Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Jan. 2015 - 2 Sa 367/14

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2015:0126.2SA367.14.0A
bei uns veröffentlicht am26.01.2015

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.02.2014 - 7 Ca 3959/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 10. September 2009 sowie einer weiteren außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 31. Oktober 2012.

2

Der Kläger war seit 01. Juli 2005 als Chefarzt der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie des S. in A-Stadt aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18. April 2005 beschäftigt.

3

Die Beklagte hatte gegenüber dem Kläger bereits mit Schreiben vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008 jeweils eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen. Das Arbeitsgericht Koblenz hat in dem unter dem Aktenzeichen 6 Ca 1752/08 geführten Vorprozess der Parteien mit Urteil vom 11. März 2009 der gegen diese Kündigungen gerichteten Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Diese Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig (LAG Rheinland-Pfalz 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - und BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 -).

4

In der Zeit vom 01. Februar 2009 bis 31. August 2009 war der Kläger als Chefarzt der chirurgischen Abteilung im D. in M-Stadt beschäftigt. Das S. in A-Stadt und das D. in M-Stadt sind Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Die Entfernung zwischen den beiden Krankenhäusern beträgt 104 km Luftlinie und 151 km auf den Verkehrsstraßen. Die Fahrzeit von M-Stadt nach A-Stadt beträgt mit dem Auto mindestens drei Stunden und mit der Bahn mindestens dreieinhalb Stunden. Bei der Beklagten werden jährlich ca. 9.000 Patienten behandelt.

5

Wegen der Aufnahme dieser Tätigkeit des Klägers im D. in M-Stadt und des hierin nach Ansicht der Beklagten liegenden Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bereits mit Schreiben vom 26. März 2009 fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin gekündigt. Der vom Kläger gegen diese Kündigung erhobenen Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht Koblenz mit Urteil vom 02. September 2009 - 6 Ca 650/09 - stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit - inzwischen rechtskräftigem - Urteil vom 18. Dezember 2012 - 3 Sa 500/12 - zurückgewiesen worden. In dem unter dem Aktenzeichen 6 Ca 650/09 geführten Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz hat der Kläger mit Schriftsatz vom 31. August 2009 (S. 2) u. a. folgendes vortragen lassen:

6

"Die Beklagte versucht, dem Kläger Uneinsichtigkeit vorzuhalten. Dies geht fehl. Der Kläger hat rein vorsorglich und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht das Arbeitsverhältnis am D. in M-Stadt mit Wirkung zum 31.08.2009 gekündigt."

7

Tatsächlich hatte der damalige Arbeitgeber des Klägers, das D. in M-Stadt, vor Ausspruch der Eigenkündigung des Klägers bereits eine arbeitgeberseitige Kündigung zum 31. August 2009 ausgesprochen. Im vorbezeichneten Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Koblenz hat der Kläger weder die Kündigung seines damaligen Arbeitgebers noch seine eigene Kündigung vorgelegt.

8

Mit Schreiben vom 10. September 2009 (Bl. 8 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers erneut fristlos und hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 11. September 2009 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Kündigungsschutzklage.

9

Nach seinem Ausscheiden aus dem D. in M-Stadt zum 31. August 2009 eröffnete der Kläger im Jahr 2010 eine seitdem von ihm ohne Unterbrechung betriebene Praxis für Chirurgie in L-Stadt, die sich ca. 14 km vom Sitz des von der Beklagten betriebenen Krankenhauses in A-Stadt entfernt befindet. Der Kläger und seine Ehefrau, deren Praxis in D-Stadt liegt, bewerben ihre gemeinsam geführten Praxen als "X. in A-Stadt, Dr. med. A., Dr. med. N. A. - ambulante Operationen, Alle Kassen und Privat, Zertifizierte Fußchirurgie, A-Stadt, R-Straße, Telefon 00000/00000".

10

Anlässlich der Übernahme der Vertragsarztpraxis in L-Stadt durch den Kläger übersandte der damalige Geschäftsführer der Beklagten, Herr S., dem Kläger folgendes Schreiben vom 08. April 2010 (Bl. 170 d. A.):

11

Änderung des Hausverbotes vom 08.10.2008

Sehr geehrter Herr Dr. A.,

wir beglückwünschen Sie zur Übernahme der Vertragsarztpraxis von Herrn Dr. M. in L-Stadt und wünschen Ihnen viel Erfolg in Ihrer neuen Praxis.
Hinsichtlich des am 08.10.2008 erteilten Hausverbotes für das gesamte Gelände der C. wird hiermit insofern eine Ergänzung vorgenommen, dass wir Ihnen den Zugang und Aufenthalt in den Räumen der Bereitschaftszentrale zur Ausübung Ihrer Bereitschaftsdienstverpflichtung genehmigen.
Das erteilte Hausverbot für die übrigen Räume der C. bleibt weiterhin bestehen.

12

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2012 (Bl. 47 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers erneut vorsorglich und fristlos aus wichtigem Grund und verwies im Kündigungsschreiben darauf, dass die Kündigung für den Fall erfolge, dass sämtliche zuvor ausgesprochenen Kündigungen unwirksam wären. Diese weitere Kündigung vom 31. Oktober 2012 hat der Kläger mit der am 14. November 2012 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klageerweiterung angegriffen.

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Wegen des wechselseitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25. Februar 2014 - 7 Ca 3959/12 - und ergänzend auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

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Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

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1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sowohl durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 10. September 2009 als auch durch die zugleich hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist,

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2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 31. Oktober 2012 nicht aufgelöst worden ist,

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3. die Beklagte zu verurteilen, ihn als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie des S. in A-Stadt zu unveränderten Bedingungen gemäß Dienstvertrag vom 18. April 2005 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen.

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Die Beklagte hat beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 25. Februar 2014 - 7 Ca 3959/12 - der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

21

Gegen das ihr am 06. Juni 2014 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 10. Juni 2014, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 11. Juni 2014 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 23. Juli 2014, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

22

Die Beklagte trägt vor, die außerordentliche Kündigung vom 10. September 2009 sei gemäß § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt, weil der Kläger seine unerlaubte Wettbewerbstätigkeit im D. in M-Stadt auch nach der erklärten Kündigung vom 26. März 2009, die dem Ausspruch einer Abmahnung gleichkomme, bis zum 31. August 2009 fortgesetzt habe und in dem vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz (Az.: 6 Ca 650/09) einen versuchten Prozessbetrug begangen habe. Die vorangegangene außerordentliche Kündigung vom 26. März 2009 habe trotz ihrer später festgestellten rechtlichen Unwirksamkeit die gleiche Wirkung wie eine Abmahnung entfaltet, weil sie sich ebenfalls dem Grunde nach auf die unerlaubte Aufnahme einer wettbewerbswidrigen Beschäftigung am D. in M-Stadt bezogen habe, auch wenn sie sich aufgrund anderer Umstände als unwirksam dargestellt habe. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts könnten die Ausführungen im Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Dezember 2012 (Aktenzeichen: 3 Sa 500/12) im vorangegangenen Kündigungsschutzprozess nicht ebenfalls die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 10. September 2009 begründen. Im Rahmen der Interessenabwägung hätte das Arbeitsgericht die vorangegangenen Erschütterungen des Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien nicht unberücksichtigt lassen dürfen. Selbst das Bundesarbeitsgericht sei in seiner Entscheidung vom 25. Oktober 2012 davon ausgegangen, dass der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblicher Weise dadurch verletzt habe, dass er sein privates Mobiltelefon im Operationssaal auch zu privat veranlassten Telefonaten genutzt habe. Die Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses der Parteien gehe folglich in ganz überwiegendem Maße auf das persönliche Verhalten des Klägers zurück und dies komme auch in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Ausdruck. Im Rahmen der nunmehr erneut vorzunehmenden Interessenabwägung müsse zu ihren Gunsten berücksichtigt werden, dass die Vielzahl der Störungen des persönlichen Vertrauensverhältnisses zum Kläger ihren eindeutigen Ursprung in dessen Verhalten gehabt hätten. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die außerordentliche Kündigung vom 10. September 2009 zudem aufgrund des versuchten Prozessbetrugs des Klägers im vorausgegangenen Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz (Az.: 6 Ca 650/09) gerechtfertigt. Der Vortrag des Klägers, dass er das Arbeitsverhältnis am Krankenhaus in M-Stadt durch eine Eigenkündigung beendet habe, müsse wegen seiner offensichtlichen rechtlichen Fehlerhaftigkeit als wahrheitswidrig eingeordnet werden. Der Kläger habe gegenüber sämtlichen Prozessbeteiligten verschwiegen, dass die Initiative zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses von dem in M-Stadt ansässigen Arbeitgeber durch die Erklärung einer arbeitgeberseitigen Kündigung während der Probezeit ausgegangen sei. Das vom Kläger angeführte Bestätigungsschreiben des Herrn Dr. G. vom 23. Juli 2009 habe keinen wie auch immer gearteten Einfluss auf die Rechtswirksamkeit der bereits ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung in der Probezeit nehmen können. Vielmehr sei die Eigenkündigung des Klägers nicht die Ursache der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in M-Stadt gewesen, weil bereits mit der zeitlich ersten und rechtlich wirksamen Arbeitgeberkündigung ein unangreifbarer Beendigungstatbestand geschaffen worden sei. Durch seinen bewusst wahrheitswidrigen Vortrag habe der Kläger im Vorprozess versucht, die rechtliche Beurteilung der im Streit stehenden Kündigung durch das Gericht zu seinem persönlichen Vorteil zu beeinflussen, womit die Schwelle zu einem versuchten Prozessbetrug überschritten worden sei. Zudem habe das Arbeitsgericht ihren Vortrag nicht berücksichtigt, wonach bereits die Eingehung des Konkurrenzarbeitsverhältnisses sich anders dargestellt habe, als dies der Kläger vorgetragen habe. Während der Kläger behauptet habe, er habe im Krankenhaus in M-Stadt von Anfang an offengelegt, dass es für ihn aufgrund seiner beabsichtigten Rückkehr zu seinem bisherigen Arbeitgeber nur um eine "Zwischenbeschäftigung" gehe, habe sie unter Beweisantritt behauptet, dass der Kläger sich in M-Stadt ebenfalls eine langfristige Anstellung habe sichern wollen. Für die Frage der "Tiefe" der Wettbewerbstätigkeit seien diese Tatsachen von erheblicher Bedeutung, was das Arbeitsgericht verkannt habe. Dem Kläger sei es mit der Aufnahme der anderweitigen Tätigkeit offensichtlich nicht nur um die Schaffung einer temporären Übergangslösung gegangen. Vielmehr habe der Kläger bei den Vertragsverhandlungen intensiv darauf hingewirkt, dass der Ausschluss einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit nach der Probezeit vertraglich vereinbart werde. Der Kläger habe gegenüber dem Personalverantwortlichen am D. in M-Stadt zu keinem Zeitpunkt offengelegt, dass er nur eine rein übergangsweise Gestaltung der Arbeitsaufnahme beabsichtige, um später wieder zu seiner bisherigen Arbeitgeberin nach A-Stadt zurückkehren zu können. Vor diesem Hintergrund könne von der Schaffung einer "Übergangslösung" durch den gekündigten Arbeitnehmer keine Rede sein. Entgegen der Ansicht des Klägers sei irrelevant, ob und inwieweit er aus seinem fehlerhaften Sachvortrag für sich tatsächlich innerhalb des Kündigungsschutzprozesses einen Vorteil habe erlangen können. Für die Frage, ob der bewusste Falschvortrag eines Arbeitnehmers geeignet sei, das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber nachhaltig zu stören, komme es nicht darauf an, ob und inwiefern der falsche Tatsachenvortrag später entscheidungserheblich geworden sei. Der Kläger habe durch den versuchten Prozessbetrug nicht nur das persönliche Vertrauensverhältnis der Parteien irreparabel beschädigt, sondern auch seine vertraglichen Loyalitätsobliegenheiten gegenüber ihr als Mitarbeiter einer kirchlichen Einrichtung missachtet und dadurch einen eigenständigen Kündigungsgrund geschaffen. Die nicht nur bedingt erklärte, sondern vorsorglich ausgesprochene erneute Kündigung vom 31. Oktober 2012 sei gemäß § 626 BGB rechtswirksam, weil der Kläger durch die Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit ab Anfang 2010 das ihm obliegende vertragliche Wettbewerbsverbot gemäß § 60 HGB in gleicher Weise wie mit dem Eintritt in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bei einem Konkurrenzunternehmen verletzt habe. Der Kläger habe mit der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als niedergelassener Facharzt für Chirurgie erneut zu ihrem Nachteil eine konkrete Wettbewerbssituation geschaffen, die darauf beruhe, dass der Kläger in seiner Praxis und in kooperierenden Einrichtungen (K. A-Stadt, T. K-Stadt) ein äquivalentes Konkurrenzangebot zu ihrem gesamten Leistungsspektrum anbiete (Beratung, ambulante Eingriffe, stationäre Behandlungen). Die in dieser Form vom Kläger geschaffene Wettbewerbssituation werde von ihm seit Beginn des Jahres 2010 in schadensvertiefender Weise zu ihren Lasten dauerhaft aufrechterhalten. In tatsächlicher Hinsicht habe der Kläger im Jahr 2011 lediglich zwei Personen und im Jahr 2012 nur einen einzigen Patienten zur stationären Behandlung in das von ihr betriebene Krankenhaus eingewiesen. Alle anderen einzuweisenden Patienten aus seiner Praxis habe der Kläger demzufolge entweder selber operiert im Rahmen seiner Kooperation mit der K. A-Stadt sowie dem T. K-Stadt, oder er habe sich bei einer Einweisungsentscheidung nach Möglichkeit bewusst dagegen entschieden, Patienten in das von ihr betriebene S. einzuweisen. Jedwede Einweisung in die chirurgische Fachabteilung eines anderen Krankenhauses schädige sie unmittelbar und schmälere ganz massiv ihre Möglichkeit, durch eine genügende Auslastung der vorgehaltenen Betten einen angemessenen Umsatz zu erzielen. Die Aufnahme einer selbständigen ärztlichen Tätigkeit mit voller kassenärztlicher Zulassung durch den Kläger stehe seiner zukünftigen Rückkehr in das Beschäftigungsverhältnis bei ihr dauerhaft entgegen und belege, dass der Kläger kein ernsthaftes Interesse an einer Rückkehr mehr haben könne. Die vom Kläger angeführte Nebentätigkeitserlaubnis gestatte ihm ausschließlich ärztliche Nebentätigkeiten, die in den Räumlichkeiten und mit den Mitteln des von ihr betriebenen Krankenhauses durchgeführt würden, so dass sich hieraus im Gegenteil der Umkehrschluss ergebe, dass alle anderen ärztlichen Nebentätigkeiten untersagt seien. Der Verlust der kassenärztlichen Behandlungsermächtigung des Chefarztes Dr. F. sei unmittelbar darauf zurückzuführen, dass der Kläger in direkter Nähe zu ihrem Krankenhaus eine eigene Arztpraxis erworben habe. Unter Berufung auf diesen Umstand habe der Kläger gegenüber dem zuständigen Zulassungsausschuss aktiv darauf hingewirkt, dass die bisher bestehende Ermächtigung des bei ihr beschäftigten Chefarztes Dr. F. nicht mehr verlängert worden sei. Der für sie dadurch eingetretene Nachteil liege in dem Verlust der zuvor bestehenden Möglichkeit von Herrn Dr. F., gegenüber zunächst ambulant behandelten Patienten bei entsprechender Notwendigkeit die Fortführung der Behandlung als stationären Aufenthalt in ihrem Krankenhaus anzubieten. Sie habe zu keinem Zeitpunkt eine konkludente Genehmigung der selbständigen ärztlichen Tätigkeit des Klägers als niedergelassener Vertragsarzt erklärt. Das Schreiben ihres damaligen Geschäftsführers habe im Wesentlichen dem Zweck gedient, den Kläger nochmals an die Geltung und den Umfang des ihm gegenüber erteilten Hausverbots zu erinnern. Eine Verwirkung ihres Rechts, gegen eine wettbewerbsschädigende Handlung des Klägers vorzugehen, habe hierdurch nicht eintreten können. Die im Schreiben getroffene Aussage von Herrn S., er beglückwünsche den Kläger zum Erwerb der Praxis, beinhalte eine unübersehbare Ironie. Natürlich sei Herr S. seinerzeit davon ausgegangen, dass die ausgesprochenen Kündigungen wirksam seien, so dass die Aussage im Schreiben keinen rechtlichen Erklärungswert gehabt habe. Dieser hätte zudem in einem unüberbrückbaren Widerspruch zum zeitgleichen und fortgesetzten Vortrag im Prozess gestanden, wonach sie sich jede Wettbewerbstätigkeit des Klägers verbitte. Der Kläger hätte sie ggf. zur Klärung auffordern müssen, was er zu keinem Zeitpunkt getan habe. Eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung vom 31. Oktober 2012 sei aufgrund der bereits erklärten Kündigungen vom 26. März 2009 und 10. September 2009 sowie ihrem damit verbundenen Vortrag in den Kündigungsschutzverfahren entbehrlich gewesen. Auch wenn sich die vorangegangenen Kündigungen zunächst "nur" auf eine unselbständige ärztliche Tätigkeit unter Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot bezogen hätten, hätte dem Kläger klar sein müssen, dass er sich während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses auch für die Zeit des laufenden Kündigungsschutzprozesses jeglichen Wettbewerbs zu enthalten habe. Auf die Unterscheidung zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit komme es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht an. Unabhängig davon habe der Kläger auch nicht damit rechnen können, dass sie sein Verhalten akzeptieren würde. Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei aufgrund des vorliegenden Dauerverstoßes gewahrt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf ihre Berufungsbegründung vom 23. Juli 2014 und ihren Schriftsatz vom 04. Dezember 2014 verwiesen.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25. Februar 2014 - 7 Ca 3959/12 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

27

Er erwidert, die Kündigung vom 10. September 2009 könne nicht auf eine unerlaubte Wettbewerbstätigkeit gestützt werden, weil zwischen dem Krankenhaus der Beklagten in A-Stadt und dem D. in M-Stadt, die der Grund- und Regelversorgung angehörten, bereits wegen ihrer räumlichen Entfernung keine Wettbewerbssituation bestehe. Die Argumentation der Beklagten würde im Ergebnis bedeuten, dass sogar eine Wettbewerbssituation zwischen Krankenhäusern in K-Stadt und U-Stadt bestehen würde, mit der Folge, dass ihm durch immer wieder ausgesprochene Kündigungen die Möglichkeit genommen wäre, über einen langen Zeitraum eine Erwerbstätigkeit zu seinem Unterhalt auszuüben und seine Fähigkeiten als Chirurg zu erhalten, was auf ein Berufsverbot hinauslaufe. Der Vorwurf eines Prozessbetruges sei schon deshalb verfehlt, weil er während des Kündigungsschutzprozesses nicht bewusst wahrheitswidrig vorgetragen habe. Herr Dr. G. habe mit dem vorgelegten Bestätigungsschreiben vom 23. Juli 2009 bestätigt, dass er sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17. Juli 2009 zum 31. August 2009 gekündigt habe, so dass eine zuvor ausgesprochene Probezeit-Kündigung keine Bedeutung mehr habe. Weiterhin habe er niemals einen Zweifel daran gelassen, dass er bei einem Obsiegen im Kündigungsschutzprozess auf seine alte Chefarztstelle am Krankenhaus R. zurückkehren wolle. Hierauf habe er bereits im Vorstellungsgespräch mit Herrn U. hingewiesen. Seinen Rückkehrwillen habe er ausweislich des von ihm vorgelegten Zeitungsartikels vom 11. April 2009 auch in der Öffentlichkeit dokumentiert. Jedenfalls könne eine Kündigung auf die Vorgänge im Zusammenhang mit seinem Weggang aus M-Stadt nicht gestützt werden, weil er daraus für seinen Prozess gegen die Beklagte keinen Vorteil erlangt hätte. Die Kündigung vom 31. Oktober 2012 sei als bedingte Kündigungserklärung ausgesprochen worden und schon deshalb rechtsunwirksam. Die Vorwürfe der Beklagten, durch seine Praxistätigkeit gegen ein Wettbewerbsverbot verstoßen zu haben, gingen fehl. Die Argumentation der Beklagten, wonach jegliche ärztliche Tätigkeit einen Wettbewerbsverstoß darstelle, habe in der Konsequenz zur Folge, dass er beruflich umsatteln müsste, um so eine anders geartete Erwerbstätigkeit zur Sicherung seines Lebensunterhalts ausüben zu können, was absurd sei. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte immer wieder neue Kündigungen ausspreche, bleibe ihm nichts anderes übrig, als sich in freier Praxis niederzulassen. Soweit die Beklagte ihm eine ambulante Tätigkeit in seiner Praxis vorhalte, stelle dies schon deshalb keinen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot dar, weil die ambulante Tätigkeit keine Tätigkeit des Krankenhauses sei und daher gemäß § 4 Abs. 1 seines Dienstvertrages nur die Behandlung stationärer Patienten zu den Dienstaufgaben gehöre, wohingegen die ambulante Behandlung von Patienten eine genehmigte Nebentätigkeit darstelle. Entgegen der Darstellung der Beklagten sage die Zahl der Einweisungen überhaupt nichts darüber aus, ob er Empfehlungen gegen oder für das Krankenhaus ausspreche, weil eine Einweisung stets eine entsprechende Indikation erfordere. Im Rahmen seiner Praxistätigkeit habe er es stets vermieden, eine Empfehlung hinsichtlich des auszuwählenden Krankenhauses auszusprechen. Tatsächlich stelle er insgesamt nur sehr wenige Einweisungen von etwa zehn pro Jahr aus. Auch der Betrieb der Zweigpraxis in A-Stadt stelle keinen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot dar, weil dort nur ambulante Patienten behandelt würden. Gleiches gelte für seine Tätigkeit in der K.-klinik und im T. in K-Stadt, weil er dort nur ambulante Eingriffe durchführe. Die Beklagte könne sich auch deshalb nicht auf ein Wettbewerbsverbot berufen, weil sie selbst ihm zur Übernahme seiner Praxis mit Schreiben vom 08. April 2010 beglückwünscht habe. Damit habe die Beklagte zumindest konkludent zum Ausdruck gebracht, dass sie keine Einwendungen gegen seine Tätigkeit erhebe. Nachdem der Geschäftsführer die Eröffnung seiner Praxistätigkeit nicht zum Anlass genommen habe, ihn auf eine unzulässige Wettbewerbstätigkeit hinzuweisen, sondern ihn sogar noch zur Aufnahme dieser Tätigkeit beglückwünscht habe, habe die Beklagte zumindest das Recht verwirkt, sich gegenüber ihm auf eine verbotene Wettbewerbstätigkeit zu berufen. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung vom 31. Oktober 2012 nicht entbehrlich gewesen. Im Übrigen könne sich die Beklagte nicht auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Beginn der 2-Wochen-Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB im Rahmen eines Dauertatbestands berufen. Nachdem die Beklagte spätestens seit dem 08. April 2010 im Hinblick auf das Schreiben von Herrn Geschäftsführer S. von seiner Tätigkeit als niedergelassener Vertragsarzt gewusst habe, sei die Kündigung vom 31. Oktober 2012 verwirkt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen. Die Verfahrensakte 3 Sa 500/12 (Arbeitsgericht Koblenz - 6 Ca 650/09 - LAG Rheinland-Pfalz - 3 Sa 500/12 -) wurde beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe

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Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO). Entgegen der Ansicht des Klägers beinhaltet die Berufungsbegründung auch eine hinreichende Auseinandersetzung mit der entsprechenden Urteilsbegründung in Bezug auf die vom Arbeitsgericht angenommene Unwirksamkeit der Kündigung vom 10. September 2009, so dass die Berufung auch insoweit ordnungsgemäß begründet worden ist.

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Die hiernach insgesamt zulässige Berufung der Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben.

I.

31

Der Kündigungsschutzantrag zu 1. ist begründet.

32

1. Die außerordentliche Kündigung vom 10. September 2009 ist unwirksam, weil die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht erfüllt sind.

33

Im Streitfall kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte mit dem erneut als Kündigungsgrund angeführten Verstoß des Klägers gegen das ihm obliegende Wettbewerbsverbot durch seine nach Ausspruch der Kündigung vom 26. März 2009 bis zum 31. August 2009 fortgesetzte Tätigkeit am D. in M-Stadt bereits aufgrund der Präklusionswirkung der im vorangegangenen Kündigungsschutzprozess ergangenen Entscheidung über die Kündigung vom 26. März 2009 mangels wesentlicher Änderung des Kündigungssachverhalts ausgeschlossen ist (vgl. hierzu BAG 20. März 2014 - 2 AZR 840/12 - Rn. 13 ff., NZA 2014, 1415). Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 10. September 2009 wegen des angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot durch die fortgesetzte Tätigkeit des Klägers in M-Stadt - ebenso wie die vorangegangene Kündigung vom 26. März 2009 - jedenfalls an der vorzunehmenden Interessenabwägung scheitert. Weiterhin kann dem Kläger auch kein versuchter Prozessbetrug im vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren vorgeworfen werden, der an sich als wichtiger Kündigungsgrund geeignet ist.

34

a) Die außerordentliche Kündigung vom 10. September 2009 ist nicht wegen der dem Kläger vorgeworfenen Fortsetzung seiner Tätigkeit am D. in M-Stadt nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 26. März 2009 bis zum 31. August 2009 gerechtfertigt.

35

aa) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt. Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeit-nehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen. Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen. Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Deshalb darf ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch nach Ausspruch einer von ihm gerichtlich angegriffenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, wenn die Kündigung sich später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22 und 23, NZA-RR 2010, 461). Bei der Bestimmung der Reichweite des Wettbewerbsverbots muss allerdings die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers Berücksichtigung finden. Daher ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob nach Art der Haupt- und Nebentätigkeit und der beteiligten Unternehmen überhaupt eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers vorliegt (BAG 24. März 2010 - 10 AZR 66/09 - NZA 2010, 693).

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bb) Ebenso wie im Vorprozess kann im Streitfall zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die nach Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 26. März 2009 fortgesetzte Tätigkeit des Klägers am D. in M-Stadt nach der Art der beiden Unternehmen (Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung) ungeachtet ihrer räumlich weiten Entfernung (Verkehrsverbindung von ca. 150 km) schutzwürdige Interessen der Beklagten gefährdet hat und das Wettbewerbsverbot in dem von der Beklagten unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnis der vom Kläger aufgenommenen bzw. fortgesetzten anderweitigen Arbeitstätigkeit entgegenstand. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger mit der nach Ausspruch der unwirksamen Kündigung vom 26. März 2009 beim D. fortgesetzten Tätigkeit als Chefarzt der chirurgischen Abteilung gegen das Wettbewerbsverbot während des (fort-) bestehenden Arbeitsverhältnisses verstoßen hat, ist die außerordentliche Kündigung gleichwohl nach der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht gerechtfertigt. Der Beklagten kann unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falls und unter Abwägung der Interessen beider Parteien die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem nach § 20 Abs. 3 des Arbeitsvertrages ordentlich unkündbaren Kläger sowohl bis zum Ablauf der in § 622 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB bestimmten Kündigungsfrist als auch darüber hinaus bis zu der in § 20 Abs. 4 des Arbeitsvertrages vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden, so dass die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos noch mit einer der Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist beendet hat.

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Entgegen der Ansicht der Beklagten führt der Umstand, dass der Kläger seine Tätigkeit nach Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 26. März 2009 noch bis zum 31. August 2009 fortgeführt hat, zu keinem anderen Ergebnis der im Urteil der Berufungskammer vom 18. Dezember 2012 - 3 Sa 500/12 - vorgenommenen Interessenabwägung:

38

Der Kläger hat sich nach Ausspruch der Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008, 22. Oktober 2008 und 26. März 2009, deren Rechtsunwirksamkeit in den geführten Vorprozessen rechtskräftig festgestellt worden ist, darauf beschränkt, seine Arbeitskraft durch Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses bei einem anderen Krankenhaus in der Zeit vom 01. Februar bis 31. August 2009 zu verwerten, um seinen Lebensstandard durch Erzielung eines entsprechenden Verdienstes aufrechtzuerhalten und seine Fähigkeiten als Chirurg zu erhalten. Die vom Kläger aufgenommene (Konkurrenz-)Tätigkeit ist erst durch die unwirksamen Kündigungen der Beklagten ausgelöst worden, ohne die für den Kläger keine Veranlassung zur Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit als Chirurg bestanden hätte. Bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die Wirksamkeit der vorangegangenen Kündigungen waren beide Parteien im Ungewissen darüber, wie die materielle Rechtslage beurteilt werden wird. Dadurch ist für den Kläger eine Zwangslage entstanden. Zur Vermeidung einer weiteren Kündigung müsste er sich einerseits jeglicher Tätigkeit enthalten, die als Wettbewerbsverstoß aufgrund des möglicherweise noch fortbestehenden Vertrages gewertet werden könnte. Andererseits wäre er für den Fall der Wirksamkeit der Kündigung an der dann möglichen anderweitigen Sicherung seines Lebensstandards gehindert (vgl. BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - Rn. 51, NZA 1992, 212). Die aus § 615 Satz 2 BGB herzuleitenden Interessen des Arbeitnehmers an der anderweitigen Verwendung seiner Arbeitskraft sind für die Beurteilung erheblich, ob und mit welchem Gewicht ihm die Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen vorwerfbar ist. Wenn der Arbeitnehmer am gekündigten Arbeitsverhältnis festhalten will, geht es ihm mit der Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen zur Verwertung seiner Arbeitskraft ersichtlich nur um eine Übergangslösung, die der Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber nicht entgegensteht und für diesen keine anhaltende Konkurrenz bedeutet (BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - Rn. 65, NZA 1992, 212). Dabei ist im Streitfall unerheblich, ob und inwieweit der Kläger gegenüber Vertretern des D. in M-Stadt zum Ausdruck gebracht hat, dass er an seinem gekündigten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten festhalten und zu dieser möglichst wieder zurückkehren will. Der Kläger hat die ihm vorgeworfene Konkurrenztätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei einem räumlich weit von der Beklagten entfernten Krankenhaus aufgenommen. Sowohl das von der Beklagten in A-Stadt betriebene Krankenhaus als auch das D. in M-Stadt sind Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Die Beklagte hat zwar zutreffend darauf verwiesen, dass die Wahl des einen oder anderen Krankenhauses nicht zwingend von der räumlichen Entfernung abhängt, sondern durchaus auch von anderen Faktoren (z.B. verfügbare Leistungen des Krankenhauses, Ruf des Krankenhauses oder der Fachabteilung, zeitliche Verfügbarkeit für eine Operation usw.) beeinflusst sein kann. Danach können die Interessen der Beklagten grundsätzlich durch jede anderweitige Tätigkeit des Klägers als Chirurg an jedem anderen Krankenhaus unabhängig von dessen räumlicher Entfernung gefährdet werden, so dass der Kläger zur Vermeidung der Gefahr einer erneuten Kündigung wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot während des Kündigungsschutzprozesses jede Ausübung seiner bisherigen Berufstätigkeit als Chirurg an einem anderen Krankenhaus hätte unterlassen müssen. Im Hinblick darauf, dass der Kläger zur Aufrechterhaltung seines Lebensstandards und zum Erhalt seiner Fähigkeiten als Chirurg auf eine entsprechend anderweitige Tätigkeit an einem anderen Krankenhaus angewiesen ist, erscheint der mit der Kündigung gemachte Vorwurf eines Wettbewerbsverstoßes im Streitfall jedenfalls als weniger schwerwiegend, zumal der Kläger seine anderweitige Tätigkeit an einem räumlich weit entfernten Krankenhaus ohne jede Schädigungsabsicht aufgenommen hat. Auch bei Annahme einer bestehenden Wettbewerbssituation zwischen den beiden Krankenhäusern ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die dem Kläger vorgeworfene Konkurrenztätigkeit tatsächlich zu bestimmten nachteiligen Auswirkungen auf den Betrieb der Beklagten geführt haben soll. Die Beklagte hat lediglich allgemein auf die von ihr angeführten Überschneidungen im Einzugsbereich der Patienten verwiesen. Sie hat aber selbst nicht behauptet, dass aufgrund der ab Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit des Klägers am D. in M-Stadt Patienten aus ihrem Einzugsbereich nach M-Stadt gewechselt oder andere konkrete Auswirkungen festzustellen seien.

39

Entgegen der Annahme der Beklagten ist die vorangegangene Kündigung vom 26. März 2009 nach dem Urteil der Berufungskammer vom 18. Dezember 2012 - 3 Sa 500/12 - nicht an einer fehlenden Abmahnung, sondern daran gescheitert, dass die zum 01. Februar 2009 aufgenommene Tätigkeit des Klägers in M-Stadt gemäß der dargestellten Interessenabwägung als nicht gerechtfertigt erscheint. Allein der Umstand, dass der Kläger diese Tätigkeit nach der - unwirksamen - Kündigung vom 26. März 2009 fortgesetzt hat, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Vielmehr war das zum 01. Februar 2009 aufgenommene Arbeitsverhältnis des Klägers bereits zum 31. August 2009 wieder beendet worden. Anders als im Zeitpunkt der Kündigung vom 26. März 2009 war das anderweitige Arbeitsverhältnis des Klägers im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 10. September 2009 bereits beendet. Dabei ist unerheblich, dass dieses Arbeitsverhältnisses bereits vor der dem Kläger bestätigten Eigenkündigung durch das D. innerhalb der Probezeit zum 31. August 2009 gekündigt worden war. Maßgeblich ist vielmehr, dass die dem Kläger vorgeworfene Konkurrenztätigkeit im Zeitpunkt der Kündigung vom 10. September 2009 bereits beendet war, mit der Folge, dass diese vorübergehende Beschäftigung der Rückkehr zur Beklagten nicht mehr entgegenstand und für diese keine anhaltende Konkurrenz mehr bedeutete. Der Beklagten war es bei Abwägung der beiderseitigen Interessen zumutbar, den Kläger wieder als Chefarzt weiter zu beschäftigen.

40

b) Die außerordentliche Kündigung vom 10. September 2009 ist auch nicht wegen des dem Kläger vorgeworfenen versuchten Prozessbetrugs im vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren gerechtfertigt.

41

aa) Auch ein zulasten des Arbeitgebers begangener versuchter Prozessbetrug ist ein Vermögensdelikt und kann einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB bilden. Ebenso können falsche Erklärungen, die in einem Prozess abgegeben werden, an sich geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei kommt es auf die strafrechtliche Einordnung nicht entscheidend an. Denn jedenfalls verletzt ein Arbeitnehmer vertragliche Nebenpflichten, nämlich die dem Vertragspartner geschuldete Rücksichtnahme auf dessen Interessen (§ 241 Abs. 2 BGB), wenn er im Rechtsstreit um eine Kündigung bewusst wahrheitswidrig vorträgt, weil er befürchtet, mit wahrheitsgemäßen Angaben den Prozess nicht gewinnen zu können (BAG 08. November 2007 - 2 AZR 528/06 - Rn. 17, juris).

42

bb) Nach diesen Grundsätzen fehlt es an einem wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB.

43

Soweit der Kläger im Vorprozess mit Schriftsatz vom 31. August 2009 vorgetragen hat, dass er "rein vorsorglich und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht das Arbeitsverhältnis am D. in M-Stadt mit Wirkung zum 31. August 2009 gekündigt" habe, liegt darin kein versuchter Prozessbetrug. Zwar hatte das D. in M-Stadt das Arbeitsverhältnis des Klägers bereits zuvor während der Probezeit zum 31. August 2009 gekündigt. Gleichwohl ist dem Kläger mit dem von ihm vorgelegten Schreiben des Geschäftsführers Dr. G. vom 23. Juli 2009 bestätigt worden, dass er sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17. Juli 2009 zum 31. August 2009 gekündigt hat (Bl. 167 d. A.). Auch wenn der Geschäftsführer Dr. G. damit der Bitte des Klägers entsprochen haben sollte, dass er selbst ebenfalls noch eine nachgehende Kündigung aussprechen dürfe, ändert dies nichts daran, dass in der Behauptung des Klägers, er habe sein Arbeitsverhältnis selbst - wie ihm von Seiten des D. ausdrücklich bestätigt - gekündigt, keine bewusst wahrheitswidrige Erklärung liegt. Im Streitfall kann auch nicht angenommen werden, dass der Kläger bewusst die vorangegangene Kündigung von Seiten des D. verschwiegen hat, weil er befürchtete, anderenfalls den Prozess nicht gewinnen zu können. Im vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren war die Frage, von wem das Arbeitsverhältnis des Klägers in M-Stadt - nach Ausspruch der in diesem Verfahren streitgegenständlichen Kündigung vom 26. März 2009 - rechtlich beendet worden ist, ersichtlich ohne entscheidungserhebliche Bedeutung. Gleiches gilt für die Frage, ob und inwieweit der Kläger gegenüber Vertretern des D. in M-Stadt zum Ausdruck gebracht hat, dass er an seinem gekündigten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten festhalten und zu dieser möglichst wieder zurückkehren will (vgl. hierzu LAG Rheinland-Pfalz 18. Dezember 2012 - 3 Sa 500/12 - Rn. 76, juris). Selbst wenn der Kläger entgegen seiner Darstellung seine Rückkehrabsicht nicht in den von ihm geführten Einstellungsgesprächen, sondern lediglich nach außen gemäß dem von ihm vorgelegten Zeitungsartikel vom 11. April 2009 (Bl. 168 d. A.) zum Ausdruck gebracht haben sollte, liegt darin weder ein versuchter Prozessbetrug noch ein schwerwiegender Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht, der als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich geeignet ist.

44

2. Die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 10. September 2009 ist ebenfalls unwirksam. Dies folgt bereits daraus, dass das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit aufgrund der in § 20 des Arbeitsvertrages der Parteien getroffenen Regelungen ordentlich nicht mehr kündbar war, was auch von der Beklagten zuletzt nicht mehr in Abrede gestellt worden ist. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen der Berufungskammer im Urteil vom 18. Dezember 2012 - 3 Sa 500/12 - (Rn. 74) verwiesen.

II.

45

Der Kündigungsschutzantrag zu 2. ist ebenfalls begründet.

46

Die unter einer zulässigen Rechtsbedingung ("vorsorglich") ausgesprochene außerordentliche Kündigung vom 31. Oktober 2012 wegen des von der Beklagten angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot durch die vom Kläger seit dem Jahr 2010 ausgeübte selbständige Tätigkeit ist mangels wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam.

47

1. Der Kläger hat nach seinem Ausscheiden aus dem D. zum 31. August 2009 im Jahr 2010 eine Praxis für Chirurgie in L-Stadt bei A-Stadt eröffnet, die er seitdem betreibt. Als niedergelassener Facharzt für Chirurgie führt er auch in der K.-Klinik in A-Stadt und im T. in K-Stadt (ambulante) Operationen durch.

48

Mit Schreiben vom 08. April 2010 hat die Beklagte den Kläger ausdrücklich zur Übernahme der Vertragsarztpraxis in L-Stadt beglückwünscht und ihm viel Erfolg in seiner neuen Praxis gewünscht. Im Streitfall kann offen bleiben, ob die Beklagte damit die vom Kläger aufgenommene selbständige Tätigkeit als niedergelassener Facharzt für Chirurgie konkludent genehmigt hat. Der Kläger hat zutreffend darauf verwiesen, dass im Hinblick auf das Schreiben der Beklagten vom 08. April 2010 vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zumindest eine Abmahnung erforderlich gewesen wäre.

49

Der Arbeitnehmer unterliegt dem Verbot des § 60 Abs. 1 HGB nicht, wenn der Arbeitgeber seine Einwilligung erteilt hat, dass der Arbeitnehmer ein Gewerbe betreibt oder Geschäfte in seinem Marktbereich macht. Die Einwilligung ist eine Willenserklärung, die ausdrücklich oder stillschweigend vor, während und nach der verbotenen Tätigkeit abgegeben werden kann. Sie kann sich nur auf einzelne Konkurrenzgeschäfte wie auf jegliche Konkurrenztätigkeit beziehen. Eine konkludent erteilte Einwilligung kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber trotz Kenntnis von Konkurrenzgeschäften nicht einschreitet, es sei denn, dass ihm dies nicht möglich ist (vgl. Schaub Arbeitsrechtshandbuch 14. Aufl. § 54 Rn. 16). Auch wenn man davon ausgeht, dass in dem Schreiben der Beklagten vom 08. April 2010 keine konkludente Genehmigung der selbständigen Tätigkeit des Klägers als niedergelassener Facharzt für Chirurgie zu sehen ist, weil sie von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen war, hat die Beklagte mit ihrem Schreiben jedenfalls den Eindruck erweckt, dass sie hiergegen offenbar keine Einwendungen erhebt. Gerade weil die Beklagte die Aufnahme des anderweitigen Arbeitsverhältnisses als Chefarzt der chirurgischen Abteilung in M-Stadt mit einer außerordentlichen Kündigung wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot sanktioniert hatte, hätte es nahegelegen, dass sie den Kläger darauf hinweist, dass sie auch in einer Tätigkeit als niedergelassener Facharzt für Chirurgie eine unzulässige Konkurrenztätigkeit sieht. Stattdessen hat sie den Kläger ausdrücklich zur Übernahme der Vertragsarztpraxis beglückwünscht und ihm viel Erfolg in seiner neuen Praxis gewünscht. Eine nachvollziehbare Erklärung, weshalb sie den Kläger zur Übernahme der Vertragsarztpraxis beglückwünschen sollte, wenn sie auch eine solche selbständige Tätigkeit des Klägers nicht dulden und ggf. zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nehmen will, hat die Beklagte nicht abzugeben vermocht. Soweit die Beklagte darauf verwiesen hat, dass die Aussage im Schreiben von Herrn S., er beglückwünsche den Kläger zum Erwerb der Praxis, eine "unübersehbare Ironie" beinhalte, ist diese Bewertung nicht nachvollziehbar. In dem Schreiben kommt nicht einmal andeutungsweise eine irgendwie geartete Ironie zum Ausdruck. Das Schreiben ist seinem Gesamtinhalt nach sachlich gehalten und lässt keine Ironie erkennen. Hinsichtlich des am 08. Oktober 2008 erteilten Hausverbotes für das gesamte Gelände der Beklagten wird im Schreiben eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass dem Kläger der Zugang und Aufenthalt in den Räumen der Bereitschaftsdienstzentrale zur Ausübung seiner Bereitschaftsdienstverpflichtungen genehmigt wird. Aufgrund dieses Schreibens durfte der Kläger mit vertretbaren Gründen annehmen, dass die Beklagte seine selbständige Tätigkeit als niedergelassener Facharzt für Chirurgie jedenfalls nicht als ein derart erhebliches Fehlverhalten ansieht, dass sie dies erneut zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot nehmen könnte. Gleiches gilt, soweit der Kläger als niedergelassener Facharzt für Chirurgie ambulante Operationen in der K.-klinik A-Stadt und in der Klinik im C. in K-Stadt durchgeführt hat. Die Beklagte hat die selbständige Tätigkeit des Klägers nach ihrem Schreiben vom 08. April 2010 nicht beanstandet und ihn nicht zu deren Unterlassung unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen aufgefordert, sondern stattdessen das Arbeitsverhältnis wenige Tage nach der Verkündung des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Oktober 2012 im Vorprozess der Parteien sogleich wieder erneut außerordentlich gekündigt. Darin liegt ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der zur Unwirksamkeit der Kündigung führt. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen erscheint die außerordentliche Kündigung vom 31. Oktober 2012 in Anbetracht des Schreibens der Beklagten vom 08. April 2010 als nicht gerechtfertigt. Vielmehr war es der Beklagten im Zeitpunkt der Kündigung vom 31. Oktober 2012 nach der kurz zuvor ergangenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Oktober 2012 zumutbar, das Arbeitsverhältnis des Klägers fortzusetzen und diesen als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie ihres Krankenhauses in A-Stadt weiterzubeschäftigen.

50

2. Soweit die Beklagte angeführt hat, dass der Kläger als niedergelassener Facharzt in L-Stadt zum Antrag des bei ihr beschäftigten Chefarztes Dr. F. auf Neuerteilung der kassenärztlichen Ermächtigung zur Beratung und Behandlung von Kassenpatienten angehört worden sei und sich dagegen mit der Begründung gewandt habe, dass mit ihm und einem weiteren niedergelassenen Facharzt für Chirurgie ausreichende Behandlungskapazitäten vorhanden seien, ist die daraufhin erfolgte Versagung der beantragten Ermächtigung eine Folge der selbständigen Tätigkeit des Klägers, gegen die die Beklagte nach ihrem Schreiben vom 08. April 2010 keine Einwände erhoben hatte. Falls der Kläger durch ein aktives Vorgehen die Grenzen der ihm gemäß § 241 Abs. 2 BGB obliegenden Pflicht zur Rücksichtnahme überschritten haben sollte, liegt in einer aktiven Verhinderung einer Verlängerung der Ende des Jahres 2011 ausgelaufenen Ermächtigung kein Dauertatbestand, sondern eine Pflichtverletzung, die die Beklagte nur innerhalb der 2-Wochen-Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB zum Anlass für eine darauf gestützte außerordentliche Kündigung hätte nehmen können. Der Kläger hat die Nichteinhaltung der 2-Wochen-Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB ausdrücklich gerügt. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass sie erst innerhalb der 2-Wochen-Frist vor Ausspruch der Kündigung vom 31. Oktober 2012 von einem aktiven Vorgehen des Klägers gegen eine Verlängerung der Ermächtigung Kenntnis erlangt haben könnte.

III.

51

Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigungen vom 26. März 2009 und 31. Oktober 2012 ist auch der Weiterbeschäftigungsantrag zu 3. begründet.

52

Die Beklagte ist gemäß den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Grundsätzen (BAG 24. Februar 1985 - GS 1/84 - NZA 1985, 702) verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie des S. in A-Stadt zu unveränderten Bedingungen gemäß Dienstvertrag vom 18. April 2005 weiterzubeschäftigen. Gemäß den obigen Ausführungen liegen keine besonderen Umstände vor, die trotz des Obsiegens des Klägers mit den Kündigungsschutzanträgen zu 1. und 2. ein überwiegendes Interesse an dessen Nichtbeschäftigung begründen können.

53

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

54

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Jan. 2015 - 2 Sa 367/14

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Jan. 2015 - 2 Sa 367/14

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Jan. 2015 - 2 Sa 367/14 zitiert 12 §§.

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Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu ¼ und der Beklagten zu ¾ auferlegt.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 40.000,-- EUR festgesetzt.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand

1

Der am … 1960 geborene Kläger ist verheiratet. Er hat zwei Kinder im Alter von (derzeit) 8 und 13 Jahren.

2

Die Beklagte betreibt das St. N.-Stiftshospital in A-Stadt. Am 01.07.2005 hat der Kläger aufgrund des Arbeitsvertrages vom 18.04.2005 (Dienstvertrag; folgend: DV = Bl. 32 ff. d. A.) seine Tätigkeit als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospitals aufgenommen. Gemäß § 4 Abs. 1 DV obliegt dem Kläger die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung.

3

§ 20 DV - Vertragsdauer, Kündigung - lautet wie folgt:

4

"(1) Der Vertrag tritt am 01.07.2005 in Kraft; er wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die ersten sechs Monate der Beschäftigung sind Probezeit.

5

(2) Während der Probezeit kann der Vertrag mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.

6

(3) Nach Ablauf der Probezeit kann der Vertrag fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden.

7

(4) Der Vertrag endet ohne Kündigung mit Erreichung der in § 19 AVR-Caritas in der jeweils gültigen Fassung festgelegten Altersgrenze oder mit Ablauf des Monats, in welchem dem Arzt der Bescheid über eine vom Rentenversicherungsträger oder von einer anderen Versorgungseinrichtung festgestellte Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zugestellt wird und rechtskräftig ist."

8

Zunächst war dem Kläger im Rahmen der Vertragsverhandlungen ein Vertragstext vorgelegt worden (s. dazu die Anlage 5 = Bl. 403 ff. d.A.; folgend: DV-E), in dem die Vorschrift des § 20 - Vertragsdauer, Kündigung - aus fünf Absätzen bestand.

9

§ 20 Abs. 3 DV-E hatte in diesem Entwurf des Dienstvertrages folgenden Wortlaut:

10

"Nach Ablauf der Probezeit kann der Vertrag von beiden Teilen mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden"

11

(s. dazu Bl. 423 d.A.).

12

In den Vertragsverhandlungen bat der Kläger den damaligen Geschäftsführer Dr. F. darum, den Absatz 3 des § 20 DV-E zu streichen. Der Kläger begründete dies damit, dass er nicht vor habe zu kündigen, da er eine Lebensstellung anstrebe.

13

Auf die weiteren Regelungen des DV (Bl. 32 ff. d. A.) wird verwiesen. Der Kläger operierte im Operationssaal "OP I". Vor den einzelnen Operationssälen des Krankenhauses verläuft ein Flur (s. dazu die Anlage B 7 = Bl. 211 d. A.; dort angegebene Bezeichnung: " Geräteflur"; es handelt sich dabei um einen Flur, der nicht als Sterilflur genutzt werden darf). Bei Operationen nahm der Kläger den schnurlosen Handapparat seines Diensttelefons ("Arzttelefon") und sein privates Mobiltelefon ("Privathandy"; folgend: Privathandy) mit in den Operationssaal.

14

Der bei Operationen ebenfalls anwesende OP-Koordinator verfügt über ein sogenanntes TransSetTelefon. Der Kläger legte sowohl das Arzttelefon als auch sein Privathandy auf dem Ablagetisch des OP-Saals ab.

15

Im Frühjahr 2008 bat der Ärztliche Direktor Prof. Dr. St. den Kläger darum, bis auf weiteres keine aortenchirurgischen Eingriffe mehr vorzunehmen. In dem Schreiben des Ärztlichen Direktors vom 13.06.2008 an den Vorsitzenden der Gesellschafterversammlung (Dr. J.) heißt es dazu sinngemäß, dass er dem Kläger geraten habe, sich auf das Kerngeschäft Viszeralchirurgie zu konzentrieren (Schreiben vom 13.06.2008 = Bl. 52 f. d. Beiakte - 6 Ga 49/08 -). Am 20.06.2008 eröffnete die Beklagte dem Kläger, dass sie sich von ihm im Wege einer Vertragsauflösung zu trennen wünsche. Am 29.08.2008 kam es zu einem (erfolglosen) Vermittlungsgespräch (auf Initiative des Diözesan-Caritasverbandes T.).

16

Mit dem Anwaltsschreiben vom 19.09.2008 (Bl. 8 d.A.) wies der Kläger ein finanzielles Angebot der Beklagten als "nicht verhandlungsfähig" zurück (vgl. dazu auch das weitere Anwaltsschreiben des Klägers vom 25.09.2008; Bl. 9 d.A.).

17

Mit dem Schreiben vom 26.09.2008 (Bl. 7 d.A.) kündigte die Beklagte dem Kläger "aus wichtigem Grunde fristlos, hilfsweise zum nächst zulässigen ordentlichen Kündigungstermin".

18

Gegen die Kündigungen vom 26.09.2008 (außerordentliche Kündigung; ordentliche Kündigung) erhob der Kläger ebenso fristgerecht Kündigungsschutzklage wie gegen die Kündigungen vom 14.10.2008 (Bl. 18 d.A.) und vom 22.10.2008 ( Bl. 29 d.A.), die ihm die Beklagte ebenfalls noch erklärt hat. Im Schriftsatz vom 03.11.2008 (Bl. 63 ff. d.A.) führt die Beklagte zur Begründung der genannten Kündigungen u.a. wie folgt aus:

19

- Zur Kündigung vom 26.09.2008:

20

Der Kläger habe in einer nahezu unvorstellbaren Weise bei Operationen die Patienten teilweise mit offenen OP-Feldern für Gespräche auf seinem Privathandy auf dem OP-Tisch liegen lassen und die Operation unterbrochen; davon habe die Beklagte erstmalig am 24.09.2008 erfahren.

21

- Zur Kündigung vom 14.10.2008:

22

Nach Mitteilung der Chefsekretärin G. lasse der Kläger auch in seiner Sprechstunde die Patienten warten und führe private Telefonate. Der Kläger unterlasse es, ordnungsgemäße OP-Berichte anzufertigen, - zu der Zeit, in der sie noch arbeitsfähig gewesen sei, hätten alleine im Jahre 2008 ca. 20 bis 25 OP-Berichte gefehlt. Weiter habe die Chefsekretärin mitgeteilt, dass der Kläger gegenüber der Landesärztekammer unter Vorlage von falschen Daten eine Weiterbildungsermächtigung für 48 Monate beantragt habe.

23

Die Beklagte hat dem Kläger weitere Kündigungen erklärt:

24

- Die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 26.03.2009 (Bl. 32 der weiteren Beiakte - 6 Ca 650/09 = 3 Sa 700/09 -; in dem Urteil des Arbeitsgerichts vom 02.09.2009 - 6 Ca 650/09 - wurde festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 26.03.2009 weder fristlos noch fristgerecht aufgelöst worden ist; außerdem wurde die Beklagte in dem eben bezeichneten Urteil vom 02.09.2009 u.a. zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt).

25

- Die Kündigung vom 10.09.2009:

26

Über die diesbezügliche Kündigungsschutzklage des Klägers ist erstinstanzlich noch nicht entschieden.

27

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes des vorliegenden Verfahrens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 11.03.2009 - 6 Ca 1752/08 -. Nach näherer Maßgabe des Urteilstenors (Bl. 266 d.A.) hat das Arbeitsgericht die Nichtauflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien durch die Kündigungen vom 26.09.2008, vom 14.10.2008 und vom 22.10.2008 festgestellt sowie die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt.

28

Gegen das am 10.07.2009 zugestellte Urteil vom 11.03.2009 - 6 Ca 1752/08 - hat die Beklagte am 03.08.2009 mit dem Schriftsatz vom 03.08.2009 Berufung eingelegt und diese am 02.09.2009 mit dem Schriftsatz vom 02.09.2009 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 02.09.2009 (Bl. 303 ff. d.A.) verwiesen. Die Beklagte wirft dem Arbeitsgericht dort einen schweren logischen Fehler vor, der eine Aufhebung des Urteils verlange. Die Beklagte verweist darauf, dass die Parteien vehement (auch) über die Frage streiten würden, in welcher Art und Weise, mit welchen Inhalten, in welchem zeitlichen Ausmaß und mit welchen Folgen der Kläger im OP telefoniert habe. Hierzu finde sich in der Urteilsbegründung keine Silbe. Unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen weist die Beklagte daraufhin, dass in ihrem Krankenhaus das Nutzen von privaten Mobiltelefonen untersagt sei. Streitig sei, ob dieses Verbot durch eine gegenläufige Duldung der Beklagten perforiert und damit letztlich obsolet sei. Es sei nicht ausreichend, wenn sich der Kläger darauf berufe, die Beklagte würde ja selbst eigene Telefone genau zu dem Zweck des Telefonierens bereitstellen. Richtig sei, dass die Beklagte spezielle Telefone für Notfälle bereitstelle. Nicht richtig sei, dass die Beklagte die Mobiltelefone zum Zweck des Führens von privaten Gesprächen oder Nicht-Notfallgesprächen zur Verfügung stelle. Die Beklagte habe diese Telefone ausschließlich für Notfallzwecke zur Verfügung gestellt und das Mitführen und Nutzen von Privattelefonaten ausdrücklich untersagt. Dieses Verbot gelte im gesamten Krankenhaus, - erst recht aber im OP. Eine gegenläufige Duldung müsse der Kläger darlegen und beweisen, was nicht geschehen sei. Da von den Mobiltelefonen erhebliche Gefahren in einem Krankenhaus ausgehen könnten, sei dieses generelle Verbot mit der Ausnahme der Nutzung der betriebseigenen Notfall-Mobiltelefone in Notfällen rechtmäßig. Ein Verstoß dagegen sei schwerwiegend, - könne Menschenleben gefährden, z. B. wenn aufgrund der Abstrahlung technisches Gerät gestört werde und dadurch Fehlfunktionen aufweise. Dies sei allgemein bekannt und sollte daher jedenfalls dem Kläger bewusst sein. Der Kläger sei nicht so einsichtig, wie es das Arbeitsgericht beschreibe.

29

Selbst wenn - was streitig sei - zugunsten des Klägers unterstellt werde, er habe sein privates Telefon mit in den OP nehmen dürfen, sei (damit) im Hinblick auf das Nutzungsverhalten noch nicht viel ausgesagt. Die Beklagte wirft dem Kläger völlig inakzeptable Verhaltensweisen unter den Gesichtspunkten

30

der Insterilität,
der überlangen Dauer der Telefonate und
der Verzögerung der Operation zu Beginn oder während der OP, insbesondere bei offenen Wunden

31

vor und führt dazu auf den Seiten 6 ff. der Berufungsbegründung weiter aus. Die Beklagte bringt insbesondere vor, dass ein Operateur im OP permanent bei der Sache sein müsse und in keinem Fall die Patienten liegen lassen dürfe, um sich privaten Dingen zuzuwenden. Auf eine Abmahnung, die einem Chefarzt dies nochmals klarmache, habe der Kläger nicht hoffen, geschweige denn vertrauen dürfen. Die Beklagte bezieht sich auf die von ihr zitierte BAG-Rechtsprechung. Die Beklagte wirft dem Arbeitsgericht vor, sich nicht mit dem Kriterium der zerstörten Zumutbarkeit für den Arbeitgeber zu befassen. Die Beklagte bringt vor, dass für den Kläger zu 100 Prozent klar gewesen sei, wo er das Fass zum Überlaufen gebracht habe: Es seien die qualitativen Ausprägungen seines Telefonverhaltens, die der Kläger - deswegen - nachdrücklich bestreite. Mangels Würdigung des Tatsachenvortrages der Beklagten vom 09.03.2009 - so bringt die Beklagte weiter vor - gehe das Arbeitsgericht fälschlicherweise davon aus, dass Telefonate während laufender Operationen regelmäßig von der Beklagten geduldet würden. Dagegen habe die Beklagte vorgetragen, dass der operierende Arzt während laufenden Operationen nur in äußerst wichtigen Fällen, durchschnittlich einmal im Monat, telefoniere. Dabei handele es sich im Unterschied zu dem Verhalten des Klägers nicht um Privatgespräche und auch nicht um ein Privathandy. Üblich sei bei der Beklagten vielmehr, dass nur das sogenannte Arzttelefon, also ein Diensttelefon, mit in den OP genommen werde, das für Notfälle gedacht sei. Die Kommunikation werde dabei regelmäßig von dem Springer übernommen, der sich mit dem operierenden Arzt abspreche und diesem das Telefon nur in äußerst wichtigen Fällen ans Ohr halte, so dass kurz und knapp kommuniziert werden könne. In keinem Fall werde der Operationsvorgang dabei unterbrochen. Bereits ein Anruf auf dem Arzttelefon sei die Ausnahme, - Informationen liefen in der Regel über das sogenannte TransSetTelefon des OP-Koordinators, der die Informationen filtere und falls notwendig an den operierenden Arzt weitergebe bzw. mit diesem bespreche und Rückmeldung an den Anrufer gebe.

32

Die Beklagte behauptet,

33

dass der Kläger in zahlreichen Fällen für die jeglicher Notwendigkeit entbehrenden Privattelefonate die Operation unterbrochen habe und dafür oft sogar den Operationsraum verlassen habe. Insbesondere in den Monaten Juli, August und September (2008) habe der Kläger täglich mindestens ein Telefonat von bis zu fünf Minuten geführt. Etwa zweimal pro Woche habe der Kläger unter Zurücklassung des unoperierten Patienten auch den Operationssaal verlassen, wobei diese Telefonate deutlich länger als fünf Minuten gedauert hätten; allein schon die erneute Desinfektion der Hände erfordere mindestens drei Minuten. Hinsichtlich weiterer Details verweist die Beklagte auf ihren erstinstanzlichen Schriftsatz vom 19.12.2008 (dort Seite 8 f. = Bl. 168 f. d.A.). Die Beklagte bringt vor, dass jede Verlängerung einer Operation aufgrund der Verlängerung der Narkose eine erhebliche Belastung für den Patienten bedeute und mit ernsthaften gesundheitlichen Risiken einhergehe. So steige das Risiko postoperativer Infektionen mit der Operationsdauer, - ebenso das Risiko perioperativer pulmonaler Komplikationen sowie das Risiko einer postoperativen Pneumonie und der Notwendigkeit einer postoperativen Beatmung. Wie stark die Operationsdauer postoperative Risiken erhöhen könne, lasse sich anhand perioperativer pulmonaler Komplikationen veranschaulichen:

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In einer Studie gingen kurze Operationen von unter einer Stunde mit rund 4 Prozent perioperativer pulmonaler Komplikationen einher, bei einer Operationsdauer von bis zwei Stunden stieg dieser Anteil auf über 20 Prozent, bei zwei bis vier Stunden auf fast 40 Prozent und bei Operationen mit über sechs Stunden Dauer erlitten 73 Prozent aller Patienten perioperative pulmonale Komplikationen. Die Beklagte macht geltend, dass dem Kläger diese schwerwiegenden Risiken seines Verhaltens bekannt gewesen sein müssten. Er habe daher nicht davon ausgehen können, dass die Beklagte diese Risiken für die Gesundheit ihrer Patienten wegen in keiner Weise notwendiger Privatgespräche hinnehmen würde. Solche Risiken hätten nur in seltenen Ausnahmefällen in Kauf genommen werden können, wenn dies aus anderen Gründen unvermeidbar gewesen sei. Trotz seines Wissens um die gesundheitlichen Risiken habe der Kläger nicht nur gelegentlich, sondern in kontinuierlicher Praxis Privatgespräche bei laufenden Operationen geführt. Soweit das Arbeitsgericht auf das Abmahnungserfordernis abstelle, verkenne das Arbeitsgericht - so die Beklagte -, dass die Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber über eine Verhaltensänderung des Arbeitnehmers hinaus voraussetze, dass die Verhaltensänderung geeignet sei, das Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien wieder herzustellen. Sei - wie vorliegend - das Vertrauensverhältnis irreversibel zerstört, sei es dem Arbeitgeber nicht zumutbar, den Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen, - eine Abmahnung sei somit obsolet. Der Kläger habe mit seinen Privatgesprächen bei laufenden Operationen seine Patienten regelmäßig unnötigen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Ein solches - nicht hinnehmbare - Verhalten zeige, dass es dem Kläger generell an dem notwendigen Verantwortungsbewusstsein gegenüber seinen Patienten mangele. Die Beklagte könne sich auch dann, wenn der Kläger dieses spezielle Verhalten einstelle, nicht darauf verlassen, dass er in anderen Bereichen seinen Fürsorgepflichten und seiner Verantwortung gegenüber den Patienten umfassend gerecht werden würde. Dies sei aber unabdingbare Voraussetzung für das ärztliche Arbeitsverhältnis und insbesondere für die hochgradig verantwortungsvolle Tätigkeit eines Chefarztes. Eine Abmahnung sei entbehrlich. Eine abmahnungsbedingte Änderung des Telefonierverhaltens des Klägers sei nicht geeignet, das zerstörte Vertrauensverhältnis wieder herzustellen.

35

Soweit die außerordentliche Kündigung (dennoch) unwirksam wäre, hätte - nach Ansicht der Beklagten - jedenfalls die ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis zum nächst zulässigen Zeitpunkt beendet.

