Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 22. Nov. 2012 - 10 Sa 353/12

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2012:1122.10SA353.12.0A
bei uns veröffentlicht am22.11.2012

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29. Mai 2012, Az.: 11 Ca 4555/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.

2

Die Klägerin war vom 16.07.2001 bis zum 30.09.2011 bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 2.501,00 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch eine Eigenkündigung der Klägerin vom 19.07. zum 30.09.2011.

3

Im Bereich Produktmanagement/Einkauf, in dem die Klägerin beschäftigt war, wollte die Beklagte im Rahmen einer Betriebsänderung nach ihrem Vortrag zwei, nach dem Vortrag der Klägerin vier Vollzeitarbeitsplätze abbauen. Nachdem die zwei Arbeitnehmer F. G. und St. P. ihre Arbeitsverhältnisse bereits durch Eigenkündigungen vom 17.05. zum 31.07.2011 und vom 25.05. zum 31.08.2011 beendet hatten, war nach Ansicht der Beklagten die Betriebsänderung im Bereich Produktmanagement/Einkauf im Zeitpunkt der Kündigung der Klägerin am 19.07.2011 bereits vollzogen. Die Beklagte weigert sich deshalb, der Klägerin eine Abfindung nach dem Tarifsozialplan (TSP) zu zahlen, den sie am 13.07.2011 mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen hat.

4

Der TSP (Bl. 9-17 d.A.) lautet - auszugsweise - wie folgt:

5

㤠1 Geltungsbereich

6

1. Persönlich

7

Dieser Tarifsozialplan gilt für alle Mitarbeiter der C., deren Arbeitsplatz aufgrund einer Maßnahme infolge der Betriebsänderung „Neuausrichtung Logistik und Umsetzung des Projekts O.“ wegfällt oder sich ändert.

8

Er gilt jedoch nicht für:

9


Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis aufgrund eines Beendigungstatbestandes (z.B. Eigenkündigung, Kündigung oder Aufhebungsvertrag) endet, der vor Abschluss dieses Tarifsozialplans und vor dem 01.04.2011 gesetzt wurde, es sei denn, der Mitarbeiter wäre von der Betriebsänderung betroffen gewesen und die Beendigung wäre aus Anlass der Betriebsänderung erfolgt,

10

2. Sachlich

11

Der Tarifsozialplan gilt für alle Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der in Ziffer 1. beschriebenen Betriebsänderung stehen.

12

§ 5 Beendigung von Arbeitsverhältnissen

13

Mitarbeiter, die aufgrund der Betriebsänderung ausscheiden, haben Anspruch auf eine Gesamtabfindung. Diese besteht aus einem Grundabfindungsbetrag, einer individuell zu berechnenden Abfindung und ggf. aus einem Zuschlag.

14

§ 6 Ausscheiden auf arbeitnehmerseitigen Wunsch

15

Die von der Betriebsänderung betroffenen Mitarbeiter können bei der Personalleitung ab sofort ihren Austrittswunsch anmelden. Sie sind in vollem Umfang anspruchsberechtigt im Sinne dieses Tarifsozialplans.

16

§ 8 Ringtausch

17

Bietet ein Mitarbeiter zum Zwecke der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses mit einem anderen Mitarbeiter an, dass sein Arbeitsverhältnis ersatzweise beendet wird, so stimmt das Unternehmen der Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses zu, sofern die Weiterbeschäftigung dieses Mitarbeiters … nicht im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. …
…“

18

Mit ihrer am 21.12.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt die Klägerin eine Sozialplanabfindung in Höhe von € 21.256,50 brutto (€ 5.000,00 Grundbetrag zzgl. € 2.501,00 x 10 Jahre x 0,65 individueller Betrag).

19

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29.05.2012 (dort Seite 2-9 = Bl. 88-96 d.A.) Bezug genommen.

20

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

21

die Beklagte zu verurteilen, an sie € 21.256,50 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

22

Die Beklagte hat beantragt,

23

die Klage abzuweisen.

24

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.05.2012 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin erfülle nicht die Anspruchsvoraussetzungen des TSP, denn ihr Arbeitsplatz sei nach dem Ausscheiden der zwei Arbeitnehmer G. und P. nicht mehr von einer Maßnahme infolge der Betriebsänderung „Neuausrichtung Logistik und Umsetzung des Projekts O.“ betroffen gewesen. Sie sei nicht iSd. § 5 TSP „aufgrund der Betriebsänderung“ ausgeschieden, denn die maßgebliche Stellenabbauzahl von zwei Vollzeitarbeitsplätzen sei im Bereich Produktmanagement/Einkauf bereits erreicht gewesen. Ein zusätzliches Ausscheiden der Klägerin zum 30.09.2011 sei zur Umsetzung der Betriebsänderung nicht mehr erforderlich gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 9 bis 19 des erstinstanzlichen Urteils vom 29.05.2012 (Bl. 96-106 d.A.) Bezug genommen.

25

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 04.07.2012 zugestellt worden. Sie hat mit am 01.08.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 20.08.2012 eingegangenem Schriftsatz begründet.

26

Sie ist der Ansicht, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie nicht dem sachlichen Geltungsbereich des TSP unterfalle. Sie sei von der Betriebsänderung betroffen gewesen, denn im Zeitpunkt ihrer Eigenkündigung am 19.07.2011 sei die Stellenabbauzahl, die die Beklagte im Bereich Produktmanagement/Einkauf vorgegeben habe, nicht erreicht gewesen. Das Arbeitsgericht sei von einer falschen Stellenabbauzahl ausgegangen. Sie bestreite ausdrücklich, dass die Beklagte lediglich zwei Vollzeitarbeitsplätze zum Abbau vorgesehen habe. Sie habe bereits erstinstanzlich vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der Abbau von vier Vollzeitarbeitsplätzen im Bereich Produktmanagement/Einkauf vorgesehen gewesen sei (Beweis: Parteivernehmung der Klägerin, Zeugnis des Betriebsrats R. St.). Das belege auch der Umstand, dass der Mitarbeiter B. noch nach ihrem Ausscheiden versetzt worden sei.

27

Die Beklagte habe den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Im Zeitpunkt ihrer Eigenkündigung sei noch ein Vollzeitarbeitsplatz abzubauen gewesen. Sie hätte deshalb wie die Arbeitnehmer G. und P. behandelt werden müssen, denen die Beklagte - unstreitig - eine Abfindung gezahlt habe. Im Rahmen einer hypothetischen Sozialauswahl hätte ihr noch vor den Arbeitnehmern G. und P. gekündigt werden müssen. Insbesondere gegenüber dem Mitarbeiter P. (20 Jahre beschäftigt, verheiratet, ein Kind) habe sie über schlechtere Sozialdaten verfügt. Sie habe sich zur Eigenkündigung entschlossen, weil ihr Vorgesetzter ihr mitgeteilt habe, dass sie auf einer „Liste für Kündigungen“ stehe (Beweis: Parteivernehmung der Klägerin). Sie sei von der Betriebsänderung betroffen gewesen, weil sie auf einer neuen Kostenstelle geführt, in ein anderes Büro mit einem anderen Büronachbarn versetzt und ihr andere Arbeitsaufgaben zugewiesen worden seien.

28

Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt des Schriftsatzes der Klägerin vom 20.08.2012 (Bl. 126-133 d.A.) Bezug genommen.

29

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

30

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29.05.2012, Az. 11 Ca 4555/11, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie € 21.256,50 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

31

Die Beklagte beantragt,

32

die Berufung zurückzuweisen.

33

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 24.09.2012 (Bl. 156-163 d.A.), auf die Bezug genommen wird, als im Ergebnis zutreffend. Sie widerspricht einer Parteivernehmung der Klägerin.

34

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die erst- und zweitinstanzlich eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

35

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.

36

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der begehrten Abfindung in Höhe von € 21.256,50 brutto.

37

Die Berufungskammer folgt der Ansicht des Arbeitsgerichts, dass die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen des § 5 des Tarifsozialplans (TSP) vom 13.07.2011 auf Zahlung einer Abfindung nicht erfüllt. Die Klägerin ist nicht „aufgrund der Betriebsänderung“ aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden. Ihre Eigenkündigung vom 19.07. zum 30.09.2011 war nicht durch den Wegfall ihres Arbeitsplatzes veranlasst.

38

1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach der ständigen Rechtsprechung des BAG den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist stets abzustellen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und gesetzeskonformen Regelung führt (vgl. BAG 15.05.2012 - 7 AZR 785/10 - Rn. 21, Juris, mzN.).

39

2. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 5 TSP haben solche Mitarbeiter einen Anspruch auf Abfindung, die „aufgrund der Betriebsänderung ausscheiden“. Ein solcher Zusammenhang zwischen Betriebsänderung und Ausscheiden der Klägerin besteht nicht. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Arbeitsplatz der Klägerin im Zeitpunkt ihrer Eigenkündigung am 19.07. zum 30.09.2011 von der Personalreduzierungsmaßnahme nicht (mehr) betroffen war, nachdem die Arbeitnehmer F. G. und St. P. ihre Arbeitsverhältnisse bereits am 17.05. zum 31.07.2011 bzw. am 25.05. zum 31.08.2011 gekündigt hatten.

40

Die Beklagte wollte nach ihrem Vorbringen im Bereich Produktmanagement/Einkauf zwei und nicht vier Vollzeitarbeitsplätze abbauen. Ausweislich der Information für den Betriebsrat zum Projekt „O.“ vom 08.09.2010 und vom 24.11.2010 sollte der Bereich „Produktmanagement/Einkauf“ zukünftig in zwei Abteilungen gegliedert werden. Durch die neue Organisationsstruktur, die dem Betriebsrat im Detail vorgestellt worden ist, wollte die Beklagte zwei Vollzeitarbeitsplätze einsparen.

41

Soweit die Berufung ausdrücklich bestreitet, dass die Beklagte lediglich zwei Vollzeitarbeitsplätze abbauen wollte, verkennt sie die Darlegungs- und Beweislast. Dasselbe gilt für ihre Rüge, die Präsentation für den Betriebsrat zum Projekt „O.“ sei nicht geeignet, den bestrittenen Vortrag der Beklagten zu belegen. Es ist Sache der Klägerin, darzulegen, inwiefern ihr Arbeitsplatz von einer Betriebsänderung im Sinne des § 5 TSP betroffen und dies für ihre Eigenkündigung vom 19.07.2011 ursächlich war. Einen solchen Vortrag hat sie nicht gehalten. Ihre pauschale Behauptung, die Beklagte habe nicht zwei, sondern vier Vollzeitarbeitsplätze im Bereich Produktmanagement/Einkauf abbauen wollen, genügt nicht.

42

Die Berufung rügt ohne Erfolg, das Arbeitsgericht hätte über ihre bestrittene Behauptung, die Beklagte habe vier Vollzeitarbeitsplätze abbauen wollen, Beweis erheben müssen. Das Arbeitsgericht war nicht verpflichtet, dem Beweisangebot der Klägerin auf ihre eigene Parteivernehmung nachzugehen. Die eigene Parteivernehmung ist kein taugliches Beweisangebot. Gemäß § 445 Abs. 1 ZPO kann nur die Vernehmung des Gegners beantragt werden. Der Antrag der beweispflichtigen Klägerin auf ihre eigene Vernehmung setzt gemäß § 447 ZPO das Einverständnis der Beklagten voraus, das diese nicht erklärt hat. Die Beklagte hat vielmehr dem Antrag auf Parteivernehmung der Klägerin ausdrücklich widersprochen. Die Parteivernehmung von Amts wegen darf nach § 448 ZPO nur angeordnet werden, wenn aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht (LAG Rheinland-Pfalz 16.08.2011 - 3 Sa 167/11 –Rn. 51, Juris, mwN.). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

43

Auch der Beweisantritt auf Vernehmung des Betriebsrats R. St. als Zeugen war unzulässig, weil es sich um einen reinen Ausforschungsbeweis gehandelt hätte. Es fehlt jedweder konkrete Tatsachenvortrag wann genau, welche von der Beklagten bevollmächtigte Person, wem gegenüber, dem Betriebsrat mitgeteilt haben soll, die Beklagte wolle - entgegen ihrer Information für den Betriebsrat zum Projekt „O.“ vom 08.09.2010 und vom 24.11.2010 - im Bereich Produktmanagement/Einkauf nicht zwei, sondern vier Arbeitsplätze abbauen.

44

Dasselbe gilt für die Behauptung der Klägerin, ihr Vorgesetzter habe ihr mitgeteilt, dass sie auf einer „Liste für Kündigungen“ stehe. Auch hier fehlt jedweder konkrete Tatsachenvortrag, wann genau, welcher Vorgesetzter, ihr dies mitgeteilt haben soll. Nach dem Konzept des TSP bestand für die Arbeitnehmer die Möglichkeit, Austrittswünsche anzumelden (§ 6 TSP) und ggf. einen Ringtausch (§ 8 TSP) durchzuführen. Eine „Liste für Kündigungen“ wird im Sozialplan an keiner Stelle erwähnt. Im Übrigen war das Beweisangebot auf Parteivernehmung der Klägerin unzulässig. Die Beklagte hat dem Antrag auf Parteivernehmung der Klägerin ausdrücklich widersprochen. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO liegen nicht vor. Für die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin spricht gar nichts.

