Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 27. Mai 2014 - 6 Sa 46/14

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2014:0527.6SA46.14.0A
bei uns veröffentlicht am27.05.2014

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27. November 2013 - 1 Ca 1220/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Sozialplanabfindung.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit 01. Juni 2010 als Zerspanungsmechaniker beschäftigt. Zunächst war er in der Produktion eingesetzt, ab 01. Januar 2013 wurde er für eine Tätigkeit in der Qualitätssicherung angelernt und zum 01. Mai 2013 in die Abteilung Qualitätssicherung versetzt. Zuletzt verdiente der Kläger monatlich 2.700,00 Euro brutto.

3

Im Zuge der Übernahme durch einen Investor schloss die Beklagten mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat unter dem 10. Januar 2013 eine Betriebsvereinbarung zum Interessenausgleich und Sozialplan über die Zukunftsausrichtung und -sicherung der Beklagten am Standort K (Bl. 5 ff.; im Folgenden: BV IA und SozPlan), die gemäß § 1 BV IA und SozPlan persönlich für alle unter § 5 Abs. 1 BetrVG fallenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Beklagten gilt. § 2 BV IA und SozPlan sieht ua. für die Produktion und produktionsnahe Bereiche eine Personalanpassung vor, deren Umfang sich zum Zeitpunkt des Abschlusses der BV IA und SozPlan noch nicht genau quantifizieren ließ und durch Projekte erarbeitet und entsprechend den zwischen den Betriebspartnern vereinbarten Regularien umgesetzt werden sollte. § 5 BV IA und SozPlan enthält vor diesem Hintergrund folgende Abfindungsregelung:

4

㤠5Abfindungsanspruch und Abfindungsberechnung

5

Abfindungsanspruch

6

Der Abfindungsanspruch besteht unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis vom Unternehmen betriebsbedingt gekündigt wurde oder im gegenseitigen Einvernehmen betriebsbedingt endet. Liegt eine Eigenkündigung aus betriebsbedingten Grund (auch bei Ringtausch) vor, so ist der Abfindungsanspruch gesondert zu prüfen und für den Fall gegeben, dass durch den Ringtausch eine Kündigung mit Abfindungsanspruch vermieden werden kann.

7

…“

8

§ 3 Ziff. 6 BV IA und SozPlan enthält folgende Bestimmung:

9

„§ 3Personelle Einzelmaßnahmen

10

11

Bei der Umsetzung sind alle Formen von Ketten, Mehrfachketten im Sinne eines Ringtausches möglich und im Sinne einer vorausschauenden Personalplanung anzuwenden. Vorausschauende Personalplanung meint auch, dass zu erwartende Veränderungen, die sich im Rahmen der Projektarbeit ergeben könnten, jeweils auch zu beraten sind. Ringtausch liegt nur dann vor, wenn durch diesen eine Kündigung vermieden werden kann. Ringtausch bedarf der doppelten Freiwilligkeit.“

12

In Umsetzung der mit dem Betriebsrat getroffenen Vereinbarung kam es bei der Beklagten zu betriebsbedingten Kündigungen. Unter anderem betroffen war der Kollege des Klägers S, welcher wie der der Kläger in der Qualitätssicherung angelernt, jedoch nicht in den Bereich versetzt worden war.

13

Nachdem der Kläger eine anderweitige Beschäftigung gefunden hatte, kündigte er sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten mit Schreiben vom 30. Juli 2013 (Bl. 17 d. A.) zum 31. August 2013. Im Kündigungsschreiben führte der Kläger ua. aus:

14

„Aufgrund der angespannten Situation in der Firma P und der Erkenntnis, dass weitere Entlassungen anstehen, kündige ich mein Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.08.2013.

15

Durch mehrere Umstände (meine geringen Sozialpunkte, Kündigung des Kollegen S, ausstehende Schulung der Fa. W, Versetzung von Herrn P in die QS), hat bei mir die Annahme hervorgerufen, daß nach Durchführung der Umstrukturierungsmaßnahmen keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für mich besteht.

16

Unter Würdigung aller Umstände möchte ich durch meine Eigenkündigung einer betriebsbedingten Kündigung zuvorkommen.

17

Ich gehe davon aus, dass aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einem Kollegin/ Kollege, die/der Anspruch auf eine Abfindung hätte, der Arbeitsplatz über Ringtausch erhalten werden kann.

18

Zudem bitte ich Sie zu prüfen, ob laut § 5 der Betriebsvereinbarung zum Interessenausgleich vom 10. Januar 2013, ein Abfindungsanspruch besteht.

19

…“

20

Die Beklagte, die dem Kläger gegenüber erklärt hatte, Mitarbeiter der Qualitätssicherung und damit auch sein Arbeitsplatz sei nicht von einer betriebsbedingten Kündigung bedroht, versuchte ohne Erfolg, den Kläger - durch ein finanzielles Entgegenkommen - zur „Rücknahme“ seiner Kündigung zu bewegen.

21

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung vom 19. August 2013 hat der Kläger am 13. September 2013 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern Klage auf Zahlung einer Sozialplanabfindung erhoben.

22

Er hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, er habe das Arbeitsverhältnis gekündigt, weil er wegen seiner geringen Betriebszugehörigkeit und fehlender Unterhaltspflichten um seinen Arbeitsplatz gefürchtet habe, zumal ihm wie dem Kollegen S gesagt worden sei, der Arbeitsplatz sei sicher, diesem aber gekündigt worden sei. Gerade die Tatsache, dass die Beklagte nun behaupte, seine Stelle nicht mehr besetzen zu wollen, spreche für seine Befürchtung. Da es eine „betriebsbedingte“ Arbeitnehmerkündigung nicht gebe, stünden persönliche Gründe für seine Kündigung dem mit der Klage verfolgten Anspruch nicht entgegen. Der Kläger hat geltend gemacht, ihm stehe ein im Einzelnen rechnerisch dargelegter Anspruch auf eine Sozialplanabfindung in Höhe von insgesamt 19.530,00 Euro brutto zu, da durch seine Kündigung das Arbeitsverhältnis eines Kollegen, der im Falle einer betriebsbedingten Kündigung Anspruch auf Abfindung gehabt hätte, durch Versetzung auf seinen freien Arbeitsplatz habe erhalten bleiben können. Der Kollege J, ausgebildeter Zerspanungsmechaniker mit Meistertitel und Kenntnissen an der zuletzt vom Kläger bedienten Maschine, sei in der von Entlassungen betroffenen Großguss-Abteilung tätig und könne auf dem Arbeitsplatz des Klägers beschäftigt werden, wodurch die Kündigung des Mitarbeiters T zu verhindern sei. Es werde bestritten, dass der Kollege J seine Bewerbung für die Qualitätssicherung zurückgezogen habe, weil er sich die Arbeit nicht zutraue, dieser habe vielmehr erklärt, er komme einfach mit dem dortigen Abteilungsleiter nicht klar. Auch beim Schichtführer W, der exorbitante Kenntnisse im Computerbereich habe, zu einer Versetzung bereit sei und in der ebenfalls von betriebsbedingten Kündigungen betroffenen Produktion arbeite, sei dies der Fall. Schließlich könne auch der in der gleichen Abteilung beschäftigte hochkompetente Mitarbeiter W die Position des Klägers übernehmen. Naturgemäß tue er sich schwer, über betriebsinterne Dinge, die nicht seinem eigenen Kenntnisstand entsprächen, Auskunft zu geben, weshalb die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast Geltung finden müssten.

23

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Gesamtabfindungsanspruch in Höhe von 19.530,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

25

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

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die Klage abzuweisen.

27

Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Seine Eigenkündigung sei nicht aus betriebsbedingten Gründen erfolgt, sondern, weil ihm nach seinen Angaben gegenüber dem Abteilungsleiter Qualitätssicherung die Fahrtstrecke von seinem Wohnort in E mit 1.500 km im Monat nachvollziehbarerweise zu weit gewesen sei. Sie habe in 2012 bereits zwei Mitarbeiter der Qualitätssicherung ungewollt durch eine Eigenkündigung verloren. Soweit der Kläger auf die Kündigung des Kollegen S verweise, sei zu beachten, dass dieser anders als der Kläger gerade nicht in die von betriebsbedingten Kündigungen nicht betroffene Abteilung Qualitätssicherung versetzt worden seil, weil er die dortigen Anforderungen nicht habe erfüllen können. Durch die Kündigung des Klägers sei keine Kündigung eines Kollegen verhindert worden. Die Anforderungen an einen Mitarbeiter der Qualitätssicherung seien sehr hoch, weshalb auch der Kläger zeitaufwändig geschult worden sei. Diese Anforderungen erfüllten die von Kündigungen bedrohten Mitarbeiter nicht. Die vom Kläger genannten Mitarbeiter stünden als Leistungsträger nicht zur Kündigung an. Der Mitarbeiter J, der sich wie der Kläger Ende 2012 auf die Stelle in der Qualitätssicherung beworben habe und auch aufgrund seiner 70 Sozialpunkte nicht gekündigt worden wäre, habe von seiner Bewerbung Abstand genommen, da er sich die Arbeit in der Qualitätssicherung letztlich nicht zugetraut habe. Die Arbeitnehmer W und W seien als Schichtführer in der Fertigung als Vorgesetzte unverzichtbar und deshalb von keiner Kündigung bedroht. Sie könne nicht hochqualifizierte Mitarbeiter in Vorgesetztenfunktion in die Qualitätssicherung versetzen, um dann deutlich geringer qualifizierte Mitarbeiter ohne Vorgesetztenerfahrung als Schichtführer zu ernennen, nur damit der Kläger eine Sozialplanabfindung erlange. Zu einem Ring-Ring-Ring-Ring-Ring-Tausch durch Beförderungen, also einem Ring-Aufstieg, sei sie nicht verpflichtet. Es gebe keine Mitarbeiter, die - ohne an anderer Stelle ein „Loch“ zu reißen - zur Übernahme des Arbeitsplatzes des Klägers geeignet seien. Im Übrigen besetze sie trotz zu erwartender personeller Engpässe den Arbeitsplatz des Klägers im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage nicht mehr.

28

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. November 2013, wegen dessen Tatbestand auf Bl. 47 bis 49 d. A. verwiesen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe sein Arbeitsverhältnis nicht aus betriebsbedingten Gründen im Sinne des § 5 Ziff. 1 BV IA und SozPlan selbst gekündigt. Zudem habe der für das Vorliegen dieser Voraussetzung darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht nachvollziehbar vorgetragen, dass und gegebenenfalls welchem Arbeitnehmer, der von einer betriebsbedingten Kündigung mit Abfindungsanspruch bedroht gewesen sei, der Arbeitsplatz aufgrund der Eigenkündigung habe erhalten werden können. Weder habe er unter Beweis gestellt, dass die Herrn J, W und W mit einer betriebsbedingten Kündigung hätten rechnen müssen, noch habe er konkret Arbeitnehmer benannt, die bei einer Versetzung im Wege des Ringtauschs deren Position hätten einnehmen können. Außerdem sei zumindest der Mitarbeiter J nicht freiwillig iSv. § 3 Ziff. 6 BV IA und SozPlan hierzu bereit gewesen. Selbst wenn man von einer Eigenkündigung aus betriebsbedingten Gründen ausgehen wolle, sei ein Anspruch auf Sozialplanabfindung nur gegeben, wenn durch den Ringtausch eine Kündigung mit Abfindungsanspruch vermieden werden könne. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 49 bis 51 d. A. verwiesen.

29

Der Kläger hat gegen das ihm am 16. Januar 2014 zugestellte Urteil mit am 24. Januar 2014 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 31. März 2014, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, begründet.

30

Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung nach Maßgabe seiner Beru-fungsbegründungsschrift vom 31. März 2014, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 76 ff. d. A.) zweitinstanzlich im Wesentlichen geltend, er sei seiner abgestuften Darlegungs- und Beweislast nachgekommen, indem er die Kollegen J, W und W dafür benannt habe, dass sie für seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit in Betracht kämen. Auch wenn der Zeuge J Leistungsträger gewesen sein solle, hätte sich durch seine Versetzung die Anzahl der von Kündigungen betroffenen Personen in seiner Abteilung reduziert. Um welche Personen es sich hierbei handele, könne er naturgemäß mangels Einblick nicht vortragen. Ebenso entziehe sich die von der Beklagten darzulegende Tatsache, seiner Kenntnis, welcher Mitarbeiter mit einer Versetzung nicht einverstanden gewesen sei. Das Gleiche gelte sinngemäß für die Versetzung des Kollegen W aus der von Kündigungen betroffenen Abteilung Produktion und die mögliche Versetzung des Zeugen W. Auch wenn es ihm an sich nicht möglich sei, habe er doch vorgetragen, dass der Mitarbeiter T keine Kündigung erhalten habe. Die Behauptung der Beklagten zur Nichtbesetzung seiner Stelle werde als unglaubwürdig bestritten. Der Zeuge B habe die Stelle übernommen. Der Zeuge S habe ihm jedenfalls eine schriftliche Beschäftigungsgarantie nicht geben wollen. Im der Berufungsverhandlung vom 27. Mai 2014 hat der Kläger unstreitig gestellt, dass der Mitarbeiter T in die Transfergesellschaft gewechselt ist.

31

Der Kläger beantragt,

32

unter Abänderung des Urteils vom 27.11.2013 des Arbeitsgerichts Kaiserslautern, Az. 1 Ca 1220/13, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 19.530,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

33

Die Beklagte beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Die Beklagte verteidigt das vom Kläger angefochtene Urteil nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 07. Mai 2014, auf den Bezug genommen wird (Bl. 102 ff. d. A.), zweitinstanzlich im Wesentlichen wie folgt, dem Kläger, dem keinesfalls gekündigt worden wäre, stehe keine Sozialplanabfindung zu. Seine Stelle sei bis heute nicht besetzt. Der Zeuge J, der schon wegen seiner Sozialpunkte nicht von der Kündigung bedroht gewesen sei, sei nach zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts nicht freiwillig zu einem Wechsel in die Qualitätssicherung bereit gewesen. Als Vorsetzte und Schichtführer hätten die Mitarbeiter W und W ebenfalls nicht mit einer Kündigung rechnen müssen. Da ihr die vom Kläger ohne finanzielle Nachteile ausgesprochene und mit einer nahtlosen wohnortnäheren Beschäftigung des Klägers verbundene Eigenkündigung „aufgezwungen“ worden und hierdurch kein Arbeitsplatz erhalten worden sei, sehe sie nicht ein, dass sie Sozialplanleistungen an den Kläger erbringe, die in diesem Fall Arbeitskollegen, die tatsächlich Nachteile durch die Restrukturierung erlitten hätte, finanzielle Mittel entziehen würden.

36

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

37

A. Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

38

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, wurde vom Kläger nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 16. Januar 2014 mit am 24. Januar 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und mit Schriftsatz vom 31. März 2014, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO). Die Begründung setzt sich in hinreichender Weise mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinander (§ 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr.2, 4 ZPO).

39

II. Die Berufung ist in der Sache nicht erfolgreich. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Sozialplanabfindung nach der BV IA und SozPlan nicht zu. Die Berufung war zurückzuweisen.

40

1. Gemäß § 5 Ziff. 1 Satz 2 BV IA und SozPlan ist der vom Kläger verfolgte Anspruch auf Zahlung der in der Höhe rechnerisch zwischen den Parteien nicht streitigen Sozialplanabfindung bei Ausspruch einer Eigenkündigung aus betriebsbedingtem Grund (auch bei Ringtausch) gesondert zu prüfen und für den Fall gegeben, dass durch den Ringtausch eine Kündigung mit Abfindungsanspruch vermieden werden kann. § 3 Ziff. 6 Satz 1 BV IA und SozPlan sieht insoweit vor, dass bei der Umsetzung alle Formen von Ketten, Mehrfachketten im Sinne eines Ringtausches möglich sind, wobei Ringtausch nach § 3 Ziff. 6 Satz 3 und 4 BV IA und SozPlan nur dann vorliegt, wenn durch diesen eine Kündigung vermieden werden kann und doppelte Freiwilligkeit gegeben ist.

41

2. Nach diesen Bestimmungen kann der Kläger die Zahlung einer Sozialplanabfindung nicht verlangen.

42

2.1. Es kann offen bleiben, ob der Anspruch des Klägers daran scheitert, dass es an einer Eigenkündigung aus betriebsbedingtem Grund gemäß § 5 Ziff. 1 BV IA und SozPlan fehlt, weil der Kläger - wie die Beklagte vom Kläger bestritten behauptet - einen neuen Arbeitsplatz in Wohnortnähe gesucht und gefunden hat und damit für die Kündigung ausschließlich persönliche Gründe vorlagen. Nach § 5 Ziff. 1 Satz 2 BV IA und SozPlan kann eine einen Abfindungsanspruch auslösende betriebsbedingte Eigenkündigung ausdrücklich auch im Fall eines Ringtausches vorliegen. Da nach § 3 Ziff. 6 Satz 1 und 3 BV IA und SozPlan auch Mehrfachketten im Sinne eines Ringtausches möglich sind, sofern durch den Ringtausch eine Kündigung vermieden werden kann, ist nach § 5 Ziff. 1 Satz 2 BV IA und SozPlan für die Betriebsbedingtheit nicht zwingend erforderlich, dass der eine Eigenkündigung aussprechende Mitarbeiter selbst von einer betriebsbedingten Kündigung bedroht ist, sofern durch diese Kündigung im Wege des Ringtauschs eine solche gegenüber einem anderen Mitarbeiter vermieden werden kann. Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, dass eine Betriebsbedingtheit der Eigenkündigung gemäß § 5 Ziff. 1 Satz 2 BV IA und SozPlan - bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen - auch dann gegeben ist, wenn der Kündigende selbst zwar nicht von einer betriebsbedingten Kündigung betroffen gewesen wäre und - ausschließlich - persönliche Motive für seine Kündigung hatte, jedoch durch seine Kündigung eine betriebsbedingte Kündigung vermieden werden konnte und die Eigenkündigung hierdurch zur „betriebsbedingten“ wurde. Letztlich kann dahinstehen, ob der Kläger ausschließlich aus persönlichen Motiven gekündigt hat, weil er einen Arbeitsplatz in Wohnortnähe suchte.

43

2.2. Der geltend gemachte Anspruch auf Sozialplanabfindung ist nicht gegeben, weil der Kläger nicht dargelegt hat, dass durch seine Eigenkündigung iSv. § 5 Ziff. 1 Satz 2 BV IA und SozPlan eine Kündigung mit Abfindungsanspruch hätte vermieden werden können.

