Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 22. Juni 2017 - 5 Sa 25/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0622.5Sa25.17.00
bei uns veröffentlicht am22.06.2017

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 25.10.2016, Az. 8 Ca 615/16, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 1) des Tenors des vorgenannten Urteils wie folgt gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass dem Kläger im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit Frau E. Sch. (Arbeitsverdienst: € 830,00 vom 01.11.2015 bis 31.12.2016, € 860,00 ab 01.01.2017; Arbeitszeit: 22 Stunden wöchentlich) bis 31.01.2018 ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des Tarifvertrages zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31.08.1971 (TV SozSich) in Höhe des nach § 4 des TV SozSich jeweils monatlich zu errechnenden Betrages zusteht.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31.08.1971 (TV SozSich).

2

Der im Januar 1955 geborene Kläger war von 1979 bis zum 30.09.2014 in Vollzeit bei den US-Stationierungsstreitkräften, zuletzt als Schlossermeister zu einem Grundgehalt nach Gehaltsgruppe D 1-3/E TVAL II iHv. € 3.674,99 brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden der TVAL II und der TV SozSich Anwendung. Das Arbeitsverhältnis wurde aus militärischen Gründen iSd. § 2 TV SozSich zum 30.09.2014 betriebsbedingt gekündigt. Unmittelbar im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war der Kläger bis zum 31.03.2015 bei einer Transfergesellschaft beschäftigt. Im April 2015 bezog er Arbeitslosengeld I.

3

In der Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 arbeitete der Kläger als Lagerarbeiter im Meisterbetrieb des E. K. (Elektro-, Gas und Wasserinstallation) zu einer Bruttovergütung von € 990,00 monatlich mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 22 Wochenstunden. Weil sich die Beklagte weigerte, ihm ab 01.05.2015 Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich zu zahlen, erhob der Kläger am 04.11.2015 Klage. In diesem Rechtsstreit (2 Ca 1403/15) hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern mit Urteil vom 31.03.2016 festgestellt, dass dem Kläger für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 Überbrückungsbeihilfe zusteht. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten mit rechtskräftigem Urteil vom 15.12.2016 (5 Sa 249/16, dokumentiert in juris) zurückgewiesen.

4

Mit Datum vom 28.10.2015 schloss der Kläger mit Wirkung ab 01.11.2015 einen Arbeitsvertrag mit E. Sch., die eine Praxis für Ergotherapie und Psychomotorik betreibt. Es wurde eine Tätigkeit als Bürohelfer mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 22 Wochenstunden zu einer Bruttovergütung von € 830,00 monatlich vereinbart. Weil sich die Beklagte weigerte, dem Kläger ab 01.11.2015 Überbrückungsbeihilfe zu zahlen, erhob er am 13.05.2016 vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern die vorliegende Klage. Den Feststellungsantrag beschränkte er auf die Zeit bis zum 31.01.2018, weil er ab Februar 2018 voraussichtlich eine vorgezogene Altersrente mit 63 Jahren in Anspruch nehmen kann. Erstinstanzlich stand auch im Streit, ob eine Verletztenrente, die die Berufsgenossenschaft Holz und Metall dem Kläger gewährt, auf die Überbrückungsbeihilfe anzurechnen ist.

5

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

6

1. festzustellen, dass ihm auf Grundlage des mit Frau E. Sch., Praxis für Ergotherapie und Psychomotorik, bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie auf Grundlage seines diesbezüglichen Arbeitsverdienstes iHv. € 830,00 brutto rückwirkend für die Zeit ab 01.11.2015 und weiterhin bis zum 31.01.2018 die Überbrückungsbeihilfe [nach dem TV SozSich] zusteht,

7

2. festzustellen, dass die ihm von der Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd, Bezirksverwaltung N., seit 01.02.2006 iHv. derzeit € 466,50 monatlich gezahlte Verletztenrente nicht auf die Überbrückungsbeihilfe [nach dem TV SozSich] angerechnet werden darf.

8

Die Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag zu 1) mit Urteil vom 25.10.2016 stattgegeben und den Klageantrag zu 2) - insoweit rechtskräftig - abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

11

Die Beklagte hat gegen das am 22.12.2016 zugestellte Urteil mit am Montag, dem 23.01.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 21.02.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

12

Die Beklagte machte zunächst geltend, weil der gesetzliche Mindestlohn mit der Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohnes vom 15.11.2016 (MiLoV) ab 01.01.2017 auf € 8,84 brutto je Zeitstunde erhöht worden sei, verstoße die Entgeltabrede, die das Arbeitsgericht dem angefochtenen Urteil vom 25.10.2016 zugrunde gelegt habe, seit 01.01.2017 gegen § 11 MiLoG iVm. § 1 MiLoV. Der Kläger könne ab 01.01.2017 überhaupt keine Überbrückungsbeihilfe mehr beanspruchen, weil sein Arbeitsverdienst iHv. € 830,00 brutto für 22 Wochenstunden gesetzeswidrig zu niedrig sei. Der Kläger könne nicht verlangen, dass sie Überbrückungsbeihilfe auf einen Arbeitsverdienst zahle, der den gesetzlichen Mindestlohn unterschreite. Wenn sich der Kläger ab 01.01.2017 mit dem im erstinstanzlichen Antrag zu Ziff. 1) genannten Arbeitsentgelt iHv. € 830,00 brutto zufrieden geben sollte, verstieße er gegen seine Rücksichtnahmepflichten.