45

3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Sozialplanabfindung, weil ihr die Beklagte aus Anlass der Betriebsänderung einen anderen Büroraum zugewiesen hat, den sie mit einem anderen Büronachbarn teilen musste, sie auf einer anderen Kostenstelle führte und sich ihre Arbeitsaufgaben geändert haben. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 5 TSP sollen nur die Arbeitnehmer eine Abfindung erhalten, die aufgrund der Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren, also „ausscheiden“. § 5 TSP sieht keinen Abfindungsanspruch für Arbeitnehmer vor, die ihr Arbeitsverhältnis selbst kündigen, obwohl ihnen kein Verlust des Arbeitsplatzes droht.

46

Dieses Auslegungsergebnis wird durch den sich aus dem Gesamtzusammenhang des Tarifsozialplans ergebenden Regelungszweck bestätigt. Dieser besteht darin, die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen bzw. zu mildern, die den Arbeitnehmern entstehen, die ihren Arbeitsplatz wegen der Betriebsänderung verlieren. Das entspricht der in § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG beschriebenen Funktion eines Sozialplans. Für den hier zwischen der Gewerkschaft ver.di und der Beklagten abgeschlossenen TSP gilt nichts anderes.

47

4. Ein Abfindungsanspruch folgt auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Entgegen der Ansicht der Berufung ist die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin eine Abfindung zu zahlen, weil sie den Arbeitnehmern G. und P. eine Abfindung gezahlt hat.

48

Die Beklagte wollte - wie oben bereits ausgeführt - im Bereich Produktmanagement/Einkauf zwei Vollzeitarbeitsplätze abbauen. Dieser Stellenabbau war durch das freiwillige Ausscheiden der Arbeitnehmer G. und P. durch Eigenkündigungen vom 17.05. und 25.05.2011 zum 31.07. und 31.08.2011 erreicht. Der Arbeitsplatz der Klägerin war im Zeitpunkt ihrer Kündigung am 19.07.2011 von der Betriebsänderung nicht bedroht. Die Klägerin hatte keinen Arbeitsplatzverlust zu befürchten. Deshalb sind auch ihre Ausführungen zur „hypothetischen“ Sozialauswahl unbehelflich. Durch das freiwillige Ausscheiden der Arbeitnehmer G. und P. war die geplante Betriebsänderung abgeschlossen, bevor sich die Beklagte Gedanken zur sozialen Auswahl der zu Kündigenden machen musste.

III.

49

Nach alledem ist die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

50

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 22. Nov. 2012 - 10 Sa 353/12

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

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(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 22. Nov. 2012 - 10 Sa 353/12 zitiert 13 §§.

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(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 21. Dezember 2010 - 6 Sa 83/10 - aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 24. Juni 2010 - 1 Ca 23/10 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten - einer Transfergesellschaft - die Verlängerung des mit ihr geschlossenen befristeten Arbeitsvertrags um zwölf Monate.

2

Die Klägerin war seit dem 16. September 1991 bei der S GmbH bzw. deren Rechtsvorgängern als angelernte Arbeiterin beschäftigt. Sie ist 1955 geboren und Mitglied der Industriegewerkschaft (IG) Metall. Am 18. Juni 2008 schloss die S GmbH - damals noch firmierend unter A S GmbH - anlässlich der Stilllegung ihrer Produktion im Betrieb F mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und mit der IG Metall - Bezirksleitung Baden-Württemberg - einen Tarifsozialplan (TSP). Der TSP sieht für die von der Personalabbaumaßnahme betroffenen Beschäftigten ua. die Möglichkeit vor, in eine Transfergesellschaft - die Beklagte - zu wechseln. Der TSP, den die Beklagte unter der Zeile „unter Beitritt von R, soweit Rechte und Pflichten für R nach dieser Vereinbarung begründet sind“ unterzeichnet hat, lautet auszugsweise:

        

„A. Allgemeine Regelungen

        

Präambel

        

Geschäftsleitung der A S, IG Metall und Betriebsrat haben in langwierigen Verhandlungen vergeblich Maßnahmen zur Erreichung der Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit von A S erörtert. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Interessenausgleiches Bezug genommen, der Inhalt auch der Verhandlungen mit der IG Metall war. Die Parteien haben für die betroffenen Beschäftigten schließlich die nachfolgende Sozialplanregelung getroffen.

        

I. Allgemeiner Geltungsbereich des Sozialplans

        

1. Berechtigte Beschäftigte

        

Ansprüche aus diesem Sozialplan haben die von der Restrukturierung gem. dem Inhalt des Interessenausgleiches betroffenen Beschäftigten, die ihren Arbeitsplatz am Standort F aus betriebsbedingten Gründen verlieren. …

        

III. Individuelle Sozialplanformel

        

1. Anspruchsberechtigter Beschäftigtenkreis

        

Für die Inanspruchnahme der nachfolgend genannten Sozialplanabfindungen und zusätzlichen Abfindungsbeträgen sind die nachfolgend genannten Beschäftigten berechtigt:

        

Berechtigt sind die in Ziff. I.1. (Geltungsbereich) genannten Beschäftigten, sofern für sie nicht besondere Regelungen ausdrücklich vereinbart sind (z.B. rentennahe Beschäftigte (vgl. Ziff. II), Beschäftigte, die eine Nachqualifizierung mit Abschluss antreten (vgl. Ziff. VII.1. und VII.2.)).

        

…       

        

2. Sozialplanformel

        

Die Sozialplanabfindung errechnet sich aus der Formel:

        

Bruttomonatsverdienst x Betriebszugehörigkeit x 1,0

        

…       

        

8. Erhöhung Abfindung bei Wechsel in Transfergesellschaft

        

Die Abfindung erhöht sich für anspruchsberechtigte Beschäftigte im Sinne von III.1., die nach den Regelungen des Sozialplanes ein Angebot zum Wechsel in die Transfergesellschaft, nämlich ‚R-BQG’ annehmen, um 20 %, der Sozialplanabfindung nach III.2. max. um EUR 15.000,00. … Abweichende Regelungen hierfür gelten für Beschäftigte, die ein Angebot für eine qualifizierte Nachqualifizierung mit Berufsabschluss von R erhalten und vertragsgemäß annehmen. …

        

V. Vermittlungshilfen

        

...     

        

4. Profiling/Grundqualifizierung nach § 216a SGB III

        

…       

        

4.2 R wird in Abstimmung mit A S, IHK und Agentur für Arbeit auch Maßnahmen für eine Grundqualifizierung für Beschäftigte, die eine Eignung für eine qualifizierte Nachqualifizierung mit Abschluss bei der IHK (wie Industriemechaniker) mitbringen, prüfen und mit Zustimmung von A S und in Abstimmung mit den übrigen Vorgenannten vor einem Übertritt in die R durchführen. Die Zeiten für die Durchführung solcher Grundqualifizierungen für die vorgenannte Beschäftigtengruppe darf höchstens sechs Monate betragen und ist mit der Agentur für Arbeit vorab abzustimmen. ...

        

5. Wechsel in R-BQG

        

A S und Betriebsrat bzw. IG Metall haben zudem vereinbart, dass Beschäftigte die Möglichkeit haben, in eine Transfergesellschaft, also eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (i.F. ‚R-BQG’) zu wechseln. Diesen ‚R-Beschäftigten’ werden nach Maßgabe der näheren Regelungen qualifizierte Nachqualifizierungsmaßnahmen mit Abschluss IHK und Qualifizierungsmaßnahmen und Qualifizierungshilfen auf der Grundlage zuvor durchgeführter Profiling-Maßnahmen erarbeitet und angeboten.

        

VI. Voraussetzungen und Konditionen in der Transfergesellschaft

        

1. Angebot/Wechsel in R-BQG

        

Alle nach diesem Sozialplan berechtigten Beschäftigten erhalten von R nach Maßgabe der nachfolgend vereinbarten Bedingungen und der ‚Vereinbarung zur Schaffung von BQG-Strukturen’, die als Anlage 1 zu diesem Sozialplan beigefügt ist, ein Angebot zum Wechsel in die ‚R-BQG’.

        

2. Verweildauer/Übertrittszeitpunkte

        

2.1 Für Beschäftigte, die bei A S in einem abgeschlossenen Ausbildungsberuf tätig sind, beträgt die Laufzeit 12 Monate. Im Übrigen beträgt die Laufzeit/Verweildauer für jeden berechtigten Beschäftigten 15 Monate.

        

Der Übertritt ist zu dem von A S vorgegebenen Zeitpunkt und unter Beachtung des durchgeführten Transferplanes anzubieten. Übertrittstermine sind der 01.08.2008, 01.09.2008, 01.10.2008 und 01.01.2009.

        

...     

        

3. Verlängerte Laufzeit für besondere Beschäftigtengruppen

        

R-BQG wird einen von der Stilllegung und Problemen im Arbeitsmarkt besonders betroffenen Personenkreis eine Verlängerung der Verweildauer auf insgesamt 24 Monate anbieten.

        

Vorrangig berechtigt für eine solche Verlängerung sind Beschäftigte, die am Stichtag des 31.12.2008 das 50. Lebensjahr vollendet haben und bei A S nicht in einem abgeschlossenen Ausbildungsberuf tätig waren. Die Verlängerung darf aus diesem Personenkreis für max. 40 Personen erfolgen und ist zunächst aus zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Restmitteln (Qualifizierungskosten sowie Vergütungszuschüsse) zu finanzieren. Reichen diese nicht aus, wird A S die jeweils benötigten Mittel zur Verfügung stellen. Ist eine personelle Auswahl erforderlich, entscheidet die R-BQG mit vorheriger Zustimmung durch den Beirat im 13. BQG-Monat.

        

...     

        

VII. Bildungsangebote und Qualifizierungsmöglichkeiten bei R-BQG

        

1. Nachqualifizierung mit Abschluss zum Industriemechaniker

        

IG Metall, Betriebsrat und A S haben vereinbart, dass R-BQG in Abstimmung mit IHK und der Agentur für Arbeit bis zu 15 vom Wegfall ihres Arbeitsplatzes betroffenen Beschäftigten eine Nachqualifizierung mit Abschluss als Industriemechaniker am Standort der A S anbieten wird. Diese Qualifizierung wird im Wesentlichen am Standort in F durchgeführt. A S wird hierzu auch ihren Ausbildungsleiter für Industriemechaniker zur Verfügung stellen.

        

2. Weitere Nachqualifizierungen mit IHK-Abschluss

        

R ist von den Parteien zudem beauftragt, für weitere 15 vom Wegfall ihres Arbeitsplatzes betroffene Beschäftigte eine qualifizierte Nachqualifizierung mit IHK-Abschluss in Abstimmung mit IHK und Agentur für Arbeit kurzfristig zu prüfen und nach vorheriger Abstimmung mit A S anzubieten. Sollte die unter Ziff. 1 genannten Zahl von Nachqualifizierungen für Industriemechaniker nicht erreicht werden, können die Qualifizierungsangebote nach Ziff. 2 entsprechend erhöht werden.

        

3. Dauer der Nachqualifizierungszeiten

        

Die Dauer der o.g. (Ziff. 1 und 2) qualifizierten Nachqualifizierungen mit IHK-Abschluss wird R-BQG unverzüglich durch Absprache mit IHK und Agentur für Arbeit ermitteln. Sie darf höchstens 12 Monate betragen.

        

Der Zeitpunkt des Wechsels für Beschäftigte, die eine Nachqualifizierung nach Maßgabe von Ziff. VII.1. und 2. angeboten erhalten, wird zwischen A S und R einvernehmlich unter Einbeziehung von IHK und Agentur für Arbeit festgelegt. Soweit für solche Beschäftigte eine allgemeine Grundqualifizierung erforderlich ist, wird diese im Rahmen einer bezahlten Freistellung dieser Beschäftigten für die Dauer der Grundqualifizierung, höchstens aber für sechs Monate nach Maßgabe der Regelungen unter Ziff. V.4.2. durchgeführt. Ein Wechsel in die R-BQG erfolgt erst mit Abschluss der erforderlichen Grundqualifizierung.

        

4. Abfindungsleistungen für Beschäftigte in Nachqualifizierung mit IHK-Abschluss

        

Beschäftigte, die nach Maßgabe der vereinbarten Bedingungen von R-BQG eine Qualifizierung in einem der gem. Ziff. 1 und 2 vorgenannten Nachqualifizierungen angeboten erhalten und annehmen, erhalten bei Übertritt in R-BQG die Sozialplanabfindung gem. Ziff. III.2-7. (Grundsozialplanabfindung). Sie erhalten keine ‚Wechselabfindung’ gem. Ziff. III.8. Bei erfolgreichem Abschluss der Ausbildung erhalten Sie von R-BQG eine sog. Nachqualifizierungsprämie als sozialversicherungspflichtigen Bruttobetrag in Höhe von 10 % der individuellen Abfindung gem. Ziff. III.2-7.