44

a) Nach allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts trägt die Darlegungslast diejenige Partei, die sich auf eine für sie günstige Rechtsfolge beruft (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 474/12 - Rn. 74; 15. Dezember 2005 - 8 AZR 202/05 - Rn. 58; jeweils zitiert nach juris). Allerdings genügt nach den Grundsätzen der sekundären Behauptungslast das einfache Bestreiten des Gegners der primär darlegungspflichtigen Partei nicht, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des für ihren Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht, der Gegner dagegen alle wesentlichen Tatsachen kennt und ihm nähere Angaben zuzumuten sind. In diesen Fällen kann von ihm das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden. Der Gegner der primär darlegungs- und beweispflichtigen Partei muss deren Vortrag also positive Gegenangaben gegenüberstellen (BAG 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 53 mwN, 6. September 2007 - 2 AZR 715/06 - Rn. 38; jeweils zitiert nach juris).

45

b) Ausgehend hiervon trägt grundsätzlich der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die eine Sozialplanabfindung begründenden Tatsachen (vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz 22. November 2012 - 10 Sa 353/12 - Rn. 41, zitiert nach juris). Auch wenn er angesichts der Formulierung von § 5 Ziff. 1 Satz 2 BV IA und SozPlan nicht darlegen musste, dass durch seine Eigenkündigung der Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung mit Abfindungsanspruch tatsächlich vermieden wurde (hierzu: LAG Düsseldorf 14. Juli 1997 - 18 Sa 596/97 - Rn. 51 ff., zitiert nach juris), hätte dem Kläger zumindest oblegen, Tatsachen darzulegen, die dafür sprechen, dass eine solche hätte vermieden werden können. Selbst wenn man der Beklagten hierbei eine sekundäre Darlegungslast auferlegt, ist dem Kläger dies nicht gelungen. Die Beklagte hat ihrer sekundären Darlegungslast genügt, ohne dass der Kläger ihren Behauptungen entgegengetreten wäre oder weitergehenden Vortrag gehalten und bewiesen hätte.

46

aa) Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass der Arbeitsplatz des Klägers in der Qualitätssicherung zum Zeitpunkt seiner Eigenkündigung nicht von einer betriebsbedingten Kündigung bedroht war. Dass der Kläger zuletzt vorgetragen hat, der Abteilungsleiter Qualitätsmanagement S habe ihm eine schriftliche Arbeitsplatzgarantie nicht erteilen wollen, steht dem nicht entgegen. Auch wenn eine unmittelbare Bedrohung des Arbeitsplatzes nicht gegeben war, war der Zeuge S bereits aufgrund seiner Funktion und mangels Vorhersehbarkeit künftiger Entwicklungen zur Abgabe einer zeitlich unbefristeten Beschäftigungsgarantie unabhängig von der derzeitigen Personalmaßnahme nicht in der Lage. Der Kläger hätte daher darlegen müssen, inwieweit die Möglichkeit bestand, durch einen freiwilligen Ringtausch - auch im Sinne einer Mehrfachkette - in einem von betriebsbedingten Kündigungen betroffenen Bereich die Kündigung eines Arbeitnehmer zu vermeiden, der einen Abfindungsanspruch hatte.

47

bb) Auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der sekundären Behauptungslast im Hinblick auf die Beklagte fehlt es hieran.

48

(1) Soweit der Kläger sich auf einen Ringtausch unter Beteiligung des Zeugen J berufen hat, liegt bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers die für einen Ringtausch erforderliche Freiwilligkeit gemäß § 3 Ziff. 6 Satz 4 BV IA und SozPlan nicht vor. Der Kläger hat vorgetragen, der - unstreitig wie er in der Qualitätssicherung geschulte - Mitarbeiter J aus der von Kündigungen betroffenen Großguss-Abteilung sei in der Lage gewesen, seinen Arbeitsplatz in der Qualitätssicherung einzunehmen, wodurch die Kündigung des Kollegen T aus der Großguss-Abteilung hätte vermieden werden können. Den Vortrag der Beklagten, dass ein derartiger Tausch bereits daran gescheitert wäre, dass der Kollege J sich eine Tätigkeit in der Qualitätssicherung nicht zugetraut habe, hat der Kläger bestritten und erwidert, der Zeuge J habe seine Bewerbung in der Qualitätssicherung vielmehr zurückgezogen, weil er mit dem dortigen Vorgesetzten nicht auskomme. Auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers war der Zeuge J damit, auch wenn man unterstellt, dass er sich die Tätigkeit grundsätzlich zugetraut hätte, zumindest wegen der Vorgesetztensituation in der Qualitätssicherung nicht zu einem Wechsel auf den Arbeitsplatz des Klägers bereit. Freiwilligkeit iSd. § 3 Ziff. 6 Satz 4 BV IA und SozPlan ist nicht gegeben. Ob der Zeuge T oder ein anderer Mitarbeiter in der Lage gewesen wäre, die Tätigkeit des Zeugen J einzunehmen, kann daher dahinstehen.

49

(2) Auch die Möglichkeit eines Ringtauschs iSv. § 3 Ziff. 6 BV IA und SozPlan unter Beteiligung der vom Kläger angeführten Kollegen W und W aus der von der Personalmaßnahme betroffenen Produktionsabteilung ist nicht ersichtlich. Es bestehen bereits Zweifel, ob ohne weiteres davon auszugehen ist, dass die Kollegen W und W in der Lage gewesen wären, im Sinne einer Umsetzung gemäß § 3 Ziff. 6 Satz 1 BV IA und SozPlan die Tätigkeit des Klägers wahrzunehmen. Selbst wenn man ihre vom Kläger behaupteten Kenntnisse und Fähigkeiten unterstellt, fehlt es ihnen derzeit an der vom Kläger durchlaufenen Schulung bzw. Einweisung in der Qualitätssicherung. Selbst wenn man annimmt, dass es sich hierbei um eine kurzfristige Anlernzeit handelt, die einer Umsetzung nicht entgegenstehen würde, ist jedoch nicht erkennbar, dass die Zeugen W und W ihrerseits durch Umsetzung ersetzt werden könnten. Bei den genannten Mitarbeitern handelt es sich unstreitig um Schichtführer mit Vorgesetztenfunktion. Ihre Arbeitsplätze selbst sind von der in Rede stehenden Personalmaßnahme nicht betroffen. Nachdem der Kläger insoweit vorgetragen hat, er könne mangels Einsicht in die Firmeninterna keine Namen von geeigneten Mitarbeitern benennen, hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass anstelle der Vorgesetzten W und W nicht deutlich geringer qualifizierte Mitarbeiter ohne Vorgesetztenerfahrung zu Schichtführern ernannt werden könnten, damit der Kläger eine Sozialplanabfindung erlange und dass es keine Mitarbeiter gebe, die - ohne an anderer Stelle ein „Loch“ zu reißen - zur Übernahme des Arbeitsplatzes des Klägers geeignet seien. Mit diesem Vortrag ist die Beklagte jedenfalls ihrer sekundären Behauptungslast nachgekommen, ohne dass der Kläger dem etwas entgegengesetzt hätte. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei den Positionen der selbst nicht von Kündigungen bedrohten Mitarbeiter W und W um Schichtführerstellen handelt, scheidet ein Einsatz von geringer qualifizierten Produktionsmitarbeitern ohne Vorgesetztenfunktion durch schlichte Umsetzung iSv. § 3 Ziff. 6 Satz 1 BV IA SozPlan aus. Zu Beförderungen unterqualifizierter Mitarbeiter ist die Beklagte nach § 3 Ziff. 6 Satz 1 BV IA SozPlan nicht verpflichtet. Dass der Kläger auch nicht dargetan hat, welche Mitarbeiter entgegen der Darlegungen der Beklagten zur Übernahme von Schichtführertätigkeiten in der Produktion überhaupt geeignet und bereit wären, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

50

(3) Ebenso kann offen bleiben, ob die Beklagte die Stelle des Klägers - von ihr bestritten - wieder besetzt hat. Selbst wenn der Zeuge B - wie vom Kläger zuletzt mit am Tag vor der Berufungsverhandlung bei Gericht eingegangenem Schriftsatz behauptet und von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestritten, ohne dass dies zu Protokoll genommen worden wäre - die Aufgabe des Klägers nunmehr übernommen haben sollte, ist nicht ersichtlich, dass hierdurch eine betriebsbedingte Kündigung mit Abfindungsanspruch vermieden wurde oder hätte vermieden werden können.

51

B. Die Kostenentscheidung folgt aus den § 97 ZPO.

52

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 27. Mai 2014 - 6 Sa 46/14

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(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der
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(2) Als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist;
2.
die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder die Mitglieder einer anderen Personengesamtheit, soweit sie durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit oder zur Geschäftsführung berufen sind, in deren Betrieben;
3.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist;
4.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung, sittlichen Besserung oder Erziehung beschäftigt werden;
5.
der Ehegatte, der Lebenspartner, Verwandte und Verschwägerte ersten Grades, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber leben.

(3) Dieses Gesetz findet, soweit in ihm nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, keine Anwendung auf leitende Angestellte. Leitender Angestellter ist, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb

1.
zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
2.
Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
3.
regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.
Für die in Absatz 1 Satz 3 genannten Beamten und Soldaten gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Leitender Angestellter nach Absatz 3 Nr. 3 ist im Zweifel, wer

1.
aus Anlass der letzten Wahl des Betriebsrats, des Sprecherausschusses oder von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer oder durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung den leitenden Angestellten zugeordnet worden ist oder
2.
einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend leitende Angestellte vertreten sind, oder
3.
ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das für leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist, oder,
4.
falls auch bei der Anwendung der Nummer 3 noch Zweifel bleiben, ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch überschreitet.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. April 2012 - 5 Sa 2555/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aus Anlass der Schließung der Beklagten.

2

Die Beklagte ist eine - in Abwicklung befindliche - sog. geöffnete Betriebskrankenkasse mit Hauptsitz in S. Sie beschäftigte im Juni 2011 etwa 400 Arbeitnehmer. An ihren Standorten H, B und S waren Personalräte, am Hauptsitz zudem ein Hauptpersonalrat gebildet.

3

Die im Jahr 1959 geborene Klägerin war seit Anfang 1991 beim Land Berlin als Sozialversicherungsfachangestellte beschäftigt. Im Jahr 1999 ging ihr Arbeitsverhältnis auf die Beklagte über. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Betriebskrankenkassen (MTV) Anwendung. Dieser enthält in § 20 Abs. 1 die Regelung, dass der Beschäftigten nach Vollendung des 50. Lebensjahres und einer zehnjährigen Beschäftigungszeit „nur aus einem in ihrer Person oder in ihrem Verhalten liegenden wichtigen Grund fristlos gekündigt werden“ kann. Die Klägerin verdiente zuletzt etwa 4.400,00 Euro brutto monatlich.

4

Mit Bescheid vom 4. Mai 2011 ordnete das Bundesversicherungsamt die Schließung der Beklagten zum 30. Juni 2011 an. Grund war deren Überschuldung und eine damit einhergehende dauernde Leistungsunfähigkeit.

5

Am 20. April und 4. Mai 2011 unterrichtete die Beklagte den Hauptpersonalrat über die bevorstehende Schließung. Sie teilte ihm ferner mit, dass sie beabsichtige, alle Arbeitsverhältnisse vorsorglich außerordentlich zum 30. Juni 2011, hilfsweise fristgemäß bzw. außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zu kündigen. Der Hauptpersonalrat erhob dagegen Einwände.

6

Mit Schreiben vom 9. Mai 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Schließung am 30. Juni 2011 enden werde. Ein ihr vom Landesverband der Betriebskrankenkassen unterbreitetes Angebot auf eine anderweitige Beschäftigung nahm die Klägerin nicht an.

7

Mit Schreiben vom 19. Mai 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien „vorsorglich“ außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. Juni 2011, hilfsweise zum 31. Dezember 2011 als dem von ihr angenommenen „nächst möglichen Termin“.

8

Am 23. Juni 2011 schlossen die Parteien einen zunächst bis zum 30. Juni 2012 befristeten, sodann bis zum 31. Dezember 2012 verlängerten Arbeitsvertrag. Auf seiner Grundlage war die Klägerin ab dem 1. Juli 2011 als „Teamleiterin“ tätig.

9

Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund der Schließung und - rechtzeitig - gegen die Kündigung gewandt. Die Klägerin hat gemeint, ihr Arbeitsverhältnis sei nicht nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V beendet worden. Die Vorschrift müsse dahin ausgelegt werden, dass nur die Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer beendet würden, die ein zumutbares Angebot auf anderweitige Unterbringung ausgeschlagen hätten. Ein solches sei ihr nicht unterbreitet worden. Die vorsorglich erklärte Kündigung sei unwirksam. Die Schließung habe nicht zur Stilllegung des Betriebs geführt. Die Beklagte habe über den Schließungszeitpunkt und den 31. Dezember 2011 hinaus Abwicklungsarbeiten durchgeführt. Auch sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

10

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht am 30. Juni 2011 beendet worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2011 nicht beendet worden ist.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, mit ihrer Schließung habe sie ihre Rechtspersönlichkeit als Körperschaft des öffentlichen Rechts verloren. Sie sei damit als Arbeitgeberin „untergegangen“. Schon dies habe unmittelbar zur Beendigung sämtlicher Arbeitsverhältnisse geführt. Zumindest habe das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft gesetzlicher Anordnung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V sein Ende gefunden. Die Regelung sei verfassungskonform. Durch die unterschiedliche Behandlung der Beschäftigten einer Innungskrankenkasse und der einer Betriebskrankenkasse werde Art. 3 GG nicht verletzt. Die Unterscheidung sei nicht willkürlich. Die Sicherung eines funktionierenden gesetzlichen Gesundheitssystems stelle ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dar. Das Interesse der Arbeitnehmer am Bestand ihrer Arbeitsverhältnisse müsse dahinter zurücktreten. Ein zumutbares Angebot auf anderweitige Unterbringung habe die Klägerin abgelehnt. Falls es darauf ankomme, sei die vorsorglich erklärte Kündigung wirksam. Aufgrund ihrer Schließung seien sämtliche Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen. Die befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin ändere daran nichts. Das Gesetz überantworte die Abwicklung dem Vorstand. Sie beginne ganz ohne eigenes Personal. Auf der Grundlage konkreter Prognosen zum Beschäftigungsbedarf für die Dauer der Abwicklung würden sodann - wie mit der Klägerin - befristete Arbeitsverträge geschlossen.

12

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 30. Juni 2011 weder unmittelbar dadurch, dass mit der Schließung der Beklagten die Arbeitgeberin der Klägerin erloschen wäre, noch von Gesetzes wegen gemäß § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V. Es ist auch nicht durch die Kündigung(en) der Beklagten vom 19. Mai 2011 aufgelöst worden.

14

A. Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich aller Streitgegenstände zulässig. Dass sie hinsichtlich der Entscheidung über den Antrag zu 2. nicht eigens begründet worden ist, ist unschädlich.

15

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den vermeintlichen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Sie muss dazu eine Auseinandersetzung mit den tragenden Argumenten des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 120/12 - Rn. 17; 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 12). Bei mehreren Streitgegenständen muss im Fall einer unbeschränkt eingelegten Revision grundsätzlich für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Eine eigenständige Begründung ist nur dann nicht erforderlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt. Mit der Begründung der Revision über den einen Streitgegenstand ist dann zugleich dargelegt, dass die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - aaO; 9. April 1991 - 1 AZR 488/90 - zu I der Gründe, BAGE 68, 1).

16

II. In Anwendung dieser Grundsätze ist die Revision auch gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Kündigungsschutzantrag zu 2. zulässig. Zwar fehlt es insoweit an einer Auseinandersetzung der Beklagten mit dem Berufungsurteil. Dessen bedurfte es jedoch nicht. Erwiese sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Antrag zu 1. als unrichtig, hätte also das Arbeitsverhältnis der Parteien schon aufgrund der Schließung der Beklagten geendet, wäre damit zugleich die Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag hinfällig.

17

1. Stehen mehrere Beendigungstatbestände in Rede und macht der Kläger die Unwirksamkeit der einzelnen Maßnahmen mittels Haupt- und unechten Hilfsantrags geltend, besteht zwischen den Anträgen ein prozessuales Abhängigkeitsverhältnis. Ein uneigentlicher Hilfsantrag wird gestellt für den Fall des Erfolgs des Hauptantrags. Die Rechtshängigkeit des Hilfsantrags ist demnach auflösend bedingt durch den Misserfolg des Hauptantrags (BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 50, BAGE 130, 1). Sie endet mit Bedingungseintritt rückwirkend, ohne dass es dafür eines besonderen gerichtlichen Ausspruchs bedürfte. Ein über den Hilfsantrag bereits ergangenes, noch nicht formell rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos (BAG 12. August 2008 - 9 AZR 620/07 - Rn. 15, BAGE 127, 214). Auch wenn sich der Revisionsangriff nur gegen die - stattgebende - Entscheidung über den Hauptantrag richtet, tritt in einem solchen Fall bei erfolgreicher - zur Abweisung dieses Antrags führender - Revision die auflösende Bedingung ein. Der erfolgreiche Angriff gegen die Entscheidung über den Hauptantrag reicht damit aus, um das angefochtene Urteil auch hinsichtlich des Hilfsantrags zu Fall zu bringen.

18

2. So liegt der Fall hier. Der Kündigungsschutzantrag zu 2. ist als unechter Hilfsantrag zu verstehen. Die Klägerin will sich gegen die Kündigung nur zur Wehr setzen, falls das Arbeitsverhältnis nicht schon durch die Schließung der Beklagten geendet hat.