13

Die Beklagte vertritt zuletzt die Rechtsansicht, es sei zwar in der Sache richtig, dass der festgestellte Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe stets an veränderte Verhältnisse anzupassen sei, dies entspreche aber nicht dem Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Feststellungsurteil sei auch nicht im Sinne der Ausführungen des Klägers in seiner Berufungserwiderung auslegungsfähig. Sie habe erst durch die Vorlage der Lohnabrechnung für den Monat Januar 2017 am 09.02.2017 erfahren, dass die neue Arbeitgeberin das Arbeitsentgelt des Klägers auf € 860,00 brutto monatlich erhöht habe. Der Kläger selbst habe erst mit Schriftsatz vom 17.03.2017 auf die Erhöhung des Arbeitsentgelts hingewiesen. Ohne die Einlegung der Berufung wäre das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig geworden und damit eine Berücksichtigung der erhöhten Anknüpfleistung bei der Berechnung der Überbrückungsbeihilfe nicht mehr möglich gewesen. Der Kläger wolle mit seinem Berufungsantrag seinen bisherigen Klageantrag teilweise zurücknehmen. Dazu sei jedoch ihre Einwilligung erforderlich, die nicht vorliege und auch nicht erteilt werde. Jedenfalls seien dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Sein ursprünglicher Antrag zu 1) stelle einen sog. Globalantrag dar. Er habe damit erreichen wollen, dass ihm vom 01.11.2015 bis zum 31.01.2018 Überbrückungsbeihilfe zu einer Anknüpfleistung iHv. € 830,00 brutto gewährt werde. Ab dem 01.01.2017 habe der Kläger jedoch keinen Anspruch mehr auf eine Überbrückungsbeihilfe zu dieser Anknüpfleistung gehabt, weil sein monatliches Entgelt den gesetzlichen Mindestlohn unterschritten habe. Damit habe der von ihm gestellte Antrag zumindest eine Fallgestaltung umfasst, in der er unbegründet gewesen sei. Der Antrag sei damit in vollem Umfang abzuweisen. Auch bei dem vom Kläger in der Berufungsinstanz gestellten geänderten Klageantrag handele sich um einen Globalantrag, weil er festgestellt haben wolle, dass vom 01.01.2017 bis zum 31.01.2018 die Überbrückungsbeihilfe zu einer Anknüpfleistung iHv. € 860,00 brutto zu zahlen sei. Zum heutigen Zeitpunkt sei jedoch unbekannt, ob der Kläger bis zum 31.01.2018 monatlich € 860,00 brutto verdienen oder ob sein Arbeitsentgelt erneut erhöht werde oder ob er weiterhin 22 Wochenstunden arbeiten könne, zumal er in der Vergangenheit immer wieder auf seine gesundheitlichen Einschränkungen hingewiesen habe. Ebenso sei unbekannt, ob der Kläger nicht vorzeitig einen vorgezogenen Anspruch auf Altersrente, zB. für schwerbehinderte Menschen, erwerbe.

14

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

15

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 25.10.2016, Az. 8 Ca 615/16, abzuändern und die Klage abzuweisen,

16

2. hilfsweise:

17

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 25.10.2016, Az. 8 Ca 615/16, abzuändern und festzustellen, dass dem Kläger auf Grundlage des mit Frau E. Sch., Praxis für Ergotherapie und Psychomotorik, bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie auf Grundlage eines diesbezüglichen Arbeitsverdienstes des Klägers iHv. € 830,00 brutto rückwirkend für die Zeit ab dem 01.11.2015 bis zum 31.12.2016 sowie auf Grundlage eines diesbezüglichen Arbeitsverdienstes oberhalb des gesetzlichen Mindestlohnes für die Zeit ab dem 01.01.2017 und weiterhin bis zum 31.01.2018 die Überbrückungsbeihilfe [nach dem TV SozSich] zusteht.