        

5. Sonstige Qualifizierungen bei R-BQG

        

A S, Betriebsrat und IG Metall haben R-BQG jeweils auch beauftragt, für die weiteren betroffenen Beschäftigten unverzüglich nach Maßgabe der Auswertung des Profiling berufsqualifizierende und -fördernde Qualifizierungsmaßnahmen zu erarbeiten und den betroffenen Beschäftigten während ihrer Zeit bei R-BQG zur Verfügung zu stellen. Die näheren Einzelheiten sind in der gesonderten Vereinbarung gem. Anlage 1 geregelt.

        

6. Einrichtung Beirat

        

Für die Überwachung und Kontrolle der Tätigkeit von R-BQG wird ein Beirat eingerichtet. Einzelheiten hierzu sind der Regelegung zur Schaffung der R-BQG vom 18.06.2008 vereinbart.

        

Im übrigen gelten für die Regelungsinhalte gem. VI und VII ergänzend die Inhalte der Vereinbarung über die Schaffung der R-BQG. Diese Vereinbarung ist als Anlage 1 beigefügt und auch Bestandteil der vorliegenden Vereinbarung.

        

…“    

3

In der Anlage 1 zum TSP, überschrieben mit „Vereinbarung zur Schaffung der R-BQG bei A S vom 18.06.2008“ und geschlossen am 18. Juni 2008 von der A S GmbH, der IG Metall - Bezirksleitung Baden-Württemberg -, dem Betriebsrat der A S GmbH (Standort F) und der Beklagten, heißt es ua.:

        

㤠1 Vorbemerkung

        

Den vom Personalabbau betroffenen Beschäftigten gemäß den Betroffenenlisten zum Interessenausgleich vom 18.06.2008 wird ein befristetes Arbeitsverhältnis in der R, Projekt A-R-BQG, angeboten, um für diese Zeit vor Arbeitslosigkeit bewahrt zu sein, an Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen und mit größerer Erfolgsaussicht in eine neue Arbeitsstelle vermittelt werden zu können.

        

§ 2 R-Vertragszeiten und Begrenzung

        

Die A-R-BQG beginnt am 01.08.2008 und ist in mehrere Eintrittsstufen, wie folgt, gegliedert:

        

01.08.2008

        

01.09.2008

        

01.10.2008

        

01.01.2009

        

Die Zuordnung der Betroffenen zu den jeweiligen Eintrittsstufen wird in einer gesonderten Liste, die dieser Vereinbarung als Anlage 1 beigefügt wird, festgelegt. …

        

§ 6 Aufgaben der R GmbH

        

1. Gem. Ziff. A V.4. des Sozialplanes vom 17.06.2008 wird die R hiermit von A S beauftragt, die Profiling-Maßnahmen unverzüglich, und noch vor dem Übertritt in die R durchzuführen. R wird ebenfalls beauftragt, nach Maßgabe der Regel gem. Ziff. A V.4. eventuelle Grundqualifizierungen durchzuführen und dabei für A S sicherzustellen, dass die Voraussetzungen nach § 216a SGB III erfüllt werden.

        

...     

        

3. Der R obliegt die Vorbereitung und Durchführung von Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen nach Maßgabe der Vereinbarung unter A VI und VII des Sozialplans. …

        

§ 9 Beirat

        

1. Für die A-R II wird ein Beirat gebildet und wie folgt besetzt:

        

für den Betriebsrat

1 Mitglied (W. K.)

        

für A S

1 Mitglied (M. L.)

        

Die Beiratstätigkeit ist unentgeltlich.

        

Dem Beirat obliegen insbesondere folgende Aufgaben:

        

- Überwachung Qualifizierungsangebote

        

- Kontrolle über die ordnungsgemäße Mittelverwendung

        

- Genehmigung von Qualifizierungsmaßnahmen, die den der R zur Verfügung gestellten Qualitopf übersteigen

        

- Verlängerung von Laufzeiten gem. A VI.3. des Tarifsozialplans sowie bei begründeten Einzelfällen

        

- Entlastung der R

        

- Entlastung des Treuhänders

        

…“    

4

Der nach § 9 der Anlage 1 zum TSP gebildete Beirat beschloss am 26. März 2009:

        

„In Ergänzung zum Tarifsozialplan vom 18.06.2008 wird folgende Regelungsabrede getroffen:

        

Beiratsbeschluß gem. § 9 der Vereinbarung zur Schaffung der R-BQG bei A S vom 18.06.2008:

        

Der Beirat hat folgende Kriterien zur Auswahl der Berechtigten BQG-Mitarbeiter zur Verlängerung der Laufzeit gem. § VI; Pkt. 3 des Tarifsozialplans auf insg. 24 Monate beschlossen:

        

•       

Alter des Mitarbeiters (in vollen Jahren),

                 

hierbei gilt: das höhere Lebensalter ist maßgebend

                 

Bei gleichem Alter wird ein weiteres Ranking nach folgenden Kriterien vorgenommen:

                 

a)    

Schwerbehinderung

                          

(Schwerbehinderungseigenschaft ist maßgebend)

                 

b)    

Betriebszugehörigkeit

                          

(Die längere BZG in der A S GmbH ist maßgebend)

                 

Falls mehr Mitarbeiter berechtigten Anspruch auf die Verlängerung gem. § VI Pkt. 3 des Tarifsozialplans vom 18.06.2008 erheben, als die Maximalanzahl zulässt, ist zwischen allen BQG_R Mitarbeitern mit 15 Monaten Laufzeit nach Maßgabe dieser Kriterien eine Ranking-Liste zu erstellen und damit die Teilnehmer im Rahmen der vereinbarten Maximalanzahl festzulegen.

                 

Grundsätzlich sind hierbei die Kriterien Lebensalter und anschließend die Punkte a) und b) in der dargestellten Reihenfolge ausschlaggebend.“

5

Die Klägerin unterzeichnete unter dem 7. Juli 2008 einen ihr übersandten dreiseitigen „BQG-Vertrag“, in dessen Teil 1 ua. die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mit der A S GmbH „mit Ablauf des 31.12.2008“ sowie die Zahlung einer - unter Einbeziehung der „Wechselprämie“ erhöhten - Abfindung nach dem TSP niedergelegt war und dessen Teil 2 die Begründung eines befristeten Anstellungsverhältnisses mit der Beklagten für die Zeit vom 1. August 2008 bis zum 31. Oktober 2009 vorsah. Am 24. Juli 2008 vereinbarten die Parteien, dass die Klägerin an einer Nachqualifizierung mit IHK-Abschluss iSv. Teil A. Abschn. VII. Ziff. 2 TSP teilnimmt. Vom 1. September 2008 bis zum 28. Februar 2009 absolvierte die Klägerin im mit der A S GmbH fortbestehenden Arbeitsverhältnis eine Grundqualifizierung. Das sich anschließende Arbeitsverhältnis mit der Beklagten war abweichend von der Festlegung im „BQG-Vertrag“ für die Zeit vom 1. März 2009 bis zum 28. Februar 2010 (zwölf Monate) befristet.

6

In einer auf den 2. November 2009 datierenden tabellarischen Aufstellung sind unter der Überschrift „Finanzbedarf A-S-R III Vertragsverlängerungen“ 40 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgeführt, welche - so der Vortrag der Klägerin - „von der Verlängerung der BQG-Laufzeit profitieren sollten“. Unter den angeführten Mitarbeitern sind auch solche, die, anders als die Klägerin, am 31. Dezember 2008 das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten.

7

Nachdem die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 21. Oktober 2009 erfolglos eine Verlängerung ihres befristeten Arbeitsverhältnisses bis zum 28. Februar 2011 beansprucht hat, hat sie dieses Begehren mit ihrer der Beklagten am 12. Januar 2010 zugestellten Klage weiterverfolgt. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei nach dem TSP verpflichtet, den Vertrag mit ihr zu verlängern. Sie habe einen Anspruch darauf, 24 Monate in der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft zu verweilen. Sie erfülle die im TSP für eine Vertragsverlängerung bestimmten Anspruchsvoraussetzungen der Tätigkeit bei der A S GmbH als ungelernte Arbeitnehmerin und der Vollendung des 50. Lebensjahres am Stichtag 31. Dezember 2008. Der Umstand, dass sie sich für eine Nachqualifizierung gemäß Teil A. Abschn. VII. Ziff. 2 TSP entschieden habe, schließe ihren Anspruch auf eine Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrags mit der Beklagten nicht aus; dies gebiete schon der Gleichbehandlungsgrundsatz. Die vom Beirat aufgestellten Auswahlkriterien für die Arbeitnehmer, die einen längeren Vertrag angeboten bekommen sollten, seien nicht entscheidend. Jedenfalls wäre sie auch bei Anwendung dieser Auswahlgrundsätze bei dem Angebot einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten vorrangig vor anderen - jüngeren - Arbeitnehmern zu berücksichtigen gewesen.

8

Die Klägerin hat zuletzt - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses entsprechend den Bedingungen des zwischen ihnen abgeschlossenen Arbeitsvertrags vom 7. Juli 2008 über den 28. Februar 2010 hinaus bis zum 28. Februar 2011 zuzustimmen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Klägerin gehöre nicht zu den von der Stilllegung und den Problemen am Arbeitsmarkt besonders betroffenen Personen, die eine Verlängerung des mit ihr geschlossenen Vertrags beanspruchen könnten. Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien habe sich die Verlängerungsmöglichkeit nicht auf die sog. „Nachqualifizierer“ iSv. Teil A. Abschn. VII. Ziff. 2 TSP bezogen.

10

Das Arbeitsgericht hat die - ursprünglich auch gegen die S GmbH gerichtete - Klage abgewiesen. Auf die nur die Klageabweisung gegen die Beklagte betreffende Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht nach dem Klageantrag erkannt. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht nach dem Klageantrag erkannt. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Abgabe der auf eine Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärung. Ein solcher Anspruch folgt entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht aus Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 TSP iVm. dem Beiratsbeschluss vom 26. März 2009. Die Tarifvertragsparteien haben den Kreis der für eine Verlängerung des befristeten Vertrags mit der Beklagten nach Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 Satz 1 TSP in Frage kommenden berechtigten Beschäftigten auf den „von der Stilllegung und Problemen im Arbeitsmarkt besonders betroffenen Personenkreis“ beschränkt. Diejenigen Arbeitnehmer, die wie die Klägerin eine Nachqualifizierung iSv. Teil A. Abschn. VII. Ziff. 2 TSP vereinbart haben, fallen nicht unter diese besondere Beschäftigtengruppe. Dies ergibt die Auslegung der Vorschriften des TSP, der weder der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz noch der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG entgegenstehen.

12

I. Die Klage ist zulässig.

13

1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe einer Annahmeerklärung begehrt. Ihr geht es mit der erstrebten Fiktion der Abgabe der Annahmeerklärung nach § 894 Satz 1 ZPO um das Zustandekommen eines bis zum 28. Februar 2011 befristeten Arbeitsvertrags mit der Beklagten, das sie mit übereinstimmenden Willenserklärungen - Antrag und Annahme (§§ 145 bis 147 BGB) - erwirken möchte. Ein entsprechendes Angebot hat sie mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 21. Oktober 2009 abgegeben; es liegt im Übrigen spätestens in ihrer der Beklagten am 12. Januar 2010 zugestellten Klage.

14

2. In diesem Verständnis ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

15

a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Der Kläger muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung er begehrt. Er hat den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und über die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung (§ 322 Abs. 1 ZPO)zwischen den Parteien entschieden werden kann (vgl. BAG 19. Oktober 2011 - 7 AZR 743/10 - Rn. 18 mwN). Ein - wie vorliegend - auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichteter Antrag ist nur dann bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn er so gefasst ist, dass der Inhalt der nach § 894 Satz 1 ZPO fingierten Erklärung klar ist. Zur Ermittlung des Inhalts einer mit der Klage erstrebten Willenserklärung können - wie auch bei anderen auslegungsbedürftigen Klageanträgen - die Klagebegründung und das schriftsätzliche Vorbringen des Klägers herangezogen werden. Geht es um den Abschluss eines Arbeitsvertrags, muss die nach der speziellen Vollstreckungsregel des § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben geltende Willenserklärung den für eine Vertragseinigung notwendigen Mindestinhalt umfassen (essentialia negotii).

16

b) Nach diesen Grundsätzen ist der Inhalt des (anzunehmenden) Arbeitsvertrags ausreichend konkretisiert.Der Zeitpunkt der Wirkung der Abgabe der Annahmeerklärung ist bezeichnet. Die wesentlichen Vertragsbestandteile sind wegen der Bezugnahme auf die Bedingungen des von der Klägerin am 7. Juli 2008 unterzeichneten Vertragstextes hinlänglich beschrieben.