19

a) Eine solchermaßen - auflösend - bedingte Antragstellung entspricht bei mehreren, zu unterschiedlichen Beendigungszeitpunkten erklärten Kündigungen dem (Kosten-)Interesse des Kündigungsempfängers. Sie trägt überdies der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Rechnung, nach der die Sozialwidrigkeit bzw. Unwirksamkeit einer Kündigung dann nicht festgestellt werden kann, wenn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines anderen - vor oder gleichzeitig mit Ablauf der Kündigungsfrist wirkenden - Beendigungstatbestands zwischen den Parteien unstreitig oder sie rechtskräftig festgestellt ist (vgl. BAG 11. Februar 1981 - 7 AZR 12/79 - zu B II 1 der Gründe). Gegen die Zulässigkeit eines entsprechend bedingten Antrags bestehen keine Bedenken. Bei der fraglichen Bedingung handelt es sich um eine rein innerprozessuale Rechtsbedingung. Unter eine solche Rechtsbedingung kann jeder Klageantrag gestellt werden. Da der Antrag iSv. § 158 Abs. 2 BGB auflösend - und nicht etwa aufschiebend - bedingt ist, vermag er, rechtzeitig gestellt, auch die Klagefrist des § 4 Abs. 1 KSchG ohne Weiteres zu wahren.

20

b) Im Streitfall kommt hinzu, dass die Beklagte ihrerseits die Kündigung(en) vom 19. Mai 2011 nur „vorsorglich“ für den Fall erklärt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht bereits aufgrund der Schließung zum 30. Juni 2011 aufgelöst worden ist. Ihre Kündigungserklärung steht damit unter der - ebenfalls zulässigen - auflösenden Rechtsbedingung (§ 158 Abs. 2 BGB), dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses schon kraft Gesetzes eingetreten ist (vgl. für den Fall zweier Kündigungen BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 54/12 - Rn. 44). Tritt diese Bedingung ein, liegt schon eine Kündigungserklärung als solche nicht mehr vor. Eine gleichwohl aufrechterhaltene Kündigungsschutzklage ginge ins Leere und wäre unbegründet (vgl. BAG 16. Januar 1987 - 7 AZR 546/85 -). Auch aus diesem Grund ist der Kündigungsschutzantrag zu 2. als unechter Hilfsantrag zu verstehen, mit dem die Klägerin sich gegen die „vorsorglich“ erklärte(n) Kündigung(en) ihrerseits nur „vorsorglich“ wehrt (vgl. für das Ergebnis auch HaKo-KSchR/Gallner 4. Aufl. § 4 KSchG Rn. 64).

21

c) Falls schon die Schließung der Beklagten das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet hat, fallen somit - materiell-rechtlich - die Kündigungserklärung und - prozessrechtlich - der Feststellungsantrag zu 2. samt der zu ihm ergangenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts fort. Es genügt damit ein - zulässiger - Revisionsangriff der Beklagten gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis habe nicht schon kraft Gesetzes sein Ende gefunden, um das Berufungsurteil auch hinsichtlich der Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag in Frage zu stellen.

22

3. Unabhängig vom Stufenverhältnis der Klageanträge ist ein erfolgreicher Angriff der Beklagten gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Antrag zu 1. auch aus materiell-rechtlichen Gründen ausreichend, um die Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag hinfällig werden zu lassen. Hat das Arbeitsverhältnis schon aufgrund der Schließung der Beklagten geendet, kann die Kündigungsschutzklage gegen die - zum selben bzw. einem späteren Termin erklärte(n) - Kündigung(en) keinen Erfolg haben.

23

B. Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht für zulässig und begründet erachtet.

24

I. Die Klage ist zulässig.

25

1. Die Zulässigkeit der Klage setzt die Parteifähigkeit des Beklagten voraus. Die Beklagte ist parteifähig.

26

a) Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist (§ 50 Abs. 1 ZPO). Betriebskrankenkassen wie die Beklagte sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 29 SGB IV, § 4 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V). Sie sind damit - im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben (vgl. Krauskopf/Baier SGB IV § 29 Rn. 5) - parteifähig (vgl. MüKoZPO/Lindacher 4. Aufl. § 50 Rn. 21). Streiten die Parteien gerade über die Existenz oder die Parteifähigkeit eines Prozessbeteiligten oder über die sich aus deren Erlöschen ergebenden Folgen, ist die Parteifähigkeit als Prozessvoraussetzung zu unterstellen (BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 215/03 - zu B I 1 b der Gründe; 31. August 1983 - 4 AZR 104/81 -; für eine Gebietskörperschaft BGH 21. Oktober 1971 - II ZR 90/68 - zu A I der Gründe). Das Zivilprozessrecht sieht für die Klärung von Rechtsansprüchen stets einen Prozess mit mindestens zwei Parteien vor. Dementsprechend muss auch die Frage, ob eine der Parteien rechtlich existent ist, inter partes geklärt werden können. Andernfalls wäre eine mit materieller Rechtskraft ausgestattete Entscheidung dieser Frage nicht möglich (BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 215/03 - aaO).

27

b) Danach ist hier die Parteifähigkeit der Beklagten jedenfalls zu fingieren. Die Parteien streiten über die Rechtsfolgen der Schließung der Beklagten für ihr Arbeitsverhältnis und über die Wirksamkeit der in diesem Zusammenhang ausgesprochenen Kündigung. Diese Fragen können einer der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidung nur zugeführt werden, wenn die Beklagte unabhängig davon, ob und ggf. inwieweit sie gem. § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V weiterhin rechtsfähig ist, als parteifähig gilt.

28

2. Gegen die Zulässigkeit der Anträge bestehen keine Bedenken.

29

a) Der Antrag zu 1. ist ein allgemeiner Feststellungsantrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. In der Sache begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten über den 30. Juni 2011 hinaus fortbesteht. Ob auch ein punktueller, dem Kündigungsschutzantrag iSv. § 4 Satz 1 KSchG nachgebildeter Antrag zulässig wäre, bedarf keiner Entscheidung(verneinend BAG 10. November 2011 - 6 AZR 357/10 - Rn. 13, BAGE 139, 376; 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 15, BAGE 125, 70).

30

b) Das auf Seiten der Klägerin erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben.

31

aa) Der Antrag betrifft den durch die Beklagte mit Verweis auf ihre Schließung in Frage gestellten Bestand des Arbeitsverhältnisses und damit das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Er ist geeignet, den zwischen den Parteien bestehenden Streit umfassend zu klären.

32

bb) Der Antrag ist auch nicht lediglich auf die Klärung einer Frage gerichtet, die im Rahmen der Begründetheit des ebenfalls gestellten Kündigungsschutzantrags als Vorfrage ohnehin beantwortet werden müsste; ein rechtliches Interesse an einem eigenständigen Feststellungsbegehren wäre andernfalls nicht zu erkennen. Zwar kann der Kündigungsschutzantrag der Klägerin nur Erfolg haben, wenn das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zum Ablauf der mit der Kündigung verbundenen Auslauffrist(en) bestanden hat. Dies wiederum kann positiv nur festgestellt werden, wenn das Arbeitsverhältnis nicht schon am 30. Juni 2011 durch Schließung geendet hat. Das ist folglich auch im Rahmen des Kündigungsschutzantrags zu prüfen. Jedoch ist hier der allgemeine Feststellungsantrag als Haupt-, der Kündigungsschutzantrag als unechter Hilfsantrag gestellt worden. In diesem Fall kann ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO für den Hauptantrag nicht mit der Erwägung verneint werden, der mit ihm angegriffene Auflösungstatbestand sei auch im Rahmen des - möglicherweise gar nicht zu bescheidenden - Hilfsantrags zu überprüfen.

33

II. Die Klage ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei weder aufgrund der Schließung der Beklagten noch durch die außerordentliche(n) Kündigung(en) vom 19. Mai 2011 beendet worden.

34

1. Die Anträge sind nicht deshalb unbegründet, weil die Parteien bereits am 23. Juni 2011 einen für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2012 befristeten Arbeitsvertrag geschlossen und diesen später bis zum 31. Dezember 2012 verlängert haben. Damit haben sie weder ihr unbefristetes Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 30. Juni 2011 - konkludent - aufgehoben, noch hat die Klägerin auf ihr Recht verzichtet, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2011 bzw. 31. Dezember 2011 hinaus geltend zu machen. Ebenso wenig kann - umgekehrt - davon ausgegangen werden, die Parteien hätten sich mit den Befristungsabreden zugleich über eine einvernehmliche Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den Schließungszeitpunkt bzw. die Kündigungstermine hinaus verständigen wollen, so dass der Klage schon aus diesem Grund stattzugeben wäre. Ihr Wille war vielmehr darauf gerichtet, losgelöst vom Streitgegenstand der bereits anhängigen Klage eine Regelung über die befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin zum Zwecke anstehender Abwicklungsarbeiten zu treffen. Das ergibt die Auslegung der Vereinbarungen. Diese kann der Senat - obgleich das Landesarbeitsgericht sie unterlassen hat - selbst vornehmen. Der Sachverhalt ist vollständig festgestellt, weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien steht nicht zu erwarten (vgl. dazu BAG 24. August 2011 - 7 AZR 228/10 - Rn. 53, BAGE 139, 109; 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 24 mwN, BAGE 135, 255).

35

a) Die Vereinbarungen über eine befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin sollten nicht zur Aufhebung des zwischen den Parteien möglicherweise über den 30. Juni 2011 hinaus bestehenden Arbeitsverhältnisses führen. Sie wurden erst getroffen, nachdem die Klägerin die vorliegende Klage erhoben hatte. Die Klageschriften in den zunächst getrennt geführten Verfahren waren der Beklagten bei Vertragsschluss am 23. Juni 2011 bereits zugestellt. Sie musste deshalb - auch wenn dies nicht ihrer Auffassung entsprach - in Rechnung stellen, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis über die im Kündigungsschreiben bezeichneten Auflösungstermine hinaus fortbestehen könnte. Die Klägerin durfte das Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags bzw. dessen Verlängerung deshalb so verstehen, dass damit das ursprüngliche Arbeitsverhältnis nicht aufgehoben werden sollte (für ähnliche Sachverhalte BAG 24. August 2011 - 7 AZR 228/10 - Rn. 51, BAGE 139, 109; 18. Juni 2008 - 7 AZR 214/07 - Rn. 12).

36

b) Umgekehrt konnte die Klägerin den ihr angetragenen Vereinbarungen nicht entnehmen, die Beklagte habe das ursprüngliche Arbeitsverhältnis über die strittigen Auflösungszeitpunkte hinaus einvernehmlich fortsetzen wollen. Dem widerspricht neben den Gesamtumständen die Präambel des befristeten Vertrags vom 23. Juni 2011. Dort hat die Beklagte ihre Auffassung zum Ausdruck gebracht, weder Rechtsnachfolgerin der geschlossenen Betriebskrankenkasse noch mit dieser identisch zu sein.

37

2. Die Klage ist auch nicht deshalb - zumindest teilweise - unbegründet, weil der Klägerin für den Fall der Schließung der Beklagten ein „Rückkehrrecht“ zum Land Berlin zustünde. Das gilt auch dann, wenn die Klägerin - wozu das Landesarbeitsgericht Feststellungen nicht getroffen hat - einen Anspruch auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags gegenüber dem Land bereits erhoben haben sollte (vgl. dazu BAG 15. Oktober 2013 - 9 AZR 572/12 - Rn. 28 ff.). Zum einen führte selbst die Realisierung dieses Anspruchs nicht ohne Weiteres zur Beendigung eines mit der Beklagten fortbestehenden unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Zum anderen fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten für die Annahme, dass es zur Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Land Berlin schon vor dem Wirksamwerden der Schließung der Beklagten oder dem Ende der Auslauffristen hätte kommen können. Das sieht die Beklagte offenbar selbst nicht anders. Sie beruft sich für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht etwa auf eine der Klägerin erteilte Rückkehrzusage.

38

3. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht dadurch am 30. Juni 2011 geendet, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt wegen ihrer Schließung nach § 153 SGB V erloschen und damit als Arbeitgeberin ipso iure weggefallen wäre.

39

a) Wird eine Betriebskrankenkasse gem. § 153 SGB V geschlossen, verliert sie ihre rechtliche Existenz als mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen ausgestatteter Sozialversicherungsträger iSv. § 4 Abs. 1, Abs. 2 SGB V(vgl. Krauskopf/Baier SGB V § 155 Rn. 2). Deshalb enden sowohl die Mitgliedschaftsverhältnisse als auch die Ämter der Selbstverwaltungsorgane, etwa des Verwaltungsrats (vgl. Becker/Kingreen/Mühlhausen SGB V 3. Aufl. § 155 Rn. 12; Krauskopf/Baier SGB V § 155 aaO; LPK-SGB V/Hänlein 4. Aufl. § 155 Rn. 4). Dies führt jedoch nicht zum sofortigen Verlust ihrer Rechtspersönlichkeit als solcher. Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V gilt die Betriebskrankenkasse vielmehr als fortbestehend, soweit es der Zweck der Abwicklung erfordert. In diesem Rahmen ist sie uneingeschränkt handlungsfähig und kann beispielsweise, wenn dieser Zweck es verlangt, auch neue Arbeitsverhältnisse begründen (Becker/Kingreen/Mühlhausen aaO Rn. 13, 14; Hänlein aaO Rn. 5; Krauskopf/Baier aaO Rn. 5). Erst mit vollständigem Abschluss der Abwicklung geht sie endgültig unter (vgl. LPK-SGB V/Hänlein 4. Aufl. § 155 Rn. 2).

40

aa) Bereits der Wortlaut des § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V macht deutlich, dass die Schließung der Betriebskrankenkasse nicht ihren sofortigen Untergang als Rechtssubjekt zur Folge hat. Die Vorschrift geht ersichtlich davon aus, dass es nach der Schließung noch der Abwicklung der Kasse bedarf. Sie fingiert zu diesem Zweck den Fortbestand der juristischen Person und damit ihre Fähigkeit, in diesem auf die Abwicklung beschränkten Rahmen weiterhin Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Offenkundig geht der Gesetzgeber davon aus, dass derjenige Rechtsträger, der die Abwicklungsaufgaben wahrnimmt, mit dem ursprünglichen identisch ist. Andernfalls könnte von einem „Fortbestehen“ nicht die Rede sein (vgl. Rolfs GuP 2013, 8, 11; dens. NZA 2013, 529, 532; Krauskopf/Baier SGB V § 155 Rn. 5). Die Auffassung, es entstehe mit der Schließung der Betriebskrankenkasse eine eigenständige „neue Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung“ (Bohlen-Schöning KrV 2012, 101, 103; ähnlich Gutzeit NZS 2012, 361, 365), ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar (so im Ergebnis auch Rolfs NZA 2013, 529, 533; Wolter FS Bepler S. 675, 680).

41

bb) Auch aus dem Regelungszusammenhang ergibt sich, dass der Gesetzgeber von einer Kontinuität und Identität der juristischen Person ausgegangen ist. Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 SGB V wickelt der bisherige Vorstand die Geschäfte ab. Er bleibt dabei bis zur vollständigen Abwicklung der Geschäfte im Amt. Die Aufsichtsbehörde bestellt gem. § 155 Abs. 1 Satz 3 SGB V einen Abwicklungsvorstand nur, wenn der alte Vorstand nicht mehr tätig wird.

42

cc) Der Fortbestand der juristischen Person für die Dauer ihrer Abwicklung entspricht zudem Sinn und Zweck von § 155 SGB V. Die Vorschrift soll die geordnete Beendigung der bestehenden Rechtsbeziehungen und die Erfüllung offener Verbindlichkeiten ermöglichen (Hauck/Noftz/Engelhard SGB V Bd. 4 K § 155 Rn. 9a). Beides setzt voraus, dass die ursprüngliche juristische Person jedenfalls für diese Zwecke fortbesteht. Andernfalls bedürfte es der Übertragung der verbliebenen Rechtsverhältnisse auf einen anderen Rechtsträger. Einen solchen Rechtsakt sieht das Gesetz nicht vor.

43

dd) Die Entstehungsgeschichte von § 155 SGB V belegt ebenfalls, dass die Betriebskrankenkasse als juristische Person erst nach ihrer vollständigen Abwicklung erlischt. Die Vorschrift wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen(Gesundheits-Reformgesetz - GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477) eingeführt. § 155 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 SGB V entspricht der Vorgängerregelung in § 301 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 RVO(vgl. BT-Drucks. 11/2237 S. 211). Nach § 302 Abs. 1 RVO wiederum endeten die Vertragsverhältnisse der Angestellten, Ärzte und Zahnärzte drei, nach dem Einführungsgesetz zur RVO teilweise zwölf Monate nach Mitteilung der bevorstehenden Schließung, frühestens aber im Zeitpunkt der tatsächlichen Schließung der Betriebskrankenkasse. Dementsprechend konnte die Beendigung der Vertragsverhältnisse ggf. auch erst nach der Schließung eintreten. Sie sollten bis zum Zeitpunkt ihrer Beendigung nach normalen Grundsätzen abgewickelt werden (Kühne Krankenversicherung 2. Aufl. § 302 RVO Nr. 2; Stier-Somlo Komm. zur RVO Bd. 1 § 302 Nr. 1). Daraus folgt, dass jedenfalls der Gesetzgeber der RVO nicht davon ausgegangen ist, die Rechtspersönlichkeit einer Betriebskrankenkasse erlösche ipso iure im Zeitpunkt ihrer Schließung. Dafür, dass der Gesetzgeber des SGB V dies anders gesehen hätte, gibt es keinen Anhaltspunkt. Im Übrigen bliebe andernfalls unerklärlich, warum es einer Regelung wie der des § 164 Abs. 4 SGB V bedurfte.

44

ee) Auch der zum Vergleich herangezogenen Vorschrift des § 49 Abs. 2 BGB - an die sich der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelungen zur Abwicklung von Betriebskrankenkassen angelehnt hat(vgl. Peters in HandB KV Bd. 4 § 155 SGB V Rn. 4 unter Bezugnahme auf S. 194 der Begründung zu § 314 RVO) - ist nicht zu entnehmen, dass Arbeitsverhältnisse mit dem Eintritt in das Liquidationsstadium „automatisch“ ihr Ende fänden. Durch § 49 Abs. 2 BGB wird die Rechtsfähigkeit des Vereins nicht bezüglich bestehender Rechte, sondern allenfalls für den Erwerb neuer Rechte eingeschränkt(BGH 22. März 2011 - IX ZR 373/98 - zu III 2 a aa der Gründe; Wolter FS Bepler S. 675, 680). An die Pflichten aus gegenseitigen Verträgen ist der Verein weiterhin so gebunden wie vor dem Eintritt in die Liquidationsphase. Die Kündbarkeit von Dauerschuldverhältnissen richtet sich in diesem Stadium nach allgemeinen Grundsätzen (MüKoBGB/Reuter 6. Aufl. § 49 Rn. 2 mwN; für die Beendigung von Tarifverträgen bei Auflösung einer Tarifvertragspartei vgl. BAG 23. Januar 2008 - 4 AZR 312/01 - Rn. 23, BAGE 125, 314).