18

Der Kläger beantragt,

19

die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass ihm auf Grundlage des mit Frau E. Sch., Praxis für Ergotherapie und Psychomotorik, bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie auf Grundlage eines diesbezüglichen Arbeitsverdienstes iHv. € 830,00 rückwirkend für die Zeit ab dem 01.11.2015 bis zum 31.12.2016 sowie auf der Grundlage eines diesbezüglichen Arbeitsverdienstes von € 860,00 brutto monatlich für die Zeit ab dem 01.01.2017 und weiterhin bis zum 31.01.2018 die Überbrückungsbeihilfe [nach dem TV SozSich] zusteht.

20

Er macht geltend, die erstinstanzliche Entscheidung sei sowohl zum Zeitpunkt ihrer Verkündung am 25.10.2016 als auch bei Zustellung des abgefassten Urteils am 22.12.2016 fehlerfrei gewesen. Seinerzeit habe sein Stundenlohn im neuen Arbeitsverhältnis € 8,71 brutto betragen. Der Mindestlohn sei erst ab 01.01.2017 auf € 8,84 erhöht worden. Sein Arbeitsentgelt bei der neuen Arbeitgeberin sei ab 01.01.2017 auf € 860,00 monatlich angehoben worden. Dies habe er der Beklagten auch mitgeteilt. Weil die Beklagte Berufung eingelegt habe, sei das erstinstanzliche Urteil den geänderten Verhältnissen anzupassen.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

22

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.

23

Die Berufung ist nicht wegen Unterschreitung der Berufungssumme unzulässig. Nach § 64 Abs. 2b ArbGG kann Berufung nur eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands € 600,00 übersteigt. Die Beklagte will dem Kläger in den dreizehn Monaten vom 01.01.2017 bis zum 31.01.2018 nicht eine um € 30,00 monatlich geringere, sondern ausweislich ihrer Argumentation zum Hauptantrag keine Überbrückungsbeihilfe zahlen. Die Berufungssumme beträgt daher nicht € 390,00, sondern € 26.759,20.

II.

24

In der Sache hat die - auf die Zeit ab Januar 2017 - begrenzte Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Die Beklagte ist auch in der Zeit vom 01.01.2017 bis zum 31.01.2018 verpflichtet, dem Kläger Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1a TV SozSich zu gewähren.

25

1. Entgegen der Ansicht der Berufung ist die Feststellungsklage mit dem in der Berufung zuletzt gestellten Antrag zulässig. Die Umformulierung des Klageantrags begegnet keinen Bedenken.

26

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage durch das Berufungsgericht ist der der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht (BAG 22.10.2014 - 5 AZR 731/12 - Rn. 15 mwN). Am 22.06.2017, dem Termin der Berufungsverhandlung, betrug der Arbeitsverdienst des Klägers im Arbeitsverhältnis mit Frau Sch. € 860,00 monatlich. Im Anschluss an die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns ab 01.01.2017 wurde das monatliche Arbeitsentgelt des Klägers von € 830,00 auf € 860,00 brutto erhöht. Dem durfte der Kläger durch eine Umformulierung seines Klageantrags Rechnung tragen.

27

Mit seinem Klageantrag ging es dem Kläger ersichtlich in beiden Instanzen darum, zu klären, ob die Beklagte nach dem TV SozSich verpflichtet ist, ihm eine Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitseinkommen zu zahlen, das er im Arbeitsverhältnis mit Frau Sch. erzielt. Damit hat der Kläger in der Berufungsinstanz nichts anderes beantragt als vor dem Arbeitsgericht. Sein Antrag ist von Anfang an dahin zu verstehen, dass nur der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe festgestellt werden soll, der unter Berücksichtigung des jeweiligen monatlichen Einkommens aus dem Arbeitsverhältnis mit Frau Sch. seit 01.11.2015 bestand und zukünftig bis zu seinem voraussichtlichen Renteneintritt nach dem 31.01.2018 bestehen wird (zum Gebot rechtsschutzgewährender Auslegung BAG 22.09.2016 - 6 AZR 397/15 - Rn. 11 mwN). Der umgestellte Feststellungsantrag begegnet nach § 264 Nr. 2 ZPO keinen Bedenken (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 18.08.2016 - 2 Sa 91/16 - Rn. 56). Die Umformulierung des Antrags stellt lediglich eine - einschränkende - Konkretisierung des ursprünglichen Begehrens des Klägers, nicht aber eine teilweise Klagerücknahme dar, so dass sie der Einwilligung der Beklagten nicht bedarf.

28

2. Entgegen der Ansicht der Berufung hat der Kläger keinen von vornherein unbegründeten sog. Globalantrag gestellt; denn die materielle Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen mit Dauerwirkung besteht nur so lange, wie sich die entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht wesentlich ändern (BAG 13.04.2011 - 10 AZR 838/09 – Rn. 12 mwN). Die materielle Rechtskraft der begehrten Feststellung wirkt nur so lange, wie sich die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen nicht wesentlich verändern.

