (609,32 EUR netto) abgerechnet, hat die sich daraus ergebende Vergütung jedoch nicht an die Klägerin ausgezahlt. Seit Oktober 2013 erfolgte dann weder eine Abrechnung noch eine Zahlung für dieses Arbeitsverhältnis. Aus dem sogenannten geringfügigen Beschäftigungsverhältnis als "Haushaltshilfe" erfolgte seit Oktober 2013 weder eine Lohnabrechnung noch eine Zahlung an die Klägerin.

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Das Geschehen, das schließlich zur arbeitgeberseitigen Kündigung beider Arbeitsver-hältnisse führte, ereignete sich am 28. November 2013 und am Folgetag.

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Am 28. November, einem Donnerstag, wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, ihre hauswirtschaftlichen Arbeitsleistungen im Privathaushalt der Beklagten in U. zu erbringen. Am Morgen dieses Tages hat die Klägerin dem Ehemann der Beklagten, der im Arbeitsverhältnis der Parteien ebenfalls Ansprechpartner für die Klägerin war, per SMS mitgeteilt, dass sie nicht zur Arbeit nach U. fahren könne, da sie kein Geld mehr für das benötigte Benzin für die Fahrt mit dem Auto habe. Zwischen den Parteien ist streitig geblieben, ob es im Laufe dieses Tages noch Gespräche zwischen der Klägerin und der Beklagten bzw. ihrem Ehemann gegeben hat und was dort gegebenenfalls alles besprochen wurde. Die Klägerin hat tatsächlich an diesem Tag keine Arbeitsleistung erbracht.

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Am darauffolgenden Tag (Freitag, 29. November 2013) erschien die Klägerin, die an diesem Tage unstreitig die Kanzleiräume der Beklagten zu reinigen gehabt hätte, ebenfalls nicht zur Arbeit. Auch insoweit ist es streitig geblieben, ob es im Laufe dieses Tages noch weitere Gespräche zwischen der Klägerin und der Beklagten bzw. ihrem Ehemann gegeben hat und was dort gegebenenfalls alles besprochen wurde.

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Unstreitig hat die Beklagte mit Schreiben vom 29. November 2013, der Klägerin auch an diesem Tage per Boten am frühen Nachmittag an ihrem Wohnsitz übergeben, die bestehenden Arbeitsverhältnisse außerordentlich fristlos aus wichtigem Grund und hilfsweise fristgerecht zum Ablauf des 31. Dezember 2013 (Arbeitsvertrag aus 2010) bzw. zum Ablauf des 28. Februar 2014 (Arbeitsvertrag aus 2003) gekündigt (Kopie der Urkunde als Anlage K 7 zur Akte gelangt, hier Blatt 19 f).

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Gegen diese Kündigungen richtet sich die Kündigungsschutzklage der Klägerin, die beim Arbeitsgericht Neubrandenburg am 18. Dezember 2013 eingegangen ist. Die Klägerin hat ihr Rechtsschutzbegehren auf die Einhaltung der ordentlichen Kündi-gungsfrist begrenzt. Mit der Klage begehrt die Klägerin zusätzlich die Zahlung des rückständigen Lohns aus den Monaten August 2013 bis Ende November 2013, außerdem begehrt sie ein qualifiziertes Zeugnis. Die weiteren erstinstanzlichen Streitgegenstände spielen für das Berufungsverfahren keine Rolle.

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Das Arbeitsgericht Neubrandenburg hat der Klage mit Urteil vom 21. Mai 2014 (2 Ca 1316/13) im Wesentlichen entsprochen. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

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Der die Beklagte belastende Teil des Tenors des Urteils lautet in der Hauptsache:

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1. Es wird festgestellt, dass die Arbeitsverhältnisse der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.11.2013 nicht fristlos, sondern das am 26.02.2010 begründete Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des 31.12.2013 und das am 18.12.2003 begründete Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des 28.02.2014 beendet worden sind.
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2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
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a. rückständige Vergütung für August 2013 in Höhe von 609,32 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2013,
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b. rückständige Vergütung für September 2013 in Höhe von 609,32 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2013,
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c. rückständige Vergütung für Oktober 2013 in Höhe von 750,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2013 zuzüglich weiterer 392,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.11.2013,
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d. rückständige Vergütung für November 2013 in Höhe von 750,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2013 zuzüglich weiterer 392,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.12.2013
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zu zahlen.

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3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein qualifiziertes Arbeits-zeugnis zu erstellen.
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Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte und fristgemäß begründete Berufung der Beklagten. Die Beklagte hat im Berufungsrechtszug den Zeugnisanspruch anerkannt, verfolgt jedoch im Übrigen ihr Begehren unverändert fort. Sie hat sich im Berufungsrechtszug nunmehr förmlich mit der Aufrechnung wegen ihr zustehender Zahlungsansprüchen gegen die Klägerin gegen die klägerischen Zahlungsansprüche gewehrt und – teilweise vorsorglich – insoweit auch Widerklage erhoben.

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Die Beklagte vertritt nach wie vor die Auffassung, es habe ein wichtiger Grund zur Kündigung vorgelegen. Die Klägerin habe beharrlich ihre Arbeitsleistung verweigert. Außerdem sei durch die Vorgänge das für die Arbeit im Privathaushalt und in den Kanzleiräumen unbedingt notwendige Vertrauen in die Redlichkeit der Arbeitnehmerin zerstört worden, was die Kündigung unausweichlich gemacht habe.

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Die Arbeitsverweigerung sei beharrlich. Das ergebe sich zum einen daraus, dass der Ehemann der Beklagten in einem Telefonat mit der Klägerin am Donnerstag (28. November 2013) diese wegen ihrer Arbeitsverweigerung abgemahnt hatte. Im Ein-zelnen hätte ihr Mann der Klägerin wegen der Benzinprobleme angeboten, an diesem Tag in der Kanzlei zu arbeiten und dafür am Folgetag in U.. Dabei hätte er ihr auch angeboten, dass sie Geld für die Fahrt nach U. erhalten werde, wenn sie in der Kanzlei erscheine. Da die Klägerin die Aufnahme dieser Arbeit abgelehnt habe, sei sie mündlich am Telefon durch den Ehemann unter Kündigungsandrohung abgemahnt worden.

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Das Arbeitsgericht habe die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung verurteilt. Die Klägerin habe ihre Reinigungsleistungen durchweg nur fehlerhaft erbracht, was eine Lohn-minderung im Umfang von 25 Prozent der versprochenen Vergütung rechtfertige. Demnach sei die Klägerin schon aus diesem Gesichtspunkt überzahlt.

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Außerdem stünden der Beklagten aus dem Arbeitsverhältnis aus zwei weiteren Gesichtspunkten in erheblichem Umfang Gegenansprüche zu.

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Zum einen müsse die Klägerin das erhaltene Fahrtgeld zurückerstatten, da sie sich dieses ohne rechtsgeschäftliche Grundlage und ohne entsprechenden Fahrtaufwand von der Beklagten erschlichen habe. Die Beklagte habe erst im Zuge von Neuan-schaffungen im Hardwarebereich in der Kanzlei im November 2014 zufällig entdeckt, dass sich die Klägerin jahrelang hat Fahrtgeld auszahlen lassen. Dazu habe es weder eine Absprache gegeben, noch seien die auf den Belegen angegebenen Fahrten tatsächlich durchgeführt worden. Die Beklagte errechnet sich auf diese Weise einen Anspruch gegen die Klägerin in Höhe von 5.705,49 EUR (wegen des Rechenwerkes wird auf Seite 3 f des Beklagtenschriftsatzes vom 22. März 2015, hier Blatt 168 f, und auf die dazugehörende Anlage B 1, hier Blatt 174 ff, Bezug genommen).

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Mit dem Rückzahlungsanspruch wegen der unberechtigten Auszahlung der Fahrt-kosten in Höhe von 5.705,49 EUR hat die Beklagte Aufrechnung gegen die vom Arbeitsgericht titulierten Zahlungsansprüche der Klägerin erklärt und sie will – so die Erläuterung ihrer Antragstellung zu Ziffer 2 und 3 in der mündlichen Verhandlung – sofern die Aufrechnung scheitert oder jedenfalls hinsichtlich eines eventuell über-schießenden Restbetrag ihres Anspruchs nach Aufrechnung, diesen dann im Wege der Widerklage verfolgen.

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Zum anderen sei die Klägerin aus dem sozialversicherungsfrei abgerechneten Arbeits-verhältnis rechtsgrundlos bereichert. Denn nach dem Gesetz hätte man beide Arbeits-verhältnisse einheitlich betrachten müssen. Wenn man beide Arbeitsverhältnisse gemeinsam betrachtet, hätte das gesamte erzielte Einkommen der Klägerin in Höhe von 1.142,00 EUR brutto der Sozialversicherungspflicht und dem Lohnsteuerabzug unterlegen. Dadurch wäre der Klägerin monatlich weniger Nettoentgelt zugeflossen. In Höhe des tatsächlichen monatlichen Zuflusses und des geringeren Zuflusses bei gesetzmäßiger Abrechnung sei die Klägerin ungerechtfertigt bereichert. Daraus resultiere die Pflicht der Klägerin, an die Beklagte 5.564,60 EUR zu zahlen (wegen des dazugehörenden Rechenwerkes wird auf Seiten 4 ff des Beklagtenschriftsatzes vom 22. März 2015, hier Blatt 169 ff und auf die dazugehörende Anlage B 2, hier Blatt 177 Bezug genommen). Dieser Betrag wird mit dem Antrag zu 4 im Wege der unbedingten Widerklage geltend gemacht.

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Hilfsweise beruft sich die Beklagte zur Verteidigung gegen die klägerischen Zahlungs-ansprüche darauf, dass die Klägerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (Arbeitslosengeld 2) bezogen habe und sie daher nicht mehr in vollem Umfang Gläu-bigerin der hier eingeklagten Zahlungsansprüche sein könne. Die Beklagte bezieht sich insoweit auf das Anschreiben des Jobcenter A-Stadt vom 6. Dezember 2013 (Kopie ist von der Beklagten in der Güteverhandlung vom 20. Januar 2014 zur Akte gereicht worden, hier Blatt 25), wo auf den Leistungsbezug der Klägerin und den möglichen Anspruchsübergang hinsichtlich der Vergütungsansprüche aufmerksam gemacht wird.

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Die Beklagte beantragt sinngemäß,

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1. unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Klage abzu-weisen;
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2. hilfsweise – für den Fall der Unzulässigkeit der Aufrechnung – die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 5.705,49 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
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3. hilfsweise – für den Fall der Begründetheit der Zahlungsklage und der Zulässigkeit der Aufrechnung – die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 2.986,85 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
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4. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 5.564,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basis-zinssatz der Deutschen Bundesbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Klägerin beantragt,

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1. die Berufung zurückzuweisen;

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2. die Widerklage vollumfänglich abzuweisen.

38

Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Zutreffend habe das Arbeitsgericht dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben. Ein wichtiger Grund zur Kündigung habe nicht bestanden. Die Klägerin, die mit ihrem Ehemann in beschei-denen Verhältnissen lebe, sei aufgrund der über mehrere Monate ausgebliebenen Vergütungszahlungen nicht mehr in der Lage gewesen, von A-Stadt zum Privathaushalt der Beklagten in U. zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung zu fahren. Zudem habe ihr in Anbetracht der aufgelaufenen erheblichen Zahlungsrückstände auch ein Zurückbehaltungsrecht an ihrer Arbeitsleistung zugestanden. – Selbst wenn man davon ausgehen müsse, dass die Klägerin ihr Zurückbehaltungsrecht nicht ordnungsgemäß ausgeübt habe, bleibe die Kündigung unwirksam, denn angesichts der Umstände hätte ihr ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden, so dass ihre Arbeits-verweigerung nicht als beharrlich bezeichnet werden könne.

39

Eine Abmahnung habe es im Vorfeld der Kündigung nicht gegeben. Am 28. November 2013 habe es überhaupt kein Telefongespräch zwischen dem Ehemann der Beklagten und der Klägerin gegeben. Vielmehr habe allein die Beklagte selbst am Nachmittag dieses Tages die Klägerin angerufen und zur Rede gestellt, warum sich diese nicht direkt bei der Beklagten in der Kanzlei gemeldet habe. Darüber hinaus habe die Beklagte die Klägerin aufgefordert, am Freitag in den Kanzleiräumen der Beklagten zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu erscheinen. Am darauffolgenden Freitag, den 29. November 2013 habe die Klägerin dann um 8:00 Uhr in der Kanzlei der Beklagten angerufen und dort mitgeteilt, dass sie nicht in die Kanzlei kommen werde und auch nicht bereit sei, ohne vorherige anwaltliche Beratung dort einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben.

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Wegen des nahen zeitlichen Zusammenhangs geht die Klägerin davon aus, dass die Kündigung wegen der Weigerung, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen, ausge-sprochen wurde und nicht wegen angeblich beharrlicher Arbeitsverweigerung.

41

Die Entgeltansprüche für den Streitzeitraum August bis November 2013 seien im eingeklagten Umfang entstanden und sie seien einredefrei. Die Beklagte könne nicht damit durchdringen, der Vergütungsanspruch sei aufgrund vermeintlicher Schlecht-leistungen bei der Arbeitsausführung durch die Klägerin nicht gegeben. Vielmehr habe die Klägerin ihre Tätigkeit jahrelang ordnungsgemäß und auch ohne Beanstandungen für die Beklagte erbracht.

42

Die behaupteten Gegenansprüche seien nicht schlüssig vorgetragen. Es könne offen-bleiben, ob es dem Gesetz entsprochen hat, beide Arbeitsverhältnisse getrennt zu betrachten und abzurechnen, denn jedenfalls liege auf Seiten der Klägerin keine ungerechtfertigte Bereicherung vor. Die Beklagte schulde den Bruttolohn und habe tatsächlich auch nie mehr als den vereinbarten Bruttolohn durch Zahlung an sie, an das Finanzamt und an die Krankenkasse als Einzugsstelle zur Auszahlung gebracht.

43

Zu der lange Jahre beanstandungslos geübten Praxis der Fahrtkostenerstattung habe es selbstverständlich eine Absprache der Parteien gegeben. Mit dem Umzug des Privathaushalts der Beklagten und ihres Mannes nach U. habe sich die Kalkula-tionsgrundlage für das Arbeitsverhältnis für die Klägerin verändert und es habe darauf-hin Vertragsgespräche gegeben, die damit endeten, dass man sich auf die Zahlung von Aufwendungsersatz im Umfang von monatlich um die 50,00 EUR geeinigt habe. Im Übrigen seien die auf den Belegen aufgeführten Fahrten – soweit sie sich noch an Einzelheiten erinnern könne – von ihr auch tatsächlich durchgeführt worden, so dass der gezahlte Aufwendungsersatz längst nicht alle ihr erwachsenen Aufwendungen durch Autofahrten abgedeckt habe.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags im Berufungsrechtszug wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung und die Widerklage sind nicht begründet.

I.

46

Das Arbeitsgericht hat den Kündigungsrechtsstreit richtig entschieden. Auf die zu-treffenden Ausführungen wird ausdrücklich Bezug genommen, das Berufungsgericht macht sie sich zu Eigen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt eine andere Entschei-dung nicht.

1.

47

Das Arbeitsgericht hat ausgehend von der ständigen Rechtsprechung des Bundes-arbeitsgerichts gemeint, eine beharrliche Arbeitsverweigerung des Arbeitnehmers stelle in aller Regel einen wichtigen Grund zur Kündigung im Sinne von § 626 BGB dar (vgl. nur BAG 9. Mai 1996 – 2 AZR 387/95 – AP Nr. 5 zu § 273 BGB = DB 1996, 2337).

48

Im vorliegenden Fall könne jedoch keine beharrliche Arbeitsverweigerung festgestellt werden, denn die Klägerin habe mit der SMS vom 28. November 2013 von ihrem Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB wegen der rückständigen Zahlungen Gebrauch gemacht. Auch insoweit hat das Arbeitsgericht zutreffend seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Grunde gelegt. Eine beharrliche Arbeitsverweigerung als wichtiger Kündigungsgrund im Sinne des § 626 BGB liegt danach nicht vor, wenn der Arbeitnehmer zu Recht ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht hat (BAG aaO mit weiteren Nachweisen zu älteren Rechtsprechung).

49

Das Arbeitsgericht hat diese Rechtsprechung auch zutreffend auf den vorliegenden Fall angewendet. Es hat angenommen, die Klägerin habe mit der SMS und dem Hinweis auf das fehlende Geld für die Betankung ihres Autos ihr Zurückbehaltungs-recht wegen der rückständigen Zahlungen insgesamt in Anspruch genommen. Die Rückstände hätten das Entgelt mehrerer Monate umfasst und sie seien daher erheb-lich gewesen, die Klägerin sei daher berechtigt gewesen, ihre weitere Arbeit bis zur Begleichung der offenen Forderungen zurückzuhalten. Diesem Standpunkt schließt sich das Berufungsgericht an. Die klägerische Äußerung, ihr fehle das Geld für die Betankung ihres Autos, ist bei lebensnaher Betrachtung über den reinen Wortlaut hinaus als Erklärung anzusehen, die Arbeit erst wieder aufzunehmen, wenn die Zahlungsrückstände ausgeglichen sind.

50

Die Klägerin kann nicht darauf verwiesen werden, sie hätte der Beklagten durch das Setzen einer Ankündigungsfrist die Chance einräumen müssen, die Probleme vor der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts zu beheben. Zum einen war die Klägerin aufgrund der fehlenden Geldmittel gar nicht in der Lage, die Leistungsverweigerung mit einer Ankündigungsfrist zu versehen und zum anderen zeigt der weitere Verlauf des Geschehens, dass der Beklagten zumindest der Wille gefehlt hat, die Zahlungen überhaupt vorzunehmen.

2.

51

Das Berufungsgericht stützt seine Entscheidung zusätzlich noch auf einen weiteren Gesichtspunkt. Unzweifelhaft wäre die Klägerin aufgrund der erheblichen Zahlungs-rückstände der Beklagten berechtigt gewesen, Ende November 2013 von ihrem Recht auf Ausübung des Zurückbehaltungsrechts Gebrauch zu machen. Wenn die Klägerin in dieser Situation nicht mehr bereit ist, auf die Wünsche der Arbeitgeberin einzugehen und unter Bezahlung eines kleinen Bruchteils der offenen Summe die Arbeit aufzu-nehmen, kann darin keine beharrliche Arbeitsverweigerung erblickt werden. Die fehlen-de Bereitschaft, die Arbeitspflicht zu erfüllen, hängt erkennbar mit den rückständigen Lohnzahlungen zusammen. Darauf muss die Beklagte, die diese Situation selbst verschuldet hat, Rücksicht nehmen. Sie hätte der Klägerin daher zumindest einen tragfähigen Vorschlag zur Beseitigung der Zahlungsprobleme unterbreiten müssen, bevor sie von der Klägerin wieder die unbedingte Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten fordern konnte.