36

Soweit das Arbeitsgericht zu den Folgekündigungen ausführe, der Vortrag der Beklagten sei unsubstantiiert, sei insoweit ein Überraschungsurteil gegeben, - ein prozessualer Verstoß jedenfalls gegen § 139 ZPO liege vor. Auch das weitere Argument, eine Abmahnung sei erforderlich gewesen, trage nicht, denn durch das Ausmaß der Verstöße habe der Kläger nicht mehr damit rechnen können, dies werde toleriert und er bekomme eine zweite Chance nach einer Abmahnung eingeräumt. Die Kündigung vom 22.10.2008 sei äußerst hilfsweise erfolgt. Die Vollmachtsrüge des Klägers zu der vorangegangenen Kündigung (vom 14.10.2008) sei ins Leere gegangen, da der kaufmännische Direktor zum Kündigungsausspruch bevollmächtigt gewesen sei, - was dem Kläger bekannt gewesen sei, - jedenfalls hätte bekannt sein müssen.

37

Aufgrund der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die fristlose Kündigung vom 26.09.2008 sei ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers nicht gegeben.

38

Ergänzt hat die Beklagte ihr Vorbringen bzw. weiter vorgetragen (insbesondere) mit den Schriftsätzen vom

39

- 13.10.2009 (Bl. 346 f. d.A.),

- 05.11.2009 (Bl. 461 ff. d.A.),

- 06.01.2010 (Bl. 580 d.A.),

- 22.01.2010 (Bl. 643 ff. d.A.),

- 04.03.2010 (Bl. 759 f. d.A.) und

- 31.01.2011 (Bl. 906 ff. d.A. mit Stellungnahmen zu den im Beschluss vom 02.02.2010 aufgeworfenen Fragen sowie zu den Schriftsätzen des Klägers vom 11.03.2010, 16.08.2010, 29.11.2010 und 13.12.2010).

40

Die Beklagte beantragt,

41

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 11.03.2009 - 6 Ca 1752/08 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

44

Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe der Berufungsbeantwortung vom 28.10.2009 (Bl. 354 ff. d.A.), worauf - auch wegen der Beweisantritte im Einzelnen - ebenso verwiesen wird wie auf die Ausführungen des Klägers in den weiteren Schriftsätzen, die der Kläger im Berufungsverfahren zur Gerichtsakte gereicht hat.

45

Der Kläger bestreitet, dass im Krankenhaus der Beklagten die Nutzung von privaten Mobiltelefonen untersagt sei. Die entsprechende Behauptung der Beklagten sieht der Kläger bereits durch die im Krankenhaus existierende Telefonliste als widerlegt an. Der Kläger weist auf den unstreitigen Umstand hin, dass wenn man über irgendeinen Telefonapparat des Krankenhauses die dem Kläger zugeordnete Nummer 82020 gewählt habe, man automatisch die Nummer des Privathandys des Klägers (0…/5…….) erreicht habe. Der Kläger bringt vor, dass die Nutzung der Privathandys im Krankenhaus nicht nur nicht untersagt gewesen sei, - vielmehr sei es allgemein üblich gewesen, die Privathandys im Krankenhaus zu nutzen - und zwar nicht nur im Krankenhaus, sondern auch im OP. Es sei allgemein üblich gewesen, dass die Operateure auch ihr Privathandy mit in den OP genommen und im Bedarfsfall auch genutzt hätten. Verschiedene Ärzte hätten gegenüber dem Kläger sogar bestätigt, dass sie ihr Privathandy exakt an dieselbe Stelle gelegt hätten, an die der Kläger sein Handy gelegt habe. Einer der OP-Pfleger habe sogar einmal dem Kläger im OP-Saal sein neues Privathandy gezeigt und die bei Anruf ertönende Melodie vorgespielt. Auch sonst sei es allgemein im Krankenhaus üblich gewesen, das Privathandy in das Krankenhaus mitzunehmen und zu nutzen, - jedenfalls wenn dieses Privathandy nicht nur rein privat genutzt worden sei, sondern im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit eine Relevanz gehabt habe. So habe der Kläger mehrfach erlebt, dass Personen aus dem Bereich des ärztlichen Hilfspersonals ihr Privathandy genutzt hätten, indem entweder ein Gespräch geführt oder aber ein Gespräch entgegen genommen worden sei. Der Kläger verweist darauf, dass im Krankenhaus rund 150 Dienst-Handys im Einsatz seien. Der Kläger bringt vor, dass angesichts der dicht gedrängten Aufgaben und Pflichten einerseits und der Personalknappheit andererseits es heute in jedem Krankenhaus üblich sei, sich untereinander per Handy zu verständigen. Der Kläger verweist auf den in der OP-Konferenz vom 06.07.2006 gefassten Beschluss, jedem Anästhesisten ein Handy zur Verfügung zu stellen, damit der nachfolgende Operateur rechtzeitig gerufen werden könne und damit außerdem Anästhesisten schneller für Rückfragen aus dem Aufwachraum oder zur Frage nach der Verfügbarkeit erreichbar seien. So sei es häufig auch zu telefonischen Kontakten zwischen dem Kläger und anderen Operateuren, also Chefärzten, Oberärzten und Belegärzten, gekommen, wenn diese gerade operiert hätten, - sei es, dass der Kläger diese selbst angerufen habe, sei es, dass er von diesen angerufen worden sei. Den Vortrag der Beklagten, dass von den Mobiltelefonen erhebliche Gefahren in einem Krankenhaus ausgehen könnten, bestreitet der Kläger. Es sei bekannt, dass z.B. Fluggesellschaften die Nutzung von Handys während des Flugs untersagten, - jedoch allein aus reinen Vorsichtsgründen, nicht etwa, weil eine Gefährdung nachgewiesen sei. Im Übrigen - so bringt der Kläger weiter vor - habe sich der Einsatz des Handys im Krankenhaus und OP-Bereich geradezu als vorteilhaft im Sinne der Patientenversorgung erwiesen. Der Kläger verweist auf eine amerikanische Studie. Er bezeichnet es als Tatsache, dass die Nutzung von Handys im Krankenhaus inzwischen gang und gäbe sei, und zwar auch während einer Operation.

46

Die Beklagte kann sich nach Ansicht des Klägers nicht darauf berufen, von der Nutzung des Privathandys durch den Kläger nichts gewusst zu haben. Tatsache sei, dass der damalige Geschäftsführer Dr. F. ca. vier Wochen vor der Abfassung des Schreibens vom 24.09.2008 durch den Zeugen A. den Sterilflur betreten und in den OP-Saal hineingeschaut habe, in dem der Kläger gerade operiert habe. Nachdem der Geschäftsführer bei dieser Gelegenheit das Handy des Klägers gesehen habe, habe er am anderen Tag den Zeugen A. angesprochen und habe sich von ihm berichten lassen. Es widerspreche auch allen Lebenserfahrungen, dass das Telefonierverhalten des Klägers, wenn das OP-Personal daran Anstoß genommen hätte, nicht schon längst auf den regelmäßig stattfindenden OP-Konferenzen zur Sprache gebracht worden wäre. Der Kläger legt das OP-Statut vor (= Bl. 384 ff. d.A.) und zitiert daraus. Wenn das Telefonierverhalten des Klägers auf Kritik und Ablehnung gestoßen wäre, wie dies die Beklagte behaupte, dann hätte der OP-Koordinator B. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dieses Verhalten des Klägers umgehend gegenüber dem Zeugen Dr. F. zur Sprache gebracht und auch auf einer OP-Konferenz offiziell vorgetragen und beanstandet. In gleicher Weise sei auch der ärztliche Berater, der Zeuge Dr. E., berechtigt und beauftragt gewesen, Vorgänge im OP, die nach seiner Meinung zu beanstanden waren, in der OP-Konferenz zur Sprache zu bringen. Dies sei hinsichtlich des Telefonierverhaltens des Klägers jedoch nie geschehen.

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Die Ausführungen der Beklagten zu Art, Umfang und Dauer der Telekommunika-tion, insbesondere der privaten Telekommunikation, können nach Ansicht des Klägers die Kündigungen nicht rechtfertigen, - der Kläger bezeichnet diese Ausführungen der Beklagten als unzutreffend. Der Kläger bringt vor, dass aus seinen Ausführungen deutlich werde, dass es nur höchst selten vorgekommen sei, dass der Kläger während einer OP den Anruf eines niedergelassenen Arztes sofort habe entgegennehmen müssen. Der Versuch der Beklagten sei ungeeignet, aus dem unvollständigen Zitat die Schlussfolgerung zu ziehen, die Operationen seien häufig unterbrochen worden, und zwar für längere Zeit. Der Kläger weist (erneut) darauf hin, dass in aller Regel eine OP nicht unterbrochen worden sei, da bei einem Anruf regelmäßig eine Schwester oder eine andere OP-Kraft das Telefon dem Kläger an das Ohr gehalten habe, ohne dass es hierdurch zu einer zeitlichen Beeinträchtigung des OP-Ablaufs gekommen wäre. Insofern sei es unzutreffend, wenn die Beklagte zu suggerieren versuche, der Kläger habe während der Operationen "überlange Telefonate" geführt. Er, der Kläger, pflege keine "Plaudereien", schon gar nicht während einer Operation. Der Kläger weist daraufhin, dass es bei langen und schwierigen Operationen oftmals zwingend geboten sei, dass der

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Operateur Pausen einlege, um neue Kraft und Konzentration für die Fortsetzung der Operation zu schöpfen. Auch gebe es nach wie vor viele Ärzte, die Raucher seien und die daher während einer Operation immer wieder eine Raucherpause einlegen müssten. Dies führe jedoch nicht zu einer Schädigung des Patienten, sondern sei für eine erfolgreiche Durchführung der Operation geradezu von Vorteil. Allerdings sei der Kläger kein Raucher und habe noch nie eine Operation wegen einer Raucherpause unterbrochen. Soweit es um die Sterilisierung geht, bezeichnet es der Kläger als Tatsache, dass das von ihm benutzte Desinfektionsmittel Sterillium eine Einwirkungszeit von 90 Sekunden habe. Soweit die Beklagte unterstelle, es sei zu Verzögerungen bei Beginn einer Operation oder während einer Operation gekommen, insbesondere bei offenen Wunden, werde dies als bloße Behauptung vorgetragen und zwar noch nicht einmal schlüssig. Der Kläger verweist auf seinen erstinstanzlichen Vortrag vom 04.11.2008, wonach er in der Regel nur während der OP-Wechselzeiten telefoniert habe, um Anfragen und Anrufe zu erledigen. Durch diese Telefonate sei es weder zu Verzögerungen während der Operationen noch zu Verzögerungen bei dem Beginn einer Operation gekommen. Im Übrigen habe der Kläger solche Telefonate ausschließlich aus dienstlicher Veranlassung geführt, entweder mit Mitarbeitern aus dem Krankenhaus oder mit niedergelassenen Ärzten, die ihn wegen eines Patienten hätten sprechen wollen. Wenn hier irgendjemand behaupte, der Kläger habe in dieser Zeit private Telefonate geführt, dann sei dies eine Unterstellung, die durch nichts belegt werden könne und durch bloße unsubstantiierte Behauptungen nicht belegt werde. Der Kläger äußert sich zu der eidesstattlichen Versicherung der Zeugin D. vom 10.11.2008 (= Bl. 91 d. Beiakte - 6 Ga 49/08 - ); s. dazu S. 18 f. der Berufungsbeantwortung. Der Kläger bringt vor, dass der Anästhesiepfleger von Oe. (- dessen schriftliche Aussage die Beklagte zu Bl. 350 d.A. gereicht hat -) dafür bekannt sei, dass er gerne fotografiere und dies auch recht häufig im OP tue. Während seiner Tätigkeit gehe er durch die OP-Säle und mache beliebig Fotos von Mitarbeitern und Patienten. Wenn es zutreffen würde, dass der Kläger von der Zeugin D. und von Mitgliedern des OP-Teams mehrfach energisch aufgefordert worden wäre, Telefonate zu beenden, dann wäre dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit längst Gegenstand einer Diskussion auf der OP-Konferenz gewesen. Als Tatsache bezeichnet es der Kläger, dass 99 Prozent aller Anrufe aus dem Krankenhaus gekommen seien. Weit mehr als 90 Prozent aller Anrufe seien auf dem Diensthandy eingegangen. Die übrigen Anrufe aus dem Haus seien auf dem Privathandy angekommen, da das Privathandy in der offiziellen Telefonliste verzeichnet gewesen sei. Tatsache sei weiter, dass während der Operationen private Telefonate praktisch nicht geführt worden seien. Es sei ein einziges Mal vorgekommen, dass sich eine Person über das Krankenhaus-Handy gemeldet habe, die sich als Privatperson entpuppt habe. Dem Kläger sei hierzu das Handy von einer OP-Schwester an das Ohr gehalten worden. Der Kläger habe jedoch sofort das Telefonat beendet. Richtig sei, dass sich die Zahl der Telefonate während einer OP in den Monaten Juli bis September (2008) gehäuft hätten. Der Grund hierfür liege darin, dass die Sekretärin G. seit dieser Zeit schwer erkrankt gewesen sei und die Verwaltung dem Kläger nur zu sehr eingeschränkten Zeiten eine Ersatzkraft habe zur Verfügung stellen können. Er, der Kläger, habe insbesondere für niedergelassene Ärzte jederzeit erreichbar sein müssen. Diesen habe er neben der Telefonnummer seines Sekretariats auch die Telefonnummer seines Privathandys zur Verfügung gestellt. Von diesem Zeitpunkt an habe er neben dem Diensthandy stets auch sein Privathandy mit in den OP genommen. Wenn ein Anruf im OP angekommen sei, habe er äußerst selten das Handy selbst übernommen. Der Kläger erinnere sich nur an zwei Fälle, in denen er das Handy persönlich übernommen habe. Er sei sich sicher, dass er in jedem Fall eine neue Sterilisierung der Hände vorgenommen habe. Im Übrigen habe er in den seltenen Fällen, in denen er das Handy selbst übernommen habe, dies auch nur dann getan, wenn gerade die anderen an der OP beteiligten Ärzte mit dem Patienten beschäftigt gewesen seien und der Kläger selbst gerade nichts habe machen können und habe warten müssen. Durch die Handynutzung sei kein Patient von ihm unsteril berührt worden, - es sei auch zu keiner zeitlichen Verzögerung gekommen. Soweit es um die Frage der telefonatbedingten Verlängerung einer Operation geht, wird vom Kläger darauf verwiesen, dass verschiedene renommierte Chefanästhesisten dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bestätigt hätten, dass bei einer Verlängerung einer OP um einige Minuten es nicht zu einer Erhöhung der Komplikationsrate kommen würde.

49

Bezüglich des Abmahnungserfordernisses vertritt der Kläger die Ansicht, dass, wenn man das Urteil des Arbeitsgerichts an den Maßstäben des BAG-Urteils vom 04.06.1997 messe, man zwingend zu dem Ergebnis gelangen müsse, dass zumindest eine Abmahnung erforderlich gewesen wäre.

50

Hinsichtlich der (hilfsweise erklärten) ordentlichen Kündigung vom 26.09.2008 verkennt die Beklagte nach Ansicht des Klägers, dass gemäß § 20 Abs. 3 DV der Vertrag nur noch aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB kündbar gewesen sei. Es sei eben nicht nur der ursprüngliche Absatz 3 ersatzlos gestrichen worden vielmehr sei auch der ursprüngliche Absatz 4 wesentlich abgeändert worden. Die seinerzeit bezüglich § 20 DV vorgenommene Änderung des Vertrages sei für ihn, den Kläger, eine wesentliche Voraussetzung gewesen, die Stelle in A-Stadt anzutreten. Dazu führt der Kläger auf Seite 25 - unten - der Berufungsbeantwortung (= Bl. 378 d.A.) weiter aus.

51

Zu den Kündigungen vom 14.10.2008 und vom 22.10.2008 nimmt der Kläger auf den Seiten 26 f. der Berufungsbeantwortung (= Bl. 379 f d.A.) Stellung, worauf verwiesen wird.

52

Ergänzt hat der Kläger sein Vorbringen insbesondere mit den Schriftsätzen vom

53

- 13.11.2009 (Bl. 483 f. d.A.),

- 16.11.2009 (Bl. 485 ff. d.A.),

- 15.12.2009 (Bl. 564 ff. d.A.),

- 06.01.2010 (Bl. 584 ff. d.A.),

- 14.01.2010 (Bl. 605 ff. d.A.),

- 18.01.2010 (Bl. 622 d.A.),

- 20.01.2010 (Bl. 626 ff. d.A.),

- 22.01.2010 (Bl. 642 d.A.),

- 26.01.2010 (Bl. 663 ff. d.A.; dort nimmt der Kläger insbesondere zu den Zeugenvernehmungen vom 17.11.2009 Stellung),

- 28.01.2010 (Bl. 687 f. d.A.),

- 11.03.2010 (Bl. 779 d.A.),

- 06.08.2010 (Bl. 827 d.A.),

- 16.08.2010 (Bl. 832 f. d.A.),

- 29.11.2010 (Bl. 870 ff. d.A., u.a. mit beigefügter DVD "OP-Video", Bl. 874 d.A.),

- 13.12.2010 (Bl. 878 d.A.),

- 26.01.2011 (Bl. 892 d.A.),

- 27.01.2011 (Bl. 895 ff. d.A.; insbesondere zum Abmahnungserfordernis),

- 28.01.2011 (Bl. 899 ff. d.A. mit dem Antrag, den Beschluss vom 02.02.2010 aufzuheben, nebst entsprechender Antragsbegründung),

- 14.02.2011 (Bl. 943 ff. d.A.; insbesondere Stellungnahme zum Schriftsatz der Beklagten vom 31.01.2011) und

- 18.02.2011 (Bl. 951 f. d.A.).

54

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen (insbesondere auch auf den Hinweisbeschluss vom 21.12.2009, Bl. 576 f. d.A.).

55

Im Berufungsverfahren wurde Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 17.11.2009 und vom 02.02.2010. Die Aussagen der Zeugin D. und der Zeugen A. und C. sind festgehalten in der Sitzungsniederschrift vom 17.11.2009 - 3 Sa 474/09 - (dort Seite 3 ff. = Bl. 497 ff. d.A.). Die Aussagen der Zeugen Dr. F., Dr. E., Dr. G. und J. befinden sich in der Sitzungsniederschrift vom 02.02.2010 (3 Sa 474/09 - (dort Seite 3 ff. = Bl. 702 ff. d.A.). Auf die beiden zitierten Sitzungsniederschriften wird zwecks Darstellung des Inhalts der Beweisaufnahme verwiesen. Der Zeuge Dr. H. hat sich mit dem Schreiben vom 10.10.2009 und vom 16.12.2009 - wie aus Bl. 557 d.A. und Bl. 574 d.A. ersichtlich - geäußert.

Entscheidungsgründe

A.

56

Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Die Klage unterliegt mit dem Weiterbeschäftigungsantrag der Klageabweisung. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

B.

57

Mit den Feststellungsanträgen erweist sich die Klage als begründet.

I.

58

Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung vom 26.09.2008 nicht außerordentlich-fristlos aufgelöst worden. Dies ergibt sich aus § 626 Abs. 1 BGB. Ob für eine Kündigung ein ausreichender Grund vorliegt, ist nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Rahmen einer zweistufigen Prüfung nach objektiven und nicht nach subjektiven Maßstäben zu beurteilen (BAG 18.01.1980 - 7 AZR 260/78 -; KR-Fischermeier 8. Aufl. BGB § 626 Rz 105 und 109; Diller NZA 2006, 569 [570]).

59

Demgemäß hängt die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung allein davon ab, ob der bei ihrem Ausspruch tatsächlich vorliegende Sachverhalt bei objektiver Würdigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Mit Rücksicht darauf ist die rechtliche Prüfung vorliegend nicht darauf beschränkt, ob der Kläger durch Privattelefonate, die er im Operationssaal mittels Privathandy geführt hat, das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet hat. Zu prüfen ist vielmehr insbesondere auch, ob das Arbeitsverhältnis durch das (während einer Operation erfolgte) Führen nicht operationsbezogener Telefonate überhaupt - unabhängig davon, ob diese mittels Privathandy oder mittels Arzttelefon geführt wurden - mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB belastet wurde. Ein mit dem Arzttelefon geführtes Gespräch ist nicht allein schon deswegen ein operationsbezogenes oder durch einen Notfall bzw. Eilfall bedingtes Telefonat.

60

Grundlage der gerichtlichen Feststellung des Kündigungssachverhalts sind dabei - soweit jeweils unstreitig oder bewiesen - zunächst alle Tatsachen, die sich aus dem Parteivortrag ergeben, - darüber hinaus aber auch solche Tatsachen, die bei einer Beweisaufnahme zutage getreten sind. Nach BGH 10.11.2009 - VI ZR 325/08 - macht sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu eigen. Dieser allgemeine Grundsatz kommt in einem Kündigungsschutzprozess auch dem Kündigenden bzw. dem Arbeitgeber zu Gute.

61

1. Erste Prüfungsstufe:

62

a) Das Verhalten, dass die Beklagte dem Kläger insoweit vorwirft und das nach näherer Maßgabe der folgenden Ausführungen als bewiesen anzusehen ist, ist an sich geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung - auch eine außerordentliche Kündigung - zu rechtfertigen. Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers ist gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht erheblich - in der Regel schuldhaft - verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, weitere Störungen zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint. Der Arbeitnehmer muss dazu nicht in eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt haben. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen. Dies ist jeweils ebenso anerkanntes Recht, wie der Grundsatz, dass erhebliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen, in deren Folge Schäden an Leib und Leben eines Krankenhauspatienten entstehen können, an sich eine fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen können. Bei ärztlichen bzw. medizinischen Dienstleistungen stellt im Hinblick auf die dem Arzt anvertraute Gesundheit des Patienten jede Fehlleistung einen gravierenden Vorgang dar. Dies gilt nicht nur für Fehlleistungen des operierenden Arztes, sondern auch für Fehlleistungen der anderen Mitglieder des OP-Teams. Der Patient darf keinen vermeidbaren Risiken ausgesetzt werden. Selbst ein einziger, auf Unachtsamkeit beruhender Fehler kann zu schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen (bis zum Tod) des Patienten führen und bei einer Krankenhausbehandlung den Ruf des Krankenhauses schmälern. Deshalb kann auch eine fahrlässig begangene Fehlleistung eines Arztes geeignet sein, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden (vgl. LAG Düsseldorf, 04.11.2005 - 9 Sa 993/05 -; BAG 31.01.1985 - 2 AZR 284/83 -).

63

b) Dem Kläger ist vorzuwerfen, dass er mit seinem Telefonierverhalten eine Pflichtverletzung begangen hat.

64

aa) Ob und inwieweit der Arbeitnehmer durch sein Telefonierverhalten - insbesondere mittels Privathandy (Bereithalten zur Nutzung und Nutzung des Privathandy) - eine kündigungsrechtlich relevante Pflichtverletzung begeht, lässt sich (wohl) nicht generell für alle Arbeitnehmergruppen gleichermaßen festlegen. Es kommt vielmehr auf den jeweiligen Pflichtenkreis des betreffenden Arbeitnehmers an. Insoweit kann es u.a eine Rolle spielen, ob es sich - beispielsweise - um einen Lageristen handelt, der es bei der Arbeit mit toten Gegenständen bzw. Sachen zu tun hat, oder aber um einen Arbeitnehmer, dem sich Menschen zum Zwecke der Pflege oder Heilung anvertraut haben.

65

Der dem Kläger obliegende Pflichtenkreis als Chefarzt und Operateur ist anhand des Arbeitsvertrages (DV) unter Berücksichtigung der §§ 133 und 157 sowie §§ 241 Abs. 2, 242 und 611 Abs. 1 BGB zu ermitteln. Demgemäß ist der Kläger aufgrund seines Arbeitsvertrages verpflichtet gewesen, die ihm (insbesondere auch) obliegende Arbeit als Chirurg/Operateur unter Anspannung der ihm möglichen Fähigkeiten ordnungsgemäß zu verrichten, d. h. konzentriert, zügig, fehlerfrei und sorgfältig zu arbeiten. Soweit es um die Nutzung eines Mobiltelefons bei bzw. während der Arbeit geht, hat das ArbG Ludwigshafen am Rhein im Beschluss vom 22.04.2009 - 2 BV 8/09 - für (in einem Altenpflegeheim zu erbringende) Pflegedienstleistungen entschieden, dass der Arbeitnehmer bei der Nutzung eines Privathandys unmittelbar von der Arbeitsleistung abgelenkt werde; das Arbeitsverhalten würde beeinträchtigt. Diese Entscheidung wurde vom LAG Rheinland-Pfalz im Beschluss vom 30.10.2009 - 6 TaBV 33/09 - bestätigt, wobei das LAG die Auffassung vertreten hat, dass es zu den selbstverständlichen Pflichten der betreffenden Arbeitnehmer gehört, dass diese Arbeitnehmer während der Arbeitszeit von der aktiven und passiven Benutzung des Privathandys absehen. Dieser Grundsatz ist auf den vorliegenden Fall entsprechend anwendbar. Angesichts des Ranges der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter (Leben und Gesundheit des Patienten) und wegen der nachteiligen Folgen, die eine Nutzung des Privathandys für den Patienten und (mittelbar auch) für den Krankenhausträger haben kann, kann es einem Chirurgen/Operateur nur ausnahmsweise erlaubt sein, während einer Operation sein Privathandy betriebsbereit zu halten und bei (seiner Ansicht nach gegebenem) Bedarf zu nutzen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es bereits anderweitig - wie vorliegend gegeben - gewährleistet ist, dass das OP-Team in OP-internen oder OP-externen Notfällen oder Eilfällen telefonisch erreichbar ist und/oder nach außen telefonieren kann. Dahingestellt bleiben kann, ob sich aus der Hausordnung (s. Bl. 581 d.A., - dort Nr. 3) sowie aus den von dem Zeugen Dr. F. (auch) erwähnten "Handy-Verbots-Aufklebern", die im Krankenhaus angebracht waren, zusätzlich ein an den Kläger gerichtetes Verbot ableiten lässt, mit seinem Privathandy im Krankenhaus, also insbesondere auch im Operationssaal bei Operationen, zu telefonieren.

66

Ergänzend ist allerdings auf das vom Kläger zu Bl. 385 ff. d.A. gereichte OP-Statut der Beklagten vom 01.07.2006 zu verweisen. Dort wird auf Seite 1 (Bl. 387 d.A.: - Grundlagen des Handelns im OP - Ziffer 1 Satz 2) hervorgehoben, dass im Mittelpunkt (des Handelns im OP) der Patient steht. In Ziffer 5.8 - OP-Tagesplanung/6.8.1 - Form und Inhalt des OP-Plans - wird u.a. gefordert, dass jeder Operateur dafür zu sorgen hat, dass der Arzt unverzüglich mit dem Eingriff beginnt, sobald der Patient in Narkose ist und die Vorbereitungen durch das Pflegepersonal beendet sind (= Bl. 390 d.A.). Die Gründe, die die Forderung rechtfertigen, unverzüglich mit dem Eingriff zu beginnen, treffen auch zu, soweit es um die Frage der Zulässigkeit von Unterbrechungen während der Operation geht. Da der zu operierende Patient im Mittelpunkt des Handelns im OP steht und der Respekt vor der körperlichen Integrität und vor der Würde des Patienten dies erfordert, muss kein Patient eine längere Dauer von Narkose und Operation hinnehmen, als dies aus sachlichen, insbesondere aus medizinischen Gründen notwendig ist. Davon geht nach der Lebenserfahrung ein Patient, der in eine Operation einwilligt, auch in aller Regel aus (vgl. zu den Begriffen "Operation", [ärztliche] "Aufklärungspflicht" und "Einwilligung" [des Patienten] die entsprechenden Stichworte im Klinischen Wörterbuch Pschyrembel).

67

Die Pflichten eines Operateurs beschränken sich insoweit nicht auf die korrekte Durchführung des operativen Eingriffs als solche (wie Vornahme von Schnitten, Stichen und Nähten). Diese Pflichten erstrecken sich vielmehr auch auf die Gewährleistung ordnungsgemäßer Rahmenbedingungen einer Operation. Zu diesen sog. Standards einer Operation gehört es, dass unnötige Störungen des Operationsablaufs zu unterlassen sind. In dem von der Beklagten vorgelegten Schriftstück "Verhalten im OP"(Anlage B1 = Bl. 922 d.A.) heißt es u.a., dass im OP unnötiges Sprechen und Bewegungen vermieden werden müssen. Ähnliche Ausführungen befinden sich in dem Kurzlehrbuch "Chirurgie" (7. Aufl., Thieme-Verlag; Schumpelick/Bleese/Mommsen) dort Seite 63 bei Ziffer 2.2.5; auf Seite 60 a.a.O. wird bei Punkt 2.2.1 gefordert, dass Unruhe wegen dadurch bedingter Keimaufwirbelung zu vermeiden ist.

68

Bei dem Schriftstück Anlage B1 handelt es sich nach Angabe der Beklagte um den im Jahr 2008 geltenden Hygieneplan, dessen Existenz der Kläger - als verantwortlicher Chefarzt und Operateur - nicht in prozessual beachtlicher Weise mit Nichtwissen bestreiten kann (§ 138 ZPO).

69

bb) Davon ausgehend hat der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die ihm bei einer Operation obliegenden Pflichten verletzt. Der Kläger hat es zu unnötigen - telefonatbedingten - Störungen bzw. Unterbrechungen des Operationsablaufs kommen lassen.

70

(1) Klarzustellen ist insoweit vorab, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Privathandy nicht um ein dem Kläger zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung gestelltes Diensttelefon der Beklagten, sondern eben um ein dem Kläger gehörendes privates Mobiltelefon gehandelt hat. Dieses Privathandy des Klägers ist (auch) nicht etwa dadurch gewissermaßen zu einem Diensttelefon geworden, dass man über die in der Telefonliste des Krankenhauses angegebene Rufwahl-Nr. 8….. automatisch die Nummer des Privathandys des Klägers (- 0…/5……. -) erreichte. Die Erreichbarkeit auch externer, privater Rufnummern (mit den Kurzwahlnummern des internen Krankenhaus-Netzes) hat die Beklagte auf S. 2 - unten - des Schriftsatzes vom 05.11.2009 plausibel erläutert; es sollte gewährleistet sein, dass Ärzte, wie der Kläger, bei Rufbereitschaft oder in Notfällen telefonisch erreichbar waren, wenn sie sich nicht im Krankenhaus bzw. in der Reichweite des lokalen Krankenhausnetzes befanden.

71

(2) Unter den gegebenen Umständen ist davon auszugehen, dass die Nummer des Privathandy des Klägers nicht nur Personen, die den Kläger aus dienstlichen Gründen hätten anrufen können, bekannt gewesen ist, sondern auch solchen Personen, die (wie z.B. die Ehefrau des Klägers) den Kläger auch ohne dienstlichen Anlass - also privat - anrufen wollten. Im Hinblick darauf hat es der Kläger durch die Mitnahme des betriebsbereiten Privathandys in den OP-Saal in Kauf genommen, dass die Arbeit des OP-Teams während einer Operation auch durch rein-privat motivierte Telefonanrufe von außen gestört wurde, - also durch Anrufe, die keinen irgendwie gearteten Bezug zu den im Dienstvertrag (§§ 4 ff. DV) genannten Aufgaben hatten. Die Einlassung des Klägers, dass er (gleichwohl) während der Operationen private Telefonate praktisch nicht geführt habe, ist aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme als widerlegt anzusehen.

72

(3) Aufgrund der glaubhaften Bekundungen der Zeugin D. (Sitzungsniederschrift vom 17.11.2009 S. 4 = Bl. 497 ff. d.A.) steht zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass - weil der Kläger dies so erwartete - (selbst) diese Anästhesistin Anrufe, die während einer Operation auf dem Privathandy des Klägers eingingen, für den Kläger entgegen genommen hat ("vielleicht so insgesamt fünfmal"). Zumindest einmal ("ein- bis zweimal") war Frau M., also die Ehefrau des Klägers, die Anruferin. Es kam dann zu einem Gespräch (des Klägers mit seiner Ehefrau). Es war nicht etwa so - dies hat die Zeugin D. eindeutig ausgesagt -, dass Frau M. gesagt hätte, sinngemäß, wenn mein Mann am Operieren ist, rufe ich später noch einmal an (s. dazu Bl. 501 d.A. - unten -). Unter den gegebenen Umständen ist davon auszugehen, dass das Telefonat, das der Kläger am OP-Tisch mit seiner Ehefrau geführt hat, privaten Charakter hatte. Anhaltspunkte für die Annahme, es habe sich um einen Notfall oder um einen notfallähnlichen Eilfall gehandelt, sind nicht ersichtlich. Gemäß Seite 4 - Mitte - der Sitzungsniederschrift vom 17.11.2009 (Bl. 498 d.A.) hat die Zeugin von weiteren privaten Anrufen berichtet, die der Kläger im OP-Saal hat entgegennehmen lassen und dann übernommen hat. Die Dauer dieser Gespräche hat die Zeugin mit "so von wenigen Sekunden bis zu zwei Minuten" angegeben.

73

Aus den Bekundungen der Zeugin und aus dem unstreitigen Sachverhalt ergibt sich eine weitere Pflichtverletzung des Klägers. Die Zeugin D. hat bekundet:

74

"Wir wurden eigentlich immer - wenn das Handy des Klägers klingelte - von ihm aufgefordert, ans Handy zu gehen".

75

Anweisungsbefugnisse standen dem Kläger in Bezug auf das jeweilige Opera-tionsteam einschließlich Springer, Pfleger, Schwester sowie Anästhesist und Anästhesiepfleger, nur operationsbezogen zu. Keineswegs war es dem Kläger nach dem Arbeitsvertrag gestattet, Mitglieder des Operations-Teams (= OP-Team im weitesten Sinne) zu privaten oder zu potentiell-privaten Zwecken einzusetzen. Letzteres hat der Kläger aber getan. Dies ist bewiesen. Der Kläger hat - nach den glaubhaften Bekundungen der Zeugin D. - sowohl den Springer (diesen "meistens") als auch den Anästhesiepfleger, - bisweilen auch die Zeugin D. selbst aufgefordert, "ans Handy zu gehen". Ähnliches haben glaubhaft und übereinstimmend auch die Zeugen A. (Sitzungsniederschrift vom 17.11.2009 S. 9 - oben - = Bl. 503 ff. d.A.), C. (Sitzungsniederschrift vom 17.11.2009 S. 15 = Bl. 509 ff. d.A.), J. (Bl. 710 f. d.A.) und Dr. E. (Bl. 704 ff. d.A.) bekundet. Da der Kläger nicht ahnen konnte, ob auf seinem Privathandy ein dienstlicher oder ein privater Anruf einging, hat er in Kauf genommen, dass die oben genannten Mitglieder des OP-Teams ihre Arbeit eben auch zu privaten Zwecken des Klägers unterbrachen, - nämlich dann, wenn der Anrufer den Kläger wegen eines privaten Anliegens anrief. Zum arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis der Zeugin und der Zeugen gehört es nicht, dem Kläger während des Operationsdienstes bei der Entgegennahme und bei dem Führen (auch) privater Telefonate behilflich zu sein. Die genannten Arbeitnehmer stehen dem Kläger während einer Operation auch nicht zur Verfügung, damit der Kläger telefonisch sonstige, nicht operationsbezogene Dienstgeschäfte abwickeln bzw. mit niedergelassenen Ärzten telefonieren kann. Springer, Anästhesiepfleger und Anästhesist bzw. Anästhesistin haben sich auf die ihnen obliegenden operationsbezogenen Aufgaben zu konzentrieren. Anästhesiepfleger und Anästhesist bzw. Anästhesistin haben die Aufgabe, die Körperfunktionen des Patienten zu überwachen und aufrechtzuerhalten. Der Kläger trägt selbst - zutreffend - vor, dass der Anästhesist für die Erhaltung der Vitalfunktion (des Patienten) zuständig ist (vgl. Bl. 367 d.A.: "….kein Operateur ist befugt, dem Anästhesisten insoweit irgendwelche Anweisungen zu geben…). Ebenso wenig darf der Kläger allerdings den Anästhesisten bzw. die Anästhesistin dadurch von der Arbeit ablenken, dass er von diesen erwartet, dass sie eingehende Telefonate auf seinem Privathandy entgegennehmen. Entsprechendes gilt in Bezug auf den Anästhesiepfleger.

76

Soweit es um die Aufgaben des Springers geht, ist darauf zu verweisen, dass der Instrumentierende den sterilen Bereich an sich nicht verlassen darf und deswegen den Springer benötigt, der z.B. Tupfer und Kompressenverpackungen öffnet und Nahtmaterial anreicht. (Auch) die Arbeit des Springers und dessen Konzentration bei der Arbeit werden gestört, wenn dieser seine Tätigkeit unterbrechen muss, um Telefonate entgegenzunehmen.

77

Die für den Erfolg der Operation notwendige Arbeitskonzentration leidet, wenn diese durch eingehende Anrufe ("Telefon-Klingeln", "Klingeltöne") sowie das Verbringen des Mobiltelefons an das Ohr des Operateurs, hier des Klägers, und das Führen des Telefonats, gestört wird. Die Aussage der Zeugin D.:

78

"Die Telefonate störten….den Arbeitsablauf und zwar erheblich"

79

ist nachvollziehbar und glaubhaft.

80

Soweit es um die zeitliche Lage der Telefonate geht, hat die Zeugin D. bekundet, dass der Kläger Telefonate bisweilen auch dann geführt habe, wenn der erste Schnitt bereits gesetzt gewesen sei, - also bei offenem Operationsfeld. Sie, die Zeugin, habe den Kläger - was dieser ignoriert habe - gebeten, aufzuhören zu telefonieren, weil der Blutdruck eines Patienten "im Keller" gewesen sei, - dies sei mehrfach passiert. Die Anzahl der durchschnittlich mittels Privathandy vom Kläger geführten Telefonate gibt die Zeugin mit zwei bis drei Telefonaten pro Vormittag an (an den Operationstagen, an denen sie bei Operationen des Klägers als Anästhesistin fungierte). Nach den Bekundungen der Zeugin ist es auch vorgekommen, dass der Kläger (zu Beginn einer Operation) wegen eines eingehenden Telefonats die Desinfektion des Patienten unterbrochen hat.

81

Im Übrigen entsprach die Verfahrensweise bei der Entgegennahme von Telefonaten, die auf dem Arzttelefon ("dienstliches Telefon") des Klägers eingingen, der Verfahrensweise, die die Zeugin in Bezug auf das Privathandy des Klägers geschildert hat (s. S. 5 - unten -, S. 6 - oben - der Sitzungsniederschrift vom 17.11.2009 = Bl. 499 f. d.A.).

82

(4) Auch der Zeuge C. hat glaubhaft bekundet, dass bei einem Telefonat, das er, der Zeuge, am Privathandy entgegengenommen habe, die Ehefrau des Klägers die Anruferin gewesen sei: er habe dem Kläger das Handy ans Ohr gehalten, der Kläger habe dann mit der Ehefrau gesprochen, - ohne (allerdings) weiter zu operieren (Sitzungsniederschrift vom 17.11.2009 S. 15; Zeugenaussage C. = Bl. 509 ff. d.A.). Weder bei diesem Telefonat noch bei dem zweiten Telefonat, von dem der Zeuge C. ebenfalls berichtet hat, kann davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um Dienstaufgaben des Klägers, - geschweige denn um einen Notfall oder um einen notfallähnlichen Eilfall gehandelt hat. Nach der Beendigung des zweiten - von dem Zeugen C. erwähnten - Telefonats hat der Kläger bekundet, dass das Gespräch wichtig gewesen sei, - es sei um den Fliesenleger gegangen. Die Dauer dieses Gesprächs (mit eindeutig privatem Charakter ["Fliesenleger"]) hat der Zeuge mit "bestimmt mehr als ein, zwei Minuten" angegeben. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass bei ihm Fliesen lediglich im Rahmen des Hausbaus im Winter 2006/2007 benötigt und verlegt worden seien, steht dies der Feststellung, dass er während einer Operation in der Zeit vor dem 26.09.2008 ein Privattelefonat, in dem es um den Fliesenleger ging, geführt hat, nicht entgegen.

83

Auch der Zeuge A. hat von einem Telefonat berichtet, bei dem er der Reaktion des Klägers entnommen hat, dass es dabei "um Fliesen ging" (Sitzungsniederschrift vom 17.11.2009 S. 11 - unten - = Bl. 505 d.A.). Der Zeuge A. hat weiter glaubhaft bekundet, dass der Kläger einmal vom offenen Operationsfeld abgetreten ist, um ein Telefonat zu führen (aaO. S. 12 f. = Bl. 506 f. d.A.).

84

Derartiges ist nach der Aussage des Zeugen A. bei einer Krampfadern-OP passiert. Der damalige Assistent, der Facharzt für Chirurgie Dr. F., habe "solange es ging, alleine weitergemacht, danach mussten wir warten … Dr. F. hat gewartet". Der Kläger sei damals - daran erinnerte sich der Zeuge - "zwischen Leistenverschluss und Strippen der Vene … abgetreten". Damit ist die (auf S. 21 - oben - der Berufungsbeantwortung [= Bl. 374 d.A.] enthaltene) Einlassung des Klägers widerlegt, er habe nur dann das Handy selbst übernommen, wenn die anderen Ärzte mit dem Patienten beschäftigt gewesen seien und er, der Kläger, selbst gerade nichts habe machen können und habe warten müssen. Gegen die Richtigkeit der eben zitierten Einlassung des Klägers spricht im Übrigen auch das eigene Vorbringen des Klägers auf S. 14 - Mitte - des Schriftsatzes vom 02.02.2009 (= Bl. 227 d.A.): an sich hätte der Kläger selbst die dort erwähnte, noch anstehende Naht durchgeführt, - davon hat der Kläger aber wegen des dann geführten Telefonats abgesehen und die Durchführung der Naht dem dazu bereiten OP-Assistenten Dr. F. überlassen.

85

(5) Schließlich hat auch der Zeuge Dr. E. von einem Telefonat berichtet, bei dem es sich nach dem Eindruck des Zeugen um einen privaten Anruf gehandelt hat (Sitzungsniederschrift vom 02.02.2010 S. 6 f. = Bl. 705 f. d.A.).

86

(6) Die Berufungskammer ist von der Richtigkeit der erwähnten Zeugenaussagen überzeugt. Die Einwände des Klägers rechtfertigen nicht die Annahme, die Zeugen hätten vor Gericht falsch ausgesagt. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Zeugen wegen Voreingenommenheit Unrichtiges ausgesagt hätten. Alleine aus dem Umstand, dass

87

- sowohl die Zeugin D. (Sitzungsprotokoll vom 17.11.2009, dort S. 4 - unten - = B. 498 d.A.)

als auch

- der Zeuge A. (aaO. S. 10 - unten -, S. 11 - oben - = Bl. 504 f. d.A.)

und     

- der Zeuge C. (aaO S. 17 f. = B. 511 f. d.A.)

88

davon berichtet haben, dass es zu Beginn von Operationen, die der Kläger durchgeführt hat, zu Wartezeiten gekommen ist - ohne gleichzeitig zu erwähnen, dass es auch bei anderen Ärzten zu derartigen Wartezeiten gekommen ist -, ergibt sich nicht, dass Voreingenommenheit das Aussageverhalten der Zeugen beeinflusst hätte. Bei der Beweisaufnahme ging es um das Verhalten des Klägers, - nicht dagegen um Wartezeiten, die bei anderen Operateuren aufgetreten sind.

89

Weiter kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Zeugen in dem Gespräch, das im Schriftsatz der Beklagten vom 13.10.2009 (Bl. 346 d.A.) erwähnt wird, unzulässig beeinflusst worden sind oder dass dieses Gespräch die Zeugen zu wahrheitswidrigen Aussagen veranlasst hätte.

90

In Bezug auf die oben bei (3), (4) und (5) konkret festgestellten Vorgänge sind die Zeugenaussagen auch nicht unbestimmt oder widersprüchlich. Für die Richtigkeit der Zeugenaussagen hinsichtlich der konkret festgestellten Vorgänge spricht entscheidend der unstreitige Umstand, dass der Kläger zwei betriebsbereite Telefonapparate (das Privathandy und das Arzttelefon) mit in den Operationssaal genommen hat. Der objektive Erklärungswert dieses unstreitigen Verhaltens des Klägers besteht darin, dass er bereit und willens war, darauf eingehende Telefonate auch zu führen. Ansonsten würde die Mitnahme der beiden betriebsbereiten Handapparate (Privathandy und Arzttelefon) keinen Sinn machen. Demgemäß hat der Kläger auch tatsächlich telefoniert - wobei sich die Zahl der Telefonate während einer Operation in den Monaten Juli 2008 bis September 2008 gehäuft haben bzw. hat (s. S. 20 der Berufungsbeantwortung des Klägers = Bl. 373 d.A.).

91

Auch der Umstand, dass die Zeugin D. nach ihren Bekundungen nicht erlebt hat, dass der Kläger während einer Operation den OP-Saal verlassen hat, um auf dem Flur zu telefonieren, während derartiges von den Zeugen A. und C. bekundet worden ist, steht den oben getroffenen Feststellungen nicht entgegen, weil sowohl die Wahrnehmungsmöglichkeiten als auch das Erinnerungsvermögen bei verschiedenen Zeugen unterschiedlich ausgestaltet sein kann. Entsprechendes gilt für die Unerheblichkeit des Umstandes, dass einzelne Zeugen zur Bezeichnung des Flurs, der vor den OP-Sälen verläuft, nicht nur den Begriff "Flur" oder "Geräteflur", sondern auch den unzutreffenden Begriff "Sterilflur" verwandt haben (- wie im übrigen auch der Kläger im Schriftsatz vom 28.10.2009 S. 11 = Bl. 364 d.A.).

92

cc) Im Rahmen der ersten Prüfungsstufe ist es für die Bejahung der Eignung des Telefonierverhaltens des Klägers als Kündigungsgrund nicht erforderlich, dass der Kläger zuvor erfolglos abgemahnt wurde. Im Rahmen dieser Prüfungsstufe war die vorherige Abmahnung entbehrlich. Dies ergibt sich daraus, dass die oben festgestellten Pflichtverletzungen als schwere Pflichtverletzung einzustufen sind.

93

(1) Bei einer schweren Pflichtverletzung ist dem Arbeitnehmer regelmäßig die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ohne weiteres genau so erkennbar, wie der Umstand, dass eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (vgl. BAG, 23.06.2009 - 2 AZR 283/08 - ). Ob eine Pflichtverletzung eines Arbeitnehmers als "schwer" in diesem Sinne einzustufen ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Vorliegend sind diese Umstände so beschaffen, dass eine schwere Pflichtverletzung festzustellen ist. Zu diesen Umständen gehört insbesondere, dass der Kläger als Chefarzt mit den im Arbeitsvertrag beschriebenen Aufgaben (§§ 4 ff. DV) in gehobener Position für die Beklagte tätig war. Er war verantwortlicher Leiter der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie (§ 2 Abs. 1 DV) und ihm oblag insbesondere die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 DV). Bei seiner rein ärztlichen Tätigkeit als Chefarzt und Operateur ist der Kläger selbständig gewesen. Der Krankenhaus-Träger, der einem Chefarzt bei der Behandlung seiner Patienten aus Gründen der ärztlichen Standesethik keine Weisungen erteilen darf, muss sich darauf verlassen, dass der Chefarzt seine ärztliche Tätigkeit ordnungsgemäß ausübt und seiner ärztlichen und medizinischen Verantwortung gerecht wird. Die durch die ärztliche Standesethik bedingte, notwendige Weisungsfreiheit des Chefarztes bei Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit geht allerdings mit einer gesteigerten Verantwortung des Chefarztes einher. Nicht nur der Krankenhaus-Träger, sondern auch der jeweilige Patient muss sich darauf verlassen können, dass der Chefarzt/Operateur dieser Verantwortung gerecht wird. Mit Rücksicht darauf muss das Telefonierverhalten des Klägers als schwere Pflichtverletzung im oben genannten Sinne gewertet werden. Der Kläger hat es zu - wenn auch nur kurzen - Operationsunterbrechungen bzw. Störungen des Operationsablaufs kommen lassen, ohne dass dies durch einen Notfall, einen notfallähnlichen Eilfall oder einen ähnlich gravierenden sachlichen Grund gerechtfertigt gewesen wäre.

94

(2) Da bereits hiernach eine (ohne vorherige Abmahnung) zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung geeignete schwere Pflichtverletzung zu bejahen ist, kann dahingestellt bleiben, ob die Schwere der Pflichtverletzung zusätzlich damit begründet werden kann, dass durch die Mitnahme des Privathandys in den Operationssaal (und die Nutzung dort) - aufgrund der (von dem Privathandy ausgehenden) Abstrahlung - medizinisch-technisches Gerät, das sich im OP-Saal befindet, gestört werden kann und es deswegen zu für den Operationsverlauf nachteiligen Fehlfunktionen kommen kann. Entsprechendes hat die Beklagte unter Bezugnahme auf den Stand der Wissenschaft behauptet (s. dazu S. 5 der Berufungsbegründung, dort unter Ziffer 2 = Bl. 325 d.A. in Verbindung mit S. 3 - unten - des Schriftsatzes vom 05.11.2009 = Bl. 463 d.A.). Jedenfalls ist festzustellen, dass es zur Zeit der verfahrensgegenständlichen Telefonate nicht einhellige Meinung in der Wissenschaft gewesen ist (vgl. dazu S. 3 des Schriftsatzes des Klägers vom 28.01.2011, dort unter d) = Bl. 901 d.A. sowie S. 3 des Schriftsatzes des Klägers vom 14.02.2011, dort unter Ziffer 5. = Bl. 945 d.A.), dass durch den Betrieb eines Mobiltelefons medizinisch-technische Geräte nicht gestört werden können. Bestand jedoch im Jahre 2008 kein wissenschaftlicher Konsens hinsichtlich der Auswirkungen der Abstrahlung eines Mobiltelefons auf medizinisch-technische Geräte, so wäre doch zumindest zu erwägen, dass der Kläger - als verantwortlicher Chefarzt - allein schon aus reinen Vorsichtsgründen die Mitnahme von zwei Mobiltelefonen in den OP-Saal hätte unterlassen müssen. Zwar dürfen die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines Arztes nicht überspannt werden. Herrscht aber Streit darüber, welches Maß an Vorsicht zur Verhütung von Schäden bei der Behandlung notwendig ist, so hat der Arzt im allgemeinen die größere Vorsicht zu beobachten, wenn er nicht fahrlässig handeln will, denn der Kranke bzw. der Patient darf verlangen, dass der Arzt alle, auch entfernte Verletzungsmöglichkeiten in den Kreis seiner Erwägungen zieht und sein Verhalten bei der Behandlung des Patienten hiernach einrichtet (vgl. dazu - in anderem Zusammenhang - BGH 27.11.1952 - VI ZR 25/52 - juris Rz 7).

95

(3) Dahingestellt bleiben kann weiter, ob der - oben bereits festgestellte - Tatbestand einer gemäß § 626 Abs. 1 BGB relevanten schweren Pflichtverletzung zusätzlich auch noch daraus hergeleitet werden kann, dass das Privathandy, das der Kläger mit in den OP-Saal genommen hat, eben nicht steril gewesen ist. Insoweit ist zu erwägen, dass sich auf nicht sterilen Gegenständen Bakterien oder andere der Gesundheit des Patienten abträgliche Partikel (- wie: pathogene Mikroorganismen) befinden können und dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen ist, dass sich der Kläger - am OP-Tisch stehend - das Privathandy an das Ohr bzw. an den Mund hat halten lassen. Dadurch könnte eine weitere (wenn auch evtl. nur entfernte) Möglichkeit einer Gesundheitsgefährdung des auf dem OP-Tisch liegenden Patienten nicht auszuschließen gewesen sein. Nach den Empfehlungen "Händehygiene" (= Mitteilung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert-Koch-Institut; Bundesgesundheitsblatt 2000 (43) 230-233) stellen die Hände des Personals "das wichtigste Übertragungsvehikel von Krankheitserregern" dar (s. dort bei Ziffer 1 - Zielsetzung -).

96

b) Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass der Kläger anders hätte handeln können und müssen. Durch die Mitnahme des Privathandys in den OP-Saal und die Entgegennahme darauf eingehender Telefonate hat der Kläger schuldhaft im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB gehandelt.

97

Liegt hiernach ein an sich zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung geeigneter wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor, so ergibt die gemäß dieser Vorschrift weiter vorgenommene Interessenabwägung (s. dazu im Einzelnen unten bei B. I. 2.), dass das Vorliegen der dort geforderten Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu verneinen ist. Dies führt zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung.

98

c) Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB hat die Beklagte freilich gewahrt. Davon, dass die Kündigung nicht innerhalb von zwei Wochen erfolgt ist, kann nicht ausgegangen werden. Die Berufungskammer ist davon überzeugt, dass der "Kündigungsberechtigte", d.h. hier: der damalige Geschäftsführer der Beklagten, der Zeuge Dr. F., erst am 24.09.2008 Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangt hat. Dies ergibt sich aus den glaubhaften Bekundungen der Zeugen Dr. F. und A., wie sie in den Sitzungsniederschriften vom 17.11.2009 (dort Seite 11 = Bl. 505 d.A.) und vom 02.02.2010 (dort Seite 3 ff. = Bl. 702 ff. d.A.) festgehalten sind. Die Frist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB beginnt (vgl. § 626 Abs. 2 S. 2 BGB), sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis vom Kündigungssachverhalt hat, die ihm die Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. Ohne Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann das Kündigungsrecht nicht verwirken (BAG 05.12.2002 - 2 AZR 478/01 - ). Zu den "für die Kündigung maßgebenden Tatsachen" i.S.d. § 626 Abs. 2 S. 2 BGB gehören vorliegend nähere Angaben über das Telefonierverhalten des Klägers bei Operationen (wie z.B. Art und Häufigkeit der Telefonate). Ohne Kenntnis dieser Angaben lief die gesetzliche Kündigungserklärungsfrist nicht an. Insoweit gehört zu den maßgebenden Tatsachen u.a. (auch) der Umstand, dass es der Kläger nicht nur vom Springer, sondern sogar von der "Anästhesie (Arzt oder Pflegekraft)" erwartete, dass diese für ihn auf beiden Telefonen (Arzttelefon und Privathandy) eingehende Telefonate entgegennahmen. Die entsprechende Kenntnis ist dem Zeugen Dr. F. erstmals durch das Schreiben vom 24.09.2008 (Anlage B 5 = Bl. 207 f. d.A.) vermittelt worden. Dem stehen die Bekundungen der Zeugin D. (S. 6 - unten - der Sitzungsniederschrift vom 17.11.2009 = Bl. 500 d.A.) und des Zeugen Dr. E. (gemäß Sitzungsniederschrift vom 02.02.2010 dort Seite 5 ff. = Bl. 704 ff. d.A.) nicht entgegen. Zwar hat der Zeuge Dr. E. (Bl. 707 d.A.) vermutet, dass Anfang 2008 der Ärztliche Direktor Prof. Dr. St. Kenntnis von dem Telefonierverhalten des Klägers gehabt habe. Einzelheiten dazu konnte der Zeuge aber nicht bekunden. Insbesondere konnte er nicht sagen, er habe den Ärztlichen Direktor darüber informiert, der Kläger telefoniere zu viel. (Jedenfalls) hat der Zeuge Dr. E. dem Zeugen Dr. F. keine Mitteilung von dem Telefonierverhalten des Klägers gemacht. Damit sind die Bekundungen des Zeugen Dr. E. nicht geeignet, den Zeitpunkt der Kenntniserlangung, so wie er sich aus den Aussagen der Zeugen Dr. F. und A. ergibt, in Frage zu stellen.

99

Dies gilt auch für die Bekundungen der Zeugin D., die sich an ein Gespräch mit dem Ergebnis erinnerte, dass das Telefonierverhalten Grund für eine Abmahnung, nicht aber für eine Kündigung sei. Als Teilnehmer dieses Gespräches nannte die Zeugin ("u.a.") sich selbst (als Vertreterin des damals verhinderten Dr. E.) sowie:

100

den Ärztlichen Direktor Prof. Dr. St.,

den Geschäftsführer Dr. F. und

den Unfallchirurgischen Direktor Dr. S..

101

Dieses Gespräch - so die Zeugin - habe kurz vor der ersten Kündigung des Klägers stattgefunden, - das könne eine oder zwei Wochen vor der Kündigung gewesen sein. Der Zeuge Dr. F. hat zu einem Gespräch mit St., D. und S. ausgeführt, dass es bei dem Gespräch nicht um das Telefonieren gegangen sei, - es ging bei diesem Gespräch - so der Zeuge - "mehr um qualitativ-medizinische Inhalte". Er - so hat der Zeuge weiter sinngemäß ausgesagt - habe damals weder eine mündliche, noch eine schriftliche Information über das Telefonierverhalten des Klägers gehabt. Im Zeitpunkt des erwähnten Gesprächs habe ihm das Schreiben von A., B. und C. (vom 24.09.2008) nicht vorgelegen. Aus dem Terminkalender 2008 des Zeugen Dr. F. - diesen Kalender hat die Beklagte im Termin vom 22.02.2011 vorgelegt - ergibt sich gleichfalls nicht, dass die Beklagte die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt hätte. Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass die Frist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB ohnehin dann gewahrt wäre, wenn der Kläger sein Telefonierverhalten bei Operationen auch noch in den letzten beiden Wochen vor dem Kündigungszugang fortgesetzt hätte. Dann wären nämlich fortlaufend neue kündigungsrelevante - zur Störung des Arbeitsverhältnisses - führende Tatsachen eingetreten.

102

2. Zweite Prüfungsstufe:

103

a) Die im Rahmen der Interessenabwägung vorzunehmende (Zumutbarkeits-)Prü-fung hat sich gemäß § 626 Abs. 1 BGB darauf zu beziehen, ob dem Kündigenden - hier also der Beklagten - die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des (Dienst- bzw.)Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dieser Maßstab macht die Prüfung notwendig, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers am 26.09.2008 überhaupt noch ordentlich kündbar gewesen ist.

104

Wäre dies der Fall gewesen, dann wäre zu fragen, ob der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch bis zum Ablauf der in § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB bestimmten Frist (d. h. hier bis zum 31.10.2008) zumutbar gewesen ist.

105

War das Arbeitsverhältnis am 26.09.2008 aber ordentlich unkündbar, dann müsste wegen § 20 Abs. 4 DV auf den Zeitraum der zu erwartenden tatsächlichen zukünftigen Vertragsbindung abgestellt werden, - d. h. auf die Zeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres des Klägers bzw. bis zu dessen "Verrentung" bzw. "Pensionierung". In einem derartigen Fall ist nicht - wie etwa im Falle der gesetzlichen Unkündbarkeit gemäß § 15 Abs. 1 KSchG - die (fiktive) gesetzliche Kündigungsfrist zugrunde zu legen, die gelten würde, wenn das Arbeitsverhältnis nicht unkündbar wäre. Die Zugrundelegung einer fiktiven Kündigungsfrist hätte nämlich zur Folge, dass die anhand von tatsächlichen Umständen des Einzelfalles vorzunehmende Interessenabwägung auf einen Zeitraum erstreckt würde, der kündigungsrechtlich - eben wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung - für den Arbeitgeber ohne Bedeutung ist (vgl. BAG 14.11.1984 - 7 AZR 474/83 -; BAG 22.08.1980 - 7 AZR 589/78 -).

106

Vorliegend ist bei der Interessenabwägung auf den sich aus § 20 Abs. 4 DV ergebenden mutmaßlichen Beendigungszeitpunkt abzustellen, denn das Arbeitsverhältnis ist nach Ablauf der Probezeit ordentlich nicht mehr kündbar gewesen. Der Kläger hat die Vereinbarung einer diesbezüglichen Unkündbarkeitsklausel unter Bezugnahme auf den Wortlaut des Vertrages ausdrücklich behauptet (S. 5 der Klageschrift; Seite 24 f. der Berufungsbeantwortung s. Bl. 377 ff. d.A.). Diese Behauptung des Klägers hat die Beklagte nicht hinreichend bestritten. Auf der Grundlage des insoweit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehenden Sachverhalts ergibt die Vertragsauslegung gemäß den §§ 133 und 157 BGB, dass ein befristeter Vertrag im Sinne des § 15 Abs. 3 TzBfG vorliegt, - und nicht etwa ein nur höchstbefristeter ordentlich kündbarer Vertrag. Dass eine derartige Befristung vorliegt, folgt im Hinblick auf die in § 20 Abs. 4 DV getroffene Regelung entweder unmittelbar aus § 15 Abs. 1 TzBfG oder aber mittelbar aus § 21 TzBfG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 TzBfG. Auch bei der Befristung durch eine Altersgrenze ist grundsätzlich - d. h. vorbehaltlich einer ausdrücklichen oder stillschweigenden "Vereinbarung" im Sinne des § 15 Abs. 3 TzBfG - die ordentliche Kündbarkeit ausgeschlossen (Schaub/Koch, 13. Auflage ArbR-Hdb. S. 345 Rz. 47 m.w.N.; APS-Backhaus, 3. Auflage TzBfG § 15, Rz. 25). Vorliegend haben die Parteien weder einzelvertraglich noch durch Bezugnahme auf eine kollektivvertragliche Regelung vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit der ordentlichen Kündigung unterliegen soll. Zwar sah der Entwurf des Arbeitsvertrages die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung auch für die Zeit nach Ablauf der Probezeit vor (§ 20 Abs. 3 DV-E; Bl. 423 d.A.). Der entsprechende Vertragstext ist im Rahmen der Vertragsverhandlung jedoch unstreitig einvernehmlich geändert bzw. gestrichen worden. Dabei ist - unter Berücksichtigung der im Rahmen der §§ 133 und 157 BGB zu beachtenden Grundsätze - für die Vertragsauslegung von entscheidender Bedeutung, dass es dem Kläger seinerzeit erkennbar nicht um die Abkürzung der im Entwurf vorgesehenen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende ging (vgl. § 20 Abs. 3 DV-E).

107

Durch den damals unstreitig auch erfolgten Hinweis des Klägers darauf, dass er nicht vorhabe zu kündigen, - er strebe eine Lebensstellung an, hat der Kläger vielmehr mit seiner Bitte, den im Vertragsentwurf vorgesehenen Passus bezüglich der ordentlichen Kündigung zu streichen, genügend deutlich gemacht, dass er wünsche, dass - wie er - auch die Beklagte nach Ablauf der Probezeit nicht mehr kündigen sollte, - dass er also eine Regelung des Inhalts wünsche, dass das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit beiderseits ordentlich unkündbar sein sollte. Dadurch, dass die Beklagte bzw. deren Geschäftsführer daraufhin den Text des § 20 DV so formulierte, wie er nunmehr - von beiden Parteien unterschrieben - vorliegt, hat die Beklagte die entsprechende Änderungsofferte des Klägers angenommen. Demgemäß bezieht sich die im Vertrag enthaltene Formulierung "auf unbestimmte Zeit" eben nur auf die in § 20 Abs. 1 DV geregelten "ersten sechs Monate der Beschäftigung", also auf die Probezeit. Für die Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit haben die Parteien in § 20 Abs. 3 DV eine abschließende Regelung dahingehend getroffen, dass der Vertrag (nur noch) "fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden" konnte. Im Hinblick auf die Umstände der Vertragsverhandlungen verbietet sich eine Auslegung dahingehend, die Parteien hätten mit der Änderung der in § 20 DV-E enthaltenen Regelung die ordentliche Kündigung beibehalten und lediglich die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist auf das gesetzliche Mindestmaß gemäß § 622 Abs. 1 und 2 BGB abkürzen wollen. Einer derartigen Auslegung stehen die Entstehungsgeschichte des § 20 DV, die Begleitumstände und die Interessenlage, die der Kläger seinerzeit dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten gegenüber deutlich gemacht hat ("Lebensstellung"), und die in der Berufungsbeantwortung dort Seite 25 - unten - (= Bl. 378 d.A. genannten Umstände) entgegen. Nach Treu und Glauben durfte die Beklagte bzw. deren damaliger Geschäftsführer redlicherweise nicht annehmen, dass es dem Kläger nur um die Abkürzung der Kündigungsfrist ging. Die Tatsachen, auf denen diese Vertragsauslegung beruht, sind unstreitig bzw. gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig anzusehen. Sie ergeben sich im Wesentlichen aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 03.11.2008 dort Seite 1 f. (= Bl. 63 f. d.A.). Weder diesem Vorbringen der Beklagten noch der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen Dr. F. vom 05.11.2008, die die Beklagte in dem Verfahren - 6 Ga 49/08 - (dort Bl. 55 ff. BA) vorgelegt hat, lässt sich entnehmen, dass der Kläger damals vor oder bei Vertragsabschluss darauf hingewiesen worden wäre, dass nach Änderung des ursprünglich im Vertragsentwurfs (dort in § 20 Ab. 3 DV-E) enthaltenen Textes dann eben die gesetzliche Kündigungsfristen-Regelung des § 622 BGB gelten würde. Nach der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen Dr. F. vom 05.11.2008 (a.a.O.) ist dieser lediglich davon ausgegangen, dass "durch das Weglassen der Kündigungsregelung die gesetzliche Regelung weiterbesteht". Diese Annahme ist aber mit Rücksicht auf die §§ 133 und 157 BGB sowie in Anbetracht des § 15 Abs. 3 TzBfG unzutreffend. Auch bei § 15 Abs. 3 TzBfG handelt es sich um eine gesetzliche Regelung im Sinne der Annahme des damaligen Geschäftsführers der Beklagten.