29

3. Entgegen der Ansicht der Berufung ist es ohne Belang, ob und unter welchen Voraussetzungen der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zukünftig in Wegfall geraten kann. Der Kläger geht derzeit davon aus, dass er ab dem 01.02.2018 eine vorgezogene Altersrente mit 63 Jahren beanspruchen kann. Für die gerichtliche Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ist ausschließlich die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegebene Sach- und Rechtslage maßgebend. Es ist nahezu jedem Rechtsverhältnis immanent, dass dieses irgendwann in Zukunft infolge des Eintritts bestimmter Ereignisse oder Änderung der Rechtslage enden kann. Es ist von daher weder Aufgabe der klagenden Partei noch des entscheidenden Gerichts, etwaige, das zur Feststellung beantragte Rechtsverhältnis zukünftig möglicherweise beendenden Ereignisse oder Bedingungen in den Klageantrag bzw. in den Urteilstenor aufzunehmen (so ausdrücklich LAG Rheinland-Pfalz 09.12.2015 - 4 Sa 128/15 - Rn. 26).

30

4. Die Feststellungsklage ist auch für die Zeit ab 01.01.2017 begründet.

31

Nach § 4 Ziff. 1a TV SozSich wird Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt, wenn - was vorliegend unstreitig ist - die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 2 TV SozSich erfüllt sind. Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nach der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1a vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt. Auch diese Anknüpfungsvoraussetzung ist vorliegend aufgrund der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers von 22 Stunden in der Praxis von Frau Sch. erfüllt. Die Beklagte stellt zweitinstanzlich nicht mehr in Abrede, dass der Kläger ab dem 01.11.2015 für Frau Sch. in diesem zeitlichen Umfang tätig ist.

32

Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehen schon nach dem Wortlaut des § 4 Ziff. 1a TV SozSich und der Protokollnotiz keine weiteren Anspruchsvoraussetzungen als eine "anderweitige Beschäftigung" mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mehr als 21 Wochenstunden (so ausdrücklich zuletzt BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 im Anschluss an LAG Rheinland-Pfalz 11.04.2016 - 3 Sa 310/15 sowie LAG Rheinland-Pfalz 07.06.2016 - 6 Sa 328/15; 13.06.2016 - 3 Sa 71/16; 18.08.2016 - 2 Sa 91/16; 15.12.2016 - 5 Sa 249/16; 09.02.2017 - 5 Sa 417/16 und 14.03.2017 - 8 Sa 402/16; sämtlich veröffentlicht in juris). Eine ergänzende Tarifvertragsauslegung kommt gleichfalls nicht in Betracht, es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Tarifvertragsparteien haben lediglich einen Mindestbeschäftigungsumfang festgelegt, ohne ein bestimmtes Entgelt oder ein bestimmtes Beschäftigungsniveau zu verlangen. Sie wollten nicht sicherstellen, dass der Arbeitnehmer ein Mindestmaß an Einkommen erzielt, um so die Leistungen des Bundes zu mindern (BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 - Rn. 15 mwN).

33

Es kann dahinstehen, ob der Anspruch des Klägers auf Überbrückungsbeihilfe am 31.12.2016 vollständig erloschen wäre, wenn das ursprünglich mit Frau Sch. vereinbarte Arbeitsentgelt iHv. € 830,00 den gesetzlichen Mindestlohn ab 01.01.2017 (um € 12,39 pro Monat) unterschritten hätte, wofür wenig spricht. Das monatliche Arbeitsentgelt des Klägers wurde ab 01.01.2017 bei einer vereinbarten Arbeitszeit von 22 Stunden pro Woche auf € 860,00 brutto erhöht, so dass es den gesetzlichen Mindestlohn von € 8,84 je Zeitstunde übersteigt.

III.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

35

Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

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1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich) vom 31.08.1971.

2

Der im Januar 1955 geborene Kläger war von Mai 1979 bis September 2014 in Vollzeit bei den US-Stationierungsstreitkräften, zuletzt als Schlossermeister am Standort Sch. zu einem Grundgehalt nach Gehaltsgruppe D 1-3/E TVAL II iHv. € 3.674,99 brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden der TVAL II und der TV SozSich Anwendung. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde aus militärischen Gründen iSd. § 2 TV SozSich zum 30.09.2014 betriebsbedingt gekündigt. Die US-Streitkräfte zahlten ihm für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung iHv. € 62.805,00. In der Zeit vom 01.10.2014 bis 31.03.2015 wechselte der Kläger in eine aus Anlass der Schließung des Standorts Sch. gegründete Transfergesellschaft. Im April 2015 war er einen Monat arbeitslos. Die Beklagte zahlte ihm zum Arbeitslosengeld iHv. € 1.569,60 (netto) Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich.