52

Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht auf die streitig gebliebene Frage an, ob der Ehemann der Beklagten die Klägerin noch am 28. November 2013 fernmündlich wegen der Arbeitsverweigerung wirksam abgemahnt hat. Da die Klägerin Ende November 2013 an sich berechtigt gewesen wäre, von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch zu machen, könnte ihre Arbeitsverweigerung nur dann als beharrlich ange-sehen werden, wenn sie diese trotz eines Plans zur Behebung der Zahlungsrückstände weiter aufrechterhalten hätte. Davon kann hier aber keine Rede sein.

3.

53

Im Übrigen war der Klägerin der Antritt der Arbeit am Folgetag (29. November 2013) in der Kanzlei der Beklagten auch unzumutbar. Beide Parteien gehen davon aus, dass es der Wunsch der Beklagten war, den gesamten Konflikt, der durch die Arbeitsverwei-gerung der Klägerin seinen Höhepunkt gefunden hatte, durch einen Aufhebungsvertrag zu lösen, mit dem nicht nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses besiegelt werden sollte, sondern auch alle weiteren wechselseitig möglicherweise bestehenden Forde-rungen zum Ausgleich gebracht werden sollten.

54

Es ist für das Gericht aufgrund des Kennenlernens der Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nachvollziehbar, dass die Klägerin die Sorge hatte, man werde ihr Erscheinen in den Kanzleiräumen dazu nutzen, sie zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu überreden. Die Klägerin war und ist zwar wohl nicht abgeneigt, einen solchen Vertrag abzuschließen, sie wollte jedoch seinerzeit unter keinen Umständen zu einer Unterschrift überredet werden können, ohne die Gelegenheit gehabt zu haben, den vorgeschlagenen Text anwaltlich überprüfen zu lassen.

55

Es kann zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Sorgen der Klägerin objektiv nicht berechtigt waren, weil die Beklagte gar nicht vorhatte, die Klägerin zu einem sofortigen Abschluss eines Aufhebungsvertrages ohne Bedenkzeit und Beratungsmöglichkeit zu überreden. Bei der Bewertung der Arbeitsverweigerung der Klägerin am 29. November 2013 muss jedoch diese klägerische Angst vor der Durchsetzungskraft und dem Durchsetzungswillen der Beklagten mitberücksichtigt werden. Dadurch verliert die Arbeitsverweigerung an diesem Tage zumindest das Merkmal der Beharrlichkeit.

4.

56

Die Kündigung kann schließlich nicht – wie von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung begehrt – auf die Strafanzeige gestützt werden, die die Klägerin wohl im Dezember 2013 aber jedenfalls erst nach Ausspruch der hier streitigen Kündigung gegen die Beklagte erstattet hat.

57

Für diese Feststellung kann dahinstehen, ob der mit der Strafanzeige erhobene Vor-wurf, die Beklagte habe versucht, der Klägerin einen Aufhebungsvertrag abzunötigen, erwiesen ist oder jedenfalls berechtigt erhoben werden durfte, denn eine Kündigung kann sich nur auf Umstände stützen, die sich zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bereits ereignet haben.

II.

58

Der Klägerin stehen auch die Zahlungsansprüche im zugesprochenen Umfang zu. Insoweit ist die Berufung ebenfalls nicht begründet.

59

Die Beklagte ist verpflichtet, die geltend gemachte rückständige Vergütung für die Monate August und September 2013 in Höhe von 1.218,64 EUR netto sowie aus Oktober und November 2013 in Höhe weiterer 2.284,00 EUR brutto zu zahlen.

1.

60

Der Zahlungsanspruch ist nach § 611 BGB in Verbindung mit den Arbeitsverträgen der Parteien durch die Arbeitsleistung der Klägerin im Streitzeitraum in der geltend ge-machten Höhe entstanden. Eine Kürzung des Anspruchs wegen angeblicher Schlecht-leistungen der Klägerin scheidet aus. Zutreffend hat das Arbeitsgericht schon darauf hingewiesen, dass dem Arbeitgeber bei Leistungsmängeln des Arbeitnehmers kein Minderungsrecht zusteht. Dieser Standpunkt wird vom Berufungsgericht geteilt.

61

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte keine Tatsachen vorgetragen hat, die dem Gericht erlauben würden, den Schluss zu ziehen, die Klägerin habe ihre Arbeit schlecht erbracht. Die Klägerin hat den pauschalen Vortrag der Beklagten zu den Indizien für die Schlechtleistung der Klägerin bestritten, so dass es nun an der Beklag-ten gewesen wäre, weitere Einzelheiten vorzutragen. Entsprechender Sachvortrag fehlt. Eine Einvernahme der angebotenen Zeugen scheidet aus, da es sich um einen Ausforschungsbeweise handeln würde.

62

Einzig greifbar ist der Vorwurf, vor dem Gebäude, in dem sich die Anwaltskanzlei befindet, sei die straßenseitig gelegene Grünfläche nicht gesäubert und nicht gepflegt worden. Es kann zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Grünfläche tatsächlich nicht gesäubert und gepflegt worden ist und dass es zu den Pflichten der Klägerin gehört hätte, sich darum zu kümmern. Daraus ergibt sich jedoch noch kein Vorwurf der Schlechtleistung. Das hätte zusätzlich mindestens vorausgesetzt, dass die Beklagte vorträgt, sie hätte die Klägerin auf den Mangel hingewiesen und sie hätte es dennoch unterlassen, sich um dieses Arbeitsfeld (besser) zu kümmern. An einem derartigen Vortrag fehlt es jedoch, obwohl schon das Arbeitsgericht in seinem Urteil darauf abgestellt hat, dass ein Arbeitnehmer keinen Erfolg schulde, sondern nur eine Dienstleistung mittlerer Art und Güte; zum Vorwurf der Schlechtleistung müsse der Arbeitgeber daher den Nachweis führen, dass der Arbeitnehmer nicht unter Aus-schöpfung seiner individuellen Leistungsfähigkeit gearbeitet habe.

2.

63

Der Anspruch ist nicht teilweise durch Erfüllung untergegangen.

64

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsteht für den Arbeitgeber mit der Abführung von Steuern und Beiträgen für den Arbeitnehmer ein spezieller Erfül-lungseinwand gegenüber der Bruttolohnforderung des Arbeitnehmers (BAG 30. April 2008 - 5 AZR 725/07 - BAGE 126, 325 = AP Nr. 4 zu § 28g SGB IV = DB 2008, 2600). Dieser kann nicht erst dann geltend gemacht werden, wenn der Arbeitgeber die Steuern und Beiträge tatsächlich abgeführt hat, sondern bereits dann, wenn er die Beträge zur Abführung beim Finanzamt und der Krankenkasse als Einzugsstelle angemeldet hat (BAG aaO).

65

Die Beklagte hat die Voraussetzungen dieses Erfüllungseinwandes nicht dargelegt.

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a) Mit Rücksicht auf die zitierte Rechtsprechung hat die Klägerin für die von der Beklagten abgerechneten Monate August und September 2013 lediglich den von der Beklagten aufgrund der Abrechnungen sich ergebenden Nettolohn eingeklagt. Sie hat damit indirekt anerkannt, dass die Beklagte wie abgerechnet Lohnsteuer und Sozial-versicherung abgeführt hat.

67

b) Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass die von ihr selbst gefertigten Abrechnungen für die Monate August und September 2013 fehlerhaft sind. Denn zumindest bezüglich des Beitragsabzugs in der Krankenversicherung, der Pflegever-sicherung und der Rentenversicherung ist von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis der Parteien bestehend aus den beiden Arbeitsverträgen auszugehen. Auch nach der Neuregelung der Versicherungsfreiheit von geringfügigen Beschäftigungen zum 1. April 2003 gelten alle von einem Beschäftigten bei demselben Arbeitgeber ausgeübten Beschäftigungen als einheitliche Beschäftigung im Sinne von § 8 SGB IV, so dass neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber keine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung besteht (BSG 27. Juni 2012 - B 12 KR 28/10 R - SozR 4-2400 § 8 Nr. 5 = USK 2012-180).

68

Die Beklagte hätte also ihre Abrechnung auf Basis eines Gesamtbruttoeinkommens in Höhe von 1.142,00 EUR für die Monate August und September 2013 vornehmen müssen. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Klägerin in diesen Monaten bei korrekter Abrechnung weniger Nettoentgelt zugeflossen wäre, als die Summe aus den ausgezahlten 392,00 EUR aus der scheinbar geringfügigen Beschäftigung und den 609,32 EUR netto, die sie für jeden der hier streitigen beiden Monate hier einklagt.

69

c) Ein Erfüllungseinwand ergibt sich daraus jedoch für die Beklagte nicht. Denn dieser Abrechnungsfehler der Beklagten wirkt sich nicht unmittelbar auf die Nettoent-geltansprüche der Klägerin aus.

70

Zum einen ist zu beachten, dass die Sozialversicherungspflicht aufgrund der ausdrück-lichen Regelung in § 8 Absatz 2 Satz 3 SGB IV erst zu dem Zeitpunkt entsteht, zu dem die zuständige Behörde feststellt, dass die Voraussetzungen für eine geringfügige Beschäftigung nicht (mehr) vorliegen (vgl. dazu ebenfalls BSG 27. Juni 2012 aaO). Vorliegend ist nicht vorgetragen, dass die zuständige Behörde bereits einen dahin-gehenden Feststellungsbescheid erlassen hat.

71

Zum anderen ist zu beachten, dass die Erfüllungseinrede nur dann erhoben werden kann, wenn der Arbeitgeber die zusätzlich zu zahlenden Beiträge zumindest zum Abzug bei der Krankenkasse als Einzugsstelle angemeldet hat. Um eine dahingehende Feststellung zu treffen, fehlt es an geeignetem Sachvortrag der Beklagten.

3.

72

Die Klägerin ist auch heute noch Inhaberin ihrer Zahlungsforderung. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Anspruch jedenfalls teilweise auf das Jobcenter übergegangen ist.

73

Es ist zwar richtig, dass ein unerfüllter Anspruch auf Arbeitsentgelt vom Arbeitnehmer auf das Jobcenter übergeht, wenn dieses wegen des Verdienstausfalls seinerseits Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (Arbeitslosengeld 2) erbringt (§ 115 SGB X). Davon kann vorliegend für die streitigen Monate August bis November 2013 allerdings nicht ausgegangen werden.

74

Es trifft auch zu, dass sich die Klägerin im Rechtsstreit bedauerlicherweise nur sehr zurückhaltend zu den Einzelheiten ihres Leistungsbezugs nach dem Sozialgesetzbuch II geäußert hat. Aus den Umständen kann allerdings geschlossen werden, dass die Klägerin nicht vor Ausspruch der Kündigung Leistungen aus dem Sozialgesetzbuch II erhalten hat. Das ergibt sich für das Gericht zum einen aus dem zeitlichen Ablauf des Ausspruchs der Kündigung Ende November 2013 und dem nachfolgenden Schreiben des Jobcenters vom 6. Dezember 2013 (hier Blatt 25). Insoweit darf das Gericht davon ausgehen, dass das Jobcenter dieses Schreiben zeitnah zur Leistungsgewährung an die Klägerin versandt hat.

75

Wäre die Klägerin wegen der Zahlungsrückstände schon länger im Leistungsbezug gewesen, hätte die Beklagte schon früher ein entsprechendes Schreiben erhalten. Zum anderen schließt das Gericht diese zeitliche Abfolge der Ereignisse aus der akuten Geldnot der Klägerin zum Ende November 2013, als das Geld nicht einmal mehr zur Betankung des Autos gereicht hatte. Hätte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt schon im Leistungsbezug gestanden, wäre es nicht zu dieser Geldknappheit gekommen.

76

Da die Klägerin allein die Zahlungsansprüche gerichtlich geltend gemacht hat, die sich auf die Zeit vor Ausspruch der Kündigung beziehen, kann es bezüglich dieser Ansprüche nicht zu einem Anspruchsübergang auf das Jobcenter gekommen sein.

4.

77

Der klägerische Zahlungsanspruch ist auch nicht durch Aufrechnung untergegangen.

78

a) Die Aufrechnung ist schon unzulässig, soweit damit die Bruttolohnforderungen der Klägerin aus Oktober und November 2013 in Höhe von 2.284,00 EUR zum Unter-gang gebracht werden sollten.

79

Gegen Bruttolohnforderungen des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber nicht mit Gegenansprüchen aufrechnen, es sei denn die Höhe der Abzüge ist bekannt. Aufge-rechnet werden kann nur gegen Nettolohnforderungen des Arbeitnehmers. Denn andernfalls wäre nicht klar, in welcher Höhe das Gericht über die Gegenforderung entschieden hat. Nach § 322 Absatz 2 ZPO ist "die Entscheidung, dass die Gegen-forderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig".

80

Der Umfang der Rechtskraft darf aber nicht unklar bleiben. Auch wenn die Klage aufgrund der Aufrechnung abgewiesen werden soll, muss feststehen, in welcher Höhe die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung erloschen ist (BAG 16. März 1994 - 5 AZR 411/92 - und BAG 13. November 1980 - 5 AZR 572/78; so auch BAG 5. Dezem-ber 2002 - 6 AZR 569/01 - AP Nr. 32 zu § 394 BGB = NJW 2003, 2189 = NZA 2003, 802 für den umgekehrten Fall, dass der Arbeitnehmer seine Bruttolohnforderung gegen eine Arbeitgeberforderung zur Aufrechnung stellt; vgl. auch LAG Mecklenburg-Vor-pommern 14. April 2015 - 2 Sa 85/14; LAG Mecklenburg-Vorpommern 30. August 2011 - 5 Sa 11/11).

81

Vorliegend steht nicht fest, welcher Nettolohnanspruch sich aus den klägerischen Bruttoforderungen für die Monate Oktober und November 2013 ergibt. Insbesondere ist es nicht möglich, vergleichend auf die älteren Abrechnungen abzustellen, da inzwi-schen beide Seiten davon ausgehen, dass eine getrennte Abrechnung beider Arbeits-verhältnisse in Angesicht des Gesetzes nicht möglich ist. Welcher Nettobetrag sich allerdings bei einer einheitlichen Abrechnung des einheitlichen Bruttolohnanspruchs in Höhe von 1.142,00 EUR ergibt, ist nicht mitgeteilt.

82

b) Die Aufrechnung ist unbegründet, soweit die Beklagte damit versucht hat, die Nettolohnforderungen aus August und September 2013 zum Untergang zu bringen. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagten der geltend gemachten Gegenanspruch wegen Erschleichens von Fahrtkostenerstattung gegen die Klägerin zusteht.

83

Es kann dahinstehen, ob man den Anspruch darauf gründet, dass die Klägerin die Beklagte angeblich deliktisch hintergangen hat, um die Auszahlungen vermittels der Büroleiterin der Kanzlei zu bewirken, oder ob man ihn darauf gründet, dass die Klägerin an das Geld der Beklagten ohne ausreichenden rechtlichen Grund gelangt ist, denn beide Ansprüche scheitern daran, dass das Gericht unter Zugrundelegung der anerkannten Regeln der Darlegungs- und Beweislast davon ausgehen muss, dass die Fahrtkostenzahlungen, die die Beklagte über all die Jahre an die Klägerin geleistet hat, auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erfolgt sind.

84

Die Beklagte gründet ihren Gegenanspruch im Kern auf die Behauptung, es gebe für die streitige Zahlung von Fahrtkostenersatz an die Klägerin keine rechtsgeschäftliche Grundlage. Das ist eine sogenannte negative Tatsachenbehauptung, die naturgemäß einem direkten Beweis nicht zugänglich ist, und die daher zunächst als schlüssiger Parteivortrag genügt. Aufgabe der nicht beweisbelasteten Gegenseite – hier der Klägerin – ist es nun, durch Schilderung weiterer Tatsachen, die negative Behauptung ("kein Rechtsgeschäft") in Frage zu stellen.

85

Dem ist die Klägerin vorliegend nachgekommen, indem sie geschildert hat, die Absprache zu den Fahrtkosten sei in Zusammenhang mit der Verlegung des Wohn-sitzes der Beklagten und ihres Mannes nach U. außerhalb N. im Jahre 2004 entstanden und sei seit dieser Zeit auch so praktiziert worden. Das ist schlüssiger Vortrag zu einer rechtsgeschäftlichen Absprache, der zusätzlich durch die tatsächliche Handhabung über die Jahre indirekt bestätigt wird. Es wäre nun an der beweisbelasteten Beklagten gewesen, diesen Sachvortrag zu entkräften. Das ist nicht geschehen. Die Äußerungen der Beklagten zu den von der Klägerin geschilderten Umständen erschöpfen sich im Bestreiten mit Nichtwissen. Das kann vorliegend nicht ausreichen, da es in der Darlegungs- und Beweislast der Beklagten liegt, ihren Anspruch, der das Fehlen einer rechtsgeschäftlichen Grundlage voraussetzt, zu begründen.

86

Das Gericht möchte betonen, dass es seine Entscheidung nicht darauf gründet, dass es den Parteivortrag der Klägerin zu der rechtsgeschäftlichen Absprache als erwiesen ansieht. Die Entscheidung beruht vielmehr darauf, dass das Gericht den klägerischen Vortrag wegen des objektiven Anknüpfungspunktes (Wohnsitzwechsel) und wegen der detaillierten Schilderung der Absprache einschließlich einer späteren Nachsteuerung der Absprache (Deckelung bei 50,00 EUR monatlich) für plausibel hält und die Beklagte dem trotz längerer Erörterung dieses Aspekts im Rahmen der mündlichen Verhandlung nur unzureichend entgegengetreten ist. Rechtstechnisch handelt es sich um eine non-liquet-Entscheidung des Gerichts.

87

Auf die mit großer Sorgfalt vorgetragene Unkenntnis der Beklagten von den jahre-langen Zahlungen kommt es dafür nicht entscheidend an. Die jahrelangen tatsäch-lichen Auszahlungen an die Klägerin in Höhe von um die 50,00 EUR monatlich verstärken lediglich die Indizkraft der Kernaussage der Klägerin, es habe eine aus-drückliche mündliche rechtsgeschäftliche Absprache dazu gegeben. Auch wenn man überhaupt nicht auf dieses verstärkende Sachverhaltselement abstellen würde, bleibt es dabei, dass sich die Beklagte mit der klägerischen Kernaussage nicht substantiiert auseinandergesetzt und sie schon gar nicht widerlegt hat.