45

ff) Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Betriebskrankenkassen privatrechtlicher Arbeitgeber, sondern auch für die Betriebskrankenkassen öffentlich-rechtlicher Verwaltungen (§ 156 SGB V). Beide unterliegen denselben Regeln. § 156 SGB V bestimmt, dass die §§ 147 bis 155 Abs. 4 SGB V für Dienstbetriebe von Verwaltungen des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände oder der Gemeinden entsprechende Anwendung finden. Es kann deshalb offenbleiben, ob die Beklagte trotz ihrer Fusion mit den Betriebskrankenkassen Ba und Be noch die Betriebskrankenkasse einer öffentlich-rechtlichen Verwaltung - wie wohl ursprünglich - ist.

46

gg) Aus dem Umstand, dass das Amt des Datenschutzbeauftragten bei der Fusion von Krankenkassen endet (BAG 29. September 2010 - 10 AZR 588/09 - Rn. 22 ff., BAGE 135, 327), folgt nichts anderes. Das Amtsende beruht auf den Besonderheiten des Datenschutzrechts und der Verpflichtung der aus der Fusion hervorgegangenen Krankenkasse, als „neue“ öffentliche Stelle einen Beauftragten für den Datenschutz schriftlich zu bestellen. Im Übrigen führt die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nicht etwa zu einer automatischen Beendigung der mit ihnen begründeten Rechtsverhältnisse. Gemäß § 144 Abs. 4 SGB V bestehen diese vielmehr mit der aus der Fusion hervorgegangenen Kasse fort(vgl. BAG 29. September 2010 - 10 AZR 588/09 - Rn. 25, BAGE 135, 327; BSG 2. Dezember 2004 - B 12 KR 23/04 R - zu 2 a der Gründe; jurisPK-SGB V/Koch 2. Aufl. § 144 Rn. 28).

47

b) Zur „Abwicklung der Geschäfte“ iSv. § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V gehört die „Versorgung“ des Personals einer geöffneten Betriebskrankenkasse iSv. § 173 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 SGB V(Becker/Kingreen/Mühlhausen SGB V 3. Aufl. § 155 Rn. 13; Hauck/Noftz/Engelhard SGB V Bd. 4 K § 155 Rn. 9). Bei den Arbeitsverhältnissen der betroffenen Mitarbeiter handelt es sich um - privatrechtliche - Rechtsbeziehungen, deren ordnungsgemäßer Beendigung oder Überleitung die Vorschrift dient. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der einzelne Arbeitnehmer für die Durchführung der Abwicklungsarbeiten benötigt wird oder nicht (aA Gutzeit NZS 2012, 361, 365). Bei den Regelungen in § 301, § 302 Abs. 1 RVO ging der Gesetzgeber davon aus, dass ggf. sämtliche Arbeitsverhältnisse über den Zeitpunkt der Schließung hinaus fortbeständen. § 301 RVO war nicht auf die Vertragsverhältnisse von Mitarbeitern beschränkt, die für die Abwicklung benötigt wurden. Dass der Gesetzgeber des SGB V eine solche Differenzierung hätte einführen wollen, ist nicht erkennbar.

48

4. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht mit Ablauf des 30. Juni 2011 kraft Gesetzes nach § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V geendet. Es war zum Schließungszeitpunkt gem. § 20 Abs. 1 MTV ordentlich nicht mehr kündbar. Bei sachgerechtem Verständnis der Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 3, Abs. 4 SGB V hätte es deshalb allenfalls bei Ablehnung eines den Vorgaben des § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V genügenden Angebots geendet. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Die Beklagte hat nicht ausreichend dargetan, dass der Klägerin ein entsprechendes Angebot unterbreitet worden wäre. Das geht zu ihren Lasten.

49

a) Die Abwicklung der Geschäfte einer von der Aufsichtsbehörde geschlossenen Betriebskrankenkasse richtet sich nach § 155 SGB V. Gemäß § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V gilt - jedenfalls nach Schließung einer iSv. § 173 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 SGB V für Betriebsfremde geöffneten Betriebskrankenkasse - § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V entsprechend. Allerdings gilt § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V nur für Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann. Da die Klägerin zu diesem Personenkreis zählt, kommt es im Streitfall auf die gesetzliche Einschränkung nicht an.

50

b) Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V enden die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten von Innungskrankenkassen, die nicht nach Abs. 3 der Regelung untergebracht werden, mit dem Tag der Auflösung oder Schließung der Kasse. Vertragsgemäße Rechte, zu einem früheren Zeitpunkt zu kündigen, bleiben nach § 164 Abs. 4 Satz 2 SGB V unberührt.

51

aa) Gemäß § 164 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind die Dienstordnungsangestellten verpflichtet, eine vom Landesverband der Innungskrankenkassen nachgewiesene dienstordnungsmäßige Stellung bei ihm oder einer anderen Innungskrankenkasse anzutreten, wenn die Stellung nicht in auffälligem Missverhältnis zu den Fähigkeiten der Angestellten steht.

52

bb) Den übrigen Beschäftigten ist nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V bei dem Landesverband der Innungskrankenkassen oder einer anderen Innungskrankenkasse eine Stellung anzubieten, die ihnen unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist.

53

cc) In § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V ist bestimmt, dass jede Innungskrankenkasse verpflichtet ist, entsprechend ihrem Anteil an der Zahl der Versicherten aller Innungskrankenkassen „dienstordnungsmäßige Stellungen“ nach Satz 1 nachzuweisen und „Anstellungen“ nach Satz 3 anzubieten; die Nachweise und Angebote sind den Beschäftigten in geeigneter Form zugänglich zu machen.

54

c) Die Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit Schließung der Kasse tritt nur ein, wenn den Betroffenen bei dem Landesverband der Betriebskrankenkassen oder einer Betriebskrankenkasse eine Stellung angeboten wurde, die den Vorgaben des § 164 Abs. 3 SGB V genügt, und sie ein solches Angebot abgelehnt haben. Nur in einem solchen Fall sind sie iSv. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V „nicht untergebracht“ worden. Das ergibt die Auslegung.

55

aa) Im Schrifttum werden die Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1, Abs. 3 Satz 3 SGB V insoweit uneinheitlich interpretiert.

56

(1) Zum Teil wird angenommen, das Arbeitsverhältnis ende, wenn eine Weiterbeschäftigung tatsächlich nicht erfolge. Die Vorschrift unterscheide nicht danach, ob und aus welchen Gründen es an einer Anschlussbeschäftigung fehle. Sie knüpfe lediglich an dieses Faktum an (Engelhard in Hauck/Noftz SGB V Bd. 4 K § 164 Rn. 36, 37; Peters in HandB KV Bd. 2 § 164 SGB V Rn. 12; Grau/Sittard KrV 2012, 6, 8; wohl auch Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87; Hänlein in LPK-SGB V 4. Aufl. § 164 Rn. 9).

57

(2) Überwiegend wird die Ansicht vertreten, den Beschäftigten müsse erfolglos eine zumutbare Unterbringung nach § 164 Abs. 3 SGB V angeboten worden sein, um die Folge einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V auszulösen. Das Arbeitsverhältnis ende allenfalls bei Ablehnung der Weiterbeschäftigung auf einer solchen Stelle (Klimpe-Auerbach SozSich 2011, 270, 272; Rolfs GuP 2013, 8, 9; ders. NZA 2013, 529, 531; Wolter FS Bepler S. 675, 677; Dalichau SGB V Bd. 3 § 155 S. 21; ders. SGB V Bd. 3 § 164 S. 11; Székely in Brall/Kerschbaumer/Scheer/Westermann §§ 146a, 153, 155, 163, 164, 170, 171 SGB V Rn. 10; wohl auch Krauskopf/Baier SozKV Bd. 2 § 164 SGB V Rn. 22).

58

bb) Die zuletzt genannte Auffassung trifft im Ergebnis zu.

59

(1) Der Wortlaut des § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist für die zu beantwortende Frage allerdings wenig ergiebig. Dass die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten, „die nicht nach § 164 Abs. 3 SGB V untergebracht werden“, mit dem Tag der Schließung der Kasse enden, lässt offen, ob nur die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten enden sollen, denen ein Angebot iSv. § 164 Abs. 3 SGB V erfolglos unterbreitet worden ist, oder auch die derjenigen, die ein solches Angebot nicht erhalten haben. Es ist sprachlich nicht ausgeschlossen, einen Beschäftigten auch dann als „nicht untergebracht“ anzusehen, wenn ihm eine Unterbringung gar nicht oder nicht zumutbar angeboten wurde. Der Wortsinn gibt beides her (so auch Wolter FS Bepler S. 675, 677).

60

(2) Schon der systematische Zusammenhang von Absatz 3 und Absatz 4 des § 164 SGB V spricht aber dafür, dass eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse aufgrund Gesetzes nur dann eintreten soll, wenn dem Beschäftigten zuvor eine zumutbare anderweitige Stellung erfolglos angeboten worden ist.

61

(a) § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V nimmt auf Absatz 3 der Vorschrift Bezug. Die Regelungen stehen in einem untrennbaren Zusammenhang. Nur die Vertragsverhältnisse derjenigen Beschäftigten, „die nicht nach Absatz 3 untergebracht werden“, enden mit dem Tag der Schließung.

62

(b) § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V verpflichtet alle Kassen, entsprechend der Anzahl ihrer Versicherten „Anstellungen nach Satz 3 anzubieten“. Im Wortlaut des Gesetzes findet sich dabei kein Anhaltspunkt für die Annahme, es könnten sich einzelne Kassen unter bestimmten Voraussetzungen weigern, Personal - übersteige dies auch ihren Bedarf - aufzunehmen (vgl. Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87 mwN). Die Gesetzesbegründung spricht für das Gegenteil. Mit § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V sollte der Verteilungsmodus für Weiterbeschäftigungsangebote unter den Kassen geregelt werden. Wegen des zunehmenden Wettbewerbs auch zwischen Krankenkassen derselben Kassenart könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese über ein ausreichendes Selbstorganisationspotential verfügten, um den Beschäftigten einer behördlich geschlossenen Kasse Arbeitsplatzangebote in ausreichender Zahl zukommen zu lassen (BT-Drucks. 16/9559 S. 19). Der Gesetzgeber hat folglich die mögliche Überforderung einzelner Kassen durchaus erkannt und berücksichtigt (vgl. Mühlhausen in Becker/Kingreen SGB V 3. Aufl. § 164 Rn. 15; Klimpe-Auerbach SozSich 2011, 270, 272; Koch in jurisPK-SGB V 2. Aufl. § 164 Rn. 15; wohl auch Baier in Krauskopf/Baier SGB V § 164 Rn. 20). Gleichwohl hat er in § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V eine Verpflichtung zur Angebotsabgabe vorgesehen. Für die Annahme, die Verpflichtung könne wegen Überforderung einzelner Kassen entfallen - wenn auch mit der Folge, dass an ihre Stelle ein verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch des betroffenen Beschäftigten trete (vgl. Grau/Sittard KrV 2012, 6, 8) - ist angesichts dessen kein Raum (so auch Wolter FS Bepler S. 675, 681). Zur Wahrung ihrer Wirtschaftlichkeit bleibt den Kassen nur die Möglichkeit, nach einer Personalübernahme ggf. Anpassungsmaßnahmen mit den Mitteln des Vertrags- und des Kündigungsrechts vorzunehmen (vgl. Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87).

63

(c) Ist danach jedem Beschäftigten, dessen Arbeitsverhältnis ordentlich unkündbar ist, zwingend ein zumutbares Anstellungsangebot zu unterbreiten, spricht dies angesichts der Verknüpfung zwischen Abs. 3 und Abs. 4 des § 164 SGB V für ein Verständnis, demzufolge Beschäftigte nur dann „nicht untergebracht werden“, wenn sie ein solches Angebot zwar bekommen, aber abgelehnt haben. Dazu, dass Beschäftigte „nicht untergebracht werden“, kann es angesichts des Angebotszwangs typischerweise nur kommen, wenn diese sich weigern, untergebracht zu werden.

64

(3) Die Richtigkeit dieses Verständnisses folgt ferner aus Sinn und Zweck der Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9, § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V.

65

(a) Die Bestimmungen in § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V(vormals § 173 Abs. 2 bis 4 SGB V idF des GRG vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) tragen nach dem Willen des Gesetzgebers den Interessen des von der Auflösung oder Schließung einer Innungskrankenkasse betroffenen Personals Rechnung. Es soll eine Übernahme der Beschäftigten zu denselben oder mindestens gleichwertigen Bedingungen erfolgen. Nur in Fällen, in denen eine Weiterbeschäftigung nicht möglich ist, sollen die Vertragsverhältnisse enden (vgl. die Begründung zu § 173 Abs. 3 bis 5 des Entwurfs, BT-Drucks. 11/2237 S. 212). „Nicht möglich“ ist die Weiterbeschäftigung mit Blick auf die nach § 164 Abs. 3 Satz 3(vormals § 173 Abs. 3 Satz 3) SGB V bestehende Angebotsverpflichtung aber nur, wenn der Beschäftigte eine entsprechende Offerte ausgeschlagen hat.

66

(b) Diesen Gedanken hat der Gesetzgeber bei der Einfügung des § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-OrgWG) im Jahr 2008 aufgegriffen. Durch die entsprechende Anwendung von § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V sollten auch im Bereich der Betriebskrankenkassen die Beschäftigungsansprüche der Dienstordnungsangestellten - die es bei diesen Kassen allerdings gar nicht gibt - und die der übrigen Beschäftigten in unkündbarer Stellung insofern gesichert werden, als ihnen bei den anderen Betriebskrankenkassen eine ihrer bisherigen Stellung entsprechende Stelle anzubieten ist - so wie dies neben den Innungs- auch für die Ortskrankenkassen und generell als Folge von kassenartenübergreifenden Fusionen in § 171a SGB V bereits geregelt war(BT-Drucks. 16/9559 S. 19). Von einer „Sicherung der Ansprüche“ könnte schwerlich die Rede sein, wenn auch ohne Erfüllung dieser Verpflichtung aus § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V die Arbeitsverhältnisse im Schließungszeitpunkt nach § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V endeten.

67

(c) Die Gesetzesmaterialien enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl alle Vertragsverhältnisse unabhängig von einer Erfüllung des Unterbringungsanspruchs im Zeitpunkt der Schließung auslaufen sollten, etwa um der behördlich geschlossenen Kasse Planungssicherheit in der Abwicklungsphase zu geben oder die Leistungsfähigkeit des Kassenverbunds nicht zu gefährden (ebenso Rolfs GuP 2013, 8, 9 f., 12 und NZA 2013, 529, 531; aA Grau/Sittard KrV 2012, 6, 19; Gutzeit NZS 2012, 361, 366 und NZS 2012, 410, 413 f.). Bei einem solchen Regelungsziel bliebe überdies unklar, warum § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V überhaupt darauf abstellt, ob die Beschäftigten „untergebracht werden“. Es hätte dann näher gelegen, voraussetzungslos die Beendigung aller Arbeitsverhältnisse zum Schließungszeitpunkt vorzusehen. Im Übrigen wäre die Leistungsfähigkeit der Kassen angesichts der Haftungsregelungen in § 155 Abs. 4 SGB V auch dann betroffen, wenn den Arbeitnehmern - wie im Schrifttum vorgeschlagen - bei Nichterfüllung der Pflicht zur Abgabe eines zumutbaren Angebots Schadenersatzansprüche zuzubilligen wären. Der Einwand, wenn der Gesetzgeber die Unterbreitung eines Angebots vorausgesetzt hätte, hätte er sprachlich ebenso leicht eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse auf diejenigen Arbeitnehmer beschränken können, die ein zumutbares Stellenangebot nicht annähmen, trägt demgegenüber nicht. Die Formulierung in § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V soll ersichtlich beide Alternativen des Unterbringungsverfahrens nach § 164 Abs. 3 SGB V erfassen: den Nachweis einer „dienstordnungsmäßigen Stellung“ gegenüber Dienstordnungsangestellten - die diese anzunehmen verpflichtet sind - nach den Sätzen 1 und 2 der Bestimmung und das Angebot einer „Stellung“ gegenüber den übrigen Arbeitnehmern nach Satz 3. Auf die erste Alternative passt aber die hypothetische Formulierung nicht.

68

(d) Die andere Lesart von § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist auch nicht deshalb geboten, weil der Gesetzgeber die Anregung des BKK-Bundesverbands in dessen Stellungnahme zum GKV-OrgWG nicht aufgegriffen hat, die Regelung eben dahin zu fassen, dass die Beendigung nur eintrete, wenn eine Beschäftigung nach § 164 Abs. 3 SGB V abgelehnt werde(Ausschussdrucks. 16(14)0410(30) vom 17. September 2008 S. 3). Nach dem eigenen Bekunden des Verbands sollte dies lediglich der Klarstellung dienen, nicht aber eine sachliche Änderung der gesetzlichen Bestimmung bewirken.

69

(e) Die Verpflichtung zur Unterbringung ist zudem Ausdruck des Umstands, dass die Schließung bei kassenübergreifender Betrachtung nicht zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führt. Die Versicherungsverträge der bei der geschlossenen Kasse versicherten Personen müssen „im System“ der gesetzlichen Krankenkassen weiterhin verwaltet werden. Dementsprechend sieht das Gesetz auch für andere Fälle von Strukturänderungen im Kassenwesen unabdingbare Verpflichtungen zur Übernahme des Personals vor, so bei freiwilligen Vereinigungen von Kassen in § 144 Abs. 4 Satz 2 SGB V, bei Ablehnung der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber in § 147 Abs. 2 Satz 4 ff. SGB V und bei der Umwandlung der Bundesverbände in Gesellschaften des bürgerlichen Rechts in §§ 212, 213 SGB V.