108

Demgemäß ist hier im Rahmen der Interessenabwägung - abgestellt auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs vom 26.09.2008 - zu fragen, ob es der Beklagten damals zumutbar gewesen ist, das Arbeitsverhältnis mit dem am 01.06.1960 geborenen Kläger noch bis zu einem der in § 20 Abs. 4 DV genannten Zeitpunkten (Altersgrenze; Datum der Zustellung des Rentenbescheids), also jedenfalls noch viele Jahre, fortzusetzen. Das hiernach gebotene Abstellen auf die tatsächliche künftige Vertragsbindung (ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit) kann sich nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung entweder zugunsten oder zu Ungunsten des Arbeitnehmers auswirken. Welche Betrachtungsweise im Einzelfall den Vorrang verdient, ist unter Beachtung des Sinns und Zwecks des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung sowie unter Berücksichtigung der Art des Kündigungsgrundes zu entscheiden (vgl. BAG 14.11.1984 - 7 AZR 474/83 - ).

109

Berücksichtigung finden kann allerdings auch - vgl. BAG 08.10.1957 - 3 AZR 136/55 -, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers für nur kurze Zeit eher zuzumuten ist als das Durchhalten eines langfristigen Vertrages.

110

b) Im Ergebnis der Interessenabwägung überwiegt das Fortsetzungsinteresse des Klägers gerade noch das Beendigungsinteresse der Beklagten. Dabei sind die einzelnen Umstände und Gesichtspunkte wie folgt zu bewerten:

111

Die in Betracht zu ziehenden möglichen Auswirkungen des Verhaltens des Klägers sprechen allerdings für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dies folgt aus dem Rang der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter und Interessen (Leben und Gesundheit der Patienten; Haftungsrisiken der Beklagten als Krankenhaus-Träger; Ruf der Beklagten in der Öffentlichkeit).

112

Zusätzlich belastend würde es sich für den Kläger im Rahmen der Interessenabwägung auswirken, wenn es aufgrund seines Verhaltens tatsächlich zu konkreten Schäden der Beklagten oder von Krankenhauspatienten gekommen wäre. Diesbezügliche Feststellungen lassen sich auf der Grundlage des Vorbringens der darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten jedoch nicht treffen. Zwar hat die Beklagte (auf S. 3 - unten - des Schriftsatzes vom 09.03.2009 = Bl. 247 d.A.) behauptet, dass die Operationen vom Kläger nicht lege artis durchgeführt worden seien, - die Komplikationen seien vom Kläger zu vertreten. Damit sind erkennbar die (Aorten-)Operationen gemeint, zu denen der Kläger im Schriftsatz vom 02.02.2009 (dort S. 5 - unten - = Bl. 218 d.A.) Stellung genommen hat. Nicht feststellbar ist, dass bei oder für die genannten Komplikationen ein etwaiges Telefonierverhalten des Klägers ursächlich gewesen sein könnte. Sofern die Beklagte eine entsprechende Kausalität behaupten wollte, hätte sie - angesichts der bestreitenden Einlassung des Klägers (s. dazu auch dessen Schriftsatz vom 10.03.2009 (dort S. 2 = Bl. 258 d.A.) - ihr Vorbringen diesbezüglich noch weiter in eine Darstellung konkreter Einzelheiten zergliedern müssen. Daran hat es die Beklagte fehlen lassen. Soweit im Übrigen aufgrund der Beweisaufnahme telefonatbedingte Operationsunterbrechungen festgestellt worden sind, lassen sich die davon betroffenen Patienten bereits nicht hinreichend individualisieren. Eine gewisse Individualisierung ist zwar in Bezug auf die Operation möglich, für die das OP-Protokoll vom 29.05.2008 vorgelegt wurde (nebst "Anästhesieverlauf", s. Hülle Bl. 525 d.A.). Dabei handelt es sich um den Fall, auf den sich die Aussagen des Zeugen C. (Sitzungsniederschrift vom 17.11.2009 S. 18 = Bl. 512 d.A.) und des Zeugen Dr. E. beziehen (Sitzungsniederschrift vom 02.02.2010 S. 7 - unten - = Bl. 706 d.A.). Nach dem OP-Protokoll vom 29.05.2008 fungierten damals der Kläger als leitender Operateur, der Zeuge Dr. E. als Anästhesist und der Zeuge C. als Anästhesie-Funktionskraft. Als "Beginn der An." wird dort "8:15 Uhr" angegeben und bei den "OP-Zeiten" heißt es: "Schnitt … 8:40 Uhr". Außerdem befinden sich dort auf dem Blatt "Anästhesieverlauf" (Hülle Bl. 525 R d.A.) handschriftliche Vermerke über die Versuche des Zeugen Dr. E. um 8:15 Uhr und um 8:26 Uhr mit dem Kläger zu telefonieren, d.h. den Kläger "rechtzeitig" im Sinne des Beschlusses der OP-Konferenz vom 06.07.2006 "zu rufen" (s. dazu S. 2 - ganz oben - des Protokolls der OP-Konferenz vom 06.07.2006 = Bl. 382 d.A. sowie die Zeugenaussage Dr. E. a.a.O.: "Der Kläger nahm das Telefonat auch an, sprach aber nicht mit mir. Ähnlich war es bei einem zweiten Telefonat am besagten Tag, einige Minuten später. Der Kläger kam aber dann schließlich"). Gemäß Ziffer 5.8 - OP-Tagesplanung - 6.8.1 hat jeder Operateur insbesondere dafür zu sorgen, dass er "unverzüglich mit dem Eingriff beginnt, sobald der Patient in Narkose ist und die Vorbereitungen durch das Pflegepersonal beendet sind".

113

Der Kläger hat es damals - nach Lage der Dinge - grundlos zu einer für den Patienten unnötigen Wartezeit zwischen dem Eintritt der Narkose und dem ersten Schnitt kommen lassen. Sein damaliges Verhalten hat er nicht erklärt, - insbesondere hat er keine Erklärung dafür abgegeben, warum er sich nicht bereits nach dem ersten Anruf von Dr. E. unverzüglich in den OP-Saal begeben hat. Dass es durch den verzögerten Beginn der Operation bei dem damaligen Patienten zu Gesundheitsschäden gekommen wäre, hat die Beklagte jedoch nicht hinreichend dargetan. Abgesehen davon war dem Kündigungsberechtigten der Vorwurf, der Kläger sei unpünktlich, was den Operationsbeginn anbelange, bereits länger als zwei Wochen vor Kündigungsausspruch bekannt. Dies ergibt sich aus den Bekundungen des Zeugen Dr. F. (S. 3 - unten - der Sitzungsniederschrift vom 02.02.2010 = Bl. 702 d.A.).

114

Der Abwägungsgesichtspunkt "besondere Verantwortung des Arbeitnehmers" spricht hier für das Beendigungsinteresse der Beklagten. Dies folgt aus der Stellung des Klägers als verantwortlicher Leiter der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie und der damit verbundenen Aufgabenstellung (§§ 2 und 4 DV). Der sich hieraus ergebenden Vorbildfunktion ist der Kläger - soweit er während einer Operation privat telefoniert hat - nicht gerecht geworden.

115

Soweit es um die Dauer der Betriebszugehörigkeit geht, spricht diese vorliegend weder für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch für das Fortsetzungsinteresse des Klägers. Der Kläger ist seit dem 01.07.2005 bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Die Dauer dieser Beschäftigungszeit ist noch nicht so lang, dass deswegen festgestellt werden könnte, der Kläger hätte bereits ein hohes Maß an Vertrauen in die Korrektheit seiner Aufgabenerfüllung und in die Achtung der Interessen der Beklagten erworben.

116

Eine - beiden Parteien zumutbare - Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung besteht nicht, da der Kläger nicht anderweitig, sondern ausschließlich als Chefarzt weiterbeschäftigt werden möchte.

117

Die im Zusammenhang mit der Unkündbarkeit zu berücksichtigenden Umstände heben sich hier in ihrer Relevanz für die Interessenabwägung im Ergebnis gegeneinander auf. Der Sinn und Zweck des vertraglichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung besteht zwar darin, dem Kläger die angestrebte Lebensstellung zu sichern. Dieser Aspekt stützt das Fortsetzungsinteresse des Klägers. Demgegenüber spricht die Art des Kündigungsgrundes für das Beendigungsinteresse der Beklagten. Der Kläger hatte es doch selbst in der Hand gehabt, sich arbeitsvertragsgemäß zu verhalten und eine Verhaltensweise, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses unmittelbar gefährdete, zu vermeiden (vgl. auch Müller-Glöge ErfK-BGB § 626, Rz 45, wo bei dem Abwägungsmerkmal "Dauer der Betriebszugehörigkeit" unter Bezugnahme auf das dort zitiert BAG-Urteil vom 27.04.2006 - 2 AZR 386/05 - ausgeführt wird, dass die ordentliche Unkündbarkeit eines Arbeitnehmers im Rahmen der Interessenabwägung nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen sei).

118

Nicht zu Gunsten des Klägers entlastend wirkt es sich aus (und zwar weder im Rahmen der Interessenabwägung noch beim Kündigungsgrund), dass ein Telefonierverhalten - wie es der Kläger gezeigt hat - "üblich" sei. Zwar hat der Kläger derartiges behauptet. In rechtserheblicher Weise hinreichend konkret vorgetragen, hat er insoweit jedoch nicht. Derartiges ergibt sich hinreichend auch nicht aus den Bekundungen des Zeugen Dr. G. (Bl. 708 f. d.A.). Geschuldet ist von einem Arzt, wie dem Kläger, die in seinem Tätigkeitsbereich erforderliche Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB), - die eben nicht immer übereinstimmt mit der Sorgfalt, die "üblicherweise" beachtet wird (vgl. BGH 27.11.1952 - VI ZR 25/52 - Rz 7 aE). Im Übrigen fehlen nähere Darlegungen des Klägers dazu, woraus es sich soll ergeben können, dass es in Krankenhäusern allgemein und speziell im Krankenhaus der Beklagten in rechtserheblicher Weise "üblich" sein soll, dass der Operateur während einer Operation privat entweder mit der Ehefrau oder bezogen auf einen Handwerker (Fliesenleger) telefoniert. Auch ist eine rechtserhebliche Üblichkeit insoweit nicht ersichtlich, als der Kläger es für sich in Anspruch genommen hat, für niedergelassene Ärzte jederzeit (also gerade auch während einer Operation) erreichbar zu sein, - so dass sich die Zahl der Telefonate während einer Operation zuletzt gehäuft hat (vgl. S. 20 der Berufungsbeantwortung). Der vom Kläger insoweit genannte Grund (Erkrankung der Sekretärin G. und Stellung einer Ersatzkraft nur zu sehr eingeschränkten Zeiten) ist weder geeignet, eine rechtserhebliche Üblichkeit darzulegen, noch geeignet, das Telefonierverhalten des Klägers zu rechtfertigen. Etwaige personelle Engpässe im Bereich der nichtmedizinischen Mitarbeiter mindern nicht die Sorgfalt, die der Chefarzt/Operateur gegenüber den Patienten beachten muss, die in eine Operation eingewilligt haben und die nicht wissen, dass der Operateur zwei betriebsbereite Telefone (Privathandy; Arzttelefon) mit in den Operationssaal nimmt (vgl. dazu den Hinweis-Beschluss vom 21.12.2009, Bl. 576 f. d.A.).

119

Für das Fortsetzungsinteresse des Klägers und gegen das Beendigungsinteresse der Beklagten spricht allerdings die soziale Schutzbedürftigkeit des Klägers, die mit Rücksicht auf das Alter des am 01.06.1960 geborenen Klägers und die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers als gesteigert anzusehen ist. Die schwerwiegenden finanziellen und sonstigen Folgen des sofortigen Verlustes des Arbeitsplatzes (- insbesondere: Wegfall der für sich und seine Familie notwendigen Einkünfte; unstreitig ist der Kläger verheiratet und hat zwei Kinder -) und die Schwierigkeiten bei der Suche einer neuen adäquaten Arbeitsstelle im Zusammenhang mit dem Ansehensverlust eines fristlos gekündigten Arztes stellen Umstände dar, die im Rahmen der Interessenabwägung unter Berücksichtigung des kündigungsschutzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zugunsten des Klägers zu berücksichtigen sind.

120

Beim Abwägungsgesichtspunkt "Verschulden" hat die Berufungskammer folgende Umstände berücksichtigt:

121

Zum einen hat der Kläger nach den glaubhaften Bekundungen der Zeugin D. die Bitte bzw. Aufforderung der Anästhesistin, aufzuhören zu telefonieren, ignoriert. Der Kläger hat sein Telefonierverhalten im OP-Saal ungeachtet dieser Bitte bzw. Aufforderung fortgesetzt. Dies spricht für einen erheblichen Grad des Verschuldens des Klägers. Andererseits ist zu bedenken, dass das Telefonierverhalten des Klägers in den sogenannten OP-Konferenzen offenbar nicht thematisiert und kritisiert worden ist, - derartiges hat die Beklagte jedenfalls nicht vorgetragen. Zwar konnte der Kläger in diesen OP-Konferenzen mit der Autorität eines Chefarztes auftreten, so dass es in gewisser Weise nachvollziehbar bzw. menschlich verständlich ist, dass er in diesen Konferenzen nicht kritisiert wurde. Ein gesteigertes Vertrauen dahingehend, dass sein Telefonierverhalten nicht zu beanstanden sei, konnte deswegen für den Kläger allein aus dem Umstand, dass sein Telefonierverhalten nicht Thema war, nicht entstehen. Gleichwohl konnte er sich in gewisser Weise dadurch in seinem Verhalten bestärkt sehen, dass gerade der Zeuge Dr. E. als sogenannter ärztlicher Berater - aber auch der OP-Koordinator B. - das Thema ("Telefonieren") in den OP-Konferenzen nicht ansprachen.

122

Schließlich erscheint das Verhalten des Klägers noch dadurch in einem etwas milderen Lichte, dass das Arbeitsgericht, also ein Kollegialgericht einer Fachgerichtsbarkeit, im erstinstanzlichen Urteil die Auffassung vertreten hat, dass es hier vor Kündigungsausspruch einer Abmahnung bedurft habe. Im Hinblick darauf und mit Rücksicht auf die oben aufgezeigte soziale Schutzbedürftigkeit des Klägers verneint die Berufungskammer deswegen im Ergebnis das Vorliegen einer Unzumutbarkeit im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB.

II.

123

Die Kündigung vom 26.09.2008 erweist sich als ordentliche Kündigung ebenfalls als rechtsunwirksam. Dies folgt bereits daraus, dass das Arbeitsverhältnis - wie oben aufgezeigt - nach Ablauf der Probezeit ordentlich nicht mehr kündbar war. Zwar sind an die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung in der Regel geringere Anforderungen zu stellen als an eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung. Dies ergibt sich aus den unterschiedlichen Anforderungen, die das Gesetz insoweit zum einen in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG und zum anderen in § 626 Abs. 1 BGB stellt. Aus diesem Grunde erscheint es zweifelhaft, ob auch im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 1 KSchG das Fortsetzungsinteresse des Klägers das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegen würde. Darauf kommt es hier jedoch deswegen nicht an, weil der Beklagten eben aufgrund der Vertragsgestaltung des § 20 Abs. 3 DV das Recht genommen ist, dem Kläger ordentlich zu kündigen. Dahingestellt bleiben kann deswegen hier weiter, ob der vorliegende Fall zu der Fallgruppe gehört, in der die Interessenabwägung im Rahmen des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gewissermaßen parallel zu der Interessenabwägung im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB verläuft (vgl. dazu BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - juris Rz. 58).

III.

124

Die Kündigungen vom 14.10.2008 und vom 22.10.2008 haben das Arbeitsverhältnis des Klägers ebenfalls weder außerordentlich-fristlos, noch fristgerecht beendet. Den ordentlichen Kündigungen steht auch hier der dem § 20 Abs. 3 DV zu entnehmende Ausschluss der ordentlichen Kündigung entgegen. Im Übrigen genügt das tatsächliche Vorbringen der Beklagten zur Begründung der Kündigungen vom 14.10.2008 und vom 22.10.2008 - die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt - nicht, um feststellen zu können, dass der Beklagten wegen des dem Kläger insoweit vorgeworfenen Verhaltens die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gewesen wäre. Auch insoweit hat deswegen das Arbeitsgericht der Klage zu Recht stattgegeben.

IV.

125

Abzuändern ist das Urteil, soweit das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat, den Kläger als Chefarzt weiterzubeschäftigen.

126

Die Voraussetzungen des insoweit in Betracht kommenden, richterrechtlich entwickelten Weiterbeschäftigungsanspruches sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar ist das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 26.09.2008, 14.10.2008 und 22.10.2008 nicht aufgelöst worden. Auch liegt hinsichtlich der Kündigung vom 26.03.2009 eine erstinstanzliche Entscheidung vor, in der festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis (auch) durch diese Kündigung weder fristlos noch ordentlich und fristgerecht beendet worden ist (Urteil des Arbeitsgerichts vom 02.09.2009 - 6 Ca 650/09 - ). Allerdings hat die Beklagte dem Kläger unstreitig - wie vom Kläger auf Seite 3 der Berufungsbeantwortung (= Bl. 356 d.A.) vorgetragen - eine neuerliche Kündigung mit Schreiben vom 10.09.2009 ausgesprochen. Diese erneute Kündigung wird von der Beklagten damit begründet, dass der Kläger im Diakonie-Krankenhaus in M. tätig geworden bzw. dort tätig geblieben sei. Die Kündigung vom 10.09.2009 hat zu einer erneuten Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geführt, die derjenigen entspricht, die vor Verkündung der Urteile vom 11.03.2009 - 6 Ca 1752/08 - und vom 02.09.2009 - 6 Ca 650/09 - bestanden hat, die die Unwirksamkeit der zuvor erfolgten Kündigungen festgestellt haben. Die Beklagte stützt die Kündigung vom 10.09.2009 auf einen neuen Lebenssachverhalt, der es möglich erscheinen lässt, dass diese Kündigung eine andere rechtliche Beurteilung erfährt als die vorangegangenen Kündigungen. Damit wurde hier durch die Kündigung vom 10.09.2009 eine zusätzliche Ungewissheit über den rechtlichen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses begründet, die das schutzwürdige Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers wieder überwiegen lässt. Damit erweist sich der streitgegenständliche Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers jedenfalls als unbegründet. In welchem rechtlichen Verhältnis der streitgegenständliche Weiterbeschäftigungsanspruch zu dem Weiterbeschäftigungsanspruch steht, den der Kläger in dem Verfahren - 6 Ca 650/09 = 3 Sa 700/09 - verfolgt, kann deswegen dahingestellt bleiben.

C.

127

Der Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens bedarf es nicht mehr. Die sachkundigen Parteien hatten gemäß Beschluss vom 20.12.2010 - 3 Sa 474/09 - Gelegenheit (s. Bl. 880 d.A.), sich zu den im Beschluss vom 02.02.2010 - 3 Sa 474/09 - gestellten Fragen zu äußern. Der ausdrücklichen Aufhebung des Beschlusses vom 02.02.2010 bedurfte es nicht (Zöller/Greger 27. Aufl. ZPO § 360 Rz 1 aE). Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 und 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt. Der Streitwert hat sich gegenüber dem Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens nicht verändert.

128

Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen haben grundsätzliche Bedeutung. Darauf beruht die Zulassung der Revision.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dreier fristloser, hilfsweise fristgerechter Kündigungen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit 2005 als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie beschäftigt.

3

In § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 18. April 2005 heißt es:

        

„Dem Arzt obliegt die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich …“

4

Gem. § 20 Abs. 3 des Vertrags kann dieser „nach Ablauf der Probezeit … fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden“.

5

Wenn der Kläger Operationen durchführte, nahm er den schnurlosen Handapparat seines Diensttelefons und sein privates Mobiltelefon mit in den Operationssaal und legte dort beide Geräte auf den Ablagetisch. Das private Mobiltelefon war in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet und dort mit einer Kurzwahlnummer hinterlegt.

6

Mit Schreiben vom 26. September 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger „aus wichtigem Grunde fristlos, hilfsweise zum nächstzulässigen ordentlichen Kündigungstermin“. Sie warf dem Kläger vor, er habe im Operationssaal häufiger Telefonanrufe angenommen oder während laufender Operationen von einem Mitglied des Operationsteams annehmen lassen. Mit Schreiben vom 14. und vom 22. Oktober 2008 kündigte die Beklagte erneut fristlos, hilfsweise fristgemäß.

7

Der Kläger hat gegen die Kündigungen rechtzeitig Klage erhoben. Er hat behauptet, im Krankenhaus der Beklagten sei die Nutzung von privaten Mobiltelefonen auch im Operationssaal allgemein üblich gewesen. Fast alle Anrufe während einer Operation seien als hausinterne auf dem Diensttelefon eingegangen und die übrigen nur deshalb auf seinem privaten Mobiltelefon, weil dieses in der internen Telefonliste des Krankenhauses aufgeführt sei. Die während einer Operation geführten Telefonate hätten sich erst in den Monaten Juli bis September 2008 gehäuft, weil seine Sekretärin erkrankt gewesen sei und ihm nur zu sehr eingeschränkten Zeiten eine Ersatzkraft zur Verfügung gestanden habe. Er habe für niedergelassene Ärzte jederzeit erreichbar sein müssen. Diesen habe er neben der Telefonnummer seines Sekretariats auch die seines privaten Mobiltelefons überlassen. Zu keiner Zeit sei ein Patient von ihm unsteril berührt worden. Zu einer zeitlichen Verzögerung von Operationen sei es nicht gekommen. Bei laufender Operation habe ihm ein anderes Mitglied des Operationsteams das Telefon an das Ohr gehalten. Im Übrigen führe selbst eine Verlängerung der Operation um wenige Minuten nicht zu einer Erhöhung der Komplikationsrate.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Belang - beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 26. September, 14. Oktober und 22. Oktober 2008 weder fristlos noch zum jeweils nächst zulässigen Termin aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, schon die Kündigung vom 26. September 2008 sei als fristlose wirksam. Sie hat behauptet, der Kläger habe in zahlreichen Fällen Operationen zum Führen privater Telefonate unterbrochen. Insbesondere in den Monaten Juli, August und September 2008 habe er täglich mindestens ein Telefonat von bis zu fünf Minuten Länge geführt. Teilweise habe er den Operationssaal für die Dauer von deutlich mehr als fünf Minuten verlassen und dabei den noch nicht operierten Patienten zurückgelassen. Jede Verlängerung der Narkose bedeute für den Patienten eine erhebliche Belastung, die mit schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken einhergehe.

10

Die Kündigung vom 14. Oktober 2008 beruhe darauf, dass der Kläger die Patienten auch in seiner Sprechstunde wegen privater Telefonate habe warten lassen. Im Jahr 2008 hätten zudem ca. 20 bis 25 Operationsberichte gefehlt. Ferner habe der Kläger bei der Landesärztekammer eine Weiterbildungsermächtigung unter Angabe falscher Daten beantragt. Die Kündigung vom 22. Oktober 2008 habe sie ausgesprochen, weil der Kläger die vorhergehende mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen habe.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet.

13

A. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 26. September 2008 aufgelöst worden.

14

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36).

15

1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 14, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Rn. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349).

16

2. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, NJW 2013, 104; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37). Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, aaO).

17

II. Danach ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das dem Kläger vorgeworfene Verhalten rechtfertige keine außerordentliche Kündigung, im Ergebnis nicht zu beanstanden.

18

1. Der Kläger hat allerdings seine Vertragspflichten in erheblicher Weise verletzt, indem er sein privates Mobiltelefon im Operationssaal auch zu privat veranlassten Telefonaten genutzt hat. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass die Beklagte Telefonate im Operationssaal keineswegs gänzlich und kategorisch untersagt hatte.

19

a) Nach § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags obliegt dem Kläger die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich. Sowohl im Hinblick auf seine leitende Position als auch auf die gesteigerte Verantwortung für Leben und Gesundheit der Patienten während einer Operation trifft ihn danach die Verpflichtung, bei Ausführung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit Störungen, die die Konzentration aller Mitglieder des Operationsteams beeinträchtigen könnten und nicht durch Notfälle bedingt oder aus medizinischen Gründen erforderlich sind, zu vermeiden.

20

b) Diese Vertragspflicht hat der Kläger verletzt.

21

aa) Das Landesarbeitsgericht hat nach der Vernehmung von Zeugen für wahr erachtet, dass Mitglieder des Operationsteams auf Geheiß des Klägers während laufender Operationen Anrufe auch auf seinem privaten Mobiltelefon entgegengenommen und an ihn weitergeleitet haben. Der Kläger habe auf diesem etwa zwei bis drei Telefonate pro Vormittag für eine Dauer von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten geführt, teilweise bei offenem Operationsfeld. Insgesamt ein- oder zweimal sei seine Ehefrau am Apparat gewesen; den Umständen sei zu entnehmen gewesen, dass diese Telefonate rein privaten Charakter gehabt hätten.

22

bb) Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts lässt keine Rechtsfehler erkennen. Sie hat den gesamten Inhalt der Verhandlung gewürdigt, ist in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze.

23

(1) Das Gericht hätte entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen haben müssen, weil diese über Wartezeiten vor und Telefonate während laufender Operationen berichtet haben, ohne zu erwähnen, dass dies auch bei anderen Operateuren vorgekommen sei. Die Zeugen wurden zum Verhalten des Klägers und nicht zu den Üblichkeiten im Krankenhaus befragt.

24

(2) Das Ergebnis der Beweiswürdigung widerspricht - anders als der Kläger meint - nicht deshalb der Lebenserfahrung, weil dieser gar nicht befugt gewesen sei, die Entgegennahme privater Telefonate durch Mitglieder des Operationsteams anzuordnen. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass ein Arbeitnehmer nur Aufgaben übernimmt, zu deren Übertragung der Anweisende berechtigt ist. Es erscheint keineswegs ausgeschlossen, dass sich Mitarbeiter eines Krankenhauses Anweisungen des Chefarztes aufgrund seiner hierarchischen Stellung weitgehend beugen.

25

(3) Das Landesarbeitsgericht hat keine wesentlichen Inhalte der Zeugenaussagen unberücksichtigt gelassen.

26

(a) Zwar hat die Beweisaufnahme ergeben, dass auch andere Operateure am Operationstisch telefonierten. Nach Aussage des betreffenden Zeugen erfolgte dies jedoch auf dem dienstlichen Handapparat. Das Landesarbeitsgericht musste hieraus nicht den Schluss ziehen, das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen sei üblich.

27

(b) Der Umstand, dass ein Zeuge nach eigener Aussage ebenfalls sein privates Mobiltelefon in den Operationssaal mitgenommen hat, vermag den Kläger nicht zu entlasten. Der Aussage sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beklagte dieses Verhalten geduldet hat.

28

cc) Das Vorbringen des Klägers, er habe während der Zeit der Krankheit seiner Sekretärin dienstliche Telefonate vermehrt selbst annehmen müssen, ist ohne Belang. Das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen wird dadurch nicht gerechtfertigt.

29

dd) Soweit der Kläger geltend macht, die Nutzung von Mobiltelefonen bei Operationen sei gang und gäbe und habe sich im Sinne der Patientenversorgung sogar als vorteilhaft erwiesen, ist nicht ersichtlich, weshalb dies - die Richtigkeit des Vorliegens unterstellt - auch für private Telefonate gelten sollte.

30

2. Gleichwohl ist es der Beklagten zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen. Angesichts der Umstände des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht. Das vermag der Senat selbst zu entscheiden.

31

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu. Eine eigene Beurteilung der Fallumstände und Abwägung der Interessen durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Ein solcher Fall liegt hier vor.

32

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwar habe es einer Abmahnung des Klägers nicht bedurft, im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung überwiege jedoch das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Dem folgt der Senat nur im Ergebnis. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts ist rechtsfehlerhaft. Sie berücksichtigt nicht ausreichend die Umstände des Streitfalls. Angesichts ihrer ist eine Abmahnung als Reaktion der Beklagten ausreichend.

33

aa) Bei der Beklagten besteht nicht etwa ein generelles Verbot, während einer Operation zu telefonieren. Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig, dass dienstliche Telefonate während laufender Operationen von der Beklagten zumindest geduldet wurden. Dementsprechend hat sie die Mitnahme des Diensttelefons in den Operationssaal und dessen Benutzung durch den Kläger nicht beanstandet. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, sie habe Vorgaben für das Telefonieren während einer Operation dahingehend gemacht, dass dies nur in Not- oder Ausnahmefällen gestattet sei. Sie hat damit jedenfalls für Fälle dienstlich veranlasster Telefonate billigend in Kauf genommen, dass die Konzentration der Mitglieder eines Operationsteams durch Telefonate beeinträchtigt würde, auch ohne dass ein Not- oder Ausnahmefall vorläge. Der Kläger durfte zwar nicht annehmen, die Beklagte dulde in gleicher Weise auch das Führen privater Telefonate während laufender Operationen. Sein vertragswidriges Verhalten erscheint unter diesen Umständen aber in einem deutlich milderen Licht. Mit privaten Telefonaten ist keine andere Beeinträchtigung der ärztlichen Konzentration und Gefahr für die Sterilität der Umgebung verbunden als mit dienstlich veranlassten. Sie erhöhen die fraglichen Risiken nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Zahlenmäßig wiederum waren die privat veranlassten Gespräche eher unbedeutend. So hat das Landesarbeitsgericht zwar für wahr erachtet, dass pro Vormittag im Operationssaal zwei bis drei Anrufe in einer Länge von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten auf dem privaten Mobiltelefon des Klägers zusätzlich zu denen auf dem Arzttelefon eingingen. Es steht aber nicht einmal fest, dass es sich dabei ausnahmslos - und nicht nur in den wenigen ausdrücklich erwähnten Einzelfällen - um private Anrufe handelte. Da die Rufnummer des Mobiltelefons in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet war, kann dies auch nicht ohne Weiteres vermutet werden. Zudem ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder die seitens der Beklagten vorgetragene - längere - Dauer der Telefonate von bis zu fünf Minuten noch ihre Behauptung erwiesen, der Kläger habe Operationen wegen privat - und gerade nicht dienstlich - veranlasster Telefongespräche unterbrochen.

34

bb) Unter diesen Umständen war vor Ausspruch einer auf die erhobenen Vorwürfe gestützten Kündigung eine Abmahnung des Klägers nicht entbehrlich. Weder gibt es Anhaltspunkte für die Annahme, eine Abmahnung hätte eine Änderung im Verhalten des Klägers in der Zukunft nicht bewirken können, noch wiegt dessen Pflichtverletzung - nicht nur dienstlich veranlasste, sondern auch einige private Telefongespräche aus dem Operationssaal geführt zu haben - so schwer, dass selbst ihre einmalige Hinnahme der Beklagten objektiv unzumutbar wäre. Etwas anderes folgt - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht daraus, dass der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme am 29. Mai 2008 verspätet zur Operation erschienen ist. Dies blieb ein vereinzelter Vorfall.

35

cc) Der Umstand, dass das Landesarbeitsgericht auf die mit dem Beweisbeschluss vom 2. Februar 2010 vorgesehene Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Verhaltensanforderungen des medizinischen Personals bei Operationen, zum Einfluss des Bereithaltens von Mobiltelefonen auf medizinisch-technische Geräte und zu den Gefahren einer Insterilität des Telefons verzichtet hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

36

(1) Das Landesarbeitsgericht war nicht deshalb zur Beweiserhebung verpflichtet, weil es den entsprechenden Beweisbeschluss erlassen hat. Ein förmlicher Beweisbeschluss ist eine bloß prozessleitende Anordnung. Er ist für das Gericht nicht bindend (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 359 Rn. 1; Musielak/Stadler ZPO 9. Aufl. § 360 Rn. 2). Es kann vielmehr ganz oder teilweise von der Erledigung des Beschlusses absehen. Dessen formeller Aufhebung bedarf es dazu nicht. Es genügt, dass dies - wie hier geschehen - im Urteil begründet wird (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 360 Rn. 1; Musielak/Stadler aaO).

37

(2) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe jedenfalls aus materiellrechtlichen Gründen nicht von einer Einholung des Gutachtens absehen dürfen, ist bereits unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Es fehlt an der Darlegung, welches Ergebnis das Gutachten voraussichtlich erbracht hätte und weshalb dieses Ergebnis zu einer anderen Entscheidung des Berufungsgerichts hätte führen können. Die Rüge ist überdies unbegründet. Auf die zunächst als erheblich angesehenen Beweisfragen kommt es für die Entscheidung nicht an. Die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung hängt nicht davon ab, ob und ggf. welche medizinisch relevanten Risiken mit der Benutzung von (Mobil-)Telefonen im Operationssaal und während laufender Operationen objektiv verbunden sind. Die Gerichte für Arbeitssachen haben im vorliegenden Zusammenhang nicht über die Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst und der Hygiene im Hause der Beklagten zu urteilen. Zu entscheiden ist darüber, ob es der Beklagten unzumutbar ist, mit dem Kläger weiterhin zusammenzuarbeiten, weil dieser nicht nur dienstlich veranlasste Telefonate aus dem Operationssaal mit Arzt- und Mobiltelefon führte - was sie wusste und duldete -, sondern auch einige Privatgespräche. Dafür sind die im ursprünglichen Beweisbeschluss formulierten Fragen ohne Bedeutung.

38

B. Die Kündigung vom 26. September 2008 hat auch als ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Dafür kommt es nicht darauf an, ob die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung im Streitfall nicht ohnehin vertraglich ausgeschlossen war. Die Kündigung ist nicht iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen und auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

39

C. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist ebenso wenig durch die Kündigungen vom 14. und 22. Oktober 2008 beendet worden. Die Vorinstanzen haben angenommen, das ihrer Begründung dienende Vorbringen der Beklagten sei unsubstantiiert und stütze den Kündigungsvorwurf nicht. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Verfahrensrügen hat die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht erhoben.

40

D. Die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    F. Löllgen    

        

    Bartz    

                 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 02.09.2009 - 6 Ca 650/09 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 26. März 2009 sowie um Ansprüche auf Vergütung und Rechnungslegung.

2

Der Kläger war seit dem 1. Juli 2005 als Chefarzt der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospitals in A-Stadt aufgrund Arbeitsvertrags vom 18. April 2005 (Bl. 38 bis 60 d.A.) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält u.a. folgende Regelungen:

3

"(…)

4

§ 19
Tätigkeit außerhalb der Dienstaufgaben

5

Jede Tätigkeit außerhalb der Dienstaufgaben bedarf der schriftlichen Zustimmung des Krankenhausträgers (Nebentätigkeitserlaubnis).

6

§ 20
Vertragsdauer, Kündigung

7

(1) Der Vertrag tritt am 01.07.2005 in Kraft; er wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.

8

Die ersten 6 Monate der Beschäftigung sind Probezeit.

9

(2) Während der Probezeit kann der Vertrag mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.

10

(3) Nach Ablauf der Probezeit kann der Vertrag fristlos gem. § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden.

11

(4) Der Vertrag endet ohne Kündigung mit Erreichung der in § 19 AVR-Caritas in der jeweils gültigen Fassung festgelegten Altersgrenze oder mit Ablauf des Monats, in welchem dem Arzt der Bescheid über eine vom Rentenversicherungsträger oder von einer anderen Versorgungseinrichtung festgestellte Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zugestellt wird und rechtskräftig ist.

12

(…)"

13

Die Beklagte hatte gegenüber dem Kläger bereits mit Schreiben vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008 jeweils eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen. Das Arbeitsgericht Koblenz hat in dem unter dem Aktenzeichen 6 Ca 1752/08 geführten Vorprozess der Parteien mit Urteil vom 11. März 2009 der gegen diese Kündigungen gerichteten Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Diese Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig (vgl. LAG Rheinland Pfalz 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - und BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 -).

14

Am 17. März 2009 erhielt der Prozessbevollmächtigte des Klägers folgendes Schreiben des damaligen Geschäftsführers der Beklagten, Herrn K. (Bl. 33, 34 d.A.):

15

"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Dr. D.,

16

in Sachen Dr. C. konnte ich heute mit unserem bisherigen Prozessvertreter, Herr RA G. Rücksprache nehmen. Herr RA G. und ich erinnerten uns beide, dass Herr Dr. C. auf Befragen der Vorsitzenden Richterin Dr. M. im Kammertermin letzte Woche sinngemäß geäußert habe, er sei in gewissem Umfang selbständig tätig und/oder operiere gelegentlich bzw. vertretungsweise.

17

Hierzu stelle ich, auf Basis des Dienstvertrages, an dem Ihr Mandant ja unbedingt festhalten will, fest, dass eine solche Tätigkeit außerhalb unseres Krankenhauses auf Basis des Vertrages definitiv nicht zulässig ist. Da mir, außer dieser überlieferten Äußerung zu einem möglichen, massiven weiteren Pflichtenverstoß noch keine verdichteten Informationen vorliegen, gehen wir nun wie folgt vor:

18

Ich setze Ihrem Mandanten hiermit eine Frist von 48 Stunden, zu den folgenden Verdachtsmomenten mir gegenüber schriftlich (Faxübermittlung reicht aus) Stellung zu nehmen. Die Frist beginnt mit der Übermittlung dieses Faxes. Sollte Ihr Mandant, aus welchen Gründen auch immer, an der Beantwortung aus dringenden Gründen verhindert sein, müssen Sie oder Herr Dr. C. dies innerhalb der Frist in der vorgenannten Form mitteilen und begründen. Ich werde in diesem Fall die Frist nochmals verlängern, wenn dies erforderlich ist.

19

Erfolgt keine Stellungnahme oder wird diese verweigert, werden wir weitere Maßnahmen auf Basis der uns dann vorliegenden Informationen durchführen.

20

Nun zu meinen Fragen:

21

1. Welchen ärztlichen Tätigkeiten ist Herr Dr. C. seit Zugang der ersten fristlosen Kündigung am 26.9.2008 nachgegangen ?

22

2. Ist Herr Dr. C. für andere Krankenhäuser seit dem 26.9.2008 ärztlich tätig geworden, insbesondere als Chirurg? Falls ja:

23

- in welchen Krankenhäusern
- in welchem Umfang und
- mit welchen Tätigkeiten ?

24

3. Erfolgte eine ärztliche Tätigkeit in selbständiger, nicht-selbständiger (also angestellter) oder in sonstiger Form ? Falls ja, wurde ein Vertragsverhältnis zu einem anderen Krankenhaus als unserem begründet ?

25

4. Wo und wie ist Herr Dr. C. derzeit, Stand: 17. März 2009 beschäftigt ?

26

Die Antwort ist unmittelbar an mich zu richten, nicht an unsere bisherigen oder die künftig für uns in dieser Sache tätigen Rechtsanwälte."

27

Auf dieses Schreiben antwortete der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 19. März 2009 (Bl. 35 d.A.) wie folgt:

28

"Sehr geehrter Herr K.,

29

Sie unterstellen in Ihrem Schreiben vom 17.03.2009 meinem Mandanten eine Äußerung, die unzutreffend ist. Ich habe daher sofort eine Anfrage an die 2. Kammer des Arbeitsgerichts gerichtet, damit mir dies auch von dort bestätigt wird.

30

Mein Mandant hat auf die Frage der Richterin geantwortet, dass er zurzeit eine Vertretungstätigkeit in einem Krankenhaus mache.

31

Trotz ihrer unzutreffenden Unterstellung erkläre ich hiermit folgendes:

32

Mein Mandant ist zurzeit im Regierungsbezirk Gießen, Hessen, an einem Krankenhaus tätig, um seine chirurgischen Fähigkeiten zu erhalten und nicht zuletzt auch im Hinblick auf § 615 Satz 2 BGB. Seit der ersten Kündigung war er an keinem anderen Krankenhaus tätig, schon gar nicht im Einzugsbereich von A-Stadt, wie Sie wohl unterstellen.

33

Sollten Sie Ihre Unterstellungen weiterhin aufrechterhalten, behalte ich mir eine Unterlassungs- und Widerrufsklage vor."

34

Auf die schriftliche Anfrage des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 18. März 2009 (Bl. 36 d.A.) gab die Vorsitzende der 6. Kammer des Arbeitsgerichts Koblenz folgende Stellungnahme vom 18. März 2009 (Bl. 37 d.A.) ab:

35

"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Dr. D.,

36

nach meiner Erinnerung fragte ich Ihren Mandanten vor dem Hintergrund einer von der Kammer angestrebten vergleichsweisen Erledigung des Verfahrens wie auch der gesetzlichen Regelung des § 615 S. 1 und 2 BGB, ob er zur Zeit beruflich etwas mache. Herr Dr. C. antwortete sinngemäß, dass er vertretungsweise tätig sei. Allerdings meine ich mich erinnern zu können, dass Herr Dr. C. beiläufig das Thema "Erhaltung der operativen Fähigkeiten" erwähnte, nicht ich.

37

Eine Abschrift dieses Schreibens - wie auch Ihrer Anfrage vom 18.03.2009 nebst Anlagen - gestatte ich mir, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu übersenden."

38

Mit Schreiben vom 26. März 2009 (Bl. 32 d.A.) kündigte die Beklagte dem Kläger erneut fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin.

39

In der Zeit vom 1. Februar bis 31. August 2009 war der Kläger als Chefarzt der chirurgischen Abteilung im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. beschäftigt. Das St. N.-Stiftshospital in A-Stadt und das Diakonie-Krankenhaus in M. sind Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Die Entfernung zwischen den beiden Krankenhäusern beträgt 104 km Luftlinie und 151 km auf den Verkehrsstraßen. Die Fahrzeit von M. nach A-Stadt beträgt mit dem Auto mindestens drei Stunden (wegen der von L. bis M. verlaufenden Land- oder Kreisstraßen mit vielen Baustellen) und mit der Bahn mindestens dreieinhalb Stunden (mindestens dreimaliges Umsteigen). Bei der Beklagten werden jährlich ca. 9.000 Patienten behandelt.

40

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung sei rechtsunwirksam, weil es sowohl an ausreichenden Kündigungsgründen als auch an der erforderlichen vorangegangenen Abmahnung fehle. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe er mit seiner Tätigkeit am Diakonie-Krankenhaus in M. nicht gegen das Wettbewerbsverbot während des bestehenden Arbeitsverhältnisses verstoßen. Die Ansicht, dass jegliche anderweitige ärztliche Tätigkeit einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot darstelle, stehe in Widerspruch zu § 615 Satz 2 BGB. Zwischen dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus in A-Stadt und dem Diakonie-Krankenhaus in M. bestehe keine Wettbewerbssituation. Er erinnere sich jedenfalls nicht daran, dass er in seiner Zeit in A-Stadt jemals einen Patienten aus dem Einzugsbereich von M. bzw. von F./F. behandelt habe. Wenn es überhaupt jemals aus der Region M. Patienten im A. Krankenhaus gegeben habe, dann könne es sich hierbei ausschließlich um Patienten der inneren Abteilung handeln, die sich aufgrund der persönlichen Kontakte von Herrn Prof. St. (Chefarzt der inneren Abteilung am Krankenhaus in A-Stadt) nach M., wo dieser viele Jahre als Krankenhausarzt an der Universitätsklinik tätig gewesen sei, in dessen Behandlung begeben hätten. Aber auch umgekehrt habe es keine Konkurrenzsituation gegeben. Jedenfalls sei seit Beginn des Jahres 2009 im Diakonie-Krankenhaus in M. kein einziger Patient aus A-Stadt behandelt worden. Weiterhin sei auch der Vorwurf einer Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht absurd. Da er in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich betont habe, dass es sein Ziel sei, an das Krankenhaus in A-Stadt zurückzukehren, entspreche es der Wahrheit, wenn er geäußert habe, dass er zur Zeit in einem Krankenhaus "vertretungsweise" tätig sei. Er habe auch in M. wiederholt auf die Kündigungsschutzverfahren sowie auf sein Ziel hingewiesen, wieder an das A. Krankenhaus zurückkehren zu können. Er habe wahrheitsgemäß erklärt, dass er über Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit verfüge. Hingegen sei er nicht gefragt worden, um welche vertraglichen Beziehungen es sich handele. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei bereits gemäß § 20 des Dienstvertrages für den Arbeitgeber ausgeschlossen. Aufgrund der Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigungen sei die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für die Zeit vom 26. September 2008 bis 31. Januar 2009 zur Zahlung der geltend gemachten Vergütungsansprüche verpflichtet. Weiterhin habe die Beklagte die begehrte Rechnungslegung hinsichtlich der KV-Abrechnung für die Quartale II/08 und III/08 vorzunehmen.

41

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

42

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sowohl durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 26.03.2009 als auch durch die zugleich hilfsweise zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden ist,

43

die Beklagte zu verurteilen, ihn als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospital in A-Stadt zu unveränderten Bedingungen gem. Dienstvertrag vom 18.04.2005 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen,

44

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 38.194,44 EUR brutto als Dienstvergütung gem. § 8 Abs. 1 DV abzüglich 8.816,40 EUR netto zu zahlen,

45

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.002,81 EUR netto als Dienstvergütung aus liquidationsberechtigter Tätigkeit gem. § 8 Abs. 2 DV zu zahlen,

46

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.481,98 EUR brutto aus liquidationsberechtigter Tätigkeit im Bereich der Privatambulanz zu zahlen,

47

die Beklagte zu verurteilen, über die Abrechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz für die Quartale II/08 und III/08 Rechnung zu legen.

48

Die Beklagte hat beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Sie hat erwidert, die Kündigung sei wegen der unerlaubten Wettbewerbstätigkeit sowie aufgrund der Falschaussage des Klägers im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht im ersten Kündigungsschutzprozess gerechtfertigt. Der Kläger habe mit seiner Anfang Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit als Chefarzt der chirurgischen Abteilung im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. gegen das für die Dauer des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses bestehende Wettbewerbs verstoßen. Entgegen der Ansicht des Klägers sei eine Wettbewerbssituation zwischen ihrem Krankenhaus in A-Stadt und dem Diakonie-Krankenhaus in M. gegeben. Die räumliche Distanz zwischen den beiden Krankenhäusern beziehe insbesondere Patienten ein, die räumlich zwischen den beiden Krankenhäusern leben würden, hier insbesondere in der Region Hoher Westerwald. Zum Beispiel könne man von den Ortschaften im Postleitzahlenbezirk 57500 bis 57589 beide Krankenhäuser in fast gleicher Zeit per Auto erreichen. Die bestehende Wettbewerbssituation lasse sich dadurch beweisen, dass Kunden bzw. Patienten zwischen den beiden Wettbewerbern aussuchen könnten und dies auch tun würden, wie dies in Bezug auf Patienten aus dem Einzugsbereich des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. der Fall sei. Aus den genannten Postleitzahlenbezirken 57500-57589, unter anderem aus F., seien 11 Patienten im Jahr 2007, 22 Patienten im Jahr 2008 und 6 Patienten in der Zeit von Januar bis Mai 2009 gekommen. Aber auch aus dem unmittelbaren Umfeld des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. würden Patienten zu ihr kommen, so dass an dem Bestehen einer Wettbewerbssituation keine Zweifel bestehen könnten. Aus dem Bereich M., Postleitzahlengebiet 35041-35288, seien zu ihr im Jahr 2007 10 Patienten, im Jahr 2008 22 Patienten und in der Zeit von Januar bis Mai 2009 12 Patienten gekommen. Die unerlaubte Wettbewerbstätigkeit des Klägers habe ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht. Zum einen sei der Kläger in einem Krankenhaus in ihrem Einzugsgebiet tätig geworden und habe damit eine unmittelbare Konkurrenztätigkeit eröffnet. Es sei zu befürchten, dass Patienten nun dem A. Klinikum den Rücken kehren würden, um in M.-W. vom Kläger behandelt zu werden oder sich als Erstpatienten für das Diakonie-Krankenhaus anstatt für ihr Krankenhaus zu entscheiden. Zum anderen habe sich der Kläger im Rahmen der "Ermittlungen" zu seiner Wettbewerbstätigkeit durch die Verweigerung der Beantwortung berechtigter Fragen sowie durch die Androhung von Gegenmaßnahmen derart unkooperativ gezeigt, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich sei. Als besonderen Vertrauensbruch werte sie die objektive Falschaussage im Termin am 11. März 2009, in dem der Kläger auf Befragen der Vorsitzenden wahrheitswidrig geäußert habe, er sei nur vertretungsweise an einem anderen Krankenhaus tätig, während er in Wahrheit offiziell als amtierender Chefarzt dort tätig sei. Beides sei bereits vom Wortlaut her nicht miteinander vergleichbar. Durch seine Aussage habe der Kläger nicht nur das Gericht getäuscht, sondern vor allem sie selbst. Mit der Täuschung habe der Kläger versucht, von der verbotswidrigen Wettbewerbstätigkeit abzulenken, um damit seine Position zu verbessern. Damit sei das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien endgültig zerstört. Die beharrliche Fortsetzung der Wettbewerbstätigkeit und damit einhergehende Leugnung einer Wettbewerbssituation zeige, dass der Ausspruch einer Abmahnung anstelle der Kündigung keine Verhaltensänderung des Klägers gebracht hätte. Der Ausspruch einer Abmahnung wäre auch unzumutbar gewesen, weil sie den Kläger dann zunächst hätte weiterbeschäftigen müssen. Ein Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts ergebe sich aus dem Dienstvertrag nicht. Vielmehr werde lediglich klargestellt, dass auch nach Ablauf der Probezeit beim Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung keine Kündigungsfrist einzuhalten sei.

51

Mit Urteil vom 2. September 2009 - 6 Ca 650/09 - hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 26. März 2009 nicht aufgelöst worden sei und dem Kläger die geltend gemachten Zahlungsansprüche sowie der Rechnungslegungsanspruch zustünden. Die fristlose Kündigung vom 26. März 2009 sei nicht wegen des behaupteten Wettbewerbsverstoßes gerechtfertigt. Auch bei einer unterstellten Konkurrenztätigkeit hätte die Beklagte zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor Ausspruch der Kündigung dem Kläger zunächst eine Abmahnung erteilen müssen. Für den Kläger sei nur schwer erkennbar gewesen, dass seine Tätigkeit in dem 150 km entfernten Diakonie-Krankenhaus eine Konkurrenztätigkeit darstellen solle, die er auch nach Ausspruch von drei Kündigungen nicht habe ausüben dürfen. Vorliegend sei als Besonderheit zu berücksichtigen, dass sich der Kläger in einem Kündigungsschutzprozess befunden habe. Erst nach Ausspruch einer Abmahnung wäre für den Kläger deutlich erkennbar gewesen, dass die Beklagte seine Tätigkeit beim Diakonie-Krankenhaus als kündigungsrelevanten Sachverhalt einstufe. Dem Kläger wäre so die Möglichkeit geblieben, sein Verhalten zu ändern, indem er seine Tätigkeit beim Diakonie-Krankenhaus aufgegeben hätte. Dem widerspreche auch nicht der Umstand, dass der Kläger nach Erhalt der streitgegenständlichen Kündigung wegen behaupteten Wettbewerbsverstoßes sein Arbeitsverhältnis mit dem Diakonie-Krankenhaus zunächst fortgesetzt habe. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt sei der Zugang der streitgegenständlichen Kündigung, bis zu dem die Beklagte dem Kläger keine Abmahnung erteilt habe. Unabhängig davon führe die vorzunehmende Interessenabwägung zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung. Hinsichtlich des Grades der Vorwerfbarkeit sei zu berücksichtigen, dass schon die Frage eines objektiven Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot kontrovers diskutiert werden könne. Der Kläger habe sich nicht selbständig gemacht, sondern seine Tätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt, bei dem es ihm ersichtlich um eine Übergangslösung gegangen sei, um den Zeitraum der Ungewissheit bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung zu überbrücken. In zeitlicher Hinsicht habe der Kläger seine Tätigkeit im Diakonie-Krankenhaus erst vier Monate nach der ersten fristlosen Kündigung aufgenommen. Darüber hinaus habe die Beklagte auch zu konkreten Auswirkungen der Konkurrenztätigkeit des Klägers auf ihre eigene Tätigkeit nichts vorgetragen. Die von der Beklagten angeführten Patientenzahlen aus dem Einzugsgebiet des Diakonie-Krankenhauses in M., die bei ihr pro Jahr behandelt worden seien, würden sich im unteren Promillebereich bewegen. Die Beklagte habe auch selbst nicht behauptet, dass aufgrund der Tätigkeit des Klägers ab Februar 2009 im Diakonie-Krankenhaus in M. Patienten aus ihrem Einzugsbereich nach M. gewechselt seien. Der Kläger habe im vorliegenden Verfahren stets zum Ausdruck gebracht, dass er weiter bei der Beklagten arbeiten wolle, so dass sich die Arbeitsaufnahme bei dem Diakonie-Krankenhaus in M. offensichtlich als eine Übergangslösung darstelle, die von der Beklagten auch nur so habe verstanden werden können. Letztlich könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger nachhaltig gehalten sei, seine Tätigkeit zum Erhalt seiner chirurgischen Fähigkeiten tatsächlich auszuüben. Auch unter Berücksichtigung der besonderen Konfliktsituation, in der sich der Kläger nach Ausspruch der ersten fristlosen Kündigungen im Hinblick auf die erforderliche Sicherung seines Lebensstandards befunden habe, überwiege das Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse der Beklagten an einer sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Soweit die Beklagte die fristlose Kündigung auf eine Falschaussage des Klägers im Kammertermin vom 11. März 2009 gestützt habe, fehle es bereits an einem wichtigen Grund. Eine bewusst wahrheitswidrige Erklärung des Klägers sei nicht zu erkennen. Bei der Auslegung seiner Erklärung sei insbesondere der Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen. Danach könne seine Äußerung, dass er "vertretungsweise" in einem anderen Krankenhaus tätig sei, vom objektiven Empfängerhorizont nur so verstanden werden, dass er damit zum Ausdruck habe bringen wollen, nur vorübergehend woanders tätig zu sein. Der Begriff "vertretungsweise" bringe umgangssprachlich auch zum Ausdruck, lediglich vorübergehend im Sinne einer Übergangslösung tätig zu sein. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und der Gesprächssituation im Kammertermin vom 11. März 2009 lägen keine Anhaltspunkte für einen bewusst wahrheitswidrigen Vortrag des Klägers vor. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei aus den Gründen, die zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung führen würden, ebenfalls unwirksam. Nach der auch bei der ordentlichen Kündigung vorzunehmenden Interessenabwägung würde das Fortführungsinteresse des Klägers gegenüber dem Auflösungsinteresse der Beklagten überwiegen. Weiterhin habe der Kläger während der Dauer des Rechtsstreits einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Da der Kläger ein die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 26. März 2009 feststellendes Urteil erstritten habe, könne die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers nicht begründen. Vielmehr müssten zusätzliche Umstände hinzukommen, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergebe, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen. Solche Umstände habe die Beklagte nicht vorgetragen. Zudem stünden dem Kläger die mit den Anträgen zu 3) bis 6) geltend gemachten Ansprüche zu, die dem Grunde und der Höhe nach unstreitig seien.

52

Gegen das ihr am 5. November 2009 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 18. November 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 19. November 2009 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, sowie ergänzend mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

53

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe unzutreffend im Hinblick auf das vorgetragene Zahlenmaterial eine mögliche Gefährdung des Arbeitgebers aufgrund des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot in Zweifel gezogen. Denn sie habe die konkreten Daten zu Patienten, die sich räumlich sowohl in Richtung des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. als auch in Richtung ihres Krankenhauses in A-Stadt orientieren könnten, nur beispielhaft anhand einzelner Ortschaften vorgelegt und nachgewiesen. Damit sei aber die absolute Anzahl der Patienten, die sowohl in die eine wie auch die andere Richtung gehen könnten, völlig offen. Deshalb verbiete sich auch jeglicher Rückschluss auf eine Relation zur absoluten Anzahl der Patienten von ca. 9.000 jährlich. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die Kündigung nicht mangels vorheriger Abmahnung unwirksam. Zwar könne in der Tat ohne nähere Berücksichtigung der Umstände nicht festgestellt werden, dass dem Kläger die Relevanz der Marktsituation klar gewesen sei. Dies spiele aber für den objektiven Pflichtverstoß keine Rolle. Entscheidend sei vielmehr, dass die Marktposition des Arbeitgebers objektiv nicht verletzt und noch nicht einmal gefährdet werden dürfe. Ob der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung bewusst oder gar mit Schädigungsabsicht begangen habe, sei nicht entscheidend. Dies könne allenfalls im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Relevanz erlangen. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass der Kläger arbeitsrechtlich beraten und vertreten sei. Sein Prozessbevollmächtigter habe ihn darauf hinweisen müssen, dass die Aufnahme der Arbeit im Diakonie-Krankenhaus einen Pflichtverstoß begründen und die Gefahr einer Kündigung wegen eines Wettbewerbsverstoßes beinhalten könnte. Jedenfalls sei dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten aufgrund ihres Anhörungsschreibens vom 17. März 2009 klar gewesen, dass die Tätigkeit des Klägers für ein anderes Krankenhaus arbeitsrechtlich ein nicht unerhebliches Problem begründen würde. Materiell handele es sich dabei um eine vorsorgliche Abmahnung. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts habe der Kläger hieraus allerdings keineswegs die Konsequenz gezogen, das ab dem 1. Februar begründete Arbeitsverhältnis mit dem Diakonie-Krankenhaus alsbald zu beenden. Denn der Kläger habe verschwiegen, dass nicht er durch seine Kündigung das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet habe, sondern eine zuvor vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung, die das Diakonie-Krankenhaus zum Ende der Probezeit Ende Juli 2009 zum 31. August 2009 ausgesprochen habe. Entgegen der Darstellung des Klägers habe dieser bei den beiden Einstellungsgesprächen mit dem Geschäftsführer des Diakonie-Krankenhauses, Herrn Dr. G., nicht offengelegt, dass er das Arbeitsverhältnis alsbald wieder beenden wolle, um zu seinem Arbeitgeber nach A-Stadt zurückzukehren. Vielmehr wäre er in diesem Fall gar nicht eingestellt worden, weil nach den Angaben des Herrn Dr. G. nur eine langfristige Besetzung der Chefarztstelle sinnvoll und beabsichtigt gewesen sei. Die vom Arbeitsgericht zugunsten des Klägers aufgestellte Prognose, wonach dieser nach einer Abmahnung das neu begründete Arbeitsverhältnis ja hätte kündigen können, habe sich gerade nicht bestätigt. Der Kläger habe weder nach dem Anhörungsschreiben vom 17. März 2009 noch nach der fristlosen Kündigung vom 26. März 2009 sein Arbeitsverhältnis gekündigt, sondern stattdessen im Diakonie-Krankenhaus so lange wie möglich weitergearbeitet. Auf der zweiten Prüfungsstufe habe das Arbeitsgericht zu Unrecht verschiedene Punkte einseitig zugunsten des Klägers gewertet. In Bezug auf den Grad der Vorwerfbarkeit des Pflichtverstoßes sei zu berücksichtigen, dass es für den Kläger selbst jedenfalls erkennbar gewesen sei, dass Patienten aus dem zwischen den beiden Krankenhäusern gelegenen Territorium sowohl zu seinem neuen Arbeitgeber wie auch zu ihr kommen könnten. Weiterhin müsse sich der Kläger eine unterlassene Belehrung durch seinen Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Soweit der Kläger die Wettbewerbstätigkeit erst vier Monate nach der ersten fristlosen Kündigung aufgenommen habe, beseitige dies den späteren und nachhaltigen Pflichtverstoß nicht. Diesbezüglich habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass der Kläger sich im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. jedenfalls vor dem 1. Februar beworben und damit die Konkurrenztätigkeit konkret in Angriff genommen habe. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht zugunsten des Klägers unterstellt, dass sie keinen konkreten Schaden nachgewiesen habe und sich die tatsächlichen Patientenzahlen im unteren Promillebereich bewegen würden. Die absolute Anzahl der Patienten, die anstatt zu ihr nach M.-W. gegangen seien, könne zum einen nicht aufgeklärt werden und sei zum anderen für den Pflichtverstoß gerade nicht entscheidend. Mangels entsprechender Darlegungs- und Beweislast könne aus ihrem fehlenden konkreten Vortrag zur absoluten Anzahl der abgeworbenen Patienten oder der Patienten, die sich zwischen beiden Krankenhäusern entscheiden könnten, keine Rückschlüsse zugunsten des Klägers gezogen werden. Soweit das Arbeitsgericht darauf verwiesen habe, dass der Kläger zum Erhalt seiner Fähigkeiten als Chirurg gehalten sei, seine Tätigkeiten tatsächlich auszuüben, berechtige ihn dies jedoch nicht, zu ihr in Wettbewerb zu treten. Im Bezug auf die Falschaussage des Klägers habe das Arbeitsgericht die objektive Äußerung des Klägers, dass er im Diakonie-Krankenhaus "vertretungsweise" tätig sei, dahingehend interpretiert, dass vertretungsweise auch als vorübergehend verstanden werden könnte. Die Aussage stimme nicht mit den objektiven Fakten überein, die der Kläger in M.-W. im Diakonie-Krankenhaus kommuniziert habe. Sie habe auch nicht seinem dort abgeschlossenen Vertrag entsprochen. Der Weiterbeschäftigungsantrag sei unbegründet, weil die Kündigungen wirksam seien. Die Zahlungsansprüche seien ebenfalls unbegründet, weil sie sich nicht in Annahmeverzug befunden haben.

54

Die Beklagte beantragt,

55

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 2. September 2009 - 6 Ca 650/09 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

56

Der Kläger beantragt,

57

die Berufung zurückzuweisen.