88

Im Übrigen nimmt es das Gericht der Beklagten nicht ab, dass sie von den jahrelangen Zahlungen nichts gewusst haben will. Der Vortrag zu der versteckten Datei, die man zufällig im November 2014 beim Bereinigen der Festplatte gefunden haben will, verdunkelt den entscheidenden Sachverhalt lediglich. Denn offensichtlich sind die Belege über die Fahrkosten offiziell in die Buchhaltung der Kanzlei der Beklagten eingepflegt worden, was sich indirekt daraus ergibt, dass die Beklagte zum Nachweis der Zahlungen an die Klägerin zum Schluss sogar DATEV-Auszüge aus der Kanzlei-buchhaltung zur Akte gereicht hat (Anlage B 3 zum Schriftsatz vom 28. Juni 2015, hier Blatt 217 ff). Die Zahlungen sind danach sogar auf einem eigenen Buchhaltungskonto ("Konto 4668 Kilometergelderstattung Arbeitnehmer") verbucht worden. Es ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, wie es der Beklagten bei einer kumulierten Buchung auf diesem Konto entgangen sein soll, dass der Klägerin über das Entgelt hinaus weitere erhebliche Beträge zugeflossen sind.

89

Im Rahmen der Aufrechnung gegen die Nettoentgeltansprüche der Klägerin für August und September 2013 in Höhe von 1.218,64 EUR hat das Gericht daher den zur Auf-rechnung gestellten Gegenanspruch wegen des unberechtigten Bezugs von Fahrt-kostenerstattung in eben diesem Umfang für unbegründet erachtet.

III.

90

Die Berufung ist auch nicht begründet, soweit das Arbeitsgericht die Beklagte zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses verurteilt hat. Eine nähere Erörterung dieses Streitgegenstandes ist entbehrlich, da die Beklagte den Anspruch in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht anerkannt hat.

IV.

91

Die im Berufungsrechtszug erhobene Widerklage ist unbegründet.

1.

92

Mit den Berufungsanträgen zu 2 und 3 verfolgt die Beklagte den soeben behandelten Anspruch gegen die Klägerin wegen des unberechtigten Bezugs von Fahrtkosten-erstattung im Wege der Widerklage weiter, soweit darüber noch nicht im Rahmen der Aufrechnung gegen die klägerischen Ansprüche in der Sache entschieden worden ist.

93

Die gesamte Forderung beziffert die Beklagte auf 5.709,49 EUR. Davon hat das Gericht im Rahmen der Aufrechnung bereits einen Teilbetrag in Höhe von 1.218,64 EUR als unbegründet erachtet, so dass im Rahmen der Widerklage noch der übrige Betrag in Höhe von 4.490,85 EUR zur Entscheidung ansteht.

94

Die Widerklage ist insoweit unbegründet. Der Beklagten ist es nicht gelungen, den Anspruch schlüssig vorzutragen. Insbesondere ist ihre Behauptung, die Zahlungen seien ohne rechtsgeschäftliche Grundlage erfolgt, angesichts des Gegenvortrages der Klägerin nur unzureichend substantiiert vorgetragen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten kann auf die vorstehenden Ausführungen zur Aufrechnung verweisen werden.

2.

95

Der mit dem Berufungsantrag zu 2 verfolgte weitere Widerklageanspruch ist ebenfalls nicht begründet. Hier verlangt die Beklagte von der Klägerin die Zahlung von 5.564,60 EUR, weil sie in dieser Höhe von der Beklagten wegen der nicht dem Gesetz ent-sprechenden getrennten Abrechnung der beiden Arbeitsverhältnisse zu viel Netto-entgelt ausgezahlt bekommen hätte.

96

Der Anspruch der Beklagten ist nicht schlüssig dargelegt. Die Beklagte beruft sich als Anspruchsgrundlage auf eine sogenannte ungerechtfertigte Bereicherung der Klägerin im Sinne von § 812 BGB. Eine ungerechtfertigte Bereicherung der Klägerin würde aber voraussetzen, dass die Beklagte mehr Entgelt gezahlt hat, als sie angesichts des Arbeitsvertrages der Klägerin schuldet. Das kann nicht festgestellt werden.

97

Der Lohnanspruch des Arbeitnehmers bezieht sich im Regelfall auf einen Bruttobetrag, den zu zahlen der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag verspricht. Betrachtet man die beiden Arbeitsverhältnisse gemeinsam, hat dieser monatliche Entgeltbetrag zuletzt 1.142,00 EUR betragen. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den 750,00 EUR für die Tätigkeit als Wirtschaftshelferin und den weiteren 392,00 EUR aus dem Vertrag als Haushaltshilfe. Auch der zuletzt genannte Betrag muss als ein Bruttobetrag angesehen werden, da sich aus dem Arbeitsvertrag aus dem Jahre 2010 nichts anderes ergibt (Anlage K 5, hier Blatt 13).

98

Die Schuld des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer besteht in der Begleichung des kompletten Bruttolohns (BAG 30. April 2008 - 5 AZR 725/07 - BAGE 126, 325 = AP Nr. 4 zu § 28g SGB IV = DB 2008, 2600 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Großer Senats des BAG vom 7. März 2001 – GS 1/00 – BAGE 97, 150 = AP Nr. 4 zu § 288 BGB = DB 2001, 2196). Bezogen auf diese Entgeltschuld kann eine Über-zahlung nicht festgestellt werden. Allenfalls hat die Beklagte das der Klägerin zuste-hende Bruttoentgelt falsch aufgeteilt, soweit sie - letztlich im Auftrag der Klägerin - Teile des klägerischen Entgelts an das Finanzamt und an die Krankenkasse als Ein-zugsstelle des dem klägerischen Entgelt zuordenbaren Anteils am Gesamtsozialver-sicherungsbeitrag abgeführt hat.

99

Rein gedanklich könnte man zwar annehmen, der Arbeitnehmer sei ungerechtfertigt bereichert, wenn der an ihn ausgezahlte Nettobetrag wegen einer zu geringen Abfüh-rung an die Sozialversicherung zu hoch ausgefallen ist. Einer Rückforderung dieser scheinbaren Überzahlung nach § 812 BGB steht aber § 28g SGB IV entgegen. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber zwar einen Anspruch gegen den Arbeitnehmer auf Tragung des von ihm zu zahlenden Anteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag
(§ 28g Satz 1 SGB IV). Er kann diesen Anspruch laut ausdrücklicher gesetzlicher Regelung aber nur im Wege des Abzugs vom Arbeitsentgelt geltend machen (§ 28g Satz 2 SGB IV) und zwar zeitlich begrenzt nur rückwirkend für maximal drei Zahlungs-perioden (§ 28g Satz 3 SGB IV). Damit scheidet eine Rückforderung ausgezahlten Nettoentgelts mit Rücksicht auf eine ungenügende Abführung von Sozialversiche-rungsbeiträgen auf Basis von § 812 BGB schon vom Ansatz her aus.

100

Die Beschränkung des Erstattungsanspruchs des Arbeitgebers auf das Lohnabzugs-verfahren und die Begrenzung der Nachholmöglichkeiten haben nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den Zweck, den Arbeitnehmer vor einer Aufhäufung der von ihm zu erstattenden Beitragsanteile und vor einer künftigen Erstattungsklage zu bewahren. Die im Interesse des Arbeitnehmers geschaffene Sozialversicherung soll nicht mit der sozial unerwünschten und den Gesetzeszweck beeinträchtigenden Begleiterscheinung der drückenden Beitragslast und der Beitrags-verschuldung des Arbeitnehmers sowie der daraus sich ergebenden Klage-, Voll-streckungs- und sonstigen Druckmöglichkeiten des Arbeitgebers verbunden sein (so ausdrücklich BAG 15. Dezember 1993 - 5 AZR 326/93 - BAGE 75, 225 = AP Nr. 9 zu §§ 394, 395 RVO = DB 1994, 889).

101

Die im Rahmen von § 28g SGB IV vorgesehen Ausnahmen von diesem Grundsatz sind vorliegend nicht erfüllt.

102

Etwas anders kann nach § 28g Satz 3 SGB IV gelten, wenn der Abzug im gesetzlich gebotenen Umfang ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, sich kundig zu machen, in welchem Umfang das Entgelt seiner Arbeitnehmer dem sozialversiche-rungsrechtlichen Abzug unterliegt. Daher deutet jede fehlerhafte Abführung auf ein Verschulden des Arbeitgebers hin.

103

Vorliegend sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die die Beklagte entlasten könnten. Der Hinweis auf die jahrelange falsche Behandlung durch die Steuerberaterin ist wenig hilfreich, denn deren Versagen müsste sich die Beklagte im Zweifel zurechnen lassen. Im Übrigen ist nicht mitgeteilt worden, über welche Detailkenntnisse von der tatsäch-lichen Durchführung der beiden Arbeitsverhältnisse die Steuerberaterin bei ihrer Bewertung der Verträge verfügt hat.

104

Eine weitere Ausnahme macht das Gesetz für den Fall, dass der Beschäftigte seinen Pflichten nach § 28o Absatz 1 SGB IV vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nach-kommt. Nach dieser Vorschrift hat der Beschäftigte – hier die Klägerin – dem Arbeit-geber die zur Durchführung des Meldeverfahrens und der Beitragszahlung erforder-lichen Angaben zu machen und, soweit erforderlich, Unterlagen vorzulegen; dies gilt bei mehreren Beschäftigungen sowie bei Bezug weiterer in der gesetzlichen Kranken-versicherung beitragspflichtiger Einnahmen gegenüber allen beteiligten Arbeitgebern.

105

Verstöße der Klägerin hiergegen sind nicht feststellbar. Da beide Arbeitsverhältnisse der Klägerin zur Beklagten bestanden, war diese zu jedem Zeitpunkt über alle Umstände unterrichtet, die sie zum korrekten Abzug der Sozialversicherungsbeiträge benötigt.

V.

106

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Dies beruht hinsichtlich der Berufung gegen das arbeitsgerichtliche Urteil darauf, dass das Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO). Hinsichtlich der Widerklage beruht die Rechtsfolge auf § 91 ZPO.

107

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 21. Juli 2015 - 2 Sa 140/14

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 21. Juli 2015 - 2 Sa 140/14

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 21. Juli 2015 - 2 Sa 140/14 zitiert 16 §§.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 812 Herausgabeanspruch


(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mi

Zivilprozessordnung - ZPO | § 322 Materielle Rechtskraft


(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. (2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, da

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 273 Zurückbehaltungsrecht


(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweiger

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 8 Geringfügige Beschäftigung und geringfügige selbständige Tätigkeit; Geringfügigkeitsgrenze


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Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 115 Ansprüche gegen den Arbeitgeber


(1) Soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe d

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 28g Beitragsabzug


Der Arbeitgeber und in den Fällen der nach § 7f Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben die Deutsche Rentenversicherung Bund hat gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu t

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Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 21. Juli 2015 - 2 Sa 140/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 14. Apr. 2015 - 2 Sa 85/14

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Tenor 1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 13. März 2014 zum Aktenzeichen 6 Ca 1621/13 teilweise wie folgt abgeändert. a) Der Kündigungsschutzantrag (Urteilstenor zu 1) wird abgewiesen; b) die Kl

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bei uns veröffentlicht am 27.06.2012

Tenor Auf die Revision der Beigeladenen zu 3. wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein- Westfalen vom 9. September 2010 aufgehoben, soweit es die Rentenversicherungspflicht der Beigeladen

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 30. Aug. 2011 - 5 Sa 11/11

bei uns veröffentlicht am 30.08.2011

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(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).

(2) Wer zur Herausgabe eines Gegenstands verpflichtet ist, hat das gleiche Recht, wenn ihm ein fälliger Anspruch wegen Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens zusteht, es sei denn, dass er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.

(3) Der Gläubiger kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden. Die Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Der Arbeitgeber und in den Fällen der nach § 7f Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben die Deutsche Rentenversicherung Bund hat gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Dieser Anspruch kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Beschäftigte seinen Pflichten nach § 28o Absatz 1 vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachkommt oder er den Gesamtsozialversicherungsbeitrag allein trägt oder solange der Beschäftigte nur Sachbezüge erhält.

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 3. wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein- Westfalen vom 9. September 2010 aufgehoben, soweit es die Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. betrifft. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14. Oktober 2008 wird insoweit zurückgewiesen.

Der Kläger und die Beklagte tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2285,37 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob die Beigeladene zu 1. als Betreuerin psychisch erkrankter Menschen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als Beschäftigte unterlag.

2

Die Beigeladene zu 1. war seit Januar 1990 bei dem klagenden Verein als Verwaltungsangestellte - seit 2005 wegen eines Studiums der Sozialarbeit im Umfang von 24 Wochenstunden - beschäftigt. Daneben unterstützte sie ab 1.9.2006 auf der Grundlage jeweils gesonderter Verträge mit dem Kläger "über die Übernahme einer eigenverantwortlichen Betreuung im Rahmen eines arbeitnehmerähnlichen Vertragsverhältnisses" psychisch kranke Menschen, die in einer betreuten Wohneinrichtung des Klägers lebten; die Vergütung hierfür überstieg regelmäßig nicht 400 Euro im Monat.

3

Auf Anfrage des Klägers stellte die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle mit Bescheid vom 7.12.2006 fest, dass die Beigeladene zu 1. auch in ihrer Tätigkeit als Betreuerin der Sozialversicherungspflicht als Beschäftigte des Klägers unterliege. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.1.2007 zurück.

4

Das SG hat die Klage abgewiesen, weil die Beigeladene zu 1. in ihrer weiteren Tätigkeit für den Kläger seit 1.9.2006 als Beschäftigte in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig sei (Urteil vom 14.10.2008). Nach Einlegung der Berufung durch den Kläger hat die Beklagte mit Bescheid vom 23.7.2009 unter Änderung des Ausgangsbescheides insoweit ergänzend die Feststellung der Versicherungspflicht in Bezug auf die Zweige der gesetzlichen Kranken-, sozialen Pflege-, gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung und deren Beginn ab 1.9.2006 konkretisiert. Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und unter Aufhebung der ergangenen Bescheide festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in der Zeit von September 2006 bis November 2009 in ihrer weiteren Tätigkeit nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei: Zwar sei die Beigeladene zu 1. in ihrer betreuenden Tätigkeit nicht selbstständig tätig, sondern beschäftigt gewesen; sie habe jedoch in dieser Beschäftigung nicht der Sozialversicherungspflicht unterlegen, weil sie als Betreuerin beim Kläger nur geringfügig iS von § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV beschäftigt und damit versicherungsfrei gewesen sei. Eine Zusammenrechnung der Entgelte aus beiden Beschäftigungen habe hier nicht gemäß § 8 Abs 2 S 1 SGB IV zu erfolgen. Entgegen der Auffassung der Beklagten und der älteren Rechtsprechung des BSG (BSGE 55, 1 = SozR 2200 § 168 Nr 7) sei eine weitere geringfügige Nebenbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber wegen des eindeutigen, deutlich von dem Wortlaut der bis zum 30.6.1977 geltenden Regelung des § 168 Abs 1 Nr 1 RVO abweichenden Wortlauts des § 8 Abs 2 S 1 SGB IV und der seit 1998 bestehenden Regelung über das Teilarbeitslosengeld sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung(BSGE 88, 180 = SozR 3-4300 § 150 Nr 1) nicht als einheitliche Beschäftigung anzusehen (Urteil vom 9.9.2010).

5

Mit seiner auf die Entscheidung des LSG zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung der Beigeladenen zu 1. beschränkten Revision rügt der zu 3. beigeladene Rentenversicherungsträger die Verletzung von § 1 S 1 Nr 1, § 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 8 Abs 1 Nr 1 und Abs 2 S 1 SGB IV. Zwar sei das LSG zutreffend davon ausgegangen, dass die Beigeladene zu 1. in allen Tätigkeiten beim Kläger beschäftigt gewesen sei, alle bei demselben Arbeitgeber ausgeübten Beschäftigungen seien jedoch entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des BSG ohne Rücksicht auf ihre arbeitsvertragliche Gestaltung als eine einheitliche (versicherungspflichtige) Beschäftigung anzusehen. BSG-Rechtsprechung zum Teilarbeitslosengeld stehe dem nicht entgegen, weil der Begriff "Beschäftigung" dort einen abweichenden leistungsrechtlichen Inhalt habe.

6

Die Beigeladene zu 3. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. September 2010 aufzuheben, soweit es die Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. betrifft, und insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14. Oktober 2008 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 3. zurückzuweisen.

8

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Zu Recht habe das LSG angenommen, dass neben der Hauptbeschäftigung eine versicherungsfreie geringfügige Nebenbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber vorgelegen habe.

9

Die Beklagte, die Beigeladene zu 1., die zu 2. beigeladene Pflegekasse und die zu 4. beigeladene Bundesagentur für Arbeit haben keinen Antrag gestellt. Die Beigeladene zu 4. schließt sich der Rechtsauffassung der Beigeladenen zu 3. an.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beigeladenen zu 3. (= Träger der gesetzlichen Rentenversicherung) ist begründet und führt zur Aufhebung des LSG-Urteils, soweit es die Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. betrifft, sowie insoweit zur Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil.

11

Das LSG hat zu Unrecht das klageabweisende Urteil des SG sowie die Bescheide der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle (Bescheid vom 7.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.1.2007 und des ergänzenden Bescheides vom 23.7.2009) in vollem Umfang aufgehoben und das Nichtbestehen von Rentenversicherungspflicht festgestellt.

12

Die Bescheide der Beklagten sind hinsichtlich der im Revisionsverfahren allein (noch) streitigen Feststellung der Rentenversicherungspflicht rechtmäßig. Die Beigeladene zu 1. war im streitigen Zeitraum von September 2006 bis November 2009 in ihrer für den Kläger ausgeübten weiteren Tätigkeit als Betreuerin nicht wegen Geringfügigkeit dieser Beschäftigung versicherungsfrei, sondern unterlag auch insoweit der Versicherungspflicht als Beschäftigte.