70

(4) Mögliche praktische Schwierigkeiten bei der Durchführung des Verfahrens zur Unterbringung der Beschäftigten nach § 164 Abs. 3 Satz 3, Satz 4 SGB V sind nicht geeignet, das Ergebnis der Auslegung, die Beendigung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V setze die Unterbreitung eines zumutbaren Stellenangebots voraus, in Frage zu stellen. Sie bestehen unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen die Beendigung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V eintritt, will man nicht annehmen, dass Abs. 3 Satz 3 und 4 der Bestimmung gar nicht praktisch beachtet werden muss. Zudem hat es die Aufsichtsbehörde bei der Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem die Schließung wirksam werden soll, nach § 153 Satz 2 SGB V in der Hand, auf eine ggf. „zeitkritische Dimension“ (Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87) des Unterbringungsverfahrens Bedacht zu nehmen. Durch § 172 SGB V ist ferner sichergestellt, dass der zuständige Landesverband von der drohenden Schließung Kenntnis erlangt. Er kann damit rechtzeitig geeignete Vorkehrungen mit Blick auf die Verpflichtungen aus § 164 Abs. 3 SGB V treffen. Im Übrigen wäre auch der - von der Beklagten favorisierte - Weg, bei Nichterfüllung der Verpflichtung zur Unterbreitung von Stellenangeboten zwar die Beendigung der Arbeitsverhältnisse, aber zugleich die Entstehung von Schadenersatzansprüchen anzunehmen, mit ähnlichen Schwierigkeiten verbunden. So wäre insbesondere fraglich, gegen wen sich der Anspruch richten soll und wie sich ein Schaden bemisst. Die damit verbundenen Risiken müsste der Arbeitnehmer tragen, obwohl nach dem Willen des Gesetzgebers „eigentlich“ dessen tatsächliche Weiterbeschäftigung gesichert werden sollte.

71

(5) Angesichts dessen kann offenbleiben, ob nicht mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG eine verfassungskonforme Auslegung in jedem Fall zu dem Ergebnis kommen müsste, dass nach § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V eine Beendigung der ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisse von Kassenbeschäftigten nur eintreten soll, wenn diese ein iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V zumutbares Angebot zur Weiterbeschäftigung bei einer anderen Kasse oder beim zuständigen Landesverband abgelehnt haben(vgl. dazu Boemke jurisPR-ArbR 38/2012 Anm. 2; dens. jurisPR-ArbR 25/2012 Anm. 4).

72

d) Der Klägerin wurde ein zumutbares Angebot iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V vor Schließung der Beklagten nicht unterbreitet. Es kann deshalb dahinstehen, ob die gesetzliche Anordnung der Beendigung von ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnissen der Kassenbeschäftigten jedenfalls in solchen Fällen verfassungsgemäß ist, in denen diese ein zumutbares Angebot nicht angenommen haben (dazu Rolfs GuP 2013, 8, 10; ders. NZA 2013, 529, 531, 534 ; Wolter FS Bepler S. 675, 686; Gutzeit NZS 2012, 410, 414: zur generellen Verfassungskonformität der Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9, § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Zwar wurde der Klägerin die Weiterbeschäftigung bei einem der nach § 164 Abs. 3 SGB V infrage kommenden Träger der Sozialversicherung angeboten. Keine der Parteien hat aber vorgetragen, welchen Inhalt das Angebot hatte. Dies geht zu Lasten der Beklagten. Das Landesarbeitsgericht durfte aus diesem Grund ohne weitere Sachprüfung vom Fehlen der Voraussetzungen für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V ausgehen.

73

aa) Die Darlegungs- und Beweislast für die Unterbreitung eines zumutbaren Angebots iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3, Satz 4 SGB V trifft die Krankenkasse, soweit sie sich - wie hier die Beklagte - auf die Beendigungswirkung des § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V berufen will.

74

(1) Dies folgt aus den allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts. Danach trägt die Darlegungslast diejenige Partei, die sich auf eine für sie günstige Rechtsfolge beruft. Es folgt ferner aus dem Ausnahmecharakter der fraglichen Regelung: Es enden lediglich die Vertragsverhältnisse derjenigen Beschäftigten, „die nicht nach Abs. 3 untergebracht werden“.

75

(2) Schutzwürdige Belange der Beklagten stehen dem nicht entgegen. Als die von der Schließung betroffene Krankenkasse steht sie in einem engen und unmittelbaren Kontakt mit den infrage kommenden Arbeitgebern, insbesondere dem zuständigen Landesverband. Diesem obliegt es, die Angebote zu koordinieren. Die Verpflichtung aus § 164 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 SGB V, das Angebot „den Beschäftigten in geeigneter Form zugänglich zu machen“, nimmt - jedenfalls auch - die Beklagte als die von der Schließung betroffene Kasse in den Blick. Sie muss deshalb darlegen, dass der gesetzlichen Anforderung Genüge getan ist. Erst wenn sie dieser Obliegenheit nachgekommen ist, kann eine prozessuale Verpflichtung des Arbeitnehmers in Betracht kommen aufzuzeigen, in welchen Punkten das Angebot den Vorgaben des § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V - etwa mit Blick auf vorteilhaftere Beschäftigungsmöglichkeiten beim Landesverband oder anderen Betriebskrankenkassen - unzumutbar sein soll, sofern nicht die Unzumutbarkeit offen zutage tritt(zur abgestuften Darlegungslast vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 516/11 - Rn. 28, BAGE 143, 177).

76

bb) Die Beklagte hat ihrer Darlegungslast nicht genügt. Zwar steht fest, dass die Klägerin ein ihr unterbreitetes Angebot ausgeschlagen hat. Sie hatte sich jedoch auf dessen Unzumutbarkeit berufen. Es war deshalb Sache der Beklagten, zunächst den konkreten Inhalt des Angebots darzutun. Dieser Verpflichtung ist sie - obwohl in den Vorinstanzen ausdrücklich hierzu aufgefordert - nicht nachgekommen. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die entsprechende Darlegung sei der Beklagten möglich gewesen. Es hat in diesem Zusammenhang auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 und § 3 Abs. 1 der Satzung des BKK-Landesverbands Baden-Württemberg und die sich daraus ergebende Auskunftspflicht gegenüber der Beklagten verwiesen. Dem ist die Revision nicht entgegengetreten.

77

cc) Damit kann offenbleiben, unter welchen Voraussetzungen eine angebotene Stellung den Beschäftigten iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V „unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist“(dazu Grau/Sittard KrV 2012, 6, 7; Peters in HandB KV Bd. 4 § 164 SGB V Rn. 10; Boemke jurisPR-ArbR 25/2012 Anm. 4) und bis wann das Angebot zu erfolgen hat (dazu Jahn/Klose SGB V § 164 Rn. 26).

78

dd) Auf die befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin kommt es nicht an. Eine solche Beschäftigung genügt nicht den Anforderungen des § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V. Ein Angebot im Sinne dieser Vorschrift liegt auch nicht in dem Hinweis der Beklagten, die Klägerin könne von einem Rückkehrrecht zum Land Berlin Gebrauch machen. Die Regelungen in § 164 Abs. 3 SGB V zielen nicht auf eine Weiterbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber als einer gesetzlichen Krankenkasse.

79

5. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat weder aufgrund der außerordentlichen Kündigung vom 19. Mai 2011 mit Wirkung zum 30. Juni 2011 noch aufgrund der zeitgleich erklärten außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist bis zum 31. Dezember 2011 bzw. „nächst möglichen Termin“ geendet.

80

a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unwirksam. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG 24. Januar 2013 - 2 AZR 453/11 - Rn. 22 mwN). Ist die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung - wie im Streitfall - ausgeschlossen, kann der Arbeitgeber aber berechtigt sein, eine außerordentliche Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist zu erklären, wenn er den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für erhebliche Zeiträume vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (BAG 24. Januar 2013 - 2 AZR 453/11 - Rn. 22; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 17).

81

b) Danach liegt hier ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB iVm. § 20 Abs. 1 MTV nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt nicht von einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für die Klägerin ausgehen dürfen. Dies zeige schon deren am 23. Juni 2011 vereinbarte befristete Weiterbeschäftigung. Die Beschäftigung sei sogar auf eine Zeit über den 31. Dezember des Jahres 2012 hinaus ausgerichtet gewesen. Diese Würdigung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Wegen der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung fehlt es bereits an den Voraussetzungen, unter denen eine ordentliche Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG als sozial gerechtfertigt angesehen werden könnte. Umso weniger kann eine außerordentliche Kündigung - selbst bei Einhaltung einer Auslauffrist - Bestand haben.

82

C. Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Bartz    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. September 2008 - 9 Sa 525/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Altersdiskriminierung oder wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags gegen Abfindung verpflichtet ist.

2

Der 1949 geborene Kläger ist seit 1971 bei der Beklagten beschäftigt. Im Juni 2006 legte die Beklagte, bei der betriebsbedingte Beendigungskündigungen zu diesem Zeitpunkt tariflich noch bis mindestens 31. Dezember 2011 ausgeschlossen waren, für die bei ihr und bei bestimmten konzernangehörigen Gesellschaften Beschäftigen ein Abfindungsmodell für Arbeitnehmer auf, die bis zum 30. Juni 2007 freiwillig aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden. Für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse zwischen dem 1. Juni und dem 30. September 2006 aufgrund entsprechender Aufhebungsverträge endeten, war eine zusätzliche „Turbo-Prämie“ von 54.000,00 Euro brutto vorgesehen. Dieses Modell richtete sich ausdrücklich lediglich an Mitarbeiter der Jahrgänge 1952 und jünger. Es stand unter einem doppelten Freiwilligkeitsvorbehalt: Kein Arbeitnehmer musste zu den dargelegten Bedingungen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden; die Beklagte behielt sich vor, Angebote von Arbeitnehmern auf ein Ausscheiden abzulehnen. Bis zum 1. Januar 2007 hatten 5.937 Arbeitnehmer Aufhebungsverträge unterschrieben, darunter 24 Arbeitnehmer, die wie der Kläger vor dem 1. Januar 1952 geboren sind. Das ergibt sich aus einem „Flash-Report“ mit Stand vom 1. Januar 2007. Zwischen den Parteien ist streitig, zu welchen Konditionen die 24 vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmer, mit denen die Beklagte Aufhebungsverträge geschlossen hat, aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind.

3

Der Kläger erhielt das Rundschreiben von Mai 2006, aus dem sich die Einzelheiten des Abfindungsmodells ergaben, nicht. Mit Schreiben vom 13. Juni 2006 bat er unter Bezug auf dieses Rundschreiben die Beklagte darum, ihm ein „entsprechendes“ Angebot zu unterbreiten. Dem Kläger stünde nach dem von der Beklagten aufgelegten Modell bei Ausscheiden bis zum 30. September 2006 inklusive der Turbo-Prämie unstreitig eine Abfindung von 171.720,00 Euro brutto zu. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 22. Juni 2006 den Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung zu den im Rundschreiben niedergelegten Bedingungen ab. Sie wies auf die bei ihr bestehende tarifliche Altersteilzeitregelung hin und erklärte sich bereit, dem Kläger eine Abfindung zu zahlen, die sich an den Altersteilzeitregelungen orientierte. Nach den bei der Beklagten geltenden tariflichen Regelungen darf die Altersteilzeit 24 Kalendermonate nicht unter- und 60 Kalendermonate nicht überschreiten. Während der Altersteilzeit dürfen grundsätzlich nur geringfügige Tätigkeiten unterhalb der Grenze des § 8 SGB IV ausgeübt werden.

4

In der Güteverhandlung bot die Beklagte dem Kläger eine Abfindung von 58.700,00 Euro netto an. Dieser bat daraufhin mit Schreiben vom 26. Oktober 2006 um kurzfristige Mitteilung, welche Bruttoabfindung der Berechnung der Beklagten zugrunde liege, und um Übersendung der entsprechenden Berechnungen. Die Beklagte antwortete daraufhin mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 wie folgt:

        

„... teilen wir Ihnen mit, dass es uns nicht möglich ist, Ihnen eine Bruttoabfindungssumme zu nennen, weil diese abhängig vom konkreten Verdienst und den Steuerdaten Ihres Mandanten zum Auszahlungszeitpunkt ist. Die Nettosumme errechnet sich nach den Monaten bis zu einem frühestmöglichen Renteneintritt Ihres Mandanten (in diesem Fall 60 Jahre nach Altersteilzeit, also bei Austritt noch in diesem Oktober 36 Monate) und den Nettobeträgen, die er in einer Altersteilzeit monatlich lt. Zumutbarkeitstabelle erhalten würde (unter Berücksichtigung der Steuerklasse III 1.632,46 €).

        

...“

5

Ein Aufhebungsvertrag zu diesen Konditionen kam zwischen den Parteien nicht zustande.

6

Mit der am 22. September 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger den Abschluss eines Aufhebungsvertrags unter Zahlung einer Abfindung von 171.720,00 Euro brutto.

7

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, sein Anspruch ergebe sich aus dem Verbot der Altersdiskriminierung. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) finde bereits Anwendung. Die Beklagte habe auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes noch den Abschluss des Aufhebungsvertrags zu den begehrten Bedingungen abgelehnt. Sie habe falsche Vergleichsgruppen gebildet. Zu vergleichen seien die Arbeitnehmer, die einen Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung schließen wollten, und die Arbeitnehmer, die das Arbeitsverhältnis fortsetzen wollten. Die Möglichkeit, Altersteilzeit in Anspruch nehmen zu können, rechtfertige die Ungleichbehandlung der kontrahierungswilligen Arbeitnehmer der Geburtsjahrgänge 1951 und älter nicht. So könne er - unstreitig - frühestens im Jahr 2009 Altersteilzeit in Anspruch nehmen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem das von der Beklagten aufgelegte Abfindungsmodell bereits abgelaufen sei. Personalabbau sei kein legitimes und angemessenes Ziel iSd. § 10 AGG.

8

Der Kläger behauptet, er werde auch gegenüber den vor dem 1. Januar 1952 geborenen 24 Arbeitnehmern ungleich behandelt, mit denen die Beklagte Aufhebungsverträge geschlossen habe. Aus dem Flash-Report ergebe sich, dass die Aufhebungsverträge zu den Bedingungen der Turbo-Prämie abgeschlossen worden seien. Andernfalls wären sie in diesem nicht aufgeführt, der sich nach seinem Sinn und Zweck lediglich auf die Turbo-Prämie beziehe. Weitere Darlegungen seien ihm nicht möglich, da ihm diese Mitarbeiter namentlich nicht bekannt seien.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

1.   

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 117.720,00 Euro zuzüglich eines Zuschlags in Höhe von 54.000,00 Euro, insgesamt also eine Abfindung in Höhe von 171.720,00 Euro beinhaltet, zu unterbreiten, sowie

        

2.   

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger dadurch entstanden sind und entstehen werden, dass die Beklagte dem Kläger wegen seines Alters keinen Aufhebungsvertrag über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses bis zum 30. September 2006 und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 117.720,00 Euro zuzüglich Zuschlag in Höhe von 54.000,00 Euro, insgesamt also eine Abfindung in Höhe von 171.720,00 Euro, angeboten hat.

10

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags auf den doppelten Freiwilligkeitsvorbehalt verwiesen, unter dem der Abschluss der Aufhebungsverträge im Rahmen der aufgelegten Aktion gestanden habe. Da sie das Angebot des Klägers, gegen Zahlung einer Abfindung zu den Bedingungen des Rundschreibens aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, vor Inkrafttreten des AGG endgültig abgelehnt habe, finde dieses keine Anwendung. Jedenfalls habe sie den Kläger nicht wegen seines Alters diskriminiert. Für ihn sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wirtschaftlich am vorteilhaftesten.

11

Die Beklagte hat behauptet, sie habe mit den Arbeitnehmern, die vor dem 1. Januar 1952 geboren seien, zu anderen Konditionen als denen des Rundschreibens kontrahiert. Sie hat insoweit drei Arbeitnehmer aus dem Werk H, in dem auch der Kläger beschäftigt war, namentlich benannt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass diese Arbeitnehmer nicht zu den Bedingungen des Rundschreibens von Mai 2006 ausgeschieden sind. Der Flash-Report werte insgesamt aus, mit wie vielen Arbeitnehmern einvernehmliche Ausscheidensregelungen getroffen worden seien.

12

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Ausschluss der vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmer aus dem Personenkreis des 2006 aufgelegten Abfindungsmodells sei durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt und objektiv angemessen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit den 24 Arbeitnehmern, die als Angehörige des Jahrgangs 1951 und älter Aufhebungsverträge erhalten hätten. Die Beklagte biete auch älteren Arbeitnehmern Abfindungen an, wie sie es unstreitig auch beim Kläger getan habe. Deshalb reiche es aus, wenn die Beklagte lediglich bestreite, dass im Flash-Report ausschließlich Arbeitnehmer aufgeführt seien, die zu den Konditionen des Turbo-Modells ausgeschieden seien.

13

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision, mit der er ua. geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast rechtsfehlerhaft überspannt, soweit es die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verneint habe.

Entscheidungsgründe

14

Der Kläger ist im Rahmen der von der Beklagten im Jahr 2006 aufgelegten Abfindungsaktion weder wegen seines Alters diskriminiert noch von der Beklagten gleichheitswidrig benachteiligt worden. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

15

A. Die Beklagte hat bei ihrer im Rahmen eines Personalabbaus durchgeführten Abfindungsaktion den Kläger nicht wegen seines Alters diskriminiert. Er hat deshalb unter diesem Gesichtspunkt keinen Anspruch auf das begehrte Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags gegen Zahlung einer Abfindung von 171.720,00 Euro.

16

I. Die Beklagte hat den Kläger durch die Herausnahme aus dem Personenkreis, mit dem sie bereit war, den Abschluss von Aufhebungsverträgen zu den Bedingungen des Rundschreibens vom Mai 2006 in Betracht zu ziehen, nicht wegen seines Alters iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unmittelbar benachteiligt. Bereits aus diesem Grund besteht kein Anspruch des Klägers auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags als Erfüllungsanspruch aus § 7 Abs. 1 AGG(zum Anspruch auf Abschluss eines Änderungsvertrags als vorenthaltene Leistung nach dem Rechtsgedanken des durch das AGG aufgehobenen § 611a Abs. 3 Satz 1 BGB siehe BAG 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - Rn. 48, BAGE 123, 358; zum Anspruch auf Erfüllung derjenigen Ansprüche, die der begünstigten Gruppe zustehen, bei Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes siehe BAG 24. September 2009 - 8 AZR 636/08 - Rn. 37, NZA 2010, 159; zum Erfüllungsanspruch aus § 7 Abs. 1 AGG allg. siehe Wendeling-Schröder/Stein AGG § 7 Rn. 6; Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 7 Rn. 19 f.). Ob einem solchen Erfüllungsanspruch die Bestimmung des § 15 Abs. 6 AGG entgegenstünde, der einen Vertragsabschlusszwang als Schadenersatz bei Verstößen des Arbeitgebers gegen § 7 Abs. 1 AGG bei Begründung eines Beschäftigungs- und Berufsausbildungsverhältnisses und bei beruflichem Aufstieg ausschließt, kann deshalb dahinstehen. Vertragsänderungen und -beendigungen wie die vom Kläger verlangte werden von dieser Bestimmung jedenfalls ihrem Wortlaut nach nicht erfasst (ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 15 AGG Rn. 13; für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf die Vereinbarung jeglichen Vertrags und jeglicher Vertragsänderung gleichwohl MünchKommBGB/Thüsing 5. Aufl. § 15 AGG Rn. 42). Ebenso kann dahinstehen, ob ein etwaiger Kontrahierungszwang mit der durch Art. 2, 12 GG gewährleisteten Vertragsfreiheit vereinbar wäre(vorsichtig bejahend ErfK/Dieterich 10. Aufl. Art. 12 GG Rn. 31 zur Sicherung verfassungsrechtlicher Grundentscheidungen bei gesetzlicher Grundlage mwN zum Streitstand).