58

Er erwidert, zwischen den beiden Krankenhäusern bestehe bereits aufgrund der räumlichen Entfernung und den Fahrzeiten zwischen beiden Orten keine Wettbewerbssituation, so dass ihm auch keine unerlaubte Wettbewerbstätigkeit vorgeworfen werden könne. Die Beklagte habe es trotz wiederholter Aufforderungen abgelehnt, eine Liste der behaupteten Patienten mit einer Angabe darüber vorzulegen, in welcher Abteilung sie behandelt worden seien. Bei Vorlage einer solchen Liste würde damit belegt werden, dass die behaupteten Patienten ausschließlich auf der inneren Abteilung behandelt würden. Damit scheide von vornherein jegliche Wettbewerbssituation im Bereich der Chirurgie aus. Auch umgekehrt sei im gesamten Jahr 2009 kein einziger Patient aus A-Stadt im Diakonie-Krankenhaus M. behandelt worden. Wenn die von der Beklagten behauptete Wettbewerbssituation bestehen würde, dann müsste gleiches gelten z.B. für Krankenhäuser zwischen Kiel und München, weil es auch dann im Einzelfall vorkommen könne, dass Patienten eine Krankenhausbehandlung jeweils am anderen Ende Deutschlands aus bestimmten Gründen in Anspruch nehmen würden. Damit wäre aber zugleich jede Tätigkeit im stationären Bereich während eines langjährigen Kündigungsschutzprozesses unmöglich, was jedoch von der Rechtsprechung abgelehnt werde. Das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass in jedem Fall zuvor eine Abmahnung hätte ausgesprochen werden müssen. Das Schreiben der Beklagten vom 17. März 2009 könne nicht als Abmahnungsschreiben interpretiert werden. Entgegen der Darstellung der Beklagten hätten Einstellungsgespräche im eigentlichen Sinne zwischen ihm und Herrn Dr. G. nicht stattgefunden. Bei dem ersten Vorstellungsgespräch sei Herr Dr. G. nicht anwesend gewesen. Der ärztliche Direktor, Herr Dr. Gl., habe ihm bei dieser Vorstellung auf seine Vorgeschichte angesprochen, woraufhin er berichtet habe, dass ihm mehrfach fristlos gekündigt worden sei. Weiterhin habe er darauf hingewiesen, dass er sich gegen diese Kündigungen zur Wehr setze und Kündigungsschutzklage mit dem Ziel erhoben habe, in A-Stadt zu bleiben. Herrn Dr. G. habe er erst einige Wochen später kennengelernt, wobei dieser ihm mitgeteilt habe, dass man sich auf seine Einstellung geeinigt habe, man könne sich ja immer ohne Probleme während der Probezeit voneinander trennen. In diesem Gespräch sei es also nicht darum gegangen, ob er überhaupt eingestellt werden solle oder nicht, vielmehr sei ihm von Herrn Dr. G. bereits definitiv die Einstellung mitgeteilt worden. Soweit er danach noch mit Herrn Dr. G. gesprochen habe, sei es lediglich um den Inhalt des Dienstvertrages gegangen. Die Beklagte habe nicht einmal schlüssig den behaupteten Schaden vorgetragen, sondern lediglich abstrakt einige wenige Patientenzahlen ohne nähere Einzelheiten genannt. Auch der Vorwurf der Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 sei abwegig. Hätte er auf die Frage der Richterin erklärt, dass er eine Stelle als Chefarzt in einem anderen Krankenhaus übernommen habe, so wäre dies von der Beklagten sofort als Abkehrwille interpretiert und eine Kündigung ausgesprochen worden. Für die Beantwortung der Frage sei es daher ausreichend gewesen, dass er angegeben habe, seit dem 1. Februar 2009 in einem anderen Krankenhaus zu arbeiten, wobei er hierfür von einer Vertretungstätigkeit gesprochen habe. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung sei schon deshalb rechtsunwirksam, weil in seinem Dienstvertrag die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung vertragsmäßig ausgeschlossen sei. Insoweit nehme er Bezug auf den auszugsweise vorgelegten Schriftsatz vom 28. Oktober 2009 im Verfahren 3 Sa 474/09 (Bl. 267 bis 269 d.A.).

59

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

60

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage vollumfänglich stattgegeben.

A.

61

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung ist zulässig.

62

Sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt sowie begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

63

Entgegen der Ansicht des Klägers entspricht die Berufungsbegründung auch in Bezug auf die hilfsweise ordentliche Kündigung, den Weiterbeschäftigungsantrag und die Annahmeverzugsansprüche den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Das Arbeitsgericht hat die Unwirksamkeit der hilfsweise ordentlichen Kündigung darauf gestützt, dass die Gründe, die zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung führten, auch die Entscheidung über die Unwirksamkeit der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung tragen würden. Ob die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung bereits vertraglich nach § 20 Abs. 3 des Dienstvertrages ausgeschlossen ist, hat das Arbeitsgericht ausdrücklich dahinstehen lassen. Dementsprechend durfte die Beklagte darauf verweisen, dass ihre Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung sinngemäß für die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur hilfsweise ordentlichen Kündigung gelten sollen. Entgegen der Ansicht des Klägers liegt auch in Bezug auf den Weiterbeschäftigungsantrag und die Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug eine ausreichende Berufungsbegründung vor. Mit ihrem ergänzenden Schriftsatz vom 23. Dezember 2009 hat die Beklagte innerhalb der Berufungsbegründungsfrist ausgeführt, dass der Weiterbeschäftigungsantrag aufgrund der Wirksamkeit der Kündigungen unbegründet sei und die Zahlungsansprüche ebenfalls unbegründet seien, weil sie sich aufgrund der vorangegangenen Kündigungen, die Gegenstand des vorgreiflichen Vorprozesses der Parteien seien, nicht in Annahmeverzug befunden habe. Im Hinblick darauf, dass diese weiteren Anträge jeweils auf der Unwirksamkeit der vorangegangenen Kündigungen aufbauen und der Vorprozess der Parteien damals noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, genügt die (ergänzende) Berufungsbegründung den nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu stellenden Anforderungen.

B.

64

Die hiernach zulässige Berufung der Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg.

65

Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage vollumfänglich stattgegeben.

I.

66

Der Kündigungsschutzantrag zu 1) ist begründet.

67

1. Die außerordentliche Kündigung vom 26. März 2009 ist unwirksam, weil die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht erfüllt sind.

68

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Prüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Ist dies der Fall, bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bzw. bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., vgl. BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 18, NZA-RR 2010, 461).

69

Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung wegen des angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot jedenfalls an der vorzunehmenden Interessenabwägung scheitert und in Bezug auf die dem Kläger vorgeworfene "Falschaussage" bereits kein Sachverhalt erkannt werden kann, der an sich als wichtiger Kündigungsgrund geeignet ist.

70

a) Die fristlose Kündigung ist nicht wegen des von der Beklagten angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot während des (fort-)bestehenden Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt.

71

aa) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt. Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen. Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen. Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Deshalb darf ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch nach Ausspruch einer von ihm gerichtlich angegriffenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, wenn die Kündigung sich später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22 und 23, NZA-RR 2010, 461). Bei der Bestimmung der Reichweite des Wettbewerbsverbots muss allerdings die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers Berücksichtigung finden. Daher ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob nach Art der Haupt- und Nebentätigkeit und der beteiligten Unternehmen überhaupt eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers vorliegt (BAG 24. März 2010 - 10 AZR 66/09 - NZA 2010, 693).

72

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann im Streitfall zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Tätigkeit des Klägers am Diakonie-Krankenhaus in M.-W. nach der Art der beiden Unternehmen (Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung) ungeachtet ihrer räumlich weiten Entfernung (Verkehrsverbindungen von ca. 150 km) schutzwürdige Interessen der Beklagten gefährdet hat und das Wettbewerbsverbot in dem von der Beklagten unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnis der vom Kläger aufgenommenen anderweitigen Arbeitstätigkeit entgegenstand. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger mit der von ihm - nach Ausspruch der unwirksamen Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008 - beim Diakonie-Krankenhaus in M.-W. zum 1. Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit als Chefarzt der chirurgischen Abteilung gegen das Wettbewerbsverbot während des (fort-)bestehenden Arbeitsverhältnisses verstoßen hat, ist die außerordentliche Kündigung gleichwohl nach der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht gerechtfertigt.

73

Der Beklagten kann unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falls und unter Abwägung der Interessen beider Parteien die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem nach § 20 Abs. 3 des Arbeitsvertrages ordentlich unkündbaren Kläger sowohl bis zum Ablauf der in § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB bestimmten Kündigungsfrist als auch darüber hinaus bis zu der in § 20 Abs. 4 des Arbeitsvertrags vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden, so dass die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos noch mit einer der Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist beendet hat.

74

Die Parteien haben in § 20 des Arbeitsvertrags die Möglichkeit zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen. Das ergibt die Auslegung der in § 20 des Arbeitsvertrags getroffenen Regelungen. Der Kläger hat unter Bezugnahme auf seinen Schriftsatz vom 28. Oktober 2009 in dem unter dem Aktenzeichen 3 Sa 474/09 vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz geführten Vorprozess der Parteien unwidersprochen vorgetragen, dass der ihm ursprünglich überreichte Entwurf des Dienstvertrages in § 20 aufgrund der zwischen ihm und dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten geführten Verhandlungen geändert worden sei. Im ursprünglichen Vertragsentwurf war geregelt, dass der Vertrag nach Ablauf der Probezeit von beiden Parteien mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahrs gekündigt werden kann (§ 20 Abs. 3 des Entwurfs) und das Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrags nach § 626 BGB aus wichtigem Grund unberührt bleibt (§ 20 Abs. 4 des Entwurfs). Anstelle dieser Regelungen in § 20 Abs. 3 und 4 des ursprünglichen Entwurfs wurde nach den geführten Vertragsverhandlungen in die endgültige Fassung des Dienstvertrags ein neuer Absatz 3 aufgenommen, nach dem der Vertrag nach Ablauf der Probezeit fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass diese Änderung des Vertragstextes für ihn eine wesentliche Voraussetzung gewesen sei, die Stelle in A-Stadt anzutreten, weil er nicht einfach jederzeit kündbar habe sein wollen, wenn er mit seiner gesamten Familie nach A-Stadt ziehe. Im Hinblick darauf, dass der ursprüngliche Vertragsentwurf unstreitig aus diesen Gründen im Rahmen der zwischen den Parteien geführten Vertragsverhandlungen einvernehmlich geändert worden ist, kann die in § 20 Abs. 3 des Dienstvertrags vereinbarte Regelung nur so verstanden werden, dass der Vertrag nach Ablauf der Probezeit nur noch fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund kündbar sein sollte und im Übrigen erst nach § 20 Abs. 4 des Dienstvertrages mit der festgelegten Altersgrenze bzw. im Falle einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit endet. Die Auslegung der in § 20 des Dienstvertrags getroffenen Regelungen ergibt mithin, dass die Parteien die ordentliche Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach Ablauf der Probezeit vertraglich ausgeschlossen haben und das Arbeitsverhältnis gemäß § 20 Abs. 4 des Dienstvertrages erst mit Erreichung der festgelegten Altersgrenze bzw. im Falle der geregelten Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit endet (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - Rn. 106 und 107, [juris]).

75

Auch wenn man im Streitfall von einem Verstoß des Klägers gegen das Wettbewerbsverbot ausgeht, der als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist, kann der Beklagten gleichwohl bei Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem ordentlich unkündbaren Kläger bis zu der in § 20 Abs. 4 vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden. Zwar verletzt der Arbeitnehmer seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich, wenn er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit ausübt. Unter Berücksichtigung von Art und Auswirkung der Konkurrenztätigkeit sowie des Grades des Schuldvorwurfs überwiegen aber im Streitfall die Interessen des Klägers an einer Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Beendigungsinteresse der Beklagten.

76

Der Kläger hat sich nach Ausspruch der Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008, deren Rechtsunwirksamkeit inzwischen im Vorprozess der Parteien rechtskräftig festgestellt worden ist, darauf beschränkt, seine Arbeitskraft durch Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses bei einem anderen Krankenhaus ab 1. Februar 2009 zu verwerten, um seinen Lebensstandard durch Erzielung eines entsprechenden Verdienstes aufrechtzuerhalten und seine Fähigkeiten als Chirurg zu erhalten. Die vom Kläger aufgenommene (Konkurrenz-)Tätigkeit ist erst durch die unwirksamen Kündigungen der Beklagten ausgelöst worden, ohne die für den Kläger keine Veranlassung zur Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit als Chirurg bestanden hätte. Bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die Wirksamkeit der vorangegangenen Kündigungen waren beide Parteien im Ungewissen darüber, wie die materielle Rechtslage beurteilt werden wird. Dadurch ist für den Kläger eine Zwangslage entstanden. Zur Vermeidung einer weiteren Kündigung müsste er sich einerseits jeglicher Tätigkeit enthalten, die als Wettbewerbsverstoß aufgrund des möglicherweise noch fortbestehenden Vertrages gewertet werden könnte. Andererseits wäre er für den Fall der Wirksamkeit der Kündigung an der dann möglichen anderweitigen Sicherung seines Lebensstandards gehindert (vgl. hierzu BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - Rn. 51, NZA 1992, 212). Die aus § 615 Satz 2 BGB herzuleitenden Interessen des Arbeitnehmers an der anderweitigen Verwendung seiner Arbeitskraft sind für die Beurteilung erheblich, ob und mit welchem Gewicht ihm die Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen vorwerfbar ist. Wenn der Arbeitnehmer am gekündigten Arbeitsverhältnis festhalten will, geht es ihm mit der Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen zur Verwertung seiner Arbeitskraft ersichtlich nur um eine Übergangslösung, die der Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber nicht entgegensteht und für diesen keine anhaltende Konkurrenz bedeutet (BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - Rn. 65, NZA 1992, 212). Dabei ist im Streitfall unerheblich, ob und inwieweit der Kläger gegenüber Vertretern des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. zum Ausdruck gebracht hat, dass er an seinem gekündigten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten festhalten und zu dieser möglichst wieder zurückkehren will. Der Kläger hat die ihm vorgeworfene Konkurrenztätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei einem räumlich weit von der Beklagten entfernten Krankenhaus aufgenommen. Sowohl das von der Beklagten in A-Stadt betriebene Krankenhaus als auch das Diakonie-Krankenhaus in M.-W. sind Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Die Beklagte hat zwar zutreffend darauf verwiesen, dass die Wahl des einen oder anderen Krankenhauses nicht zwingend von der räumlichen Entfernung abhängt, sondern durchaus auch von anderen Faktoren (wie z.B. verfügbare Leistungen des Krankenhauses, Ruf des Krankenhauses oder der Fachabteilung, zeitliche Verfügbarkeit für eine Operation usw.) beeinflusst sein kann. Danach können die Interessen der Beklagten grundsätzlich durch jede anderweitige Tätigkeit des Klägers als Chirurg an jedem anderen Krankenhaus unabhängig von dessen räumlicher Entfernung gefährdet werden, so dass der Kläger zur Vermeidung der Gefahr einer erneuten Kündigung wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot während des Kündigungsschutzprozesses jede Ausübung seiner bisherigen Berufstätigkeit als Chirurg an einem anderen Krankenhaus hätte unterlassen müssen. Im Hinblick darauf, dass der Kläger zur Aufrechterhaltung seines Lebensstandards und zum Erhalt seiner Fähigkeiten als Chirurg auf eine entsprechend anderweitige Tätigkeit an einem anderen Krankenhaus angewiesen ist, erscheint der mit der Kündigung gemachte Vorwurf eines Wettbewerbsverstoßes im Streitfall jedenfalls als weniger schwerwiegend, zumal der Kläger seine anderweitige Tätigkeit an einem räumlich weit entfernten Krankenhaus ohne jede Schädigungsabsicht aufgenommen hat. Auch bei Annahme einer bestehenden Wettbewerbssituation zwischen den beiden Krankenhäusern ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die dem Kläger vorgeworfene Konkurrenztätigkeit tatsächlich zu bestimmten nachteiligen Auswirkungen auf den Betrieb der Beklagten geführt haben soll. Die Beklagte hat lediglich allgemein auf die von ihr angeführten Überschneidungen im Einzugsbereich der Patienten verwiesen. Sie hat aber selbst nicht behauptet, dass aufgrund der ab Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit des Klägers am Diakonie-Krankenhaus in M.-W. Patienten aus ihrem Einzugsbereich nach Marburg gewechselt oder andere konkrete Auswirkungen festzustellen seien.

77

In Anbetracht der dargestellten besonderen Umstände des vorliegenden Falls erscheint bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine außerordentliche Kündigung (fristlos oder mit Auslauffrist) wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot als nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist der Beklagten eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem ordentlich unkündbaren Kläger bis zu der in § 20 Abs. 4 des Arbeitsvertrags vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar.

78

b) Die außerordentliche Kündigung ist auch nicht wegen der dem Kläger vorgeworfenen Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht gerechtfertigt.

79

Gemäß der zutreffenden Bewertung des Arbeitsgerichts hat der Kläger keine bewusst wahrheitswidrige Erklärung abgegeben, die an sich als wichtiger Kündigungsgrund geeignet ist. Das Arbeitsgericht hat bei der Würdigung der vom Kläger abgegebenen Erklärung zu Recht den Gesamtzusammenhang und die konkrete Gesprächssituation berücksichtigt.

80

Der Kläger hat im Rahmen der vor dem Arbeitsgericht im Kammertermin vom 11. März 2009 geführten Vergleichsgespräche auf die Frage der Vorsitzenden, ob er zur Zeit beruflich etwas mache, sinngemäß geantwortet, dass er vertretungsweise in einem anderen Krankenhaus tätig sei. Diese Erklärung kann gemäß der zutreffenden Bewertung durch das Arbeitsgericht ohne weiteres dahin verstanden werden, dass der Kläger damit zum Ausdruck bringen wollte, dass er nur vorübergehend bei einem anderen Krankenhaus im Sinne einer Übergangslösung tätig sei. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob der Kläger auch gegenüber dem Diakonie-Krankenhaus in M.-W. zum Ausdruck gebracht hat, dass er dort nur vorübergehend tätig sein wolle. Auf die schriftliche Nachfrage der Beklagten vom 17. März 2009 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19. März 2009 erklärt, dass er zur Zeit im Regierungsbezirk Gießen (Hessen) an einem Krankenhaus tätig sei, um seine chirurgischen Fähigkeiten zu erhalten und nicht zuletzt auch im Hinblick auf § 615 Satz 2 BGB. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass danach hinreichende Anhaltspunkte für eine bewusst wahrheitswidrige Erklärung nicht vorliegen.

81

2. Die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 26. März 2009 ist ebenfalls unwirksam.

82

Dies folgt bereits daraus, dass das Arbeitsverhältnis gemäß den obigen Ausführungen nach Ablauf der Probezeit ordentlich nicht mehr kündbar war.

83

Unabhängig davon scheitert auch die hilfsweise ordentliche Kündigung wegen des angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot jedenfalls an der vorzunehmenden Interessenabwägung.

84

Eine ordentliche Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, weitere Störungen zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22 und 23, NZA-RR 2010, 461).

85

Entsprechend den obigen Ausführungen erscheint im Streitfall auch eine ordentliche Kündigung bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht als billigenswerte und angemessene Reaktion der Beklagten. Der Kläger hat sich nach Ausspruch der unwirksamen Kündigungen darauf beschränkt, bei einem räumlich weit entfernten Krankenhaus einer anderweitigen Arbeitstätigkeit nachzugehen, um seine Fähigkeiten als Chirurg zu erhalten und einen entsprechenden Verdienst (§ 615 Satz 2 BGB) zu erzielen. In Anbetracht der oben dargestellten Zwangslage, in der er sich aufgrund der unwirksamen Kündigungen der Beklagten befunden hat, ist auch bei einem unterstellten Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot unter Berücksichtigung von Art und Auswirkung der ihm vorgeworfenen Konkurrenztätigkeit sowie des Grades des Verschuldens die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung jedenfalls bei Abwägung der beiderseitigen Interessen sozial nicht gerechtfertigt.

86

Die hilfsweise ordentliche Kündigung ist auch nicht wegen der dem Kläger vorgeworfenen "Falschaussage" sozial gerechtfertigt. Wie bereits oben ausgeführt, hat der Kläger keine bewusst wahrheitswidrige Erklärung abgegeben, so dass ein verhaltenbedingter Kündigungsgrund i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG nicht angenommen werden kann.

II.

87

Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung vom 26. März 2009 ist auch der Weiterbeschäftigungsantrag zu 2) begründet.

88

Die Beklagte ist gemäß den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Grundsätzen (BAG 24. Februar 1985 - GS 1/84 - NZA 1985, 702) verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospital in A-Stadt zu unveränderten Bedingungen gemäß Dienstvertrag vom 18. April 2005 weiterzubeschäftigen. Im vorliegenden Verfahren hat die Beklagte keine Umstände angeführt, die trotz des Obsiegens des Klägers mit dem Kündigungsschutzantrag zu 1) ein überwiegendes Interesse an dessen Nichtbeschäftigung begründen könnten.

III.

89

Weiterhin stehen dem Kläger auch die mit den Klageanträgen zu 3) bis 6) geltend gemachten Ansprüche auf (Annahmeverzugs-)Vergütung und Rechnungslegung zu.

90

Die Beklagte hat sich nach Ausspruch der Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008, deren Rechtsunwirksamkeit im Vorprozess der Parteien inzwischen rechtskräftig festgestellt worden ist, gemäß §§ 293, 296 BGB in Annahmeverzug befunden. Im Übrigen sind die Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach unstreitig.

91

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

92

Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 02.09.2009 - 6 Ca 650/09 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 26. März 2009 sowie um Ansprüche auf Vergütung und Rechnungslegung.

2

Der Kläger war seit dem 1. Juli 2005 als Chefarzt der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospitals in A-Stadt aufgrund Arbeitsvertrags vom 18. April 2005 (Bl. 38 bis 60 d.A.) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält u.a. folgende Regelungen:

3

"(…)

4

§ 19
Tätigkeit außerhalb der Dienstaufgaben

5

Jede Tätigkeit außerhalb der Dienstaufgaben bedarf der schriftlichen Zustimmung des Krankenhausträgers (Nebentätigkeitserlaubnis).

6

§ 20
Vertragsdauer, Kündigung

7

(1) Der Vertrag tritt am 01.07.2005 in Kraft; er wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.

8

Die ersten 6 Monate der Beschäftigung sind Probezeit.

9

(2) Während der Probezeit kann der Vertrag mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.

10

(3) Nach Ablauf der Probezeit kann der Vertrag fristlos gem. § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden.

11

(4) Der Vertrag endet ohne Kündigung mit Erreichung der in § 19 AVR-Caritas in der jeweils gültigen Fassung festgelegten Altersgrenze oder mit Ablauf des Monats, in welchem dem Arzt der Bescheid über eine vom Rentenversicherungsträger oder von einer anderen Versorgungseinrichtung festgestellte Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zugestellt wird und rechtskräftig ist.

12

(…)"

13

Die Beklagte hatte gegenüber dem Kläger bereits mit Schreiben vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008 jeweils eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen. Das Arbeitsgericht Koblenz hat in dem unter dem Aktenzeichen 6 Ca 1752/08 geführten Vorprozess der Parteien mit Urteil vom 11. März 2009 der gegen diese Kündigungen gerichteten Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Diese Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig (vgl. LAG Rheinland Pfalz 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - und BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 -).

14

Am 17. März 2009 erhielt der Prozessbevollmächtigte des Klägers folgendes Schreiben des damaligen Geschäftsführers der Beklagten, Herrn K. (Bl. 33, 34 d.A.):

15

"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Dr. D.,

16

in Sachen Dr. C. konnte ich heute mit unserem bisherigen Prozessvertreter, Herr RA G. Rücksprache nehmen. Herr RA G. und ich erinnerten uns beide, dass Herr Dr. C. auf Befragen der Vorsitzenden Richterin Dr. M. im Kammertermin letzte Woche sinngemäß geäußert habe, er sei in gewissem Umfang selbständig tätig und/oder operiere gelegentlich bzw. vertretungsweise.

17

Hierzu stelle ich, auf Basis des Dienstvertrages, an dem Ihr Mandant ja unbedingt festhalten will, fest, dass eine solche Tätigkeit außerhalb unseres Krankenhauses auf Basis des Vertrages definitiv nicht zulässig ist. Da mir, außer dieser überlieferten Äußerung zu einem möglichen, massiven weiteren Pflichtenverstoß noch keine verdichteten Informationen vorliegen, gehen wir nun wie folgt vor:

18

Ich setze Ihrem Mandanten hiermit eine Frist von 48 Stunden, zu den folgenden Verdachtsmomenten mir gegenüber schriftlich (Faxübermittlung reicht aus) Stellung zu nehmen. Die Frist beginnt mit der Übermittlung dieses Faxes. Sollte Ihr Mandant, aus welchen Gründen auch immer, an der Beantwortung aus dringenden Gründen verhindert sein, müssen Sie oder Herr Dr. C. dies innerhalb der Frist in der vorgenannten Form mitteilen und begründen. Ich werde in diesem Fall die Frist nochmals verlängern, wenn dies erforderlich ist.

19

Erfolgt keine Stellungnahme oder wird diese verweigert, werden wir weitere Maßnahmen auf Basis der uns dann vorliegenden Informationen durchführen.

20

Nun zu meinen Fragen:

21

1. Welchen ärztlichen Tätigkeiten ist Herr Dr. C. seit Zugang der ersten fristlosen Kündigung am 26.9.2008 nachgegangen ?

22

2. Ist Herr Dr. C. für andere Krankenhäuser seit dem 26.9.2008 ärztlich tätig geworden, insbesondere als Chirurg? Falls ja:

23

- in welchen Krankenhäusern
- in welchem Umfang und
- mit welchen Tätigkeiten ?

24

3. Erfolgte eine ärztliche Tätigkeit in selbständiger, nicht-selbständiger (also angestellter) oder in sonstiger Form ? Falls ja, wurde ein Vertragsverhältnis zu einem anderen Krankenhaus als unserem begründet ?

25

4. Wo und wie ist Herr Dr. C. derzeit, Stand: 17. März 2009 beschäftigt ?

26

Die Antwort ist unmittelbar an mich zu richten, nicht an unsere bisherigen oder die künftig für uns in dieser Sache tätigen Rechtsanwälte."

27

Auf dieses Schreiben antwortete der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 19. März 2009 (Bl. 35 d.A.) wie folgt:

28

"Sehr geehrter Herr K.,

29

Sie unterstellen in Ihrem Schreiben vom 17.03.2009 meinem Mandanten eine Äußerung, die unzutreffend ist. Ich habe daher sofort eine Anfrage an die 2. Kammer des Arbeitsgerichts gerichtet, damit mir dies auch von dort bestätigt wird.

30

Mein Mandant hat auf die Frage der Richterin geantwortet, dass er zurzeit eine Vertretungstätigkeit in einem Krankenhaus mache.

31

Trotz ihrer unzutreffenden Unterstellung erkläre ich hiermit folgendes:

32

Mein Mandant ist zurzeit im Regierungsbezirk Gießen, Hessen, an einem Krankenhaus tätig, um seine chirurgischen Fähigkeiten zu erhalten und nicht zuletzt auch im Hinblick auf § 615 Satz 2 BGB. Seit der ersten Kündigung war er an keinem anderen Krankenhaus tätig, schon gar nicht im Einzugsbereich von A-Stadt, wie Sie wohl unterstellen.

33

Sollten Sie Ihre Unterstellungen weiterhin aufrechterhalten, behalte ich mir eine Unterlassungs- und Widerrufsklage vor."

34

Auf die schriftliche Anfrage des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 18. März 2009 (Bl. 36 d.A.) gab die Vorsitzende der 6. Kammer des Arbeitsgerichts Koblenz folgende Stellungnahme vom 18. März 2009 (Bl. 37 d.A.) ab:

35

"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Dr. D.,

36

nach meiner Erinnerung fragte ich Ihren Mandanten vor dem Hintergrund einer von der Kammer angestrebten vergleichsweisen Erledigung des Verfahrens wie auch der gesetzlichen Regelung des § 615 S. 1 und 2 BGB, ob er zur Zeit beruflich etwas mache. Herr Dr. C. antwortete sinngemäß, dass er vertretungsweise tätig sei. Allerdings meine ich mich erinnern zu können, dass Herr Dr. C. beiläufig das Thema "Erhaltung der operativen Fähigkeiten" erwähnte, nicht ich.

37

Eine Abschrift dieses Schreibens - wie auch Ihrer Anfrage vom 18.03.2009 nebst Anlagen - gestatte ich mir, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu übersenden."

38

Mit Schreiben vom 26. März 2009 (Bl. 32 d.A.) kündigte die Beklagte dem Kläger erneut fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin.

39

In der Zeit vom 1. Februar bis 31. August 2009 war der Kläger als Chefarzt der chirurgischen Abteilung im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. beschäftigt. Das St. N.-Stiftshospital in A-Stadt und das Diakonie-Krankenhaus in M. sind Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Die Entfernung zwischen den beiden Krankenhäusern beträgt 104 km Luftlinie und 151 km auf den Verkehrsstraßen. Die Fahrzeit von M. nach A-Stadt beträgt mit dem Auto mindestens drei Stunden (wegen der von L. bis M. verlaufenden Land- oder Kreisstraßen mit vielen Baustellen) und mit der Bahn mindestens dreieinhalb Stunden (mindestens dreimaliges Umsteigen). Bei der Beklagten werden jährlich ca. 9.000 Patienten behandelt.

40

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung sei rechtsunwirksam, weil es sowohl an ausreichenden Kündigungsgründen als auch an der erforderlichen vorangegangenen Abmahnung fehle. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe er mit seiner Tätigkeit am Diakonie-Krankenhaus in M. nicht gegen das Wettbewerbsverbot während des bestehenden Arbeitsverhältnisses verstoßen. Die Ansicht, dass jegliche anderweitige ärztliche Tätigkeit einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot darstelle, stehe in Widerspruch zu § 615 Satz 2 BGB. Zwischen dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus in A-Stadt und dem Diakonie-Krankenhaus in M. bestehe keine Wettbewerbssituation. Er erinnere sich jedenfalls nicht daran, dass er in seiner Zeit in A-Stadt jemals einen Patienten aus dem Einzugsbereich von M. bzw. von F./F. behandelt habe. Wenn es überhaupt jemals aus der Region M. Patienten im A. Krankenhaus gegeben habe, dann könne es sich hierbei ausschließlich um Patienten der inneren Abteilung handeln, die sich aufgrund der persönlichen Kontakte von Herrn Prof. St. (Chefarzt der inneren Abteilung am Krankenhaus in A-Stadt) nach M., wo dieser viele Jahre als Krankenhausarzt an der Universitätsklinik tätig gewesen sei, in dessen Behandlung begeben hätten. Aber auch umgekehrt habe es keine Konkurrenzsituation gegeben. Jedenfalls sei seit Beginn des Jahres 2009 im Diakonie-Krankenhaus in M. kein einziger Patient aus A-Stadt behandelt worden. Weiterhin sei auch der Vorwurf einer Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht absurd. Da er in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich betont habe, dass es sein Ziel sei, an das Krankenhaus in A-Stadt zurückzukehren, entspreche es der Wahrheit, wenn er geäußert habe, dass er zur Zeit in einem Krankenhaus "vertretungsweise" tätig sei. Er habe auch in M. wiederholt auf die Kündigungsschutzverfahren sowie auf sein Ziel hingewiesen, wieder an das A. Krankenhaus zurückkehren zu können. Er habe wahrheitsgemäß erklärt, dass er über Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit verfüge. Hingegen sei er nicht gefragt worden, um welche vertraglichen Beziehungen es sich handele. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei bereits gemäß § 20 des Dienstvertrages für den Arbeitgeber ausgeschlossen. Aufgrund der Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigungen sei die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für die Zeit vom 26. September 2008 bis 31. Januar 2009 zur Zahlung der geltend gemachten Vergütungsansprüche verpflichtet. Weiterhin habe die Beklagte die begehrte Rechnungslegung hinsichtlich der KV-Abrechnung für die Quartale II/08 und III/08 vorzunehmen.

41

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

42

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sowohl durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 26.03.2009 als auch durch die zugleich hilfsweise zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden ist,

43

die Beklagte zu verurteilen, ihn als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospital in A-Stadt zu unveränderten Bedingungen gem. Dienstvertrag vom 18.04.2005 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen,

44

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 38.194,44 EUR brutto als Dienstvergütung gem. § 8 Abs. 1 DV abzüglich 8.816,40 EUR netto zu zahlen,

45

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.002,81 EUR netto als Dienstvergütung aus liquidationsberechtigter Tätigkeit gem. § 8 Abs. 2 DV zu zahlen,

46

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.481,98 EUR brutto aus liquidationsberechtigter Tätigkeit im Bereich der Privatambulanz zu zahlen,

47

die Beklagte zu verurteilen, über die Abrechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz für die Quartale II/08 und III/08 Rechnung zu legen.

48

Die Beklagte hat beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Sie hat erwidert, die Kündigung sei wegen der unerlaubten Wettbewerbstätigkeit sowie aufgrund der Falschaussage des Klägers im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht im ersten Kündigungsschutzprozess gerechtfertigt. Der Kläger habe mit seiner Anfang Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit als Chefarzt der chirurgischen Abteilung im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. gegen das für die Dauer des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses bestehende Wettbewerbs verstoßen. Entgegen der Ansicht des Klägers sei eine Wettbewerbssituation zwischen ihrem Krankenhaus in A-Stadt und dem Diakonie-Krankenhaus in M. gegeben. Die räumliche Distanz zwischen den beiden Krankenhäusern beziehe insbesondere Patienten ein, die räumlich zwischen den beiden Krankenhäusern leben würden, hier insbesondere in der Region Hoher Westerwald. Zum Beispiel könne man von den Ortschaften im Postleitzahlenbezirk 57500 bis 57589 beide Krankenhäuser in fast gleicher Zeit per Auto erreichen. Die bestehende Wettbewerbssituation lasse sich dadurch beweisen, dass Kunden bzw. Patienten zwischen den beiden Wettbewerbern aussuchen könnten und dies auch tun würden, wie dies in Bezug auf Patienten aus dem Einzugsbereich des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. der Fall sei. Aus den genannten Postleitzahlenbezirken 57500-57589, unter anderem aus F., seien 11 Patienten im Jahr 2007, 22 Patienten im Jahr 2008 und 6 Patienten in der Zeit von Januar bis Mai 2009 gekommen. Aber auch aus dem unmittelbaren Umfeld des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. würden Patienten zu ihr kommen, so dass an dem Bestehen einer Wettbewerbssituation keine Zweifel bestehen könnten. Aus dem Bereich M., Postleitzahlengebiet 35041-35288, seien zu ihr im Jahr 2007 10 Patienten, im Jahr 2008 22 Patienten und in der Zeit von Januar bis Mai 2009 12 Patienten gekommen. Die unerlaubte Wettbewerbstätigkeit des Klägers habe ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht. Zum einen sei der Kläger in einem Krankenhaus in ihrem Einzugsgebiet tätig geworden und habe damit eine unmittelbare Konkurrenztätigkeit eröffnet. Es sei zu befürchten, dass Patienten nun dem A. Klinikum den Rücken kehren würden, um in M.-W. vom Kläger behandelt zu werden oder sich als Erstpatienten für das Diakonie-Krankenhaus anstatt für ihr Krankenhaus zu entscheiden. Zum anderen habe sich der Kläger im Rahmen der "Ermittlungen" zu seiner Wettbewerbstätigkeit durch die Verweigerung der Beantwortung berechtigter Fragen sowie durch die Androhung von Gegenmaßnahmen derart unkooperativ gezeigt, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich sei. Als besonderen Vertrauensbruch werte sie die objektive Falschaussage im Termin am 11. März 2009, in dem der Kläger auf Befragen der Vorsitzenden wahrheitswidrig geäußert habe, er sei nur vertretungsweise an einem anderen Krankenhaus tätig, während er in Wahrheit offiziell als amtierender Chefarzt dort tätig sei. Beides sei bereits vom Wortlaut her nicht miteinander vergleichbar. Durch seine Aussage habe der Kläger nicht nur das Gericht getäuscht, sondern vor allem sie selbst. Mit der Täuschung habe der Kläger versucht, von der verbotswidrigen Wettbewerbstätigkeit abzulenken, um damit seine Position zu verbessern. Damit sei das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien endgültig zerstört. Die beharrliche Fortsetzung der Wettbewerbstätigkeit und damit einhergehende Leugnung einer Wettbewerbssituation zeige, dass der Ausspruch einer Abmahnung anstelle der Kündigung keine Verhaltensänderung des Klägers gebracht hätte. Der Ausspruch einer Abmahnung wäre auch unzumutbar gewesen, weil sie den Kläger dann zunächst hätte weiterbeschäftigen müssen. Ein Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts ergebe sich aus dem Dienstvertrag nicht. Vielmehr werde lediglich klargestellt, dass auch nach Ablauf der Probezeit beim Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung keine Kündigungsfrist einzuhalten sei.

51

Mit Urteil vom 2. September 2009 - 6 Ca 650/09 - hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 26. März 2009 nicht aufgelöst worden sei und dem Kläger die geltend gemachten Zahlungsansprüche sowie der Rechnungslegungsanspruch zustünden. Die fristlose Kündigung vom 26. März 2009 sei nicht wegen des behaupteten Wettbewerbsverstoßes gerechtfertigt. Auch bei einer unterstellten Konkurrenztätigkeit hätte die Beklagte zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor Ausspruch der Kündigung dem Kläger zunächst eine Abmahnung erteilen müssen. Für den Kläger sei nur schwer erkennbar gewesen, dass seine Tätigkeit in dem 150 km entfernten Diakonie-Krankenhaus eine Konkurrenztätigkeit darstellen solle, die er auch nach Ausspruch von drei Kündigungen nicht habe ausüben dürfen. Vorliegend sei als Besonderheit zu berücksichtigen, dass sich der Kläger in einem Kündigungsschutzprozess befunden habe. Erst nach Ausspruch einer Abmahnung wäre für den Kläger deutlich erkennbar gewesen, dass die Beklagte seine Tätigkeit beim Diakonie-Krankenhaus als kündigungsrelevanten Sachverhalt einstufe. Dem Kläger wäre so die Möglichkeit geblieben, sein Verhalten zu ändern, indem er seine Tätigkeit beim Diakonie-Krankenhaus aufgegeben hätte. Dem widerspreche auch nicht der Umstand, dass der Kläger nach Erhalt der streitgegenständlichen Kündigung wegen behaupteten Wettbewerbsverstoßes sein Arbeitsverhältnis mit dem Diakonie-Krankenhaus zunächst fortgesetzt habe. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt sei der Zugang der streitgegenständlichen Kündigung, bis zu dem die Beklagte dem Kläger keine Abmahnung erteilt habe. Unabhängig davon führe die vorzunehmende Interessenabwägung zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung. Hinsichtlich des Grades der Vorwerfbarkeit sei zu berücksichtigen, dass schon die Frage eines objektiven Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot kontrovers diskutiert werden könne. Der Kläger habe sich nicht selbständig gemacht, sondern seine Tätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt, bei dem es ihm ersichtlich um eine Übergangslösung gegangen sei, um den Zeitraum der Ungewissheit bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung zu überbrücken. In zeitlicher Hinsicht habe der Kläger seine Tätigkeit im Diakonie-Krankenhaus erst vier Monate nach der ersten fristlosen Kündigung aufgenommen. Darüber hinaus habe die Beklagte auch zu konkreten Auswirkungen der Konkurrenztätigkeit des Klägers auf ihre eigene Tätigkeit nichts vorgetragen. Die von der Beklagten angeführten Patientenzahlen aus dem Einzugsgebiet des Diakonie-Krankenhauses in M., die bei ihr pro Jahr behandelt worden seien, würden sich im unteren Promillebereich bewegen. Die Beklagte habe auch selbst nicht behauptet, dass aufgrund der Tätigkeit des Klägers ab Februar 2009 im Diakonie-Krankenhaus in M. Patienten aus ihrem Einzugsbereich nach M. gewechselt seien. Der Kläger habe im vorliegenden Verfahren stets zum Ausdruck gebracht, dass er weiter bei der Beklagten arbeiten wolle, so dass sich die Arbeitsaufnahme bei dem Diakonie-Krankenhaus in M. offensichtlich als eine Übergangslösung darstelle, die von der Beklagten auch nur so habe verstanden werden können. Letztlich könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger nachhaltig gehalten sei, seine Tätigkeit zum Erhalt seiner chirurgischen Fähigkeiten tatsächlich auszuüben. Auch unter Berücksichtigung der besonderen Konfliktsituation, in der sich der Kläger nach Ausspruch der ersten fristlosen Kündigungen im Hinblick auf die erforderliche Sicherung seines Lebensstandards befunden habe, überwiege das Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse der Beklagten an einer sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Soweit die Beklagte die fristlose Kündigung auf eine Falschaussage des Klägers im Kammertermin vom 11. März 2009 gestützt habe, fehle es bereits an einem wichtigen Grund. Eine bewusst wahrheitswidrige Erklärung des Klägers sei nicht zu erkennen. Bei der Auslegung seiner Erklärung sei insbesondere der Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen. Danach könne seine Äußerung, dass er "vertretungsweise" in einem anderen Krankenhaus tätig sei, vom objektiven Empfängerhorizont nur so verstanden werden, dass er damit zum Ausdruck habe bringen wollen, nur vorübergehend woanders tätig zu sein. Der Begriff "vertretungsweise" bringe umgangssprachlich auch zum Ausdruck, lediglich vorübergehend im Sinne einer Übergangslösung tätig zu sein. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und der Gesprächssituation im Kammertermin vom 11. März 2009 lägen keine Anhaltspunkte für einen bewusst wahrheitswidrigen Vortrag des Klägers vor. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei aus den Gründen, die zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung führen würden, ebenfalls unwirksam. Nach der auch bei der ordentlichen Kündigung vorzunehmenden Interessenabwägung würde das Fortführungsinteresse des Klägers gegenüber dem Auflösungsinteresse der Beklagten überwiegen. Weiterhin habe der Kläger während der Dauer des Rechtsstreits einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Da der Kläger ein die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 26. März 2009 feststellendes Urteil erstritten habe, könne die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers nicht begründen. Vielmehr müssten zusätzliche Umstände hinzukommen, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergebe, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen. Solche Umstände habe die Beklagte nicht vorgetragen. Zudem stünden dem Kläger die mit den Anträgen zu 3) bis 6) geltend gemachten Ansprüche zu, die dem Grunde und der Höhe nach unstreitig seien.

52

Gegen das ihr am 5. November 2009 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 18. November 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 19. November 2009 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, sowie ergänzend mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

53

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe unzutreffend im Hinblick auf das vorgetragene Zahlenmaterial eine mögliche Gefährdung des Arbeitgebers aufgrund des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot in Zweifel gezogen. Denn sie habe die konkreten Daten zu Patienten, die sich räumlich sowohl in Richtung des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. als auch in Richtung ihres Krankenhauses in A-Stadt orientieren könnten, nur beispielhaft anhand einzelner Ortschaften vorgelegt und nachgewiesen. Damit sei aber die absolute Anzahl der Patienten, die sowohl in die eine wie auch die andere Richtung gehen könnten, völlig offen. Deshalb verbiete sich auch jeglicher Rückschluss auf eine Relation zur absoluten Anzahl der Patienten von ca. 9.000 jährlich. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die Kündigung nicht mangels vorheriger Abmahnung unwirksam. Zwar könne in der Tat ohne nähere Berücksichtigung der Umstände nicht festgestellt werden, dass dem Kläger die Relevanz der Marktsituation klar gewesen sei. Dies spiele aber für den objektiven Pflichtverstoß keine Rolle. Entscheidend sei vielmehr, dass die Marktposition des Arbeitgebers objektiv nicht verletzt und noch nicht einmal gefährdet werden dürfe. Ob der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung bewusst oder gar mit Schädigungsabsicht begangen habe, sei nicht entscheidend. Dies könne allenfalls im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Relevanz erlangen. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass der Kläger arbeitsrechtlich beraten und vertreten sei. Sein Prozessbevollmächtigter habe ihn darauf hinweisen müssen, dass die Aufnahme der Arbeit im Diakonie-Krankenhaus einen Pflichtverstoß begründen und die Gefahr einer Kündigung wegen eines Wettbewerbsverstoßes beinhalten könnte. Jedenfalls sei dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten aufgrund ihres Anhörungsschreibens vom 17. März 2009 klar gewesen, dass die Tätigkeit des Klägers für ein anderes Krankenhaus arbeitsrechtlich ein nicht unerhebliches Problem begründen würde. Materiell handele es sich dabei um eine vorsorgliche Abmahnung. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts habe der Kläger hieraus allerdings keineswegs die Konsequenz gezogen, das ab dem 1. Februar begründete Arbeitsverhältnis mit dem Diakonie-Krankenhaus alsbald zu beenden. Denn der Kläger habe verschwiegen, dass nicht er durch seine Kündigung das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet habe, sondern eine zuvor vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung, die das Diakonie-Krankenhaus zum Ende der Probezeit Ende Juli 2009 zum 31. August 2009 ausgesprochen habe. Entgegen der Darstellung des Klägers habe dieser bei den beiden Einstellungsgesprächen mit dem Geschäftsführer des Diakonie-Krankenhauses, Herrn Dr. G., nicht offengelegt, dass er das Arbeitsverhältnis alsbald wieder beenden wolle, um zu seinem Arbeitgeber nach A-Stadt zurückzukehren. Vielmehr wäre er in diesem Fall gar nicht eingestellt worden, weil nach den Angaben des Herrn Dr. G. nur eine langfristige Besetzung der Chefarztstelle sinnvoll und beabsichtigt gewesen sei. Die vom Arbeitsgericht zugunsten des Klägers aufgestellte Prognose, wonach dieser nach einer Abmahnung das neu begründete Arbeitsverhältnis ja hätte kündigen können, habe sich gerade nicht bestätigt. Der Kläger habe weder nach dem Anhörungsschreiben vom 17. März 2009 noch nach der fristlosen Kündigung vom 26. März 2009 sein Arbeitsverhältnis gekündigt, sondern stattdessen im Diakonie-Krankenhaus so lange wie möglich weitergearbeitet. Auf der zweiten Prüfungsstufe habe das Arbeitsgericht zu Unrecht verschiedene Punkte einseitig zugunsten des Klägers gewertet. In Bezug auf den Grad der Vorwerfbarkeit des Pflichtverstoßes sei zu berücksichtigen, dass es für den Kläger selbst jedenfalls erkennbar gewesen sei, dass Patienten aus dem zwischen den beiden Krankenhäusern gelegenen Territorium sowohl zu seinem neuen Arbeitgeber wie auch zu ihr kommen könnten. Weiterhin müsse sich der Kläger eine unterlassene Belehrung durch seinen Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Soweit der Kläger die Wettbewerbstätigkeit erst vier Monate nach der ersten fristlosen Kündigung aufgenommen habe, beseitige dies den späteren und nachhaltigen Pflichtverstoß nicht. Diesbezüglich habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass der Kläger sich im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. jedenfalls vor dem 1. Februar beworben und damit die Konkurrenztätigkeit konkret in Angriff genommen habe. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht zugunsten des Klägers unterstellt, dass sie keinen konkreten Schaden nachgewiesen habe und sich die tatsächlichen Patientenzahlen im unteren Promillebereich bewegen würden. Die absolute Anzahl der Patienten, die anstatt zu ihr nach M.-W. gegangen seien, könne zum einen nicht aufgeklärt werden und sei zum anderen für den Pflichtverstoß gerade nicht entscheidend. Mangels entsprechender Darlegungs- und Beweislast könne aus ihrem fehlenden konkreten Vortrag zur absoluten Anzahl der abgeworbenen Patienten oder der Patienten, die sich zwischen beiden Krankenhäusern entscheiden könnten, keine Rückschlüsse zugunsten des Klägers gezogen werden. Soweit das Arbeitsgericht darauf verwiesen habe, dass der Kläger zum Erhalt seiner Fähigkeiten als Chirurg gehalten sei, seine Tätigkeiten tatsächlich auszuüben, berechtige ihn dies jedoch nicht, zu ihr in Wettbewerb zu treten. Im Bezug auf die Falschaussage des Klägers habe das Arbeitsgericht die objektive Äußerung des Klägers, dass er im Diakonie-Krankenhaus "vertretungsweise" tätig sei, dahingehend interpretiert, dass vertretungsweise auch als vorübergehend verstanden werden könnte. Die Aussage stimme nicht mit den objektiven Fakten überein, die der Kläger in M.-W. im Diakonie-Krankenhaus kommuniziert habe. Sie habe auch nicht seinem dort abgeschlossenen Vertrag entsprochen. Der Weiterbeschäftigungsantrag sei unbegründet, weil die Kündigungen wirksam seien. Die Zahlungsansprüche seien ebenfalls unbegründet, weil sie sich nicht in Annahmeverzug befunden haben.

54

Die Beklagte beantragt,

55

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 2. September 2009 - 6 Ca 650/09 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

56

Der Kläger beantragt,

57

die Berufung zurückzuweisen.

58

Er erwidert, zwischen den beiden Krankenhäusern bestehe bereits aufgrund der räumlichen Entfernung und den Fahrzeiten zwischen beiden Orten keine Wettbewerbssituation, so dass ihm auch keine unerlaubte Wettbewerbstätigkeit vorgeworfen werden könne. Die Beklagte habe es trotz wiederholter Aufforderungen abgelehnt, eine Liste der behaupteten Patienten mit einer Angabe darüber vorzulegen, in welcher Abteilung sie behandelt worden seien. Bei Vorlage einer solchen Liste würde damit belegt werden, dass die behaupteten Patienten ausschließlich auf der inneren Abteilung behandelt würden. Damit scheide von vornherein jegliche Wettbewerbssituation im Bereich der Chirurgie aus. Auch umgekehrt sei im gesamten Jahr 2009 kein einziger Patient aus A-Stadt im Diakonie-Krankenhaus M. behandelt worden. Wenn die von der Beklagten behauptete Wettbewerbssituation bestehen würde, dann müsste gleiches gelten z.B. für Krankenhäuser zwischen Kiel und München, weil es auch dann im Einzelfall vorkommen könne, dass Patienten eine Krankenhausbehandlung jeweils am anderen Ende Deutschlands aus bestimmten Gründen in Anspruch nehmen würden. Damit wäre aber zugleich jede Tätigkeit im stationären Bereich während eines langjährigen Kündigungsschutzprozesses unmöglich, was jedoch von der Rechtsprechung abgelehnt werde. Das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass in jedem Fall zuvor eine Abmahnung hätte ausgesprochen werden müssen. Das Schreiben der Beklagten vom 17. März 2009 könne nicht als Abmahnungsschreiben interpretiert werden. Entgegen der Darstellung der Beklagten hätten Einstellungsgespräche im eigentlichen Sinne zwischen ihm und Herrn Dr. G. nicht stattgefunden. Bei dem ersten Vorstellungsgespräch sei Herr Dr. G. nicht anwesend gewesen. Der ärztliche Direktor, Herr Dr. Gl., habe ihm bei dieser Vorstellung auf seine Vorgeschichte angesprochen, woraufhin er berichtet habe, dass ihm mehrfach fristlos gekündigt worden sei. Weiterhin habe er darauf hingewiesen, dass er sich gegen diese Kündigungen zur Wehr setze und Kündigungsschutzklage mit dem Ziel erhoben habe, in A-Stadt zu bleiben. Herrn Dr. G. habe er erst einige Wochen später kennengelernt, wobei dieser ihm mitgeteilt habe, dass man sich auf seine Einstellung geeinigt habe, man könne sich ja immer ohne Probleme während der Probezeit voneinander trennen. In diesem Gespräch sei es also nicht darum gegangen, ob er überhaupt eingestellt werden solle oder nicht, vielmehr sei ihm von Herrn Dr. G. bereits definitiv die Einstellung mitgeteilt worden. Soweit er danach noch mit Herrn Dr. G. gesprochen habe, sei es lediglich um den Inhalt des Dienstvertrages gegangen. Die Beklagte habe nicht einmal schlüssig den behaupteten Schaden vorgetragen, sondern lediglich abstrakt einige wenige Patientenzahlen ohne nähere Einzelheiten genannt. Auch der Vorwurf der Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 sei abwegig. Hätte er auf die Frage der Richterin erklärt, dass er eine Stelle als Chefarzt in einem anderen Krankenhaus übernommen habe, so wäre dies von der Beklagten sofort als Abkehrwille interpretiert und eine Kündigung ausgesprochen worden. Für die Beantwortung der Frage sei es daher ausreichend gewesen, dass er angegeben habe, seit dem 1. Februar 2009 in einem anderen Krankenhaus zu arbeiten, wobei er hierfür von einer Vertretungstätigkeit gesprochen habe. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung sei schon deshalb rechtsunwirksam, weil in seinem Dienstvertrag die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung vertragsmäßig ausgeschlossen sei. Insoweit nehme er Bezug auf den auszugsweise vorgelegten Schriftsatz vom 28. Oktober 2009 im Verfahren 3 Sa 474/09 (Bl. 267 bis 269 d.A.).

59

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

60

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage vollumfänglich stattgegeben.

A.

61

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung ist zulässig.

62

Sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt sowie begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

63

Entgegen der Ansicht des Klägers entspricht die Berufungsbegründung auch in Bezug auf die hilfsweise ordentliche Kündigung, den Weiterbeschäftigungsantrag und die Annahmeverzugsansprüche den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Das Arbeitsgericht hat die Unwirksamkeit der hilfsweise ordentlichen Kündigung darauf gestützt, dass die Gründe, die zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung führten, auch die Entscheidung über die Unwirksamkeit der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung tragen würden. Ob die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung bereits vertraglich nach § 20 Abs. 3 des Dienstvertrages ausgeschlossen ist, hat das Arbeitsgericht ausdrücklich dahinstehen lassen. Dementsprechend durfte die Beklagte darauf verweisen, dass ihre Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung sinngemäß für die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur hilfsweise ordentlichen Kündigung gelten sollen. Entgegen der Ansicht des Klägers liegt auch in Bezug auf den Weiterbeschäftigungsantrag und die Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug eine ausreichende Berufungsbegründung vor. Mit ihrem ergänzenden Schriftsatz vom 23. Dezember 2009 hat die Beklagte innerhalb der Berufungsbegründungsfrist ausgeführt, dass der Weiterbeschäftigungsantrag aufgrund der Wirksamkeit der Kündigungen unbegründet sei und die Zahlungsansprüche ebenfalls unbegründet seien, weil sie sich aufgrund der vorangegangenen Kündigungen, die Gegenstand des vorgreiflichen Vorprozesses der Parteien seien, nicht in Annahmeverzug befunden habe. Im Hinblick darauf, dass diese weiteren Anträge jeweils auf der Unwirksamkeit der vorangegangenen Kündigungen aufbauen und der Vorprozess der Parteien damals noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, genügt die (ergänzende) Berufungsbegründung den nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu stellenden Anforderungen.

B.

64

Die hiernach zulässige Berufung der Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg.

65

Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage vollumfänglich stattgegeben.

I.

66

Der Kündigungsschutzantrag zu 1) ist begründet.

67

1. Die außerordentliche Kündigung vom 26. März 2009 ist unwirksam, weil die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht erfüllt sind.

68

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Prüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Ist dies der Fall, bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bzw. bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., vgl. BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 18, NZA-RR 2010, 461).

69

Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung wegen des angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot jedenfalls an der vorzunehmenden Interessenabwägung scheitert und in Bezug auf die dem Kläger vorgeworfene "Falschaussage" bereits kein Sachverhalt erkannt werden kann, der an sich als wichtiger Kündigungsgrund geeignet ist.

70

a) Die fristlose Kündigung ist nicht wegen des von der Beklagten angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot während des (fort-)bestehenden Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt.

71

aa) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt. Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen. Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen. Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Deshalb darf ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch nach Ausspruch einer von ihm gerichtlich angegriffenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, wenn die Kündigung sich später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22 und 23, NZA-RR 2010, 461). Bei der Bestimmung der Reichweite des Wettbewerbsverbots muss allerdings die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers Berücksichtigung finden. Daher ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob nach Art der Haupt- und Nebentätigkeit und der beteiligten Unternehmen überhaupt eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers vorliegt (BAG 24. März 2010 - 10 AZR 66/09 - NZA 2010, 693).

72

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann im Streitfall zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Tätigkeit des Klägers am Diakonie-Krankenhaus in M.-W. nach der Art der beiden Unternehmen (Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung) ungeachtet ihrer räumlich weiten Entfernung (Verkehrsverbindungen von ca. 150 km) schutzwürdige Interessen der Beklagten gefährdet hat und das Wettbewerbsverbot in dem von der Beklagten unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnis der vom Kläger aufgenommenen anderweitigen Arbeitstätigkeit entgegenstand. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger mit der von ihm - nach Ausspruch der unwirksamen Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008 - beim Diakonie-Krankenhaus in M.-W. zum 1. Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit als Chefarzt der chirurgischen Abteilung gegen das Wettbewerbsverbot während des (fort-)bestehenden Arbeitsverhältnisses verstoßen hat, ist die außerordentliche Kündigung gleichwohl nach der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht gerechtfertigt.

73

Der Beklagten kann unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falls und unter Abwägung der Interessen beider Parteien die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem nach § 20 Abs. 3 des Arbeitsvertrages ordentlich unkündbaren Kläger sowohl bis zum Ablauf der in § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB bestimmten Kündigungsfrist als auch darüber hinaus bis zu der in § 20 Abs. 4 des Arbeitsvertrags vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden, so dass die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos noch mit einer der Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist beendet hat.

74

Die Parteien haben in § 20 des Arbeitsvertrags die Möglichkeit zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen. Das ergibt die Auslegung der in § 20 des Arbeitsvertrags getroffenen Regelungen. Der Kläger hat unter Bezugnahme auf seinen Schriftsatz vom 28. Oktober 2009 in dem unter dem Aktenzeichen 3 Sa 474/09 vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz geführten Vorprozess der Parteien unwidersprochen vorgetragen, dass der ihm ursprünglich überreichte Entwurf des Dienstvertrages in § 20 aufgrund der zwischen ihm und dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten geführten Verhandlungen geändert worden sei. Im ursprünglichen Vertragsentwurf war geregelt, dass der Vertrag nach Ablauf der Probezeit von beiden Parteien mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahrs gekündigt werden kann (§ 20 Abs. 3 des Entwurfs) und das Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrags nach § 626 BGB aus wichtigem Grund unberührt bleibt (§ 20 Abs. 4 des Entwurfs). Anstelle dieser Regelungen in § 20 Abs. 3 und 4 des ursprünglichen Entwurfs wurde nach den geführten Vertragsverhandlungen in die endgültige Fassung des Dienstvertrags ein neuer Absatz 3 aufgenommen, nach dem der Vertrag nach Ablauf der Probezeit fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass diese Änderung des Vertragstextes für ihn eine wesentliche Voraussetzung gewesen sei, die Stelle in A-Stadt anzutreten, weil er nicht einfach jederzeit kündbar habe sein wollen, wenn er mit seiner gesamten Familie nach A-Stadt ziehe. Im Hinblick darauf, dass der ursprüngliche Vertragsentwurf unstreitig aus diesen Gründen im Rahmen der zwischen den Parteien geführten Vertragsverhandlungen einvernehmlich geändert worden ist, kann die in § 20 Abs. 3 des Dienstvertrags vereinbarte Regelung nur so verstanden werden, dass der Vertrag nach Ablauf der Probezeit nur noch fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund kündbar sein sollte und im Übrigen erst nach § 20 Abs. 4 des Dienstvertrages mit der festgelegten Altersgrenze bzw. im Falle einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit endet. Die Auslegung der in § 20 des Dienstvertrags getroffenen Regelungen ergibt mithin, dass die Parteien die ordentliche Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach Ablauf der Probezeit vertraglich ausgeschlossen haben und das Arbeitsverhältnis gemäß § 20 Abs. 4 des Dienstvertrages erst mit Erreichung der festgelegten Altersgrenze bzw. im Falle der geregelten Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit endet (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - Rn. 106 und 107, [juris]).

75

Auch wenn man im Streitfall von einem Verstoß des Klägers gegen das Wettbewerbsverbot ausgeht, der als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist, kann der Beklagten gleichwohl bei Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem ordentlich unkündbaren Kläger bis zu der in § 20 Abs. 4 vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden. Zwar verletzt der Arbeitnehmer seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich, wenn er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit ausübt. Unter Berücksichtigung von Art und Auswirkung der Konkurrenztätigkeit sowie des Grades des Schuldvorwurfs überwiegen aber im Streitfall die Interessen des Klägers an einer Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Beendigungsinteresse der Beklagten.

76

Der Kläger hat sich nach Ausspruch der Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008, deren Rechtsunwirksamkeit inzwischen im Vorprozess der Parteien rechtskräftig festgestellt worden ist, darauf beschränkt, seine Arbeitskraft durch Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses bei einem anderen Krankenhaus ab 1. Februar 2009 zu verwerten, um seinen Lebensstandard durch Erzielung eines entsprechenden Verdienstes aufrechtzuerhalten und seine Fähigkeiten als Chirurg zu erhalten. Die vom Kläger aufgenommene (Konkurrenz-)Tätigkeit ist erst durch die unwirksamen Kündigungen der Beklagten ausgelöst worden, ohne die für den Kläger keine Veranlassung zur Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit als Chirurg bestanden hätte. Bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die Wirksamkeit der vorangegangenen Kündigungen waren beide Parteien im Ungewissen darüber, wie die materielle Rechtslage beurteilt werden wird. Dadurch ist für den Kläger eine Zwangslage entstanden. Zur Vermeidung einer weiteren Kündigung müsste er sich einerseits jeglicher Tätigkeit enthalten, die als Wettbewerbsverstoß aufgrund des möglicherweise noch fortbestehenden Vertrages gewertet werden könnte. Andererseits wäre er für den Fall der Wirksamkeit der Kündigung an der dann möglichen anderweitigen Sicherung seines Lebensstandards gehindert (vgl. hierzu BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - Rn. 51, NZA 1992, 212). Die aus § 615 Satz 2 BGB herzuleitenden Interessen des Arbeitnehmers an der anderweitigen Verwendung seiner Arbeitskraft sind für die Beurteilung erheblich, ob und mit welchem Gewicht ihm die Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen vorwerfbar ist. Wenn der Arbeitnehmer am gekündigten Arbeitsverhältnis festhalten will, geht es ihm mit der Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen zur Verwertung seiner Arbeitskraft ersichtlich nur um eine Übergangslösung, die der Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber nicht entgegensteht und für diesen keine anhaltende Konkurrenz bedeutet (BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - Rn. 65, NZA 1992, 212). Dabei ist im Streitfall unerheblich, ob und inwieweit der Kläger gegenüber Vertretern des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. zum Ausdruck gebracht hat, dass er an seinem gekündigten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten festhalten und zu dieser möglichst wieder zurückkehren will. Der Kläger hat die ihm vorgeworfene Konkurrenztätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei einem räumlich weit von der Beklagten entfernten Krankenhaus aufgenommen. Sowohl das von der Beklagten in A-Stadt betriebene Krankenhaus als auch das Diakonie-Krankenhaus in M.-W. sind Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Die Beklagte hat zwar zutreffend darauf verwiesen, dass die Wahl des einen oder anderen Krankenhauses nicht zwingend von der räumlichen Entfernung abhängt, sondern durchaus auch von anderen Faktoren (wie z.B. verfügbare Leistungen des Krankenhauses, Ruf des Krankenhauses oder der Fachabteilung, zeitliche Verfügbarkeit für eine Operation usw.) beeinflusst sein kann. Danach können die Interessen der Beklagten grundsätzlich durch jede anderweitige Tätigkeit des Klägers als Chirurg an jedem anderen Krankenhaus unabhängig von dessen räumlicher Entfernung gefährdet werden, so dass der Kläger zur Vermeidung der Gefahr einer erneuten Kündigung wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot während des Kündigungsschutzprozesses jede Ausübung seiner bisherigen Berufstätigkeit als Chirurg an einem anderen Krankenhaus hätte unterlassen müssen. Im Hinblick darauf, dass der Kläger zur Aufrechterhaltung seines Lebensstandards und zum Erhalt seiner Fähigkeiten als Chirurg auf eine entsprechend anderweitige Tätigkeit an einem anderen Krankenhaus angewiesen ist, erscheint der mit der Kündigung gemachte Vorwurf eines Wettbewerbsverstoßes im Streitfall jedenfalls als weniger schwerwiegend, zumal der Kläger seine anderweitige Tätigkeit an einem räumlich weit entfernten Krankenhaus ohne jede Schädigungsabsicht aufgenommen hat. Auch bei Annahme einer bestehenden Wettbewerbssituation zwischen den beiden Krankenhäusern ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die dem Kläger vorgeworfene Konkurrenztätigkeit tatsächlich zu bestimmten nachteiligen Auswirkungen auf den Betrieb der Beklagten geführt haben soll. Die Beklagte hat lediglich allgemein auf die von ihr angeführten Überschneidungen im Einzugsbereich der Patienten verwiesen. Sie hat aber selbst nicht behauptet, dass aufgrund der ab Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit des Klägers am Diakonie-Krankenhaus in M.-W. Patienten aus ihrem Einzugsbereich nach Marburg gewechselt oder andere konkrete Auswirkungen festzustellen seien.