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1. Gegenstand der Revision der Beigeladenen zu 3. ist entsprechend dem von ihr gestellten, auf die Rentenversicherungspflicht beschränkten Antrag die Aufhebung des Urteils des LSG, soweit es das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten hinsichtlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgehoben hat. Der während des Berufungsverfahrens erlassene Bescheid vom 23.7.2009 hat den Bescheid vom 7.12.2006 um die Feststellungen des Bestehens von Versicherungspflicht in den im Einzelnen konkretisierend genannten Versicherungszweigen sowie hinsichtlich deren Beginn in der weiteren Beschäftigung iS von § 96 Abs 1 SGG iVm § 153 Abs 1 SGG ergänzt und insoweit ersetzt(vgl allgemein BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 13). Zwar hat das LSG den Bescheid vom 23.7.2009 im Tenor seines Urteils nicht ausdrücklich benannt, aus dessen Hervorhebung in den Entscheidungsgründen als vom LSG geprüfter Bescheid ergibt sich jedoch, dass es über beide Bescheide entschieden und diese vollständig aufgehoben hat.

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2. Die Revision der Beigeladenen zu 3. ist zulässig. Die Beigeladene zu 3. war als Rentenversicherungsträger befugt, gegen das Urteil des LSG - soweit es die ihren Aufgabenbereich berührende Rentenversicherungspflicht betrifft - Revision einzulegen, weil die Entscheidung des LSG sie insoweit beschwert (vgl BSGE 17, 1, 2 = SozR Nr 31 zu § 165 RVO; BSGE 84, 136, 139 = SozR 3-2400 § 28h Nr 9). Die Revision hat auch in der Sache Erfolg (dazu im Folgenden 3. bis 5.).

15

3. Zutreffend hat das LSG die Beklagte als die für die Durchführung der Krankenversicherung der Beigeladenen zu 1. zuständige Krankenkasse und damit als Einzugsstelle angesehen, die gemäß § 28h Abs 2 SGB IV(in der hier anwendbaren, bis zur Änderung durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5.8.2010 geltenden Fassung) iVm § 28i S 1 SGB IV für die Entscheidung über das Bestehen von Versicherungspflicht in der weiteren Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. für den Kläger zuständig war. Zwar ist die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gemäß § 28i S 5 SGB IV(idF des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9.12.2004, BGBl I 3242) bei geringfügigen Beschäftigungen die zuständige Einzugsstelle; für die vom Arbeitgeber beantragte Feststellung, ob ein bei ihm versicherungspflichtig Beschäftigter auch in einer weiteren Tätigkeit bei ihm der Versicherungspflicht unterliegt, verblieb es jedoch bei der Zuständigkeit der für den versicherungspflichtig Beschäftigten bisher zuständigen Krankenkasse.

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4. Die Beklagte hat in ihren Bescheiden ausgehend von den dafür maßgebenden Rechtsgrundlagen zutreffend angenommen, dass die Beigeladene zu 1. von September 2006 bis November 2009 auch in ihrer weiteren Tätigkeit als Betreuerin beschäftigt war und deshalb der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag.

17

a. In den Jahren 2006 bis 2009, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 1 S 1 Nr 1 SGB VI der Versicherungspflicht. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr, vgl zum Ganzen zB BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 24/10 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - Juris RdNr 16).

18

b. Im vorliegenden Rechtsstreit ist das LSG für die hier (allein) zu beurteilende Fallkonstellation auf der Grundlage der genannten Rechtsprechung und aufgrund einer Gesamtwürdigung der von ihm ermittelten, als Kriterien für eine selbstständige Tätigkeit oder eine Beschäftigung in Betracht kommenden tatsächlichen Umstände nach seinen nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen (vgl § 163 SGG) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Betreuerin von September 2006 bis November 2009 beschäftigt war. Hiervon gehen gleichermaßen die Beteiligten aus. Die vom Berufungsgericht hierbei zu Grunde gelegten rechtlichen Grundsätze sind zutreffend, auch die von ihm vorgenommene Gesamtwürdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl zu den Prüfungsmaßstäben BSG aaO Juris RdNr 22 ff).

19

5. Zu Unrecht ist das LSG allerdings zu der Einschätzung gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer weiteren für den Kläger ausgeübten Beschäftigung wegen Geringfügigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung ausnahmsweise nicht versicherungspflichtig, sondern versicherungsfrei war. Die Voraussetzungen des § 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI lagen darauf bezogen nicht vor.

20

a. Gemäß § 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI in der hier anzuwendenden ab 1.4.2003 geltenden Fassung (des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 4621) sind in der gesetzlichen Rentenversicherung Personen in einer geringfügigen Beschäftigung iS von § 8 Abs 1 und § 8a SGB IV versicherungsfrei. Gemäß § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV(idF dieses Gesetzes, aaO) liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus ihr regelmäßig 400 Euro im Monat nicht übersteigt. Aus § 5 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB VI(in der ab 1.4.2003 geltenden Fassung dieses Gesetzes, aaO) iVm § 8 Abs 2 SGB IV folgt, dass - mit Ausnahme einer geringfügigen Beschäftigung - eine geringfügige Beschäftigung mit einer nicht geringfügigen, in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigung zusammenzurechnen ist. Zu Unrecht hat das LSG angenommen, dass die Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. als Betreuerin eine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung iS dieser Vorschriften war, die nicht mit ihrer beim Kläger darüber hinaus ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung als Verwaltungsangestellte zusammenzurechnen war.

21

b. Zwar hat das LSG festgestellt, dass das aus der weiteren Beschäftigung erzielte Entgelt der Beigeladenen zu 1. in der streitigen Zeit von September 2006 bis November 2009 in der Regel 400 Euro monatlich nicht überstieg. Eine daran anknüpfende geringfügige Beschäftigung iS von § 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI, § 8 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGB IV lag bereits deshalb nicht vor, weil die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. als Betreuerin bei demselben Arbeitgeber verrichtet wurde. Infolgedessen ist von einer (einzigen) einheitlichen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. im Sinne dieser Vorschriften mit einem Gesamtentgelt auszugehen, das die für die Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit geltende Entgeltgrenze überstieg.

22

c. Dem LSG kann nicht darin gefolgt werden, dass neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung eine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung auch dann vorliegen kann, wenn letztere bei demselben Arbeitgeber verrichtet wird.

23

Der Senat hat schon in seinem Urteil vom 16.2.1983 (12 RK 26/81 - BSGE 55, 1 = SozR 2200 § 168 Nr 7)entschieden, dass Beschäftigungen unabhängig von deren arbeitsvertraglicher Gestaltung bei demselben Arbeitgeber sozialversicherungsrechtlich für die Beurteilung der Geringfügigkeit als Voraussetzung für die Versicherungsfreiheit nicht nur nach § 168 Abs 1 Nr 1 RVO und § 1228 Nr 4 RVO in den bis zum 30.6.1977 geltenden Fassungen (aF), sondern auch in den ab 1.7.1977 geltenden Fassungen als einheitliche Beschäftigung zu werten waren. Er hat dies unter Berücksichtigung des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften damit begründet, dass es keine Anhaltspunkte dafür gab, dass mit der Neufassung dieser Vorschriften eine weitreichende Rechtsänderung dahin erfolgen sollte, dass eine Nebenbeschäftigung, die ausdrücklich nach § 168 Abs 1 Nr 1 RVO aF und § 1228 Nr 4 RVO aF neben einer Hauptbeschäftigung nur versicherungsfrei sein konnte, wenn sie nicht bei demselben Arbeitgeber ausgeübt wurde, nach der damaligen Rechtsänderung nicht mehr der Versicherungspflicht unterliegen sollte, obwohl sie bei demselben Arbeitgeber verrichtet wurde. Durch die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung in § 8 SGB IV und die Angleichung der § 168 Abs 1 Nr 1 RVO aF und § 1228 Nr 4 RVO aF wurden seinerzeit die bis dahin sowohl im Krankenversicherungs- als auch Rentenversicherungsrecht geregelten Voraussetzungen der versicherungsfreien Nebenbeschäftigung überarbeitet, zusammengefasst, im Wortlaut geändert und der Begriff der Nebenbeschäftigung durch den Begriff der geringfügigen Beschäftigung ersetzt. Der Senat hat in seinem Urteil darauf abgestellt, dass im Hinblick auf die durch eine solche Rechtsänderung entstehenden erheblichen Manipulationsmöglichkeiten eine beabsichtigte Änderung der Versicherungspflicht von Nebenbeschäftigungen bei demselben Arbeitgeber in irgendeiner Form in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck hätte kommen müssen, was jedoch nicht der Fall war.

24

An dieser Rechtsprechung hält der Senat nach erneuter Prüfung auch bezogen auf die vorliegend anzuwendenden Vorschriften - insbesondere des § 5 Abs 2 SGB VI - fest. Die Auffassung des LSG, die Grenze jeder Auslegung sei der Wortlaut einer Vorschrift, der hier die vom BSG angenommene Einschränkung nicht explizit enthalte, berücksichtigt nicht hinreichend, dass dann, wenn - wie auch hier - der Wortlaut einer gesetzlichen Regelung jedenfalls nicht eindeutig, sondern offen ist, durch weitere Auslegungsmethoden der Inhalt ermittelt werden muss. Entgegen der Auffassung des LSG war dem Wortlaut der genannten Vorschriften nicht eindeutig zu entnehmen und ist dem Wortlaut der aktuell heranzuziehenden Regelungen ebenfalls nicht zu entnehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen mehrere verschiedene, für einen Arbeitgeber verrichtete Beschäftigungen als eine oder mehrere Beschäftigungen im Rechtssinne anzusehen sind.

25

d. Nach Ergehen des Senatsurteils vom 16.2.1983 (aaO), dem die Sozialversicherungsträger und - soweit ersichtlich - bis auf das nunmehr angefochtene Urteil auch die instanzgerichtliche Rechtsprechung gefolgt sind, haben auch spätere Änderungen von § 8 SGB IV, § 1228 RVO und § 5 SGB VI die Versicherungspflicht einer geringfügigen Beschäftigung, die neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beim selben Arbeitgeber ausgeübt wird, nicht beseitigt. Hätte die über fast drei Jahrzehnte hinweg bekannte BSG-Rechtsprechung, wonach bei der hier gegebenen Konstellation nicht mehrere Beschäftigungen vorliegen, sondern eine einheitliche Beschäftigung im Sinne der Vorschriften über die Geringfügigkeit besteht, nicht den Intentionen des Gesetzgebers entsprochen, wäre es naheliegend gewesen, die Rechtslage im Zuge einer der zahlreichen anderen Gesetzesneuregelungen im Bereich des Sozialversicherungsrechts zu revidieren. Das ist jedoch nicht geschehen (der BSG-Rspr weiter folgend auch zB: Knospe in Hauck/Haines, SGB IV, K § 8 RdNr 28, Stand Einzelkommentierung II/2007; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 1 RdNr 21, Stand Einzelkommentierung XII/2006; Marschner in Kreikebohm, SGB IV, 2008, § 8 RdNr 14; Seewald in KassKomm, § 8 SGB IV RdNr 29, Stand Einzelkommentierung Oktober 2011; Dankelmann in Eichenhofer/Wenner, SGB I/IV/X, 2012, § 8 SGB IV RdNr 54; kritisch: Berchtold in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl 2011, § 8 SGB IV RdNr 14).

26

§ 1228 Nr 4 RVO, § 4 Nr 5 AVG und § 30 Nr 4 RKG wurden vielmehr durch das Rentenreformgesetz vom 18.12.1989 (BGBl I 2261, 1990 I 1337) mit Wirkung zum 1.1.1992 durch § 5 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI weitgehend wortgleich ersetzt, ohne dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Änderungen der Rechtslage im Hinblick auf die Versicherungspflicht einer neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübten weiteren geringfügigen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber erfolgen sollten. Auch die Änderungen des § 8 SGB IV und § 5 SGB VI zum 1.4.1999 (durch das Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.3.1999, BGBl I 388) enthielten keine Einschränkung der Versicherungspflicht von Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber, sondern erweiterten ua die Versicherungspflicht geringfügiger Beschäftigungen. § 8 Abs 2 S 1 SGB IV ordnete nunmehr die Zusammenrechnung geringfügiger Beschäftigungen auch mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung - in der Rentenversicherung allerdings gemäß § 5 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB VI beschränkt auf eine in der Rentenversicherung versicherungspflichtige Beschäftigung - an. Aus dem in den Gesetzesmaterialien (vgl Gesetzesentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, BT-Drucks 14/280 S 10) angegebenen Grund für die Änderung, das weitere Aufsplitten von Arbeitsverhältnissen zu verhindern, kann kein Rückschluss auf die bisherige Rechtslage in Bezug auf mehrere Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber gezogen werden. Denn das "Aufsplitten" konnte sich auf mehrere geringfügige Beschäftigungen verschiedener Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber, aber gleichermaßen auf mehrere Beschäftigungen eines Arbeitnehmers bei verschiedenen Arbeitgebern beziehen und musste nicht mehrere Beschäftigungen eines Arbeitnehmers bei einem Arbeitgeber mit umfassen. Auch der Änderung des § 8 Abs 2 SGB IV mit Wirkung zum 1.4.2003 (durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 4621) ist nicht zu entnehmen, dass abweichend von der bis dahin geltenden Rechtslage nunmehr mehrere Tätigkeiten desselben Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber als mehrere Beschäftigungen iS von § 8 Abs 1 und Abs 2 SGB IV sowie § 5 Abs 2 SGB VI gelten sollten. Zwar sehen die Vorschriften seither wieder die Versicherungsfreiheit einer geringfügigen Beschäftigung neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung vor; es fehlen jedoch Hinweise darauf, dass über die insoweit bereits vor dem 1.4.1999 bestehende Rechtslage hinaus damit erstmals auch eine weitere Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber versicherungsfrei sein sollte. Anhaltspunkte hierfür sind weder der aufgrund des Vorschlages des Vermittlungsausschusses (vgl Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 15/202 S 3) Gesetz gewordenen Fassung noch sonstigen Umständen zu entnehmen.

27

e. Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Recht der Arbeitsförderung vorgenommene Auslegung des Begriffs der Beschäftigung spricht ebenfalls nicht für die vom LSG vertretene Auslegung.

28

Im Zusammenhang mit der Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld sah auch der 7. Senat des BSG in seinem Urteil vom 6.2.1992 (SozR 3-1500 § 54 Nr 9 S 24)für die Beurteilung, ob eine kurzzeitige Beschäftigung iS von § 102 AFG vorliegt, unter Bezugnahme auf das Urteil des 12. Senats vom 16.2.1983 (aaO) Tätigkeiten aufgrund verschiedener Lehraufträge desselben Arbeitgebers ohne Rücksicht auf die vertragliche Gestaltung als einheitliche Beschäftigung an. Soweit der 7. Senat für die Prüfung eines Anspruchs auf Teilarbeitslosengeld nach § 150 SGB III unter Bezugnahme auf die zu dieser Vorschrift vorliegende Gesetzesbegründung annahm, dass prinzipiell bei einem Arbeitgeber zwei anspruchsbegründende Teilzeitbeschäftigungen iS von § 150 Abs 1 Nr 1 iVm § 150 Abs 2 Nr 1 SGB III bestehen können(vgl BSGE 88, 180, 186 = SozR 3-4300 § 150 Nr 1 S 8 und BSGE 90, 270, 271 = SozR 4-4300 § 150 Nr 1 RdNr 7),hat er schon selbst darauf hingewiesen, dass die in den Entscheidungen des 12. Senats vom 16.2.1983 und des 7. Senats vom 6.2.1992 enthaltenen Grundsätze nicht ohne Weiteres auf die Auslegung des Begriffs der Beschäftigung iS von § 150 SGB III übertragbar sind(vgl BSGE 88, 180, 186 = SozR 3-4300 § 150 Nr 1 S 8). Da die Auslegung des Begriffs der "Beschäftigung" in der Sozialversicherung sowohl nach der Rechtsprechung der für die Leistungen als auch für das Beitragsrecht zuständigen Senate "funktionsdifferent" zu erfolgen hat (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 21 mwN),kann von der Möglichkeit des Vorliegens mehrerer Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber im leistungsrechtlichen Sinne nicht ohne Weiteres auf eine identische Rechtslage auch im Versicherungs- und Beitragsrecht geschlossen werden. Daher ist die Folgerung, dass neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung eine wegen Geringfügigkeit versicherungsfreie Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber bestehen kann, weder zwingend noch gerechtfertigt.

29

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2, § 162 Abs 3 VwGO. Der Senat war dabei nicht gehindert, die die Beklagte belastende Kostenentscheidung des LSG zu deren Gunsten zu ändern und dem Kläger einen Teil der Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens aufzuerlegen, obwohl beide Beteiligten keine Rechtsmittel eingelegt haben. Denn insoweit gilt das Verbot der reformatio in peius nicht (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 22 mwN). Im Hinblick auf das Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens des Klägers und der Beklagten im Klage- und Berufungsverfahren erscheint es angemessen, ihnen unter Änderung der Kostenentscheidung des LSG entsprechend dem Verhältnis der Höhe der Rentenversicherungsbeiträge zur Höhe der Gesamtsozialversicherungsbeiträge jeweils die Hälfte der Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Da die Beigeladene zu 3. im Revisionsverfahren in vollem Umfang obsiegt hat und der Kläger insoweit unterlegen ist, sind dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 3. aufzuerlegen. Da sich die übrigen Beigeladenen im Revisionsverfahren nicht beteiligt haben, sind deren außergerichtlichen Kosten nicht zu erstatten.

30

Der Streitwert für das Revisionsverfahren war gemäß § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe der zusätzlich vom Kläger als Arbeitgeber zu zahlenden Rentenversicherungsbeiträge festzusetzen.

(1) Soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über.

(2) Der Übergang wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann.

(3) An Stelle der Ansprüche des Arbeitnehmers auf Sachbezüge tritt im Fall des Absatzes 1 der Anspruch auf Geld; die Höhe bestimmt sich nach den nach § 17 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Vierten Buches festgelegten Werten der Sachbezüge.

(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.

Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen können jedoch geschuldete Beiträge aufgerechnet werden.

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 13. März 2014 zum Aktenzeichen 6 Ca 1621/13 teilweise wie folgt abgeändert.

a) Der Kündigungsschutzantrag (Urteilstenor zu 1) wird abgewiesen;

b) die Klage wird hinsichtlich des Urteilstenors zu 2 abgewiesen, soweit das Arbeitsgericht den Beklagten zur Zahlung von mehr als 2.011,25 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. September 2013 verurteilt hat;

c) die Kosten des Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht (Urteilstenor zu 3) trägt der Kläger zu 35 Prozent und im Übrigen der Beklagte.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 70 Prozent. Die übrigen Kosten trägt der Beklagte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie um Entgelt für August 2013.