17

1. Nach Auffassung des EuGH ist das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der nunmehr in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt ist und den die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf konkretisiert (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 21 f.). Die unionsrechtliche Frage, welcher Rechtscharakter dem Verbot der Altersdiskriminierung zukommt, ist damit vom EuGH endgültig beantwortet. Dieses Verbot ist vom EuGH in den Rang eines Primärrechts erhoben worden, das unabhängig von einer nationalen Umsetzung auch im Verhältnis zwischen Privaten von den Gerichten unmittelbar anzuwenden ist. Ob dieses Verbot verletzt worden ist, ließ sich angesichts seiner Unbestimmtheit bis zum Inkrafttreten des AGG nur am Maßstab der es konkretisierenden Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG ABl. EG Nr. L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) feststellen. Seit dem 18. August 2006 ist eine Verletzung des Verbots der Altersdiskriminierung anhand des diese Richtlinie in nationales Recht umsetzenden AGG zu prüfen.

18

Auch wenn die Beklagte das Angebot des Klägers auf Kontrahierung zu den Bedingungen des Rundschreibens noch vor Inkrafttreten des AGG endgültig abgelehnt hat, ist damit die Frage, ob sie dadurch das Verbot der Altersdiskriminierung verletzt hat und der Kläger Anspruch auf Abgabe der begehrten Willenserklärung hat (§ 894 Satz 1 ZPO), am Maßstab des AGG zu beantworten. Dies gilt um so mehr, als der Kläger sein Verlangen nach einem Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Aufhebungsvertrags spätestens mit seiner der Beklagten am 29. September 2006 zugestellten Klageschrift und damit vor Ablauf der von der Beklagten für den Anspruch auf die höchste Stufe der Turbo-Prämie gesetzten Frist am 30. September 2006 wiederholt hat, der Sachverhalt also bei Inkrafttreten des AGG noch nicht abgeschlossen iSd. § 33 Abs. 1 AGG war(dazu zuletzt BAG 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 31 ff.).

19

2. Die das Verbot der Altersdiskriminierung konkretisierende Richtlinie 2000/78/EG soll ausweislich ihres Art. 1 innerhalb der Europäischen Gemeinschaft einen allgemeinen Rahmen für die Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes festlegen und in diesem Rahmen Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf bekämpfen. Verboten ist deshalb im hier interessierenden Zusammenhang jede unmittelbare und mittelbare Diskriminierung wegen des Alters. Welches Verhalten als unzulässige Diskriminierung zu werten ist, legt Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie fest. Regelungstechnisch ist das Verbot der unmittelbaren Diskriminierung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie ein Verbot, eine differenzierende, benachteiligende Behandlung an das Alter zu knüpfen. Erfährt eine Person wegen ihres Alters eine weniger günstige Behandlung als andere Personen in vergleichbaren Situationen, stellt eine solche Ungleichbehandlung begrifflich zunächst einmal eine „unmittelbare Diskriminierung“ iSd. Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dar (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 59, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 9).

20

Eine derartige Ungleichbehandlung unterliegt - anders als unmittelbare Diskriminierungen im Europarecht im Allgemeinen - jedoch nicht uneingeschränkt dem Verdikt, rechtswidrig zu sein. Das Differenzierungsmerkmal des Alters als solches besitzt nämlich im Unterschied zu den übrigen in Art. 1 der Richtlinie genannten verbotenen Anknüpfungspunkten die zur Annahme einer verbotenen Diskriminierung erforderliche abschließende Aussagekraft für sich allein genommen noch nicht. Auch bei Anknüpfung an ein solches Merkmal können die Betroffenen tatsächlich nicht nachteilig belastet sein. Alter ist eine lineare Eigenschaft, denn jeder Beschäftigte weist irgendein Alter auf, das sich auf einer horizontalen, nach Lebensjahren eingeteilten Skala entwickelt, auf der sich Abschnitte festlegen und Differenzierungen nach Altersstufen vornehmen lassen. Die anderen in Art. 1 der Richtlinie genannten Diskriminierungsmerkmale lassen sich nicht in derartigen Stufen messen und sind keiner ständigen, unausweichlichen Veränderung unterworfen, sondern - jedenfalls im Regelfall - ein für alle Mal festgelegt. Das Alter ist dagegen ein ambivalentes, relatives Differenzierungsmerkmal (Linsenmaier RdA 2003 Sonderbeilage Heft 5 S. 22, 25; Sprenger Das arbeitsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung nach der Richtlinie 2000/78/EG S. 58 mwN zu Fn. 357). Von einer Altersdiskriminierung ist darum potenziell jeder Mensch betroffen. Eine bloße Differenzierung anhand des Lebensalters indiziert deshalb selbst dann, wenn sie zu einer Benachteiligung einer Personengruppe bestimmten Alters führt, eine Diskriminierung im Sinne einer rechtswidrigen Benachteiligung (vgl. Brockhaus Enzyklopädie 21. Aufl. „Diskriminierung“; Brockhaus Wahrig Deutsches Wörterbuch 1981 2. Bd. S. 245 „diskriminieren“) noch nicht. Vielmehr kann es gerechtfertigt sein, eine Maßnahme altersabhängig zu gestalten. Das bringt der Erwägungsgrund Nr. 25 der Richtlinie 2000/78/EG zum Ausdruck, der eine Unterscheidung zwischen einer bloßen Ungleichbehandlung, die insbesondere durch rechtmäßige Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung gerechtfertigt ist, und einer zu verbietenden Diskriminierung verlangt.

21

Wegen dieser Besonderheiten des Alterskriteriums als Anknüpfungspunkt einer Diskriminierung sieht die Richtlinie 2000/78/EG abweichend von der üblichen Systematik unionsrechtlicher Diskriminierungsverbote nicht nur in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b bei mittelbaren Diskriminierungen Rechtfertigungsmöglichkeiten vor, sondern eröffnet in Art. 6 auch bei unmittelbar an das Alter anknüpfenden Maßnahmen die Möglichkeit, diese durch den Nachweis ihrer Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen(Schlachter Altersgrenzen und Alterssicherung im Arbeitsrecht S. 355, 366 f.).

22

3. Diese Systematik der Richtlinie 2000/78/EG behält das AGG bei. Danach hat die Beklagte den Kläger schon nicht wegen seines Alters iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unmittelbar benachteiligt.

23

a) Die Beklagte hat den Kläger aus dem Kreis der Arbeitnehmer ausgenommen, mit denen sie den Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu den Konditionen des Rundschreibens in Erwägung gezogen hat, weil er vor dem 1. Januar 1952 geboren ist. Damit ist der Anwendungsbereich des AGG eröffnet, denn unter die Entlassungsbedingungen iSd. § 2 Abs. 1 Ziff. 2 AGG fallen auch Aufhebungsverträge (Wendeling-Schröder/Stein AGG § 2 Rn. 16; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 8; vgl. EuGH 16. Februar 1982 - C-19/81 - [Burton] Rn. 9, Slg. 1982, 555 für die Richtlinie 76/207).

24

b) Die von der Beklagten vorgenommene Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern, die vor oder nach dem 1. Januar 1952 geboren sind, benachteiligte Arbeitnehmer wie den Kläger, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, nicht unmittelbar iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG. Solche Arbeitnehmer haben dadurch, dass sie von dem geplanten Personalabbau ausgenommen worden sind, keine weniger günstige Behandlung als jüngere Arbeitnehmer erfahren, denen das Angebot unterbreitet worden ist, zu den im Rundschreiben vom Mai 2006 genannten Bedingungen auszuscheiden, und die dieses Angebot angenommen haben. Das gilt auch dann, wenn ältere Arbeitnehmer wie der Kläger ein Angebot der Beklagten, zu den Bedingungen des Rundschreibens bis zum 30. September 2006 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, angenommen hätten.

25

aa) Ein Arbeitnehmer erfährt nicht bereits dann eine „weniger günstige Behandlung“ iSv. § 3 Abs. 1 AGG, wenn er objektiv anders als ein älterer oder jüngerer Arbeitnehmer behandelt wird(vgl. Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 4; MünchKommBGB/Thüsing 5. Aufl. § 3 AGG Rn. 2; vgl. für die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 1 GG ErfK/Schmidt 10. Aufl. Art. 3 GG Rn. 34; Osterloh in Sachs Grundgesetz 5. Aufl. 2009 Art. 3 Rn. 84). Die dargelegte fehlende Eindeutigkeit des ambivalenten Diskriminierungsmerkmals „Alter“ verlangt bereits auf der Tatbestandsebene zur Feststellung einer objektiv vorliegenden Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG eine Ungleichbehandlung, die für den Betroffenen einen eindeutigen Nachteil bewirkt. Die Differenzierung zwischen unterschiedlich alten Arbeitnehmern muss sich also für eine bestimmte Altersgruppe negativ auswirken, indem sie sie zurücksetzt (Wendeling-Schröder/Stein aaO; Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 2).

26

bb) Ob ein Arbeitnehmer, der von einem durch Abschluss freiwilliger Aufhebungsverträge unter Zahlung von Abfindungen durchgeführten Personalabbau wegen seines Alters ausgenommen wird, im vorstehend dargelegten Sinn eine „weniger günstige Behandlung“ erfährt als jüngere Arbeitnehmer, denen Aufhebungsverträge gegen Zahlung einer Abfindung angeboten werden, und deshalb im unionsrechtlichen Sinne zunächst unmittelbar diskriminiert wird, kann nur unter Heranziehung der Gründe beurteilt werden, die zur Aufnahme des Alters als verpöntes Differenzierungsmerkmal in die Richtlinie 2000/78/EG und damit in das AGG geführt haben.

27

(1) Ziel für die Schaffung einer Richtlinie zur einheitlichen Bekämpfung von Diskriminierungen in der Europäischen Union war es, sicherzustellen, dass ein möglichst hoher Prozentsatz der Personen im erwerbsfähigen Alter tatsächlich einer Beschäftigung nachgeht. Ältere Menschen werden im Bereich Beschäftigung bei Arbeitsplatzverlusten, Einstellung, Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen und in Bezug auf die Bedingungen für den Eintritt in den Ruhestand besonders diskriminiert (KOM [1999] 565 endgültig S. 3).

28

Diese von der Kommission in ihrem Vorschlag zum Erlass einer Gleichbehandlungsrichtlinie angeführte Zielrichtung des Schutzes und der Integration gerade älterer Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt hat auch in den Erwägungsgründen der Richtlinie 2000/78/EG Niederschlag gefunden. Nach Art. 253 EGV bedarf das gesamte Sekundärrecht der Gemeinschaft einer Begründung, die die wichtigsten rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen darlegt, auf denen die Rechtshandlungen beruhen und die für das Verständnis des Gedankengangs erforderlich sind. Motive und Hintergründe, die zum Erlass der Maßnahme geführt haben, sollen durch sie transparent gemacht werden. Mitgliedsstaaten und den Gemeinschaftsrichtern dienen sie als Indikator und maßgebliche Erkenntnisquelle zur Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit einer Maßnahme (Calliess in Calliess/Ruffert EUV/EGV 3. Aufl. 2007 Art. 253 EGV Rn. 2, 6; Schwarze EU-Kommentar 2. Aufl. Artikel 253 EGV Rn. 5 f.). Erwägungsgründe stellen deshalb nicht etwa unbeachtliche Programmsätze dar, sondern geben für die Auslegung der Regelungen einer Richtlinie entscheidende Hinweise (vgl. Senat 26. Oktober 2006 - 6 AZR 307/06 - Rn. 43, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 9 [insoweit in der amtl. Sammlung nicht abgedruckt]; vgl. auch BVerfG 20. September 2007 - 2 BvR 855/06 - Rn. 33, NJW 2008, 209).

29

Der Erwägungsgrund Nr. 6 nimmt auf die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer Bezug, in der anerkannt werde, wie wichtig die Bekämpfung jeder Art von Diskriminierung und geeignete Maßnahmen zur sozialen und wirtschaftlichen Eingliederung älterer Menschen und Menschen mit Behinderung seien. Der Erwägungsgrund Nr. 8 betont, dass der Unterstützung älterer Arbeitnehmer mit dem Ziel der Erhöhung ihres Anteils an der Erwerbsbevölkerung besonderer Aufmerksamkeit gebührt. Erwägungsgrund Nr. 11 stellt fest, dass Diskriminierungen ua. wegen des Alters die Verwirklichung der im EG-Vertrag festgelegten Ziele unterminieren könnten, insbesondere die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines hohen Maßes an sozialem Schutz. Schließlich stellt nach dem bereits angeführten Erwägungsgrund Nr. 25 das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ein wesentliches Element zur Erreichung der Ziele der beschäftigungspolitischen Leitlinien und zur Förderung der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung dar. Nach Art. 2 Abs. 1 erster Gedankenstrich EU und Art. 2 EG zählt die Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus zu den Zielen, die sowohl von der Europäischen Union als auch von der Gemeinschaft verfolgt werden(EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 64, Slg. 2007, I-8531).

30

(2) Dem Schutz älterer Menschen vor Benachteiligung im Beschäftigungsverhältnis kommt auch nach Auffassung des nationalen Gesetzgebers besondere Bedeutung zu (BT-Drucks. 16/1780 S. 31, 36). Dieser hat bei der Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG darauf abgestellt, dass es auch in Deutschland Hinweise dafür gebe, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen schlechtere Chancen im Arbeitsleben als andere hätten. Insbesondere Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, Behinderte und ältere Menschen seien schlechter in die Arbeitswelt eingebunden. Menschen über 55 und unter 20 Jahren arbeiteten überdurchschnittlich häufig in atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Die Erwerbsbeteiligung der über 55-Jährigen gehe drastisch zurück. Bei Männern falle sie zwischen 55 und 64 Jahren von 82,1 % auf 27 %. Diese soziale Lage könne zwar nicht allein mit gesetzlichen Benachteiligungsverboten verbessert werden, mache aber deutlich, dass auch in Deutschland diese Personengruppen besonderen Schutzes bedürften (BT-Drucks. 16/1780 S. 23 bis 25).

31

(3) Schutz und Integration älterer Arbeitnehmer stehen somit im Vordergrund der mit der Richtlinie 2000/78/EG und dem AGG verfolgten Ziele, soweit diese die Diskriminierung wegen des Alters verbieten (vgl. ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 1 AGG Rn. 11; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 1 Rn. 67). Dies wird auch daran deutlich, dass die in Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG genannten Rechtfertigungsgründe für Ungleichbehandlungen wegen des Alters, soweit sie in Abs. 1 Satz 2 Buchst. a die Entlassungsbedingungen ausdrücklich ansprechen, den Schutz älterer Arbeitnehmer verstärken und nicht etwa schwächen sollen (Schlachter Altersgrenzen und Alterssicherung im Arbeitsrecht S. 355, 369 f.).

32

Zwar ist unbestritten auch die Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer durch die Richtlinie 2000/78/EG untersagt (Wendeling-Schröder/Stein AGG § 1 Rn. 66; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 1 AGG Rn. 11; Linsenmaier RdA 2003 Sonderbeilage Heft 5 S. 22, 25; zu einer Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer durch ein Punkteschema bei Versetzungen vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - DB 2010, 397). Gleichwohl darf die oben dargestellte Hauptzielrichtung der Richtlinie bei der Auslegung des § 3 AGG nicht unbeachtet bleiben.

33

cc) Angesichts dieser Zielrichtung der das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung konkretisierenden Richtlinie 2000/78/EG und des diese umsetzenden AGG werden ältere Arbeitnehmer, die ein Arbeitgeber generell von einem Personalabbau ausnimmt, auch dann nicht iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unmittelbar gegenüber jüngeren Arbeitnehmern benachteiligt, wenn der Personalabbau durch freiwillige Aufhebungsverträge unter Zahlung attraktiver Abfindungen erfolgen soll. Bei Anlegung des von der Richtlinie 2000/78/EG und des AGG geforderten objektiven Maßstabes zur Beurteilung einer Benachteiligung (ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 3; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 4; aA wohl Schleusner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 12) werden ältere Arbeitnehmer durch die Herausnahme aus dem Personalabbau gegenüber jüngeren Arbeitnehmern, die unter Zahlung einer Abfindung freiwillig aus dem Unternehmen ausscheiden können und sich neue Erwerbschancen suchen müssen, im Regelfall nicht weniger günstig behandelt. Im Gegenteil ist der Zweck des Diskriminierungsverbots wegen des Alters grundsätzlich gerade durch den weiteren Verbleib älterer Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis verwirklicht. Diese stehen dadurch nach wie vor in einem Arbeitsverhältnis, das bei Vorliegen der Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes bestandsgeschützt ist. Sie erhalten so bei typisierender Betrachtung aus der ex ante-Perspektive die Chance, bis zum Eintritt in den Ruhestand bzw. bis zum Erreichen der für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Altersgrenze erwerbstätig zu bleiben. Dass in Einzelfällen Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen vor Erreichen der Altersgrenze ausscheiden oder später aus betriebsbedingten Gründen doch ihren Arbeitsplatz verlieren, muss dabei außer Betracht bleiben. Auch die subjektive Einschätzung einzelner älterer Arbeitnehmer, es sei für sie wirtschaftlich attraktiver, unter Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden als im Arbeitsverhältnis zu verbleiben - etwa in der Hoffnung oder Erwartung, sich neue Einkommensquellen zu erschließen -, kann nach dem Regelungszweck des AGG, der mit dem der Richtlinie 2000/78/EG in Einklang steht, eine Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG nicht begründen(vgl. bereits Senat 17. Dezember 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 31, NZA 2010, 273). Das Verbot der Altersdiskriminierung zwingt deshalb Arbeitgeber im Rahmen eines von ihnen geplanten Personalabbaus im Regelfall nicht dazu, auf Verlangen älterer Arbeitnehmer mit diesen einen Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung zu schließen.