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Die hier maßgeblichen Bestimmungen des TV SozSich lauten:

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㤠2
Anspruchsvoraussetzungen

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Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben Arbeitnehmer, die

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1. wegen Personaleinschränkung

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a) infolge einer Verringerung der Truppenstärke
b) … aus militärischen Gründen … entlassen werden, wenn sie

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2. im Zeitpunkt der Entlassung

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a) seit mindestens einem Jahr vollbeschäftigt sind,
b) mindestens fünf Beschäftigungsjahre … nachweisen können und das 40. Lebensjahr vollendet haben,
c) …
d) die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes oder des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen, und ihnen

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3. keine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV AL II angeboten worden ist. …

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§ 3
Eingliederung

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1. Der entlassene Arbeitnehmer soll möglichst sofort in den Arbeitsprozess wieder eingegliedert werden.

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2. Der Arbeitnehmer hat sich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitsuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden. Er hat, soweit zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess erforderlich, an beruflichen Bildungsmaßnahmen … teilzunehmen.

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3. Die Bundesregierung wird bemüht sein, für die bevorzugte Einstellung entlassener deutscher Arbeitnehmer in den Bundesdienst Sorge zu tragen. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Bundesregierung wird außerdem darauf hinwirken, dass deutsche Arbeitnehmer im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten von anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes bevorzugt berücksichtigt werden.

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§ 4
Überbrückungsbeihilfe

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1. Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt:

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a) zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte,
b) zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit …
c) zum Krankengeld … oder zum Verletztengeld …

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4. Die Überbrückungsbeihilfe beträgt:

20

im    

1. Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

100 v.H.

vom     

2. Jahr an

  90 v.H.

21

des Unterschiedsbetrages zwischen der Bemessungsgrundlage
(Ziff. 3a oder b) und den Leistungen gemäß vorstehenden Ziff. 1 und 2. …

22

5a. Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung …

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25 Beschäftigungsjahre (…) und das 50. Lebensjahr vollendet haben, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziff. 1 bis 4 ohne zeitliche Begrenzung. …

24

Protokollnotiz zu Ziffer 1a

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Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt."

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Am 21.04.2015 wandte sich der Kläger an die zuständige Lohnstelle ausländische Streitkräfte (LaS) und legte ihr den Entwurf eines Arbeitsvertrages mit dem Zeugen E. vor, der einen Meisterbetrieb für Haustechnik (Elektro-, Heizungs-, Solar- und Wasserinstallation) unterhält. Der Kläger erklärte, dass er am 01.05.2015 die Stelle antreten könne, wenn die Beklagte ihr "Okay" zu diesem Vertrag gebe. Die LaS lehnte eine verbindliche Vorabprüfung des Entwurfs ab, wies aber darauf hin, dass der Mindestlohn für das Elektrohandwerk nicht gewahrt sei. Der Kläger legte daraufhin einen zweiten Entwurf mit einer angehobenen Stundenvergütung vor. Mit Datum vom 30.04.2015 schloss er einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit dem Zeugen E. ab. Laut Vertragstext wurde er ab 01.05.2015 als Lagerarbeiter zu einer Bruttovergütung von € 990,00 monatlich mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 22 Wochenstunden eingestellt. Auf Anforderung der Beklagten gab der Zeuge E. mit Schreiben vom 14.09.2015 folgende Erklärung ab:

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"Tätigkeiten

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Zu 5.

29

Herr A. räumt angelieferte Ware (Heizungs-, Sanitär- und Elektromaterial) im Lager und in unser 2 Servicefahrzeuge ein.
Auf Baustellen Material zum Arbeitsplatz bringen. Nicht benötigtes Material wieder in Fahrzeuge bzw. ins Lager einräumen.
Lager und Fahrzeuge reinigen.

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Zu 6.

31

Nein

32

Zu7

33

Wir beschäftigen nur 2 Gesellen

8.

34

Herr A. arbeitet Montag und Dienstag von 8 bis 16 Uhr 30
Mittwoch 8 bis 14 Uhr 30.
Die Mittagspause beträgt täglich 30 Minuten."

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Der Zeuge E. kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 13. zum 31.10.2015.

36

Die Beklagte weigert sich, dem Kläger für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 Überbrückungsbeihilfe zu zahlen. Nach vergeblicher Geltendmachung erhob der Kläger am 04.11.2015 die vorliegende Feststellungsklage. Er hat in der Berufungsinstanz klargestellt, dass er mit der Anrechnung einer Verletztenrente, die er seit mehreren Jahren von der Berufsgenossenschaft Holz und Metall bezieht, auf die Überbrückungsbeihilfe einverstanden ist.