17

3. Für den Antrag besteht ein Rechtsschutzbedürfnis. Dem steht nicht entgegen, dass das von der Klägerin erstrebte Vertragsverhältnis - jedenfalls mittlerweile - beendet ist und in der Vergangenheit liegt. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit einer vergangenheitsbezogenen Feststellungsklage (vgl. zB 6. November 2002 - 5 AZR 364/01 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 78 = EzA ZPO § 256 Nr. 68) ist auf eine Leistungsklage nicht übertragbar. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage folgt ohne weiteres aus der Nichterfüllung des materiell-rechtlichen Anspruchs. Hierfür genügt regelmäßig die Behauptung der klagenden Partei, dass der von ihr verfolgte Anspruch bestehe. Ob ein solcher Anspruch gegeben ist, ist eine Frage seiner materiell-rechtlichen Begründetheit. Nur ausnahmsweise können besondere Umstände das Verlangen, in die materiell-rechtliche Prüfung des Anspruchs einzutreten, als nicht schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. BAG 9. Mai 2006 - 9 AZR 278/05 - Rn. 12 f. mwN, AP BErzGG § 15 Nr. 47). Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich vorliegend nicht.

18

II. Die Klage ist unbegründet.

19

1. Dies folgt allerdings nicht bereits aus dem Umstand, dass die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe der Annahmeerklärung zum 1. März 2010 - im Antrag ist formuliert „über den 28. Februar 2010 hinaus“ - (rück-)wirken soll. Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, die auf eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist. Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf die Leistung zwar ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder jedermann unmöglich ist. Im Unterschied zum alten Recht ist in § 311a Abs. 1 BGB aber klargestellt, dass ein Vertrag selbst dann nicht nichtig ist, wenn er in der Vergangenheit tatsächlich nicht durchgeführt werden kann. Die rückwirkende Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch Urteil ist demnach zulässig. Ausgeschlossen ist lediglich eine gerichtliche Entscheidung, mit der ein Arbeitsverhältnis mit Rückwirkung zu einem Zeitpunkt vor der (fingierten) Abgabe des Angebots begründet werden soll (vgl. BAG 19. Oktober 2011 - 7 AZR 743/10 - Rn. 24 f. mwN). Solch eine Konstellation liegt hier nicht vor.

20

2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Beklagte aber nicht nach Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 Satz 1 TSP iVm. dem Beiratsbeschluss vom 26. März 2009 zur Abgabe der mit der Klage verlangten Annahmeerklärung verpflichtet. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beklagte an den TSP normativ iSv. § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG gebunden ist - hierfür müsste sie selbst Partei des Tarifvertrags sein(vgl. § 3 Abs. 1 TVG)- oder ob sie schuldrechtlich zur Erfüllung der in dem TSP geregelten, sie betreffenden Pflichten gehalten ist. Jedenfalls erfüllt die Klägerin die tariflichen Anspruchsvoraussetzungen für eine Vertragsverlängerung nicht. Sie gehört nicht zu der Beschäftigtengruppe, für die nach Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 TSP die Möglichkeit einer Verlängerung des „BQG-Vertrags“ mit der Beklagten vorgesehen ist. Wie die Auslegung dieser Tarifvorschriften - ua. in einer systematischen Zusammenschau mit anderen Bestimmungen im TSP - ergibt, haben die Tarifvertragsparteien diejenigen Beschäftigten, die wie die Klägerin eine Nachqualifizierung gemäß Teil A. Abschn. VII. Ziff. 2 TSP vereinbart haben, nicht als „besondere Beschäftigtengruppe“ iSv. Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 TSP angesehen.

21

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist stets abzustellen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und gesetzeskonformen Regelung führt (vgl. zB BAG 15. Februar 2012 - 7 AZR 626/10 - Rn. 30 mwN; 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 30 mwN, BAGE 124, 110; 30. Mai 2006 - 1 ABR 21/05 - Rn. 29 mwN, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 9). Hieran würde sich auch nichts ändern, wenn die Beklagte dem zwischen der S GmbH und der IG Metall geschlossenen Tarifvertrag lediglich mit schuldrechtlicher Wirkung zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer beigetreten wäre.

22

b) Hiervon ausgehend sind die Bestimmungen im TSP so zu verstehen, dass sie bei der Möglichkeit der Verlängerung der „Verweildauer“ in der BQG zwischen den Beschäftigten, die das Angebot einer Nachqualifizierung iSv. Teil A. Abschn. VII. Ziff. 1 oder 2 TSP annehmen, und den anderen zur Transfergesellschaft gewechselten Arbeitnehmern unterscheiden. Die Regelung von Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 TSP beinhaltet keinen Anspruch auf Verlängerung des Vertrags mit der Beklagten auf insgesamt 24 Monate für Beschäftigte, die - wie die Klägerin - ein Nachqualifizierungsangebot angenommen haben.

23

aa) Auf ein solches Verständnis deutet bereits der Wortlaut der tariflichen Vorschriften.

24

(1) Während die für eine Vertragsverlängerung in Frage kommende „besondere Beschäftigtengruppe“ nach Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 Satz 1 TSP mit „von der Stilllegung und Problemen im Arbeitsmarkt besonders betroffen“ beschrieben ist, heißt es bei dem für das Angebot einer Nachqualifizierung in Frage kommenden Arbeitnehmern nach Teil A. Abschn. VII. Ziff. 1 und 2 TSP „vom Wegfall ihres Arbeitsplatzes betroffene Beschäftigte“. Auch zeigt die Beschreibung der Beschäftigtengruppe in Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 Satz 1 TSP anhand deren besonderer Betroffenheit, dass die Tarifvertragsparteien innerhalb der zu der Transfergesellschaft gewechselten Arbeitnehmer differenzieren und nur für bestimmte Beschäftigte die Möglichkeit einer verlängerten Vertragslaufzeit regeln wollten. Nach Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 Satz 2 TSP sind bestimmte Arbeitnehmer wegen ihres Lebensalters und ihrer fehlenden Qualifikation zwar insoweit bevorzugt berechtigt. Entgegen der Auffassung der Klägerin bedeutet dies aber nicht, dass bei einer Erfüllung dieser Kriterien (Lebensalter und fehlende Qualifikation) stets eine Vertragsverlängerung anzubieten ist. Der Ausdruck „vorrangig“ beinhaltet lediglich eine Priorität. Der Text der Tarifvorschriften spricht jedenfalls eher dafür, dass zunächst der „von der Stilllegung und Problemen im Arbeitsmarkt besonders betroffene“ Personenkreis nach Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 Satz 1 TSP zu bestimmen ist, bevor die „Vorrangbestimmung“ nach Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 Satz 2 TSP überhaupt greift.

25

(2) Der Formulierung in Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 Satz 5 TSP, nach der im Fall einer erforderlichen personellen Auswahl eine Entscheidung „im 13. BQG-Monat“ erfolgt, kann entnommen werden, dass die Tarifvertragsparteien eine verlängerte Laufzeit nur für die Beschäftigten regeln wollten, die mit einem auf 15 Monate befristeten „BQG-Vertrag“ zur Transfergesellschaft gewechselt sind. Damit kommen die bei der S GmbH in einem abgeschlossenen Ausbildungsberuf tätig gewesenen Arbeitnehmer für eine verlängerte Verweildauer in der BQG von vornherein nicht in Betracht, denn deren Verträge mit der Beklagten sind nach Teil A. Abschn. VI. Ziff. 2.1 Satz 1 TSP (nur) auf zwölf Monate befristet. Eine Entscheidung über eine Vertragsverlängerung „im 13. BQG-Monat“ kann es nur hinsichtlich der Arbeitnehmer geben, für die nach Teil A. Abschn. VI. Ziff. 2.1 Satz 2 TSP die „Laufzeit/Verweildauer“ 15 Monate beträgt. Für die eine Nachqualifizierung iSv. Teil A. Abschn. VII. Ziff. 1 und 2 TSP in Anspruch nehmenden Arbeitnehmer ist insofern zwar eine „Laufzeit/Vertragsdauer“ nicht ausdrücklich bestimmt. Teil A. Abschn. VII. Ziff. 3 Satz 2 TSP legt die Dauer der „qualifizierten Nachqualifizierungen mit IHK-Abschluss“ aber auf „höchstens 12 Monate“ fest. Entsprechend haben die Klägerin und die Beklagte auch - anders als ursprünglich vorgesehen - einen Vertrag mit einer Laufzeit von nur zwölf Monaten geschlossen.

26

bb) Systematik und Gesamtzusammenhang der Tarifbestimmungen streiten für die Auslegung, die „Nachqualifizierer“ iSv. Teil A. Abschn. VII. Ziff. 1 und 2 TSP nicht als „besondere Beschäftigtengruppe“ iSv. Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 TSP anzusehen. Der TSP unterscheidet in seinem Teil A. Abschn. VI. unter der Überschrift „Voraussetzungen und Konditionen in der Transfergesellschaft“ zwischen den Beschäftigten, die bei der A S GmbH in einem abgeschlossenen Ausbildungsberuf tätig waren, und den übrigen berechtigten Beschäftigten. In Teil A. Abschn. VII. des TSP sind unter der Überschrift „Bildungsangebote und Qualifizierungsmöglichkeiten bei R-BQG“ ua. die Möglichkeiten einer Nachqualifizierung mit Abschluss zum Industriemechaniker oder mit IHK-Abschluss aufgeführt. Für die Arbeitnehmer, die diese Möglichkeit wahrnehmen, gelten besondere Vorschriften zu den Abfindungsleistungen (vgl. Teil A. Abschn. III. Ziff. 8 und Abschn. VII. Ziff. 4 TSP) sowie zum Zeitpunkt des Wechsels zur Beklagten und zu einer ggf. erforderlichen - während des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses mit der S GmbH zu absolvierenden - Grundqualifizierung (vgl. Teil A. Abschn. VII. Ziff. 3 Unterabschn. 2 Satz 1 bis Satz 3 und Ziff. 4 sowie Abschn. V. Ziff. 4.2 TSP). Dies ist ein gewichtiger Anhaltspunkt dafür, die „Nachqualifizierer“ als eine gesonderte Beschäftigtengruppe anzusehen, für die nach dem Willen der Tarifvertragsparteien andere Konditionen gelten sollen als für die übrigen zur Transfergesellschaft Gewechselten.

27

cc) Sinn und Zweck der Tarifvorschriften bestätigen ein Verständnis dahingehend, dass die in Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 Satz 1 TSP festgelegte Möglichkeit einer Verlängerung der Verweildauer in der Transfergesellschaft nicht diejenigen Beschäftigten erfasst, die eine Nachqualifizierungsmaßnahme nach Teil A. Abschn. VII. Ziff. 2 TSP vereinbart haben. Der TSP beinhaltet ua. Regelungen über den Wechsel der von der Betriebsänderung bei der A S GmbH betroffenen - und damit konkret von Arbeitslosigkeit bedrohten - Mitarbeiter in eine Transfergesellschaft mit dem Zweck der Vermittlung in neue Beschäftigungsverhältnisse. Die Nachteile für die vom Wegfall des Arbeitsplatzes betroffenen Arbeitnehmer sollen nicht ausschließlich durch finanzielle Abfindungen ausgeglichen werden, sondern auch durch Transfermaßnahmen iSv. § 110 SGB III(bis zum 31. März 2012: § 216b SGB III). Durch Vermittlungs- und Qualifizierungsangebote soll der Übergang in eine andere Beschäftigung erleichtert sowie die Zeit bis zur Aufnahme einer anderen Beschäftigung überbrückt werden. Die Möglichkeit einer verlängerten Verweildauer in der Transfergesellschaft nach Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 TSP trägt ersichtlich dem Umstand Rechnung, dass für bestimmte - besonders betroffene - Beschäftigte („Härtefälle“) im Hinblick auf eine Verbesserung ihrer Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt und ihre berufliche Neuorientierung eine verlängerte Verweildauer in der Transfergesellschaft angezeigt ist. Hat sich die Verbesserung von Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt und eine berufliche Neuorientierung aber durch die Inanspruchnahme einer Nachqualifizierung mit IHK-Abschluss bereits konkret realisiert, liegt strukturell keine besondere Betroffenheit iSv. Satz 1 von Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 TSP vor, ohne dass es im Einzelfall auf einen erfolgreichen Abschluss der Nachqualifizierung ankäme. Es bedarf keiner (weiteren) Transferleistung im Wege der Verlängerung des „BQG-Vertrags“.

28

dd) Bei einer Anwendung der „Härtefallregelung“ von Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 TSP auf die „Nachqualifizierer“ iSv. Teil A. Abschn. VII. Ziff. 2 TSP bliebe im Übrigen unberücksichtigt, dass jedenfalls die eine Grundqualifizierung durchlaufenden Arbeitnehmer länger in einem Arbeitsverhältnis mit der S GmbH gestanden haben als die anderen unter den TSP fallenden Beschäftigten. Dies spricht gegen eine Verlängerung des „BQG-Vertrags“ mit diesen Arbeitnehmern, die anderenfalls (und falls sie zum Kreis der „Vorrangberechtigten“ iSv. Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 Satz 2 TSP gehörten) nach dem sechs Monate länger dauernden Arbeitsverhältnis mit der S GmbH einen auf 24 Monate befristeten Vertrag mit der Beklagten beanspruchen - insgesamt also einen Zeitraum von 30 Monaten überbrücken - könnten. Eine solche Interpretation der Bestimmungen des TSP erscheint weder sachgerecht noch zweckorientiert.