34

II. Jedenfalls war die Herausnahme älterer Arbeitnehmer aus der von der Beklagten im Jahr 2006 vorgenommenen Personalabbaumaßnahme gerechtfertigt iSd. § 10 AGG.

35

1. § 10 AGG hat Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG unionsrechtskonform umgesetzt. Der Gesetzgeber hat die möglichen Rechtfertigungsgründe zunächst in § 10 Satz 1 und 2 AGG in Form einer Generalklausel umschrieben, die mit der des Art. 6 Abs. 1 nahezu wortgleich ist. In § 10 Satz 3 AGG sind dann sechs nicht abschließende Anwendungsfälle von denkbaren Rechtfertigungen aufgeführt(vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 40, EzA AGG § 15 Nr. 1). Zur weitergehenden Festlegung von rechtfertigenden Zielen war der nationale Gesetzgeber nicht verpflichtet. Die Mitgliedstaaten sind durch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG nicht gezwungen, einen abschließenden Katalog rechtfertigender Ausnahmen aufzustellen. Die darin genannten Ziele sind nicht abschließend, sondern haben nur Hinweischarakter (EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 43, 52, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 9; BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 49, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 12; 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 36, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 31).

36

Auch die Generalklausel in § 10 Satz 1 und 2 AGG ist unionsrechtskonform. Der Gesetzgeber kann über eine solche Regelung Tarif-, Betriebsparteien oder auch einzelnen Arbeitgebern Ermessens- und Gestaltungsbefugnisse bei der Festlegung von Zielen, die als rechtmäßig iSv. Art. 6 der Richtlinie angesehen werden können, einräumen und damit den Arbeitgebern bei der Verfolgung der in der Umsetzungsnorm genannten rechtmäßigen Ziele eine gewisse Flexibilität gewähren(vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 9; Schlussantrag des Generalanwalts Mazák vom 23. September 2008 - C-388/07 - Rn. 83; Sprenger EuZA 2009, 355, 358; vgl. für Tarifvertrags- und Betriebsparteien BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 50, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 12; 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 38, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 31). Dies hat der nationale Gesetzgeber getan, der in der Gesetzesbegründung ausdrücklich auch einzel- und kollektivvertragliche Regelungen einer Rechtfertigung über die Generalklausel zugänglich machen will (BT-Drucks. 16/1780 S. 36).

37

2. Die von der Beklagten vorgenommene Maßnahme unterfällt keinem der Regelbeispiele in § 10 Satz 3 Nr. 1 bis 6 AGG. Das in Nr. 6 dieser Norm aufgeführte Regelbeispiel ist nicht analog auf einzelvertragliche Abfindungsregelungen anzuwenden (aA Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 59; für eine Ausdehnung nur auf freiwillige Sozialpläne und bei Sozialplänen nach dem Personal- oder Mitarbeitervertretungsrecht Wendeling-Schröder/Stein AGG § 10 Rn. 61; der Senat hat in seiner Entscheidung vom 19. November 2009 - 6 AZR 561/08 - Rn. 30 die für Sozialpläne geltenden Grundsätze des § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG auch auf eine von einer paritätisch besetzen Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission beschlossene kirchliche Arbeitsvertragsregelung angewandt). Nach dem eindeutigen, nicht auslegungsfähigen Wortlaut dieser Vorschrift sind davon nur kollektivrechtlich vereinbarte Leistungen erfasst. Es fehlt zudem bereits an der für eine analoge Anwendung des § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG erforderlichen Regelungslücke. Einzelvertragliche Abfindungsregelungen unterfallen der Generalklausel in § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG.

38

3. Die Maßnahme der Beklagten ist nach § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt.

39

a) Kommt die Generalklausel des § 10 Satz 1 und 2 AGG zur Anwendung, müssen die nationalen Gerichte feststellen, ob generell-abstrakte Regelungen, die an das Alter anknüpfen und zu einer Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG führen, durch rechtmäßige Ziele im Sinne dieser Generalklausel gerechtfertigt sind. Sie haben sicherzustellen, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters nicht ausgehöhlt wird. Deshalb genügen allgemeine Behauptungen, dass eine bestimmte Maßnahme geeignet sei, der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung zu dienen, nicht zur Darlegung eines legitimen Ziels iSd. § 10 AGG. Vielmehr müssen zumindest aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter ihr stehenden Ziels ermöglichen, um die Rechtmäßigkeit, die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können als rechtmäßig nur Ziele angesehen werden, die als sozialpolitische Ziele im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 45 ff., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 9; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 36 ff., AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 31). Inwieweit danach auch betriebs- und unternehmensbezogene Interessen Berücksichtigung finden können (bejahend BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 53 mwN zum Streitstand in Rn. 45 ff., EzA AGG § 15 Nr. 1), kann dahinstehen, weil die Beklagte solche nicht anführt.

40

b) Danach war hier der Ausschluss der Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, aus der Personalabbaumaßnahme gerechtfertigt. Die Beklagte hat diese älteren Arbeitnehmer aus der Personalabbaumaßnahme ausgenommen und hat ihnen mit der bei ihr geltenden Altersteilzeitregelung einen gleitenden Übergang in die Altersrente ermöglicht (vgl. § 1 Abs. 1 AltTZG). Sie hat damit dem Personenkreis, dem der Kläger angehört, die weitere Teilnahme am Erwerbsleben ermöglicht. Dies ist ein legitimes beschäftigungspolitisches Ziel iSd. § 10 Satz 1 AGG, das sich mit dem dargelegten Regelungsziel der Richtlinie 2000/78/EG und des diese umsetzenden AGG deckt und deshalb die Herausnahme älterer Arbeitnehmer aus dem Personenkreis, mit dem die Beklagte den Abschluss von Aufhebungsverträgen gegen Zahlung von Abfindungen auf freiwilliger Basis zum Zwecke des Personalabbaus in Betracht gezogen hat, sachlich rechtfertigt(zum Verständnis der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 10 Satz 1 AGG BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 55, EzA AGG § 15 Nr. 1). Zur Erreichung dieses Ziels einer weiteren Integration älterer Arbeitnehmer in das Erwerbsleben war der Ausschluss älterer Arbeitnehmer aus dem Personalabbau auch ein verhältnismäßiges Mittel iSd. § 10 Satz 2 AGG.

41

III. Würde dem Arbeitgeber wegen des Verbots der Altersdiskriminierung generell untersagt, ältere Arbeitnehmer aufgrund der typisierenden und pauschalierenden Annahme, dass diesem Personenkreis der Verbleib im Erwerbsleben ermöglicht werden solle, generell von einem Personalabbau durch freiwilliges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung auszunehmen, würde dies auch zu unüberbrückbaren Wertungswidersprüchen und Brüchen in der Systematik des nationalen Vertragsrechts führen. Dass die Arbeitsvertragsparteien in Wahrnehmung ihrer auch verfassungsrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Privatautonomie die freiwillige Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Zahlung einer Abfindung vereinbaren können, steht außer Zweifel. Letzten Endes geht es darum, den von beiden Seiten für angemessen gehaltenen Preis für ein „Abkaufen“ des Bestandsschutzes zu ermitteln. Folgte man jedoch der Rechtsauffassung des Klägers, wäre dem Arbeitgeber die Ablehnung des Angebots des kontrahierungswilligen Arbeitnehmers verwehrt. Ein derartiger Kontrahierungszwang würde im Ergebnis jeden Personalabbau durch freiwillige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung unmöglich machen, weil das zur Verfügung stehende Abfindungsvolumen überwiegend von älteren Arbeitnehmern in Anspruch genommen werden würde, ohne dass der Arbeitgeber das mit dem geplanten Personalabbau verfolgte Ziel einer Kostenersparnis tatsächlich erreicht.

42

IV. Die zu I. und II. dargestellten Grundsätze zum Verständnis und zur Anwendung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a sowie Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2000/78/EG sind, soweit sie nicht ohnehin offenkundig sind, durch die angeführte jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt, so dass ein erneutes Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 Abs. 3 EGV nicht erforderlich war(vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - C-283/81 - Ls. 4, Slg. 1982, 3415, 3429; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151).

43

B. Der Kläger hat auch aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes keinen Anspruch auf Abschluss des begehrten Aufhebungsvertrags gegen Zahlung einer Abfindung von 171.720,00 Euro.

44

I. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der ungeachtet seiner umstrittenen dogmatischen Herleitung inhaltlich durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt wird, knüpft an eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers an. Er gebietet diesem, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regelung gleich zu behandeln. Er verbietet somit nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Nicht anwendbar ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz jedoch, wenn Leistungen oder Vergünstigungen individuell vereinbart werden. Insoweit genießt die Vertragsfreiheit Vorrang vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz (st. Rspr., zuletzt Senat 17. Dezember 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 29, NZA 2010, 273).

45

II. Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

46

1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht dadurch verletzt, dass die Beklagte den Kläger wie alle anderen Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, aus dem Personenkreis, dem sie angeboten hat, zu den Bedingungen des Rundschreibens Stand Mai 2006 auszuscheiden, von vornherein ausgenommen hat. Dieser Grundsatz findet keine Anwendung, wenn ein Arbeitgeber mit Arbeitnehmern individuelle Vereinbarungen über die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses unter Zahlung von Abfindungen trifft. Dies gilt auch dann, wenn die Abfindungen dem Grunde und der Höhe nach in einer Betriebsvereinbarung oder wie hier in einem von der Beklagten aufgestellten Regelungsplan festgelegt sind. Die Beklagte hat sich ausdrücklich vorbehalten, in jedem Einzelfall darüber zu entscheiden, ob sie Angebote von Arbeitnehmern auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu den im Rundschreiben von Mai 2006 dargestellten Bedingungen annehmen will. In einem solchen Fall fehlt es bereits an einer verteilenden Entscheidung des Arbeitgebers nach einer von ihm selbst aufgestellten Regel (vgl. Senat 17. Dezember 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 30, NZA 2010, 273). Auf die vom Kläger angezogene Entscheidung (BAG 18. September 2007 - 9 AZR 788/06 - AP BGB § 307 Nr. 29 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 15) kommt es deshalb nicht an.

47

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Gleichbehandlung mit den 24 Arbeitnehmern, die wie er vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, und mit denen die Beklagte unstreitig bis zum 31. Dezember 2006 Aufhebungsverträge abgeschlossen hat. Er hat nicht dargelegt, dass die Konditionen der mit diesen Arbeitnehmern vereinbarten Aufhebungsverträge den Bedingungen, wie sie die Beklagte im Rundschreiben vom Mai 2006 festgelegt hat, entsprechen und die Beklagte sich insoweit an die von ihr selbst gesetzte Regelung nicht gehalten, sondern eine neue, wiederum generalisierende Regelung geschaffen hat, mit einer Mehrzahl kontrahierungswilliger Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, einen Aufhebungsvertrag zu den Bedingungen des Rundschreibens von Mai 2006 zu schließen.

48

a) Die Beklagte hat dargelegt, dass sie mit den 24 vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern zu den Bedingungen, wie sie sie auch dem Kläger mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 angeboten hat, kontrahiert hat. Damit hat sie der ihr obliegenden Verpflichtung, die Gründe für eine Differenzierung zwischen beiden Arbeitnehmergruppen offenzulegen und so substantiiert darzutun, dass die Beurteilung möglich ist, ob die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entspricht (BAG 15. Juli 2009 - 5 AZR 486/08 - Rn. 14, EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 20), genügt. Der Kläger hätte nunmehr seine Behauptung, dieser Vortrag der Beklagten sei inhaltlich unzutreffend, näher begründen müssen. Dies ist nicht hinreichend geschehen. Darauf hat das Landesarbeitsgericht zu Recht abgestellt.

49

aa) Die bloße Aufnahme der 24 Arbeitnehmer in den Flash-Report lässt entgegen der Auffassung des Klägers keinen Rückschluss darauf zu, dass die Aufhebungsverträge auch dieser älteren Arbeitnehmer zu den von ihm begehrten Konditionen geschlossen worden sind. Dieser Report gibt laut seiner S. 1 den „Realisierungsstand der abgeschlossenen Aufhebungsverträge“ wieder. Ausgehend vom Ziel der Abfindungsaktion, zur Kostensenkung Personal abzubauen, ist es folgerichtig, sämtliche Arbeitnehmer, die anlässlich dieser Aktion bis zu dem gewünschten Zeitpunkt aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, im Report aufzuführen, auch soweit Aufhebungsverträge zu anderen Konditionen als denen des Rundschreibens von Mai 2006 geschlossen worden sind.

50

bb) Auch die auf S. 5 des Flash-Reports erfolgte „Aufteilung abgeschlossener Aufhebungsverträge“ spricht entgegen der Auffassung des Klägers nicht für seine Behauptung, sondern im Gegenteil gegen diese. Der Flash-Report wertet dort unter Aufschlüsselung nach Entgeltstufen und Dauer der Betriebszugehörigkeit aus, wie hoch der Anteil angeschriebener Arbeitnehmer ist, die tatsächlich einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben. Dem Kläger ist zuzugeben, dass die vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmer unstreitig nicht von der Beklagten angeschrieben worden sind. Gleichwohl sind Basis auch dieser Statistik alle bis zum 31. Dezember 2006 geschlossenen 5.937 Aufhebungsverträge einschließlich der auf S. 11 des Flash-Reportsausgewiesenen 24 Verträge, die mit vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern geschlossen worden sind. Aussagen zu den Konditionen der Aufhebungsverträge lassen sich damit S. 5 des Flash-Reports nicht entnehmen, sondern nur das Bemühen der Beklagten, alle bis zum 31. Dezember 2006 abgeschlossenen Aufhebungsverträge statistisch zu erfassen und zu bewerten.

51

cc) Schließlich ist auch der Vortrag des Klägers, Abfindungen an ältere Arbeitnehmer seien stets netto gezahlt worden, kein schlüssiges Indiz für seine Behauptung, die Konditionen der 24 auf S. 11 des Flash-Reports aufgeführten Aufhebungsverträge entsprächen denen des Rundschreibens. Der Kläger nimmt insoweit ausdrücklich Bezug auf das Schreiben der Beklagten vom 30. Oktober 2006,aus dem sich lediglich ergibt, dass sie im konkreten Fall des Klägers eine Nettoabfindung errechnet hat, weil ihr mangels der erforderlichen Daten die Ermittlung einer Bruttoabfindung nicht möglich war.

52

b) Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast nicht überspannt. Es hat vielmehr zu Recht vom Kläger verlangt, weitere Indizien vorzutragen, aus denen geschlossen werden könne, dass seine Behauptung, die Beklagte habe auch mit 24 älteren Arbeitnehmern zu den Bedingungen des Rundschreibens vom Mai 2006 kontrahiert, richtig sei. Trotz des unstreitigen Umstands, dass der Kläger die Bedingungen der 24 auf S. 11 des Flash-Reports aufgeführten Aufhebungsverträge, die mit vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern geschlossen sind, nicht kennt und keine Einsicht in die Personalunterlagen hat, war die Beklagte nicht zu weitergehendem Vortrag verpflichtet.

53

aa) Allerdings genügt nach den Grundsätzen der sekundären Behauptungslast das einfache Bestreiten des Gegners der primär darlegungspflichtigen Partei nicht, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des für ihren Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht, der Gegner dagegen alle wesentlichen Tatsachen kennt und ihm nähere Angaben zuzumuten sind. In diesen Fällen kann von ihm das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (BGH 17. Januar 2008 - III ZR 239/06 - Rn. 16, NJW 2008, 982; BAG 6. September 2007 - 2 AZR 715/06 - Rn. 38, BAGE 124, 48). Der Gegner der primär darlegungs- und beweispflichtigen Partei muss deren Vortrag also positive Gegenangaben gegenüberstellen (Stein/Jonas/Leipold 22. Aufl. § 138 Rn. 36 f.; umfassend zu den Modifizierungen der Darlegungslast unter dem Gesichtspunkt der sekundären Behauptungslast Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. Vor § 284 Rn. 34 ff.).

54

Diesen Anforderungen hat die Beklagte genügt. Sie hat vorgetragen, dass sie mit den 24 vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern Aufhebungsverträge zu den Bedingungen geschlossen habe, wie sie sie auch dem Kläger angeboten hat . Sie hat diesen Vortrag mit der namentlichen Benennung von drei Arbeitnehmern, die wie der Kläger im Werk H beschäftigt und im Flash-Report erfasst seien, untermauert. Unstreitig sind diese Arbeitnehmer tatsächlich zu anderen Bedingungen als denen des Abfindungsmodells des Jahres 2006 ausgeschieden. Ebenso unstreitig hat die Beklagte jedenfalls dem Kläger lediglich die Konditionen angeboten, zu denen sie nach ihrem Vortrag mit den 24 älteren Arbeitnehmern kontrahiert hat. Sie hat damit den vom Kläger behaupteten Sachverhalt hinreichend substantiiert bestritten.

55

Weitergehende Vortragspflichten trafen die Beklagte aufgrund des Grundsatzes der sekundären Behauptungslast nicht. Insbesondere verlangen diese vom Gegner der beweispflichtigen Partei nicht die Preisgabe von Namen und ladungsfähiger Anschrift von (potentiellen) Zeugen. Dass die Beklagte die 24 Arbeitnehmer nicht namentlich benannt hat, hatte deshalb entgegen der Auffassung des Klägers nicht zur Folge, dass sein Vortrag, diese Arbeitnehmer seien zu den Bedingungen des Rundschreibens von Mai 2006 ausgeschieden, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen war(vgl. BGH 17. Januar 2008 - III ZR 239/06 - Rn. 18 f., NJW 2008, 982).