2

Der Kläger, polnischer Staatsbürger mit Zweitwohnsitz im hiesigen Bezirk, ist mindestens seit dem 18. Dezember 2008 auf dem Betriebsgelände der LFW L. Fleisch- und Wurstspezialitäten GmbH & Co. KG (im Folgenden abgekürzt mit LFW bezeichnet) als Zerleger im Bereich der Fleischzerlegung tätig. Das Arbeitsverhältnis bestand anfangs zu einer LWL GmbH mit Sitz in A-Stadt, deren Geschäftsführerin Frau I. B. war. Die LWL GmbH hat für die LFW Teilleistungen im Produktionsprozess auf deren Betriebsgelände erbracht, insbesondere im Bereich der Fleischzerlegung und bei der Verpackung der von LFW hergestellten Produkte.

3

Der Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der LWL GmbH lautet auszugsweise wie folgt (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichte Kopie, hier Blatt 37 ff Bezug genommen).

4

"§ 5 Vergütung

5

Der/Die Arbeitnehmer(in) erhält einen Brutto-Stundenlohn in Höhe von 7,50 €. Der Arbeitnehmer erhält eine monatliche Anwesenheitsprämie in Höhe von 100,00 €.

6

Dem Arbeitnehmer werden die Kosten der doppelten Haushaltsführung bis zu einem Höchstbetrag von 400,00 € ersetzt (Nachweis über Meldung an seinem auswärtigen Wohnsitz muss erbracht werden). Die Anwesenheitsprämie sowie die Erstattung der doppelten Haushaltsführungskosten werden bei Krankheit pro angefangene Woche um je ein Viertel verringert.

7

Das Arbeitsentgelt wird jeweils zum 10. des Folgemonats fällig und erfolgt bargeldlos. Die Gewährung sonstiger Leistungen, soweit diese nicht anderweitig zwingend vorgeschrieben sind, erfolgt freiwillig, mit der Maßgabe, dass auch durch eine wiederholte Zahlung ein Rechtsanspruch für die Zukunft nicht begründet wird. Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeiten sind durch das gezahlte Bruttogehalt abgegolten.

8

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, über seine Vergütungen und sonstige Leistungen Stillschweigen zu bewahren…

9

§ 9 Geheimhaltung

10

Der Arbeitnehmer wird über alle Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers sowie alle sonstigen ihm im Rahmen seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Angelegenheiten und Vorgänge des Arbeitgebers Stillschweigen bewahren. Der Arbeitnehmer wird dafür sorgen, dass Dritte nicht unbefugt Kenntnis erhalten. Dies gilt insbesondere für Kalkulations- und Verkaufsunterlagen, Kunden-, Personal- und Vertragsverhältnisse jeder Art. Die Geheimhaltungsverpflichtung gilt auch für Angelegenheiten und Vorgänge, die Geschäftspartner des Arbeitgebers betreffen. Die Verpflichtung zur Geheimhaltung sämtlicher Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus.

11

Ein Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht ist ein wichtiger Grund, der den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung dieses Vertrages berechtigt. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es nicht. Übt der Arbeitgeber in einem Fall das Recht zur fristlosen Kündigung nicht aus, so berührt die das Recht zur außerordentlichen Kündigung in einem Wiederholungsfall nicht. Weitergehende Ansprüche des Arbeitgebers, insbesondere die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, bleiben unberührt. Gegenüber den Ansprüchen des Arbeitgebers, wegen Verstößen gegen diese Geheimhaltungspflicht, kann der Arbeitnehmer nicht aufrechnen…

12

§ 11 Arbeits- und Geschäftsunterlagen

13

Die Anfertigung von Aufzeichnungen und Unterlagen aller Art sowie die Überlassung von Arbeitsunterlagen erfolgt ausschließlich zu dienstlichen Zwecken für den dienstlichen Gebrauch. Der Arbeitnehmer wird alle Arbeits- und Geschäftsunterlagen ordnungsgemäß aufbewahren und dafür Sorge tragen, dass Dritte nicht Einsicht bzw. diese an sich nehmen können. Die vorbezeichneten Gegenstände sind bei Beendigung dieses Vertrages oder bei Freistellung herauszugeben und im Betrieb des Arbeitgebers an diesen zu übergeben. Ein Zurückbehaltungsrecht ist ausgeschlossen. Auf Wunsch des Arbeitgebers wird der Arbeitnehmer ausdrücklich versichern, dass die genannten Gegenstände vollständig herausgegeben und insbesondere keine Abschriften, Kopien oder Mehrstücke behalten zu haben…

14

§ 18 Vertragsstrafe

15

Tritt der Arbeitnehmer seine Tätigkeit vertragswidrig nicht an oder beendet er sie vertragswidrig vorzeitig, so wird für jeden angefangenen Monat, in dem der Arbeitnehmer vertragswidrig nicht tätig ist, eine Vertragsstrafe in Höhe von 1/12 eines Jahresverdienstes unter Berücksichtigung sämtlicher Verdienstbestandteile verwirkt. Zugrunde zu legen sind diejenigen Bezüge, die der Arbeitnehmer in dem Vertragsbruch vorausgegangenen 12 Monaten erhalten hat. Hat das Arbeitsverhältnis noch keine 12 Monate bestanden oder noch nicht begonnen, so ist der Betrag zugrunde zu legen, der vertragsmäßig bis zum Ablauf von 12 Monaten bei ordnungsgemäßer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erzielt worden wäre.

16

Die Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe durch den Arbeitnehmer besteht in gleicher Weise, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos kündigt, weil ein wichtiger Grund von Seiten des Arbeitnehmers vorliegt. Weitergehende Ansprüche des Arbeitgebers und insbesondere die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bleiben unberührt. Gegenüber diesen Ansprüchen des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer nicht aufrechnen…"

17

Rechtsnachfolgerin der LWL GmbH war die B. Lebensmittel GmbH. Das ist zwischen den Parteien unstreitig, weshalb Einzelheiten zu dem Vorgang und Zeitpunkt der Rechtsnachfolge nicht aufgeklärt sind.

18

Geschäftsgegenstand der B. Lebensmittel GmbH war der Großhandel mit sowie die Verarbeitung, Bearbeitung und Verpackung von Lebensmitteln. Die B. Lebensmittel GmbH war aufgrund von drei Verträgen für die LFW auf deren Betriebsgelände tätig. Die Verträge hatten sich auf Fleischverpackungs- und SB-Fleischverpackungsarbeiten, Wurstverpackungsarbeiten sowie auf Fleischzerlegearbeiten bezogen. Im Rahmen dieser Verträge war die B. Lebensmittel GmbH mit ihren Arbeitnehmern ausschließlich in den Betriebsräumen der LFW an deren Maschinen tätig. Sie hat keine eigenen Produktionsanlagen unterhalten. Der Kläger war auch in dieser Zeit im Bereich der Zerlegerarbeiten auf dem Betriebsgelände der LFW eingesetzt.

19

Mit Schreiben vom 19. März 2013 hat die B. Lebensmittel GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beim Amtsgericht Schwerin beantragt. Mit Beschluss vom 20. März 2013 hat das Amtsgericht Schwerin sodann den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt (580 IN 66/13). Der Beklagte hat den Betrieb in Zusammenarbeit mit der Schuldnerin zunächst fortgeführt. Dazu hat er, weil die Verträge mit LFW nach seinem Dafürhalten nicht mehr auskömmlich waren, Gespräche zur Preisanpassung mit LFW aufgenommen. Die Preisanpassungsgespräche sind ohne Erfolg geblieben. Im Gegenzug hat LFW die Verträge über die Zusammenarbeit nach und nach alle gekündigt, den hier interessierenden Vertrag über die Fleischzerlegearbeiten mit Schreiben vom 30. Mai 2013 zum 31. August 2013 (Kopie hier Blatt 72). Mit Beschluss vom 1. Juni 2013 hat sodann das Amtsgericht Schwerin das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. Lebensmittel GmbH eröffnet und den Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte hat auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst versucht, den Betrieb fortzuführen.

20

Am 23. Juli 2013 hat die LFW dem Beklagten schließlich mitgeteilt, dass die Aufgaben im Bereich der Fleischzerlegearbeiten ab dem 1. September 2013 von der polnischen Firma W. Sp.z.o.o. (im Folgenden abgekürzt als W. bezeichnet) ausgeführt würden und daher Verhandlungen über die weitere Zusammenarbeit keinen Sinn machen würden.

21

Da W. kein eigenes Personal stellen konnte, hat die LFW für die Arbeitnehmer des Beklagten am 24. Juli 2013 eine Betriebsversammlung durchgeführt, auf der auch Vertreter von W. anwesend waren. Auf dieser Betriebsversammlung erhielten die Arbeitnehmer des Beklagten das Angebot, bei W. zu den bisherigen Konditionen weiterzuarbeiten. Da weder LFW noch W. die Einzelheiten dieser Konditionen kannten, wurden die an der Übernahme interessierten Arbeitnehmer aufgefordert, ihre bisherigen Arbeitsverträge und die letzte Lohnabrechnung vorzulegen. Der Beklagte war zu dieser Betriebsversammlung nicht eingeladen, allerdings haben seine Arbeitnehmer mit Führungsaufgaben vor Ort daran teilgenommen, beispielsweise der Betriebs- und Produktionsleiter der Herr F., der Leiter der Abteilung Fleischzerlegung Herr A., die kaufmännische Leiterin Frau B. sowie die Leiterin des Bereichs SB-Verpackung Frau S..

22

Von den anwesenden Arbeitnehmern haben wohl nahezu alle die Bereitschaft gezeigt, zukünftig unter Regie von W. die bisherigen Arbeiten weiter fortzuführen; dem Gericht ist jedenfalls kein Name eines Arbeitnehmers mitgeteilt worden, der sich für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beklagten entschieden hat. Die Arbeitnehmer – unter anderem auch der Kläger – haben daher in den Folgetagen beim Beklagten die Herausgabe einer Kopie ihres Arbeitsvertrages verlangt und haben diesen anschließend bei LFW bzw. bei W. abgegeben.

23

W. seinerseits hat bereits mit Schreiben vom 24. Juli 2013 (Kopie hier Blatt 43) dem Beklagten mitgeteilt, dass man ab September 2013 der neue Subunternehmer für die Fleischzerlegearbeiten bei LFW sei und man daran interessiert sei, alle Mitarbeiter des Beklagten in diesem Bereich mit ihren aktuellen arbeitsvertraglichen Bedingungen zu übernehmen. Der Beklagte wurde gebeten, eine Weiterbeschäftigung ab dem 1. September 2013 durch Abschluss von Aufhebungsverträgen zu ermöglichen. Der Beklagte war grundsätzlich bereit, ein Einvernehmen mit W. zu erzielen, er wollte jedoch, dass W. dafür eine Gegenleistung erbringt, mit der zumindest die Kosten abgegolten werden, die die Insolvenzschuldnerin in die bei LFW beschäftigten Arbeitnehmer investiert hat (Kosten der Anwerbung und Kosten der Beibringung der Gesundheitszeugnisse und sonstiger Papiere). Ein Einvernehmen konnte nicht erzielt werden, es ist nicht einmal klar, ob es überhaupt ernsthafte Verhandlungen auf das Anschreiben vom 24. Juli 2013 hin gegeben hat.

24

Einige Wochen später am 12. August 2013 hat auch der Beklagte eine Betriebsversammlung für die Arbeitnehmer aus dem Bereich der Fleischzerlegung abgehalten. Er hat die Arbeitnehmer dabei über die wirtschaftliche Situation unterrichtet, insbesondere über den Umstand, dass der Vertrag über die Fleischzerlegearbeiten von LFW nicht über den 31. August 2013 fortgesetzt werde. Er hat den betroffenen Arbeitnehmern in Aussicht gestellt, sie könnten möglicherweise auf Ersatzarbeitsplätzen in W. bzw. L. weiterbeschäftigt werden.

25

Mit Schreiben vom 16. August 2013 (in Kopie hier Blatt 35) teilte W. dem Kläger und den anderen Arbeitnehmern des Beklagten im Bereich der Fleischzerlegung mit, dass man nunmehr mit LFW einen Werkvertrag über den Bereich Fleischzerlegungsarbeiten ab dem 1. September 2013 abgeschlossen habe, man von einem Betriebsübergang zum 1. September 2013 nach § 613a BGB ausgehe und man daher in die Rechte und Pflichten des bisherigen Arbeitgebers des Klägers eintreten werde.

26

Der Beklagte hat sodann am 21. August 2013 eine weitere Betriebsversammlung für die Arbeitnehmer aus dem Bereich der Fleischzerlegung durchgeführt. In dieser hat er die Arbeitnehmer vorsorglich über die Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB auf W. aufgeklärt. Trotz konkreter Nachfrage seitens des Beklagten hatte sich dort keiner der anwesenden Arbeitnehmer dazu erklärt, ob er W. signalisiert hatte, nach dort zu wechseln.

27

Der Kläger hat seine Tätigkeit im Bereich der Fleischzerlegung wie gewohnt an seinem bisherigen Arbeitsplatz auch ab September 2013 ausgeführt. Am 2. September 2013 (erster Arbeitstag des Monats) ermittelten die Führungsmitarbeiter des Beklagten, Herr A. und Frau B., welche Arbeitnehmer zur W. gewechselt waren und teilten dies dem Beklagten mit. Sie benannten dabei auch den Kläger und nahezu alle anderen Arbeitnehmer, die bisher für den Beklagten auf dem Betriebsgeländer der LFW Fleischzerlegearbeiten erledigt hatten. Insgesamt sind dem Beklagten 37 Arbeitnehmer aus dem Bereich der Fleischzerlegung gemeldet worden, die nunmehr für W. arbeiten (vgl. Anlage B 3, hier Blatt 36).

28

Der Beklagte hat daraufhin das Arbeitsverhältnis zum Kläger – wie zu allen anderen Mitarbeitern, die seit September 2013 für W. tätig geworden sind – mit Schreiben vom 5. September 2013 (Kopie hier Blatt 4) außerordentlich und fristlos gekündigt. Dem Kläger ging dieses Schreiben noch am 5. September 2013 zu.

29

Eine Vergütung hat der Beklagte für den letzten Monat der Zusammenarbeit mit dem Kläger (August 2013) nicht mehr geleistet. Über den Umfang der vom Kläger für den Beklagten in diesem Monat erbrachten Arbeitsleistungen herrscht teilweise Streit. Unstreitig hat der Kläger in diesem Monat regulär bis einschließlich 22. August 2013 gearbeitet und hat sodann bis Monatsende noch eine Woche Erholungsurlaub gehabt. Der Beklagte geht davon aus, der Kläger habe im August bis zum Urlaub insgesamt 122,5 Stunden gearbeitet. Davon geht auch der Kläger aus, der allerdings meint, er hätte noch viel mehr, nämlich insgesamt 179,5 Stunden Arbeit bis zum Urlaubsantritt geleistet.

30

Mit seiner am 19. September 2013 beim Arbeitsgericht Schwerin eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die außerordentliche Kündigung vom 5. September 2013 und begehrt Vergütungszahlung für den Monat August 2013 in Höhe von 2.438,75 EUR brutto.

31

Während des Rechtsstreits hat der Beklagte mit außergerichtlichem Schreiben vom 4. November 2013 (Kopie hier Blatt 44) vom Kläger die Zahlung in Höhe von 9.994,99 EUR gefordert. Er hat dabei auch die Aufrechnung mit eventuell noch offenen Lohnforderungen aus der Vergangenheit erklärt und später erklärt, ergänzend mache er aus diesem Grunde auch ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Lohnforderung geltend. Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2014 (hier Blatt 23 ff) hat der Beklagte sodann die Vertragsstrafe im Rahmen einer Widerklage in voller Höhe rechtshängig gemacht.

32

Das Arbeitsgericht Schwerin hat mit Urteil vom 13. März 2014 (6 Ca 1621/13) über die von beiden Parteien gestellten Anträge wie folgt entschieden:

33

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 05.09.13, zugestellt am 05.09.13, beendet worden ist.

34

2. Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger 2.438,75 EUR brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26.09.2013 zu zahlen.

35

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

36

4. Der Streitwert wird auf 19.749,99 EUR festgesetzt.

37

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

38

In den Gründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Kündigung sei unwirksam, weil es an einem wichtigen Grund fehle. Den Zahlungsanspruch (Entgelt August 2013) hat das Arbeitsgericht in voller Höhe zugesprochen, da der Beklagte sich nicht substantiiert zur behaupteten Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden eingelassen habe und die stundenunabhängigen Vergütungsbestandteile aus betrieblicher Übung geschuldet seien. – Unter dem Gliederungspunkt III. hat das Arbeitsgericht die Abweisung der Widerklage (Vertragsstrafe) begründet, im Kern mit dem Argument, die Vertragsstrafenregelung aus dem Arbeitsvertrag sei nach §§ 305 ff BGB unwirksam, da sie eine Übersicherung bewirke und unverhältnismäßig sei. – Den auf 19.749,99 EUR festgesetzten Streitwert begründet das Arbeitsgericht mit dem dreifachen Monatsbrutto für die Kündigungsschutzklage (3 x 2.438,75 EUR), zuzüglich 2.438,75 EUR für den Zahlungsantrag des Klägers zuzüglich weiterer 9.994,99 EUR für den Widerklagezahlungsantrag des Beklagten. – Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

39

Mit der rechtzeitig eingereichten und rechtzeitig begründeten Berufung greift der Beklagte das arbeitsgerichtliche Urteil an, soweit das Arbeitsgericht über die klägerischen Sachanträge (Kündigungsschutz und Zahlung August 2013) entschieden hat.

40

Der Beklagte vertritt die Auffassung, es liege ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung bereits aufgrund der Herausgabe des Arbeitsvertrages und der Abrechnung durch den Kläger an LFW bzw. W. vor. Der Kläger habe mit diesem Verhalten gegen die Geheimhaltungspflicht aus § 9 des Arbeitsvertrages verstoßen. Durch die Kenntnis der Personalkosten sei W. in die Lage versetzt worden, Rückschlüsse auf die Kostenstruktur des fortgeführten Betriebes der Schuldnerin zu ziehen um mit diesem Wissen wirtschaftlichen Druck auf den Beklagten auszuüben oder ihn zu unterbieten und aus dem Geschäft zu drängen. Durch die Aufnahme des Arbeitsverhältnisses mit W. werde der Schuldnerin die wirtschaftliche Grundlage für die Fortführung des Betriebes entzogen. Zudem sei der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit bei W. ab dem 1. September 2013 nicht mehr in der Lage, seine Arbeitskraft dem Beklagten zur Verfügung zu stellen.