77

In Anbetracht der dargestellten besonderen Umstände des vorliegenden Falls erscheint bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine außerordentliche Kündigung (fristlos oder mit Auslauffrist) wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot als nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist der Beklagten eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem ordentlich unkündbaren Kläger bis zu der in § 20 Abs. 4 des Arbeitsvertrags vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar.

78

b) Die außerordentliche Kündigung ist auch nicht wegen der dem Kläger vorgeworfenen Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht gerechtfertigt.

79

Gemäß der zutreffenden Bewertung des Arbeitsgerichts hat der Kläger keine bewusst wahrheitswidrige Erklärung abgegeben, die an sich als wichtiger Kündigungsgrund geeignet ist. Das Arbeitsgericht hat bei der Würdigung der vom Kläger abgegebenen Erklärung zu Recht den Gesamtzusammenhang und die konkrete Gesprächssituation berücksichtigt.

80

Der Kläger hat im Rahmen der vor dem Arbeitsgericht im Kammertermin vom 11. März 2009 geführten Vergleichsgespräche auf die Frage der Vorsitzenden, ob er zur Zeit beruflich etwas mache, sinngemäß geantwortet, dass er vertretungsweise in einem anderen Krankenhaus tätig sei. Diese Erklärung kann gemäß der zutreffenden Bewertung durch das Arbeitsgericht ohne weiteres dahin verstanden werden, dass der Kläger damit zum Ausdruck bringen wollte, dass er nur vorübergehend bei einem anderen Krankenhaus im Sinne einer Übergangslösung tätig sei. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob der Kläger auch gegenüber dem Diakonie-Krankenhaus in M.-W. zum Ausdruck gebracht hat, dass er dort nur vorübergehend tätig sein wolle. Auf die schriftliche Nachfrage der Beklagten vom 17. März 2009 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19. März 2009 erklärt, dass er zur Zeit im Regierungsbezirk Gießen (Hessen) an einem Krankenhaus tätig sei, um seine chirurgischen Fähigkeiten zu erhalten und nicht zuletzt auch im Hinblick auf § 615 Satz 2 BGB. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass danach hinreichende Anhaltspunkte für eine bewusst wahrheitswidrige Erklärung nicht vorliegen.

81

2. Die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 26. März 2009 ist ebenfalls unwirksam.

82

Dies folgt bereits daraus, dass das Arbeitsverhältnis gemäß den obigen Ausführungen nach Ablauf der Probezeit ordentlich nicht mehr kündbar war.

83

Unabhängig davon scheitert auch die hilfsweise ordentliche Kündigung wegen des angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot jedenfalls an der vorzunehmenden Interessenabwägung.

84

Eine ordentliche Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, weitere Störungen zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22 und 23, NZA-RR 2010, 461).

85

Entsprechend den obigen Ausführungen erscheint im Streitfall auch eine ordentliche Kündigung bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht als billigenswerte und angemessene Reaktion der Beklagten. Der Kläger hat sich nach Ausspruch der unwirksamen Kündigungen darauf beschränkt, bei einem räumlich weit entfernten Krankenhaus einer anderweitigen Arbeitstätigkeit nachzugehen, um seine Fähigkeiten als Chirurg zu erhalten und einen entsprechenden Verdienst (§ 615 Satz 2 BGB) zu erzielen. In Anbetracht der oben dargestellten Zwangslage, in der er sich aufgrund der unwirksamen Kündigungen der Beklagten befunden hat, ist auch bei einem unterstellten Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot unter Berücksichtigung von Art und Auswirkung der ihm vorgeworfenen Konkurrenztätigkeit sowie des Grades des Verschuldens die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung jedenfalls bei Abwägung der beiderseitigen Interessen sozial nicht gerechtfertigt.

86

Die hilfsweise ordentliche Kündigung ist auch nicht wegen der dem Kläger vorgeworfenen "Falschaussage" sozial gerechtfertigt. Wie bereits oben ausgeführt, hat der Kläger keine bewusst wahrheitswidrige Erklärung abgegeben, so dass ein verhaltenbedingter Kündigungsgrund i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG nicht angenommen werden kann.

II.

87

Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung vom 26. März 2009 ist auch der Weiterbeschäftigungsantrag zu 2) begründet.

88

Die Beklagte ist gemäß den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Grundsätzen (BAG 24. Februar 1985 - GS 1/84 - NZA 1985, 702) verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospital in A-Stadt zu unveränderten Bedingungen gemäß Dienstvertrag vom 18. April 2005 weiterzubeschäftigen. Im vorliegenden Verfahren hat die Beklagte keine Umstände angeführt, die trotz des Obsiegens des Klägers mit dem Kündigungsschutzantrag zu 1) ein überwiegendes Interesse an dessen Nichtbeschäftigung begründen könnten.

III.

89

Weiterhin stehen dem Kläger auch die mit den Klageanträgen zu 3) bis 6) geltend gemachten Ansprüche auf (Annahmeverzugs-)Vergütung und Rechnungslegung zu.

90

Die Beklagte hat sich nach Ausspruch der Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008, deren Rechtsunwirksamkeit im Vorprozess der Parteien inzwischen rechtskräftig festgestellt worden ist, gemäß §§ 293, 296 BGB in Annahmeverzug befunden. Im Übrigen sind die Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach unstreitig.

91

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

92

Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Der Handlungsgehilfe darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen.

(2) Die Einwilligung zum Betrieb eines Handelsgewerbes gilt als erteilt, wenn dem Prinzipal bei der Anstellung des Gehilfen bekannt ist, daß er das Gewerbe betreibt, und der Prinzipal die Aufgabe des Betriebs nicht ausdrücklich vereinbart.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 02.09.2009 - 6 Ca 650/09 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 26. März 2009 sowie um Ansprüche auf Vergütung und Rechnungslegung.

2

Der Kläger war seit dem 1. Juli 2005 als Chefarzt der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospitals in A-Stadt aufgrund Arbeitsvertrags vom 18. April 2005 (Bl. 38 bis 60 d.A.) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält u.a. folgende Regelungen:

3

"(…)

4

§ 19
Tätigkeit außerhalb der Dienstaufgaben

5

Jede Tätigkeit außerhalb der Dienstaufgaben bedarf der schriftlichen Zustimmung des Krankenhausträgers (Nebentätigkeitserlaubnis).

6

§ 20
Vertragsdauer, Kündigung

7

(1) Der Vertrag tritt am 01.07.2005 in Kraft; er wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.

8

Die ersten 6 Monate der Beschäftigung sind Probezeit.

9

(2) Während der Probezeit kann der Vertrag mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.

10

(3) Nach Ablauf der Probezeit kann der Vertrag fristlos gem. § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden.

11

(4) Der Vertrag endet ohne Kündigung mit Erreichung der in § 19 AVR-Caritas in der jeweils gültigen Fassung festgelegten Altersgrenze oder mit Ablauf des Monats, in welchem dem Arzt der Bescheid über eine vom Rentenversicherungsträger oder von einer anderen Versorgungseinrichtung festgestellte Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zugestellt wird und rechtskräftig ist.

12

(…)"

13

Die Beklagte hatte gegenüber dem Kläger bereits mit Schreiben vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008 jeweils eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen. Das Arbeitsgericht Koblenz hat in dem unter dem Aktenzeichen 6 Ca 1752/08 geführten Vorprozess der Parteien mit Urteil vom 11. März 2009 der gegen diese Kündigungen gerichteten Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Diese Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig (vgl. LAG Rheinland Pfalz 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - und BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 -).

14

Am 17. März 2009 erhielt der Prozessbevollmächtigte des Klägers folgendes Schreiben des damaligen Geschäftsführers der Beklagten, Herrn K. (Bl. 33, 34 d.A.):

15

"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Dr. D.,

16

in Sachen Dr. C. konnte ich heute mit unserem bisherigen Prozessvertreter, Herr RA G. Rücksprache nehmen. Herr RA G. und ich erinnerten uns beide, dass Herr Dr. C. auf Befragen der Vorsitzenden Richterin Dr. M. im Kammertermin letzte Woche sinngemäß geäußert habe, er sei in gewissem Umfang selbständig tätig und/oder operiere gelegentlich bzw. vertretungsweise.

17

Hierzu stelle ich, auf Basis des Dienstvertrages, an dem Ihr Mandant ja unbedingt festhalten will, fest, dass eine solche Tätigkeit außerhalb unseres Krankenhauses auf Basis des Vertrages definitiv nicht zulässig ist. Da mir, außer dieser überlieferten Äußerung zu einem möglichen, massiven weiteren Pflichtenverstoß noch keine verdichteten Informationen vorliegen, gehen wir nun wie folgt vor:

18

Ich setze Ihrem Mandanten hiermit eine Frist von 48 Stunden, zu den folgenden Verdachtsmomenten mir gegenüber schriftlich (Faxübermittlung reicht aus) Stellung zu nehmen. Die Frist beginnt mit der Übermittlung dieses Faxes. Sollte Ihr Mandant, aus welchen Gründen auch immer, an der Beantwortung aus dringenden Gründen verhindert sein, müssen Sie oder Herr Dr. C. dies innerhalb der Frist in der vorgenannten Form mitteilen und begründen. Ich werde in diesem Fall die Frist nochmals verlängern, wenn dies erforderlich ist.

19

Erfolgt keine Stellungnahme oder wird diese verweigert, werden wir weitere Maßnahmen auf Basis der uns dann vorliegenden Informationen durchführen.

20

Nun zu meinen Fragen:

21

1. Welchen ärztlichen Tätigkeiten ist Herr Dr. C. seit Zugang der ersten fristlosen Kündigung am 26.9.2008 nachgegangen ?

22

2. Ist Herr Dr. C. für andere Krankenhäuser seit dem 26.9.2008 ärztlich tätig geworden, insbesondere als Chirurg? Falls ja:

23

- in welchen Krankenhäusern
- in welchem Umfang und
- mit welchen Tätigkeiten ?

24

3. Erfolgte eine ärztliche Tätigkeit in selbständiger, nicht-selbständiger (also angestellter) oder in sonstiger Form ? Falls ja, wurde ein Vertragsverhältnis zu einem anderen Krankenhaus als unserem begründet ?

25

4. Wo und wie ist Herr Dr. C. derzeit, Stand: 17. März 2009 beschäftigt ?

26

Die Antwort ist unmittelbar an mich zu richten, nicht an unsere bisherigen oder die künftig für uns in dieser Sache tätigen Rechtsanwälte."

27

Auf dieses Schreiben antwortete der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 19. März 2009 (Bl. 35 d.A.) wie folgt:

28

"Sehr geehrter Herr K.,

29

Sie unterstellen in Ihrem Schreiben vom 17.03.2009 meinem Mandanten eine Äußerung, die unzutreffend ist. Ich habe daher sofort eine Anfrage an die 2. Kammer des Arbeitsgerichts gerichtet, damit mir dies auch von dort bestätigt wird.

30

Mein Mandant hat auf die Frage der Richterin geantwortet, dass er zurzeit eine Vertretungstätigkeit in einem Krankenhaus mache.

31

Trotz ihrer unzutreffenden Unterstellung erkläre ich hiermit folgendes:

32

Mein Mandant ist zurzeit im Regierungsbezirk Gießen, Hessen, an einem Krankenhaus tätig, um seine chirurgischen Fähigkeiten zu erhalten und nicht zuletzt auch im Hinblick auf § 615 Satz 2 BGB. Seit der ersten Kündigung war er an keinem anderen Krankenhaus tätig, schon gar nicht im Einzugsbereich von A-Stadt, wie Sie wohl unterstellen.

33

Sollten Sie Ihre Unterstellungen weiterhin aufrechterhalten, behalte ich mir eine Unterlassungs- und Widerrufsklage vor."

34

Auf die schriftliche Anfrage des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 18. März 2009 (Bl. 36 d.A.) gab die Vorsitzende der 6. Kammer des Arbeitsgerichts Koblenz folgende Stellungnahme vom 18. März 2009 (Bl. 37 d.A.) ab:

35

"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Dr. D.,

36

nach meiner Erinnerung fragte ich Ihren Mandanten vor dem Hintergrund einer von der Kammer angestrebten vergleichsweisen Erledigung des Verfahrens wie auch der gesetzlichen Regelung des § 615 S. 1 und 2 BGB, ob er zur Zeit beruflich etwas mache. Herr Dr. C. antwortete sinngemäß, dass er vertretungsweise tätig sei. Allerdings meine ich mich erinnern zu können, dass Herr Dr. C. beiläufig das Thema "Erhaltung der operativen Fähigkeiten" erwähnte, nicht ich.

37

Eine Abschrift dieses Schreibens - wie auch Ihrer Anfrage vom 18.03.2009 nebst Anlagen - gestatte ich mir, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu übersenden."

38

Mit Schreiben vom 26. März 2009 (Bl. 32 d.A.) kündigte die Beklagte dem Kläger erneut fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin.

39

In der Zeit vom 1. Februar bis 31. August 2009 war der Kläger als Chefarzt der chirurgischen Abteilung im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. beschäftigt. Das St. N.-Stiftshospital in A-Stadt und das Diakonie-Krankenhaus in M. sind Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Die Entfernung zwischen den beiden Krankenhäusern beträgt 104 km Luftlinie und 151 km auf den Verkehrsstraßen. Die Fahrzeit von M. nach A-Stadt beträgt mit dem Auto mindestens drei Stunden (wegen der von L. bis M. verlaufenden Land- oder Kreisstraßen mit vielen Baustellen) und mit der Bahn mindestens dreieinhalb Stunden (mindestens dreimaliges Umsteigen). Bei der Beklagten werden jährlich ca. 9.000 Patienten behandelt.

40

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung sei rechtsunwirksam, weil es sowohl an ausreichenden Kündigungsgründen als auch an der erforderlichen vorangegangenen Abmahnung fehle. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe er mit seiner Tätigkeit am Diakonie-Krankenhaus in M. nicht gegen das Wettbewerbsverbot während des bestehenden Arbeitsverhältnisses verstoßen. Die Ansicht, dass jegliche anderweitige ärztliche Tätigkeit einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot darstelle, stehe in Widerspruch zu § 615 Satz 2 BGB. Zwischen dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus in A-Stadt und dem Diakonie-Krankenhaus in M. bestehe keine Wettbewerbssituation. Er erinnere sich jedenfalls nicht daran, dass er in seiner Zeit in A-Stadt jemals einen Patienten aus dem Einzugsbereich von M. bzw. von F./F. behandelt habe. Wenn es überhaupt jemals aus der Region M. Patienten im A. Krankenhaus gegeben habe, dann könne es sich hierbei ausschließlich um Patienten der inneren Abteilung handeln, die sich aufgrund der persönlichen Kontakte von Herrn Prof. St. (Chefarzt der inneren Abteilung am Krankenhaus in A-Stadt) nach M., wo dieser viele Jahre als Krankenhausarzt an der Universitätsklinik tätig gewesen sei, in dessen Behandlung begeben hätten. Aber auch umgekehrt habe es keine Konkurrenzsituation gegeben. Jedenfalls sei seit Beginn des Jahres 2009 im Diakonie-Krankenhaus in M. kein einziger Patient aus A-Stadt behandelt worden. Weiterhin sei auch der Vorwurf einer Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht absurd. Da er in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich betont habe, dass es sein Ziel sei, an das Krankenhaus in A-Stadt zurückzukehren, entspreche es der Wahrheit, wenn er geäußert habe, dass er zur Zeit in einem Krankenhaus "vertretungsweise" tätig sei. Er habe auch in M. wiederholt auf die Kündigungsschutzverfahren sowie auf sein Ziel hingewiesen, wieder an das A. Krankenhaus zurückkehren zu können. Er habe wahrheitsgemäß erklärt, dass er über Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit verfüge. Hingegen sei er nicht gefragt worden, um welche vertraglichen Beziehungen es sich handele. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei bereits gemäß § 20 des Dienstvertrages für den Arbeitgeber ausgeschlossen. Aufgrund der Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigungen sei die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für die Zeit vom 26. September 2008 bis 31. Januar 2009 zur Zahlung der geltend gemachten Vergütungsansprüche verpflichtet. Weiterhin habe die Beklagte die begehrte Rechnungslegung hinsichtlich der KV-Abrechnung für die Quartale II/08 und III/08 vorzunehmen.

41

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

42

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sowohl durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 26.03.2009 als auch durch die zugleich hilfsweise zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden ist,

43

die Beklagte zu verurteilen, ihn als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospital in A-Stadt zu unveränderten Bedingungen gem. Dienstvertrag vom 18.04.2005 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen,

44

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 38.194,44 EUR brutto als Dienstvergütung gem. § 8 Abs. 1 DV abzüglich 8.816,40 EUR netto zu zahlen,

45

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.002,81 EUR netto als Dienstvergütung aus liquidationsberechtigter Tätigkeit gem. § 8 Abs. 2 DV zu zahlen,

46

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.481,98 EUR brutto aus liquidationsberechtigter Tätigkeit im Bereich der Privatambulanz zu zahlen,

47

die Beklagte zu verurteilen, über die Abrechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz für die Quartale II/08 und III/08 Rechnung zu legen.

48

Die Beklagte hat beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Sie hat erwidert, die Kündigung sei wegen der unerlaubten Wettbewerbstätigkeit sowie aufgrund der Falschaussage des Klägers im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht im ersten Kündigungsschutzprozess gerechtfertigt. Der Kläger habe mit seiner Anfang Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit als Chefarzt der chirurgischen Abteilung im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. gegen das für die Dauer des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses bestehende Wettbewerbs verstoßen. Entgegen der Ansicht des Klägers sei eine Wettbewerbssituation zwischen ihrem Krankenhaus in A-Stadt und dem Diakonie-Krankenhaus in M. gegeben. Die räumliche Distanz zwischen den beiden Krankenhäusern beziehe insbesondere Patienten ein, die räumlich zwischen den beiden Krankenhäusern leben würden, hier insbesondere in der Region Hoher Westerwald. Zum Beispiel könne man von den Ortschaften im Postleitzahlenbezirk 57500 bis 57589 beide Krankenhäuser in fast gleicher Zeit per Auto erreichen. Die bestehende Wettbewerbssituation lasse sich dadurch beweisen, dass Kunden bzw. Patienten zwischen den beiden Wettbewerbern aussuchen könnten und dies auch tun würden, wie dies in Bezug auf Patienten aus dem Einzugsbereich des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. der Fall sei. Aus den genannten Postleitzahlenbezirken 57500-57589, unter anderem aus F., seien 11 Patienten im Jahr 2007, 22 Patienten im Jahr 2008 und 6 Patienten in der Zeit von Januar bis Mai 2009 gekommen. Aber auch aus dem unmittelbaren Umfeld des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. würden Patienten zu ihr kommen, so dass an dem Bestehen einer Wettbewerbssituation keine Zweifel bestehen könnten. Aus dem Bereich M., Postleitzahlengebiet 35041-35288, seien zu ihr im Jahr 2007 10 Patienten, im Jahr 2008 22 Patienten und in der Zeit von Januar bis Mai 2009 12 Patienten gekommen. Die unerlaubte Wettbewerbstätigkeit des Klägers habe ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht. Zum einen sei der Kläger in einem Krankenhaus in ihrem Einzugsgebiet tätig geworden und habe damit eine unmittelbare Konkurrenztätigkeit eröffnet. Es sei zu befürchten, dass Patienten nun dem A. Klinikum den Rücken kehren würden, um in M.-W. vom Kläger behandelt zu werden oder sich als Erstpatienten für das Diakonie-Krankenhaus anstatt für ihr Krankenhaus zu entscheiden. Zum anderen habe sich der Kläger im Rahmen der "Ermittlungen" zu seiner Wettbewerbstätigkeit durch die Verweigerung der Beantwortung berechtigter Fragen sowie durch die Androhung von Gegenmaßnahmen derart unkooperativ gezeigt, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich sei. Als besonderen Vertrauensbruch werte sie die objektive Falschaussage im Termin am 11. März 2009, in dem der Kläger auf Befragen der Vorsitzenden wahrheitswidrig geäußert habe, er sei nur vertretungsweise an einem anderen Krankenhaus tätig, während er in Wahrheit offiziell als amtierender Chefarzt dort tätig sei. Beides sei bereits vom Wortlaut her nicht miteinander vergleichbar. Durch seine Aussage habe der Kläger nicht nur das Gericht getäuscht, sondern vor allem sie selbst. Mit der Täuschung habe der Kläger versucht, von der verbotswidrigen Wettbewerbstätigkeit abzulenken, um damit seine Position zu verbessern. Damit sei das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien endgültig zerstört. Die beharrliche Fortsetzung der Wettbewerbstätigkeit und damit einhergehende Leugnung einer Wettbewerbssituation zeige, dass der Ausspruch einer Abmahnung anstelle der Kündigung keine Verhaltensänderung des Klägers gebracht hätte. Der Ausspruch einer Abmahnung wäre auch unzumutbar gewesen, weil sie den Kläger dann zunächst hätte weiterbeschäftigen müssen. Ein Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts ergebe sich aus dem Dienstvertrag nicht. Vielmehr werde lediglich klargestellt, dass auch nach Ablauf der Probezeit beim Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung keine Kündigungsfrist einzuhalten sei.

51

Mit Urteil vom 2. September 2009 - 6 Ca 650/09 - hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 26. März 2009 nicht aufgelöst worden sei und dem Kläger die geltend gemachten Zahlungsansprüche sowie der Rechnungslegungsanspruch zustünden. Die fristlose Kündigung vom 26. März 2009 sei nicht wegen des behaupteten Wettbewerbsverstoßes gerechtfertigt. Auch bei einer unterstellten Konkurrenztätigkeit hätte die Beklagte zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor Ausspruch der Kündigung dem Kläger zunächst eine Abmahnung erteilen müssen. Für den Kläger sei nur schwer erkennbar gewesen, dass seine Tätigkeit in dem 150 km entfernten Diakonie-Krankenhaus eine Konkurrenztätigkeit darstellen solle, die er auch nach Ausspruch von drei Kündigungen nicht habe ausüben dürfen. Vorliegend sei als Besonderheit zu berücksichtigen, dass sich der Kläger in einem Kündigungsschutzprozess befunden habe. Erst nach Ausspruch einer Abmahnung wäre für den Kläger deutlich erkennbar gewesen, dass die Beklagte seine Tätigkeit beim Diakonie-Krankenhaus als kündigungsrelevanten Sachverhalt einstufe. Dem Kläger wäre so die Möglichkeit geblieben, sein Verhalten zu ändern, indem er seine Tätigkeit beim Diakonie-Krankenhaus aufgegeben hätte. Dem widerspreche auch nicht der Umstand, dass der Kläger nach Erhalt der streitgegenständlichen Kündigung wegen behaupteten Wettbewerbsverstoßes sein Arbeitsverhältnis mit dem Diakonie-Krankenhaus zunächst fortgesetzt habe. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt sei der Zugang der streitgegenständlichen Kündigung, bis zu dem die Beklagte dem Kläger keine Abmahnung erteilt habe. Unabhängig davon führe die vorzunehmende Interessenabwägung zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung. Hinsichtlich des Grades der Vorwerfbarkeit sei zu berücksichtigen, dass schon die Frage eines objektiven Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot kontrovers diskutiert werden könne. Der Kläger habe sich nicht selbständig gemacht, sondern seine Tätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt, bei dem es ihm ersichtlich um eine Übergangslösung gegangen sei, um den Zeitraum der Ungewissheit bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung zu überbrücken. In zeitlicher Hinsicht habe der Kläger seine Tätigkeit im Diakonie-Krankenhaus erst vier Monate nach der ersten fristlosen Kündigung aufgenommen. Darüber hinaus habe die Beklagte auch zu konkreten Auswirkungen der Konkurrenztätigkeit des Klägers auf ihre eigene Tätigkeit nichts vorgetragen. Die von der Beklagten angeführten Patientenzahlen aus dem Einzugsgebiet des Diakonie-Krankenhauses in M., die bei ihr pro Jahr behandelt worden seien, würden sich im unteren Promillebereich bewegen. Die Beklagte habe auch selbst nicht behauptet, dass aufgrund der Tätigkeit des Klägers ab Februar 2009 im Diakonie-Krankenhaus in M. Patienten aus ihrem Einzugsbereich nach M. gewechselt seien. Der Kläger habe im vorliegenden Verfahren stets zum Ausdruck gebracht, dass er weiter bei der Beklagten arbeiten wolle, so dass sich die Arbeitsaufnahme bei dem Diakonie-Krankenhaus in M. offensichtlich als eine Übergangslösung darstelle, die von der Beklagten auch nur so habe verstanden werden können. Letztlich könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger nachhaltig gehalten sei, seine Tätigkeit zum Erhalt seiner chirurgischen Fähigkeiten tatsächlich auszuüben. Auch unter Berücksichtigung der besonderen Konfliktsituation, in der sich der Kläger nach Ausspruch der ersten fristlosen Kündigungen im Hinblick auf die erforderliche Sicherung seines Lebensstandards befunden habe, überwiege das Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse der Beklagten an einer sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Soweit die Beklagte die fristlose Kündigung auf eine Falschaussage des Klägers im Kammertermin vom 11. März 2009 gestützt habe, fehle es bereits an einem wichtigen Grund. Eine bewusst wahrheitswidrige Erklärung des Klägers sei nicht zu erkennen. Bei der Auslegung seiner Erklärung sei insbesondere der Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen. Danach könne seine Äußerung, dass er "vertretungsweise" in einem anderen Krankenhaus tätig sei, vom objektiven Empfängerhorizont nur so verstanden werden, dass er damit zum Ausdruck habe bringen wollen, nur vorübergehend woanders tätig zu sein. Der Begriff "vertretungsweise" bringe umgangssprachlich auch zum Ausdruck, lediglich vorübergehend im Sinne einer Übergangslösung tätig zu sein. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und der Gesprächssituation im Kammertermin vom 11. März 2009 lägen keine Anhaltspunkte für einen bewusst wahrheitswidrigen Vortrag des Klägers vor. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei aus den Gründen, die zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung führen würden, ebenfalls unwirksam. Nach der auch bei der ordentlichen Kündigung vorzunehmenden Interessenabwägung würde das Fortführungsinteresse des Klägers gegenüber dem Auflösungsinteresse der Beklagten überwiegen. Weiterhin habe der Kläger während der Dauer des Rechtsstreits einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Da der Kläger ein die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 26. März 2009 feststellendes Urteil erstritten habe, könne die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers nicht begründen. Vielmehr müssten zusätzliche Umstände hinzukommen, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergebe, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen. Solche Umstände habe die Beklagte nicht vorgetragen. Zudem stünden dem Kläger die mit den Anträgen zu 3) bis 6) geltend gemachten Ansprüche zu, die dem Grunde und der Höhe nach unstreitig seien.

52

Gegen das ihr am 5. November 2009 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 18. November 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 19. November 2009 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, sowie ergänzend mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

53

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe unzutreffend im Hinblick auf das vorgetragene Zahlenmaterial eine mögliche Gefährdung des Arbeitgebers aufgrund des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot in Zweifel gezogen. Denn sie habe die konkreten Daten zu Patienten, die sich räumlich sowohl in Richtung des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. als auch in Richtung ihres Krankenhauses in A-Stadt orientieren könnten, nur beispielhaft anhand einzelner Ortschaften vorgelegt und nachgewiesen. Damit sei aber die absolute Anzahl der Patienten, die sowohl in die eine wie auch die andere Richtung gehen könnten, völlig offen. Deshalb verbiete sich auch jeglicher Rückschluss auf eine Relation zur absoluten Anzahl der Patienten von ca. 9.000 jährlich. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die Kündigung nicht mangels vorheriger Abmahnung unwirksam. Zwar könne in der Tat ohne nähere Berücksichtigung der Umstände nicht festgestellt werden, dass dem Kläger die Relevanz der Marktsituation klar gewesen sei. Dies spiele aber für den objektiven Pflichtverstoß keine Rolle. Entscheidend sei vielmehr, dass die Marktposition des Arbeitgebers objektiv nicht verletzt und noch nicht einmal gefährdet werden dürfe. Ob der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung bewusst oder gar mit Schädigungsabsicht begangen habe, sei nicht entscheidend. Dies könne allenfalls im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Relevanz erlangen. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass der Kläger arbeitsrechtlich beraten und vertreten sei. Sein Prozessbevollmächtigter habe ihn darauf hinweisen müssen, dass die Aufnahme der Arbeit im Diakonie-Krankenhaus einen Pflichtverstoß begründen und die Gefahr einer Kündigung wegen eines Wettbewerbsverstoßes beinhalten könnte. Jedenfalls sei dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten aufgrund ihres Anhörungsschreibens vom 17. März 2009 klar gewesen, dass die Tätigkeit des Klägers für ein anderes Krankenhaus arbeitsrechtlich ein nicht unerhebliches Problem begründen würde. Materiell handele es sich dabei um eine vorsorgliche Abmahnung. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts habe der Kläger hieraus allerdings keineswegs die Konsequenz gezogen, das ab dem 1. Februar begründete Arbeitsverhältnis mit dem Diakonie-Krankenhaus alsbald zu beenden. Denn der Kläger habe verschwiegen, dass nicht er durch seine Kündigung das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet habe, sondern eine zuvor vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung, die das Diakonie-Krankenhaus zum Ende der Probezeit Ende Juli 2009 zum 31. August 2009 ausgesprochen habe. Entgegen der Darstellung des Klägers habe dieser bei den beiden Einstellungsgesprächen mit dem Geschäftsführer des Diakonie-Krankenhauses, Herrn Dr. G., nicht offengelegt, dass er das Arbeitsverhältnis alsbald wieder beenden wolle, um zu seinem Arbeitgeber nach A-Stadt zurückzukehren. Vielmehr wäre er in diesem Fall gar nicht eingestellt worden, weil nach den Angaben des Herrn Dr. G. nur eine langfristige Besetzung der Chefarztstelle sinnvoll und beabsichtigt gewesen sei. Die vom Arbeitsgericht zugunsten des Klägers aufgestellte Prognose, wonach dieser nach einer Abmahnung das neu begründete Arbeitsverhältnis ja hätte kündigen können, habe sich gerade nicht bestätigt. Der Kläger habe weder nach dem Anhörungsschreiben vom 17. März 2009 noch nach der fristlosen Kündigung vom 26. März 2009 sein Arbeitsverhältnis gekündigt, sondern stattdessen im Diakonie-Krankenhaus so lange wie möglich weitergearbeitet. Auf der zweiten Prüfungsstufe habe das Arbeitsgericht zu Unrecht verschiedene Punkte einseitig zugunsten des Klägers gewertet. In Bezug auf den Grad der Vorwerfbarkeit des Pflichtverstoßes sei zu berücksichtigen, dass es für den Kläger selbst jedenfalls erkennbar gewesen sei, dass Patienten aus dem zwischen den beiden Krankenhäusern gelegenen Territorium sowohl zu seinem neuen Arbeitgeber wie auch zu ihr kommen könnten. Weiterhin müsse sich der Kläger eine unterlassene Belehrung durch seinen Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Soweit der Kläger die Wettbewerbstätigkeit erst vier Monate nach der ersten fristlosen Kündigung aufgenommen habe, beseitige dies den späteren und nachhaltigen Pflichtverstoß nicht. Diesbezüglich habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass der Kläger sich im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. jedenfalls vor dem 1. Februar beworben und damit die Konkurrenztätigkeit konkret in Angriff genommen habe. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht zugunsten des Klägers unterstellt, dass sie keinen konkreten Schaden nachgewiesen habe und sich die tatsächlichen Patientenzahlen im unteren Promillebereich bewegen würden. Die absolute Anzahl der Patienten, die anstatt zu ihr nach M.-W. gegangen seien, könne zum einen nicht aufgeklärt werden und sei zum anderen für den Pflichtverstoß gerade nicht entscheidend. Mangels entsprechender Darlegungs- und Beweislast könne aus ihrem fehlenden konkreten Vortrag zur absoluten Anzahl der abgeworbenen Patienten oder der Patienten, die sich zwischen beiden Krankenhäusern entscheiden könnten, keine Rückschlüsse zugunsten des Klägers gezogen werden. Soweit das Arbeitsgericht darauf verwiesen habe, dass der Kläger zum Erhalt seiner Fähigkeiten als Chirurg gehalten sei, seine Tätigkeiten tatsächlich auszuüben, berechtige ihn dies jedoch nicht, zu ihr in Wettbewerb zu treten. Im Bezug auf die Falschaussage des Klägers habe das Arbeitsgericht die objektive Äußerung des Klägers, dass er im Diakonie-Krankenhaus "vertretungsweise" tätig sei, dahingehend interpretiert, dass vertretungsweise auch als vorübergehend verstanden werden könnte. Die Aussage stimme nicht mit den objektiven Fakten überein, die der Kläger in M.-W. im Diakonie-Krankenhaus kommuniziert habe. Sie habe auch nicht seinem dort abgeschlossenen Vertrag entsprochen. Der Weiterbeschäftigungsantrag sei unbegründet, weil die Kündigungen wirksam seien. Die Zahlungsansprüche seien ebenfalls unbegründet, weil sie sich nicht in Annahmeverzug befunden haben.

54

Die Beklagte beantragt,

55

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 2. September 2009 - 6 Ca 650/09 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

56

Der Kläger beantragt,

57

die Berufung zurückzuweisen.

58

Er erwidert, zwischen den beiden Krankenhäusern bestehe bereits aufgrund der räumlichen Entfernung und den Fahrzeiten zwischen beiden Orten keine Wettbewerbssituation, so dass ihm auch keine unerlaubte Wettbewerbstätigkeit vorgeworfen werden könne. Die Beklagte habe es trotz wiederholter Aufforderungen abgelehnt, eine Liste der behaupteten Patienten mit einer Angabe darüber vorzulegen, in welcher Abteilung sie behandelt worden seien. Bei Vorlage einer solchen Liste würde damit belegt werden, dass die behaupteten Patienten ausschließlich auf der inneren Abteilung behandelt würden. Damit scheide von vornherein jegliche Wettbewerbssituation im Bereich der Chirurgie aus. Auch umgekehrt sei im gesamten Jahr 2009 kein einziger Patient aus A-Stadt im Diakonie-Krankenhaus M. behandelt worden. Wenn die von der Beklagten behauptete Wettbewerbssituation bestehen würde, dann müsste gleiches gelten z.B. für Krankenhäuser zwischen Kiel und München, weil es auch dann im Einzelfall vorkommen könne, dass Patienten eine Krankenhausbehandlung jeweils am anderen Ende Deutschlands aus bestimmten Gründen in Anspruch nehmen würden. Damit wäre aber zugleich jede Tätigkeit im stationären Bereich während eines langjährigen Kündigungsschutzprozesses unmöglich, was jedoch von der Rechtsprechung abgelehnt werde. Das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass in jedem Fall zuvor eine Abmahnung hätte ausgesprochen werden müssen. Das Schreiben der Beklagten vom 17. März 2009 könne nicht als Abmahnungsschreiben interpretiert werden. Entgegen der Darstellung der Beklagten hätten Einstellungsgespräche im eigentlichen Sinne zwischen ihm und Herrn Dr. G. nicht stattgefunden. Bei dem ersten Vorstellungsgespräch sei Herr Dr. G. nicht anwesend gewesen. Der ärztliche Direktor, Herr Dr. Gl., habe ihm bei dieser Vorstellung auf seine Vorgeschichte angesprochen, woraufhin er berichtet habe, dass ihm mehrfach fristlos gekündigt worden sei. Weiterhin habe er darauf hingewiesen, dass er sich gegen diese Kündigungen zur Wehr setze und Kündigungsschutzklage mit dem Ziel erhoben habe, in A-Stadt zu bleiben. Herrn Dr. G. habe er erst einige Wochen später kennengelernt, wobei dieser ihm mitgeteilt habe, dass man sich auf seine Einstellung geeinigt habe, man könne sich ja immer ohne Probleme während der Probezeit voneinander trennen. In diesem Gespräch sei es also nicht darum gegangen, ob er überhaupt eingestellt werden solle oder nicht, vielmehr sei ihm von Herrn Dr. G. bereits definitiv die Einstellung mitgeteilt worden. Soweit er danach noch mit Herrn Dr. G. gesprochen habe, sei es lediglich um den Inhalt des Dienstvertrages gegangen. Die Beklagte habe nicht einmal schlüssig den behaupteten Schaden vorgetragen, sondern lediglich abstrakt einige wenige Patientenzahlen ohne nähere Einzelheiten genannt. Auch der Vorwurf der Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 sei abwegig. Hätte er auf die Frage der Richterin erklärt, dass er eine Stelle als Chefarzt in einem anderen Krankenhaus übernommen habe, so wäre dies von der Beklagten sofort als Abkehrwille interpretiert und eine Kündigung ausgesprochen worden. Für die Beantwortung der Frage sei es daher ausreichend gewesen, dass er angegeben habe, seit dem 1. Februar 2009 in einem anderen Krankenhaus zu arbeiten, wobei er hierfür von einer Vertretungstätigkeit gesprochen habe. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung sei schon deshalb rechtsunwirksam, weil in seinem Dienstvertrag die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung vertragsmäßig ausgeschlossen sei. Insoweit nehme er Bezug auf den auszugsweise vorgelegten Schriftsatz vom 28. Oktober 2009 im Verfahren 3 Sa 474/09 (Bl. 267 bis 269 d.A.).

59

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

60

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage vollumfänglich stattgegeben.

A.

61

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung ist zulässig.

62

Sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt sowie begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

63

Entgegen der Ansicht des Klägers entspricht die Berufungsbegründung auch in Bezug auf die hilfsweise ordentliche Kündigung, den Weiterbeschäftigungsantrag und die Annahmeverzugsansprüche den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Das Arbeitsgericht hat die Unwirksamkeit der hilfsweise ordentlichen Kündigung darauf gestützt, dass die Gründe, die zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung führten, auch die Entscheidung über die Unwirksamkeit der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung tragen würden. Ob die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung bereits vertraglich nach § 20 Abs. 3 des Dienstvertrages ausgeschlossen ist, hat das Arbeitsgericht ausdrücklich dahinstehen lassen. Dementsprechend durfte die Beklagte darauf verweisen, dass ihre Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung sinngemäß für die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur hilfsweise ordentlichen Kündigung gelten sollen. Entgegen der Ansicht des Klägers liegt auch in Bezug auf den Weiterbeschäftigungsantrag und die Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug eine ausreichende Berufungsbegründung vor. Mit ihrem ergänzenden Schriftsatz vom 23. Dezember 2009 hat die Beklagte innerhalb der Berufungsbegründungsfrist ausgeführt, dass der Weiterbeschäftigungsantrag aufgrund der Wirksamkeit der Kündigungen unbegründet sei und die Zahlungsansprüche ebenfalls unbegründet seien, weil sie sich aufgrund der vorangegangenen Kündigungen, die Gegenstand des vorgreiflichen Vorprozesses der Parteien seien, nicht in Annahmeverzug befunden habe. Im Hinblick darauf, dass diese weiteren Anträge jeweils auf der Unwirksamkeit der vorangegangenen Kündigungen aufbauen und der Vorprozess der Parteien damals noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, genügt die (ergänzende) Berufungsbegründung den nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu stellenden Anforderungen.

B.

64

Die hiernach zulässige Berufung der Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg.

65

Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage vollumfänglich stattgegeben.

I.

66

Der Kündigungsschutzantrag zu 1) ist begründet.

67

1. Die außerordentliche Kündigung vom 26. März 2009 ist unwirksam, weil die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht erfüllt sind.

68

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Prüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Ist dies der Fall, bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bzw. bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., vgl. BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 18, NZA-RR 2010, 461).

69

Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung wegen des angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot jedenfalls an der vorzunehmenden Interessenabwägung scheitert und in Bezug auf die dem Kläger vorgeworfene "Falschaussage" bereits kein Sachverhalt erkannt werden kann, der an sich als wichtiger Kündigungsgrund geeignet ist.

70

a) Die fristlose Kündigung ist nicht wegen des von der Beklagten angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot während des (fort-)bestehenden Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt.

71

aa) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt. Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen. Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen. Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Deshalb darf ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch nach Ausspruch einer von ihm gerichtlich angegriffenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, wenn die Kündigung sich später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22 und 23, NZA-RR 2010, 461). Bei der Bestimmung der Reichweite des Wettbewerbsverbots muss allerdings die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers Berücksichtigung finden. Daher ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob nach Art der Haupt- und Nebentätigkeit und der beteiligten Unternehmen überhaupt eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers vorliegt (BAG 24. März 2010 - 10 AZR 66/09 - NZA 2010, 693).

72

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann im Streitfall zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Tätigkeit des Klägers am Diakonie-Krankenhaus in M.-W. nach der Art der beiden Unternehmen (Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung) ungeachtet ihrer räumlich weiten Entfernung (Verkehrsverbindungen von ca. 150 km) schutzwürdige Interessen der Beklagten gefährdet hat und das Wettbewerbsverbot in dem von der Beklagten unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnis der vom Kläger aufgenommenen anderweitigen Arbeitstätigkeit entgegenstand. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger mit der von ihm - nach Ausspruch der unwirksamen Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008 - beim Diakonie-Krankenhaus in M.-W. zum 1. Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit als Chefarzt der chirurgischen Abteilung gegen das Wettbewerbsverbot während des (fort-)bestehenden Arbeitsverhältnisses verstoßen hat, ist die außerordentliche Kündigung gleichwohl nach der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht gerechtfertigt.

73

Der Beklagten kann unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falls und unter Abwägung der Interessen beider Parteien die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem nach § 20 Abs. 3 des Arbeitsvertrages ordentlich unkündbaren Kläger sowohl bis zum Ablauf der in § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB bestimmten Kündigungsfrist als auch darüber hinaus bis zu der in § 20 Abs. 4 des Arbeitsvertrags vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden, so dass die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos noch mit einer der Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist beendet hat.

74

Die Parteien haben in § 20 des Arbeitsvertrags die Möglichkeit zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen. Das ergibt die Auslegung der in § 20 des Arbeitsvertrags getroffenen Regelungen. Der Kläger hat unter Bezugnahme auf seinen Schriftsatz vom 28. Oktober 2009 in dem unter dem Aktenzeichen 3 Sa 474/09 vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz geführten Vorprozess der Parteien unwidersprochen vorgetragen, dass der ihm ursprünglich überreichte Entwurf des Dienstvertrages in § 20 aufgrund der zwischen ihm und dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten geführten Verhandlungen geändert worden sei. Im ursprünglichen Vertragsentwurf war geregelt, dass der Vertrag nach Ablauf der Probezeit von beiden Parteien mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahrs gekündigt werden kann (§ 20 Abs. 3 des Entwurfs) und das Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrags nach § 626 BGB aus wichtigem Grund unberührt bleibt (§ 20 Abs. 4 des Entwurfs). Anstelle dieser Regelungen in § 20 Abs. 3 und 4 des ursprünglichen Entwurfs wurde nach den geführten Vertragsverhandlungen in die endgültige Fassung des Dienstvertrags ein neuer Absatz 3 aufgenommen, nach dem der Vertrag nach Ablauf der Probezeit fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass diese Änderung des Vertragstextes für ihn eine wesentliche Voraussetzung gewesen sei, die Stelle in A-Stadt anzutreten, weil er nicht einfach jederzeit kündbar habe sein wollen, wenn er mit seiner gesamten Familie nach A-Stadt ziehe. Im Hinblick darauf, dass der ursprüngliche Vertragsentwurf unstreitig aus diesen Gründen im Rahmen der zwischen den Parteien geführten Vertragsverhandlungen einvernehmlich geändert worden ist, kann die in § 20 Abs. 3 des Dienstvertrags vereinbarte Regelung nur so verstanden werden, dass der Vertrag nach Ablauf der Probezeit nur noch fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund kündbar sein sollte und im Übrigen erst nach § 20 Abs. 4 des Dienstvertrages mit der festgelegten Altersgrenze bzw. im Falle einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit endet. Die Auslegung der in § 20 des Dienstvertrags getroffenen Regelungen ergibt mithin, dass die Parteien die ordentliche Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach Ablauf der Probezeit vertraglich ausgeschlossen haben und das Arbeitsverhältnis gemäß § 20 Abs. 4 des Dienstvertrages erst mit Erreichung der festgelegten Altersgrenze bzw. im Falle der geregelten Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit endet (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - Rn. 106 und 107, [juris]).

75

Auch wenn man im Streitfall von einem Verstoß des Klägers gegen das Wettbewerbsverbot ausgeht, der als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist, kann der Beklagten gleichwohl bei Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem ordentlich unkündbaren Kläger bis zu der in § 20 Abs. 4 vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden. Zwar verletzt der Arbeitnehmer seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich, wenn er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit ausübt. Unter Berücksichtigung von Art und Auswirkung der Konkurrenztätigkeit sowie des Grades des Schuldvorwurfs überwiegen aber im Streitfall die Interessen des Klägers an einer Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Beendigungsinteresse der Beklagten.

76

Der Kläger hat sich nach Ausspruch der Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008, deren Rechtsunwirksamkeit inzwischen im Vorprozess der Parteien rechtskräftig festgestellt worden ist, darauf beschränkt, seine Arbeitskraft durch Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses bei einem anderen Krankenhaus ab 1. Februar 2009 zu verwerten, um seinen Lebensstandard durch Erzielung eines entsprechenden Verdienstes aufrechtzuerhalten und seine Fähigkeiten als Chirurg zu erhalten. Die vom Kläger aufgenommene (Konkurrenz-)Tätigkeit ist erst durch die unwirksamen Kündigungen der Beklagten ausgelöst worden, ohne die für den Kläger keine Veranlassung zur Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit als Chirurg bestanden hätte. Bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die Wirksamkeit der vorangegangenen Kündigungen waren beide Parteien im Ungewissen darüber, wie die materielle Rechtslage beurteilt werden wird. Dadurch ist für den Kläger eine Zwangslage entstanden. Zur Vermeidung einer weiteren Kündigung müsste er sich einerseits jeglicher Tätigkeit enthalten, die als Wettbewerbsverstoß aufgrund des möglicherweise noch fortbestehenden Vertrages gewertet werden könnte. Andererseits wäre er für den Fall der Wirksamkeit der Kündigung an der dann möglichen anderweitigen Sicherung seines Lebensstandards gehindert (vgl. hierzu BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - Rn. 51, NZA 1992, 212). Die aus § 615 Satz 2 BGB herzuleitenden Interessen des Arbeitnehmers an der anderweitigen Verwendung seiner Arbeitskraft sind für die Beurteilung erheblich, ob und mit welchem Gewicht ihm die Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen vorwerfbar ist. Wenn der Arbeitnehmer am gekündigten Arbeitsverhältnis festhalten will, geht es ihm mit der Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen zur Verwertung seiner Arbeitskraft ersichtlich nur um eine Übergangslösung, die der Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber nicht entgegensteht und für diesen keine anhaltende Konkurrenz bedeutet (BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - Rn. 65, NZA 1992, 212). Dabei ist im Streitfall unerheblich, ob und inwieweit der Kläger gegenüber Vertretern des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. zum Ausdruck gebracht hat, dass er an seinem gekündigten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten festhalten und zu dieser möglichst wieder zurückkehren will. Der Kläger hat die ihm vorgeworfene Konkurrenztätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei einem räumlich weit von der Beklagten entfernten Krankenhaus aufgenommen. Sowohl das von der Beklagten in A-Stadt betriebene Krankenhaus als auch das Diakonie-Krankenhaus in M.-W. sind Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Die Beklagte hat zwar zutreffend darauf verwiesen, dass die Wahl des einen oder anderen Krankenhauses nicht zwingend von der räumlichen Entfernung abhängt, sondern durchaus auch von anderen Faktoren (wie z.B. verfügbare Leistungen des Krankenhauses, Ruf des Krankenhauses oder der Fachabteilung, zeitliche Verfügbarkeit für eine Operation usw.) beeinflusst sein kann. Danach können die Interessen der Beklagten grundsätzlich durch jede anderweitige Tätigkeit des Klägers als Chirurg an jedem anderen Krankenhaus unabhängig von dessen räumlicher Entfernung gefährdet werden, so dass der Kläger zur Vermeidung der Gefahr einer erneuten Kündigung wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot während des Kündigungsschutzprozesses jede Ausübung seiner bisherigen Berufstätigkeit als Chirurg an einem anderen Krankenhaus hätte unterlassen müssen. Im Hinblick darauf, dass der Kläger zur Aufrechterhaltung seines Lebensstandards und zum Erhalt seiner Fähigkeiten als Chirurg auf eine entsprechend anderweitige Tätigkeit an einem anderen Krankenhaus angewiesen ist, erscheint der mit der Kündigung gemachte Vorwurf eines Wettbewerbsverstoßes im Streitfall jedenfalls als weniger schwerwiegend, zumal der Kläger seine anderweitige Tätigkeit an einem räumlich weit entfernten Krankenhaus ohne jede Schädigungsabsicht aufgenommen hat. Auch bei Annahme einer bestehenden Wettbewerbssituation zwischen den beiden Krankenhäusern ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die dem Kläger vorgeworfene Konkurrenztätigkeit tatsächlich zu bestimmten nachteiligen Auswirkungen auf den Betrieb der Beklagten geführt haben soll. Die Beklagte hat lediglich allgemein auf die von ihr angeführten Überschneidungen im Einzugsbereich der Patienten verwiesen. Sie hat aber selbst nicht behauptet, dass aufgrund der ab Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit des Klägers am Diakonie-Krankenhaus in M.-W. Patienten aus ihrem Einzugsbereich nach Marburg gewechselt oder andere konkrete Auswirkungen festzustellen seien.

77

In Anbetracht der dargestellten besonderen Umstände des vorliegenden Falls erscheint bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine außerordentliche Kündigung (fristlos oder mit Auslauffrist) wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot als nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist der Beklagten eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem ordentlich unkündbaren Kläger bis zu der in § 20 Abs. 4 des Arbeitsvertrags vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar.

78

b) Die außerordentliche Kündigung ist auch nicht wegen der dem Kläger vorgeworfenen Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht gerechtfertigt.

79

Gemäß der zutreffenden Bewertung des Arbeitsgerichts hat der Kläger keine bewusst wahrheitswidrige Erklärung abgegeben, die an sich als wichtiger Kündigungsgrund geeignet ist. Das Arbeitsgericht hat bei der Würdigung der vom Kläger abgegebenen Erklärung zu Recht den Gesamtzusammenhang und die konkrete Gesprächssituation berücksichtigt.

80

Der Kläger hat im Rahmen der vor dem Arbeitsgericht im Kammertermin vom 11. März 2009 geführten Vergleichsgespräche auf die Frage der Vorsitzenden, ob er zur Zeit beruflich etwas mache, sinngemäß geantwortet, dass er vertretungsweise in einem anderen Krankenhaus tätig sei. Diese Erklärung kann gemäß der zutreffenden Bewertung durch das Arbeitsgericht ohne weiteres dahin verstanden werden, dass der Kläger damit zum Ausdruck bringen wollte, dass er nur vorübergehend bei einem anderen Krankenhaus im Sinne einer Übergangslösung tätig sei. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob der Kläger auch gegenüber dem Diakonie-Krankenhaus in M.-W. zum Ausdruck gebracht hat, dass er dort nur vorübergehend tätig sein wolle. Auf die schriftliche Nachfrage der Beklagten vom 17. März 2009 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19. März 2009 erklärt, dass er zur Zeit im Regierungsbezirk Gießen (Hessen) an einem Krankenhaus tätig sei, um seine chirurgischen Fähigkeiten zu erhalten und nicht zuletzt auch im Hinblick auf § 615 Satz 2 BGB. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass danach hinreichende Anhaltspunkte für eine bewusst wahrheitswidrige Erklärung nicht vorliegen.

81

2. Die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 26. März 2009 ist ebenfalls unwirksam.

82

Dies folgt bereits daraus, dass das Arbeitsverhältnis gemäß den obigen Ausführungen nach Ablauf der Probezeit ordentlich nicht mehr kündbar war.

83

Unabhängig davon scheitert auch die hilfsweise ordentliche Kündigung wegen des angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot jedenfalls an der vorzunehmenden Interessenabwägung.

84

Eine ordentliche Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, weitere Störungen zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22 und 23, NZA-RR 2010, 461).

85

Entsprechend den obigen Ausführungen erscheint im Streitfall auch eine ordentliche Kündigung bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht als billigenswerte und angemessene Reaktion der Beklagten. Der Kläger hat sich nach Ausspruch der unwirksamen Kündigungen darauf beschränkt, bei einem räumlich weit entfernten Krankenhaus einer anderweitigen Arbeitstätigkeit nachzugehen, um seine Fähigkeiten als Chirurg zu erhalten und einen entsprechenden Verdienst (§ 615 Satz 2 BGB) zu erzielen. In Anbetracht der oben dargestellten Zwangslage, in der er sich aufgrund der unwirksamen Kündigungen der Beklagten befunden hat, ist auch bei einem unterstellten Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot unter Berücksichtigung von Art und Auswirkung der ihm vorgeworfenen Konkurrenztätigkeit sowie des Grades des Verschuldens die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung jedenfalls bei Abwägung der beiderseitigen Interessen sozial nicht gerechtfertigt.

86

Die hilfsweise ordentliche Kündigung ist auch nicht wegen der dem Kläger vorgeworfenen "Falschaussage" sozial gerechtfertigt. Wie bereits oben ausgeführt, hat der Kläger keine bewusst wahrheitswidrige Erklärung abgegeben, so dass ein verhaltenbedingter Kündigungsgrund i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG nicht angenommen werden kann.

II.

87

Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung vom 26. März 2009 ist auch der Weiterbeschäftigungsantrag zu 2) begründet.

88

Die Beklagte ist gemäß den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Grundsätzen (BAG 24. Februar 1985 - GS 1/84 - NZA 1985, 702) verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospital in A-Stadt zu unveränderten Bedingungen gemäß Dienstvertrag vom 18. April 2005 weiterzubeschäftigen. Im vorliegenden Verfahren hat die Beklagte keine Umstände angeführt, die trotz des Obsiegens des Klägers mit dem Kündigungsschutzantrag zu 1) ein überwiegendes Interesse an dessen Nichtbeschäftigung begründen könnten.

III.

89

Weiterhin stehen dem Kläger auch die mit den Klageanträgen zu 3) bis 6) geltend gemachten Ansprüche auf (Annahmeverzugs-)Vergütung und Rechnungslegung zu.

90

Die Beklagte hat sich nach Ausspruch der Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008, deren Rechtsunwirksamkeit im Vorprozess der Parteien inzwischen rechtskräftig festgestellt worden ist, gemäß §§ 293, 296 BGB in Annahmeverzug befunden. Im Übrigen sind die Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach unstreitig.

91

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

92

Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 26. April 2012 - 5 Sa 1632/11 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 15. September 2011 - 5 Ca 916/11 - abgeändert:

 Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Kündigung der Beklagten vom 29. März 2011 sozial ungerechtfertigt ist.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung.

2

Die Beklagte betreibt eine Spielbank. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Der 1962 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit August 1987 als Croupier gegen ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt 4.000,00 Euro beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die bei der Beklagten geltenden Haustarifverträge Anwendung, darunter der Tronc- und Gehaltstarifvertrag für die Arbeitnehmer der Gruppe A (TG-TV) in seiner ab dem 1. Januar 2000 geltenden Fassung.

4

Mit Schreiben vom 2. Juli 2003 beförderte die Beklagte den Kläger mit Wirkung zum 1. Juli 2003 in Croupierstufe I TG-TV. Am 26. August 2003 legte der Kläger der Beklagten eine „fachorthopädische Bescheinigung“ vom 21. August 2003 vor, nach der er „Vorbeuge- und Rotationspositionen für die Gesamtwirbelsäule“ während seiner vornehmlich sitzenden Tätigkeit, insbesondere am Pokertisch, zu vermeiden habe. Die Beklagte setzte den Kläger seither nicht mehr am Pokertisch ein.

5

Im September 2003 beantragte die Beklagte beim Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung des Klägers in den Tätigkeitsbereich der Croupierstufe III und zu seiner entsprechenden Umgruppierung. Nachdem der Betriebsrat die Zustimmung verweigert hatte, beantragte die Beklagte deren gerichtliche Ersetzung. Durch - rechtskräftigen - Beschluss vom 26. April 2005 wies das Landesarbeitsgericht die Anträge ab. Es hat angenommen, der Betriebsrat habe seine Zustimmung zu den beabsichtigten Maßnahmen zu Recht verweigert. Die beabsichtigte Versetzung stelle eine unberechtigte Benachteiligung des Klägers dar. Sie sei durch seine beschränkte Einsetzbarkeit nicht gerechtfertigt. Für die Tätigkeit und Eingruppierung als Croupier in der Croupierstufe I komme es auf einen Einsatz oder die Einsetzbarkeit am Pokertisch nicht an. Dafür sei nach den tariflichen Bestimmungen vielmehr ausreichend, dass der Croupier erfolgreich an einer Grundausbildung teilgenommen habe.

6

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. Juni 2004. Zugleich bot sie dem Kläger an, ihn ab dem 1. Juli 2004 als Croupier III - ohne Einsatz am Pokertisch - weiter zu beschäftigen. Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung an. Seine Änderungsschutzklage hatte Erfolg. Mit Urteil vom 28. August 2008 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung vom 19. Dezember 2003 sozial ungerechtfertigt war.

7

Mit Schreiben vom 30. September 2010 fragte die Beklagte beim Kläger an, ob sich sein Gesundheitszustand mittlerweile verändert habe. Im Oktober 2010 teilte der Kläger mit, die fachorthopädische Bescheinigung sei zeitlich nicht begrenzt. Sobald sich sein Gesundheitszustand verbessere, werde er sich melden.

8

Mit Schreiben vom 29. März 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 2011, erneut verbunden mit dem Angebot, den Kläger ab dem 1. November 2011 zu veränderten Arbeitsbedingungen als Croupier der Croupierstufe III weiter zu beschäftigen. Der Kläger nahm das Angebot unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung an und hat rechtzeitig die vorliegende Änderungsschutzklage erhoben. Er hat gemeint, bei der Kündigung handele es sich um eine unzulässige Wiederholungskündigung. Die Ausgangsbedingungen seien unverändert. Seine Gesundheit habe sich weder verbessert noch verschlechtert.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 29. März 2011 gewünschten Änderungen der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam sind.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die tatsächliche Einsetzbarkeit auch am Pokertisch sei für einen Croupier zur Eingruppierung in die Tarifstufe I notwendig. Der Kläger könne die Tätigkeiten am Pokertisch dauerhaft nicht mehr ausüben. Es sei ihr nicht zuzumuten, ihn weiterhin in nicht gerechtfertigter Höhe zu vergüten und damit das Vergütungsgefüge zu verzerren.

11

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Kündigung der Beklagten vom 29. März 2011 ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Dies folgt bereits daraus, dass es sich bei der Kündigung um eine unzulässige Wiederholungskündigung handelt.

13

I. Eine Kündigung kann nicht erfolgreich auf Gründe gestützt werden, die der Arbeitgeber schon zur Begründung einer vorhergehenden Kündigung vorgebracht hat und die in dem über diese geführten Prozess mit dem Ergebnis materiell geprüft worden sind, dass sie eine solche Kündigung nicht tragen. Mit einer Wiederholung der früheren Kündigung ist der Arbeitgeber in diesem Fall ausgeschlossen. Eine Präklusionswirkung entfaltet die Entscheidung über die frühere Kündigung allerdings nur bei identischem Kündigungssachverhalt. Hat sich dieser wesentlich geändert, darf der Arbeitgeber ein weiteres Mal kündigen (BAG 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 37; 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 26). Das gilt auch bei einem sog. Dauertatbestand (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 26; 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn. 13). Ein anderer Kündigungssachverhalt liegt auch in diesem Fall nur vor, wenn sich die tatsächlichen Umstände, aus denen der Arbeitgeber den Kündigungsgrund ableitet, wesentlich verändert haben (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn. 13). Die Präklusionswirkung tritt ferner dann nicht ein, wenn die frühere Kündigung bereits aus formellen Gründen, also etwa wegen der nicht ordnungsgemäßen Beteiligung der Mitarbeitervertretung für unwirksam erklärt worden ist (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 26; 25. März 2004 - 2 AZR 399/03 - zu C I der Gründe).

14

II. In Anwendung dieser Grundsätze stellt die Änderungskündigung vom 29. März 2011 eine unzulässige Wiederholungskündigung dar. Die Beklagte stützt sie auf dieselben Gründe, die sie schon zur Begründung der Kündigung vom 19. Dezember 2003 vorgebracht hat. In dem über diese geführten Prozess sind die Gründe mit dem Ergebnis materiell geprüft worden, dass sie die Kündigung nicht tragen.

15

1. Nach der Entscheidung des Senats vom 28. August 2008 im Vorverfahren (- 2 AZR 967/06 - BAGE 127, 342) steht rechtskräftig fest, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Kündigung der Beklagten vom 19. Dezember 2003 iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt war. Der Senat hat angenommen, die mit dem Ziel einer Versetzung und Umgruppierung des Klägers erklärte Änderungskündigung sei unverhältnismäßig. Auch wenn dieser nicht am Pokertisch eingesetzt werden könne, sei für seine Vergütung weiterhin die Croupierstufe I maßgeblich. Dies folge aus der rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in dem Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung zur beabsichtigten Umgruppierung. Die Beklagte sei an dessen Ergebnis gebunden. Es sei ihr gegenüber dem Kläger verwehrt, sich zur Rechtfertigung einer Änderungskündigung auf die Maßgeblichkeit der Croupierstufe III zu berufen.

16

2. Verglichen mit den der Änderungskündigung vom 19. Dezember 2003 zugrunde liegenden Umständen ist der Kündigungssachverhalt unverändert. Dies gilt sowohl für die beschränkte Einsetzbarkeit des Klägers als auch für die Bindung der Beklagten an das Ergebnis des Zustimmungsersetzungsverfahrens.

17

a) Die Beklagte stützt die Änderungskündigung vom 29. März 2011 erneut auf die - unverändert gebliebenen - gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers, die einen Einsatz am Pokertisch nicht erlaubten und eine Beschäftigung und Vergütung lediglich als Croupier III rechtfertigten. Es ist jedoch weder dargelegt noch objektiv ersichtlich, dass sich die für die zutreffende Eingruppierung des Klägers maßgeblichen Umstände durch den bloßen Fortbestand seiner gesundheitlichen Einschränkungen geändert hätten.