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Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

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festzustellen, dass ihm auf Grundlage seines mit der Firma E., Haustechnik, X., bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie auf Grundlage seines Arbeitsverdienstes iHv. monatlich € 990,00 (brutto) rückwirkend für die Zeit vom 01.05. bis zum 31.10.2015 die Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich zusteht.

39

Die Beklagte hat beantragt,

40

die Klage abzuweisen.

41

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 31.03.2016 stattgegeben. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

42

Die Beklagte hat gegen das am 19.05.2016 zugestellte Urteil mit am 07.06.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.08.2016 mit am 16.08.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

43

Die Beklagte ist der Ansicht, die Feststellungsklage sei bereits unzulässig. Der Kläger habe in einem Folgeprozess vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern (Az. 8 Ca 815/16) zu erkennen gegeben, dass die Verletztenrente, die ihm die Berufsgenossenschaft gewähre, nicht auf die Überbrückungsbeihilfe anzurechnen sei. Eine Rechtsbefriedung sei daher durch die Feststellungsklage nicht zu erwarten.

44

Die Feststellungsklage sei jedenfalls unbegründet. Im aktuellen Online-Telefonbuch "Das Örtliche" sei eine kostenpflichtige Werbeanzeige "Schlüsseldienst A." zu finden. Als Inhaberin des Schlüsseldienstes sei die Ehefrau des Klägers benannt; als Firmensitz sei dessen Wohnanschrift angegeben. Ferner seien im Internet Fotos veröffentlicht, die die Schlosserei bereitgestellt habe, ua. das Schild " A., Schlosserei Metallbau Schlüsseldienst". Der Kläger behaupte zwar, dass er den Betrieb zum 27.03.2012 aufgegeben habe. Dies werde vor dem Hintergrund der Werbeanzeige im aktuellen Telefonbuch bestritten. Die Beklagte bestreitet im Übrigen mit Nichtwissen, dass der Kläger montags und dienstags von 8:00 bis 16:30 Uhr und mittwochs von 8:00 bis 14:30 Uhr mit einer jeweils halbstündigen Pause im Handwerksbetrieb des Zeugen E. gearbeitet habe. Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem Zeugen E. überhaupt gelebt worden sei und dass der Kläger als ungelernte Kraft und in der Regel mehr als 21 Wochenstunden gearbeitet habe.

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Sie macht außerdem geltend, im Umland von W. herrsche Vollbeschäftigung. Gerade die Beschäftigungssituation für Facharbeiter sei als gut zu bezeichnen. Die Bundesagentur für Arbeit habe am Wohnort des Klägers und seiner näheren Umgebung mittlerweile mehr als 200 offene Stellen für Schlosser. Sie bestreitet, dass sich der Kläger ernsthaft darum bemüht habe, in seiner angestammten Tätigkeit als Schlosser(meister) in Vollzeit zu arbeiten. Der Kläger sei verpflichtet, sich anzustrengen, um wieder einen gleichwertigen Arbeitsplatz - sowohl die Vergütung als auch die Arbeitszeit betreffend - zu erlangen. Damit sei nicht vereinbar, wenn er sich mit einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von lediglich 22 Wochenstunden und einer Tätigkeit als ungelernte Kraft zu einem geringen Stundenlohn begnüge. Sinn und Zweck des TV SozSich rechtfertige es nicht, dass der Kläger mit dem geringstmöglichen Arbeitsaufwand ein Maximum an Steuergeldern beanspruchen könne. Es liefe erst recht den Zielvorstellungen des TV SozSich zuwider, wenn sich der Kläger mit einer niedrigen Wochenarbeitszeit in einem Arbeitsverhältnis zufrieden geben könnte, um nebenher einer selbständigen Tätigkeit mit seiner Schlosserei nachzugehen. Schließlich verhalte sich der Kläger missbräuchlich, weil ein Missverhältnis zwischen dem eigenen Verdienst von € 990,00 und der begehrten Überbrückungsbeihilfe von über € 2.500,00 vorliege.

46

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 31.03.2016, Az. 2 Ca 1403/15, abzuändern und die Klage abzuweisen.

48

Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

50

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er habe schon Jahre vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Einverständnis mit den US-Stationierungsstreitkräften eine Schlosserei als Nebenerwerb betrieben. Diesen Nebenerwerb habe er im Jahr 2012 aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Er habe den ohnehin nur kleinen Betrieb eingestellt und auch formell abgemeldet. Seine Ehefrau habe als Nebenerwerb eine Quelle-Agentur betrieben. Weder er noch seine Ehefrau hätten Fotos im Internet veröffentlicht oder diesbezüglich Verträge abgeschlossen. Das Schild " A., Schlosserei Metallbau Schlüsseldienst" sei schon 2012 vom Haus abgehängt worden. Aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme sei er überhaupt nicht mehr in der Lage gewesen, die Schlosserei zu betreiben. Deshalb beziehe er auch die Verletztenrente der Berufsgenossenschaft. Er habe im Betrieb des Zeugen E. im arbeitsvertraglich vereinbarten Umfang von 22 Wochenstunden tatsächlich gearbeitet. Er habe seine Arbeit am Montag, dem 04.05.2015 aufgenommen. Die Angaben des Zeugen E. im Schreiben vom 14.09.2015 seien zutreffend.