29

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin gebietet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz keine andere Sichtweise. Auch der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz steht der ausgeführten Interpretation der Tarifnormen über eine verlängerte Laufzeit des Vertrags mit der Beklagten nicht entgegen.

30

aa) Der Verweis der Klägerin auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz geht bereits deshalb fehl, weil dieser Grundsatz nur dann zur Anwendung kommt, wenn ein Arbeitgeber gestaltend wirkt und nicht lediglich im - auch vermeintlichen - Normvollzug handelt (vgl. zB BAG 6. Dezember 2006 -  4 AZR 798/05 - Rn. 23 mwN, BAGE 120, 281 ). Bei der Differenzierung im Zusammenhang mit dem Angebot einer verlängerten Vertragslaufzeit zwischen den Arbeitnehmern, die eine Nachqualifizierung nach Teil A. Abschn. VII. Ziff. 2 TSP vereinbart haben, und solchen, die diese Maßnahme nicht beanspruchen können oder nicht beansprucht haben, hat die Beklagte erkennbar lediglich die Tarifnormen von Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 TSP vollzogen und nicht gestaltend agiert.

31

bb) Die „Herausnahme“ der „Nachqualifizierer“ aus dem Kreis der für eine Vertragsverlängerung iSv. Teil A. Abschn. VI. Ziff. 3 TSP in Betracht kommenden Arbeitnehmer verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, an den die Tarifvertragsparteien jedenfalls mittelbar gebunden sind(dazu ausführlich BAG 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - zu B II der Gründe, BAGE 111, 8). Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz verbietet es, gleiche Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung liegt vor, wenn sich für die vorgenommene Differenzierung ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund nicht finden lässt, wenn also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtung die Regelung als willkürlich anzusehen ist. Der Gleichheitssatz wird durch eine Tarifnorm verletzt, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Die Tarifvertragsparteien haben hiernach eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Sie brauchen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu wählen; vielmehr genügt es, wenn sich für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund ergibt (vgl. BAG 6. Dezember 2006 -  4 AZR 798/05 - Rn. 25 mwN, BAGE 120, 281; vgl. auch 18. März 2010 - 6 AZR 156/09 - Rn. 30, BAGE 133, 354; vgl. ferner zu einer die Arbeitnehmer belastenden tariflichen Betriebsnorm 8. Dezember 2010 - 7 ABR 98/09 - Rn. 49, BAGE 136, 237 ). Danach waren die Tarifvertragsparteien nicht gehindert, eine anzubietende Verlängerung der Verweildauer in der Transfergesellschaft auf bestimmte „Härtefälle“ zu beschränken. Die Differenzierung bei den Transferleistungen ist durch die von den Tarifvertragsparteien typisierend gewürdigte unterschiedliche Schutzbedürftigkeit der betroffenen Arbeitnehmer sachlich gerechtfertigt.

32

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linsenmaier    

        

    Zwanziger    

        

    Schmidt    

        

        

        

    Schuh    

        

    Spie    

                 

(1) Eine Partei, die den ihr obliegenden Beweis mit anderen Beweismitteln nicht vollständig geführt oder andere Beweismittel nicht vorgebracht hat, kann den Beweis dadurch antreten, dass sie beantragt, den Gegner über die zu beweisenden Tatsachen zu vernehmen.

(2) Der Antrag ist nicht zu berücksichtigen, wenn er Tatsachen betrifft, deren Gegenteil das Gericht für erwiesen erachtet.

Das Gericht kann über eine streitige Tatsache auch die beweispflichtige Partei vernehmen, wenn eine Partei es beantragt und die andere damit einverstanden ist.

Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 08.12.2010 - 3 Ca 536/10 - abgeändert, soweit die Klage abgewiesen wurde, und die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 2.350,-- EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus 675,-- EUR seit dem 01.08.2008, aus 1.000,-- EUR seit dem 01.12.2008 und aus 675,-- EUR seit dem 01.08.2009 zu zahlen.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung von Urlaubsgeld für die Jahre 2006 bis 2009 und Weihnachtsgeld für die Jahre 2006 bis 2008.

2

Der Kläger war vom 1. April 1999 bis 30. November 2009 bei der Beklagten beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis endete durch eine auf betriebsbedingte Gründe gestützte Kündigung der Beklagten. Die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen, dass das Kündigungsschutzgesetz nach § 23 Abs. 1 KSchG im Hinblick auf die Betriebsgröße keine Anwendung finde (Az: 3 Ca 1713/09).

3

Die Beklagte zahlte dem Kläger seit Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zum Jahr 2005 jährlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld. In den Jahren 2002 bis 2005 belief sich das jeweils mit den Abrechnungen für den Monat Juli ausgezahlte Urlaubsgeld auf 675,00 EUR brutto und das jeweils mit den Abrechnungen für den Monat November ausgezahlte Weihnachtsgeld auf 1.000,00 EUR brutto. Seit dem Jahr 2006 zahlte die Beklagte das zuvor dem Kläger und den übrigen Mitarbeitern gewährte Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht mehr.

4

Zwischen den Parteien ist streitig, ob am "schwarzen Brett" folgende "öffentliche Bekanntmachung" der Beklagten vom 10. April 2006 in der Zeit von April bis August 2006 ausgehängt war:

5

"Öffentliche Bekanntmachung         

der C.           

        

Vereinbarung über den Verzicht auf Sonderleistungen           

        

Im Hinblick auf die derzeitige allgemeine schwierige Situation, insbesondere im Hinblick auf die schwindenden Kundenzahlen und die damit einhergehenden Ertragsrückgänge haben sich die Mitarbeiter entschlossen zum einen, einen Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung und zum anderen einen Beitrag zum Erhalt der Selbstständigkeit des Unternehmens zu leisten.

        

In Abänderung des bisherigen mündlichen und schriftlichen Arbeitsvertrages wird daher nachfolgende Vereinbarung

        

getroffen:

        

Ein bisher bestehender Anspruch der Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld kraft vertraglicher Vereinbarung oder betrieblicher Regelung besteht rückwirkend ab dem 01.01.2006 nicht mehr.

        

Zahlungen von Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld sind ab dem o.g. Zeitpunkt rein freiwillige Leistungen des Arbeitgebers, auf die auch bei wiederholter Auszahlung kein Anspruch besteht.

        

Über eine freiwillige Zahlung von Sonderleistungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) entscheidet die Geschäftsleitung. Diese Entscheidung wird in geeigneter Form bekannt gegeben.

        

C-Stadt, den 10.04.2006"

6

Beginnend mit dem Monat Juli 2007 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Erhöhung seines Stundenlohns um 1,00 EUR von 12,40 EUR auf 13,40 EUR brutto.

7

In dem vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein unter dem Aktenzeichen 3 Ca 1713/09 geführten Kündigungsschutzprozess der Parteien hat der Kläger mit klageerweiterndem Schriftsatz vom 29. Oktober 2009, der der Beklagten am 4. November 2009 zugestellt worden ist, die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von insgesamt 5.700,00 EUR brutto verlangt (Urlaubsgeld in Höhe von jeweils 675,00 EUR brutto für die Jahre 2006 bis 2009 und Weihnachtsgeld in Höhe von jeweils 1.000,00 EUR brutto für die Jahre 2006 bis 2008). Die Beklagte hat in diesem Verfahren (Az.: 3 Sa 1713/09) mit Schriftsatz vom 25. November 2009, der dem Kläger am 30. November 2009 zugestellt worden ist, gegen etwaige Ansprüche des Klägers auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld die Aufrechnung mit einem Gegenanspruch auf Rückzahlung der dann ihrer Ansicht nach ohne Rechtsgrund erfolgten Lohnerhöhung von 1,00 EUR pro Stunde für die Zeit von Juli 2007 bis November 2009 in Höhe von insgesamt 4.872,00 EUR erklärt und diesen Betrag für den Fall einer Unzulässigkeit der Aufrechnung im Wege der Eventualwiderklage geltend gemacht. Das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein hat die Klageerweiterung vom 29. Oktober 2009 und die Eventualwiderklage vom 25. November 2009 abgetrennt und im vorliegenden Verfahren unter dem Aktenzeichen 3 Ca 536/10 fortgeführt.

8

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte sei zur Zahlung des von ihm geltend gemachten Urlaubs- und Weihnachtsgeldes in Höhe von insgesamt 5.700,00 EUR brutto für die Jahre 2006 bis 2009 verpflichtet. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18. März 2009 könne sich die Beklagte nicht auf eine gegenläufige betriebliche Übung berufen. Entgegen der Behauptung der Beklagten habe es keine Vereinbarung gegeben, wonach er auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 2006 bis 2009 verzichtet habe. Die "öffentliche Bekanntmachung" der Beklagten aus dem Jahr 2006, die er zum ersten Mal im vorliegenden Verfahren aufgrund des Schriftsatzes der Beklagten vom 25. November 2009 gesehen habe, stelle keine Vereinbarung dar. Die im Jahr 2007 gewährte Stundenlohnerhöhung habe in keinem Zusammenhang mit einem vermeintlichen Verzicht auf Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld gestanden.

9

Der Kläger hat beantragt,

10

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.700,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 675,00 EUR brutto seit dem 01.08.2006, 1.000,00 EUR brutto seit dem 01.12.2006, 675,00 EUR brutto seit dem 01.08.2007, 1.000,00 EUR brutto seit dem 01.12.2007, 675,00 EUR brutto seit dem 01.08.2008, 1.000,00 EUR brutto seit dem 01.12.2008, 675,00 EUR brutto seit dem 01.08.2009 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen,

13

und hilfsweise widerklagend,

14

den Kläger zu verurteilen, an sie 4.872,00 EUR nebst Zinsen in Höhe des Basiszinssatzes der EZB aus 168,00 EUR seit dem 01.08.2007,

15

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.09.2007

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.10.2007

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.11.2007

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.12.2007

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.01.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.02.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.03.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.04.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.05.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.06.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.07.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.08.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.09.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.10.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.11.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.12.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.01.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.02.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.03.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.04.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.05.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.06.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.07.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.08.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.09.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.10.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.11.2009

16

zu zahlen.

17

Der Kläger hat beantragt,

18

die Hilfswiderklage abzuweisen.

19

Die Beklagte hat erwidert, ein Anspruch des Klägers auf das geforderte Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 2006 bis 2009 ergebe sich weder aus den arbeitsrechtlichen Vereinbarungen noch aus betrieblicher Übung. Aufgrund ihrer schwierigen wirtschaftlichen Verfassung im Jahre 2006 hätten die Geschäftsleitung und ihre Mitarbeiter auf die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld ab dem Jahr 2006 verzichtet. Hiermit sei auch der Kläger einverstanden gewesen. Am 10. Februar 2006 habe um 18:30 Uhr in ihren Geschäftsräumen eine Mitarbeiterbesprechung stattgefunden, anlässlich derer die schwierige wirtschaftliche Situation des Unternehmens mit den Mitarbeitern, darunter auch der Kläger, erörtert worden sei. Man sei übereingekommen, dass Kürzungen bei den Gehältern und Gratifikationen nicht länger vermieden werden könnten. Im Anschluss hieran sei Anfang April 2006 mit jedem Mitarbeiter ein Einzelgespräch mit dem Ziel geführt worden, die Abschaffung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes zu vereinbaren. So sei auch mit dem Kläger explizit vereinbart worden, dass dieser beginnend mit dem Jahre 2006 kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr erhalte. Der Kläger sei hiermit einverstanden gewesen. Nachdem alle Mitarbeitergespräche positiv abgeschlossen worden seien, sei die vorgelegte Bekanntmachung vom 10. April 2006 (Anlage B 4 zum Schriftsatz der Beklagten vom 25. November 2009 = Bl. 48 d.A.) im Betrieb ausgehängt worden. Im Gegenzug habe der Kläger beginnend mit dem Monat Juli 2007 die vereinbarte Erhöhung seines Stundenlohns von 12,40 EUR auf 13,40 EUR erhalten. Dieser erhöhte Stundenlohn sei dem Kläger ausschließlich im Zusammenhang mit dem erklärten Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt worden. Falls sich herausstellen sollte, dass dem Kläger Urlaubs- und/oder Weihnachtsgeld zustehe, wäre die Lohnerhöhung von Juli 2007 ohne Rechtsgrund erfolgt und der Kläger in der Folgezeit in Höhe von 1,00 EUR je Stunde überzahlt. Bei einem monatlichen Pensum von 168 Stunden ergebe sich eine Überzahlung in Höhe von 168,00 EUR je Monat, so dass sich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. November 2009 ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 4.872,00 EUR errechne. Mit diesem Rückzahlungsanspruch erkläre sie die Aufrechnung gegen etwaige Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Für den Fall, dass eine Aufrechnung im Hinblick auf § 394 BGB nicht in Betracht komme, werde der Rückzahlungsanspruch im Wege der Hilfswiderklage geltend gemacht.