18

b) Die aus der rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in dem Zustimmungsersetzungsverfahren folgende Bindungswirkung besteht fort. Die Beklagte kann sich zur Begründung der Änderungskündigung vom 29. März 2011 weiterhin nicht darauf berufen, der Kläger sei richtigerweise als Croupier III zu vergüten.

19

aa) Das Landesarbeitsgericht hatte den Antrag der Beklagten auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung des Klägers in die Croupierstufe III zurückgewiesen. Die Eingruppierung in die Croupierstufen I und II sei nicht von der Einsetzbarkeit des Croupiers beim Poker abhängig. Unter Beachtung der von ihm erworbenen Grundausbildung im Bereich des Poker-Spiels erfülle der Kläger weiterhin die Tätigkeitsmerkmale der bisherigen Croupierstufe. Dies ergebe die Auslegung der §§ 5, 6 TG-TV.

20

bb) Der für die Eingruppierung des Klägers sowohl bei Kündigungszugang als auch bei Ablauf der Kündigungsfrist maßgebliche Tarifvertrag ist derselbe wie der, welcher der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 26. April 2005 zugrunde lag. Die Bestimmungen der §§ 5, 6 TG-TV galten unverändert fort.

21

cc) Die Bewertungsgrundlagen in der Person des Klägers hatten sich nicht geändert.

22

dd) Der Umstand, dass die Beklagte den Betriebsrat erneut um Zustimmung zur Umgruppierung des Klägers ersucht und nach Zustimmungsverweigerung ein weiteres Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung eingeleitet hat, welches derzeit beim Bundesarbeitsgericht anhängig ist (- 1 ABR 1/13 -), führt nicht dazu, dass die Bindungswirkung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 26. April 2005 für die vorliegende Änderungskündigung entfallen wäre.

23

(1) Bei Einstellungen und Versetzungen ist es dem Arbeitgeber zwar grundsätzlich unbenommen, nach rechtskräftigem Unterliegen im Zustimmungsersetzungsverfahren die auf das gleiche Ziel gerichtete personelle Maßnahme erneut nach Maßgabe von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG einzuleiten und erforderlichenfalls gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu beantragen(BAG 22. April 2010 - 2 AZR 491/09 - Rn. 18, BAGE 134, 154; 18. März 2008 - 1 ABR 81/06 - Rn. 20, BAGE 126, 176). Durch die rechtskräftige Ablehnung der Zustimmungsersetzung in einem vorangegangenen Verfahren ist der Ausgang eines weiteren Ersetzungsverfahrens auch nicht präjudiziert ( BAG 22. April 2010 - 2 AZR 491/09 - Rn. 18, aaO; 16. Januar 2007 - 1 ABR 16/06  -). Bei den erneuten Anträgen handelt es sich um neue, prozessual eigenständige Gegenstände (BAG 18. März 2008 - 1 ABR 81/06 - Rn. 20, aaO).

24

(2) Im Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer Ein- oder Umgruppierung entfaltet aber die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung bei gleichbleibendem Sachverhalt Bindungswirkung auch für nachfolgende Verfahren. Die gerichtliche Zustimmungsersetzung ist solange bindend, wie keine neue Eingruppierung erforderlich wird, die das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG auslöst(BAG 11. November 1997 - 1 ABR 29/97 - zu B II 1 b der Gründe). Dies gilt im umgekehrten Fall entsprechend. Hat das Gericht die Zustimmung des Betriebsrats rechtskräftig nicht ersetzt und dabei die Richtigkeit der beabsichtigten Eingruppierung materiell geprüft, ist der Arbeitgeber auch daran materiell gebunden. Das Mitbestimmungsrecht bei Ein- und Umgruppierungen ist ein Mitbeurteilungs-, nicht ein Mitgestaltungsrecht. Die Eingruppierung des Arbeitnehmers in eine im Betrieb angewandte Lohn- und Gehaltsgruppenordnung ist keine konstitutive Maßnahme, sondern Rechtsanwendung oder Kundgabe einer Rechtsansicht (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 10/10 - Rn. 17, BAGE 138, 39; 11. November 2008 - 1 ABR 68/07  - Rn. 23 , BAGE 128, 265 ). Die Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG soll dazu beitragen, rechtlich möglichst zutreffende Ergebnisse zu erzielen(BAG 19. Oktober 2011 - 4 ABR 119/09 - Rn. 19; 11. November 2008 - 1 ABR 68/07  - Rn. 2 4, aaO). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Beurteilung eine Eingruppierung oder eine Umgruppierung zum Gegenstand hat (BAG 11. November 1997 - 1 ABR 29/97 - zu B III 1 der Gründe; 2. April 1996 -  1 ABR 50/95  - zu B II 1 a der Gründe). Umgruppierung iSd. § 99 BetrVG ist die Neu-Einreihung des Beschäftigten in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Sie besteht in der Feststellung des Arbeitgebers, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht - oder nicht mehr - die Merkmale erfüllt, die der bisherigen Beurteilung zugrunde liegen. Anlass für eine solche Feststellung kann eine Änderung der Tätigkeit sein, aber auch eine Änderung des Entgeltschemas (BAG 12. Januar 2011 - 7 ABR 15/09 - Rn. 23; 11. November 1997 - 1 ABR 29/97 - zu B III 1 der Gründe) oder - sofern ein vorhergegangenes Zustimmungsersetzungsverfahren keine Bindungswirkung entfaltet - eine nach Ansicht des Arbeitgebers bisher fehlerhafte Eingruppierung (vgl. BAG 2. April 1996 - 1 ABR 50/95 - zu B II 1 a der Gründe; 20. März 1990 - 1 ABR 20/89 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 64, 254). Hat ein Gericht im Rahmen des Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG rechtskräftig die Richtigkeit der bisherigen Eingruppierung festgestellt und haben sich seitdem weder die Tätigkeit des Arbeitnehmers noch das Entgeltschema geändert, ist diese Entscheidung bindend(vgl. zur Unzulässigkeit schon eines neuerlichen Ersuchens um Zustimmung zur Eingruppierung bei unveränderter Tätigkeit BAG 1. Juli 2009 - 4 ABR 18/08 - Rn. 14, BAGE 131, 197).

25

(3) Das neuerliche, beim Bundesarbeitsgericht anhängige Zustimmungsersetzungsverfahren ist für den vorliegenden Rechtsstreit nicht vorgreiflich. Selbst wenn die Beklagte mit ihrem dortigen Begehren wegen einer späteren Tarifänderung oder sonstigen Änderung der Umstände Erfolg haben sollte, wäre dies unbeachtlich. In dem hier maßgeblichen Zeitraum bis zum Zugang der Änderungskündigung vom 29. März 2011 hat sich die Sach- und Rechtslage - verglichen mit den dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 26. April 2005 zugrunde liegenden Umständen - nicht geändert.

26

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Perreng    

        

    Wolf    

                 

(1) Der Handlungsgehilfe darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen.

(2) Die Einwilligung zum Betrieb eines Handelsgewerbes gilt als erteilt, wenn dem Prinzipal bei der Anstellung des Gehilfen bekannt ist, daß er das Gewerbe betreibt, und der Prinzipal die Aufgabe des Betriebs nicht ausdrücklich vereinbart.

Tenor

1. Die Revisionen der Beklagten und der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. November 2008 - 11 Sa 820/08 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen.

2

Die Beklagte betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Die Klägerin war bei ihr seit dem 1. Juli 2006 als Diplomsozialarbeiterin beschäftigt. Sie betreute psychisch kranke Menschen und Suchtkranke in deren Wohnungen(ambulant betreutes Wohnen) und hatte zuletzt einen regelmäßigen Patientenstamm von elf Personen.

3

Die Klägerin reichte im September 2007 eine „Überlastungsanzeige“ ein. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20. September 2007 fristlos, hilfsweise fristgemäß wegen „bestehender Differenzen“ und „mangelnder Fähigkeit“ der Klägerin, sich in bestehende Strukturen einzufinden. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage.

4

Am 21. September 2007 kündigten sieben von der Klägerin betreute Patienten ihren mit der Beklagten bestehenden Betreuungsvertrag fristlos. Die von den Patienten handschriftlich verfassten Kündigungsschreiben hatte die Klägerin zur Post gegeben. Am gleichen Tag erhielt die Klägerin von einem Konkurrenzunternehmen der Beklagten, der Firma „S“, per E-Mail eine Einstellungszusage, in der von einer „Übernahme“ namentlich genannter Patienten der Klägerin die Rede war. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 24. September 2007 forderte die Beklagte die Klägerin auf, den Kontakt zu ihren Patienten und deren Betreuern sofort einzustellen sowie das Abwerben von Klienten zu unterlassen. Nachdem die Beklagte die Kündigung vom 20. September 2007 mit Zustimmung der Klägerin zurückgezogen hatte, nahm diese ihre Kündigungsschutzklage zurück.

5

Am 19. Oktober 2007 wurde die Beklagte darüber informiert, dass eine von der Klägerin betreute Patientin zur Firma „S“ gewechselt sei. Die rechtliche Betreuerin dieser Patientin übermittelte der Beklagten eine von der Klägerin verfasste E-Mail vom 24. September 2007, in der diese sich dafür entschuldigt hatte, den Wechsel zur Firma „S“ ohne vorherige Rücksprache mit ihr - der Betreuerin - durchgeführt zu haben. Der E-Mail war ein Betreuungsvertrag der Firma „S“ beigefügt.

6

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2007.

7

Am 31. Oktober 2007 erhielt die Beklagte Kenntnis von einer weiteren E-Mail der Klägerin, die diese an die Betreuerin gerichtet hatte. Darin teilte sie mit, dass eine Beschäftigung bei der Firma „S“ nicht zustande gekommen sei, sie einen Antrag auf Zulassung als Leistungsanbieter für ambulantes betreutes Wohnen gestellt habe und sie ihre (ehemaligen) Patienten bei der Regelung ihres Alltags weiterhin - unentgeltlich - unterstützen werde. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 2. November 2007 erneut fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2007.

8

Die Klägerin hat sich mit ihrer Kündigungsschutzklage gegen beide Kündigungen gewandt und die Auffassung vertreten, ein Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses liege nicht vor. Sie habe weder eine Konkurrenztätigkeit ausgeübt oder vorbereitet noch aktiv Patienten abgeworben. Sie habe auch die Kündigungen der Betreuungsverträge durch ihre Patienten nicht forciert; diese hätten aus Unzufriedenheit und wegen des ständigen Wechsels der Bezugspersonen aus eigenem Entschluss gekündigt. Sie sei lediglich gebeten worden, die Kündigungsschreiben zur Post zu bringen. Das Angebot der Firma „S“ habe sie angenommen, um einen Verzugsschaden im Interesse der Beklagten gering zu halten. Im Übrigen sei die außerordentliche Kündigung schon wegen Versäumung der zweiwöchigen Ausschlussfrist unwirksam. Die Beklagte habe bereits bei der Teambesprechung am 21. September 2007 von den aus ihrer Sicht kündigungsrelevanten Tatsachen Kenntnis gehabt. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 24. September 2007 zeige, dass dieser der Kündigungssachverhalt spätestens am 24. September 2007 bekannt gewesen sei.

9

Die Klägerin hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 24. Oktober 2007 noch durch die Kündigung vom 2. November 2007 beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe das Arbeitsverhältnis wegen schwerwiegender Vertragspflichtverletzungen fristlos beenden dürfen. Die Klägerin sei zu einem Konkurrenzunternehmen gewechselt und habe diesem Patientendaten weitergegeben sowie Betreuungsverträge ihrer ehemaligen Patienten vermittelt. Davon habe sie erst am 19. Oktober 2007 erfahren. Die fristlose Kündigung vom 2. November 2007 sei berechtigt, weil die Klägerin sich habe selbständig machen und dazu ihre Patienten habe mitnehmen wollen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentlichen Kündigungen vom 24. Oktober 2007 und 2. November 2007 nicht aufgelöst worden ist, hat aber im Übrigen die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Klägerin begehrt, ihrer Klage in vollem Umfang stattzugeben, die Beklagte, das Urteil des Arbeitsgerichts vollständig wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revisionen haben keinen Erfolg.

13

A. Die Revisionen sind zulässig. Das gilt auch für die Revision der Beklagten. Deren Revisionsbegründung ist zwar erst einen Tag nach Ablauf der bis zum 2. März 2009 verlängerten Revisionsbegründungsfrist beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Ihr war aber nach § 233 ZPO Wiedereinsetzung in diese Frist zu gewähren.

14

Die Beklagte war ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Revisionsbegründung nach § 74 Abs. 1 ArbGG einzuhalten. Sie hat glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter einen korrekt adressierten, die Revisionsbegründung enthaltenden Brief am 26. Februar 2009 der Deutschen Post AG übergeben hat, sodass er bei normaler Postlaufzeit vor Fristablauf am 2. März 2009 beim Revisionsgericht hätte rechtzeitig eingehen müssen. Die versäumte Frist ist somit allein auf eine verzögerte Zustellung zurückzuführen. Der Beklagten sind solche Verzögerungen nicht zuzurechnen. Sie durfte darauf vertrauen, dass die von der Deutschen Post AG für den Normalfall zugesagten Postlaufzeiten eingehalten würden. In ihrem Verantwortungsbereich lag es allein, das Schriftstück ordnungsgemäß und so rechtzeitig aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG das Revisionsgericht fristgerecht erreichen konnte(vgl. BVerfG 7. Januar 2003 - 2 BvR 447/02 - zu II 1 der Gründe, NJW 2003, 1516; BAG 7. Juni 2000 - 10 AZR 419/99 - zu II der Gründe; BGH 20. Mai 2009 - IV ZB 2/08 - Rn. 8, NJW 2009, 2379).

15

B. Die Revisionen sind nicht begründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die außerordentlichen fristlosen Kündigungen vom 24. Oktober 2007 und vom 2. November 2007 rechtsunwirksam sind, das Arbeitsverhältnis der Parteien aber durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 24. Oktober 2007 mit dem 30. November 2007 beendet worden ist.

16

I. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 24. Oktober 2007 ist rechtsunwirksam. Es liegt kein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.

17

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

18

a) Die erforderliche Prüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Ist dies der Fall, bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht(st. Rspr., vgl. Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 13 mwN, DB 2010, 1128).

19

b) Die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes ist vorrangig Sache des Tatsachengerichts. Sie wird im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat(Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 14, DB 2010, 1128; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16).

20

2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand. Zwar hat die Klägerin ihre vertraglichen Pflichten verletzt, indem sie mit der Annahme des Vertragsangebots und Übergabe der Patientendaten an die Firma „S“ der Beklagten noch während des laufenden Kündigungsschutzprozesses Konkurrenz gemacht hat. Ein solcher Pflichtenverstoß kommt als wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht(Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, EzA BGB § 626 nF Nr. 162). Gleichwohl ist die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, eine außerordentliche Kündigung sei unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls nicht gerechtfertigt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

21

a) Der Arbeitnehmer verletzt seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich, wenn er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit ausübt.

22

aa) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt(st. Rspr., Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21). Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (Senat 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, EzA BGB § 626 nF Nr. 162; 26. Januar 1995 - 2 AZR 355/94 - Rn. 21, EzA BGB § 626 nF Nr. 155). Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (Senat 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, aaO; BAG 16. Januar 1975 - 3 AZR 72/74 - AP HGB § 60 Nr. 8). Allerdings darf er, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten(vgl. Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, aaO). Verboten ist lediglich die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, zB durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden. Bloße Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht unmittelbar eingreifen, erfüllen diese Voraussetzungen nicht (Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15, aaO).

23

bb) Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Deshalb darf ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch nach Ausspruch einer von ihm gerichtlich angegriffenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, wenn die Kündigung sich später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden(Senat 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - AP BGB § 626 Nr. 104 = EzA BGB § 626 nF Nr. 140). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten (aA LAG Köln 4. Juli 1995 - 9 Sa 484/95 - zu II der Gründe, AP HGB § 75 Nr. 9; APS/Dörner 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 325) oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (aA MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 124).

24

b) Ob das Wettbewerbsverbot im gekündigten Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht gleich weit reicht wie in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin jedenfalls durch die Weitergabe der persönlichen Daten von Patienten an die Firma „S“ ihre Vertragspflichten schuldhaft verletzt hat(§ 241 Abs. 2 BGB). Auf diese Weise hat sie nicht lediglich ihre Arbeitskraft verwertet, sondern die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Beklagten unmittelbar gefährdet. Es bestand zu befürchten, dass die Patienten dauerhaft zu dem (vermeintlich) neuen Arbeitgeber der Klägerin und somit zu einem Konkurrenzunternehmen wechseln würden. Dieses Verhalten der Klägerin ist nicht wegen § 615 Satz 2 BGB gerechtfertigt. Im Unterlassen vertragswidriger Konkurrenztätigkeit liegt kein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs. Die Klägerin war deshalb nicht etwa gehalten, das Angebot der Firma „S“ anzunehmen, insbesondere nicht, dieser Patientendaten zur Verfügung zu stellen.

25

c) Dennoch durfte das Landesarbeitsgericht annehmen, dass der Beklagten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zuzumuten war.

26

aa) Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend und für alle Fälle einheitlich festlegen. Geht es um die Beurteilung rechtswidrigen schuldhaften Verhaltens des Arbeitnehmers, sind aber stets die beanstandungsfreie Dauer des Arbeitsverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers zu berücksichtigen(vgl. Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 28, AP BGB § 626 Nr. 220; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11).

27

bb) Dem wird die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts gerecht. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sie keine wesentlichen Umstände außer Acht. Das Landesarbeitsgericht hat das Gewicht und die negativen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung für die Beklagte und den Grad des Verschuldens der Klägerin beachtet. Es hat nicht übersehen, dass die Klägerin versucht hat, die von ihr betreuten Patienten - gleichsam als „Startkapital“ - zur Firma „S“ mitzunehmen. Zwar hat es sich in seiner Abwägung mit diesem Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Dennoch hat es ihn tatsächlich berücksichtigt. Dies zeigen seine Ausführungen unter B I 2 der Entscheidungsgründe, wo - wenn auch in anderem Zusammenhang - die „Mitnahme von Patientendaten“ als ein gewichtiger Umstand gegen die Klägerin in Ansatz gebracht wird. Die Beklagte zeigt nicht auf, dass das Landesarbeitsgericht diesen Umstand auch angesichts der schwierigen Situation, in die sie selbst die Klägerin durch den Ausspruch der später zurückgezogenen fristlosen Kündigung gebracht hatte, unzureichend gewichtet hätte.

28

II. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 2. November 2007 ist aus den gleichen Gründen rechtsunwirksam. Soweit die Beklagte sie ergänzend darauf gestützt hat, dass die Klägerin beim Landschaftsverband einen Antrag auf Zulassung als „Leistungsanbieter im ambulant betreuten Wohnen“ gestellt und damit eine konkurrierende Selbständigkeit geplant habe, liegt kein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vor. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin noch keine unzulässige Konkurrenztätigkeit, sondern lediglich eine zulässige Vorbereitungshandlung gesehen.

29

Dem Arbeitnehmer ist es, wie dargelegt, während der rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht untersagt, eine spätere konkurrierende Selbständigkeit vorzubereiten, solange er nicht eine werbende Tätigkeit bereits aufnimmt(siehe B I 2 a aa der Gründe). Allein mit dem Antrag beim Landschaftsverband, sie als Leistungserbringerin zuzulassen, hat die Klägerin im Geschäftszweig der Beklagten noch nicht aktiv Wettbewerb betrieben und ihr Konkurrenz gemacht. Damit ist keine - weitere - Vertragspflichtverletzung gegeben, die die Beklagte zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde.

30

III. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. Oktober 2007 mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist am 30. November 2007 rechtswirksam beendet worden. Die Kündigung ist durch Gründe im Verhalten der Klägerin iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt.

31

1. Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, weitere Störungen zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 12, EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 57 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 71).

32

2. Auf der Basis des vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalts sind die Voraussetzungen für die soziale Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung erfüllt.

33

a) Die Klägerin hat - wie dargelegt - durch die Übermittlung der Daten der von ihr betreuten Patienten an ein Konkurrenzunternehmen ihre sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange der Beklagten verletzt.

34

b) Es bedurfte vor dem Ausspruch der Kündigung keiner vorherigen Abmahnung. Sie war entbehrlich, weil die Beklagte angesichts der von der Klägerin begangenen Pflichtverletzung annehmen durfte, die Klägerin werde sich in einer vergleichbaren Situation auch künftig und auch nach der vorausgegangenen Androhung einer Kündigung nicht anders verhalten. Der Klägerin war die Rechtswidrigkeit ihres Handelns ohne Weiteres erkennbar. Selbst mit einer erstmaligen Hinnahme ihres Verhaltens durch die Beklagte konnte sie nicht rechnen.

35

c) Die im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG erforderliche Interessenabwägung führt nicht zur Sozialwidrigkeit der Kündigung. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Abwägung hält sich innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.

36

Das Berufungsgericht hat alle wesentlichen Umstände in Erwägung gezogen. Zugunsten der Klägerin hat es auch die durch den Ausspruch der später zurückgezogenen ersten Kündigung verursachte finanzielle Zwangslage berücksichtigt. Seine Bewertung, der Beklagten könne gleichwohl eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat den Grad des Verschuldens der Klägerin und deren relativ kurze Betriebszugehörigkeit berücksichtigt und in vertretbarer Weise gegen die Belange der Beklagten abgewogen.

37

Soweit die Klägerin geltend macht, das Landesarbeitsgericht hätte berücksichtigen müssen, dass zwischen ihr und ihren ehemaligen Patienten ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden habe, zeigt sie kein Abwägungsdefizit auf. Das besondere Vertrauensverhältnis zu den Patienten hat keinen Einfluss auf die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Verpflichtungen der Parteien. Dass sie zur Abwendung einer ansonsten drohende unmittelbaren Gefahr für die Patienten überhaupt nicht anders hätte handeln können, hat die Klägerin nicht dargelegt.

38

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Eylert    

        

        

        

    Röder    

        

    Niebler    

                 

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 27. August 2008 - 10 Sa 174/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 15. Januar 2008 - 5 Ca 1336/07 - abgeändert.

3. Es wird festgestellt, dass die Klägerin berechtigt ist, eine Nebentätigkeit als Zeitungszustellerin bei der Z GmbH jeweils eine Stunde täglich bis 6:00 Uhr von jeweils montags bis sonnabends auszuüben.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Klägerin, eine Nebentätigkeit als Zeitungszustellerin auszuüben.

2

Die Klägerin ist seit 1985 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin als Sortiererin in einem Briefzentrum beschäftigt. Ihre Wochenarbeitszeit beträgt 15 Stunden, ihre monatliche Vergütung ca. 1.200,00 Euro brutto. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Deutschen Post AG vom 18. Juni 2003 (im Folgenden: MTV-DP AG) Anwendung.

3

§ 11 MTV-DP AG enthält folgende Regelungen:

        

„Nebentätigkeit, Wettbewerbsverbote

        

(1) Will der Arbeitnehmer einer Nebentätigkeit nachgehen, hat er diese rechtzeitig vor der Aufnahme dem Arbeitgeber unter Angabe der Art, des zeitlichen Umfangs und des Arbeitgebers schriftlich anzuzeigen.

        

(2) Der Arbeitgeber kann die Nebentätigkeit untersagen, wenn infolge übermäßiger Beanspruchung des Arbeitnehmers durch die Nebentätigkeit die geschuldete vertragliche Arbeitsleistung beeinträchtigt werden kann oder Gründe des unmittelbaren Wettbewerbs dagegen sprechen.

        

(3) Bei einem Teilzeitarbeitnehmer ist eine Überbeanspruchung des Arbeitnehmers und demzufolge eine Beeinträchtigung der geschuldeten vertraglichen Arbeitsleistung im Regelfall erst dann zu vermuten, wenn der zeitliche Umfang aller Tätigkeiten die jeweils geltende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines vollzeit-beschäftigten Arbeitnehmers überschreitet.

        

(4) Wird ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart, erfolgt eine Entschädigung nach den Regelungen des Handelsgesetzbuches.“

4

Im November 2006 teilte die Klägerin auf Aufforderung mit, dass sie einer Nebentätigkeit als Zeitungszustellerin mit einer Wochenarbeitszeit von ca. sechs Stunden und einem Bruttomonatslohn von ca. 350,00 Euro nachgehe. Dabei stellt sie Abonnenten frühmorgens ausschließlich Zeitungen und Presseerzeugnisse (Süddeutsche Zeitung, Münchner Merkur, Financial Times usw.) zu. Die Tätigkeit erfolgt für die Z Z GmbH (im Folgenden: Z GmbH), die in der Zeitungszustellung und der Briefzustellung tätig ist. Die Beklagte stellt im Verlauf des Tages neben Briefsendungen ebenfalls Zeitungen und sonstige Presseerzeugnisse zu.

5

Im Februar 2007 untersagte die Beklagte der Klägerin die Ausübung ihrer Nebentätigkeit. Hiergegen wendet sich die Klägerin.

6

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es fehle an einem Untersagungsgrund im Sinne des Tarifvertrags. Insbesondere könne sich die Beklagte nicht auf Gründe des unmittelbaren Wettbewerbs stützen. Der Marktbereich der beiden Unternehmen überschneide sich nur in einem sehr kleinen Teilbereich. Weit überwiegende Haupttätigkeit der Beklagten seien Briefdienstleistungen, bei der Z GmbH hingegen Zeitungszustellungen. Die Tätigkeit der Klägerin als Zeitungszustellerin beeinträchtige die Interessen der Beklagten als Briefdienstleisterin nicht. Soweit die Beklagte in sehr geringem Umfang Zeitungen zustelle, sei ein anderes Marktsegment betroffen. Auch liege keine die Z GmbH unterstützende Tätigkeit zulasten der Beklagten vor. Allein die Einbringung der Arbeitskraft reiche hierfür nicht aus, erforderlich seien zusätzliche Umstände. Daran fehle es bei der untergeordneten Tätigkeit der Klägerin ohne jeden Kundenkontakt. Eine abstrakte oder zukünftig mögliche Wettbewerbssituation könne nicht dazu führen, die Nebentätigkeit zu verbieten. Die Versagung der Nebentätigkeit durch die Beklagte sei mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit nicht in Einklang zu bringen. Die Klägerin sei auf die Tätigkeit aufgrund von Kreditverpflichtungen angewiesen und habe darauf vertraut, diese weiter ausüben zu können.

7

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass sie berechtigt ist, eine Nebentätigkeit als Zeitungszustellerin bei der Z GmbH jeweils eine Stunde täglich bis 6:00 Uhr von jeweils montags bis sonnabends auszuüben.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Klägerin arbeite für einen unmittelbaren Wettbewerber, der sich als Briefdienstleister im Marktbereich der Beklagten betätige. Durch ihre Tätigkeit als Zustellerin unterstütze und fördere sie die Z GmbH bei deren Konkurrenztätigkeit. Durch Gewinne bei der Zeitungszustellung werde der Ausbau der Briefzustellung ermöglicht. Nicht entscheidend sei, ob die Interessen der Beklagten durch die Tätigkeit konkret beeinträchtigt würden. Im Übrigen bestehe die Gefahr, dass die Z GmbH die Klägerin zukünftig in der Briefzustellung einsetze, da sie dieses Geschäftsfeld ausweiten wolle. Umgekehrt stelle die Beklagte selbst Zeitungen zu, so dass auch insoweit unmittelbarer Wettbewerb stattfinde. Trotz der unterschiedlichen Zustellzeit seien Marktsegment und Kundenzielgruppe identisch. Daraus, dass die Klägerin die Nebentätigkeit über Jahre ausgeübt haben wolle, könne sie nichts herleiten. Der Beklagten sei die Nebentätigkeit erst im November 2006 bekannt geworden.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet.

11

I. Der Antrag der Klägerin ist zulässig.

12

1. Nach § 11 MTV-DP AG ist zur Ausübung einer Nebentätigkeit keine Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich. Die Nebentätigkeit bedarf lediglich einer schriftlichen Anzeige (§ 11 Abs. 1 MTV-DP AG) und kann vom Arbeitgeber nur aus den in § 11 Abs. 2 MTV-DP AG genannten Gründen untersagt werden. Dem Klageziel entspricht deshalb ein auf die Feststellung gerichteter Antrag, dass die Klägerin zur Ausübung der begehrten Tätigkeit als Zeitungszustellerin berechtigt sei (vgl. BAG 28. Februar 2002 - 6 AZR 357/01 - EzA BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 7). Eine die Untersagung der Nebentätigkeit revidierende Erklärung der Beklagten ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht erforderlich. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus der Untersagung der Nebentätigkeit durch die Beklagte.

13

2. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die begehrte Nebentätigkeit wird nach Arbeitgeber, Art, Umfang und Zeit eindeutig konkretisiert.

14

II. Der Antrag ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Klägerin berechtigt, die von ihr begehrte Nebentätigkeit als Zeitungszustellerin bei der Z GmbH auszuüben. Insbesondere sprechen keine Gründe des unmittelbaren Wettbewerbs iSd. § 11 Abs. 2 MTV-DP AG dagegen.

15

1. Dem Arbeitnehmer ist während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt, auch wenn keine entsprechenden individual- oder kollektivvertraglichen Regelungen bestehen. Für Handlungsgehilfen ist dies in § 60 Abs. 1 HGB ausdrücklich geregelt. Der Arbeitsvertrag schließt über den Geltungsbereich dieser Vorschrift hinaus aber ein Wettbewerbsverbot ein, das vielfach aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers abgeleitet wurde (st. Rspr., zB BAG 26. Januar 1995 - 2 AZR 355/94 - zu II 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 nF Nr. 155). Nunmehr ist diese Verhaltenspflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners ausdrücklich in § 241 Abs. 2 BGB normiert (Senat 20. September 2006 - 10 AZR 439/05 - Rn. 16, BAGE 119, 294).

16

Diese Maßstäbe gelten grundsätzlich auch für die Ausübung von Nebentätigkeiten, etwa im Rahmen eines weiteren Arbeitsverhältnisses. Bei der Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen sich eine Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber als Konkurrenz auswirkt, soll es dabei nach der bisherigen Rechtsprechung unerheblich sein, auf welche Art und Weise der Arbeitnehmer den auch im Tätigkeitsbereich seines Hauptarbeitgebers aktiven Konkurrenten unterstützt, sofern der Nebentätigkeit nicht ausnahmsweise von vornherein jegliche unterstützende Wirkung abgesprochen werden kann (vgl. BAG 24. Juni 1999 - 6 AZR 605/97 - zu I 1 b bb der Gründe, AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 5 = EzA BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 2). Ebenso wenig soll es auf die Funktion des Arbeitnehmers beim Konkurrenten ankommen; vielmehr sei dem Arbeitnehmer „jedwede Dienstleistung“ für diesen verboten (vgl. BAG 16. August 1990 - 2 AZR 113/90 - zu III 2 c cc der Gründe, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 10 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 38).

17

Der Senat hat Bedenken, ob an dieser Rechtsprechung festgehalten werden kann, wenn es sich lediglich um einfache Tätigkeiten handelt, die allenfalls zu einer untergeordneten wirtschaftlichen Unterstützung des Konkurrenzunternehmens führen können, und im Übrigen schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers nicht berührt werden. In jedem Fall muss bei der Bestimmung der Reichweite des Wettbewerbsverbots die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers Berücksichtigung finden. Daher ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob nach Art der Haupt- und Nebentätigkeit und der beteiligten Unternehmen überhaupt eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers vorliegt. Es spricht viel dafür, dass die Reichweite des Wettbewerbsverbots auf unmittelbare Konkurrenztätigkeiten beschränkt werden muss und bloße Hilfstätigkeiten ohne Wettbewerbsbezug nicht erfasst werden (vgl. etwa MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene 2. Aufl. § 60 Rn. 46; Oetker/Kotzian-Marggraf HGB § 60 Rn. 15; Küttner/Reinecke Personalbuch 2009 16. Aufl. Stichwort Wettbewerb Rn. 6; Schaub ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 57 Rn. 7; HWK/Diller 3. Aufl. § 60 HGB Rn. 21; Boemke AR-Blattei SD Nebenpflichten des Arbeitnehmers 1228 Rn. 269; Buchner AR-Blattei SD Wettbewerbsverbot II 1830.2 Rn. 53; Grunsky Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer 2. Aufl. S. 12 f.; Bock Das Doppelarbeitsverhältnis S. 35 f.; Franke Arbeits- und sozialrechtliche Fragen von Zweitarbeitsverhältnissen S. 74). Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitnehmer lediglich eine Teilzeittätigkeit ausübt und deshalb zur Sicherung seines Lebensunterhalts auf die Ausübung einer weiteren Erwerbstätigkeit angewiesen ist (Kempen/Kreuder AuR 1994, 214, 219 f.). Gerade im Bereich der einfacheren Tätigkeiten ist das in zunehmendem Maß der Fall.

18

Letztlich bedarf diese Frage im Streitfall aber im Hinblick auf die Regelung in § 11 Abs. 1 bis 3 MTV-DP AG keiner abschließenden Entscheidung.

19

2. § 11 Abs. 1 bis 3 MTV-DP AG schränkt die dargestellten allgemeinen Grundsätze entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zugunsten der Arbeitnehmer ein. Der Arbeitgeber ist danach nur berechtigt, Nebentätigkeiten für ein Konkurrenzunternehmen zu untersagen, wenn nach der Stellung des Arbeitnehmers oder der Art der dortigen Tätigkeit eine unmittelbare Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen droht. Die nur untergeordnete wirtschaftliche Unterstützung des Wettbewerbers reicht nicht aus.

20

a) § 11 MTV-DP AG geht von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Ausübung von Nebentätigkeiten aus und verlangt lediglich deren Anzeige. Zum Schutz seiner Interessen ist der Arbeitgeber allerdings berechtigt, eine Nebentätigkeit zu verbieten, wenn infolge übermäßiger Beanspruchung des Arbeitnehmers durch die Nebentätigkeit die geschuldete vertragliche Arbeitsleistung beeinträchtigt werden kann oder wenn Gründe des unmittelbaren Wettbewerbs dagegen sprechen (§ 11 Abs. 2 MTV-DP AG).

21

b) Die tarifliche Nebentätigkeitsregelung als solche begegnet keinen Wirksamkeitsbedenken. Sie verstößt insbesondere nicht gegen höherrangiges Recht (vgl. hierzu zB BAG 26. Juni 2001 - 9 AZR 343/00 - zu I 1 b der Gründe, BAGE 98, 123). Hiervon geht auch das Landesarbeitsgericht aus, ohne dass die Revision Einwendungen erhebt.

22

c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts können die Tätigkeit für einen Wettbewerber und „Gründe des unmittelbaren Wettbewerbs“ nicht gleichgesetzt werden. Vielmehr ist eine arbeitgeber- und tätigkeitsbezogene Wettbewerbssituation erforderlich, um eine Untersagung zu rechtfertigen. Dabei müssen schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt sein.

23

aa) Schon der Wortlaut des § 11 Abs. 2 MTV-DP AG, von dem vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., vgl. etwa Senat 11. Februar 2009 - 10 AZR 264/08 - Rn. 25, ZTR 2009, 259), macht deutlich, dass die tarifliche Regelung sich nicht vollständig mit dem Inhalt des allgemeinen Wettbewerbsverbots deckt. Sie verweist nicht lediglich auf eine entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 1 HGB oder die allgemeinen Grundsätze. Dies hätte aber nahe gelegen, hätten die Tarifvertragsparteien ohnehin Geltendes nur deklaratorisch wiedergeben wollen, wie sie es etwa beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot in § 11 Abs. 4 MTV-DP AG mit einem Verweis auf die Regelungen des HGB getan haben. Die Tarifnorm benennt als Untersagungsgrund auch nicht allgemein berechtigte Interessen des Arbeitgebers, Wettbewerbs- oder Konkurrenzgründe. Vielmehr sollen gemäß § 11 Abs. 2 MTV-DP AG ausdrücklich nur Gründe des „unmittelbaren“ Wettbewerbs, also solche direkter Konkurrenz, für eine Untersagung der Nebentätigkeit ausreichen. Nebentätigkeiten mit bloß mittelbarem Wettbewerbsbezug werden damit als erlaubt angesehen. Solche Gründe des unmittelbaren Wettbewerbs müssen „dagegen sprechen“, also der Nebentätigkeit entgegenstehen. Die Formulierung zeigt, dass die Tarifvertragsparteien die Nebentätigkeit mit unmittelbarem Wettbewerbsbezug vor Augen hatten und nicht von vornherein jede denkbare Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen als Untersagungsgrund verstanden wissen wollten, auch wenn sie den anderen Arbeitgeber im weitesten Sinne unterstützen mag.

24

bb) Der tarifliche Gesamtzusammenhang bestätigt dieses Verständnis. Die in § 11 Abs. 1 MTV-DP AG geregelte Anzeigepflicht verlangt die Angabe der Art, des zeitlichen Umfangs und des Arbeitgebers der Nebentätigkeit, um dem Hauptarbeitgeber eine Prüfung zu ermöglichen, ob ein Untersagungsgrund in Betracht kommt. Während die Angabe des zeitlichen Umfangs primär dazu dient, den Untersagungsgrund der Überbeanspruchung prüfen zu können, ist das Erfordernis der Angabe des Zweitarbeitgebers auf die Untersagung aus Wettbewerbsgründen zugeschnitten. Zusätzlich verlangt die Anzeige aber auch die Angabe der Art der Nebentätigkeit, die demnach ebenfalls von Bedeutung sein kann.

25

cc) Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Zweck der tariflichen Nebentätigkeitsregelung. Einerseits soll die Tarifnorm den Schutz des Arbeitgebers vor Wettbewerbshandlungen seiner Arbeitnehmer konkretisieren und für die betriebliche Praxis handhabbar machen. Andererseits darf sie die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer und deren Interesse an einer Verwertung ihrer Arbeitskraft nur soweit einschränken, wie dies erforderlich ist. Sie dient damit dem Ausgleich der Interessen beider Vertragsparteien und der weitestmöglichen Auflösung der Interessenkollision. Ob es überhaupt zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers kommt, kann nur anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände festgestellt werden. Dabei sind sowohl die beteiligten Unternehmen als auch die Art der Haupt- und Nebentätigkeit einzubeziehen.

26

3. Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses sprechen keine Gründe des unmittelbaren Wettbewerbs gegen die Tätigkeit der Klägerin als Zeitungszustellerin bei der Z GmbH. Die Beklagte und die Z GmbH stehen zwar in Teilbereichen des Markts im Wettbewerb. Die konkrete Tätigkeit der Klägerin beim Konkurrenzarbeitgeber hat aber keinen Wettbewerbsbezug. Es handelt sich um eine bloße Hilfstätigkeit und eine lediglich untergeordnete wirtschaftliche Unterstützung. Die Klägerin kann nicht etwa bei der Beklagten erworbene spezifische Fähigkeiten, Kenntnisse oder Erfahrungen zum Vorteil des Wettbewerbers einsetzen.

27

a) Die Beklagte und die Z GmbH stehen jedenfalls in Teilbereichen des Markts im Wettbewerb. Beide Unternehmen bieten Briefdienstleistungen an. Dass es sich dabei bei der Beklagten um ein Kerngeschäft handelt, während sich die Geschäftssparte bei der Z GmbH erst im Aufbau befindet, ist unerheblich. Die Unternehmen sind insoweit unmittelbare Konkurrenten. Ob dies auch im Bereich der Zeitungszustellung so ist, kann dahinstehen. Zwar spricht manches dafür, dass es sich bei der Zustellung an Abonnenten in den frühen Morgenstunden einerseits und der Zustellung mit der täglichen Post andererseits um unterschiedliche Marktsegmente handelt, die sich nur unwesentlich überschneiden. Zugunsten der Beklagten kann aber unterstellt werden, dass sie sich auch insoweit mit der Z GmbH in Konkurrenz befindet.

28

b) Die Nebentätigkeit der Klägerin hat keinen unmittelbaren Wettbewerbsbezug.

29

Die Klägerin beschränkt ihr Begehren ausdrücklich darauf, bei der Z GmbH eine Nebentätigkeit als Zeitungszustellerin ausüben zu wollen. Die Zustellung von Briefsendungen ist davon nicht umfasst (vgl. auch LAG Baden-Württemberg 9. April 2003 - 4 Sa 58/02 - zu III 2 der Gründe).

30

Die Tätigkeiten der Klägerin bei der Beklagten als Sortiererin und bei der Z GmbH als Zeitungszustellerin weisen keine erheblichen Überschneidungen auf. Sie beschränken sich bei beiden Arbeitgebern auf die Ausführung von vorgegebenen Arbeitsaufgaben. Ein Kundenkontakt findet bei der Beklagten nicht und im Rahmen der Zeitungszustellung allenfalls zufällig statt. Interessen der Beklagten werden dadurch nicht berührt. Weder besteht eine Verwechslungsgefahr, für wen die Klägerin gerade tätig ist, noch besteht ihre Aufgabe in der Kundengewinnung. Es ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass die Klägerin bei der Beklagten erworbene firmenspezifische Fähigkeiten, Kenntnisse oder Erfahrungen zur Förderung des Wettbewerbers einsetzen könnte. Vielmehr kann die Zeitungszustellung von Dritten ohne besondere Qualifikation wahrgenommen werden.

31

Müsste die Z GmbH auf die Arbeitsleistung der Klägerin verzichten, würde sie an deren Stelle eine andere Arbeitskraft mit derselben Tätigkeit beschäftigen. Die Annahme, dass die Z GmbH stattdessen auf eine Zustellung von Zeitungen am frühen Morgen verzichtete und die Beklagte mit der Zustellung im Verlaufe des Tages beauftragte, liegt fern. Zwar mag man allein in der Tatsache, dass die Klägerin ihre Arbeitskraft einsetzt, eine Unterstützung der Z GmbH sehen, die im weitesten Sinn das Wettbewerbsverhältnis berührt. Allenfalls kann hier aber von einer mittelbaren, untergeordneten Förderung des Wettbewerbers gesprochen werden. Gegen die Tätigkeit sprechende Gründe des „unmittelbaren“ Wettbewerbs im Sinn der Tarifregelung liegen darin nicht.

32

Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin zukünftig im Rahmen ihrer Nebentätigkeit mit der Briefzustellung beauftragt werden könnte. Die Klägerin wäre in einem solchen Fall gemäß § 11 Abs. 1 MTV-DP AG verpflichtet, die Änderung der Tätigkeit anzuzeigen. Die Beklagte könnte dann überprüfen, ob nunmehr ein Untersagungsgrund im Hinblick auf die geänderte Tätigkeit gegeben ist.

33

III. Die Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Mikosch    

        

    Marquardt    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Rudolph    

        

    Großmann    

                 

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 02.09.2009 - 6 Ca 650/09 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 26. März 2009 sowie um Ansprüche auf Vergütung und Rechnungslegung.

2

Der Kläger war seit dem 1. Juli 2005 als Chefarzt der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospitals in A-Stadt aufgrund Arbeitsvertrags vom 18. April 2005 (Bl. 38 bis 60 d.A.) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält u.a. folgende Regelungen:

3

"(…)

4

§ 19
Tätigkeit außerhalb der Dienstaufgaben

5

Jede Tätigkeit außerhalb der Dienstaufgaben bedarf der schriftlichen Zustimmung des Krankenhausträgers (Nebentätigkeitserlaubnis).

6

§ 20
Vertragsdauer, Kündigung

7

(1) Der Vertrag tritt am 01.07.2005 in Kraft; er wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.

8

Die ersten 6 Monate der Beschäftigung sind Probezeit.

9

(2) Während der Probezeit kann der Vertrag mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.

10

(3) Nach Ablauf der Probezeit kann der Vertrag fristlos gem. § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden.

11

(4) Der Vertrag endet ohne Kündigung mit Erreichung der in § 19 AVR-Caritas in der jeweils gültigen Fassung festgelegten Altersgrenze oder mit Ablauf des Monats, in welchem dem Arzt der Bescheid über eine vom Rentenversicherungsträger oder von einer anderen Versorgungseinrichtung festgestellte Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zugestellt wird und rechtskräftig ist.

12

(…)"

13

Die Beklagte hatte gegenüber dem Kläger bereits mit Schreiben vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008 jeweils eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen. Das Arbeitsgericht Koblenz hat in dem unter dem Aktenzeichen 6 Ca 1752/08 geführten Vorprozess der Parteien mit Urteil vom 11. März 2009 der gegen diese Kündigungen gerichteten Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Diese Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig (vgl. LAG Rheinland Pfalz 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - und BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 -).

14

Am 17. März 2009 erhielt der Prozessbevollmächtigte des Klägers folgendes Schreiben des damaligen Geschäftsführers der Beklagten, Herrn K. (Bl. 33, 34 d.A.):

15

"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Dr. D.,

16

in Sachen Dr. C. konnte ich heute mit unserem bisherigen Prozessvertreter, Herr RA G. Rücksprache nehmen. Herr RA G. und ich erinnerten uns beide, dass Herr Dr. C. auf Befragen der Vorsitzenden Richterin Dr. M. im Kammertermin letzte Woche sinngemäß geäußert habe, er sei in gewissem Umfang selbständig tätig und/oder operiere gelegentlich bzw. vertretungsweise.

17

Hierzu stelle ich, auf Basis des Dienstvertrages, an dem Ihr Mandant ja unbedingt festhalten will, fest, dass eine solche Tätigkeit außerhalb unseres Krankenhauses auf Basis des Vertrages definitiv nicht zulässig ist. Da mir, außer dieser überlieferten Äußerung zu einem möglichen, massiven weiteren Pflichtenverstoß noch keine verdichteten Informationen vorliegen, gehen wir nun wie folgt vor:

18

Ich setze Ihrem Mandanten hiermit eine Frist von 48 Stunden, zu den folgenden Verdachtsmomenten mir gegenüber schriftlich (Faxübermittlung reicht aus) Stellung zu nehmen. Die Frist beginnt mit der Übermittlung dieses Faxes. Sollte Ihr Mandant, aus welchen Gründen auch immer, an der Beantwortung aus dringenden Gründen verhindert sein, müssen Sie oder Herr Dr. C. dies innerhalb der Frist in der vorgenannten Form mitteilen und begründen. Ich werde in diesem Fall die Frist nochmals verlängern, wenn dies erforderlich ist.

19

Erfolgt keine Stellungnahme oder wird diese verweigert, werden wir weitere Maßnahmen auf Basis der uns dann vorliegenden Informationen durchführen.

20

Nun zu meinen Fragen:

21

1. Welchen ärztlichen Tätigkeiten ist Herr Dr. C. seit Zugang der ersten fristlosen Kündigung am 26.9.2008 nachgegangen ?

22

2. Ist Herr Dr. C. für andere Krankenhäuser seit dem 26.9.2008 ärztlich tätig geworden, insbesondere als Chirurg? Falls ja:

23

- in welchen Krankenhäusern
- in welchem Umfang und
- mit welchen Tätigkeiten ?

24

3. Erfolgte eine ärztliche Tätigkeit in selbständiger, nicht-selbständiger (also angestellter) oder in sonstiger Form ? Falls ja, wurde ein Vertragsverhältnis zu einem anderen Krankenhaus als unserem begründet ?

25

4. Wo und wie ist Herr Dr. C. derzeit, Stand: 17. März 2009 beschäftigt ?

26

Die Antwort ist unmittelbar an mich zu richten, nicht an unsere bisherigen oder die künftig für uns in dieser Sache tätigen Rechtsanwälte."

27

Auf dieses Schreiben antwortete der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 19. März 2009 (Bl. 35 d.A.) wie folgt:

28

"Sehr geehrter Herr K.,

29

Sie unterstellen in Ihrem Schreiben vom 17.03.2009 meinem Mandanten eine Äußerung, die unzutreffend ist. Ich habe daher sofort eine Anfrage an die 2. Kammer des Arbeitsgerichts gerichtet, damit mir dies auch von dort bestätigt wird.

30

Mein Mandant hat auf die Frage der Richterin geantwortet, dass er zurzeit eine Vertretungstätigkeit in einem Krankenhaus mache.

31

Trotz ihrer unzutreffenden Unterstellung erkläre ich hiermit folgendes:

32

Mein Mandant ist zurzeit im Regierungsbezirk Gießen, Hessen, an einem Krankenhaus tätig, um seine chirurgischen Fähigkeiten zu erhalten und nicht zuletzt auch im Hinblick auf § 615 Satz 2 BGB. Seit der ersten Kündigung war er an keinem anderen Krankenhaus tätig, schon gar nicht im Einzugsbereich von A-Stadt, wie Sie wohl unterstellen.

33

Sollten Sie Ihre Unterstellungen weiterhin aufrechterhalten, behalte ich mir eine Unterlassungs- und Widerrufsklage vor."

34

Auf die schriftliche Anfrage des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 18. März 2009 (Bl. 36 d.A.) gab die Vorsitzende der 6. Kammer des Arbeitsgerichts Koblenz folgende Stellungnahme vom 18. März 2009 (Bl. 37 d.A.) ab:

35

"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Dr. D.,

36

nach meiner Erinnerung fragte ich Ihren Mandanten vor dem Hintergrund einer von der Kammer angestrebten vergleichsweisen Erledigung des Verfahrens wie auch der gesetzlichen Regelung des § 615 S. 1 und 2 BGB, ob er zur Zeit beruflich etwas mache. Herr Dr. C. antwortete sinngemäß, dass er vertretungsweise tätig sei. Allerdings meine ich mich erinnern zu können, dass Herr Dr. C. beiläufig das Thema "Erhaltung der operativen Fähigkeiten" erwähnte, nicht ich.

37

Eine Abschrift dieses Schreibens - wie auch Ihrer Anfrage vom 18.03.2009 nebst Anlagen - gestatte ich mir, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu übersenden."

38

Mit Schreiben vom 26. März 2009 (Bl. 32 d.A.) kündigte die Beklagte dem Kläger erneut fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin.

39

In der Zeit vom 1. Februar bis 31. August 2009 war der Kläger als Chefarzt der chirurgischen Abteilung im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. beschäftigt. Das St. N.-Stiftshospital in A-Stadt und das Diakonie-Krankenhaus in M. sind Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Die Entfernung zwischen den beiden Krankenhäusern beträgt 104 km Luftlinie und 151 km auf den Verkehrsstraßen. Die Fahrzeit von M. nach A-Stadt beträgt mit dem Auto mindestens drei Stunden (wegen der von L. bis M. verlaufenden Land- oder Kreisstraßen mit vielen Baustellen) und mit der Bahn mindestens dreieinhalb Stunden (mindestens dreimaliges Umsteigen). Bei der Beklagten werden jährlich ca. 9.000 Patienten behandelt.

40

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung sei rechtsunwirksam, weil es sowohl an ausreichenden Kündigungsgründen als auch an der erforderlichen vorangegangenen Abmahnung fehle. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe er mit seiner Tätigkeit am Diakonie-Krankenhaus in M. nicht gegen das Wettbewerbsverbot während des bestehenden Arbeitsverhältnisses verstoßen. Die Ansicht, dass jegliche anderweitige ärztliche Tätigkeit einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot darstelle, stehe in Widerspruch zu § 615 Satz 2 BGB. Zwischen dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus in A-Stadt und dem Diakonie-Krankenhaus in M. bestehe keine Wettbewerbssituation. Er erinnere sich jedenfalls nicht daran, dass er in seiner Zeit in A-Stadt jemals einen Patienten aus dem Einzugsbereich von M. bzw. von F./F. behandelt habe. Wenn es überhaupt jemals aus der Region M. Patienten im A. Krankenhaus gegeben habe, dann könne es sich hierbei ausschließlich um Patienten der inneren Abteilung handeln, die sich aufgrund der persönlichen Kontakte von Herrn Prof. St. (Chefarzt der inneren Abteilung am Krankenhaus in A-Stadt) nach M., wo dieser viele Jahre als Krankenhausarzt an der Universitätsklinik tätig gewesen sei, in dessen Behandlung begeben hätten. Aber auch umgekehrt habe es keine Konkurrenzsituation gegeben. Jedenfalls sei seit Beginn des Jahres 2009 im Diakonie-Krankenhaus in M. kein einziger Patient aus A-Stadt behandelt worden. Weiterhin sei auch der Vorwurf einer Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht absurd. Da er in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich betont habe, dass es sein Ziel sei, an das Krankenhaus in A-Stadt zurückzukehren, entspreche es der Wahrheit, wenn er geäußert habe, dass er zur Zeit in einem Krankenhaus "vertretungsweise" tätig sei. Er habe auch in M. wiederholt auf die Kündigungsschutzverfahren sowie auf sein Ziel hingewiesen, wieder an das A. Krankenhaus zurückkehren zu können. Er habe wahrheitsgemäß erklärt, dass er über Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit verfüge. Hingegen sei er nicht gefragt worden, um welche vertraglichen Beziehungen es sich handele. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei bereits gemäß § 20 des Dienstvertrages für den Arbeitgeber ausgeschlossen. Aufgrund der Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigungen sei die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für die Zeit vom 26. September 2008 bis 31. Januar 2009 zur Zahlung der geltend gemachten Vergütungsansprüche verpflichtet. Weiterhin habe die Beklagte die begehrte Rechnungslegung hinsichtlich der KV-Abrechnung für die Quartale II/08 und III/08 vorzunehmen.

41

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

42

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sowohl durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 26.03.2009 als auch durch die zugleich hilfsweise zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden ist,

43

die Beklagte zu verurteilen, ihn als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospital in A-Stadt zu unveränderten Bedingungen gem. Dienstvertrag vom 18.04.2005 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen,

44

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 38.194,44 EUR brutto als Dienstvergütung gem. § 8 Abs. 1 DV abzüglich 8.816,40 EUR netto zu zahlen,

45

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.002,81 EUR netto als Dienstvergütung aus liquidationsberechtigter Tätigkeit gem. § 8 Abs. 2 DV zu zahlen,

46

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.481,98 EUR brutto aus liquidationsberechtigter Tätigkeit im Bereich der Privatambulanz zu zahlen,

47

die Beklagte zu verurteilen, über die Abrechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz für die Quartale II/08 und III/08 Rechnung zu legen.

48

Die Beklagte hat beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Sie hat erwidert, die Kündigung sei wegen der unerlaubten Wettbewerbstätigkeit sowie aufgrund der Falschaussage des Klägers im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht im ersten Kündigungsschutzprozess gerechtfertigt. Der Kläger habe mit seiner Anfang Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit als Chefarzt der chirurgischen Abteilung im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. gegen das für die Dauer des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses bestehende Wettbewerbs verstoßen. Entgegen der Ansicht des Klägers sei eine Wettbewerbssituation zwischen ihrem Krankenhaus in A-Stadt und dem Diakonie-Krankenhaus in M. gegeben. Die räumliche Distanz zwischen den beiden Krankenhäusern beziehe insbesondere Patienten ein, die räumlich zwischen den beiden Krankenhäusern leben würden, hier insbesondere in der Region Hoher Westerwald. Zum Beispiel könne man von den Ortschaften im Postleitzahlenbezirk 57500 bis 57589 beide Krankenhäuser in fast gleicher Zeit per Auto erreichen. Die bestehende Wettbewerbssituation lasse sich dadurch beweisen, dass Kunden bzw. Patienten zwischen den beiden Wettbewerbern aussuchen könnten und dies auch tun würden, wie dies in Bezug auf Patienten aus dem Einzugsbereich des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. der Fall sei. Aus den genannten Postleitzahlenbezirken 57500-57589, unter anderem aus F., seien 11 Patienten im Jahr 2007, 22 Patienten im Jahr 2008 und 6 Patienten in der Zeit von Januar bis Mai 2009 gekommen. Aber auch aus dem unmittelbaren Umfeld des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. würden Patienten zu ihr kommen, so dass an dem Bestehen einer Wettbewerbssituation keine Zweifel bestehen könnten. Aus dem Bereich M., Postleitzahlengebiet 35041-35288, seien zu ihr im Jahr 2007 10 Patienten, im Jahr 2008 22 Patienten und in der Zeit von Januar bis Mai 2009 12 Patienten gekommen. Die unerlaubte Wettbewerbstätigkeit des Klägers habe ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht. Zum einen sei der Kläger in einem Krankenhaus in ihrem Einzugsgebiet tätig geworden und habe damit eine unmittelbare Konkurrenztätigkeit eröffnet. Es sei zu befürchten, dass Patienten nun dem A. Klinikum den Rücken kehren würden, um in M.-W. vom Kläger behandelt zu werden oder sich als Erstpatienten für das Diakonie-Krankenhaus anstatt für ihr Krankenhaus zu entscheiden. Zum anderen habe sich der Kläger im Rahmen der "Ermittlungen" zu seiner Wettbewerbstätigkeit durch die Verweigerung der Beantwortung berechtigter Fragen sowie durch die Androhung von Gegenmaßnahmen derart unkooperativ gezeigt, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich sei. Als besonderen Vertrauensbruch werte sie die objektive Falschaussage im Termin am 11. März 2009, in dem der Kläger auf Befragen der Vorsitzenden wahrheitswidrig geäußert habe, er sei nur vertretungsweise an einem anderen Krankenhaus tätig, während er in Wahrheit offiziell als amtierender Chefarzt dort tätig sei. Beides sei bereits vom Wortlaut her nicht miteinander vergleichbar. Durch seine Aussage habe der Kläger nicht nur das Gericht getäuscht, sondern vor allem sie selbst. Mit der Täuschung habe der Kläger versucht, von der verbotswidrigen Wettbewerbstätigkeit abzulenken, um damit seine Position zu verbessern. Damit sei das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien endgültig zerstört. Die beharrliche Fortsetzung der Wettbewerbstätigkeit und damit einhergehende Leugnung einer Wettbewerbssituation zeige, dass der Ausspruch einer Abmahnung anstelle der Kündigung keine Verhaltensänderung des Klägers gebracht hätte. Der Ausspruch einer Abmahnung wäre auch unzumutbar gewesen, weil sie den Kläger dann zunächst hätte weiterbeschäftigen müssen. Ein Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts ergebe sich aus dem Dienstvertrag nicht. Vielmehr werde lediglich klargestellt, dass auch nach Ablauf der Probezeit beim Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung keine Kündigungsfrist einzuhalten sei.

51

Mit Urteil vom 2. September 2009 - 6 Ca 650/09 - hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 26. März 2009 nicht aufgelöst worden sei und dem Kläger die geltend gemachten Zahlungsansprüche sowie der Rechnungslegungsanspruch zustünden. Die fristlose Kündigung vom 26. März 2009 sei nicht wegen des behaupteten Wettbewerbsverstoßes gerechtfertigt. Auch bei einer unterstellten Konkurrenztätigkeit hätte die Beklagte zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor Ausspruch der Kündigung dem Kläger zunächst eine Abmahnung erteilen müssen. Für den Kläger sei nur schwer erkennbar gewesen, dass seine Tätigkeit in dem 150 km entfernten Diakonie-Krankenhaus eine Konkurrenztätigkeit darstellen solle, die er auch nach Ausspruch von drei Kündigungen nicht habe ausüben dürfen. Vorliegend sei als Besonderheit zu berücksichtigen, dass sich der Kläger in einem Kündigungsschutzprozess befunden habe. Erst nach Ausspruch einer Abmahnung wäre für den Kläger deutlich erkennbar gewesen, dass die Beklagte seine Tätigkeit beim Diakonie-Krankenhaus als kündigungsrelevanten Sachverhalt einstufe. Dem Kläger wäre so die Möglichkeit geblieben, sein Verhalten zu ändern, indem er seine Tätigkeit beim Diakonie-Krankenhaus aufgegeben hätte. Dem widerspreche auch nicht der Umstand, dass der Kläger nach Erhalt der streitgegenständlichen Kündigung wegen behaupteten Wettbewerbsverstoßes sein Arbeitsverhältnis mit dem Diakonie-Krankenhaus zunächst fortgesetzt habe. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt sei der Zugang der streitgegenständlichen Kündigung, bis zu dem die Beklagte dem Kläger keine Abmahnung erteilt habe. Unabhängig davon führe die vorzunehmende Interessenabwägung zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung. Hinsichtlich des Grades der Vorwerfbarkeit sei zu berücksichtigen, dass schon die Frage eines objektiven Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot kontrovers diskutiert werden könne. Der Kläger habe sich nicht selbständig gemacht, sondern seine Tätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt, bei dem es ihm ersichtlich um eine Übergangslösung gegangen sei, um den Zeitraum der Ungewissheit bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung zu überbrücken. In zeitlicher Hinsicht habe der Kläger seine Tätigkeit im Diakonie-Krankenhaus erst vier Monate nach der ersten fristlosen Kündigung aufgenommen. Darüber hinaus habe die Beklagte auch zu konkreten Auswirkungen der Konkurrenztätigkeit des Klägers auf ihre eigene Tätigkeit nichts vorgetragen. Die von der Beklagten angeführten Patientenzahlen aus dem Einzugsgebiet des Diakonie-Krankenhauses in M., die bei ihr pro Jahr behandelt worden seien, würden sich im unteren Promillebereich bewegen. Die Beklagte habe auch selbst nicht behauptet, dass aufgrund der Tätigkeit des Klägers ab Februar 2009 im Diakonie-Krankenhaus in M. Patienten aus ihrem Einzugsbereich nach M. gewechselt seien. Der Kläger habe im vorliegenden Verfahren stets zum Ausdruck gebracht, dass er weiter bei der Beklagten arbeiten wolle, so dass sich die Arbeitsaufnahme bei dem Diakonie-Krankenhaus in M. offensichtlich als eine Übergangslösung darstelle, die von der Beklagten auch nur so habe verstanden werden können. Letztlich könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger nachhaltig gehalten sei, seine Tätigkeit zum Erhalt seiner chirurgischen Fähigkeiten tatsächlich auszuüben. Auch unter Berücksichtigung der besonderen Konfliktsituation, in der sich der Kläger nach Ausspruch der ersten fristlosen Kündigungen im Hinblick auf die erforderliche Sicherung seines Lebensstandards befunden habe, überwiege das Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse der Beklagten an einer sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Soweit die Beklagte die fristlose Kündigung auf eine Falschaussage des Klägers im Kammertermin vom 11. März 2009 gestützt habe, fehle es bereits an einem wichtigen Grund. Eine bewusst wahrheitswidrige Erklärung des Klägers sei nicht zu erkennen. Bei der Auslegung seiner Erklärung sei insbesondere der Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen. Danach könne seine Äußerung, dass er "vertretungsweise" in einem anderen Krankenhaus tätig sei, vom objektiven Empfängerhorizont nur so verstanden werden, dass er damit zum Ausdruck habe bringen wollen, nur vorübergehend woanders tätig zu sein. Der Begriff "vertretungsweise" bringe umgangssprachlich auch zum Ausdruck, lediglich vorübergehend im Sinne einer Übergangslösung tätig zu sein. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und der Gesprächssituation im Kammertermin vom 11. März 2009 lägen keine Anhaltspunkte für einen bewusst wahrheitswidrigen Vortrag des Klägers vor. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei aus den Gründen, die zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung führen würden, ebenfalls unwirksam. Nach der auch bei der ordentlichen Kündigung vorzunehmenden Interessenabwägung würde das Fortführungsinteresse des Klägers gegenüber dem Auflösungsinteresse der Beklagten überwiegen. Weiterhin habe der Kläger während der Dauer des Rechtsstreits einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Da der Kläger ein die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 26. März 2009 feststellendes Urteil erstritten habe, könne die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers nicht begründen. Vielmehr müssten zusätzliche Umstände hinzukommen, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergebe, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen. Solche Umstände habe die Beklagte nicht vorgetragen. Zudem stünden dem Kläger die mit den Anträgen zu 3) bis 6) geltend gemachten Ansprüche zu, die dem Grunde und der Höhe nach unstreitig seien.