51

Die Berufungskammer hat über die Frage, ob der Kläger in der Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 als Lagerarbeiter mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 22 Stunden im Handwerksbetrieb des Zeugen E. tatsächlich gearbeitet hat, Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15.12.2016 Bezug genommen.

52

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

53

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.

II.

54

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage zu Recht stattgegeben.

55

1. Die Feststellungsklage ist entgegen der Ansicht der Berufung zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe soll für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 festgestellt werden, für die die Beklagte keine Zahlung geleistet hat. Dabei soll der Anspruch festgestellt werden, der unter Berücksichtigung des monatlichen Einkommens iHv. € 990,00 brutto aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Zeugen E. bestand. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer durch ausdrückliche Erklärung zu Protokoll klargestellt, dass er damit einverstanden ist, dass die Verletztenrente, die ihm die Berufsgenossenschaft Holz und Metall gewährt, auf die Überbrückungsbeihilfe angerechnet wird.

56

Der grundsätzlich geltende Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht entgegen, obwohl der Kläger den Anspruch beziffern könnte. Bei der beklagten Bundesrepublik ist davon auszugehen, dass sie die Urteile staatlicher Gerichte vollzieht, auch wenn kein vollstreckbarer Titel vorliegt (vgl. BAG 16.07.1998 - 6 AZR 672/96 - zur Überbrückungsbeihilfe). Zu einer gegenteiligen Annahme besteht im vorliegenden Fall keine Veranlassung.

57

Der von § 256 Abs. 1 ZPO verlangte Gegenwartsbezug des Rechtsverhältnisses wird dadurch hergestellt, dass der Kläger die Erfüllung konkreter Ansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit gegenwärtige rechtliche Vorteile erstrebt (vgl. zB BAG 16.05.2013 - 6 AZR 680/11 - Rn. 18 mwN).

58

2. Die Klage ist begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Überbrückungsbeihilfe zusteht.

59

a) Überbrückungsbeihilfe wird nach § 4 Ziff. 1a TV SozSich zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt, wenn - was vorliegend unstreitig ist - die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 TV SozSich gegeben sind. Nach der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1a TV SozSich liegt eine „anderweitige Beschäftigung“ nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als nur 21 Stunden beträgt.

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b) Die Tätigkeit des Klägers im Handwerksbetrieb des Zeugen E. mit 22 Wochenstunden in der Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 zu einer monatlichen Vergütung von € 990,00 brutto gemäß den Bestimmungen des Arbeitsvertrages vom 30.04.2015 stellt eine derartige zum Bezug von Überbrückungsbeihilfe berechtigende Anknüpfungsbeschäftigung iSd. Tarifvertrages dar.

61

Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung der Berufungskammer (§ 286 ZPO) zweifelsfrei fest, dass der Kläger in der Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 tatsächlich im Betrieb des Zeugen E. auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 30.04.2015 im Umfang von 22 Wochenstunden gearbeitet hat.

62

Der Zeuge E. hat bei seiner Vernehmung bekundet, dass er den Kläger in der Zeit vom 01.05. bis zum 31.10.2015 in seinem Handwerksbetrieb überwiegend als Lagerarbeiter beschäftigt habe. Die Arbeitszeit sei nicht so starr festgelegt worden, dass er den Kläger immer zu den festen Zeiten eingesetzt habe, die in seinem Antwortschreiben vom 14.09.2015 aufgeführt seien. Wenn der Kläger bspw. auf einer Baustelle geholfen habe, sei er bis zur Fertigstellung der Arbeiten geblieben. In einem solchen Fall sei er dann am Folgetag später gekommen oder früher gegangen. Der Kläger habe nur Hilfsarbeiten verrichtet. Zu Beginn seiner Beschäftigung habe er das Lager aufgeräumt. Weil die Aufräumarbeiten in den letzten zwei, drei Jahren vernachlässigt worden seien, habe er damit zunächst genug zu tun gehabt. Der Kläger habe außerdem Arbeitsmaterial zu den Baustellen gebracht. Soweit er mit seiner geschädigten rechten Hand dazu in der Lage gewesen sei, habe der Kläger auf den Baustellen auch den Monteuren geholfen. Als Schlosser habe er ihn aufgrund seiner Behinderung nicht beschäftigen können.