20

Das Arbeitsgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 12. April 2010 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen I. F. und S. G.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 8. Dezember 2010 verwiesen.

21

Mit Urteil vom 8. Dezember 2010 (Az.: 3 Ca 536/10) hat das Arbeitsgericht der Klage in Höhe von 3.350,00 EUR brutto in Bezug auf das Urlaubsgeld für die Jahre 2006 und 2007 und das Weihnachtsgeld für die Jahre 2006 und 2007 stattgegeben und die Klage im Übrigen sowie die Widerklage der Beklagten abgewiesen.

22

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass ein Anspruch des Klägers auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld aus betrieblicher Übung entstanden sei. Die Beklagte habe die von ihr behauptete Vereinbarung über den Wegfall von Urlaubs- und Weihnachtsgeld ab dem Jahr 2006 nicht nachzuweisen vermocht. Die vernommenen Zeuginnen I. F. und S. G. seien nach ihren Aussagen bei einem Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Kläger bezüglich Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht zugegen gewesen. Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2009 als weitere Zeugin Frau G. Sch. angeboten habe, habe auf dieses Beweisangebot nicht zurückgegriffen werden können, weil insoweit das Beweisthema nicht hinreichend konkret vorgetragen worden sei. Bezüglich der Bekanntmachung vom 10. April 2006 habe die Beklagte nicht nachgewiesen, dass der Aushang dem Kläger tatsächlich zur Kenntnis gelangt sei. Nach den Aussagen der beiden Zeuginnen sei in der Mitarbeiterversammlung nicht konkret über Urlaubs- und Weihnachtsgeld gesprochen worden. Ohne nachgewiesene Kenntnis des Klägers vom Inhalt des Aushangs könne im Hinblick auf seine kommentarlose Weiterarbeit eine stillschweigende Vereinbarung nicht angenommen werden. Weiterhin fehle es an Anhaltspunkten, um aufgrund des Zeitmomentes vergangenheitsbezogen von einer Verwirkung der dem Kläger zustehenden Ansprüche auszugehen. Der Verwirkungstatbestand erfordere nämlich neben dem Vorliegen des Zeitmomentes auch das Vorliegen eines Umstandsmomentes. Gleichwohl dürfe das hinnehmende Verhalten des Klägers zukunftsbezogen nicht ohne Auswirkung bei der rechtlichen Prüfung des Lebenssachverhaltes bleiben. Auch wenn sich die Beklagte nicht darauf habe verlassen dürfen, dass vergangenheitsbezogen ohne Hinzutreten weiterer Tatsachen entstandene Ansprüche nicht mehr zu erfüllen seien, so dürfe sie zumindest ab einem gewissen Zeitpunkt zukunftsbezogen davon ausgehen, dass der Kläger die entsprechenden Ansprüche nicht mehr geltend machen werde. Diesbezüglich sei nach Ablauf des zweiten Jahres eine Zäsur eingetreten, für welche die Beklagte kein Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld mehr gezahlt habe. Spätestens nach Ablauf dieser beiden Jahre habe die Beklagte sich aufgrund des ausgebliebenen Widerspruchs des Klägers darauf einstellen dürfen, dass zukunftsbezogen für den Zeitraum ab 2008 Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht mehr durch den Kläger gefordert werde. Danach sei die Beklagte verpflichtet, an den Kläger für die Jahre 2006 und 2007 jeweils Urlaubsgeld in Höhe von 675,00 EUR brutto und Weihnachtsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR zu zahlen, während die durch den Kläger verfolgten Ansprüche für den Zeitraum 2008 und 2009 unbegründet seien. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung und hilfsweise erhobene Widerklage seien unbegründet, weil es nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme keine Verbindung zwischen der Lohnerhöhung sowie einem Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld gegeben habe. Die Beklagte habe ihre diesbezügliche Behauptung nach den Aussagen der beiden vernommenen Zeuginnen nicht nachgewiesen.

23

Der Kläger hat gegen das ihm am 3. März 2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts mit Schriftsatz vom 16. März 2011, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 17. März 2011 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 27. April 2011, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 2. Mai 2011 eingegangen, begründet. Die Beklagte hat gegen das ihr am 3. März 2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts mit Schriftsatz vom 1. April 2011, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, ebenfalls Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 3. Mai 2011, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

24

Der Kläger trägt vor, das Arbeitsgericht habe zunächst zutreffend festgestellt, dass die Beklagte ihre Behauptung, dass er mit der Nichtzahlung der Sonderzahlungen sich einverstanden erklärt habe, nicht habe beweisen können. Entgegen der Darstellung der Beklagten habe er am schwarzen Brett keinen Aushang der angeführten Bekanntmachung vom 10. April 2006 wahrgenommen. Im Übrigen könne der Abschluss eines Vertrages ohnehin nicht durch eine sog. öffentliche Bekanntmachung der Beklagten ersetzt werden. Selbst wenn in der Bekanntmachung das Angebot zur Änderung der Arbeitsbedingungen zu sehen wäre und er hiervon Kenntnis erlangt hätte, könne allein in seiner Weiterarbeit nicht seine Zustimmung zu diesem Änderungsangebot gesehen werden. Schweigen auf ein Angebot könne außerhalb des kaufmännischen Verkehrs nicht als Zustimmung gewertet werden. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts seien die von ihm verfolgten Ansprüche bezogen auf den Zeitraum 2008 und 2009 nicht verwirkt. Die Voraussetzungen des Verwirkungstatbestandes seien nicht erfüllt. Die Beklagte habe weder von der Möglichkeit des Ausspruchs einer Änderungskündigung Gebrauch gemacht noch sich darum bemüht, eine einvernehmlich Vertragsänderung herbeizuführen. Vielmehr habe die Beklagte einfach die Zahlungen in der Hoffnung eingestellt, dass der Arbeitnehmer froh um seinen Arbeitsplatz sei und aus diesem Grunde im laufenden Arbeitsverhältnis keine gerichtliche Auseinandersetzung suchen werde. Allein der Zeitablauf könne die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen.

25

Der Kläger beantragt,

26

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 8. Dezember 2010 - 3 Ca 536/10 - abzuändern, soweit die Klage abgewiesen wurde, und die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 2.350,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 675,00 EUR seit dem 1. August 2008, aus 1.000,00 EUR seit dem 1. Dezember 2008 und aus 675,00 EUR seit dem 1. August 2009 zu zahlen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

27

Die Beklagte beantragt,

28

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 08.12.2010 - 3 Ca 536/10 - aufzuheben und die Klage abzuweisen,

29

den Kläger im Wege der Hilfswiderklage zu verurteilen,
an sie 4.872,00 EUR nebst Zinsen in Höhe des Basiszinssatzes der EZB aus 168,00 EUR seit dem 01.08.2007,

30

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.09.2007

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.10.2007

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.11.2007

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.12.2007

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.01.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.02.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.03.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.04.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.05.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.06.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.07.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.08.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.09.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.10.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.11.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.12.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.01.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.02.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.03.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.04.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.05.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.06.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.07.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.08.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.09.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.10.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.11.2009

31

zu zahlen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

32

Die Beklagte trägt vor, die klägerischen Ansprüche seien insgesamt verwirkt. Nach dem Gespräch, das ihr Geschäftsführer mit dem Kläger geführt habe, sei weder das Urlaubs- noch das Weihnachtsgeld zur Auszahlung gelangt. Weil dies zuvor mit dem Kläger abgestimmt gewesen sei, habe dieser das fehlende Urlaubs- und Weihnachtsgeld auch zu keinem Zeitpunkt verlangt. Erst im Jahre 2007 sei dann zur Kompensation eine Lohnerhöhung mit dem Kläger vereinbart worden. Einziger Grund für diese Lohnerhöhung sei der Wegfall des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes gewesen. Der Kläger habe dies nicht substantiiert bestritten, weil er zumindest ein Motiv für die ab Juli 2007 gewährte Lohnerhöhung habe nennen müssen. Im Hinblick darauf, dass der Kläger die Lohnerhöhung als Kompensation für den Verzicht auf das Weihnachts-/Urlaubsgeld erhaben habe, habe sie auch davon ausgehen können, dass sich der Kläger an diese Vereinbarung halte. Vor diesem Hintergrund sei neben dem geforderten Zeitmoment auch das sog. Umstandsmoment gegeben, so dass die eingeklagten Ansprüche jedenfalls verwirkt seien und die Geltendmachung eine unzulässige Rechtsausübung darstelle. Im Übrigen habe der Kläger durch seine Verhaltsweise ihr die Möglichkeit genommen, etwaige Ansprüche auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld durch Ausspruch einer Änderungskündigung zu beseitigen, zumal sie als Kleinbetrieb nicht unter den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes falle. Der Kläger verhalte sich treuwidrig, wenn er erst nach seinem Ausscheiden aus ihrem Betrieb Ansprüche geltend mache, die drei Jahre zurückreichen würden. Im Übrigen sei das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine stillschweigende Vereinbarung über den Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld mangels Kenntnis des Klägers vom Aushang nicht angenommen werden könnte. Ihre öffentliche Bekanntmachung vom 10. April 2006 sei von April bis August 2006 am schwarzen Brett im Obergeschoß der Geschäftsräume in der Nähe des Büroeingangs bei der Kaffeemaschine ausgehängt worden. Im Hinblick darauf, dass jeder Mitarbeiter mindestens einmal täglich an diesem schwarzen Brett vorbeilaufen müsse, habe der Kläger diesen Aushang wie die übrigen Mitarbeiter auch zwangsläufig zur Kenntnis genommen. Der Kläger habe kein Motiv dafür genannt, weshalb er über mehrere Jahre hinweg das Weihnachts- und Urlaubsgeld nicht eingefordert habe und ihm im Juli 2007 eine Lohnerhöhung gewährt worden sei. In Anbetracht dieser Umstände hätte das Arbeitsgericht zu dem Schluss gelangen müssen, dass sich der Kläger sehr wohl darüber im Klaren gewesen sei, dass Ansprüche nicht mehr bestünden, weil man sich hierüber verständigt habe.

33

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

34

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Die jeweils gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung ist sowohl vom Kläger als auch von der Beklagten frist- und formgerecht eingelegt sowie begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO).

35

Die Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg, während die Berufung der Beklagten unbegründet ist.

36

Die Klageforderung auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld ist in vollem Umfang begründet. Die im Wege der Aufrechnung und Eventualwiderklage geltend gemachten Gegenansprüche auf Rückzahlung der gewährten Lohnerhöhung sind hingegen unbegründet.

A.

37

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

I.

38

Der Kläger hat aufgrund betrieblicher Übung einen vertraglichen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des geltend gemachten Urlaubs- und Weihnachtsgeldes in Höhe von insgesamt 5.700,00 EUR brutto.

39

1. Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aufgrund einer Willenserklärung, die von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Vergünstigungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird durch eine mindestens dreimalige vorbehaltlose Gewährung einer Gratifikation, wenn nicht die Umstände des Falles eine andere Auslegung bedingen, eine Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung begründet, mit der Folge, dass er sich von dieser Verpflichtung nicht mehr durch einseitigen Widerruf wieder lossagen kann (BAG 14. August 1996 - 10 AZR 69/96 - NZA 1996, 1323, zu II 1 der Gründe).

40

Danach hat sich die Beklagte durch die vorbehaltlose Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld in den Jahren 1999 bis 2005 nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung vertraglich zur Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld in unstreitiger Höhe verpflichtet. Der Anspruch auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld ist zum Inhalt des Arbeitsvertrags des Klägers geworden, so dass er auf individualrechtlichem Wege nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts ohne dessen Mitwirkung nicht mehr untergehen konnte (vgl. BAG 14. August 1996 - 10 AZR 69/96 - NZA 1996, 1323, zu II 1 der Gründe).

41

2. Der aus betrieblicher Übung entstandene Rechtsanspruch des Klägers ist nicht beseitigt worden.

42

a) Eine sog. gegenläufige betriebliche Übung kommt nicht in Betracht.

43

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 18. März 2009 (- 10 AZR 281/08 - NZA 2009, 601) seine Rechtsprechung zur gegenläufigen betrieblichen Übung aufgegeben. Danach können die zuvor aufgestellten Grundsätze zur Verschlechterung oder Beseitigung vertraglicher Ansprüche von Arbeitnehmern auf Sonderzahlungen aufgrund einer gegenläufigen betrieblichen Übung spätestens seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1. Januar 2002 nicht mehr aufrechterhalten bleiben. Durch eine betriebliche Übung erwerben Arbeitnehmer vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Der so entstandene Rechtsanspruch ist kein vertraglicher Anspruch minderer Rechtsbeständigkeit. Der Arbeitgeber kann ihn daher genauso wenig wie einen durch ausdrückliche arbeitsvertragliche Abrede begründeten Anspruch des Arbeitnehmers unter erleichterten Voraussetzungen zu Fall bringen (BAG 25. November 2009 - 10 AZR 779/08 - NZA 2010, 283, zu II 3 a der Gründe).