52

Gegen das ihr am 5. November 2009 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 18. November 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 19. November 2009 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, sowie ergänzend mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

53

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe unzutreffend im Hinblick auf das vorgetragene Zahlenmaterial eine mögliche Gefährdung des Arbeitgebers aufgrund des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot in Zweifel gezogen. Denn sie habe die konkreten Daten zu Patienten, die sich räumlich sowohl in Richtung des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. als auch in Richtung ihres Krankenhauses in A-Stadt orientieren könnten, nur beispielhaft anhand einzelner Ortschaften vorgelegt und nachgewiesen. Damit sei aber die absolute Anzahl der Patienten, die sowohl in die eine wie auch die andere Richtung gehen könnten, völlig offen. Deshalb verbiete sich auch jeglicher Rückschluss auf eine Relation zur absoluten Anzahl der Patienten von ca. 9.000 jährlich. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die Kündigung nicht mangels vorheriger Abmahnung unwirksam. Zwar könne in der Tat ohne nähere Berücksichtigung der Umstände nicht festgestellt werden, dass dem Kläger die Relevanz der Marktsituation klar gewesen sei. Dies spiele aber für den objektiven Pflichtverstoß keine Rolle. Entscheidend sei vielmehr, dass die Marktposition des Arbeitgebers objektiv nicht verletzt und noch nicht einmal gefährdet werden dürfe. Ob der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung bewusst oder gar mit Schädigungsabsicht begangen habe, sei nicht entscheidend. Dies könne allenfalls im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Relevanz erlangen. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass der Kläger arbeitsrechtlich beraten und vertreten sei. Sein Prozessbevollmächtigter habe ihn darauf hinweisen müssen, dass die Aufnahme der Arbeit im Diakonie-Krankenhaus einen Pflichtverstoß begründen und die Gefahr einer Kündigung wegen eines Wettbewerbsverstoßes beinhalten könnte. Jedenfalls sei dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten aufgrund ihres Anhörungsschreibens vom 17. März 2009 klar gewesen, dass die Tätigkeit des Klägers für ein anderes Krankenhaus arbeitsrechtlich ein nicht unerhebliches Problem begründen würde. Materiell handele es sich dabei um eine vorsorgliche Abmahnung. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts habe der Kläger hieraus allerdings keineswegs die Konsequenz gezogen, das ab dem 1. Februar begründete Arbeitsverhältnis mit dem Diakonie-Krankenhaus alsbald zu beenden. Denn der Kläger habe verschwiegen, dass nicht er durch seine Kündigung das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet habe, sondern eine zuvor vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung, die das Diakonie-Krankenhaus zum Ende der Probezeit Ende Juli 2009 zum 31. August 2009 ausgesprochen habe. Entgegen der Darstellung des Klägers habe dieser bei den beiden Einstellungsgesprächen mit dem Geschäftsführer des Diakonie-Krankenhauses, Herrn Dr. G., nicht offengelegt, dass er das Arbeitsverhältnis alsbald wieder beenden wolle, um zu seinem Arbeitgeber nach A-Stadt zurückzukehren. Vielmehr wäre er in diesem Fall gar nicht eingestellt worden, weil nach den Angaben des Herrn Dr. G. nur eine langfristige Besetzung der Chefarztstelle sinnvoll und beabsichtigt gewesen sei. Die vom Arbeitsgericht zugunsten des Klägers aufgestellte Prognose, wonach dieser nach einer Abmahnung das neu begründete Arbeitsverhältnis ja hätte kündigen können, habe sich gerade nicht bestätigt. Der Kläger habe weder nach dem Anhörungsschreiben vom 17. März 2009 noch nach der fristlosen Kündigung vom 26. März 2009 sein Arbeitsverhältnis gekündigt, sondern stattdessen im Diakonie-Krankenhaus so lange wie möglich weitergearbeitet. Auf der zweiten Prüfungsstufe habe das Arbeitsgericht zu Unrecht verschiedene Punkte einseitig zugunsten des Klägers gewertet. In Bezug auf den Grad der Vorwerfbarkeit des Pflichtverstoßes sei zu berücksichtigen, dass es für den Kläger selbst jedenfalls erkennbar gewesen sei, dass Patienten aus dem zwischen den beiden Krankenhäusern gelegenen Territorium sowohl zu seinem neuen Arbeitgeber wie auch zu ihr kommen könnten. Weiterhin müsse sich der Kläger eine unterlassene Belehrung durch seinen Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Soweit der Kläger die Wettbewerbstätigkeit erst vier Monate nach der ersten fristlosen Kündigung aufgenommen habe, beseitige dies den späteren und nachhaltigen Pflichtverstoß nicht. Diesbezüglich habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass der Kläger sich im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. jedenfalls vor dem 1. Februar beworben und damit die Konkurrenztätigkeit konkret in Angriff genommen habe. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht zugunsten des Klägers unterstellt, dass sie keinen konkreten Schaden nachgewiesen habe und sich die tatsächlichen Patientenzahlen im unteren Promillebereich bewegen würden. Die absolute Anzahl der Patienten, die anstatt zu ihr nach M.-W. gegangen seien, könne zum einen nicht aufgeklärt werden und sei zum anderen für den Pflichtverstoß gerade nicht entscheidend. Mangels entsprechender Darlegungs- und Beweislast könne aus ihrem fehlenden konkreten Vortrag zur absoluten Anzahl der abgeworbenen Patienten oder der Patienten, die sich zwischen beiden Krankenhäusern entscheiden könnten, keine Rückschlüsse zugunsten des Klägers gezogen werden. Soweit das Arbeitsgericht darauf verwiesen habe, dass der Kläger zum Erhalt seiner Fähigkeiten als Chirurg gehalten sei, seine Tätigkeiten tatsächlich auszuüben, berechtige ihn dies jedoch nicht, zu ihr in Wettbewerb zu treten. Im Bezug auf die Falschaussage des Klägers habe das Arbeitsgericht die objektive Äußerung des Klägers, dass er im Diakonie-Krankenhaus "vertretungsweise" tätig sei, dahingehend interpretiert, dass vertretungsweise auch als vorübergehend verstanden werden könnte. Die Aussage stimme nicht mit den objektiven Fakten überein, die der Kläger in M.-W. im Diakonie-Krankenhaus kommuniziert habe. Sie habe auch nicht seinem dort abgeschlossenen Vertrag entsprochen. Der Weiterbeschäftigungsantrag sei unbegründet, weil die Kündigungen wirksam seien. Die Zahlungsansprüche seien ebenfalls unbegründet, weil sie sich nicht in Annahmeverzug befunden haben.

54

Die Beklagte beantragt,

55

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 2. September 2009 - 6 Ca 650/09 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

56

Der Kläger beantragt,

57

die Berufung zurückzuweisen.

58

Er erwidert, zwischen den beiden Krankenhäusern bestehe bereits aufgrund der räumlichen Entfernung und den Fahrzeiten zwischen beiden Orten keine Wettbewerbssituation, so dass ihm auch keine unerlaubte Wettbewerbstätigkeit vorgeworfen werden könne. Die Beklagte habe es trotz wiederholter Aufforderungen abgelehnt, eine Liste der behaupteten Patienten mit einer Angabe darüber vorzulegen, in welcher Abteilung sie behandelt worden seien. Bei Vorlage einer solchen Liste würde damit belegt werden, dass die behaupteten Patienten ausschließlich auf der inneren Abteilung behandelt würden. Damit scheide von vornherein jegliche Wettbewerbssituation im Bereich der Chirurgie aus. Auch umgekehrt sei im gesamten Jahr 2009 kein einziger Patient aus A-Stadt im Diakonie-Krankenhaus M. behandelt worden. Wenn die von der Beklagten behauptete Wettbewerbssituation bestehen würde, dann müsste gleiches gelten z.B. für Krankenhäuser zwischen Kiel und München, weil es auch dann im Einzelfall vorkommen könne, dass Patienten eine Krankenhausbehandlung jeweils am anderen Ende Deutschlands aus bestimmten Gründen in Anspruch nehmen würden. Damit wäre aber zugleich jede Tätigkeit im stationären Bereich während eines langjährigen Kündigungsschutzprozesses unmöglich, was jedoch von der Rechtsprechung abgelehnt werde. Das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass in jedem Fall zuvor eine Abmahnung hätte ausgesprochen werden müssen. Das Schreiben der Beklagten vom 17. März 2009 könne nicht als Abmahnungsschreiben interpretiert werden. Entgegen der Darstellung der Beklagten hätten Einstellungsgespräche im eigentlichen Sinne zwischen ihm und Herrn Dr. G. nicht stattgefunden. Bei dem ersten Vorstellungsgespräch sei Herr Dr. G. nicht anwesend gewesen. Der ärztliche Direktor, Herr Dr. Gl., habe ihm bei dieser Vorstellung auf seine Vorgeschichte angesprochen, woraufhin er berichtet habe, dass ihm mehrfach fristlos gekündigt worden sei. Weiterhin habe er darauf hingewiesen, dass er sich gegen diese Kündigungen zur Wehr setze und Kündigungsschutzklage mit dem Ziel erhoben habe, in A-Stadt zu bleiben. Herrn Dr. G. habe er erst einige Wochen später kennengelernt, wobei dieser ihm mitgeteilt habe, dass man sich auf seine Einstellung geeinigt habe, man könne sich ja immer ohne Probleme während der Probezeit voneinander trennen. In diesem Gespräch sei es also nicht darum gegangen, ob er überhaupt eingestellt werden solle oder nicht, vielmehr sei ihm von Herrn Dr. G. bereits definitiv die Einstellung mitgeteilt worden. Soweit er danach noch mit Herrn Dr. G. gesprochen habe, sei es lediglich um den Inhalt des Dienstvertrages gegangen. Die Beklagte habe nicht einmal schlüssig den behaupteten Schaden vorgetragen, sondern lediglich abstrakt einige wenige Patientenzahlen ohne nähere Einzelheiten genannt. Auch der Vorwurf der Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 sei abwegig. Hätte er auf die Frage der Richterin erklärt, dass er eine Stelle als Chefarzt in einem anderen Krankenhaus übernommen habe, so wäre dies von der Beklagten sofort als Abkehrwille interpretiert und eine Kündigung ausgesprochen worden. Für die Beantwortung der Frage sei es daher ausreichend gewesen, dass er angegeben habe, seit dem 1. Februar 2009 in einem anderen Krankenhaus zu arbeiten, wobei er hierfür von einer Vertretungstätigkeit gesprochen habe. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung sei schon deshalb rechtsunwirksam, weil in seinem Dienstvertrag die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung vertragsmäßig ausgeschlossen sei. Insoweit nehme er Bezug auf den auszugsweise vorgelegten Schriftsatz vom 28. Oktober 2009 im Verfahren 3 Sa 474/09 (Bl. 267 bis 269 d.A.).

59

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

60

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage vollumfänglich stattgegeben.

A.

61

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung ist zulässig.

62

Sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt sowie begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

63

Entgegen der Ansicht des Klägers entspricht die Berufungsbegründung auch in Bezug auf die hilfsweise ordentliche Kündigung, den Weiterbeschäftigungsantrag und die Annahmeverzugsansprüche den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Das Arbeitsgericht hat die Unwirksamkeit der hilfsweise ordentlichen Kündigung darauf gestützt, dass die Gründe, die zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung führten, auch die Entscheidung über die Unwirksamkeit der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung tragen würden. Ob die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung bereits vertraglich nach § 20 Abs. 3 des Dienstvertrages ausgeschlossen ist, hat das Arbeitsgericht ausdrücklich dahinstehen lassen. Dementsprechend durfte die Beklagte darauf verweisen, dass ihre Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung sinngemäß für die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur hilfsweise ordentlichen Kündigung gelten sollen. Entgegen der Ansicht des Klägers liegt auch in Bezug auf den Weiterbeschäftigungsantrag und die Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug eine ausreichende Berufungsbegründung vor. Mit ihrem ergänzenden Schriftsatz vom 23. Dezember 2009 hat die Beklagte innerhalb der Berufungsbegründungsfrist ausgeführt, dass der Weiterbeschäftigungsantrag aufgrund der Wirksamkeit der Kündigungen unbegründet sei und die Zahlungsansprüche ebenfalls unbegründet seien, weil sie sich aufgrund der vorangegangenen Kündigungen, die Gegenstand des vorgreiflichen Vorprozesses der Parteien seien, nicht in Annahmeverzug befunden habe. Im Hinblick darauf, dass diese weiteren Anträge jeweils auf der Unwirksamkeit der vorangegangenen Kündigungen aufbauen und der Vorprozess der Parteien damals noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, genügt die (ergänzende) Berufungsbegründung den nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu stellenden Anforderungen.

B.

64

Die hiernach zulässige Berufung der Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg.

65

Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage vollumfänglich stattgegeben.

I.

66

Der Kündigungsschutzantrag zu 1) ist begründet.

67

1. Die außerordentliche Kündigung vom 26. März 2009 ist unwirksam, weil die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht erfüllt sind.

68

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Prüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Ist dies der Fall, bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bzw. bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., vgl. BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 18, NZA-RR 2010, 461).

69

Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung wegen des angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot jedenfalls an der vorzunehmenden Interessenabwägung scheitert und in Bezug auf die dem Kläger vorgeworfene "Falschaussage" bereits kein Sachverhalt erkannt werden kann, der an sich als wichtiger Kündigungsgrund geeignet ist.

70

a) Die fristlose Kündigung ist nicht wegen des von der Beklagten angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot während des (fort-)bestehenden Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt.

71

aa) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt. Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen. Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen. Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Deshalb darf ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch nach Ausspruch einer von ihm gerichtlich angegriffenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, wenn die Kündigung sich später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22 und 23, NZA-RR 2010, 461). Bei der Bestimmung der Reichweite des Wettbewerbsverbots muss allerdings die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers Berücksichtigung finden. Daher ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob nach Art der Haupt- und Nebentätigkeit und der beteiligten Unternehmen überhaupt eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers vorliegt (BAG 24. März 2010 - 10 AZR 66/09 - NZA 2010, 693).

72

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann im Streitfall zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Tätigkeit des Klägers am Diakonie-Krankenhaus in M.-W. nach der Art der beiden Unternehmen (Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung) ungeachtet ihrer räumlich weiten Entfernung (Verkehrsverbindungen von ca. 150 km) schutzwürdige Interessen der Beklagten gefährdet hat und das Wettbewerbsverbot in dem von der Beklagten unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnis der vom Kläger aufgenommenen anderweitigen Arbeitstätigkeit entgegenstand. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger mit der von ihm - nach Ausspruch der unwirksamen Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008 - beim Diakonie-Krankenhaus in M.-W. zum 1. Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit als Chefarzt der chirurgischen Abteilung gegen das Wettbewerbsverbot während des (fort-)bestehenden Arbeitsverhältnisses verstoßen hat, ist die außerordentliche Kündigung gleichwohl nach der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht gerechtfertigt.

73

Der Beklagten kann unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falls und unter Abwägung der Interessen beider Parteien die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem nach § 20 Abs. 3 des Arbeitsvertrages ordentlich unkündbaren Kläger sowohl bis zum Ablauf der in § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB bestimmten Kündigungsfrist als auch darüber hinaus bis zu der in § 20 Abs. 4 des Arbeitsvertrags vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden, so dass die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos noch mit einer der Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist beendet hat.

74

Die Parteien haben in § 20 des Arbeitsvertrags die Möglichkeit zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen. Das ergibt die Auslegung der in § 20 des Arbeitsvertrags getroffenen Regelungen. Der Kläger hat unter Bezugnahme auf seinen Schriftsatz vom 28. Oktober 2009 in dem unter dem Aktenzeichen 3 Sa 474/09 vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz geführten Vorprozess der Parteien unwidersprochen vorgetragen, dass der ihm ursprünglich überreichte Entwurf des Dienstvertrages in § 20 aufgrund der zwischen ihm und dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten geführten Verhandlungen geändert worden sei. Im ursprünglichen Vertragsentwurf war geregelt, dass der Vertrag nach Ablauf der Probezeit von beiden Parteien mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahrs gekündigt werden kann (§ 20 Abs. 3 des Entwurfs) und das Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrags nach § 626 BGB aus wichtigem Grund unberührt bleibt (§ 20 Abs. 4 des Entwurfs). Anstelle dieser Regelungen in § 20 Abs. 3 und 4 des ursprünglichen Entwurfs wurde nach den geführten Vertragsverhandlungen in die endgültige Fassung des Dienstvertrags ein neuer Absatz 3 aufgenommen, nach dem der Vertrag nach Ablauf der Probezeit fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass diese Änderung des Vertragstextes für ihn eine wesentliche Voraussetzung gewesen sei, die Stelle in A-Stadt anzutreten, weil er nicht einfach jederzeit kündbar habe sein wollen, wenn er mit seiner gesamten Familie nach A-Stadt ziehe. Im Hinblick darauf, dass der ursprüngliche Vertragsentwurf unstreitig aus diesen Gründen im Rahmen der zwischen den Parteien geführten Vertragsverhandlungen einvernehmlich geändert worden ist, kann die in § 20 Abs. 3 des Dienstvertrags vereinbarte Regelung nur so verstanden werden, dass der Vertrag nach Ablauf der Probezeit nur noch fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund kündbar sein sollte und im Übrigen erst nach § 20 Abs. 4 des Dienstvertrages mit der festgelegten Altersgrenze bzw. im Falle einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit endet. Die Auslegung der in § 20 des Dienstvertrags getroffenen Regelungen ergibt mithin, dass die Parteien die ordentliche Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach Ablauf der Probezeit vertraglich ausgeschlossen haben und das Arbeitsverhältnis gemäß § 20 Abs. 4 des Dienstvertrages erst mit Erreichung der festgelegten Altersgrenze bzw. im Falle der geregelten Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit endet (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - Rn. 106 und 107, [juris]).

75

Auch wenn man im Streitfall von einem Verstoß des Klägers gegen das Wettbewerbsverbot ausgeht, der als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist, kann der Beklagten gleichwohl bei Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem ordentlich unkündbaren Kläger bis zu der in § 20 Abs. 4 vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden. Zwar verletzt der Arbeitnehmer seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich, wenn er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit ausübt. Unter Berücksichtigung von Art und Auswirkung der Konkurrenztätigkeit sowie des Grades des Schuldvorwurfs überwiegen aber im Streitfall die Interessen des Klägers an einer Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Beendigungsinteresse der Beklagten.

76

Der Kläger hat sich nach Ausspruch der Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008, deren Rechtsunwirksamkeit inzwischen im Vorprozess der Parteien rechtskräftig festgestellt worden ist, darauf beschränkt, seine Arbeitskraft durch Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses bei einem anderen Krankenhaus ab 1. Februar 2009 zu verwerten, um seinen Lebensstandard durch Erzielung eines entsprechenden Verdienstes aufrechtzuerhalten und seine Fähigkeiten als Chirurg zu erhalten. Die vom Kläger aufgenommene (Konkurrenz-)Tätigkeit ist erst durch die unwirksamen Kündigungen der Beklagten ausgelöst worden, ohne die für den Kläger keine Veranlassung zur Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit als Chirurg bestanden hätte. Bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die Wirksamkeit der vorangegangenen Kündigungen waren beide Parteien im Ungewissen darüber, wie die materielle Rechtslage beurteilt werden wird. Dadurch ist für den Kläger eine Zwangslage entstanden. Zur Vermeidung einer weiteren Kündigung müsste er sich einerseits jeglicher Tätigkeit enthalten, die als Wettbewerbsverstoß aufgrund des möglicherweise noch fortbestehenden Vertrages gewertet werden könnte. Andererseits wäre er für den Fall der Wirksamkeit der Kündigung an der dann möglichen anderweitigen Sicherung seines Lebensstandards gehindert (vgl. hierzu BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - Rn. 51, NZA 1992, 212). Die aus § 615 Satz 2 BGB herzuleitenden Interessen des Arbeitnehmers an der anderweitigen Verwendung seiner Arbeitskraft sind für die Beurteilung erheblich, ob und mit welchem Gewicht ihm die Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen vorwerfbar ist. Wenn der Arbeitnehmer am gekündigten Arbeitsverhältnis festhalten will, geht es ihm mit der Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen zur Verwertung seiner Arbeitskraft ersichtlich nur um eine Übergangslösung, die der Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber nicht entgegensteht und für diesen keine anhaltende Konkurrenz bedeutet (BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - Rn. 65, NZA 1992, 212). Dabei ist im Streitfall unerheblich, ob und inwieweit der Kläger gegenüber Vertretern des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. zum Ausdruck gebracht hat, dass er an seinem gekündigten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten festhalten und zu dieser möglichst wieder zurückkehren will. Der Kläger hat die ihm vorgeworfene Konkurrenztätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei einem räumlich weit von der Beklagten entfernten Krankenhaus aufgenommen. Sowohl das von der Beklagten in A-Stadt betriebene Krankenhaus als auch das Diakonie-Krankenhaus in M.-W. sind Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Die Beklagte hat zwar zutreffend darauf verwiesen, dass die Wahl des einen oder anderen Krankenhauses nicht zwingend von der räumlichen Entfernung abhängt, sondern durchaus auch von anderen Faktoren (wie z.B. verfügbare Leistungen des Krankenhauses, Ruf des Krankenhauses oder der Fachabteilung, zeitliche Verfügbarkeit für eine Operation usw.) beeinflusst sein kann. Danach können die Interessen der Beklagten grundsätzlich durch jede anderweitige Tätigkeit des Klägers als Chirurg an jedem anderen Krankenhaus unabhängig von dessen räumlicher Entfernung gefährdet werden, so dass der Kläger zur Vermeidung der Gefahr einer erneuten Kündigung wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot während des Kündigungsschutzprozesses jede Ausübung seiner bisherigen Berufstätigkeit als Chirurg an einem anderen Krankenhaus hätte unterlassen müssen. Im Hinblick darauf, dass der Kläger zur Aufrechterhaltung seines Lebensstandards und zum Erhalt seiner Fähigkeiten als Chirurg auf eine entsprechend anderweitige Tätigkeit an einem anderen Krankenhaus angewiesen ist, erscheint der mit der Kündigung gemachte Vorwurf eines Wettbewerbsverstoßes im Streitfall jedenfalls als weniger schwerwiegend, zumal der Kläger seine anderweitige Tätigkeit an einem räumlich weit entfernten Krankenhaus ohne jede Schädigungsabsicht aufgenommen hat. Auch bei Annahme einer bestehenden Wettbewerbssituation zwischen den beiden Krankenhäusern ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die dem Kläger vorgeworfene Konkurrenztätigkeit tatsächlich zu bestimmten nachteiligen Auswirkungen auf den Betrieb der Beklagten geführt haben soll. Die Beklagte hat lediglich allgemein auf die von ihr angeführten Überschneidungen im Einzugsbereich der Patienten verwiesen. Sie hat aber selbst nicht behauptet, dass aufgrund der ab Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit des Klägers am Diakonie-Krankenhaus in M.-W. Patienten aus ihrem Einzugsbereich nach Marburg gewechselt oder andere konkrete Auswirkungen festzustellen seien.

77

In Anbetracht der dargestellten besonderen Umstände des vorliegenden Falls erscheint bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine außerordentliche Kündigung (fristlos oder mit Auslauffrist) wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot als nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist der Beklagten eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem ordentlich unkündbaren Kläger bis zu der in § 20 Abs. 4 des Arbeitsvertrags vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar.

78

b) Die außerordentliche Kündigung ist auch nicht wegen der dem Kläger vorgeworfenen Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht gerechtfertigt.

79

Gemäß der zutreffenden Bewertung des Arbeitsgerichts hat der Kläger keine bewusst wahrheitswidrige Erklärung abgegeben, die an sich als wichtiger Kündigungsgrund geeignet ist. Das Arbeitsgericht hat bei der Würdigung der vom Kläger abgegebenen Erklärung zu Recht den Gesamtzusammenhang und die konkrete Gesprächssituation berücksichtigt.

80

Der Kläger hat im Rahmen der vor dem Arbeitsgericht im Kammertermin vom 11. März 2009 geführten Vergleichsgespräche auf die Frage der Vorsitzenden, ob er zur Zeit beruflich etwas mache, sinngemäß geantwortet, dass er vertretungsweise in einem anderen Krankenhaus tätig sei. Diese Erklärung kann gemäß der zutreffenden Bewertung durch das Arbeitsgericht ohne weiteres dahin verstanden werden, dass der Kläger damit zum Ausdruck bringen wollte, dass er nur vorübergehend bei einem anderen Krankenhaus im Sinne einer Übergangslösung tätig sei. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob der Kläger auch gegenüber dem Diakonie-Krankenhaus in M.-W. zum Ausdruck gebracht hat, dass er dort nur vorübergehend tätig sein wolle. Auf die schriftliche Nachfrage der Beklagten vom 17. März 2009 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19. März 2009 erklärt, dass er zur Zeit im Regierungsbezirk Gießen (Hessen) an einem Krankenhaus tätig sei, um seine chirurgischen Fähigkeiten zu erhalten und nicht zuletzt auch im Hinblick auf § 615 Satz 2 BGB. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass danach hinreichende Anhaltspunkte für eine bewusst wahrheitswidrige Erklärung nicht vorliegen.

81

2. Die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 26. März 2009 ist ebenfalls unwirksam.

82

Dies folgt bereits daraus, dass das Arbeitsverhältnis gemäß den obigen Ausführungen nach Ablauf der Probezeit ordentlich nicht mehr kündbar war.

83

Unabhängig davon scheitert auch die hilfsweise ordentliche Kündigung wegen des angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot jedenfalls an der vorzunehmenden Interessenabwägung.

84

Eine ordentliche Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, weitere Störungen zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22 und 23, NZA-RR 2010, 461).

85

Entsprechend den obigen Ausführungen erscheint im Streitfall auch eine ordentliche Kündigung bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht als billigenswerte und angemessene Reaktion der Beklagten. Der Kläger hat sich nach Ausspruch der unwirksamen Kündigungen darauf beschränkt, bei einem räumlich weit entfernten Krankenhaus einer anderweitigen Arbeitstätigkeit nachzugehen, um seine Fähigkeiten als Chirurg zu erhalten und einen entsprechenden Verdienst (§ 615 Satz 2 BGB) zu erzielen. In Anbetracht der oben dargestellten Zwangslage, in der er sich aufgrund der unwirksamen Kündigungen der Beklagten befunden hat, ist auch bei einem unterstellten Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot unter Berücksichtigung von Art und Auswirkung der ihm vorgeworfenen Konkurrenztätigkeit sowie des Grades des Verschuldens die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung jedenfalls bei Abwägung der beiderseitigen Interessen sozial nicht gerechtfertigt.

86

Die hilfsweise ordentliche Kündigung ist auch nicht wegen der dem Kläger vorgeworfenen "Falschaussage" sozial gerechtfertigt. Wie bereits oben ausgeführt, hat der Kläger keine bewusst wahrheitswidrige Erklärung abgegeben, so dass ein verhaltenbedingter Kündigungsgrund i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG nicht angenommen werden kann.

II.

87

Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung vom 26. März 2009 ist auch der Weiterbeschäftigungsantrag zu 2) begründet.

88

Die Beklagte ist gemäß den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Grundsätzen (BAG 24. Februar 1985 - GS 1/84 - NZA 1985, 702) verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospital in A-Stadt zu unveränderten Bedingungen gemäß Dienstvertrag vom 18. April 2005 weiterzubeschäftigen. Im vorliegenden Verfahren hat die Beklagte keine Umstände angeführt, die trotz des Obsiegens des Klägers mit dem Kündigungsschutzantrag zu 1) ein überwiegendes Interesse an dessen Nichtbeschäftigung begründen könnten.

III.

89

Weiterhin stehen dem Kläger auch die mit den Klageanträgen zu 3) bis 6) geltend gemachten Ansprüche auf (Annahmeverzugs-)Vergütung und Rechnungslegung zu.

90

Die Beklagte hat sich nach Ausspruch der Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008, deren Rechtsunwirksamkeit im Vorprozess der Parteien inzwischen rechtskräftig festgestellt worden ist, gemäß §§ 293, 296 BGB in Annahmeverzug befunden. Im Übrigen sind die Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach unstreitig.

91

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

92

Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 02.09.2009 - 6 Ca 650/09 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 26. März 2009 sowie um Ansprüche auf Vergütung und Rechnungslegung.

2

Der Kläger war seit dem 1. Juli 2005 als Chefarzt der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospitals in A-Stadt aufgrund Arbeitsvertrags vom 18. April 2005 (Bl. 38 bis 60 d.A.) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält u.a. folgende Regelungen:

3

"(…)

4

§ 19
Tätigkeit außerhalb der Dienstaufgaben

5

Jede Tätigkeit außerhalb der Dienstaufgaben bedarf der schriftlichen Zustimmung des Krankenhausträgers (Nebentätigkeitserlaubnis).

6

§ 20
Vertragsdauer, Kündigung

7

(1) Der Vertrag tritt am 01.07.2005 in Kraft; er wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.

8

Die ersten 6 Monate der Beschäftigung sind Probezeit.

9

(2) Während der Probezeit kann der Vertrag mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.

10

(3) Nach Ablauf der Probezeit kann der Vertrag fristlos gem. § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden.

11

(4) Der Vertrag endet ohne Kündigung mit Erreichung der in § 19 AVR-Caritas in der jeweils gültigen Fassung festgelegten Altersgrenze oder mit Ablauf des Monats, in welchem dem Arzt der Bescheid über eine vom Rentenversicherungsträger oder von einer anderen Versorgungseinrichtung festgestellte Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zugestellt wird und rechtskräftig ist.

12

(…)"

13

Die Beklagte hatte gegenüber dem Kläger bereits mit Schreiben vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008 jeweils eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen. Das Arbeitsgericht Koblenz hat in dem unter dem Aktenzeichen 6 Ca 1752/08 geführten Vorprozess der Parteien mit Urteil vom 11. März 2009 der gegen diese Kündigungen gerichteten Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Diese Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig (vgl. LAG Rheinland Pfalz 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - und BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 -).

14

Am 17. März 2009 erhielt der Prozessbevollmächtigte des Klägers folgendes Schreiben des damaligen Geschäftsführers der Beklagten, Herrn K. (Bl. 33, 34 d.A.):

15

"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Dr. D.,

16

in Sachen Dr. C. konnte ich heute mit unserem bisherigen Prozessvertreter, Herr RA G. Rücksprache nehmen. Herr RA G. und ich erinnerten uns beide, dass Herr Dr. C. auf Befragen der Vorsitzenden Richterin Dr. M. im Kammertermin letzte Woche sinngemäß geäußert habe, er sei in gewissem Umfang selbständig tätig und/oder operiere gelegentlich bzw. vertretungsweise.

17

Hierzu stelle ich, auf Basis des Dienstvertrages, an dem Ihr Mandant ja unbedingt festhalten will, fest, dass eine solche Tätigkeit außerhalb unseres Krankenhauses auf Basis des Vertrages definitiv nicht zulässig ist. Da mir, außer dieser überlieferten Äußerung zu einem möglichen, massiven weiteren Pflichtenverstoß noch keine verdichteten Informationen vorliegen, gehen wir nun wie folgt vor:

18

Ich setze Ihrem Mandanten hiermit eine Frist von 48 Stunden, zu den folgenden Verdachtsmomenten mir gegenüber schriftlich (Faxübermittlung reicht aus) Stellung zu nehmen. Die Frist beginnt mit der Übermittlung dieses Faxes. Sollte Ihr Mandant, aus welchen Gründen auch immer, an der Beantwortung aus dringenden Gründen verhindert sein, müssen Sie oder Herr Dr. C. dies innerhalb der Frist in der vorgenannten Form mitteilen und begründen. Ich werde in diesem Fall die Frist nochmals verlängern, wenn dies erforderlich ist.

19

Erfolgt keine Stellungnahme oder wird diese verweigert, werden wir weitere Maßnahmen auf Basis der uns dann vorliegenden Informationen durchführen.

20

Nun zu meinen Fragen:

21

1. Welchen ärztlichen Tätigkeiten ist Herr Dr. C. seit Zugang der ersten fristlosen Kündigung am 26.9.2008 nachgegangen ?

22

2. Ist Herr Dr. C. für andere Krankenhäuser seit dem 26.9.2008 ärztlich tätig geworden, insbesondere als Chirurg? Falls ja:

23

- in welchen Krankenhäusern
- in welchem Umfang und
- mit welchen Tätigkeiten ?

24

3. Erfolgte eine ärztliche Tätigkeit in selbständiger, nicht-selbständiger (also angestellter) oder in sonstiger Form ? Falls ja, wurde ein Vertragsverhältnis zu einem anderen Krankenhaus als unserem begründet ?

25

4. Wo und wie ist Herr Dr. C. derzeit, Stand: 17. März 2009 beschäftigt ?

26

Die Antwort ist unmittelbar an mich zu richten, nicht an unsere bisherigen oder die künftig für uns in dieser Sache tätigen Rechtsanwälte."

27

Auf dieses Schreiben antwortete der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 19. März 2009 (Bl. 35 d.A.) wie folgt:

28

"Sehr geehrter Herr K.,

29

Sie unterstellen in Ihrem Schreiben vom 17.03.2009 meinem Mandanten eine Äußerung, die unzutreffend ist. Ich habe daher sofort eine Anfrage an die 2. Kammer des Arbeitsgerichts gerichtet, damit mir dies auch von dort bestätigt wird.

30

Mein Mandant hat auf die Frage der Richterin geantwortet, dass er zurzeit eine Vertretungstätigkeit in einem Krankenhaus mache.

31

Trotz ihrer unzutreffenden Unterstellung erkläre ich hiermit folgendes:

32

Mein Mandant ist zurzeit im Regierungsbezirk Gießen, Hessen, an einem Krankenhaus tätig, um seine chirurgischen Fähigkeiten zu erhalten und nicht zuletzt auch im Hinblick auf § 615 Satz 2 BGB. Seit der ersten Kündigung war er an keinem anderen Krankenhaus tätig, schon gar nicht im Einzugsbereich von A-Stadt, wie Sie wohl unterstellen.

33

Sollten Sie Ihre Unterstellungen weiterhin aufrechterhalten, behalte ich mir eine Unterlassungs- und Widerrufsklage vor."

34

Auf die schriftliche Anfrage des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 18. März 2009 (Bl. 36 d.A.) gab die Vorsitzende der 6. Kammer des Arbeitsgerichts Koblenz folgende Stellungnahme vom 18. März 2009 (Bl. 37 d.A.) ab:

35

"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Dr. D.,

36

nach meiner Erinnerung fragte ich Ihren Mandanten vor dem Hintergrund einer von der Kammer angestrebten vergleichsweisen Erledigung des Verfahrens wie auch der gesetzlichen Regelung des § 615 S. 1 und 2 BGB, ob er zur Zeit beruflich etwas mache. Herr Dr. C. antwortete sinngemäß, dass er vertretungsweise tätig sei. Allerdings meine ich mich erinnern zu können, dass Herr Dr. C. beiläufig das Thema "Erhaltung der operativen Fähigkeiten" erwähnte, nicht ich.

37

Eine Abschrift dieses Schreibens - wie auch Ihrer Anfrage vom 18.03.2009 nebst Anlagen - gestatte ich mir, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu übersenden."

38

Mit Schreiben vom 26. März 2009 (Bl. 32 d.A.) kündigte die Beklagte dem Kläger erneut fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin.

39

In der Zeit vom 1. Februar bis 31. August 2009 war der Kläger als Chefarzt der chirurgischen Abteilung im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. beschäftigt. Das St. N.-Stiftshospital in A-Stadt und das Diakonie-Krankenhaus in M. sind Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Die Entfernung zwischen den beiden Krankenhäusern beträgt 104 km Luftlinie und 151 km auf den Verkehrsstraßen. Die Fahrzeit von M. nach A-Stadt beträgt mit dem Auto mindestens drei Stunden (wegen der von L. bis M. verlaufenden Land- oder Kreisstraßen mit vielen Baustellen) und mit der Bahn mindestens dreieinhalb Stunden (mindestens dreimaliges Umsteigen). Bei der Beklagten werden jährlich ca. 9.000 Patienten behandelt.

40

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung sei rechtsunwirksam, weil es sowohl an ausreichenden Kündigungsgründen als auch an der erforderlichen vorangegangenen Abmahnung fehle. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe er mit seiner Tätigkeit am Diakonie-Krankenhaus in M. nicht gegen das Wettbewerbsverbot während des bestehenden Arbeitsverhältnisses verstoßen. Die Ansicht, dass jegliche anderweitige ärztliche Tätigkeit einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot darstelle, stehe in Widerspruch zu § 615 Satz 2 BGB. Zwischen dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus in A-Stadt und dem Diakonie-Krankenhaus in M. bestehe keine Wettbewerbssituation. Er erinnere sich jedenfalls nicht daran, dass er in seiner Zeit in A-Stadt jemals einen Patienten aus dem Einzugsbereich von M. bzw. von F./F. behandelt habe. Wenn es überhaupt jemals aus der Region M. Patienten im A. Krankenhaus gegeben habe, dann könne es sich hierbei ausschließlich um Patienten der inneren Abteilung handeln, die sich aufgrund der persönlichen Kontakte von Herrn Prof. St. (Chefarzt der inneren Abteilung am Krankenhaus in A-Stadt) nach M., wo dieser viele Jahre als Krankenhausarzt an der Universitätsklinik tätig gewesen sei, in dessen Behandlung begeben hätten. Aber auch umgekehrt habe es keine Konkurrenzsituation gegeben. Jedenfalls sei seit Beginn des Jahres 2009 im Diakonie-Krankenhaus in M. kein einziger Patient aus A-Stadt behandelt worden. Weiterhin sei auch der Vorwurf einer Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht absurd. Da er in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich betont habe, dass es sein Ziel sei, an das Krankenhaus in A-Stadt zurückzukehren, entspreche es der Wahrheit, wenn er geäußert habe, dass er zur Zeit in einem Krankenhaus "vertretungsweise" tätig sei. Er habe auch in M. wiederholt auf die Kündigungsschutzverfahren sowie auf sein Ziel hingewiesen, wieder an das A. Krankenhaus zurückkehren zu können. Er habe wahrheitsgemäß erklärt, dass er über Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit verfüge. Hingegen sei er nicht gefragt worden, um welche vertraglichen Beziehungen es sich handele. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei bereits gemäß § 20 des Dienstvertrages für den Arbeitgeber ausgeschlossen. Aufgrund der Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigungen sei die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für die Zeit vom 26. September 2008 bis 31. Januar 2009 zur Zahlung der geltend gemachten Vergütungsansprüche verpflichtet. Weiterhin habe die Beklagte die begehrte Rechnungslegung hinsichtlich der KV-Abrechnung für die Quartale II/08 und III/08 vorzunehmen.

41

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

42

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sowohl durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 26.03.2009 als auch durch die zugleich hilfsweise zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden ist,

43

die Beklagte zu verurteilen, ihn als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospital in A-Stadt zu unveränderten Bedingungen gem. Dienstvertrag vom 18.04.2005 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen,

44

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 38.194,44 EUR brutto als Dienstvergütung gem. § 8 Abs. 1 DV abzüglich 8.816,40 EUR netto zu zahlen,

45

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.002,81 EUR netto als Dienstvergütung aus liquidationsberechtigter Tätigkeit gem. § 8 Abs. 2 DV zu zahlen,

46

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.481,98 EUR brutto aus liquidationsberechtigter Tätigkeit im Bereich der Privatambulanz zu zahlen,

47

die Beklagte zu verurteilen, über die Abrechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz für die Quartale II/08 und III/08 Rechnung zu legen.

48

Die Beklagte hat beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Sie hat erwidert, die Kündigung sei wegen der unerlaubten Wettbewerbstätigkeit sowie aufgrund der Falschaussage des Klägers im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht im ersten Kündigungsschutzprozess gerechtfertigt. Der Kläger habe mit seiner Anfang Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit als Chefarzt der chirurgischen Abteilung im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. gegen das für die Dauer des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses bestehende Wettbewerbs verstoßen. Entgegen der Ansicht des Klägers sei eine Wettbewerbssituation zwischen ihrem Krankenhaus in A-Stadt und dem Diakonie-Krankenhaus in M. gegeben. Die räumliche Distanz zwischen den beiden Krankenhäusern beziehe insbesondere Patienten ein, die räumlich zwischen den beiden Krankenhäusern leben würden, hier insbesondere in der Region Hoher Westerwald. Zum Beispiel könne man von den Ortschaften im Postleitzahlenbezirk 57500 bis 57589 beide Krankenhäuser in fast gleicher Zeit per Auto erreichen. Die bestehende Wettbewerbssituation lasse sich dadurch beweisen, dass Kunden bzw. Patienten zwischen den beiden Wettbewerbern aussuchen könnten und dies auch tun würden, wie dies in Bezug auf Patienten aus dem Einzugsbereich des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. der Fall sei. Aus den genannten Postleitzahlenbezirken 57500-57589, unter anderem aus F., seien 11 Patienten im Jahr 2007, 22 Patienten im Jahr 2008 und 6 Patienten in der Zeit von Januar bis Mai 2009 gekommen. Aber auch aus dem unmittelbaren Umfeld des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. würden Patienten zu ihr kommen, so dass an dem Bestehen einer Wettbewerbssituation keine Zweifel bestehen könnten. Aus dem Bereich M., Postleitzahlengebiet 35041-35288, seien zu ihr im Jahr 2007 10 Patienten, im Jahr 2008 22 Patienten und in der Zeit von Januar bis Mai 2009 12 Patienten gekommen. Die unerlaubte Wettbewerbstätigkeit des Klägers habe ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht. Zum einen sei der Kläger in einem Krankenhaus in ihrem Einzugsgebiet tätig geworden und habe damit eine unmittelbare Konkurrenztätigkeit eröffnet. Es sei zu befürchten, dass Patienten nun dem A. Klinikum den Rücken kehren würden, um in M.-W. vom Kläger behandelt zu werden oder sich als Erstpatienten für das Diakonie-Krankenhaus anstatt für ihr Krankenhaus zu entscheiden. Zum anderen habe sich der Kläger im Rahmen der "Ermittlungen" zu seiner Wettbewerbstätigkeit durch die Verweigerung der Beantwortung berechtigter Fragen sowie durch die Androhung von Gegenmaßnahmen derart unkooperativ gezeigt, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich sei. Als besonderen Vertrauensbruch werte sie die objektive Falschaussage im Termin am 11. März 2009, in dem der Kläger auf Befragen der Vorsitzenden wahrheitswidrig geäußert habe, er sei nur vertretungsweise an einem anderen Krankenhaus tätig, während er in Wahrheit offiziell als amtierender Chefarzt dort tätig sei. Beides sei bereits vom Wortlaut her nicht miteinander vergleichbar. Durch seine Aussage habe der Kläger nicht nur das Gericht getäuscht, sondern vor allem sie selbst. Mit der Täuschung habe der Kläger versucht, von der verbotswidrigen Wettbewerbstätigkeit abzulenken, um damit seine Position zu verbessern. Damit sei das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien endgültig zerstört. Die beharrliche Fortsetzung der Wettbewerbstätigkeit und damit einhergehende Leugnung einer Wettbewerbssituation zeige, dass der Ausspruch einer Abmahnung anstelle der Kündigung keine Verhaltensänderung des Klägers gebracht hätte. Der Ausspruch einer Abmahnung wäre auch unzumutbar gewesen, weil sie den Kläger dann zunächst hätte weiterbeschäftigen müssen. Ein Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts ergebe sich aus dem Dienstvertrag nicht. Vielmehr werde lediglich klargestellt, dass auch nach Ablauf der Probezeit beim Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung keine Kündigungsfrist einzuhalten sei.

51

Mit Urteil vom 2. September 2009 - 6 Ca 650/09 - hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 26. März 2009 nicht aufgelöst worden sei und dem Kläger die geltend gemachten Zahlungsansprüche sowie der Rechnungslegungsanspruch zustünden. Die fristlose Kündigung vom 26. März 2009 sei nicht wegen des behaupteten Wettbewerbsverstoßes gerechtfertigt. Auch bei einer unterstellten Konkurrenztätigkeit hätte die Beklagte zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor Ausspruch der Kündigung dem Kläger zunächst eine Abmahnung erteilen müssen. Für den Kläger sei nur schwer erkennbar gewesen, dass seine Tätigkeit in dem 150 km entfernten Diakonie-Krankenhaus eine Konkurrenztätigkeit darstellen solle, die er auch nach Ausspruch von drei Kündigungen nicht habe ausüben dürfen. Vorliegend sei als Besonderheit zu berücksichtigen, dass sich der Kläger in einem Kündigungsschutzprozess befunden habe. Erst nach Ausspruch einer Abmahnung wäre für den Kläger deutlich erkennbar gewesen, dass die Beklagte seine Tätigkeit beim Diakonie-Krankenhaus als kündigungsrelevanten Sachverhalt einstufe. Dem Kläger wäre so die Möglichkeit geblieben, sein Verhalten zu ändern, indem er seine Tätigkeit beim Diakonie-Krankenhaus aufgegeben hätte. Dem widerspreche auch nicht der Umstand, dass der Kläger nach Erhalt der streitgegenständlichen Kündigung wegen behaupteten Wettbewerbsverstoßes sein Arbeitsverhältnis mit dem Diakonie-Krankenhaus zunächst fortgesetzt habe. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt sei der Zugang der streitgegenständlichen Kündigung, bis zu dem die Beklagte dem Kläger keine Abmahnung erteilt habe. Unabhängig davon führe die vorzunehmende Interessenabwägung zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung. Hinsichtlich des Grades der Vorwerfbarkeit sei zu berücksichtigen, dass schon die Frage eines objektiven Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot kontrovers diskutiert werden könne. Der Kläger habe sich nicht selbständig gemacht, sondern seine Tätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt, bei dem es ihm ersichtlich um eine Übergangslösung gegangen sei, um den Zeitraum der Ungewissheit bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung zu überbrücken. In zeitlicher Hinsicht habe der Kläger seine Tätigkeit im Diakonie-Krankenhaus erst vier Monate nach der ersten fristlosen Kündigung aufgenommen. Darüber hinaus habe die Beklagte auch zu konkreten Auswirkungen der Konkurrenztätigkeit des Klägers auf ihre eigene Tätigkeit nichts vorgetragen. Die von der Beklagten angeführten Patientenzahlen aus dem Einzugsgebiet des Diakonie-Krankenhauses in M., die bei ihr pro Jahr behandelt worden seien, würden sich im unteren Promillebereich bewegen. Die Beklagte habe auch selbst nicht behauptet, dass aufgrund der Tätigkeit des Klägers ab Februar 2009 im Diakonie-Krankenhaus in M. Patienten aus ihrem Einzugsbereich nach M. gewechselt seien. Der Kläger habe im vorliegenden Verfahren stets zum Ausdruck gebracht, dass er weiter bei der Beklagten arbeiten wolle, so dass sich die Arbeitsaufnahme bei dem Diakonie-Krankenhaus in M. offensichtlich als eine Übergangslösung darstelle, die von der Beklagten auch nur so habe verstanden werden können. Letztlich könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger nachhaltig gehalten sei, seine Tätigkeit zum Erhalt seiner chirurgischen Fähigkeiten tatsächlich auszuüben. Auch unter Berücksichtigung der besonderen Konfliktsituation, in der sich der Kläger nach Ausspruch der ersten fristlosen Kündigungen im Hinblick auf die erforderliche Sicherung seines Lebensstandards befunden habe, überwiege das Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse der Beklagten an einer sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Soweit die Beklagte die fristlose Kündigung auf eine Falschaussage des Klägers im Kammertermin vom 11. März 2009 gestützt habe, fehle es bereits an einem wichtigen Grund. Eine bewusst wahrheitswidrige Erklärung des Klägers sei nicht zu erkennen. Bei der Auslegung seiner Erklärung sei insbesondere der Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen. Danach könne seine Äußerung, dass er "vertretungsweise" in einem anderen Krankenhaus tätig sei, vom objektiven Empfängerhorizont nur so verstanden werden, dass er damit zum Ausdruck habe bringen wollen, nur vorübergehend woanders tätig zu sein. Der Begriff "vertretungsweise" bringe umgangssprachlich auch zum Ausdruck, lediglich vorübergehend im Sinne einer Übergangslösung tätig zu sein. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und der Gesprächssituation im Kammertermin vom 11. März 2009 lägen keine Anhaltspunkte für einen bewusst wahrheitswidrigen Vortrag des Klägers vor. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei aus den Gründen, die zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung führen würden, ebenfalls unwirksam. Nach der auch bei der ordentlichen Kündigung vorzunehmenden Interessenabwägung würde das Fortführungsinteresse des Klägers gegenüber dem Auflösungsinteresse der Beklagten überwiegen. Weiterhin habe der Kläger während der Dauer des Rechtsstreits einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Da der Kläger ein die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 26. März 2009 feststellendes Urteil erstritten habe, könne die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers nicht begründen. Vielmehr müssten zusätzliche Umstände hinzukommen, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergebe, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen. Solche Umstände habe die Beklagte nicht vorgetragen. Zudem stünden dem Kläger die mit den Anträgen zu 3) bis 6) geltend gemachten Ansprüche zu, die dem Grunde und der Höhe nach unstreitig seien.

52

Gegen das ihr am 5. November 2009 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 18. November 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 19. November 2009 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, sowie ergänzend mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

53

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe unzutreffend im Hinblick auf das vorgetragene Zahlenmaterial eine mögliche Gefährdung des Arbeitgebers aufgrund des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot in Zweifel gezogen. Denn sie habe die konkreten Daten zu Patienten, die sich räumlich sowohl in Richtung des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. als auch in Richtung ihres Krankenhauses in A-Stadt orientieren könnten, nur beispielhaft anhand einzelner Ortschaften vorgelegt und nachgewiesen. Damit sei aber die absolute Anzahl der Patienten, die sowohl in die eine wie auch die andere Richtung gehen könnten, völlig offen. Deshalb verbiete sich auch jeglicher Rückschluss auf eine Relation zur absoluten Anzahl der Patienten von ca. 9.000 jährlich. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die Kündigung nicht mangels vorheriger Abmahnung unwirksam. Zwar könne in der Tat ohne nähere Berücksichtigung der Umstände nicht festgestellt werden, dass dem Kläger die Relevanz der Marktsituation klar gewesen sei. Dies spiele aber für den objektiven Pflichtverstoß keine Rolle. Entscheidend sei vielmehr, dass die Marktposition des Arbeitgebers objektiv nicht verletzt und noch nicht einmal gefährdet werden dürfe. Ob der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung bewusst oder gar mit Schädigungsabsicht begangen habe, sei nicht entscheidend. Dies könne allenfalls im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Relevanz erlangen. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass der Kläger arbeitsrechtlich beraten und vertreten sei. Sein Prozessbevollmächtigter habe ihn darauf hinweisen müssen, dass die Aufnahme der Arbeit im Diakonie-Krankenhaus einen Pflichtverstoß begründen und die Gefahr einer Kündigung wegen eines Wettbewerbsverstoßes beinhalten könnte. Jedenfalls sei dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten aufgrund ihres Anhörungsschreibens vom 17. März 2009 klar gewesen, dass die Tätigkeit des Klägers für ein anderes Krankenhaus arbeitsrechtlich ein nicht unerhebliches Problem begründen würde. Materiell handele es sich dabei um eine vorsorgliche Abmahnung. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts habe der Kläger hieraus allerdings keineswegs die Konsequenz gezogen, das ab dem 1. Februar begründete Arbeitsverhältnis mit dem Diakonie-Krankenhaus alsbald zu beenden. Denn der Kläger habe verschwiegen, dass nicht er durch seine Kündigung das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet habe, sondern eine zuvor vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung, die das Diakonie-Krankenhaus zum Ende der Probezeit Ende Juli 2009 zum 31. August 2009 ausgesprochen habe. Entgegen der Darstellung des Klägers habe dieser bei den beiden Einstellungsgesprächen mit dem Geschäftsführer des Diakonie-Krankenhauses, Herrn Dr. G., nicht offengelegt, dass er das Arbeitsverhältnis alsbald wieder beenden wolle, um zu seinem Arbeitgeber nach A-Stadt zurückzukehren. Vielmehr wäre er in diesem Fall gar nicht eingestellt worden, weil nach den Angaben des Herrn Dr. G. nur eine langfristige Besetzung der Chefarztstelle sinnvoll und beabsichtigt gewesen sei. Die vom Arbeitsgericht zugunsten des Klägers aufgestellte Prognose, wonach dieser nach einer Abmahnung das neu begründete Arbeitsverhältnis ja hätte kündigen können, habe sich gerade nicht bestätigt. Der Kläger habe weder nach dem Anhörungsschreiben vom 17. März 2009 noch nach der fristlosen Kündigung vom 26. März 2009 sein Arbeitsverhältnis gekündigt, sondern stattdessen im Diakonie-Krankenhaus so lange wie möglich weitergearbeitet. Auf der zweiten Prüfungsstufe habe das Arbeitsgericht zu Unrecht verschiedene Punkte einseitig zugunsten des Klägers gewertet. In Bezug auf den Grad der Vorwerfbarkeit des Pflichtverstoßes sei zu berücksichtigen, dass es für den Kläger selbst jedenfalls erkennbar gewesen sei, dass Patienten aus dem zwischen den beiden Krankenhäusern gelegenen Territorium sowohl zu seinem neuen Arbeitgeber wie auch zu ihr kommen könnten. Weiterhin müsse sich der Kläger eine unterlassene Belehrung durch seinen Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Soweit der Kläger die Wettbewerbstätigkeit erst vier Monate nach der ersten fristlosen Kündigung aufgenommen habe, beseitige dies den späteren und nachhaltigen Pflichtverstoß nicht. Diesbezüglich habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass der Kläger sich im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. jedenfalls vor dem 1. Februar beworben und damit die Konkurrenztätigkeit konkret in Angriff genommen habe. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht zugunsten des Klägers unterstellt, dass sie keinen konkreten Schaden nachgewiesen habe und sich die tatsächlichen Patientenzahlen im unteren Promillebereich bewegen würden. Die absolute Anzahl der Patienten, die anstatt zu ihr nach M.-W. gegangen seien, könne zum einen nicht aufgeklärt werden und sei zum anderen für den Pflichtverstoß gerade nicht entscheidend. Mangels entsprechender Darlegungs- und Beweislast könne aus ihrem fehlenden konkreten Vortrag zur absoluten Anzahl der abgeworbenen Patienten oder der Patienten, die sich zwischen beiden Krankenhäusern entscheiden könnten, keine Rückschlüsse zugunsten des Klägers gezogen werden. Soweit das Arbeitsgericht darauf verwiesen habe, dass der Kläger zum Erhalt seiner Fähigkeiten als Chirurg gehalten sei, seine Tätigkeiten tatsächlich auszuüben, berechtige ihn dies jedoch nicht, zu ihr in Wettbewerb zu treten. Im Bezug auf die Falschaussage des Klägers habe das Arbeitsgericht die objektive Äußerung des Klägers, dass er im Diakonie-Krankenhaus "vertretungsweise" tätig sei, dahingehend interpretiert, dass vertretungsweise auch als vorübergehend verstanden werden könnte. Die Aussage stimme nicht mit den objektiven Fakten überein, die der Kläger in M.-W. im Diakonie-Krankenhaus kommuniziert habe. Sie habe auch nicht seinem dort abgeschlossenen Vertrag entsprochen. Der Weiterbeschäftigungsantrag sei unbegründet, weil die Kündigungen wirksam seien. Die Zahlungsansprüche seien ebenfalls unbegründet, weil sie sich nicht in Annahmeverzug befunden haben.

54

Die Beklagte beantragt,

55

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 2. September 2009 - 6 Ca 650/09 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

56

Der Kläger beantragt,

57

die Berufung zurückzuweisen.

58

Er erwidert, zwischen den beiden Krankenhäusern bestehe bereits aufgrund der räumlichen Entfernung und den Fahrzeiten zwischen beiden Orten keine Wettbewerbssituation, so dass ihm auch keine unerlaubte Wettbewerbstätigkeit vorgeworfen werden könne. Die Beklagte habe es trotz wiederholter Aufforderungen abgelehnt, eine Liste der behaupteten Patienten mit einer Angabe darüber vorzulegen, in welcher Abteilung sie behandelt worden seien. Bei Vorlage einer solchen Liste würde damit belegt werden, dass die behaupteten Patienten ausschließlich auf der inneren Abteilung behandelt würden. Damit scheide von vornherein jegliche Wettbewerbssituation im Bereich der Chirurgie aus. Auch umgekehrt sei im gesamten Jahr 2009 kein einziger Patient aus A-Stadt im Diakonie-Krankenhaus M. behandelt worden. Wenn die von der Beklagten behauptete Wettbewerbssituation bestehen würde, dann müsste gleiches gelten z.B. für Krankenhäuser zwischen Kiel und München, weil es auch dann im Einzelfall vorkommen könne, dass Patienten eine Krankenhausbehandlung jeweils am anderen Ende Deutschlands aus bestimmten Gründen in Anspruch nehmen würden. Damit wäre aber zugleich jede Tätigkeit im stationären Bereich während eines langjährigen Kündigungsschutzprozesses unmöglich, was jedoch von der Rechtsprechung abgelehnt werde. Das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass in jedem Fall zuvor eine Abmahnung hätte ausgesprochen werden müssen. Das Schreiben der Beklagten vom 17. März 2009 könne nicht als Abmahnungsschreiben interpretiert werden. Entgegen der Darstellung der Beklagten hätten Einstellungsgespräche im eigentlichen Sinne zwischen ihm und Herrn Dr. G. nicht stattgefunden. Bei dem ersten Vorstellungsgespräch sei Herr Dr. G. nicht anwesend gewesen. Der ärztliche Direktor, Herr Dr. Gl., habe ihm bei dieser Vorstellung auf seine Vorgeschichte angesprochen, woraufhin er berichtet habe, dass ihm mehrfach fristlos gekündigt worden sei. Weiterhin habe er darauf hingewiesen, dass er sich gegen diese Kündigungen zur Wehr setze und Kündigungsschutzklage mit dem Ziel erhoben habe, in A-Stadt zu bleiben. Herrn Dr. G. habe er erst einige Wochen später kennengelernt, wobei dieser ihm mitgeteilt habe, dass man sich auf seine Einstellung geeinigt habe, man könne sich ja immer ohne Probleme während der Probezeit voneinander trennen. In diesem Gespräch sei es also nicht darum gegangen, ob er überhaupt eingestellt werden solle oder nicht, vielmehr sei ihm von Herrn Dr. G. bereits definitiv die Einstellung mitgeteilt worden. Soweit er danach noch mit Herrn Dr. G. gesprochen habe, sei es lediglich um den Inhalt des Dienstvertrages gegangen. Die Beklagte habe nicht einmal schlüssig den behaupteten Schaden vorgetragen, sondern lediglich abstrakt einige wenige Patientenzahlen ohne nähere Einzelheiten genannt. Auch der Vorwurf der Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 sei abwegig. Hätte er auf die Frage der Richterin erklärt, dass er eine Stelle als Chefarzt in einem anderen Krankenhaus übernommen habe, so wäre dies von der Beklagten sofort als Abkehrwille interpretiert und eine Kündigung ausgesprochen worden. Für die Beantwortung der Frage sei es daher ausreichend gewesen, dass er angegeben habe, seit dem 1. Februar 2009 in einem anderen Krankenhaus zu arbeiten, wobei er hierfür von einer Vertretungstätigkeit gesprochen habe. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung sei schon deshalb rechtsunwirksam, weil in seinem Dienstvertrag die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung vertragsmäßig ausgeschlossen sei. Insoweit nehme er Bezug auf den auszugsweise vorgelegten Schriftsatz vom 28. Oktober 2009 im Verfahren 3 Sa 474/09 (Bl. 267 bis 269 d.A.).

59

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

60

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage vollumfänglich stattgegeben.

A.

61

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung ist zulässig.

62

Sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt sowie begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

63

Entgegen der Ansicht des Klägers entspricht die Berufungsbegründung auch in Bezug auf die hilfsweise ordentliche Kündigung, den Weiterbeschäftigungsantrag und die Annahmeverzugsansprüche den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Das Arbeitsgericht hat die Unwirksamkeit der hilfsweise ordentlichen Kündigung darauf gestützt, dass die Gründe, die zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung führten, auch die Entscheidung über die Unwirksamkeit der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung tragen würden. Ob die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung bereits vertraglich nach § 20 Abs. 3 des Dienstvertrages ausgeschlossen ist, hat das Arbeitsgericht ausdrücklich dahinstehen lassen. Dementsprechend durfte die Beklagte darauf verweisen, dass ihre Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung sinngemäß für die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur hilfsweise ordentlichen Kündigung gelten sollen. Entgegen der Ansicht des Klägers liegt auch in Bezug auf den Weiterbeschäftigungsantrag und die Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug eine ausreichende Berufungsbegründung vor. Mit ihrem ergänzenden Schriftsatz vom 23. Dezember 2009 hat die Beklagte innerhalb der Berufungsbegründungsfrist ausgeführt, dass der Weiterbeschäftigungsantrag aufgrund der Wirksamkeit der Kündigungen unbegründet sei und die Zahlungsansprüche ebenfalls unbegründet seien, weil sie sich aufgrund der vorangegangenen Kündigungen, die Gegenstand des vorgreiflichen Vorprozesses der Parteien seien, nicht in Annahmeverzug befunden habe. Im Hinblick darauf, dass diese weiteren Anträge jeweils auf der Unwirksamkeit der vorangegangenen Kündigungen aufbauen und der Vorprozess der Parteien damals noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, genügt die (ergänzende) Berufungsbegründung den nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu stellenden Anforderungen.

B.

64

Die hiernach zulässige Berufung der Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg.

65

Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage vollumfänglich stattgegeben.

I.

66

Der Kündigungsschutzantrag zu 1) ist begründet.

67

1. Die außerordentliche Kündigung vom 26. März 2009 ist unwirksam, weil die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht erfüllt sind.

68

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Prüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Ist dies der Fall, bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bzw. bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., vgl. BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 18, NZA-RR 2010, 461).

69

Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung wegen des angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot jedenfalls an der vorzunehmenden Interessenabwägung scheitert und in Bezug auf die dem Kläger vorgeworfene "Falschaussage" bereits kein Sachverhalt erkannt werden kann, der an sich als wichtiger Kündigungsgrund geeignet ist.

70

a) Die fristlose Kündigung ist nicht wegen des von der Beklagten angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot während des (fort-)bestehenden Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt.

71

aa) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt. Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen. Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen. Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Deshalb darf ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch nach Ausspruch einer von ihm gerichtlich angegriffenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, wenn die Kündigung sich später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22 und 23, NZA-RR 2010, 461). Bei der Bestimmung der Reichweite des Wettbewerbsverbots muss allerdings die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers Berücksichtigung finden. Daher ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob nach Art der Haupt- und Nebentätigkeit und der beteiligten Unternehmen überhaupt eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers vorliegt (BAG 24. März 2010 - 10 AZR 66/09 - NZA 2010, 693).