41

Im Weiteren habe der Kläger durch sein Verhalten Vertragsbruch im Sinne von § 18 des Arbeitsvertrages begangen, indem er bereits während seines noch mit der Schuldnerin bestehenden Arbeitsverhältnisses seine Tätigkeit für das Konkurrenzunternehmen W. ab September 2013 vorbereitet und sodann aufgenommen habe.

42

Durch die Vertragsverstöße sei dem Beklagten ein großer Schaden entstanden, da die Belegschaft das einziges Geschäftspotential des fortgeführten Betriebes dargestellt habe. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass heutzutage eingespielte Teams, die das Handwerk der Fleischzerlegung beherrschen, nur schwer zu finden seien. Hätten der Kläger und seine Kollegen zu den Arbeitsverträgen zum Beklagten gestanden, wäre es ein Leichtes gewesen, mit W. einen Preis für den Wunsch nach Übernahme des Personals auszuhandeln, mit dem zumindest die in diesen Belegschaftsteil investierten Kosten in Form der Anwerbekosten und der Kosten der Gesundheitszeugnisse und sonstigen Papiere, die der Beklagte auf ein bis zwei Monatsgehälter pro Arbeitnehmer beziffert, für die Masse hätten gewonnen werden können. Durch den Geheimnisverrat und den anschließenden Vertragsbruch habe der Beklagte auch jegliches Druckmittel in den Vertragsverhandlungen mit LFW verloren. Hätten die Arbeitnehmer zu ihren vertraglichen Pflichten zum Beklagten gestanden, wäre LFW wegen der drohenden Engpässe im Bereich der Fleischzerlegung unter Druck geraten und er – der Beklagte – wäre dann in der Lage gewesen, mit LFW bessere Preise für die Leistungen auszuhandeln.

43

Der vom Arbeitsgericht für den Monat August 2013 ausgeurteilte Lohn sei überhöht. Im August seien für den Kläger einschließlich des Urlaubs lediglich 162,25 Stunden zu vergüten gewesen. Die weiter vom Kläger geltend gemachten Entgeltbestandteile (Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit, Anwesenheitsprämie, Entschädigung wegen doppelter Haushaltsführung) seien nicht geschuldet, denn es handele sich laut Vertrag um freiwillige Zahlungen, und der Beklagte habe sich entschieden, für August 2013 sämtliche freiwilligen Leistungen einzustellen.

44

Der so berechnete geringere Vergütungsanspruch des Klägers stehe allerdings nicht zur Auszahlung an, da er einredebehaftet sei. Der Kläger habe eine Vertragsstrafe in Höhe eines halben Netto-Jahresgehalts, das sich hier auf 9.994,99 EUR belaufe, zu leisten. Mit diesem Anspruch werde gegen den Vergütungsanspruch des Klägers aufgerechnet, hilfsweise ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt.

45

Der Beklagte beantragt,

46

das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 13. März 2014 – 6 Ca 1621/13 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.

47

Der Kläger beantragt,

48

die Berufung zurückzuweisen.

49

Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Zutreffend habe das Arbeitsgericht angenommen, die streitbefangene Kündigung sei rechtsunwirksam, weil es an einem wichtigen Grund im Sinne von § 626 Absatz 1 BGB fehle. Die von dem Beklagten behauptete angebliche Vertragspflichtverletzung sei nicht geeignet, ohne Abmahnung eine Kündigung rechtfertigen zu können. Im Übrigen sei die Frist des § 626 Absatz 2 BGB nicht eingehalten, denn aufgrund der Teilnahme leitender Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin an der von LFW einberufenen Betriebsversammlung vom 24. Juli 2013 habe der Beklagte Kenntnis von allen maßgeblichen Umständen gehabt.

50

Der Kläger geht davon aus, dass ihm für den Monat August 2013 eine Bruttovergütung in Höhe von 2.438,75 EUR zustehe. Diese setze sich zusammen aus einem Teilbetrag in Höhe von 1.346,25 EUR brutto für 179,5 Arbeitsstunden je 7,50 EUR und aus weiteren 281,25 EUR brutto für 37,5 Urlaubsstunden. Außerdem habe er 90 Stunden Nachtarbeit geleistet, wofür ihm pro Stunde ein Zuschlag in Höhe von 1,875 EUR brutto (25 Prozent eines Stundenlohns) zustehe, was weitere 168,75 EUR brutto ergebe. Für 38 Stunden Sonntagsarbeit (mit Aufschlag in Höhe von 50 Prozent) stünden ihm weitere 142,50 EUR brutto zu. Letztlich stehe ihm auch die Anwesenheitsprämie in Höhe von 100 EUR brutto zu sowie der Zuschlag für Heimfahrten in Höhe von 400 EUR. Die Insolvenzschuldnerin und auch der Beklagte habe das Entgelt immer auf Basis dieser Eckwerte berechnet und zur Auszahlung gebracht, es sei nicht ersichtlich, weshalb dies nicht für den August 2013 gelten sollte.

51

Der Vergütungsanspruch stehe auch zur Auszahlung an. Dem Beklagten stünden keine Gegenansprüche zu. Das habe das Arbeitsgericht zutreffend entschieden. Die arbeitsvertragliche Vertragsstrafenregelung sei schon nach §§ 305 ff BGB unwirksam.

52

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2015 und auf den nachgelassenen Schriftsatz des Beklagten vom 3. März 2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

53

Die Berufung des Beklagten, die keinen Zulässigkeitsbedenken begegnet, ist teilweise begründet.

54

Auf Nachfrage des Gerichts im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2015 hat der Beklagte nochmals bestätigt, dass sich die Berufung nur dagegen richtet, dass das Arbeitsgericht Schwerin ausweislich des Tenors des Urteils, den klägerischen Sachanträgen (Kündigungsschutz und Entgelt für August 2013) entsprochen hat. Er hat zur Begründung dabei nochmals seine Rechtsauffassung vorgetragen, dass eine Sachentscheidung über seinen Widerklageantrag bisher nicht vorliege, da der Urteilstenor dazu keine Aussage treffe, er also insoweit keine Berufung einlegen könne. Es kann dahinstehen, ob die Rechtsauffassung des Beklagten zur Frage, ob das Arbeitsgericht auch über seine Widerklage entschieden hat, tragfähig ist. Jedenfalls hat der Beklagte für das hiesige Berufungsverfahren klargestellt, dass sich seine hier streitige Berufung nur darauf bezieht, dass das Arbeitsgericht den Klageanträgen entsprochen hat.

I.

55

Die Berufung ist begründet, soweit das Arbeitsgericht dem Kündigungsschutzantrag entsprochen hat, denn zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 5. September 2013 war der Beklagte bereits nicht mehr Arbeitgeber des Klägers. Vielmehr war das Arbeitsverhältnis bereits Anfang September 2013 nach § 613a BGB auf W. als neuen Arbeitgeber übergegangen.

1.

56

Ein Erfolg im Kündigungsschutzprozess setzt nach der der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts voraus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung (noch) ein Arbeitsverhältnis zu dem Kündigenden besteht. Das gilt auch im Falle eines möglichen Betriebsübergangs. Die Kündigung des Altarbeitgebers nach Betriebsübertragung auf einen Neuarbeitgeber geht mangels eines zwischen den Prozessparteien bestehenden Arbeitsverhältnisses ins Leere; eine gleichwohl erhobene Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer solchen Kündigung ist damit unbegründet, denn ein Arbeitsverhältnis besteht nicht mehr (BAG 15. Dezember 2005 – 8 AZR 202/05 – AP Nr. 294 zu § 613a BGB = NZA 2006, 597; BAG 20. März 2003 – 8 AZR 312/02 – NJW 2003, 3581 = NZA 2003, 1338 = ZIP 2003, 1557; BAG 18. April 2002 – 8 AZR 346/01 – AP Nr. 232 zu § 613a BGB = NZA 2002, 1207 = NZI 2002, 620; vgl. auch ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 175 und ErfK-Kiel § 4 KSchG RNr. 19).

2.

57

Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Bereich der Fleischzerlegung, in dem der Kläger tätig ist, ist zum 1. September 2013 im Wege des Teilbetriebsübergangs nach § 613a BGB auf die Firma W. übergegangen. Der Beklagte war daher zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 5. September 2013 nicht mehr Arbeitgeber des Klägers.

a)

58

Nach § 613a Absatz 1 BGB gehen die Arbeitsverhältnisse im Falle der Übertragung des Betriebes von dem bisherigen Arbeitgeber auf einen neuen Arbeitgeber per Gesetz automatisch über (Betriebsübergang).

59

Ein Betriebsübergang kann nicht nur durch einen förmlichen Verkauf eines Betriebes bewirkt werden, sondern auch durch alle anderen denkbaren Rechtsgeschäfte, die dazu führen, dass der neue Inhaber des Betriebes im Ergebnis tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, diesen zu führen (vgl. ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 59). Das Tatbestandsmerkmal "durch Rechtsgeschäft" aus § 613a BGB wird heute also sehr weit ausgelegt und es dient eigentlich nur noch dazu, hoheitliche Übertragungsakte und Fälle der Gesamtrechtsnachfolge aus dem Anwendungsbereich von § 613a BGB auszuschließen (vgl. BAG 18. August 2011 – 8 AZR 230/10 – AP Nr. 412 zu § 613a BGB = ZInsO 2011, 2083 = NZA 2012, 267). Insbesondere ist es anerkannt, dass § 613a BGB nicht notwendig ein Rechtsgeschäft zwischen dem Betriebsveräußerer und dem Betriebserwerber voraussetzt (BAG 18. August 2011 aaO). Dies ist beispielsweise in der Rechtsprechung bereits anerkannt für den Fall, dass der Betriebserwerber mit dem Verpächter des Betriebes einen Pachtvertrag abschließt und damit den bisherigen Pächter aus der Rolle als Inhaber des Betriebes verdrängt (BAG 25. Februar 1981 – 5 AZR 991/78 – BAGE 35, 104 = AP Nr. 24 zu § 613a BGB = DB 1981, 1140). In diesem Sinne kann es bei bestimmten Betrieben, den sog. betriebsmittelarmen Betrieben, für einen Betriebsübergang auch ausreichen, wenn der neue Arbeitgeber den nach Anzahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft durch Abschluss neuer Arbeitsverträge übernimmt (BAG 21. Juni 2012 AP Nr. 434 zu § 613a BGB = NZA-RR 2013, 6).

60

Andererseits stellt die bloße Auftragsnachfolge, die hier aus der Sicht von LFW zwischen dem Beklagten und W. stattgefunden hat, für sich genommen noch keinen Betriebsübergang dar (vgl. ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 37). Entscheidend wird vielmehr heute darauf abgestellt, ob eine „wirtschaftliche Einheit“ den Inhaber gewechselt hat und der Neuinhaber diese Einheit in gleicher Weise oder zumindest in vergleichbarer Weise wie der Altinhaber für seine wirtschaftlichen Zwecke nutzt, die wirtschaftliche Einheit also ihre Identität, ihren Wiedererkennungswert, wahrt. Entscheidend ist demnach, ob durch die Übernahme des wesentlichen Personals gleichzeitig auch die Arbeitsorganisation und die Betriebsmethoden übernommen werden (vgl. ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 28).

b)

61

Gemessen an diesem Maßstab ist vorliegend die wirtschaftliche Einheit "Fleischzerlegung" vom Beklagten auf W. im Sinne von § 613a BGB übergegangen, weil W. den nach Anzahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft dieser Einheit durch Abschluss neuer Arbeitsverträge übernommen hat.

62

Die Abteilung Fleischzerlegung im Betrieb der Schuldnerin, der vom Beklagten fortgeführt wurde, stellt in diesem Sinne eine wirtschaftliche Einheit dar, da mit der Abteilung innerhalb des Betriebes ein eigenständiger Zweck verfolgt wurde, der gegenüber dem Zweck der übrigen Abteilungen (Verpackung von Fleischprodukten) abgrenzbar ist. Die Abteilung war auch organisatorisch eigenständig gewesen, denn sie wurde von einem nur für diese Abteilung zuständigen Vorgesetzten geführt (zuletzt Herrn A.), was sich unter anderem in dem von ihm aufgestellten Dienstplänen, die nur für diese Abteilung galten, ausdrückt. Dem Bereich der Fleischzerlegung war auch ein fester Mitarbeiterstamm zugeordnet, der im Regelbetrieb auch nur dort eingesetzt wurde. Ein regelmäßiger Personalaustausch mit den anderen Abteilungen des Betriebes scheiterte schon an den speziellen Kenntnissen und Fähigkeiten, die für die Mitarbeit im Bereich der Fleischzerlegung benötigt werden.

63

W. als Auftragsnachfolger des Beklagten hat auch den nach Anzahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft dieser Einheit übernommen. Das folgt schon daraus, dass W. alle dort eingesetzten Fachkräfte übernommen hat. Das Gericht hat allerdings weder positiv noch negativ festgestellt, ob auch der Vorgesetzte Herr A. von W. übernommen wurde. Die Frage kann aber auch dahinstehen. Denn der Wert dieser Einheit besteht auch nach der Auffassung des Beklagten, die er in Zusammenhang mit dem von ihm geltend gemachten Schaden vertritt, nicht in der – auswechselbaren – Führungskraft des Teams, sondern in dem funktionsfähigen und eingespielten Team an sich. Damit steht auch fest, dass mit der Übernahme der Fachkräfte dieser Abteilung der nach Sachkunde wesentliche Teil der Belegschaft nunmehr unter dem neuen Inhaber der Einheit arbeitet.

64

Obwohl dazu nur wenige Informationen vorliegen, muss das Gericht auch davon ausgehen, dass W. diese Einheit in gleicher oder vergleichbarer Weise nutzt wie der Beklagte. Darauf deutet schon der Umstand hin, dass die Arbeit dieser Einheit in den Produktionsprozess bei LFW eingebettet ist und LFW seine Produktionsabläufe mit Eintritt von W. in den Auftrag nicht abgeändert hat. Ergänzend stellt das Gericht darauf ab, dass der Kläger – und auch die Kläger in den zahlreichen Parallelverfahren – ohne Widerspruch des Beklagten schildern, dass sich an der Art und Weise der Arbeit vor und nach dem ersten Arbeitstag bei W. am 2. September 2013 nichts geändert hat.

65

Der damit nach § 613a BGB gegebene Betriebsübergang der Abteilung Fleischzerlegung vom Beklagten auf W. kann nicht dadurch ausgeschlossen sein, dass der Betriebsübergang – wenn man den Vortrag des Beklagten zu Grunde legt – von der Belegschaft im Bereich der Fleischzerlegung durch ihr möglicherweise sogar vertragswidriges Verhalten mit provoziert worden ist. Dass durch die heutige Auslegung des § 613a BGB, die durch die europarechtliche Sichtweise und durch Entscheidungen des EuGH dazu vorgeprägt ist, dazu führen kann, dass es der Betriebserwerber gelegentlich in der Hand hat, durch sein Verhalten ein Betriebsübergang zu bewirken oder auszuschließen, ist bereits mehrfach Gegenstand juristischer Betrachtung gewesen (vgl. nur die Nachweise bei ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 39). Dies ist die unausweichliche Folge der Anerkennung des Umstandes, dass ein Betriebsübergang bei den sog. betriebsmittelarmen Betrieben – hier vorliegend – auch allein durch Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft erfolgen kann. Da diese Übernahme im Regelfall durch den Abschluss von Arbeitsverträgen erfolgt, an denen auch die Arbeitnehmer beteiligt sind, gehört es auch zu den vielleicht unerwünschten aber unvermeidlichen Nebeneffekten dieser neuen Rechtsprechung, dass eine Belegschaft, die sich einig ist und auf einen willigen Auftragsübernehmer trifft, tatsächlich in der Lage ist, einen Betriebsübergang zu provozieren. Soweit damit anerkennenswerte Geschäftsinteressen des Altarbeitgebers beeinträchtigt werden, kann dieses Problem nicht auf der Ebene des § 613a BGB gelöst werden.

3.

66

Da der Beklagte zum Zeitpunkt des Ausspruchs seiner Kündigung schon nicht mehr Arbeitgeber des Klägers war, geht seine Kündigung vom 5. September 2013 ins Leere. Der Kündigungsschutzantrag des Klägers ist schon aus diesem Grunde abzuweisen. Für die Entscheidung des Falles kommt es daher nicht darauf an, ob die vom Beklagten vorgebrachten Gründe für seine Kündigung, diese zu rechtfertigen geeignet sind.

II.

67

Die Berufung ist teilweise begründet, soweit sich der Beklagte dagegen wendet, dass das Arbeitsgericht dem Kläger für den Monat August 2013 Entgelt in Höhe von 2.438,75 EUR zugesprochen hat.

68

Tatsächlich steht dem Kläger für diesen Monat Entgelt lediglich in Höhe von 2.011,25 EUR brutto zu. Im Umfang des zu viel ausgeurteilten Betrages (427,50 EUR) ist die Berufung des Beklagten erfolgreich. Im Einzelnen gilt folgendes.

1.

69

Dem Kläger steht für August 2013 für tatsächlich geleistete Arbeit Entgelt für 122,5 Stunden zu je 7,50 EUR brutto zu, was insgesamt 918,75 EUR brutto ergibt.

70

Die Anzahl der Stunden ergibt sich aus den Aufzeichnungen des Vorgesetzten des Klägers, Herrn A., die der Beklagte mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 3. März 2015 vorgelegt hat (Kopien hier Blatt 189 ff). Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger über die von Herrn A. dokumentierten Stunden hinaus weitere Arbeitsstunden im August 2013 abgeleistet hat.

71

Der Kläger bezieht sich für seinen Stundenansatz auf die elektronisch erstellten Protokolle an den Drehkreuzen, die an den Zugängen zum Betriebsgelände bei LFW angebracht sind (Anlage zum klägerischen Schriftsatz vom 7. Februar 2014, hier Blatt 59 ff). Dort werden für alle Arbeitnehmer, die auf dem Betriebsgelände arbeiten und die daher eine Art Betriebsausweis bei sich führen müssen, die Zeitpunkte registriert und abgespeichert, zu dem sie diese Drehkreuze passieren. Dabei wird auch registriert, in welcher Richtung die Drehkreuze passiert wurden ("in Produktion" bzw. "aus Produktion"). Ein Vergleich der Aufzeichnungen an den Drehkreuzen mit den Aufzeichnungen des Vorgesetzten des Klägers ergibt allerdings praktisch keine Unterschiede bezüglich der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden. Umgekehrt formuliert, auch aus den Aufzeichnungen an den Drehkreuzen lässt sich der klägerische Ansatz von 179,5 Arbeitsstunden im August 2013 bis zum Antritt des Urlaubs des Klägers nicht nachvollziehen.