44

b) Der vertragliche Anspruch des Klägers ist nicht durch eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages beseitigt worden.

45

Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat den ihr obliegenden Beweis für ihre Behauptung, der Kläger habe sich im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung am 10. Februar 2006 sowie in einem Einzelgespräch Anfang April 2006 ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass zukünftig die Zahlung des Weihnachtsgeldes sowie des Urlaubsgeldes entfalle, nicht geführt.

46

aa) Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2009 für ihre zunächst pauschal aufgestellte Behauptung, dass zwischen ihr und ihren Mitarbeitern eine Vereinbarung getroffen worden sei, wonach jedenfalls ab dem Jahr 2006 kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr bezahlt werde, als Zeugin die Mitarbeiterin G. Sch. benannt hat, ist das Arbeitsgericht diesem Beweisangebot mangels hinreichend substantiiert vorgetragenen Beweisthemas zu Recht nicht nachgegangen. Aus der pauschalen Behauptung der Beklagten im Schriftsatz vom 3. Dezember 2009 geht nicht hervor, wann bei welcher Gelegenheit zwischen welchen Personen im Rahmen welchen Gespräches bzw. auf welche Weise welche Vereinbarung getroffen worden sein soll, zu der die Zeugin vernommen werden soll. Wird ein Beweis angetreten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen fehlt und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, ist dieser Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich. Gemäß § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder der Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die Beweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben (BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 722/05 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 168, zu B I 1 c aa der Gründe). Danach ist der im Schriftsatz vom 3. Dezember 2009 angebotene Zeugenbeweis mangels konkreter Bezeichnung derjenigen Tatsachen, zu denen die benannte Zeugin G. Sch. vernommen werden soll, unzulässig.

47

bb) Erst mit Schriftsatz vom 5. Februar 2010 hat die Beklagte dann vorgetragen, dass am 10. Februar 2006 um 18:30 Uhr in ihren Geschäftsräumen eine Mitarbeiterbesprechung stattgefunden habe, anlässlich derer die schwierige wirtschaftliche Situation des Unternehmens mit den Mitarbeitern, darunter auch der Kläger, erörtert worden sei. Man sei übereingekommen, dass Kürzungen bei den Gehältern und Gratifikationen nicht länger vermieden werden könnten. Im Anschluss hieran sei Anfang April 2006 mit jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter ein Einzelgespräch mit dem Ziel geführt worden, die Abschaffung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes zu vereinbaren. So sei auch mit dem Kläger explizit vereinbart worden, dass dieser beginnend mit dem Jahre 2006 kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr erhalte. Der Kläger sei hiermit einverstanden gewesen. Für diesen Vortrag hat die Beklagte die Zeuginnen I. F. und S. G. benannt.

48

Das Arbeitsgericht hat daraufhin gemäß Beweisbeschluss vom 12. April 2010 Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe sich am 10. Februar 2006 bzw. Anfang April 2006 ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass zukünftig die Zahlung des Weihnachtsgeldes sowie des Urlaubsgeldes entfalle, und zwar im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung am 10. Februar 2006 sowie im Rahmen eines Einzelgespräches, das mit jedem Mitarbeiter/jeder Mitarbeiterin mit dem Ziel der Abschaffung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation der Beklagten Anfang April 2006 geführt worden sei, durch Vernehmung der Frau I. F. und Frau S. G.4 als Zeuginnen. In der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme haben beide Zeuginnen die im Beweisbeschluss bezeichnete Behauptung der Beklagten nicht bestätigt. Keine der beiden Zeuginnen konnte Angaben zu einem zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten geführten Gespräch betreffend das Urlaubs- und Weihnachtsgeld machen. Weiterhin haben beide Zeuginnen nicht bestätigt, dass sich der Kläger im Rahmen der angeführten Mitarbeiterversammlung am 10. Februar 2006 ausdrücklich mit einem künftigen Wegfall von Urlaubs- und Weihnachtsgeld einverstanden erklärt habe.

49

cc) Im Berufungsverfahren hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. Juni 2011 vorgetragen, dass das Urlaubs- und Weihnachtsgeld nach dem Gespräch, das ihr Geschäftsführer mit dem Kläger geführt habe, nicht zur Auszahlung gelangt sei und der Kläger das fehlende Urlaubs- und Weihnachtsgeld auch zu keinem Zeitpunkt verlangt habe, weil dies "zuvor mit dem Kläger abgestimmt" gewesen sei. Erst im Jahre 2007 sei dann zur Kompensation eine Lohnerhöhung mit dem Kläger vereinbart worden, deren einziger Grund der Wegfall des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes gewesen sei. Als Beweis hat die Beklagte für diesen Vortrag die "Einvernahme" ihres Geschäftsführers beantragt.

50

Zwar liegen die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung nach §§ 445 ff. ZPO nicht vor. Allerdings war der Geschäftsführer der Beklagten nach § 141 ZPO als Partei persönlich zu hören. Auch nach der deshalb durchgeführten Parteianhörung spricht nicht mehr für die Darstellung der Beklagten als die des Klägers. Die Beklagte hat danach den ihr obliegenden Beweis für die von ihr behauptete Vertragsänderung nicht erbracht.

51

(1) Gemäß § 445 Abs. 1 ZPO kann nur die Vernehmung des Gegners beantragt werden. Der Antrag der beweispflichtigen Beklagten auf Vernehmung ihres Geschäftsführers als Partei setzt gemäß § 447 ZPO das Einverständnis des Klägers voraus, das dieser nicht erklärt hat. Vielmehr hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Juni 2011 dem Antrag auf Parteivernehmung des Geschäftsführers der Beklagten ausdrücklich widersprochen. Die Parteivernehmung von Amts wegen darf nach § 448 ZPO nur angeordnet werden, wenn aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht (BGH 16. Juli 1998 - I ZR 32/96 - NJW 1999, 363, zu II 2 b bb der Gründe; Zöller ZPO 27. Aufl. § 448 Rn. 4; sog. Anbeweis). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.

52

(2) Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme ist der streitige Vortrag der Beklagten nicht "anbewiesen" im Sinne von § 448 ZPO.

53

Die von der Beklagten benannten Zeuginnen haben im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme die Darstellung der Beklagten nicht bestätigt. Allein der Umstand, dass die Beklagte eine ihrer Ansicht nach getroffene Vereinbarung durch eine "öffentliche Bekanntmachung" verlautbart und sich der Kläger dagegen nicht zur Wehr gesetzt hat, spricht noch nicht dafür, dass eine solche Vereinbarung tatsächlich zustande gekommen ist. Die beiden Zeuginnen haben bei ihrer Vernehmung zu dem bezeichneten Beweisthema nicht bestätigt, dass sich der Kläger im Rahmen der angeführten Betriebsversammlung in irgendeiner Form mit einem künftigen Wegfall von Urlaubs- und Weihnachtsgeld einverstanden erklärt hat. Selbst wenn der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger in einem nicht näher dargestellten Einzelgespräch erläutert haben sollte, dass aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation der Beklagten kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr gezahlt werden könne, liegt allein in der widerspruchslosen Hinnahme der erläuterten Abschaffung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld noch kein Einverständnis des Klägers. In Anbetracht des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme spricht eher einiges dafür, dass die Beklagte aufgrund einer rechtlich unzutreffenden Bewertung des Verhaltens des Klägers von dessen Einverständnis ausgegangen ist.

54

(3) Auch wenn die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO nicht vorliegen, war der Geschäftsführer der Beklagten gleichwohl aufgrund des Antrags der Beklagten auf dessen "Einvernahme" im Wege der Parteianhörung nach § 141 ZPO persönlich zu hören, soweit sich die Beklagte auf Einzelgespräche zwischen ihrem Geschäftsführer und dem Kläger berufen hat. Bei einem sog. "Vier-Augen-Gespräch", das allein zwischen den Parteien stattgefunden hat, ist es geboten, die beweisbelastete Partei entweder selber im Wege der Parteivernehmung nach § 448 ZPO, soweit dessen Voraussetzungen vorliegen, oder aber im Wege der Parteianhörung nach § 141 ZPO persönlich zu hören (BAG 22. Mai 2007 - 3 AZN 1155/06 - NZA 2007, 885, zu II 2 c bb der Gründe). Deshalb ist der Geschäftsführer der Beklagten im Termin vom 16. August 2011 zu den mit dem Kläger geführten Gesprächen gemäß § 141 ZPO persönlich angehört worden.

55

Im Rahmen seiner Anhörung hat der Geschäftsführer der Beklagten allerdings lediglich erneut darauf verwiesen, dass er mit den Mitarbeitern Einzelgespräche geführt habe und eine Übereinkunft erzielt worden sei, dass das Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen werde. Der Kläger hat hierzu erklärt, im Rahmen der angeführten Betriebsversammlung habe der Geschäftsführer der Beklagten zum Ausdruck gebracht, dass nun alle Mitarbeiter im Hinblick auf die schwierige wirtschaftliche Lage zusammenhalten müssten. In der Folgezeit habe der Geschäftsführer mit ihm kein Gespräch mehr über Urlaubs- und Weihnachtsgeld bzw. einen Verzicht hierauf geführt. Nach der durchgeführten Anhörung des Geschäftsführers der Beklagten und des Klägers spricht nach Auffassung des Gerichts nicht mehr für die Darstellung der Beklagten als für die des Klägers. Auch nach der Anhörung des Geschäftsführers der Beklagten ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass sich der Kläger tatsächlich in irgendeiner Form mit einem Wegfall von Urlaubs- und Weihnachtsgeld einverstanden erklärt hat.

56

c) Auch eine konkludente Vertragsänderung kann im Streitfall nicht angenommen werden.

57

Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die von ihr vorgelegte Bekanntmachung vom 10. April 2006 tatsächlich am "schwarzen Brett" ausgehängt war und der Kläger diese zur Kenntnis genommen hat. Selbst wenn man weiter davon ausgeht, dass die Bekanntmachung nicht nur auf eine angeblich zustande gekommene Vereinbarung verweist, sondern ein Angebot an die Arbeitnehmer zur entsprechenden Änderung ihrer Arbeitsverträge enthält, kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass der Kläger dieses Angebot stillschweigend angenommen hat.

58

aa) Vielmehr kann eine Vertragspartei, die in ein bestehendes Vertragsverhältnis einschränkende Bedingungen einführen will, nach der Verkehrssitte nicht schon das bloße Schweigen des Empfängers als Annahme werten. Schweigen stellt, wie aus § 147 BGB hervorgeht, in der Regel keine Willenserklärung dar, also auch keine Annahme eines Angebots zur Änderung eines bestehenden Vertrages. Wer auf ein Angebot nicht reagiert, stimmt diesem nicht zu. Vor allem in Fällen eines Angebots zur nachteiligen Veränderung einer bestehenden Vertragssituation kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass derjenige, der nicht reagiert, mit dem ihm angesonnenen Nachteil einverstanden ist (BAG 24. November 2004 - 10 AZR 202/04 - NZA 2005, 349, zu II 3 c bb (2) der Gründe; BAG 14. August 1996 - 10 AZR 69/96 - NZA 1996, 1323, zu II 2 der Gründe; LAG Rheinland-Pfalz 29. Oktober 2009 - 10 Sa 467/09 - [juris]).

59

bb) Im Streitfall konnte die Beklagte die widerspruchslose Weiterarbeit des Klägers nicht als stillschweigende Erklärung werten, er sei mit der Nichtzahlung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes ab dem Jahr 2006 einverstanden. Das Schweigen gegenüber einem Angebot auf Verschlechterung eines Vertrags ist grundsätzlich keine Annahme eines solchen Angebots (§ 151 BGB). Das gilt bei einer widerspruchslosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer jedenfalls dann, wenn sich die angetragene Änderung nicht unmittelbar im Arbeitsverhältnis auswirkt. Nur die tatsächliche Praktizierung geänderter Vertragsbedingungen kann eine konkludente Erklärung sein, die einer Annahme innerhalb der Frist des § 147 BGB gleichkommt (BAG 25. November 2009 - 10 AZR 779/08 - NZA 2010, 283, zu II 3 b bb der Gründe). Ein etwaiger Antrag der Beklagten in der Bekanntmachung vom 10. April 2006 hätte sich jedenfalls nicht unmittelbar, sondern wegen des jeweils nur einmal jährlich fällig werdenden Urlaubs- und Weihnachtsgeldes allenfalls langfristig im Arbeitsverhältnis ausgewirkt (vgl. BAG 25. November 2009 - 10 AZR 779/08 - NZA 2010, 283, zu II 3 b bb der Gründe). Auf die bloße Mitteilung des Schuldners, er werde einen Anspruch nicht erfüllen, muss der Gläubiger nicht ablehnend reagieren. Er kann seinen Anspruch jederzeit geltend machen, solange diesem nicht Ausschluss- oder Verjährungsfristen entgegenstehen. Tut er das nicht, kann der Schuldner daraus nicht herleiten, der Gläubiger habe auf seinen Anspruch verzichtet (BAG 14. August 1996 - 10 AZR 69/96 - NZA 1996, 1323, zu II 3 der Gründe). Der objektive Erklärungswert der Weiterarbeit des Klägers beschränkte sich darauf, dass er die ihm obliegende Arbeitspflicht erfüllen wollte. Ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme, der Kläger habe durch seine widerspruchslose Arbeitsleistung auch eine Willenserklärung abgeben wollen, bestehen nicht (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 29. Oktober 2009 - 10 Sa 467/09 - [juris], zu II 2 der Gründe).