72

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann im Streitfall zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Tätigkeit des Klägers am Diakonie-Krankenhaus in M.-W. nach der Art der beiden Unternehmen (Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung) ungeachtet ihrer räumlich weiten Entfernung (Verkehrsverbindungen von ca. 150 km) schutzwürdige Interessen der Beklagten gefährdet hat und das Wettbewerbsverbot in dem von der Beklagten unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnis der vom Kläger aufgenommenen anderweitigen Arbeitstätigkeit entgegenstand. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger mit der von ihm - nach Ausspruch der unwirksamen Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008 - beim Diakonie-Krankenhaus in M.-W. zum 1. Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit als Chefarzt der chirurgischen Abteilung gegen das Wettbewerbsverbot während des (fort-)bestehenden Arbeitsverhältnisses verstoßen hat, ist die außerordentliche Kündigung gleichwohl nach der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht gerechtfertigt.

73

Der Beklagten kann unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falls und unter Abwägung der Interessen beider Parteien die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem nach § 20 Abs. 3 des Arbeitsvertrages ordentlich unkündbaren Kläger sowohl bis zum Ablauf der in § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB bestimmten Kündigungsfrist als auch darüber hinaus bis zu der in § 20 Abs. 4 des Arbeitsvertrags vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden, so dass die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos noch mit einer der Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist beendet hat.

74

Die Parteien haben in § 20 des Arbeitsvertrags die Möglichkeit zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen. Das ergibt die Auslegung der in § 20 des Arbeitsvertrags getroffenen Regelungen. Der Kläger hat unter Bezugnahme auf seinen Schriftsatz vom 28. Oktober 2009 in dem unter dem Aktenzeichen 3 Sa 474/09 vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz geführten Vorprozess der Parteien unwidersprochen vorgetragen, dass der ihm ursprünglich überreichte Entwurf des Dienstvertrages in § 20 aufgrund der zwischen ihm und dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten geführten Verhandlungen geändert worden sei. Im ursprünglichen Vertragsentwurf war geregelt, dass der Vertrag nach Ablauf der Probezeit von beiden Parteien mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahrs gekündigt werden kann (§ 20 Abs. 3 des Entwurfs) und das Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrags nach § 626 BGB aus wichtigem Grund unberührt bleibt (§ 20 Abs. 4 des Entwurfs). Anstelle dieser Regelungen in § 20 Abs. 3 und 4 des ursprünglichen Entwurfs wurde nach den geführten Vertragsverhandlungen in die endgültige Fassung des Dienstvertrags ein neuer Absatz 3 aufgenommen, nach dem der Vertrag nach Ablauf der Probezeit fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass diese Änderung des Vertragstextes für ihn eine wesentliche Voraussetzung gewesen sei, die Stelle in A-Stadt anzutreten, weil er nicht einfach jederzeit kündbar habe sein wollen, wenn er mit seiner gesamten Familie nach A-Stadt ziehe. Im Hinblick darauf, dass der ursprüngliche Vertragsentwurf unstreitig aus diesen Gründen im Rahmen der zwischen den Parteien geführten Vertragsverhandlungen einvernehmlich geändert worden ist, kann die in § 20 Abs. 3 des Dienstvertrags vereinbarte Regelung nur so verstanden werden, dass der Vertrag nach Ablauf der Probezeit nur noch fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund kündbar sein sollte und im Übrigen erst nach § 20 Abs. 4 des Dienstvertrages mit der festgelegten Altersgrenze bzw. im Falle einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit endet. Die Auslegung der in § 20 des Dienstvertrags getroffenen Regelungen ergibt mithin, dass die Parteien die ordentliche Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach Ablauf der Probezeit vertraglich ausgeschlossen haben und das Arbeitsverhältnis gemäß § 20 Abs. 4 des Dienstvertrages erst mit Erreichung der festgelegten Altersgrenze bzw. im Falle der geregelten Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit endet (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - Rn. 106 und 107, [juris]).

75

Auch wenn man im Streitfall von einem Verstoß des Klägers gegen das Wettbewerbsverbot ausgeht, der als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist, kann der Beklagten gleichwohl bei Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem ordentlich unkündbaren Kläger bis zu der in § 20 Abs. 4 vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden. Zwar verletzt der Arbeitnehmer seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich, wenn er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit ausübt. Unter Berücksichtigung von Art und Auswirkung der Konkurrenztätigkeit sowie des Grades des Schuldvorwurfs überwiegen aber im Streitfall die Interessen des Klägers an einer Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Beendigungsinteresse der Beklagten.

76

Der Kläger hat sich nach Ausspruch der Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008, deren Rechtsunwirksamkeit inzwischen im Vorprozess der Parteien rechtskräftig festgestellt worden ist, darauf beschränkt, seine Arbeitskraft durch Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses bei einem anderen Krankenhaus ab 1. Februar 2009 zu verwerten, um seinen Lebensstandard durch Erzielung eines entsprechenden Verdienstes aufrechtzuerhalten und seine Fähigkeiten als Chirurg zu erhalten. Die vom Kläger aufgenommene (Konkurrenz-)Tätigkeit ist erst durch die unwirksamen Kündigungen der Beklagten ausgelöst worden, ohne die für den Kläger keine Veranlassung zur Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit als Chirurg bestanden hätte. Bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die Wirksamkeit der vorangegangenen Kündigungen waren beide Parteien im Ungewissen darüber, wie die materielle Rechtslage beurteilt werden wird. Dadurch ist für den Kläger eine Zwangslage entstanden. Zur Vermeidung einer weiteren Kündigung müsste er sich einerseits jeglicher Tätigkeit enthalten, die als Wettbewerbsverstoß aufgrund des möglicherweise noch fortbestehenden Vertrages gewertet werden könnte. Andererseits wäre er für den Fall der Wirksamkeit der Kündigung an der dann möglichen anderweitigen Sicherung seines Lebensstandards gehindert (vgl. hierzu BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - Rn. 51, NZA 1992, 212). Die aus § 615 Satz 2 BGB herzuleitenden Interessen des Arbeitnehmers an der anderweitigen Verwendung seiner Arbeitskraft sind für die Beurteilung erheblich, ob und mit welchem Gewicht ihm die Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen vorwerfbar ist. Wenn der Arbeitnehmer am gekündigten Arbeitsverhältnis festhalten will, geht es ihm mit der Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen zur Verwertung seiner Arbeitskraft ersichtlich nur um eine Übergangslösung, die der Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber nicht entgegensteht und für diesen keine anhaltende Konkurrenz bedeutet (BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - Rn. 65, NZA 1992, 212). Dabei ist im Streitfall unerheblich, ob und inwieweit der Kläger gegenüber Vertretern des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. zum Ausdruck gebracht hat, dass er an seinem gekündigten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten festhalten und zu dieser möglichst wieder zurückkehren will. Der Kläger hat die ihm vorgeworfene Konkurrenztätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei einem räumlich weit von der Beklagten entfernten Krankenhaus aufgenommen. Sowohl das von der Beklagten in A-Stadt betriebene Krankenhaus als auch das Diakonie-Krankenhaus in M.-W. sind Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Die Beklagte hat zwar zutreffend darauf verwiesen, dass die Wahl des einen oder anderen Krankenhauses nicht zwingend von der räumlichen Entfernung abhängt, sondern durchaus auch von anderen Faktoren (wie z.B. verfügbare Leistungen des Krankenhauses, Ruf des Krankenhauses oder der Fachabteilung, zeitliche Verfügbarkeit für eine Operation usw.) beeinflusst sein kann. Danach können die Interessen der Beklagten grundsätzlich durch jede anderweitige Tätigkeit des Klägers als Chirurg an jedem anderen Krankenhaus unabhängig von dessen räumlicher Entfernung gefährdet werden, so dass der Kläger zur Vermeidung der Gefahr einer erneuten Kündigung wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot während des Kündigungsschutzprozesses jede Ausübung seiner bisherigen Berufstätigkeit als Chirurg an einem anderen Krankenhaus hätte unterlassen müssen. Im Hinblick darauf, dass der Kläger zur Aufrechterhaltung seines Lebensstandards und zum Erhalt seiner Fähigkeiten als Chirurg auf eine entsprechend anderweitige Tätigkeit an einem anderen Krankenhaus angewiesen ist, erscheint der mit der Kündigung gemachte Vorwurf eines Wettbewerbsverstoßes im Streitfall jedenfalls als weniger schwerwiegend, zumal der Kläger seine anderweitige Tätigkeit an einem räumlich weit entfernten Krankenhaus ohne jede Schädigungsabsicht aufgenommen hat. Auch bei Annahme einer bestehenden Wettbewerbssituation zwischen den beiden Krankenhäusern ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die dem Kläger vorgeworfene Konkurrenztätigkeit tatsächlich zu bestimmten nachteiligen Auswirkungen auf den Betrieb der Beklagten geführt haben soll. Die Beklagte hat lediglich allgemein auf die von ihr angeführten Überschneidungen im Einzugsbereich der Patienten verwiesen. Sie hat aber selbst nicht behauptet, dass aufgrund der ab Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit des Klägers am Diakonie-Krankenhaus in M.-W. Patienten aus ihrem Einzugsbereich nach Marburg gewechselt oder andere konkrete Auswirkungen festzustellen seien.

77

In Anbetracht der dargestellten besonderen Umstände des vorliegenden Falls erscheint bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine außerordentliche Kündigung (fristlos oder mit Auslauffrist) wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot als nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist der Beklagten eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem ordentlich unkündbaren Kläger bis zu der in § 20 Abs. 4 des Arbeitsvertrags vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar.

78

b) Die außerordentliche Kündigung ist auch nicht wegen der dem Kläger vorgeworfenen Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht gerechtfertigt.

79

Gemäß der zutreffenden Bewertung des Arbeitsgerichts hat der Kläger keine bewusst wahrheitswidrige Erklärung abgegeben, die an sich als wichtiger Kündigungsgrund geeignet ist. Das Arbeitsgericht hat bei der Würdigung der vom Kläger abgegebenen Erklärung zu Recht den Gesamtzusammenhang und die konkrete Gesprächssituation berücksichtigt.

80

Der Kläger hat im Rahmen der vor dem Arbeitsgericht im Kammertermin vom 11. März 2009 geführten Vergleichsgespräche auf die Frage der Vorsitzenden, ob er zur Zeit beruflich etwas mache, sinngemäß geantwortet, dass er vertretungsweise in einem anderen Krankenhaus tätig sei. Diese Erklärung kann gemäß der zutreffenden Bewertung durch das Arbeitsgericht ohne weiteres dahin verstanden werden, dass der Kläger damit zum Ausdruck bringen wollte, dass er nur vorübergehend bei einem anderen Krankenhaus im Sinne einer Übergangslösung tätig sei. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob der Kläger auch gegenüber dem Diakonie-Krankenhaus in M.-W. zum Ausdruck gebracht hat, dass er dort nur vorübergehend tätig sein wolle. Auf die schriftliche Nachfrage der Beklagten vom 17. März 2009 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19. März 2009 erklärt, dass er zur Zeit im Regierungsbezirk Gießen (Hessen) an einem Krankenhaus tätig sei, um seine chirurgischen Fähigkeiten zu erhalten und nicht zuletzt auch im Hinblick auf § 615 Satz 2 BGB. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass danach hinreichende Anhaltspunkte für eine bewusst wahrheitswidrige Erklärung nicht vorliegen.

81

2. Die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 26. März 2009 ist ebenfalls unwirksam.

82

Dies folgt bereits daraus, dass das Arbeitsverhältnis gemäß den obigen Ausführungen nach Ablauf der Probezeit ordentlich nicht mehr kündbar war.

83

Unabhängig davon scheitert auch die hilfsweise ordentliche Kündigung wegen des angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot jedenfalls an der vorzunehmenden Interessenabwägung.

84

Eine ordentliche Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, weitere Störungen zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22 und 23, NZA-RR 2010, 461).

85

Entsprechend den obigen Ausführungen erscheint im Streitfall auch eine ordentliche Kündigung bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht als billigenswerte und angemessene Reaktion der Beklagten. Der Kläger hat sich nach Ausspruch der unwirksamen Kündigungen darauf beschränkt, bei einem räumlich weit entfernten Krankenhaus einer anderweitigen Arbeitstätigkeit nachzugehen, um seine Fähigkeiten als Chirurg zu erhalten und einen entsprechenden Verdienst (§ 615 Satz 2 BGB) zu erzielen. In Anbetracht der oben dargestellten Zwangslage, in der er sich aufgrund der unwirksamen Kündigungen der Beklagten befunden hat, ist auch bei einem unterstellten Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot unter Berücksichtigung von Art und Auswirkung der ihm vorgeworfenen Konkurrenztätigkeit sowie des Grades des Verschuldens die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung jedenfalls bei Abwägung der beiderseitigen Interessen sozial nicht gerechtfertigt.

86

Die hilfsweise ordentliche Kündigung ist auch nicht wegen der dem Kläger vorgeworfenen "Falschaussage" sozial gerechtfertigt. Wie bereits oben ausgeführt, hat der Kläger keine bewusst wahrheitswidrige Erklärung abgegeben, so dass ein verhaltenbedingter Kündigungsgrund i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG nicht angenommen werden kann.

II.

87

Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung vom 26. März 2009 ist auch der Weiterbeschäftigungsantrag zu 2) begründet.

88

Die Beklagte ist gemäß den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Grundsätzen (BAG 24. Februar 1985 - GS 1/84 - NZA 1985, 702) verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospital in A-Stadt zu unveränderten Bedingungen gemäß Dienstvertrag vom 18. April 2005 weiterzubeschäftigen. Im vorliegenden Verfahren hat die Beklagte keine Umstände angeführt, die trotz des Obsiegens des Klägers mit dem Kündigungsschutzantrag zu 1) ein überwiegendes Interesse an dessen Nichtbeschäftigung begründen könnten.

III.

89

Weiterhin stehen dem Kläger auch die mit den Klageanträgen zu 3) bis 6) geltend gemachten Ansprüche auf (Annahmeverzugs-)Vergütung und Rechnungslegung zu.

90

Die Beklagte hat sich nach Ausspruch der Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008, deren Rechtsunwirksamkeit im Vorprozess der Parteien inzwischen rechtskräftig festgestellt worden ist, gemäß §§ 293, 296 BGB in Annahmeverzug befunden. Im Übrigen sind die Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach unstreitig.

91

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

92

Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 02.09.2009 - 6 Ca 650/09 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 26. März 2009 sowie um Ansprüche auf Vergütung und Rechnungslegung.

2

Der Kläger war seit dem 1. Juli 2005 als Chefarzt der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospitals in A-Stadt aufgrund Arbeitsvertrags vom 18. April 2005 (Bl. 38 bis 60 d.A.) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält u.a. folgende Regelungen:

3

"(…)

4

§ 19
Tätigkeit außerhalb der Dienstaufgaben

5

Jede Tätigkeit außerhalb der Dienstaufgaben bedarf der schriftlichen Zustimmung des Krankenhausträgers (Nebentätigkeitserlaubnis).

6

§ 20
Vertragsdauer, Kündigung

7

(1) Der Vertrag tritt am 01.07.2005 in Kraft; er wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.

8

Die ersten 6 Monate der Beschäftigung sind Probezeit.

9

(2) Während der Probezeit kann der Vertrag mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.

10

(3) Nach Ablauf der Probezeit kann der Vertrag fristlos gem. § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden.

11

(4) Der Vertrag endet ohne Kündigung mit Erreichung der in § 19 AVR-Caritas in der jeweils gültigen Fassung festgelegten Altersgrenze oder mit Ablauf des Monats, in welchem dem Arzt der Bescheid über eine vom Rentenversicherungsträger oder von einer anderen Versorgungseinrichtung festgestellte Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zugestellt wird und rechtskräftig ist.

12

(…)"

13

Die Beklagte hatte gegenüber dem Kläger bereits mit Schreiben vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008 jeweils eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen. Das Arbeitsgericht Koblenz hat in dem unter dem Aktenzeichen 6 Ca 1752/08 geführten Vorprozess der Parteien mit Urteil vom 11. März 2009 der gegen diese Kündigungen gerichteten Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Diese Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig (vgl. LAG Rheinland Pfalz 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - und BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 -).

14

Am 17. März 2009 erhielt der Prozessbevollmächtigte des Klägers folgendes Schreiben des damaligen Geschäftsführers der Beklagten, Herrn K. (Bl. 33, 34 d.A.):

15

"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Dr. D.,

16

in Sachen Dr. C. konnte ich heute mit unserem bisherigen Prozessvertreter, Herr RA G. Rücksprache nehmen. Herr RA G. und ich erinnerten uns beide, dass Herr Dr. C. auf Befragen der Vorsitzenden Richterin Dr. M. im Kammertermin letzte Woche sinngemäß geäußert habe, er sei in gewissem Umfang selbständig tätig und/oder operiere gelegentlich bzw. vertretungsweise.

17

Hierzu stelle ich, auf Basis des Dienstvertrages, an dem Ihr Mandant ja unbedingt festhalten will, fest, dass eine solche Tätigkeit außerhalb unseres Krankenhauses auf Basis des Vertrages definitiv nicht zulässig ist. Da mir, außer dieser überlieferten Äußerung zu einem möglichen, massiven weiteren Pflichtenverstoß noch keine verdichteten Informationen vorliegen, gehen wir nun wie folgt vor:

18

Ich setze Ihrem Mandanten hiermit eine Frist von 48 Stunden, zu den folgenden Verdachtsmomenten mir gegenüber schriftlich (Faxübermittlung reicht aus) Stellung zu nehmen. Die Frist beginnt mit der Übermittlung dieses Faxes. Sollte Ihr Mandant, aus welchen Gründen auch immer, an der Beantwortung aus dringenden Gründen verhindert sein, müssen Sie oder Herr Dr. C. dies innerhalb der Frist in der vorgenannten Form mitteilen und begründen. Ich werde in diesem Fall die Frist nochmals verlängern, wenn dies erforderlich ist.

19

Erfolgt keine Stellungnahme oder wird diese verweigert, werden wir weitere Maßnahmen auf Basis der uns dann vorliegenden Informationen durchführen.

20

Nun zu meinen Fragen:

21

1. Welchen ärztlichen Tätigkeiten ist Herr Dr. C. seit Zugang der ersten fristlosen Kündigung am 26.9.2008 nachgegangen ?

22

2. Ist Herr Dr. C. für andere Krankenhäuser seit dem 26.9.2008 ärztlich tätig geworden, insbesondere als Chirurg? Falls ja:

23

- in welchen Krankenhäusern
- in welchem Umfang und
- mit welchen Tätigkeiten ?

24

3. Erfolgte eine ärztliche Tätigkeit in selbständiger, nicht-selbständiger (also angestellter) oder in sonstiger Form ? Falls ja, wurde ein Vertragsverhältnis zu einem anderen Krankenhaus als unserem begründet ?

25

4. Wo und wie ist Herr Dr. C. derzeit, Stand: 17. März 2009 beschäftigt ?

26

Die Antwort ist unmittelbar an mich zu richten, nicht an unsere bisherigen oder die künftig für uns in dieser Sache tätigen Rechtsanwälte."

27

Auf dieses Schreiben antwortete der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 19. März 2009 (Bl. 35 d.A.) wie folgt:

28

"Sehr geehrter Herr K.,

29

Sie unterstellen in Ihrem Schreiben vom 17.03.2009 meinem Mandanten eine Äußerung, die unzutreffend ist. Ich habe daher sofort eine Anfrage an die 2. Kammer des Arbeitsgerichts gerichtet, damit mir dies auch von dort bestätigt wird.

30

Mein Mandant hat auf die Frage der Richterin geantwortet, dass er zurzeit eine Vertretungstätigkeit in einem Krankenhaus mache.

31

Trotz ihrer unzutreffenden Unterstellung erkläre ich hiermit folgendes:

32

Mein Mandant ist zurzeit im Regierungsbezirk Gießen, Hessen, an einem Krankenhaus tätig, um seine chirurgischen Fähigkeiten zu erhalten und nicht zuletzt auch im Hinblick auf § 615 Satz 2 BGB. Seit der ersten Kündigung war er an keinem anderen Krankenhaus tätig, schon gar nicht im Einzugsbereich von A-Stadt, wie Sie wohl unterstellen.

33

Sollten Sie Ihre Unterstellungen weiterhin aufrechterhalten, behalte ich mir eine Unterlassungs- und Widerrufsklage vor."

34

Auf die schriftliche Anfrage des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 18. März 2009 (Bl. 36 d.A.) gab die Vorsitzende der 6. Kammer des Arbeitsgerichts Koblenz folgende Stellungnahme vom 18. März 2009 (Bl. 37 d.A.) ab:

35

"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Dr. D.,

36

nach meiner Erinnerung fragte ich Ihren Mandanten vor dem Hintergrund einer von der Kammer angestrebten vergleichsweisen Erledigung des Verfahrens wie auch der gesetzlichen Regelung des § 615 S. 1 und 2 BGB, ob er zur Zeit beruflich etwas mache. Herr Dr. C. antwortete sinngemäß, dass er vertretungsweise tätig sei. Allerdings meine ich mich erinnern zu können, dass Herr Dr. C. beiläufig das Thema "Erhaltung der operativen Fähigkeiten" erwähnte, nicht ich.

37

Eine Abschrift dieses Schreibens - wie auch Ihrer Anfrage vom 18.03.2009 nebst Anlagen - gestatte ich mir, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu übersenden."

38

Mit Schreiben vom 26. März 2009 (Bl. 32 d.A.) kündigte die Beklagte dem Kläger erneut fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin.

39

In der Zeit vom 1. Februar bis 31. August 2009 war der Kläger als Chefarzt der chirurgischen Abteilung im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. beschäftigt. Das St. N.-Stiftshospital in A-Stadt und das Diakonie-Krankenhaus in M. sind Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Die Entfernung zwischen den beiden Krankenhäusern beträgt 104 km Luftlinie und 151 km auf den Verkehrsstraßen. Die Fahrzeit von M. nach A-Stadt beträgt mit dem Auto mindestens drei Stunden (wegen der von L. bis M. verlaufenden Land- oder Kreisstraßen mit vielen Baustellen) und mit der Bahn mindestens dreieinhalb Stunden (mindestens dreimaliges Umsteigen). Bei der Beklagten werden jährlich ca. 9.000 Patienten behandelt.

40

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung sei rechtsunwirksam, weil es sowohl an ausreichenden Kündigungsgründen als auch an der erforderlichen vorangegangenen Abmahnung fehle. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe er mit seiner Tätigkeit am Diakonie-Krankenhaus in M. nicht gegen das Wettbewerbsverbot während des bestehenden Arbeitsverhältnisses verstoßen. Die Ansicht, dass jegliche anderweitige ärztliche Tätigkeit einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot darstelle, stehe in Widerspruch zu § 615 Satz 2 BGB. Zwischen dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus in A-Stadt und dem Diakonie-Krankenhaus in M. bestehe keine Wettbewerbssituation. Er erinnere sich jedenfalls nicht daran, dass er in seiner Zeit in A-Stadt jemals einen Patienten aus dem Einzugsbereich von M. bzw. von F./F. behandelt habe. Wenn es überhaupt jemals aus der Region M. Patienten im A. Krankenhaus gegeben habe, dann könne es sich hierbei ausschließlich um Patienten der inneren Abteilung handeln, die sich aufgrund der persönlichen Kontakte von Herrn Prof. St. (Chefarzt der inneren Abteilung am Krankenhaus in A-Stadt) nach M., wo dieser viele Jahre als Krankenhausarzt an der Universitätsklinik tätig gewesen sei, in dessen Behandlung begeben hätten. Aber auch umgekehrt habe es keine Konkurrenzsituation gegeben. Jedenfalls sei seit Beginn des Jahres 2009 im Diakonie-Krankenhaus in M. kein einziger Patient aus A-Stadt behandelt worden. Weiterhin sei auch der Vorwurf einer Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht absurd. Da er in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich betont habe, dass es sein Ziel sei, an das Krankenhaus in A-Stadt zurückzukehren, entspreche es der Wahrheit, wenn er geäußert habe, dass er zur Zeit in einem Krankenhaus "vertretungsweise" tätig sei. Er habe auch in M. wiederholt auf die Kündigungsschutzverfahren sowie auf sein Ziel hingewiesen, wieder an das A. Krankenhaus zurückkehren zu können. Er habe wahrheitsgemäß erklärt, dass er über Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit verfüge. Hingegen sei er nicht gefragt worden, um welche vertraglichen Beziehungen es sich handele. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei bereits gemäß § 20 des Dienstvertrages für den Arbeitgeber ausgeschlossen. Aufgrund der Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigungen sei die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für die Zeit vom 26. September 2008 bis 31. Januar 2009 zur Zahlung der geltend gemachten Vergütungsansprüche verpflichtet. Weiterhin habe die Beklagte die begehrte Rechnungslegung hinsichtlich der KV-Abrechnung für die Quartale II/08 und III/08 vorzunehmen.

41

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

42

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sowohl durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 26.03.2009 als auch durch die zugleich hilfsweise zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden ist,

43

die Beklagte zu verurteilen, ihn als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospital in A-Stadt zu unveränderten Bedingungen gem. Dienstvertrag vom 18.04.2005 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen,

44

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 38.194,44 EUR brutto als Dienstvergütung gem. § 8 Abs. 1 DV abzüglich 8.816,40 EUR netto zu zahlen,

45

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.002,81 EUR netto als Dienstvergütung aus liquidationsberechtigter Tätigkeit gem. § 8 Abs. 2 DV zu zahlen,

46

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.481,98 EUR brutto aus liquidationsberechtigter Tätigkeit im Bereich der Privatambulanz zu zahlen,

47

die Beklagte zu verurteilen, über die Abrechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz für die Quartale II/08 und III/08 Rechnung zu legen.

48

Die Beklagte hat beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Sie hat erwidert, die Kündigung sei wegen der unerlaubten Wettbewerbstätigkeit sowie aufgrund der Falschaussage des Klägers im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht im ersten Kündigungsschutzprozess gerechtfertigt. Der Kläger habe mit seiner Anfang Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit als Chefarzt der chirurgischen Abteilung im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. gegen das für die Dauer des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses bestehende Wettbewerbs verstoßen. Entgegen der Ansicht des Klägers sei eine Wettbewerbssituation zwischen ihrem Krankenhaus in A-Stadt und dem Diakonie-Krankenhaus in M. gegeben. Die räumliche Distanz zwischen den beiden Krankenhäusern beziehe insbesondere Patienten ein, die räumlich zwischen den beiden Krankenhäusern leben würden, hier insbesondere in der Region Hoher Westerwald. Zum Beispiel könne man von den Ortschaften im Postleitzahlenbezirk 57500 bis 57589 beide Krankenhäuser in fast gleicher Zeit per Auto erreichen. Die bestehende Wettbewerbssituation lasse sich dadurch beweisen, dass Kunden bzw. Patienten zwischen den beiden Wettbewerbern aussuchen könnten und dies auch tun würden, wie dies in Bezug auf Patienten aus dem Einzugsbereich des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. der Fall sei. Aus den genannten Postleitzahlenbezirken 57500-57589, unter anderem aus F., seien 11 Patienten im Jahr 2007, 22 Patienten im Jahr 2008 und 6 Patienten in der Zeit von Januar bis Mai 2009 gekommen. Aber auch aus dem unmittelbaren Umfeld des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. würden Patienten zu ihr kommen, so dass an dem Bestehen einer Wettbewerbssituation keine Zweifel bestehen könnten. Aus dem Bereich M., Postleitzahlengebiet 35041-35288, seien zu ihr im Jahr 2007 10 Patienten, im Jahr 2008 22 Patienten und in der Zeit von Januar bis Mai 2009 12 Patienten gekommen. Die unerlaubte Wettbewerbstätigkeit des Klägers habe ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht. Zum einen sei der Kläger in einem Krankenhaus in ihrem Einzugsgebiet tätig geworden und habe damit eine unmittelbare Konkurrenztätigkeit eröffnet. Es sei zu befürchten, dass Patienten nun dem A. Klinikum den Rücken kehren würden, um in M.-W. vom Kläger behandelt zu werden oder sich als Erstpatienten für das Diakonie-Krankenhaus anstatt für ihr Krankenhaus zu entscheiden. Zum anderen habe sich der Kläger im Rahmen der "Ermittlungen" zu seiner Wettbewerbstätigkeit durch die Verweigerung der Beantwortung berechtigter Fragen sowie durch die Androhung von Gegenmaßnahmen derart unkooperativ gezeigt, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich sei. Als besonderen Vertrauensbruch werte sie die objektive Falschaussage im Termin am 11. März 2009, in dem der Kläger auf Befragen der Vorsitzenden wahrheitswidrig geäußert habe, er sei nur vertretungsweise an einem anderen Krankenhaus tätig, während er in Wahrheit offiziell als amtierender Chefarzt dort tätig sei. Beides sei bereits vom Wortlaut her nicht miteinander vergleichbar. Durch seine Aussage habe der Kläger nicht nur das Gericht getäuscht, sondern vor allem sie selbst. Mit der Täuschung habe der Kläger versucht, von der verbotswidrigen Wettbewerbstätigkeit abzulenken, um damit seine Position zu verbessern. Damit sei das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien endgültig zerstört. Die beharrliche Fortsetzung der Wettbewerbstätigkeit und damit einhergehende Leugnung einer Wettbewerbssituation zeige, dass der Ausspruch einer Abmahnung anstelle der Kündigung keine Verhaltensänderung des Klägers gebracht hätte. Der Ausspruch einer Abmahnung wäre auch unzumutbar gewesen, weil sie den Kläger dann zunächst hätte weiterbeschäftigen müssen. Ein Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts ergebe sich aus dem Dienstvertrag nicht. Vielmehr werde lediglich klargestellt, dass auch nach Ablauf der Probezeit beim Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung keine Kündigungsfrist einzuhalten sei.

51

Mit Urteil vom 2. September 2009 - 6 Ca 650/09 - hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 26. März 2009 nicht aufgelöst worden sei und dem Kläger die geltend gemachten Zahlungsansprüche sowie der Rechnungslegungsanspruch zustünden. Die fristlose Kündigung vom 26. März 2009 sei nicht wegen des behaupteten Wettbewerbsverstoßes gerechtfertigt. Auch bei einer unterstellten Konkurrenztätigkeit hätte die Beklagte zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor Ausspruch der Kündigung dem Kläger zunächst eine Abmahnung erteilen müssen. Für den Kläger sei nur schwer erkennbar gewesen, dass seine Tätigkeit in dem 150 km entfernten Diakonie-Krankenhaus eine Konkurrenztätigkeit darstellen solle, die er auch nach Ausspruch von drei Kündigungen nicht habe ausüben dürfen. Vorliegend sei als Besonderheit zu berücksichtigen, dass sich der Kläger in einem Kündigungsschutzprozess befunden habe. Erst nach Ausspruch einer Abmahnung wäre für den Kläger deutlich erkennbar gewesen, dass die Beklagte seine Tätigkeit beim Diakonie-Krankenhaus als kündigungsrelevanten Sachverhalt einstufe. Dem Kläger wäre so die Möglichkeit geblieben, sein Verhalten zu ändern, indem er seine Tätigkeit beim Diakonie-Krankenhaus aufgegeben hätte. Dem widerspreche auch nicht der Umstand, dass der Kläger nach Erhalt der streitgegenständlichen Kündigung wegen behaupteten Wettbewerbsverstoßes sein Arbeitsverhältnis mit dem Diakonie-Krankenhaus zunächst fortgesetzt habe. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt sei der Zugang der streitgegenständlichen Kündigung, bis zu dem die Beklagte dem Kläger keine Abmahnung erteilt habe. Unabhängig davon führe die vorzunehmende Interessenabwägung zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung. Hinsichtlich des Grades der Vorwerfbarkeit sei zu berücksichtigen, dass schon die Frage eines objektiven Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot kontrovers diskutiert werden könne. Der Kläger habe sich nicht selbständig gemacht, sondern seine Tätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt, bei dem es ihm ersichtlich um eine Übergangslösung gegangen sei, um den Zeitraum der Ungewissheit bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung zu überbrücken. In zeitlicher Hinsicht habe der Kläger seine Tätigkeit im Diakonie-Krankenhaus erst vier Monate nach der ersten fristlosen Kündigung aufgenommen. Darüber hinaus habe die Beklagte auch zu konkreten Auswirkungen der Konkurrenztätigkeit des Klägers auf ihre eigene Tätigkeit nichts vorgetragen. Die von der Beklagten angeführten Patientenzahlen aus dem Einzugsgebiet des Diakonie-Krankenhauses in M., die bei ihr pro Jahr behandelt worden seien, würden sich im unteren Promillebereich bewegen. Die Beklagte habe auch selbst nicht behauptet, dass aufgrund der Tätigkeit des Klägers ab Februar 2009 im Diakonie-Krankenhaus in M. Patienten aus ihrem Einzugsbereich nach M. gewechselt seien. Der Kläger habe im vorliegenden Verfahren stets zum Ausdruck gebracht, dass er weiter bei der Beklagten arbeiten wolle, so dass sich die Arbeitsaufnahme bei dem Diakonie-Krankenhaus in M. offensichtlich als eine Übergangslösung darstelle, die von der Beklagten auch nur so habe verstanden werden können. Letztlich könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger nachhaltig gehalten sei, seine Tätigkeit zum Erhalt seiner chirurgischen Fähigkeiten tatsächlich auszuüben. Auch unter Berücksichtigung der besonderen Konfliktsituation, in der sich der Kläger nach Ausspruch der ersten fristlosen Kündigungen im Hinblick auf die erforderliche Sicherung seines Lebensstandards befunden habe, überwiege das Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse der Beklagten an einer sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Soweit die Beklagte die fristlose Kündigung auf eine Falschaussage des Klägers im Kammertermin vom 11. März 2009 gestützt habe, fehle es bereits an einem wichtigen Grund. Eine bewusst wahrheitswidrige Erklärung des Klägers sei nicht zu erkennen. Bei der Auslegung seiner Erklärung sei insbesondere der Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen. Danach könne seine Äußerung, dass er "vertretungsweise" in einem anderen Krankenhaus tätig sei, vom objektiven Empfängerhorizont nur so verstanden werden, dass er damit zum Ausdruck habe bringen wollen, nur vorübergehend woanders tätig zu sein. Der Begriff "vertretungsweise" bringe umgangssprachlich auch zum Ausdruck, lediglich vorübergehend im Sinne einer Übergangslösung tätig zu sein. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und der Gesprächssituation im Kammertermin vom 11. März 2009 lägen keine Anhaltspunkte für einen bewusst wahrheitswidrigen Vortrag des Klägers vor. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei aus den Gründen, die zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung führen würden, ebenfalls unwirksam. Nach der auch bei der ordentlichen Kündigung vorzunehmenden Interessenabwägung würde das Fortführungsinteresse des Klägers gegenüber dem Auflösungsinteresse der Beklagten überwiegen. Weiterhin habe der Kläger während der Dauer des Rechtsstreits einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Da der Kläger ein die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 26. März 2009 feststellendes Urteil erstritten habe, könne die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers nicht begründen. Vielmehr müssten zusätzliche Umstände hinzukommen, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergebe, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen. Solche Umstände habe die Beklagte nicht vorgetragen. Zudem stünden dem Kläger die mit den Anträgen zu 3) bis 6) geltend gemachten Ansprüche zu, die dem Grunde und der Höhe nach unstreitig seien.

52

Gegen das ihr am 5. November 2009 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 18. November 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 19. November 2009 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, sowie ergänzend mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2009, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

53

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe unzutreffend im Hinblick auf das vorgetragene Zahlenmaterial eine mögliche Gefährdung des Arbeitgebers aufgrund des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot in Zweifel gezogen. Denn sie habe die konkreten Daten zu Patienten, die sich räumlich sowohl in Richtung des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. als auch in Richtung ihres Krankenhauses in A-Stadt orientieren könnten, nur beispielhaft anhand einzelner Ortschaften vorgelegt und nachgewiesen. Damit sei aber die absolute Anzahl der Patienten, die sowohl in die eine wie auch die andere Richtung gehen könnten, völlig offen. Deshalb verbiete sich auch jeglicher Rückschluss auf eine Relation zur absoluten Anzahl der Patienten von ca. 9.000 jährlich. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die Kündigung nicht mangels vorheriger Abmahnung unwirksam. Zwar könne in der Tat ohne nähere Berücksichtigung der Umstände nicht festgestellt werden, dass dem Kläger die Relevanz der Marktsituation klar gewesen sei. Dies spiele aber für den objektiven Pflichtverstoß keine Rolle. Entscheidend sei vielmehr, dass die Marktposition des Arbeitgebers objektiv nicht verletzt und noch nicht einmal gefährdet werden dürfe. Ob der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung bewusst oder gar mit Schädigungsabsicht begangen habe, sei nicht entscheidend. Dies könne allenfalls im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Relevanz erlangen. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass der Kläger arbeitsrechtlich beraten und vertreten sei. Sein Prozessbevollmächtigter habe ihn darauf hinweisen müssen, dass die Aufnahme der Arbeit im Diakonie-Krankenhaus einen Pflichtverstoß begründen und die Gefahr einer Kündigung wegen eines Wettbewerbsverstoßes beinhalten könnte. Jedenfalls sei dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten aufgrund ihres Anhörungsschreibens vom 17. März 2009 klar gewesen, dass die Tätigkeit des Klägers für ein anderes Krankenhaus arbeitsrechtlich ein nicht unerhebliches Problem begründen würde. Materiell handele es sich dabei um eine vorsorgliche Abmahnung. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts habe der Kläger hieraus allerdings keineswegs die Konsequenz gezogen, das ab dem 1. Februar begründete Arbeitsverhältnis mit dem Diakonie-Krankenhaus alsbald zu beenden. Denn der Kläger habe verschwiegen, dass nicht er durch seine Kündigung das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet habe, sondern eine zuvor vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung, die das Diakonie-Krankenhaus zum Ende der Probezeit Ende Juli 2009 zum 31. August 2009 ausgesprochen habe. Entgegen der Darstellung des Klägers habe dieser bei den beiden Einstellungsgesprächen mit dem Geschäftsführer des Diakonie-Krankenhauses, Herrn Dr. G., nicht offengelegt, dass er das Arbeitsverhältnis alsbald wieder beenden wolle, um zu seinem Arbeitgeber nach A-Stadt zurückzukehren. Vielmehr wäre er in diesem Fall gar nicht eingestellt worden, weil nach den Angaben des Herrn Dr. G. nur eine langfristige Besetzung der Chefarztstelle sinnvoll und beabsichtigt gewesen sei. Die vom Arbeitsgericht zugunsten des Klägers aufgestellte Prognose, wonach dieser nach einer Abmahnung das neu begründete Arbeitsverhältnis ja hätte kündigen können, habe sich gerade nicht bestätigt. Der Kläger habe weder nach dem Anhörungsschreiben vom 17. März 2009 noch nach der fristlosen Kündigung vom 26. März 2009 sein Arbeitsverhältnis gekündigt, sondern stattdessen im Diakonie-Krankenhaus so lange wie möglich weitergearbeitet. Auf der zweiten Prüfungsstufe habe das Arbeitsgericht zu Unrecht verschiedene Punkte einseitig zugunsten des Klägers gewertet. In Bezug auf den Grad der Vorwerfbarkeit des Pflichtverstoßes sei zu berücksichtigen, dass es für den Kläger selbst jedenfalls erkennbar gewesen sei, dass Patienten aus dem zwischen den beiden Krankenhäusern gelegenen Territorium sowohl zu seinem neuen Arbeitgeber wie auch zu ihr kommen könnten. Weiterhin müsse sich der Kläger eine unterlassene Belehrung durch seinen Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Soweit der Kläger die Wettbewerbstätigkeit erst vier Monate nach der ersten fristlosen Kündigung aufgenommen habe, beseitige dies den späteren und nachhaltigen Pflichtverstoß nicht. Diesbezüglich habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass der Kläger sich im Diakonie-Krankenhaus in M.-W. jedenfalls vor dem 1. Februar beworben und damit die Konkurrenztätigkeit konkret in Angriff genommen habe. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht zugunsten des Klägers unterstellt, dass sie keinen konkreten Schaden nachgewiesen habe und sich die tatsächlichen Patientenzahlen im unteren Promillebereich bewegen würden. Die absolute Anzahl der Patienten, die anstatt zu ihr nach M.-W. gegangen seien, könne zum einen nicht aufgeklärt werden und sei zum anderen für den Pflichtverstoß gerade nicht entscheidend. Mangels entsprechender Darlegungs- und Beweislast könne aus ihrem fehlenden konkreten Vortrag zur absoluten Anzahl der abgeworbenen Patienten oder der Patienten, die sich zwischen beiden Krankenhäusern entscheiden könnten, keine Rückschlüsse zugunsten des Klägers gezogen werden. Soweit das Arbeitsgericht darauf verwiesen habe, dass der Kläger zum Erhalt seiner Fähigkeiten als Chirurg gehalten sei, seine Tätigkeiten tatsächlich auszuüben, berechtige ihn dies jedoch nicht, zu ihr in Wettbewerb zu treten. Im Bezug auf die Falschaussage des Klägers habe das Arbeitsgericht die objektive Äußerung des Klägers, dass er im Diakonie-Krankenhaus "vertretungsweise" tätig sei, dahingehend interpretiert, dass vertretungsweise auch als vorübergehend verstanden werden könnte. Die Aussage stimme nicht mit den objektiven Fakten überein, die der Kläger in M.-W. im Diakonie-Krankenhaus kommuniziert habe. Sie habe auch nicht seinem dort abgeschlossenen Vertrag entsprochen. Der Weiterbeschäftigungsantrag sei unbegründet, weil die Kündigungen wirksam seien. Die Zahlungsansprüche seien ebenfalls unbegründet, weil sie sich nicht in Annahmeverzug befunden haben.

54

Die Beklagte beantragt,

55

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 2. September 2009 - 6 Ca 650/09 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

56

Der Kläger beantragt,

57

die Berufung zurückzuweisen.

58

Er erwidert, zwischen den beiden Krankenhäusern bestehe bereits aufgrund der räumlichen Entfernung und den Fahrzeiten zwischen beiden Orten keine Wettbewerbssituation, so dass ihm auch keine unerlaubte Wettbewerbstätigkeit vorgeworfen werden könne. Die Beklagte habe es trotz wiederholter Aufforderungen abgelehnt, eine Liste der behaupteten Patienten mit einer Angabe darüber vorzulegen, in welcher Abteilung sie behandelt worden seien. Bei Vorlage einer solchen Liste würde damit belegt werden, dass die behaupteten Patienten ausschließlich auf der inneren Abteilung behandelt würden. Damit scheide von vornherein jegliche Wettbewerbssituation im Bereich der Chirurgie aus. Auch umgekehrt sei im gesamten Jahr 2009 kein einziger Patient aus A-Stadt im Diakonie-Krankenhaus M. behandelt worden. Wenn die von der Beklagten behauptete Wettbewerbssituation bestehen würde, dann müsste gleiches gelten z.B. für Krankenhäuser zwischen Kiel und München, weil es auch dann im Einzelfall vorkommen könne, dass Patienten eine Krankenhausbehandlung jeweils am anderen Ende Deutschlands aus bestimmten Gründen in Anspruch nehmen würden. Damit wäre aber zugleich jede Tätigkeit im stationären Bereich während eines langjährigen Kündigungsschutzprozesses unmöglich, was jedoch von der Rechtsprechung abgelehnt werde. Das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass in jedem Fall zuvor eine Abmahnung hätte ausgesprochen werden müssen. Das Schreiben der Beklagten vom 17. März 2009 könne nicht als Abmahnungsschreiben interpretiert werden. Entgegen der Darstellung der Beklagten hätten Einstellungsgespräche im eigentlichen Sinne zwischen ihm und Herrn Dr. G. nicht stattgefunden. Bei dem ersten Vorstellungsgespräch sei Herr Dr. G. nicht anwesend gewesen. Der ärztliche Direktor, Herr Dr. Gl., habe ihm bei dieser Vorstellung auf seine Vorgeschichte angesprochen, woraufhin er berichtet habe, dass ihm mehrfach fristlos gekündigt worden sei. Weiterhin habe er darauf hingewiesen, dass er sich gegen diese Kündigungen zur Wehr setze und Kündigungsschutzklage mit dem Ziel erhoben habe, in A-Stadt zu bleiben. Herrn Dr. G. habe er erst einige Wochen später kennengelernt, wobei dieser ihm mitgeteilt habe, dass man sich auf seine Einstellung geeinigt habe, man könne sich ja immer ohne Probleme während der Probezeit voneinander trennen. In diesem Gespräch sei es also nicht darum gegangen, ob er überhaupt eingestellt werden solle oder nicht, vielmehr sei ihm von Herrn Dr. G. bereits definitiv die Einstellung mitgeteilt worden. Soweit er danach noch mit Herrn Dr. G. gesprochen habe, sei es lediglich um den Inhalt des Dienstvertrages gegangen. Die Beklagte habe nicht einmal schlüssig den behaupteten Schaden vorgetragen, sondern lediglich abstrakt einige wenige Patientenzahlen ohne nähere Einzelheiten genannt. Auch der Vorwurf der Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 sei abwegig. Hätte er auf die Frage der Richterin erklärt, dass er eine Stelle als Chefarzt in einem anderen Krankenhaus übernommen habe, so wäre dies von der Beklagten sofort als Abkehrwille interpretiert und eine Kündigung ausgesprochen worden. Für die Beantwortung der Frage sei es daher ausreichend gewesen, dass er angegeben habe, seit dem 1. Februar 2009 in einem anderen Krankenhaus zu arbeiten, wobei er hierfür von einer Vertretungstätigkeit gesprochen habe. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung sei schon deshalb rechtsunwirksam, weil in seinem Dienstvertrag die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung vertragsmäßig ausgeschlossen sei. Insoweit nehme er Bezug auf den auszugsweise vorgelegten Schriftsatz vom 28. Oktober 2009 im Verfahren 3 Sa 474/09 (Bl. 267 bis 269 d.A.).

59

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

60

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage vollumfänglich stattgegeben.

A.

61

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung ist zulässig.

62

Sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt sowie begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

63

Entgegen der Ansicht des Klägers entspricht die Berufungsbegründung auch in Bezug auf die hilfsweise ordentliche Kündigung, den Weiterbeschäftigungsantrag und die Annahmeverzugsansprüche den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Das Arbeitsgericht hat die Unwirksamkeit der hilfsweise ordentlichen Kündigung darauf gestützt, dass die Gründe, die zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung führten, auch die Entscheidung über die Unwirksamkeit der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung tragen würden. Ob die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung bereits vertraglich nach § 20 Abs. 3 des Dienstvertrages ausgeschlossen ist, hat das Arbeitsgericht ausdrücklich dahinstehen lassen. Dementsprechend durfte die Beklagte darauf verweisen, dass ihre Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung sinngemäß für die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur hilfsweise ordentlichen Kündigung gelten sollen. Entgegen der Ansicht des Klägers liegt auch in Bezug auf den Weiterbeschäftigungsantrag und die Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug eine ausreichende Berufungsbegründung vor. Mit ihrem ergänzenden Schriftsatz vom 23. Dezember 2009 hat die Beklagte innerhalb der Berufungsbegründungsfrist ausgeführt, dass der Weiterbeschäftigungsantrag aufgrund der Wirksamkeit der Kündigungen unbegründet sei und die Zahlungsansprüche ebenfalls unbegründet seien, weil sie sich aufgrund der vorangegangenen Kündigungen, die Gegenstand des vorgreiflichen Vorprozesses der Parteien seien, nicht in Annahmeverzug befunden habe. Im Hinblick darauf, dass diese weiteren Anträge jeweils auf der Unwirksamkeit der vorangegangenen Kündigungen aufbauen und der Vorprozess der Parteien damals noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, genügt die (ergänzende) Berufungsbegründung den nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu stellenden Anforderungen.

B.

64

Die hiernach zulässige Berufung der Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg.

65

Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage vollumfänglich stattgegeben.

I.

66

Der Kündigungsschutzantrag zu 1) ist begründet.

67

1. Die außerordentliche Kündigung vom 26. März 2009 ist unwirksam, weil die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht erfüllt sind.

68

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Prüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Ist dies der Fall, bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bzw. bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., vgl. BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 18, NZA-RR 2010, 461).

69

Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung wegen des angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot jedenfalls an der vorzunehmenden Interessenabwägung scheitert und in Bezug auf die dem Kläger vorgeworfene "Falschaussage" bereits kein Sachverhalt erkannt werden kann, der an sich als wichtiger Kündigungsgrund geeignet ist.

70

a) Die fristlose Kündigung ist nicht wegen des von der Beklagten angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot während des (fort-)bestehenden Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt.

71

aa) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt. Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen. Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen. Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Deshalb darf ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch nach Ausspruch einer von ihm gerichtlich angegriffenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, wenn die Kündigung sich später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22 und 23, NZA-RR 2010, 461). Bei der Bestimmung der Reichweite des Wettbewerbsverbots muss allerdings die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers Berücksichtigung finden. Daher ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob nach Art der Haupt- und Nebentätigkeit und der beteiligten Unternehmen überhaupt eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers vorliegt (BAG 24. März 2010 - 10 AZR 66/09 - NZA 2010, 693).

72

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann im Streitfall zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Tätigkeit des Klägers am Diakonie-Krankenhaus in M.-W. nach der Art der beiden Unternehmen (Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung) ungeachtet ihrer räumlich weiten Entfernung (Verkehrsverbindungen von ca. 150 km) schutzwürdige Interessen der Beklagten gefährdet hat und das Wettbewerbsverbot in dem von der Beklagten unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnis der vom Kläger aufgenommenen anderweitigen Arbeitstätigkeit entgegenstand. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger mit der von ihm - nach Ausspruch der unwirksamen Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008 - beim Diakonie-Krankenhaus in M.-W. zum 1. Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit als Chefarzt der chirurgischen Abteilung gegen das Wettbewerbsverbot während des (fort-)bestehenden Arbeitsverhältnisses verstoßen hat, ist die außerordentliche Kündigung gleichwohl nach der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht gerechtfertigt.

73

Der Beklagten kann unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falls und unter Abwägung der Interessen beider Parteien die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem nach § 20 Abs. 3 des Arbeitsvertrages ordentlich unkündbaren Kläger sowohl bis zum Ablauf der in § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB bestimmten Kündigungsfrist als auch darüber hinaus bis zu der in § 20 Abs. 4 des Arbeitsvertrags vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden, so dass die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos noch mit einer der Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist beendet hat.

74

Die Parteien haben in § 20 des Arbeitsvertrags die Möglichkeit zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen. Das ergibt die Auslegung der in § 20 des Arbeitsvertrags getroffenen Regelungen. Der Kläger hat unter Bezugnahme auf seinen Schriftsatz vom 28. Oktober 2009 in dem unter dem Aktenzeichen 3 Sa 474/09 vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz geführten Vorprozess der Parteien unwidersprochen vorgetragen, dass der ihm ursprünglich überreichte Entwurf des Dienstvertrages in § 20 aufgrund der zwischen ihm und dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten geführten Verhandlungen geändert worden sei. Im ursprünglichen Vertragsentwurf war geregelt, dass der Vertrag nach Ablauf der Probezeit von beiden Parteien mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahrs gekündigt werden kann (§ 20 Abs. 3 des Entwurfs) und das Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrags nach § 626 BGB aus wichtigem Grund unberührt bleibt (§ 20 Abs. 4 des Entwurfs). Anstelle dieser Regelungen in § 20 Abs. 3 und 4 des ursprünglichen Entwurfs wurde nach den geführten Vertragsverhandlungen in die endgültige Fassung des Dienstvertrags ein neuer Absatz 3 aufgenommen, nach dem der Vertrag nach Ablauf der Probezeit fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass diese Änderung des Vertragstextes für ihn eine wesentliche Voraussetzung gewesen sei, die Stelle in A-Stadt anzutreten, weil er nicht einfach jederzeit kündbar habe sein wollen, wenn er mit seiner gesamten Familie nach A-Stadt ziehe. Im Hinblick darauf, dass der ursprüngliche Vertragsentwurf unstreitig aus diesen Gründen im Rahmen der zwischen den Parteien geführten Vertragsverhandlungen einvernehmlich geändert worden ist, kann die in § 20 Abs. 3 des Dienstvertrags vereinbarte Regelung nur so verstanden werden, dass der Vertrag nach Ablauf der Probezeit nur noch fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund kündbar sein sollte und im Übrigen erst nach § 20 Abs. 4 des Dienstvertrages mit der festgelegten Altersgrenze bzw. im Falle einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit endet. Die Auslegung der in § 20 des Dienstvertrags getroffenen Regelungen ergibt mithin, dass die Parteien die ordentliche Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach Ablauf der Probezeit vertraglich ausgeschlossen haben und das Arbeitsverhältnis gemäß § 20 Abs. 4 des Dienstvertrages erst mit Erreichung der festgelegten Altersgrenze bzw. im Falle der geregelten Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit endet (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - Rn. 106 und 107, [juris]).

75

Auch wenn man im Streitfall von einem Verstoß des Klägers gegen das Wettbewerbsverbot ausgeht, der als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist, kann der Beklagten gleichwohl bei Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem ordentlich unkündbaren Kläger bis zu der in § 20 Abs. 4 vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden. Zwar verletzt der Arbeitnehmer seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich, wenn er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit ausübt. Unter Berücksichtigung von Art und Auswirkung der Konkurrenztätigkeit sowie des Grades des Schuldvorwurfs überwiegen aber im Streitfall die Interessen des Klägers an einer Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Beendigungsinteresse der Beklagten.

76

Der Kläger hat sich nach Ausspruch der Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008, deren Rechtsunwirksamkeit inzwischen im Vorprozess der Parteien rechtskräftig festgestellt worden ist, darauf beschränkt, seine Arbeitskraft durch Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses bei einem anderen Krankenhaus ab 1. Februar 2009 zu verwerten, um seinen Lebensstandard durch Erzielung eines entsprechenden Verdienstes aufrechtzuerhalten und seine Fähigkeiten als Chirurg zu erhalten. Die vom Kläger aufgenommene (Konkurrenz-)Tätigkeit ist erst durch die unwirksamen Kündigungen der Beklagten ausgelöst worden, ohne die für den Kläger keine Veranlassung zur Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit als Chirurg bestanden hätte. Bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die Wirksamkeit der vorangegangenen Kündigungen waren beide Parteien im Ungewissen darüber, wie die materielle Rechtslage beurteilt werden wird. Dadurch ist für den Kläger eine Zwangslage entstanden. Zur Vermeidung einer weiteren Kündigung müsste er sich einerseits jeglicher Tätigkeit enthalten, die als Wettbewerbsverstoß aufgrund des möglicherweise noch fortbestehenden Vertrages gewertet werden könnte. Andererseits wäre er für den Fall der Wirksamkeit der Kündigung an der dann möglichen anderweitigen Sicherung seines Lebensstandards gehindert (vgl. hierzu BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - Rn. 51, NZA 1992, 212). Die aus § 615 Satz 2 BGB herzuleitenden Interessen des Arbeitnehmers an der anderweitigen Verwendung seiner Arbeitskraft sind für die Beurteilung erheblich, ob und mit welchem Gewicht ihm die Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen vorwerfbar ist. Wenn der Arbeitnehmer am gekündigten Arbeitsverhältnis festhalten will, geht es ihm mit der Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen zur Verwertung seiner Arbeitskraft ersichtlich nur um eine Übergangslösung, die der Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber nicht entgegensteht und für diesen keine anhaltende Konkurrenz bedeutet (BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - Rn. 65, NZA 1992, 212). Dabei ist im Streitfall unerheblich, ob und inwieweit der Kläger gegenüber Vertretern des Diakonie-Krankenhauses in M.-W. zum Ausdruck gebracht hat, dass er an seinem gekündigten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten festhalten und zu dieser möglichst wieder zurückkehren will. Der Kläger hat die ihm vorgeworfene Konkurrenztätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei einem räumlich weit von der Beklagten entfernten Krankenhaus aufgenommen. Sowohl das von der Beklagten in A-Stadt betriebene Krankenhaus als auch das Diakonie-Krankenhaus in M.-W. sind Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Die Beklagte hat zwar zutreffend darauf verwiesen, dass die Wahl des einen oder anderen Krankenhauses nicht zwingend von der räumlichen Entfernung abhängt, sondern durchaus auch von anderen Faktoren (wie z.B. verfügbare Leistungen des Krankenhauses, Ruf des Krankenhauses oder der Fachabteilung, zeitliche Verfügbarkeit für eine Operation usw.) beeinflusst sein kann. Danach können die Interessen der Beklagten grundsätzlich durch jede anderweitige Tätigkeit des Klägers als Chirurg an jedem anderen Krankenhaus unabhängig von dessen räumlicher Entfernung gefährdet werden, so dass der Kläger zur Vermeidung der Gefahr einer erneuten Kündigung wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot während des Kündigungsschutzprozesses jede Ausübung seiner bisherigen Berufstätigkeit als Chirurg an einem anderen Krankenhaus hätte unterlassen müssen. Im Hinblick darauf, dass der Kläger zur Aufrechterhaltung seines Lebensstandards und zum Erhalt seiner Fähigkeiten als Chirurg auf eine entsprechend anderweitige Tätigkeit an einem anderen Krankenhaus angewiesen ist, erscheint der mit der Kündigung gemachte Vorwurf eines Wettbewerbsverstoßes im Streitfall jedenfalls als weniger schwerwiegend, zumal der Kläger seine anderweitige Tätigkeit an einem räumlich weit entfernten Krankenhaus ohne jede Schädigungsabsicht aufgenommen hat. Auch bei Annahme einer bestehenden Wettbewerbssituation zwischen den beiden Krankenhäusern ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die dem Kläger vorgeworfene Konkurrenztätigkeit tatsächlich zu bestimmten nachteiligen Auswirkungen auf den Betrieb der Beklagten geführt haben soll. Die Beklagte hat lediglich allgemein auf die von ihr angeführten Überschneidungen im Einzugsbereich der Patienten verwiesen. Sie hat aber selbst nicht behauptet, dass aufgrund der ab Februar 2009 aufgenommenen Tätigkeit des Klägers am Diakonie-Krankenhaus in M.-W. Patienten aus ihrem Einzugsbereich nach Marburg gewechselt oder andere konkrete Auswirkungen festzustellen seien.

77

In Anbetracht der dargestellten besonderen Umstände des vorliegenden Falls erscheint bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine außerordentliche Kündigung (fristlos oder mit Auslauffrist) wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot als nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist der Beklagten eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem ordentlich unkündbaren Kläger bis zu der in § 20 Abs. 4 des Arbeitsvertrags vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar.

78

b) Die außerordentliche Kündigung ist auch nicht wegen der dem Kläger vorgeworfenen Falschaussage im Kammertermin vom 11. März 2009 vor dem Arbeitsgericht gerechtfertigt.

79

Gemäß der zutreffenden Bewertung des Arbeitsgerichts hat der Kläger keine bewusst wahrheitswidrige Erklärung abgegeben, die an sich als wichtiger Kündigungsgrund geeignet ist. Das Arbeitsgericht hat bei der Würdigung der vom Kläger abgegebenen Erklärung zu Recht den Gesamtzusammenhang und die konkrete Gesprächssituation berücksichtigt.

80

Der Kläger hat im Rahmen der vor dem Arbeitsgericht im Kammertermin vom 11. März 2009 geführten Vergleichsgespräche auf die Frage der Vorsitzenden, ob er zur Zeit beruflich etwas mache, sinngemäß geantwortet, dass er vertretungsweise in einem anderen Krankenhaus tätig sei. Diese Erklärung kann gemäß der zutreffenden Bewertung durch das Arbeitsgericht ohne weiteres dahin verstanden werden, dass der Kläger damit zum Ausdruck bringen wollte, dass er nur vorübergehend bei einem anderen Krankenhaus im Sinne einer Übergangslösung tätig sei. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob der Kläger auch gegenüber dem Diakonie-Krankenhaus in M.-W. zum Ausdruck gebracht hat, dass er dort nur vorübergehend tätig sein wolle. Auf die schriftliche Nachfrage der Beklagten vom 17. März 2009 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19. März 2009 erklärt, dass er zur Zeit im Regierungsbezirk Gießen (Hessen) an einem Krankenhaus tätig sei, um seine chirurgischen Fähigkeiten zu erhalten und nicht zuletzt auch im Hinblick auf § 615 Satz 2 BGB. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass danach hinreichende Anhaltspunkte für eine bewusst wahrheitswidrige Erklärung nicht vorliegen.

81

2. Die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 26. März 2009 ist ebenfalls unwirksam.

82

Dies folgt bereits daraus, dass das Arbeitsverhältnis gemäß den obigen Ausführungen nach Ablauf der Probezeit ordentlich nicht mehr kündbar war.

83

Unabhängig davon scheitert auch die hilfsweise ordentliche Kündigung wegen des angeführten Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot jedenfalls an der vorzunehmenden Interessenabwägung.

84

Eine ordentliche Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, weitere Störungen zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22 und 23, NZA-RR 2010, 461).

85

Entsprechend den obigen Ausführungen erscheint im Streitfall auch eine ordentliche Kündigung bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht als billigenswerte und angemessene Reaktion der Beklagten. Der Kläger hat sich nach Ausspruch der unwirksamen Kündigungen darauf beschränkt, bei einem räumlich weit entfernten Krankenhaus einer anderweitigen Arbeitstätigkeit nachzugehen, um seine Fähigkeiten als Chirurg zu erhalten und einen entsprechenden Verdienst (§ 615 Satz 2 BGB) zu erzielen. In Anbetracht der oben dargestellten Zwangslage, in der er sich aufgrund der unwirksamen Kündigungen der Beklagten befunden hat, ist auch bei einem unterstellten Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot unter Berücksichtigung von Art und Auswirkung der ihm vorgeworfenen Konkurrenztätigkeit sowie des Grades des Verschuldens die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung jedenfalls bei Abwägung der beiderseitigen Interessen sozial nicht gerechtfertigt.

86

Die hilfsweise ordentliche Kündigung ist auch nicht wegen der dem Kläger vorgeworfenen "Falschaussage" sozial gerechtfertigt. Wie bereits oben ausgeführt, hat der Kläger keine bewusst wahrheitswidrige Erklärung abgegeben, so dass ein verhaltenbedingter Kündigungsgrund i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG nicht angenommen werden kann.

II.

87

Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung vom 26. März 2009 ist auch der Weiterbeschäftigungsantrag zu 2) begründet.

88

Die Beklagte ist gemäß den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Grundsätzen (BAG 24. Februar 1985 - GS 1/84 - NZA 1985, 702) verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N.-Stiftshospital in A-Stadt zu unveränderten Bedingungen gemäß Dienstvertrag vom 18. April 2005 weiterzubeschäftigen. Im vorliegenden Verfahren hat die Beklagte keine Umstände angeführt, die trotz des Obsiegens des Klägers mit dem Kündigungsschutzantrag zu 1) ein überwiegendes Interesse an dessen Nichtbeschäftigung begründen könnten.

III.

89

Weiterhin stehen dem Kläger auch die mit den Klageanträgen zu 3) bis 6) geltend gemachten Ansprüche auf (Annahmeverzugs-)Vergütung und Rechnungslegung zu.

90

Die Beklagte hat sich nach Ausspruch der Kündigungen vom 26. September 2008, 14. Oktober 2008 und 22. Oktober 2008, deren Rechtsunwirksamkeit im Vorprozess der Parteien inzwischen rechtskräftig festgestellt worden ist, gemäß §§ 293, 296 BGB in Annahmeverzug befunden. Im Übrigen sind die Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach unstreitig.

91

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

92

Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Der Handlungsgehilfe darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen.

(2) Die Einwilligung zum Betrieb eines Handelsgewerbes gilt als erteilt, wenn dem Prinzipal bei der Anstellung des Gehilfen bekannt ist, daß er das Gewerbe betreibt, und der Prinzipal die Aufgabe des Betriebs nicht ausdrücklich vereinbart.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.