72

Gemeinsam ergibt sich aus den beiden Aufzeichnungen, dass der Kläger im August an 16 Tagen gearbeitet hat (1. August, 4. bis 8. August, 11. bis 15. August, 18. bis 22. August). Auch der aufgezeichnete Arbeitsbeginn an den Arbeitstagen muss bei wertender Betrachtung als gleichlautend angesehen werden. Während nach der Aufstellung von Herrn A. die Arbeit regelmäßig zur vollen Stunde angefangen hat (beispielsweise 22:00 Uhr oder 24:00 Uhr) hat der Kläger nach den Aufzeichnungen von LFW das Drehkreuz im Regelfall rund 20 Minuten früher passiert. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die Arbeitszeit dementsprechend früher begonnen hat. Denn zwischen den Parteien ist es unstreitig, dass die Arbeitszeit nicht mit dem Passieren des Drehkreuzes beginnt, sondern am Arbeitsplatz zu dem nach dem Schichtplan vorgesehenen Beginn der Arbeit.

73

Selbst wenn sich in dem Betrieb des Beklagten die Praxis eingeschlichen haben sollte, dass die Arbeitnehmer die Arbeiten schon vor dem offiziellen Beginn ihrer Arbeitszeit nach Schichtplan durch Ablösung der zuvor tätigen Schicht begonnen hatten, würde sich daraus keine andere Anzahl der vom Kläger im August 2013 geleisteten Stunden ergeben, denn aus den Aufzeichnungen an den Drehkreuzen ergibt sich auch, dass der Kläger genauso häufig im August 2013 das Drehkreuz in Richtung "aus Produktion" passiert hat vor dem schichtplanmäßigen Ende seiner Arbeitszeit. Zu keinem der Arbeitstage des Klägers im August 2013 kann ein Passieren des Drehkreuzes zum Feierabend hin festgestellt werden, das wesentlich später als das schichtplanmäßige Ende der Arbeitszeit liegt.

74

Auch soweit man aus den an den Drehkreuzen protokollierten Ereignissen Rückschlüsse auf die Pausenzeiten des Klägers ziehen kann, ergeben sich praktisch keine Abweichungen zu den Aufzeichnungen des Herrn A.. Nach den Aufzeichnungen von Herrn A. wurde die Arbeit immer durch 30 Minuten andauernde Pausen unterbrochen. Je nach Schichtlänge und Schichtlage waren ein bis drei Pausen pro Schicht vorgesehen. Alle von Herrn A. aufgezeichneten Pausen spiegeln sich in den Aufzeichnungen an den Drehkreuzen wider. Allerdings gibt es nicht zu jedem Pausenbeginn und zu jedem Pausenende ein entsprechendes Protokollereignis an den Drehkreuzen. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass es die damit zusammenhängenden Pausen gar nicht gegeben hat. Vielmehr muss man davon ausgehen, dass entweder die Anlage an den Drehkreuzen eine gewisse Fehlerquote aufweist oder dass es für die Arbeitnehmer Möglichkeiten des Betretens und Verlassens des Betriebsgeländes ohne Passieren der Drehkreuze gibt. Das schließt das Gericht aus der Absurdität der Ereignisse, wenn man von einer vollständigen Aufzeichnung der Vorgänge ausgeht, denn dann hätte der Kläger den Betrieb an einzelnen Tagen mehrfach verlassen ohne ihn zwischendurch wieder betreten zu haben. – Insgesamt führen die an den Drehkreuzen im Regelfall festgehaltenen Zeiten scheinbar zu kürzeren Pausen als von Herrn A. angegeben. Aber auch dies kann nicht als Hinweis auf zusätzliche Arbeitszeiten gewertet werden, denn unstreitig bedurfte es einer gewissen Zeit, um vom Arbeitsplatz, an dem die Arbeitszeit beginnt und endet, zum Drehkreuz zu gelangen.

75

Der Rechtsstreit ist auch insoweit entscheidungsreif, denn der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter haben mehrfach auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung betont, dass sie über weitere Erkenntnisquellen bezüglich der tatsächlichen Arbeitszeit des Klägers im August 2013 außerhalb der Protokolle an den Drehkreuzen nicht verfügen. Ein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung auf Basis der aus der Sicht des Beklagten erstmals mit nachgelassenem Schriftsatz vom 3. März 2015 konkret vorgetragenen Arbeitszeiten des Klägers ist daher nicht geboten.

2.

76

Dem Kläger stehen für die im August 2013 genommene Urlaubswoche wie vom Kläger begehrt 281,25 EUR brutto zu. Dieser Posten ist zwischen den Parteien nicht in Streit.

3.

77

Dem Kläger steht für seine Arbeit im August 2013 auch ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 168,75 EUR brutto zu.

78

Aus den vom Kläger abgereichten Lohnabrechnungen für das Jahr 2013 ergibt sich, dass der Kläger bei Nachtarbeit stets einen Zuschlag in Höhe von 25 Prozent auf seinen Stundenlohn erhalten hat. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ihm dieser Zuschlag im August 2013 nicht zustehen sollte. Der Arbeitgeber ist nach § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz verpflichtet, dem Nacharbeitnehmer zusätzliche Urlaubstage oder einen angemessenen Aufschlag auf den Lohn für Nachtarbeit zu zahlen. Da nicht ersichtlich ist, dass der Beklagte oder zuvor die Schuldnerin Zusatzurlaub gewährt hat, hat der Beklagte mit der Zahlung des Zuschlags einer gesetzlichen Pflicht entsprochen. Von einer freiwilligen Leistung, die der Beklagte im August 2013 einstellen konnte, kann daher keine Rede sein. Da es sich um einen gesetzlichen Anspruch handelt, kann insoweit aber auch keine betriebliche Übung entstanden sein.

79

Zur Anzahl der im August 2013 geleisteten Nachtarbeitsstunden hat der Beklagte nicht Stellung genommen. Das Gericht legt seiner Entscheidung die klägerische Angabe von 90 Nachtarbeitsstunden zu Grunde, da eine überschlägige Prüfung der Anzahl der Nachtarbeitsstunden anhand der Aufzeichnungen von Herrn A. über die Einsatzzeiten des Klägers bei Zugrundelegung des Nachtarbeitsbegriffs aus § 2 Absatz 3 Arbeitszeitgesetz eine Zahl in dieser Größenordnung ergeben hat.

4.

80

Dem Kläger steht für seine Arbeit im August 2013 auch ein Sonntagsarbeitszuschlag in Höhe von 142,50 EUR brutto zu.

81

Aus den vom Kläger abgereichten Lohnabrechnungen für das Jahr 2013 ergibt sich, dass der Kläger bei Sonntags- und Feiertagsarbeit stets einen Zuschlag in Höhe von 50 Prozent auf seinen Stundenlohn erhalten hat. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ihm dieser Zuschlag im August 2013 nicht zustehen sollte. Diese Leistung ist im Arbeitsvertrag zwar nicht vorgesehen, durch die regelmäßige Zahlung ist allerdings eine vertragsähnliche betriebliche Übung entstanden, aus der sich der Anspruch ergibt.

82

Selbst wenn man mit dem Beklagten davon ausgehen will, dass er sich durch den Freiwilligkeitsvorbehalt in § 5 Absatz 3 des Arbeitsvertrages wirksam gegen das Entstehen einer betrieblichen Übung abgesichert habe, steht dem Kläger der Zuschlag für August 2013 dennoch zu. Denn auch wenn der Beklagte den Zuschlag nur freiwillig und ohne Rechtsbindung gezahlt hat, kann er sich davon nur mit Wirkung für die Zukunft befreien. Der Arbeitnehmer muss für die laufende Abrechnungsperiode wissen, welche Gegenleistung er für seine Tätigkeit erwarten kann. Damit ist es unvereinbar anzunehmen, der Arbeitgeber sei berechtigt, nach Entgegennahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ohne vorherigen Hinweis auf die Einstellung der freiwilligen Entgeltbestandteile im Rahmen der nachträglichen Abrechnung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers die freiwilligen Leistungen zu kürzen.

83

Zur Anzahl der im August 2013 geleisteten Sonntagsarbeitsstunden hat der Beklagte nicht Stellung genommen. Das Gericht legt seiner Entscheidung die klägerische Angabe von 38 Sonntagsarbeitsstunden zu Grunde, da eine überschlägige Prüfung der Anzahl der Stunden anhand der Aufzeichnungen von Herrn A. über die Einsatzzeiten des Klägers eine Zahl in dieser Größenordnung ergeben hat.

5.

84

Dem Kläger steht schließlich für August 2013 die Anwesenheitsprämie nach § 5 des Arbeitsvertrages (in der Klageschrift als "Pünktlichkeitsprämie" bezeichnet) in Höhe von 100 EUR brutto zu, sowie weitere 400 EUR brutto, die nach dem Arbeitsvertrag für die "Kosten der doppelten Haushaltsführung" der Arbeitnehmer gezahlt werden.

85

Aus den vom Kläger vorgelegten Lohnabrechnungen ergibt sich, dass diese auch vertraglich vereinbarten Leistungen regelmäßig gezahlt wurden. Dass ein Fall der vereinbarten und gelebten Möglichkeit der nur anteiligen Gewährung dieser Leistungen gegeben ist, hat der Beklagte nicht vorgetragen und es gibt auch keine Anhaltspunkte für eine Kürzungsmöglichkeit, da der Kläger seine Arbeitspflicht in diesem Monat vollständig erfüllt hat.

86

Für das Argument des Beklagten, diese Entgeltbestandteile seien auch nur freiwillig zu zahlen, gibt es keine Anhaltspunkte.

6.

87

Das Entgelt für August 2013 steht auch zur Auszahlung an. Insbesondere ist der Anspruch nicht ganz oder teilweise durch Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen, derer sich der Beklagte berühmt, untergegangen.

88

Die Aufrechnung ist bereits unzulässig, denn gegen eine Bruttolohnforderung kann keine Aufrechnung erklärt werden.

89

Gegen Bruttolohnforderungen des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber nicht mit Gegenansprüchen aufrechnen, es sei denn die Höhe der Abzüge ist bekannt. Aufgerechnet werden kann nur gegen Nettolohnforderungen des Arbeitnehmers. Denn andernfalls wäre nicht klar, in welcher Höhe das Gericht über die Gegenforderung entschieden hat. Nach § 322 Absatz 2 ZPO ist "die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig". Der Umfang der Rechtskraft darf aber nicht unklar bleiben. Auch wenn die Klage aufgrund der Aufrechnung abgewiesen werden soll, muss feststehen, in welcher Höhe die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung erloschen ist (BAG 16. März 1994 - 5 AZR 411/92 - und BAG 13. November 1980 - 5 AZR 572/78 ; so auch BAG 5. Dezember 2002 - 6 AZR 569/01 - AP Nr. 32 zu § 394 BGB = NJW 2003, 2189 = NZA 2003, 802 für den umgekehrten Fall, dass der Arbeitnehmer seine Brutto-Lohnforderung gegen eine Arbeitgeberforderung zur Aufrechnung stellt; vgl. auch LAG Mecklenburg-Vorpommern 30. August 2011 – 5 Sa 11/11).

90

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte zwar berichtet, dass das Augustentgelt des Klägers inzwischen sogar in der vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Höhe abgerechnet sei, was damit zusammenhängt, dass der Kläger erfolgreich die Zwangsvollstreckung aus dem arbeitsgerichtlichen Urteil betrieben hat. Der Kammervorsitzende hatte dies in der mündlichen Verhandlung damit kommentiert, dass damit ja wohl die formale Hürde, die bisher gegen die Zulässigkeit der Aufrechnung bestanden hat, überwunden wäre. Trotz dieses Hinweises ist die Lohnabrechnung mit dem nachgelassenen Schriftsatz nicht zur Akte gereicht worden, so dass es prozessual dabei bleiben muss, dass die Aufrechnung vorliegend unzulässig ist.

91

Auch ein Zurückbehaltungsrecht steht dem Beklagten bezüglich des Entgeltes für August 2013 nicht zu. Die zu Gunsten der Arbeitnehmer bestehenden Lohnpfändungs- und Lohnaufrechnungsgrenzen können nicht dadurch umgangen werden, dass sich der Arbeitgeber stattdessen auf ein Zurückbehaltungsrecht beruft. Ein solches besteht nur in dem Rahmen, in dem der Arbeitgeber auch zur Aufrechnung des Lohnes berechtigt wäre, wobei er nach § 394 BGB die Pfändungsfreigrenzen aus §§ 850 ff ZPO zu beachten hat. Dass von dem Arbeitseinkommen des Klägers ein Teil nach §§ 850 ff ZPO pfändbar ist, hat der Beklagte nicht schlüssig dargelegt. Angesichts des bescheidenen Stundenlohns des Klägers liegt es auch nicht nahe, hier von einer teilweise pfändbaren Forderung auszugehen.

III.

1.

92

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 70 Prozent und im Übrigen der Beklagte. Diese Kostenquote ergibt sich aus §§ 92 Absatz 1, 97 Absatz 2 ZPO.

93

Die Berufung des Beklagten war in Bezug auf den Kündigungsschutzantrag des Klägers erfolgreich. Der Kündigungsschutzantrag wird nach § 42 Absatz 2 GKG mit einem Vierteljahreseinkommen des Arbeitnehmers bewertet. Aus den vom Kläger abgereichten Lohnabrechnungen für die erste Jahreshälfte 2013 ergibt sich, dass der Kläger in diesem Halbjahr insgesamt 12.063,80 EUR brutto verdient hatte, was einem durchschnittlichen Monatseinkommen in Höhe von 2.010 EUR brutto entspricht, woraus sich das Vierteljahreseinkommen in Höhe von 6.030 EUR brutto ergibt.

94

Dem ist an sich der Wert des Berufungserfolges (427,50 EUR) des angegriffenen Zahlungsantrages (2.438,75 EUR) hinzuzufügen. Davon sieht das Berufungsgericht allerdings in Hinblick auf § 97 Absatz 2 ZPO vorliegend ab. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung hinsichtlich des Zahlungsantrages selbst zu tragen auch soweit seine Berufung Erfolg hatte, denn der Erfolg beruht auf dem Vortrag in dem zweitinstanzlich nachgelassenen Schriftsatz vom 3. März 2015 bezüglich der konkreten Arbeitsstunden des Klägers im August 2013. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Beklagte daran gehindert war, diesen für den Erfolg notwendigen Prozessvortrag nicht bereits vor dem Arbeitsgericht zu leisten. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass das Arbeitsgericht bei einer näheren Prüfung der vom Kläger selbst abgereichten Protokolle der Drehkreuzereignisse selbst hätte erkennen können, dass die klägerische Forderung hinsichtlich der zu Grunde gelegten Stunden deutlich überhöht war. Denn zum einen hat der Beklagte die generelle Eignung der Drehkreuzprotokolle als Hilfsmittel zur Erkenntnis der klägerischen Arbeitszeiten bestritten und zum anderen ist das Gericht nicht verpflichtet, sich sozusagen von Amts wegen mit von den Parteien in den Rechtsstreit eingeführten Anlagen zu beschäftigen, ohne dass im Parteivortrag erläutert wird, was sich aus welchen Stellen der eingereichten Anlagen ergibt. Das hat der Kläger bei Einreichung der Protokolle nicht getan, musste dies zum damaligen Zeitpunkt allerdings auch nicht, da der Beklagte seinerzeit die vom Kläger behaupteten Stunden lediglich mit Nichtwissen bestritten hatte, was angesichts der Organisation und Führung der Arbeit durch den Beklagten als Arbeitgeber vom Arbeitsgericht zutreffend als unbeachtliches Bestreiten bewertet wurde.

95

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind daher im Verhältnis 6.030 zu 2.438,75 zu quoteln, woraus das Berufungsgericht eine Kostenquote zu Lasten des Klägers im Umfang von 70 Prozent ermittelt hat. Die übrigen Kosten der Berufung hat der Beklagte zu tragen.

2.

96

Die für das Berufungsverfahren festgesetzte Verteilung der Kosten kann nicht auf die arbeitsgerichtliche Kostenentscheidung übertragen werden, da der Beklagte nur teilweise Berufung eingelegt hatte, und vor dem Arbeitsgericht auch seine Widerklage anhängig war. Der vom Beklagten eingenommene Rechtsstandpunkt, das Arbeitsgericht habe es versäumt, über seine Widerklage zu entscheiden, wird vom Berufungsgericht nicht geteilt. Aus Punkt III. der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts und aus der Bestimmung des Streitwerts geht mit der notwendigen Sicherheit hervor, dass das Arbeitsgericht auch über die Widerklage entschieden hat, dies allerdings im Tenor seiner Entscheidung nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht hat.

97

Berücksichtigt man, dass die Kündigungsschutzklage des Klägers keinen Erfolg hat, ergibt sich die im Berufungsurteil ausgewiesene Kostenquote für die arbeitsgerichtliche Entscheidung.

3.

98

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG liegen nicht vor.

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um restliche Zahlungsansprüche aus einem zum 30. Juni 2009 beendeten Arbeitsverhältnis.

2

Der Kläger war bei der Beklagten als Disponent und Kraftfahrer mit einem Bruttomonatsentgelt in Höhe von 1.460,00 Euro (EG 4 des Haustarifvertrages) beschäftigt. Der Kläger hatte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 5. Juni 2009 zum 30. Juni 2009 gekündigt; beide Parteien gehen von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. Juni 2009 aus. Der Kläger hat sich anschließend als Fuhrunternehmer selbstständig gemacht und bedient jetzt einen lukrativen Auftrag, der zuvor von der Beklagten bedient wurde. Aus diesem Umstand leitet die Beklagte Gegenforderungen ab, mit denen sie gegenüber den klägerischen Forderungen, die dem Grunde und der Höhe nach nicht in Streit stehen, aufrechnet.

3

Für die letzten beiden Arbeitsmonate Mai und Juni 2009 hat die Beklagte jeweils die monatliche Arbeitsvergütung in Höhe von 1.460,00 Euro brutto nicht an den Kläger gezahlt (Klageantrag zu 1.). Aus den Jahren 2002 bis 2004 sind noch Entgeltforderungen des Klägers offen, die er seinerzeit wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten gestundet hatte. Dieser Posten beläuft sich auf 2.495,80 Euro brutto und wurde in dieser Höhe von der Beklagten außergerichtlich mit Schreiben vom 30. April 2007 anerkannt (Klageantrag zu 2.).