II.

60

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klageforderung auch nicht verwirkt.

61

1. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und soll dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen. Sie hat nicht den Zweck, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen. Es müssen vielmehr zu dem Zeitmoment besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Der Berechtigte muss unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Durch die Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Die Verwirkung dient dem Vertrauensschutz (BAG 14. Februar 2007 - 10 AZR 35/06 - NZA 2007, 690, zu II 4 b bb der Gründe).

62

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Klageforderung weder ganz noch teilweise verwirkt, weil es jedenfalls an dem erforderlichen Umstandsmoment fehlt. Allein der Zeitablauf von zwei Jahren begründet keine Zäsur, die eine Verwirkung der Ansprüche des Klägers ab 2008 rechtfertigen kann.

63

a) Die Beklagte konnte nicht darauf vertrauen, dass der Kläger seine Ansprüche auf Weihnachts- und Urlaubsgeld ab dem Jahr 2006 nicht mehr geltend machen werde, weil er auf ihre Bekanntmachung vom 10. April 2006 und die daraufhin erfolgte Einstellung der Sonderzahlungen nicht reagierte. Ein Gläubiger ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schuldner darauf aufmerksam zu machen, dass er sich vorbehält, ihn zukünftig gerichtlich zu belangen. Untätigkeit eines Anspruchsberechtigten führt für sich genommen nicht zur Verwirkung. Auch das Ausbleiben von Mahnungen begründet noch keine Vertrauensposition des Schuldners (BAG 14. Februar 2007 - 10 AZR 35/06 - NZA 2007, 690, zu II 4 b cc (1) und (2) der Gründe).

64

b) Soweit sich die Beklagte darauf berufen hat, dass sie im Hinblick auf die Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes eine Änderungskündigung zur Beseitigung von Ansprüchen auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld hätte aussprechen können und der Kläger diese Möglichkeit durch seine Verhaltensweise vereitelt habe, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie sich selbst nicht rechtstreu verhalten hat, indem sie die Sonderzahlungen faktisch eingestellt und auf das Stillschweigen des Klägers gehofft hat (vgl. BAG 14. Februar 2007 - 10 AZR 35/06 - NZA 2007, 690, zu II 4 b cc (4) der Gründe). Es ist Sache der Beklagten, durch Abschluss eines Änderungsvertrags oder durch Ausspruch einer Änderungskündigung die rechtlichen Voraussetzungen für eine Beseitigung der durch betriebliche Übung begründeten Ansprüche ihrer Mitarbeiter zu schaffen, wenn sie aus wirtschaftlichen Gründen kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr zahlen kann oder will. Der Kläger war in Anbetracht der einseitigen Vorgehensweise der Beklagten nicht verpflichtet, diese auf ihre möglicherweise fehlerhafte rechtliche Auffassung aufmerksam zu machen.

65

c) Das erforderliche Umstandsmoment ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Kläger ab Juli 2007 eine Erhöhung seines Stundenlohns um 1,00 Euro gewährt worden ist. Die für den Einwand der Verwirkung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat den von ihr behaupteten Zusammenhang zwischen der gewährten Lohnerhöhung und dem Wegfall des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes nicht zu beweisen vermocht.

66

aa) Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass der erhöhte Stundenlohn dem Kläger ausschließlich im Zusammenhang mit dem erklärten Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt worden sei. Der Kläger hat darauf erwidert, dass die Lohnerhöhung in keinem Zusammenhang mit einem vermeintlichen Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestanden habe. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dieses Bestreiten des Klägers nicht unsubstantiiert. Insbesondere ist der Kläger nicht gehalten, ein Motiv für die ihm von der Beklagten gewährte Lohnerhöhung zu nennen, zumal die erst im Juli 2007 gewährte Lohnerhöhung bereits in zeitlicher Hinsicht in keinem Zusammenhang mit einem angeblich im April 2006 erklärten Anspruchsverzicht gemäß der Bekanntmachung der Beklagten vom 10. April 2006 steht.

67

Im Berufungsverfahren hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. Juni 2011 vorgetragen, dass im Jahre 2007 zur Kompensation eine Lohnerhöhung mit dem Kläger vereinbart worden sei und einziger Grund hierfür der Wegfall des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes gewesen wäre. Als Beweis hat sie die "Einvernahme" ihres Geschäftsführers angeboten.

68

bb) Entsprechend den obigen Ausführungen liegen die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung gemäß §§ 445 ff. ZPO auch insoweit nicht vor. Eine Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO war nicht veranlasst, weil das Vorbringen der Beklagten zum Hintergrund der vereinbarten Lohnerhöhung nicht "anbewiesen" ist. Im Hinblick darauf, dass sich die Beklagte auf eine Vereinbarung zwischen ihrem Geschäftsführer und dem Kläger berufen hat, ist der Geschäftsführer der Beklagten im Wege der Parteianhörung gemäß § 141 ZPO hierzu im Termin vom 16. August 2011 ebenfalls angehört worden.

69

(1) Der Geschäftsführer der Beklagten hat erklärt, der Kläger sei auf ihn zugekommen und habe ihn um eine Lohnerhöhung gebeten. Das Gespräch diesbezüglich habe in seinem Büro stattgefunden. Er habe dem Kläger zunächst erklärt, dass er sich die Sache überlegen müsse. Später habe er ihm mitgeteilt, dass er ihm eine Lohnerhöhung in Höhe von 1,00 EUR gewähren könne. Er habe darum gebeten, dass der Kläger dies gegenüber den anderen Mitarbeitern nicht erwähne. Dabei habe er auch darauf hingewiesen, dass der Kläger dies als Ausgleich für das gestrichene Urlaubs- und Weihnachtsgeld erhalte. Demgegenüber hat der Kläger hierzu erklärt, dass er eigentlich eine Lohnerhöhung in Höhe von 10 Prozent erwartet habe. Im Juli 2007 sei er auf der Baustelle vom Geschäftsführer der Beklagten bezüglich der Lohnerhöhung angesprochen worden. Auf die Frage, welche Lohnerhöhung er sich vorstelle, habe er geantwortet, dass er mit einer Lohnerhöhung von 10 Prozent rechne. Der Geschäftsführer der Beklagten habe im Zusammenhang mit der gewährten Lohnerhöhung das Urlaubs- und Weihnachtsgeld überhaupt nicht erwähnt.

70

(2) Auch nach der Anhörung der Parteien spricht nicht mehr für die Darstellung der Beklagten als die des Klägers.

71

Im Hinblick darauf, dass der Geschäftsführer der Beklagten gemäß der ausgehängten Bekanntmachung vom 10. April 2006 davon ausgegangen war, dass kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr zu zahlen ist, erscheint es als wenig plausibel, dass er mehr als ein Jahr später darüber anlässlich der Lohnerhöhung im Juli 2007 mit dem Kläger erneut gesprochen haben will. Der fehlende zeitliche Zusammenhang spricht eher dafür, dass die Lohnerhöhung unabhängig von einem Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt wurde. Soweit die Beklagte ihre rechtlich unzutreffende Bewertung hinsichtlich eines wirksamen Verzichts auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld durch den Kläger zur Gewährung einer Lohnerhöhung veranlasst haben sollte, geht das zu ihren Lasten. Allein der Umstand, dass die Beklagte davon ausgegangen war, kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr zu schulden, und sich deshalb zur Gewährung einer Lohnerhöhung imstande gesehen hat, begründet noch nicht das für den Einwand der Verwirkung erforderliche Umstandsmoment. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass der Geschäftsführer der Beklagten gegenüber dem Kläger anlässlich der Lohnerhöhung tatsächlich zum Ausdruck gebracht hat, dass darin eine Kompensation für den Wegfall des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes liegen soll. Auch nach der Anhörung des Geschäftsführers der Beklagten ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Kläger darauf hingewiesen worden ist, dass er die Lohnerhöhung als Ausgleich für das gestrichene Urlaubs- und Weihnachtsgeld erhalte. Im Gegenteil spricht gemäß den obigen Ausführungen der fehlende zeitliche Zusammenhang und die nach der Bekanntmachung vom 10. April 2006 bereits erfolgte Einstellung der Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld dafür, dass im Zusammenhang mit der Lohnerhöhung über das Urlaubs- und Weihnachtsgeld gemäß der Darstellung des Klägers nicht mehr gesprochen wurde und der von der Beklagten angenommene Anspruchsverzicht allenfalls das innere Motiv ihres Geschäftsführers dafür war, dem Kläger ab dem Monat Juli 2007 eine Lohnerhöhung zu gewähren bzw. in wirtschaftlicher Hinsicht gewähren zu können.

72

Danach liegt das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment im Streitfall nicht vor. Allein der Zeitablauf vermag eine Verwirkung der Klageforderung nicht zu rechtfertigen.

III.

73

Die gegen die Klageforderung erklärte Aufrechnung der Beklagten mit dem von ihr behaupteten Rückzahlungsanspruch ist bereits nach §§ 394 BGB i.V.m. 850 ff. ZPO unzulässig.

74

Nach § 394 BGB ist eine Aufrechnung gegen eine Forderung ausgeschlossen, soweit diese nicht der Pfändung unterworfen ist. Bei Arbeitseinkommen bestimmt sich der pfändbare Teil gemäß § 850 Abs. 1 ZPO nach Maßgabe der §§ 850 a bis 850 i ZPO. Nach § 850 e Nr. 1 ZPO sind bei Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens nicht mitzurechnen die nach § 850 a ZPO der Pfändung entzogenen Bezüge und ferner die Beträge, die unmittelbar aufgrund steuerrechtlicher oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind. Aufgerechnet werden kann daher stets nur gegen den pfändbaren Nettobetrag des Arbeitseinkommens. Das Urlaubsgeld ist bereits nach § 850 a Nr. 2 ZPO unpfändbar. Das Weihnachtsgeld ist nach § 850 a Nr. 4 ZPO bis zur Höhe von 500,00 EUR unpfändbar, wobei ein überschießender Betrag dem übrigen Arbeitseinkommen des Schuldners im Auszahlungsmonat hinzuzurechnen ist und auf diese Weise dem allgemeinen Pfändungsschutz des § 850 c ZPO untersteht (Zöller ZPO 27. Aufl. § 850 a Rn. 11). Ein etwaiger hiernach noch pfändbarer Nettobetrag ist nicht feststellbar, weil die Beklagte die Aufrechnung gegen die vom Kläger geltend gemachten Bruttobeträge erklärt und einen etwaigen nach § 850 e Nr. 1 ZPO noch pfändbaren Nettobetrag nicht angegeben hat. Der pfändbare Nettobetrag des Arbeitseinkommens ist auch nicht von Amts wegen zu ermitteln (BAG 05. Dezember 2002 - 6 AZR 569/01 - NZA 2003, 802).

B.

75

Die aufgrund der Unzulässigkeit der Aufrechnung zur Entscheidung angefallene Eventualwiderklage ist unbegründet.

76

Die Beklagte hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegen den Kläger auf Rückzahlung der gewährten Lohnerhöhung von 1,00 Euro pro Stunde für monatlich 168 Stunden in der Zeit von Juli 2007 bis November 2009 in Höhe von insgesamt 4.872,00 EUR.

77

Die Gewährung der Lohnerhöhung ist mit Rechtsgrund erfolgt, weil sie auf einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien beruht. Mit der Gewährung der von der Beklagten angebotenen Erhöhung des Stundenlohns, die der Kläger mit der Entgegennahme der Zahlungen angenommen hat, ist eine entsprechende Vereinbarung der Parteien zustande gekommen, die für die Beklagte bindend ist. Gemäß den obigen Ausführungen lässt sich nicht feststellen, dass dem Kläger die Lohnerhöhung als Kompensation für einen Verzicht auf Weihnachts-/Urlaubsgeld gewährt worden ist. Dementsprechend kommt der von der Beklagten geltend gemachte Rückzahlungsanspruch nicht in Betracht. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der von der Beklagten hergestellte Zusammenhang zwischen einer Lohnerhöhung und einem Verzicht auf Weihnachts-/Urlaubsgeld überhaupt den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch hätte begründen können.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

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Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen.

(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.

(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.

(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:

1.
Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen.
2.
Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit.
2a.
Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen.
3.
Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.