56

bb) Die Zivilprozessordnung kennt keine - über die anerkannten Fälle der Pflicht zum substantiierten Bestreiten hinausgehende - allgemeine Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei. Dass im Zivilprozess die Wahrheitspflicht wesentliche Bedeutung hat, erlaubt nicht den Schluss, die Parteien seien generell zu dem Verhalten verpflichtet, das am besten der Wahrheitsfindung dient. Weder die Aufgabe der Wahrheitsfindung noch das Rechtsstaatsprinzip hindert den Gesetzgeber daran, den Zivilprozess der Verhandlungsmaxime zu unterstellen und es in erster Linie den Parteien zu überlassen, die notwendigen Tatsachenbehauptungen aufzustellen und die Beweismittel zu benennen. Im Grundsatz gilt, dass keine Partei gehalten ist, dem Gegner das Material für dessen prozessuales Obsiegen zu verschaffen (BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - BAGE 113, 55, 58 f.; BGH 11. Juni 1990 - II ZR 159/89 - NJW 1990, 3151).

57

Ohnehin ist außer einem ausdrücklichen Geständnis der Beklagten kein Vortrag erkennbar, der dem Kläger die weitere Substantiierung seiner Behauptung, die Aufhebungsverträge mit den 24 vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern seien zu denselben Bedingungen wie die der 5.913 bis zum 31. Dezember 2006 ausgeschiedenen jüngeren Arbeitnehmer geschlossen, ermöglichen würde. Trüge die Beklagte die Namen und Konditionen von 21 weiteren vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern vor, mit denen sie 2006 Aufhebungsverträge geschlossen hat, könnte der Kläger ebenso, wie er es bereits bei den drei von der Beklagten namentlich benannten Arbeitnehmern des Werks H getan hat, einwenden, dass deren Aufhebungsverträge nicht im Flash-Report aufgeführt seien. Legte die Beklagte - unter Hintanstellung datenschutzrechtlicher Bedenken - alle 5.937 von ihr bis zum 31. Dezember 2006 geschlossenen Aufhebungsverträge vor, wären davon 24 mit Arbeitnehmern geschlossen, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, und würden diese Verträge andere Konditionen als die im Rundschreiben vom Mai 2006 genannten aufweisen, könnte der Kläger ebenfalls einwenden, dass dies nicht die Verträge der 24 im Flash-Report aufgeführten Arbeitnehmer seien.

58

c)  Das Landesarbeitsgericht hat auch seine Hinweispflicht aus § 139 ZPO entgegen der Aufklärungsrüge der Revision nicht verletzt. Zum einen hatte es bereits laut Protokoll vom 4. Februar 2008 auf seine Auffassung hingewiesen, der Kläger habe konkret vorzutragen, zu welchen Bedingungen die Arbeitnehmer, die älter als 55 Jahre gewesen seien, aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden seien. Zum anderen war der vom Kläger auf den vermissten Hinweis gehaltene Vortrag, den er in der Revisionsbegründung mitgeteilt hat, nicht entscheidungserheblich. Wie ausgeführt, ändert der Umstand, dass der Kläger die 24 im Flash-Report aufgeführten, vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmer nicht kennt und unter der Vielzahl der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer auch nicht ausfindig machen kann, nichts daran, dass er seiner Darlegungslast nicht genügt hat.

59

C. Der Antrag auf Feststellung einer künftigen Schadenersatzpflicht ist aus den dargelegten Gründen unbegründet.

60

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Schmidt    

        

    B. Stang    

        

        

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29. Mai 2012, Az.: 11 Ca 4555/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.

2

Die Klägerin war vom 16.07.2001 bis zum 30.09.2011 bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 2.501,00 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch eine Eigenkündigung der Klägerin vom 19.07. zum 30.09.2011.

3

Im Bereich Produktmanagement/Einkauf, in dem die Klägerin beschäftigt war, wollte die Beklagte im Rahmen einer Betriebsänderung nach ihrem Vortrag zwei, nach dem Vortrag der Klägerin vier Vollzeitarbeitsplätze abbauen. Nachdem die zwei Arbeitnehmer F. G. und St. P. ihre Arbeitsverhältnisse bereits durch Eigenkündigungen vom 17.05. zum 31.07.2011 und vom 25.05. zum 31.08.2011 beendet hatten, war nach Ansicht der Beklagten die Betriebsänderung im Bereich Produktmanagement/Einkauf im Zeitpunkt der Kündigung der Klägerin am 19.07.2011 bereits vollzogen. Die Beklagte weigert sich deshalb, der Klägerin eine Abfindung nach dem Tarifsozialplan (TSP) zu zahlen, den sie am 13.07.2011 mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen hat.

4

Der TSP (Bl. 9-17 d.A.) lautet - auszugsweise - wie folgt:

5

㤠1 Geltungsbereich

6

1. Persönlich

7

Dieser Tarifsozialplan gilt für alle Mitarbeiter der C., deren Arbeitsplatz aufgrund einer Maßnahme infolge der Betriebsänderung „Neuausrichtung Logistik und Umsetzung des Projekts O.“ wegfällt oder sich ändert.

8

Er gilt jedoch nicht für:

9


Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis aufgrund eines Beendigungstatbestandes (z.B. Eigenkündigung, Kündigung oder Aufhebungsvertrag) endet, der vor Abschluss dieses Tarifsozialplans und vor dem 01.04.2011 gesetzt wurde, es sei denn, der Mitarbeiter wäre von der Betriebsänderung betroffen gewesen und die Beendigung wäre aus Anlass der Betriebsänderung erfolgt,

10

2. Sachlich

11

Der Tarifsozialplan gilt für alle Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der in Ziffer 1. beschriebenen Betriebsänderung stehen.

12

§ 5 Beendigung von Arbeitsverhältnissen

13

Mitarbeiter, die aufgrund der Betriebsänderung ausscheiden, haben Anspruch auf eine Gesamtabfindung. Diese besteht aus einem Grundabfindungsbetrag, einer individuell zu berechnenden Abfindung und ggf. aus einem Zuschlag.

14

§ 6 Ausscheiden auf arbeitnehmerseitigen Wunsch

15

Die von der Betriebsänderung betroffenen Mitarbeiter können bei der Personalleitung ab sofort ihren Austrittswunsch anmelden. Sie sind in vollem Umfang anspruchsberechtigt im Sinne dieses Tarifsozialplans.

16

§ 8 Ringtausch

17

Bietet ein Mitarbeiter zum Zwecke der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses mit einem anderen Mitarbeiter an, dass sein Arbeitsverhältnis ersatzweise beendet wird, so stimmt das Unternehmen der Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses zu, sofern die Weiterbeschäftigung dieses Mitarbeiters … nicht im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. …
…“

18

Mit ihrer am 21.12.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt die Klägerin eine Sozialplanabfindung in Höhe von € 21.256,50 brutto (€ 5.000,00 Grundbetrag zzgl. € 2.501,00 x 10 Jahre x 0,65 individueller Betrag).

19

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29.05.2012 (dort Seite 2-9 = Bl. 88-96 d.A.) Bezug genommen.

20

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

21

die Beklagte zu verurteilen, an sie € 21.256,50 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

22

Die Beklagte hat beantragt,

23

die Klage abzuweisen.

24

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.05.2012 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin erfülle nicht die Anspruchsvoraussetzungen des TSP, denn ihr Arbeitsplatz sei nach dem Ausscheiden der zwei Arbeitnehmer G. und P. nicht mehr von einer Maßnahme infolge der Betriebsänderung „Neuausrichtung Logistik und Umsetzung des Projekts O.“ betroffen gewesen. Sie sei nicht iSd. § 5 TSP „aufgrund der Betriebsänderung“ ausgeschieden, denn die maßgebliche Stellenabbauzahl von zwei Vollzeitarbeitsplätzen sei im Bereich Produktmanagement/Einkauf bereits erreicht gewesen. Ein zusätzliches Ausscheiden der Klägerin zum 30.09.2011 sei zur Umsetzung der Betriebsänderung nicht mehr erforderlich gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 9 bis 19 des erstinstanzlichen Urteils vom 29.05.2012 (Bl. 96-106 d.A.) Bezug genommen.

25

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 04.07.2012 zugestellt worden. Sie hat mit am 01.08.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 20.08.2012 eingegangenem Schriftsatz begründet.

26

Sie ist der Ansicht, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie nicht dem sachlichen Geltungsbereich des TSP unterfalle. Sie sei von der Betriebsänderung betroffen gewesen, denn im Zeitpunkt ihrer Eigenkündigung am 19.07.2011 sei die Stellenabbauzahl, die die Beklagte im Bereich Produktmanagement/Einkauf vorgegeben habe, nicht erreicht gewesen. Das Arbeitsgericht sei von einer falschen Stellenabbauzahl ausgegangen. Sie bestreite ausdrücklich, dass die Beklagte lediglich zwei Vollzeitarbeitsplätze zum Abbau vorgesehen habe. Sie habe bereits erstinstanzlich vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der Abbau von vier Vollzeitarbeitsplätzen im Bereich Produktmanagement/Einkauf vorgesehen gewesen sei (Beweis: Parteivernehmung der Klägerin, Zeugnis des Betriebsrats R. St.). Das belege auch der Umstand, dass der Mitarbeiter B. noch nach ihrem Ausscheiden versetzt worden sei.

27

Die Beklagte habe den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Im Zeitpunkt ihrer Eigenkündigung sei noch ein Vollzeitarbeitsplatz abzubauen gewesen. Sie hätte deshalb wie die Arbeitnehmer G. und P. behandelt werden müssen, denen die Beklagte - unstreitig - eine Abfindung gezahlt habe. Im Rahmen einer hypothetischen Sozialauswahl hätte ihr noch vor den Arbeitnehmern G. und P. gekündigt werden müssen. Insbesondere gegenüber dem Mitarbeiter P. (20 Jahre beschäftigt, verheiratet, ein Kind) habe sie über schlechtere Sozialdaten verfügt. Sie habe sich zur Eigenkündigung entschlossen, weil ihr Vorgesetzter ihr mitgeteilt habe, dass sie auf einer „Liste für Kündigungen“ stehe (Beweis: Parteivernehmung der Klägerin). Sie sei von der Betriebsänderung betroffen gewesen, weil sie auf einer neuen Kostenstelle geführt, in ein anderes Büro mit einem anderen Büronachbarn versetzt und ihr andere Arbeitsaufgaben zugewiesen worden seien.

28

Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt des Schriftsatzes der Klägerin vom 20.08.2012 (Bl. 126-133 d.A.) Bezug genommen.

29

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

30

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29.05.2012, Az. 11 Ca 4555/11, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie € 21.256,50 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

31

Die Beklagte beantragt,

32

die Berufung zurückzuweisen.

33

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 24.09.2012 (Bl. 156-163 d.A.), auf die Bezug genommen wird, als im Ergebnis zutreffend. Sie widerspricht einer Parteivernehmung der Klägerin.

34

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die erst- und zweitinstanzlich eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

35

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.

36

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der begehrten Abfindung in Höhe von € 21.256,50 brutto.

37

Die Berufungskammer folgt der Ansicht des Arbeitsgerichts, dass die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen des § 5 des Tarifsozialplans (TSP) vom 13.07.2011 auf Zahlung einer Abfindung nicht erfüllt. Die Klägerin ist nicht „aufgrund der Betriebsänderung“ aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden. Ihre Eigenkündigung vom 19.07. zum 30.09.2011 war nicht durch den Wegfall ihres Arbeitsplatzes veranlasst.

38

1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach der ständigen Rechtsprechung des BAG den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist stets abzustellen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und gesetzeskonformen Regelung führt (vgl. BAG 15.05.2012 - 7 AZR 785/10 - Rn. 21, Juris, mzN.).

39

2. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 5 TSP haben solche Mitarbeiter einen Anspruch auf Abfindung, die „aufgrund der Betriebsänderung ausscheiden“. Ein solcher Zusammenhang zwischen Betriebsänderung und Ausscheiden der Klägerin besteht nicht. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Arbeitsplatz der Klägerin im Zeitpunkt ihrer Eigenkündigung am 19.07. zum 30.09.2011 von der Personalreduzierungsmaßnahme nicht (mehr) betroffen war, nachdem die Arbeitnehmer F. G. und St. P. ihre Arbeitsverhältnisse bereits am 17.05. zum 31.07.2011 bzw. am 25.05. zum 31.08.2011 gekündigt hatten.

40

Die Beklagte wollte nach ihrem Vorbringen im Bereich Produktmanagement/Einkauf zwei und nicht vier Vollzeitarbeitsplätze abbauen. Ausweislich der Information für den Betriebsrat zum Projekt „O.“ vom 08.09.2010 und vom 24.11.2010 sollte der Bereich „Produktmanagement/Einkauf“ zukünftig in zwei Abteilungen gegliedert werden. Durch die neue Organisationsstruktur, die dem Betriebsrat im Detail vorgestellt worden ist, wollte die Beklagte zwei Vollzeitarbeitsplätze einsparen.

41

Soweit die Berufung ausdrücklich bestreitet, dass die Beklagte lediglich zwei Vollzeitarbeitsplätze abbauen wollte, verkennt sie die Darlegungs- und Beweislast. Dasselbe gilt für ihre Rüge, die Präsentation für den Betriebsrat zum Projekt „O.“ sei nicht geeignet, den bestrittenen Vortrag der Beklagten zu belegen. Es ist Sache der Klägerin, darzulegen, inwiefern ihr Arbeitsplatz von einer Betriebsänderung im Sinne des § 5 TSP betroffen und dies für ihre Eigenkündigung vom 19.07.2011 ursächlich war. Einen solchen Vortrag hat sie nicht gehalten. Ihre pauschale Behauptung, die Beklagte habe nicht zwei, sondern vier Vollzeitarbeitsplätze im Bereich Produktmanagement/Einkauf abbauen wollen, genügt nicht.

42

Die Berufung rügt ohne Erfolg, das Arbeitsgericht hätte über ihre bestrittene Behauptung, die Beklagte habe vier Vollzeitarbeitsplätze abbauen wollen, Beweis erheben müssen. Das Arbeitsgericht war nicht verpflichtet, dem Beweisangebot der Klägerin auf ihre eigene Parteivernehmung nachzugehen. Die eigene Parteivernehmung ist kein taugliches Beweisangebot. Gemäß § 445 Abs. 1 ZPO kann nur die Vernehmung des Gegners beantragt werden. Der Antrag der beweispflichtigen Klägerin auf ihre eigene Vernehmung setzt gemäß § 447 ZPO das Einverständnis der Beklagten voraus, das diese nicht erklärt hat. Die Beklagte hat vielmehr dem Antrag auf Parteivernehmung der Klägerin ausdrücklich widersprochen. Die Parteivernehmung von Amts wegen darf nach § 448 ZPO nur angeordnet werden, wenn aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht (LAG Rheinland-Pfalz 16.08.2011 - 3 Sa 167/11 –Rn. 51, Juris, mwN.). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

43

Auch der Beweisantritt auf Vernehmung des Betriebsrats R. St. als Zeugen war unzulässig, weil es sich um einen reinen Ausforschungsbeweis gehandelt hätte. Es fehlt jedweder konkrete Tatsachenvortrag wann genau, welche von der Beklagten bevollmächtigte Person, wem gegenüber, dem Betriebsrat mitgeteilt haben soll, die Beklagte wolle - entgegen ihrer Information für den Betriebsrat zum Projekt „O.“ vom 08.09.2010 und vom 24.11.2010 - im Bereich Produktmanagement/Einkauf nicht zwei, sondern vier Arbeitsplätze abbauen.

44

Dasselbe gilt für die Behauptung der Klägerin, ihr Vorgesetzter habe ihr mitgeteilt, dass sie auf einer „Liste für Kündigungen“ stehe. Auch hier fehlt jedweder konkrete Tatsachenvortrag, wann genau, welcher Vorgesetzter, ihr dies mitgeteilt haben soll. Nach dem Konzept des TSP bestand für die Arbeitnehmer die Möglichkeit, Austrittswünsche anzumelden (§ 6 TSP) und ggf. einen Ringtausch (§ 8 TSP) durchzuführen. Eine „Liste für Kündigungen“ wird im Sozialplan an keiner Stelle erwähnt. Im Übrigen war das Beweisangebot auf Parteivernehmung der Klägerin unzulässig. Die Beklagte hat dem Antrag auf Parteivernehmung der Klägerin ausdrücklich widersprochen. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO liegen nicht vor. Für die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin spricht gar nichts.

45

3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Sozialplanabfindung, weil ihr die Beklagte aus Anlass der Betriebsänderung einen anderen Büroraum zugewiesen hat, den sie mit einem anderen Büronachbarn teilen musste, sie auf einer anderen Kostenstelle führte und sich ihre Arbeitsaufgaben geändert haben. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 5 TSP sollen nur die Arbeitnehmer eine Abfindung erhalten, die aufgrund der Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren, also „ausscheiden“. § 5 TSP sieht keinen Abfindungsanspruch für Arbeitnehmer vor, die ihr Arbeitsverhältnis selbst kündigen, obwohl ihnen kein Verlust des Arbeitsplatzes droht.

46

Dieses Auslegungsergebnis wird durch den sich aus dem Gesamtzusammenhang des Tarifsozialplans ergebenden Regelungszweck bestätigt. Dieser besteht darin, die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen bzw. zu mildern, die den Arbeitnehmern entstehen, die ihren Arbeitsplatz wegen der Betriebsänderung verlieren. Das entspricht der in § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG beschriebenen Funktion eines Sozialplans. Für den hier zwischen der Gewerkschaft ver.di und der Beklagten abgeschlossenen TSP gilt nichts anderes.

47

4. Ein Abfindungsanspruch folgt auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Entgegen der Ansicht der Berufung ist die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin eine Abfindung zu zahlen, weil sie den Arbeitnehmern G. und P. eine Abfindung gezahlt hat.

48

Die Beklagte wollte - wie oben bereits ausgeführt - im Bereich Produktmanagement/Einkauf zwei Vollzeitarbeitsplätze abbauen. Dieser Stellenabbau war durch das freiwillige Ausscheiden der Arbeitnehmer G. und P. durch Eigenkündigungen vom 17.05. und 25.05.2011 zum 31.07. und 31.08.2011 erreicht. Der Arbeitsplatz der Klägerin war im Zeitpunkt ihrer Kündigung am 19.07.2011 von der Betriebsänderung nicht bedroht. Die Klägerin hatte keinen Arbeitsplatzverlust zu befürchten. Deshalb sind auch ihre Ausführungen zur „hypothetischen“ Sozialauswahl unbehelflich. Durch das freiwillige Ausscheiden der Arbeitnehmer G. und P. war die geplante Betriebsänderung abgeschlossen, bevor sich die Beklagte Gedanken zur sozialen Auswahl der zu Kündigenden machen musste.

III.

49

Nach alledem ist die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

50

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.