4

Auch die zuletzt noch offenen Spesen hat die Beklagte nicht mehr zur Auszahlung gebracht. Insoweit geht es um 664,00 Euro. Die Forderung setzt sich zusammen aus 244,00 Euro für April 2009, 258,00 Euro für Mai 2009 und 162,00 Euro für Juni 2009 (Klageantrag zu 3.). Schließlich geht es noch um Zahlungen, die der Kläger in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Beirat der Beklagten bisher erhalten hatte. Der Kläger ist Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats und er war auch Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Beirates gewesen. Für die Tätigkeit im Beirat hatte die Beklagte an den Kläger für das Jahr 2007 einen Betrag in Höhe von 1.500,00 Euro gezahlt. Diesen Betrag verlangt der Kläger mit der Klage nunmehr auch für das Jahr 2008 (Klageantrag zu 4.).

5

Der Kläger hat schon seit mehreren Jahren mit Kenntnis und Billigung der Beklagten ein Fuhrgewerbe angemeldet und beschäftigt dort seinen Sohn als LKW-Fahrer. In Konkurrenz zur Beklagten ist er damit jedenfalls bis in das Jahr 2009 hinein nicht getreten. Im April 2009 hat der Kläger dann allerdings für seinen Fuhrbetrieb einen LKW gekauft, mit dem er Milchtransporte übernehmen konnte. Die Beklagte hat über viele Jahre bis Juni 2009 einschließlich Milchtransporte für einen ihrer Kunden durchgeführt. Seit Juli 2009 führt der Kläger die Milchtransporte dieses Kunden mit seinem eigenen Fuhrunternehmen durch. Nachdem er sich diesen Auftrag sichern konnte, hatte er umgehend sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten gekündigt.

6

Die Beklagte hatte für die Milchtransporte mit dem nunmehr verlorenen Kunden regelmäßig zwei Fahrer eingesetzt. In zeitlichem Zusammenhang mit dem Auftragsverlust hat die Beklagte zwei ihrer Arbeitnehmer entlassen. Ihren Schaden erblickt sie darin, dass sie für diese zwei Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist noch Lohnkosten aufwenden musste. Sie beziffert den Schaden auf 8.468,95 Euro brutto (wegen der Einzelheiten wird auf die in Kopie überreichten Lohnabrechnungen Bezug genommen, hier Blatt 55 bis 61). Die Beklagte hat diese Gegenforderung gegenüber den klägerischen Forderungen mit Schriftsatz vom 25. September 2009 (hier Blatt 26) zur Aufrechnung gestellt. Die Abschriften dieses Schriftsatzes sind am 29. September 2009 durch das Arbeitsgericht an den Kläger weitergeleitet worden (Blatt 27 R).

7

Der Kläger macht gegen die Beklagte mit der im Juli 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage den gestundeten Vergütungsbetrag von 2.495,80 Euro brutto, die Arbeitsvergütung für die Monate Mai und Juni 2009 in Höhe von je 1.460,00 Euro sowie die Spesen in Höhe von insgesamt 664,00 Euro und eine Vergütung für die Beiratstätigkeit für das Jahr 2008 in Höhe von 1.500,00 Euro geltend.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 20. Juli 2010 in vollem Umfang entsprechen, den Streitwert auf 7.579,80 Euro festgesetzt und in der Hauptsache wie folgt tenoriert:

9

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.920,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.460,00 Euro seit 01.06.2009 und aus weiteren 1.460,00 Euro seit 01.07.2009 zu zahlen.

10

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.495,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.07.2009 zu zahlen.

11

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 664,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.07.2009 zu zahlen.

12

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.500,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.07.2009 zu zahlen.

13

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel der vollständigen Abweisung der Klage weiter.

14

Die Beklagte sieht sich durch eine unerlaubte Handlung des Klägers geschädigt, sie wirft dem Kläger vor, er habe ihren Kunden noch während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses abgeworben. Sie behauptet dazu, der Kläger habe schon während des Arbeitsverhältnisses Kontakt mit der Firma gehabt und habe dort erreicht, dass diese Firma den Milchtransportvertrag mit der Beklagten am 4. Juni 2009 kündigt und statt dessen einen Vertrag über die Fuhrleistungen mit dem Kläger schließt. Die für die Beklagte verlorenen Touren seien wirtschaftlich lukrativ gewesen und hätten einen monatlichen Gewinn von 9.000,00 Euro ermöglicht. Der Kläger habe bereits lange vor seiner Kündigung gewusst, dass er den Auftrag von der Firma bekommen werde.

15

Für die durch diese Vertragskündigung betroffenen Touren seien die Mitarbeiter M. B. und W. F. beschäftigt worden. Ihnen sei wegen Verlust der Touren gekündigt worden und sie seien dann zum 15. August 2009 bzw. zum 20. September 2009 ausgeschieden. Für den Mitarbeiter M. B. seien Personalkosten im Juli 2009 in Höhe von 2.128,24 Euro und für den August 2009 in Höhe von 885,93 Euro entstanden und für den Mitarbeiter W. F. für Juli 2009 in Höhe von 2.246,12 Euro, für August 2009 in Höhe von 2.053,83 Euro und für September 2009 in Höhe von 1.154,83 Euro. Den insoweit insgesamt gezahlten Personalkosten in Höhe von 8.468,95 Euro hätten Leistungen der Mitarbeiter B. und F. nicht mehr gegenüber gestanden, da sie ausschließlich die Touren für die abgeworbene Firma bedient hätten. Andere Beschäftigungsmöglichkeiten hätten für diese beiden Arbeitnehmer nicht bestanden.

16

Die Aufrechnung mit den klägerischen Forderungen sei auch ohne Rücksicht auf die Pfändungsfreigrenzen uneingeschränkt zulässig, da der Forderung der Beklagten eine vorsätzliche Schädigung zu Grunde liege. Das ergebe sich schon aus dem Vortrag der Beklagten. Aber selbst dann, wenn man hilfsweise auf den klägerischen Vortrag abstelle, ergebe sich eine vorsätzliche Schädigung, denn die vom Kläger eingeräumte Beteiligung an einer Ausschreibung stelle bereits ein Einwirken auf die abgeworbene Firma dar.

17

Die Gegenforderung der Beklagten sei auch nicht wegen Ablauf der Ausschlussfrist verfallen. Auf die Ausschlussfristen nach § 18 Ziffer 4 MTV könne sich der Kläger nicht berufen, da Ansprüche des Arbeitgebers von dieser Regelung nicht erfasst seien.

18

Die Beklagte beantragt,

19

das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern

20

und die Klage abzuweisen.

21

Der Kläger beantragt,

22

die Berufung zurückzuweisen.

23

Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Ein Schadenersatzanspruch der Beklagten sei nicht schlüssig vorgetragen. Die Aufrechnung scheitere jedenfalls an den Pfändungsfreigrenzen, außerdem sei die Gegenforderung auch schon nach § 18 Ziffer 4 MTV verfallen.

24

Die Firma, für die er inzwischen die Milchtransporte durchführe, habe den Auftrag für den Transport von Milch neu ausgeschrieben. Trotz entsprechender Informationen habe sich die Beklagte an der Ausschreibung nicht beteiligt. Neben ihm hätten sich noch andere Firmen an der Ausschreibung beteiligt und er habe den Zuschlag erhalten. Er habe diese Firma während des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zwar als Kraftfahrer angefahren, habe aber sonst keinen weiteren Kontakt zu ihr aufgenommen. Insbesondere habe er während seines Arbeitsverhältnisses nicht auf die Firma eingewirkt und diese zur Kündigung des Vertragsverhältnisses zur Beklagten bewegt.

25

Der Kläger bestreitet auch die Höhe des geltend gemachten Schadens. Die Mitarbeiter B. und F. seien nach dem Auftragsverlust bei den Milchtransporten für den Fernverkehr eingeteilt worden und hätten u.a. Touren nach Dänemark gefahren. Beide Arbeitnehmer hätten allerdings nicht im Fernverkehr eingesetzt werden wollen und allein deshalb hätten man sich einvernehmlich darauf geeinigt, das Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Kündigung zu beenden. Es bestehe aber kein Zusammenhang zu dem Auftragsverlust, was man schon daran erkenne, dass nach deren Kündigung zwei neue Fahrer eingestellt und ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer in ein unbefristet Arbeitsverhältnis übernommen worden sei.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

27

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht in vollem Umfang stattgegeben. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht.

I.

28

Hinsichtlich Grund und Höhe der klägerischen Forderungen besteht zwischen den Parteien kein Streit. Das hat bereits das Arbeitsgericht festgestellt, ohne dass diese Feststellung durch die Berufung angegriffen wurde.

29

Das Gericht sieht daher keinen Anlass, die vom Kläger begehrte Beiratsvergütung für 2008 in Höhe von 1.500,00 Euro (Klageantrag zu 4.) in Frage zu stellen, zu deren Anspruchsgrundlage der Kläger eigentlich gar nichts vorträgt. - Angesichts des fehlenden Streits um diesen Posten sieht das Gericht auch keinen Anlass der Frage nachzugehen, ob diese Forderung auf dem Arbeitsverhältnis beruht oder auf dem Betriebsratsamt des Klägers oder gar auf einem eigenen Wahlamt des Klägers als Mitglied im Beirat der Beklagten, obwohl dies streng genommen Auswirkungen auf die Verfahrensart haben könnte, in der der Anspruch vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen ist. Selbst wenn der Anspruch wegen § 2a Absatz 1 Nr. 1 oder 3 ArbGG im Beschlussverfahren nach § 80 ff ArbGG hätte behandelt werden müssen, lassen sich angesichts des Obsiegens des Klägers nur geringfügige Unterschiede der Verfahrensarten erkennen. Der Beklagten sind jedenfalls durch die Behandlung des Antrages in der möglicherweise falschen Verfahrensart keine Nachteile entstanden.

II.

30

Die Aufrechnung der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 25. September 2009 mit einer Gegenforderung in Höhe von 8.468,95 Euro brutto wegen der angeblich sinnlos aufgewendeten Lohnkosten geht ins Leere. Ihr stehen bereits formelle Probleme entgegen. Im Übrigen ist die Gegenforderung nicht schlüssig vorgetragen.

1.

31

Die Aufrechnung ist bereits unzulässig, soweit sie wegen der unstreitigen Bruttolohnforderungen des Klägers (Klageanträge zu 1. und 2.) erklärt wurde.

32

Gegen Bruttolohnforderungen des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber nicht mit Gegenansprüchen aufrechnen, es sei denn - der Fall liegt hier aber nicht vor - die Höhe der Abzüge ist bekannt. Aufgerechnet werden kann nur gegen Nettolohnforderungen des Arbeitnehmers. Denn andernfalls wäre nicht klar, in welcher Höhe das Gericht über die Gegenforderung entschieden hat. Nach § 322 Absatz 2 ZPO ist "die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig". Der Umfang der Rechtskraft darf aber nicht unklar bleiben. Auch wenn die Klage aufgrund der Aufrechnung abgewiesen werden soll, muss feststehen, in welcher Höhe die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung erloschen ist (BAG 16. März 1994 - 5 AZR 411/92 - und BAG 13. November 1980 - 5 AZR 572/78 - beide nicht veröffentlicht aber über juris.de verfügbar; so auch BAG 5. Dezember 2002 - 6 AZR 569/01 - AP Nr. 32 zu § 394 BGB = NJW 2003, 2189 = NZA 2003, 802 für den umgekehrten Fall, dass der Arbeitnehmer seine Brutto-Lohnforderung gegen eine Arbeitgeberforderung zur Aufrechnung stellt).

33

Vorliegend hatte die Beklagte zwar erstinstanzlich angekündigt, für die eingeklagten Löhne würden Abrechnungen vorgelegt werden, damit der Netto-Lohnanspruch des Klägers sichtbar wird, der Ankündigung sind jedoch keine Taten gefolgt.

2.

34

Die Aufrechnung ist auch unzulässig, soweit sie sich gegen den Spesenanspruch des Klägers (Klageantrag zu 3.) richtet.

35

Nach § 394 BGB ist eine Aufrechnung mit einer Gegenforderung nur möglich, soweit die damit zu erledigende Forderung der Pfändung unterliegt. Das ist hinsichtlich der Spesenforderung nicht der Fall. Spesenzahlungen sind Aufwendungsersatzleistungen des Arbeitgebers, die nach § 850a Nr. 3 ZPO vollständig von der Pfändung ausgeschlossen sind.

36

Die Beklagte hat auch nicht den Nachweis geführt, dass die Spesen "den Rahmen des Üblichen" übersteigen und damit (teilweise) pfändbar sind. Eines dahingehenden Hinweises des Gerichts brauchte es nicht, denn die Höhe der Spesen in den einzelnen Monaten zeigt, dass die Beklagte jedenfalls nicht mehr an Spesen gezahlt hat, als sie steuerlich begünstigt zahlen kann. Solange der Arbeitgeber Spesen nur in dem Umfang bezahlt, wie die Zahlung steuerlich begünstigt ist, sprengen seine Zahlungen nicht den Rahmen des Üblichen (BAG 30. Juni 1971 - 3 AZR 8/71 - AP Nr. 4 zu § 850a ZPO = DB 1971, 1923).

3.

37

Ob die Aufrechnung gegen die klägerische Forderung auf Beiratsvergütung in Höhe von 1.500,00 Euro (Klageantrag zu 4.) bereits unzulässig ist, kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, da sich die Parteien zum Grund und zur Anspruchsgrundlage dieser Forderung ausgeschwiegen haben. - Dieser Aspekt bedarf aber keiner weiteren Aufklärung, denn selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten von einer Aufrechnungslage ausgeht, greift die Aufrechnung nicht, da die Beklagte nicht schlüssig dargelegt hat, dass ihr durch den Verlust des Milchtransportauftrages der von ihr geltend gemachte Schaden entstanden ist. Dafür kann sogar zu Gunsten der Beklagten als wahr unterstellt werden, dass der Kläger sich den Milchtransportauftrag noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses vertragswidrig und unter Missachtung seines Wettbewerbsverbots beschafft hat.

38

Der Schadensersatzanspruch der Beklagten scheitert schon daran, dass hier nicht festgestellt werden kann, dass der Beklagten durch die Vergütung der beiden später dann ausgeschiedenen Arbeitnehmer B. und F. in den Monaten Juli, August und - bei Herrn F. - September 2009 ein Schaden in Höhe der gezahlten Vergütungen entstanden ist. Denn aus den von der Beklagten vorgelegten Lohnabrechnungen dieser beiden Kollegen für die streitigen Monate ergibt sich ohne jeden Zweifel, dass diese für die Beklagte in jener Zeit tatsächlich tätig gewesen sein müssen. Denn anders lässt sich die Abrechnung von "Erschwernis", "Leistungszuschlag", "Nachtzuschlag", "Sonntagszuschlag", "Verpflegungsmehraufwand stfr" oder beispielsweise von "Überstundenzuschlag" (alles zitiert aus den Lohnabrechnungen Blatt 55 ff der Akte) nicht erklären. Eine andere Erklärung konnte auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf die Frage des Gerichts nicht aufbieten. Wenn aber die Arbeitnehmer in jener Zeit für die Beklagte tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht haben, könnte ein Schaden wegen der dabei aufgewendeten Löhne allenfalls dann anerkannt werden, wenn der Nachweis geführt würde, dass deren Einsatz eigentlich unproduktiv gewesen sei. Dafür fehlt es an jeglichem Hinweis.

39

Ergänzend hat das Gericht bei seiner Verneinung des Schadenseintritts berücksichtigt, dass die klägerische Behauptung, nach dem Ausscheiden der Kollegen B. und F. habe die Beklagte zwei weitere Arbeitnehmer neu eingestellt, von dieser nicht substantiiert bestritten worden ist; die klägerische Behauptung gilt damit prozessual als unstreitig. Aus dem Umstand der Neueinstellung kann geschlossen werden, dass die Beklagte Bedarf für die Arbeitsleistung der später ausgeschiedenen Kollegen B. und F. gehabt hatte. Damit kann deren Vergütung aber nicht als Schaden angesehen werden, der vom Kläger zu ersetzen ist.

III.

40

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen, da ihr Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).

41

Die Revision kann nicht zugelassen werden, da die gesetzlichen Voraussetzungen aus § 72 ArbGG dafür nicht vorliegen.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

Der Arbeitgeber und in den Fällen der nach § 7f Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben die Deutsche Rentenversicherung Bund hat gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Dieser Anspruch kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Beschäftigte seinen Pflichten nach § 28o Absatz 1 vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachkommt oder er den Gesamtsozialversicherungsbeitrag allein trägt oder solange der Beschäftigte nur Sachbezüge erhält.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

Der Arbeitgeber und in den Fällen der nach § 7f Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben die Deutsche Rentenversicherung Bund hat gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Dieser Anspruch kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Beschäftigte seinen Pflichten nach § 28o Absatz 1 vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachkommt oder er den Gesamtsozialversicherungsbeitrag allein trägt oder solange der Beschäftigte nur Sachbezüge erhält.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

Der Arbeitgeber und in den Fällen der nach § 7f Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben die Deutsche Rentenversicherung Bund hat gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Dieser Anspruch kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Beschäftigte seinen Pflichten nach § 28o Absatz 1 vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachkommt oder er den Gesamtsozialversicherungsbeitrag allein trägt oder solange der Beschäftigte nur Sachbezüge erhält.

(1) Der Beschäftigte hat dem Arbeitgeber die zur Durchführung des Meldeverfahrens und der Beitragszahlung erforderlichen Angaben zu machen und, soweit erforderlich, Unterlagen vorzulegen; dies gilt bei mehreren Beschäftigungen sowie bei Bezug weiterer in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragspflichtiger Einnahmen gegenüber allen beteiligten Arbeitgebern.

(2) Der Beschäftigte hat auf Verlangen den zuständigen Versicherungsträgern unverzüglich Auskunft über die Art und Dauer seiner Beschäftigungen, die hierbei erzielten Arbeitsentgelte, seine Arbeitgeber und die für die Erhebung von Beiträgen notwendigen Tatsachen zu erteilen und alle für die Prüfung der Meldungen und der Beitragszahlung erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Satz 1 gilt für den Hausgewerbetreibenden, soweit er den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zahlt, entsprechend.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.