63

Auf den Vorhalt der Beklagten, dass er in seinem Antwortschreiben vom 14.09.2015 angegeben habe, der Kläger werde montags und dienstags von 8.00 bis 16:30 Uhr und mittwochs von 8:00 bis 14:30 Uhr (mit einer täglichen Mittagspause von 30 Minuten) beschäftigt, hat der Zeuge geantwortet, er habe nicht streng darauf geachtet, dass der Kläger exakt zu diesen Zeiten gearbeitet habe. Der Kläger habe ihm die geleisteten Arbeitsstunden auf Arbeitszetteln notiert und selbst auf die Einhaltung seiner Arbeitszeit von 22 Wochenstunden geachtet. Er habe keinen Zweifel daran, dass der Kläger die vereinbarten 22 Stunden pro Woche gearbeitet habe. Wenn ein Arbeitnehmer korrekt sei, müsse er nicht jede Minute kontrollieren. Die ausgefüllten Arbeitszettel habe er seinem Steuerberater gegeben, der den Lohn abrechnet habe. Er habe den Kläger wieder entlassen, weil er nicht genügend Arbeit für ihn gehabt habe. Wegen seiner Probleme mit der rechten Hand, habe er den Kläger nicht überall einsetzen können.

64

Die Darstellung des Zeugen E. war ohne Einschränkung glaubhaft. Es gibt für die Kammer nach dem persönlichen Eindruck, den sie von dem Zeugen während seiner Vernehmung gewonnen hat, keinen Anhaltspunkt daran zu zweifeln, dass der Kläger im streitigen Zeitraum tatsächlich in dessen Handwerksbetrieb (Heizung, Elektro, Sanitär) als Hilfsarbeiter gearbeitet hat. Die Kammer ist aufgrund der Aussage des Zeugen auch davon überzeugt, dass der Kläger regelmäßig 22 Wochenstunden gearbeitet hat. Gegen die Gewissenhaftigkeit des Zeugen spricht nicht, dass er in seinem Antwortschreiben vom 14.09.2015 feste Arbeitszeiten angegeben hat, die nach seiner Aussage nicht starr eingehalten worden sind. Der Zeuge hat plausibel und nachvollziehbar geschildert, dass er den Angaben des Klägers auf den Arbeitszetteln vertraut hat. Der Zeuge beschäftigt in seinem kleinen Handwerksbetrieb zwei Monteure und arbeitet selbst bei seinen Kunden auf der Baustelle. Es besteht für die Kammer kein Zweifel daran, dass der Kläger die Arbeitsstunden, die der Zeuge abgerechnet und bezahlt hat, auch tatsächlich erbracht hat. Das erhebliche Misstrauen, dass die Beklagte dem Kläger entgegenbringt, hatte der Zeuge nicht. Es ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht gerechtfertigt.

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c) Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehen nach dem Wortlaut des § 4 Ziff. 1a TV SozSich und der Protokollnotiz keine weiteren Anspruchsvoraussetzungen als eine "anderweitige Beschäftigung" mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mehr als 21 Wochenstunden (so ausdrücklich BAG 22.12.1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 17; sich anschließend LAG Rheinland-Pfalz 11.04.2016 - 3 Sa 310/15; 07.06.2016 - 6 Sa 328/15; 13.06.2016 - 3 Sa 71/16; 18.08.2016 - 2 Sa 91/16).

66

Insbesondere ist nicht entscheidend, wie hoch das Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung des Arbeitnehmers ist. Nach dem Wortlaut des § 4 Ziff. 1a TV SozSich hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu diesem Arbeitsentgelt, ohne dass es auf dessen Höhe ankommt. Der von den Tarifvertragsparteien gewählte Begriff "Überbrückungsbeihilfe" besagt nicht, dass diese stets niedriger sein muss als das übrige Einkommen, sondern nur, dass sie beim Übergang in ein Arbeitsverhältnis mit niedrigeren Bezügen helfen soll. Für eine andere Auslegung findet sich im Tarifwortlaut kein Hinweis (so schon BAG 22.12.1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 19).

67

Weiterhin lässt sich dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, soweit er in den Tarifnormen seinen Niederschlag gefunden hat, auch unter Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs nicht entnehmen, dass das Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung höher sein muss als das Arbeitslosengeld, das der Arbeitnehmer erhielte. Die Fallgruppen des § 4 Ziff. 1 TV SozSich stehen unabhängig nebeneinander und erlauben nicht den Schluss, das Arbeitsentgelt müsse mindestens die Höhe des Arbeitslosengeldes erreichen. Eine solche Annahme würde auch dem nach § 3 TV SozSich auf Wiedereingliederung des entlassenen Arbeitnehmers gerichteten tariflichen Regelungskonzept widersprechen. Die Überbrückungsbeihilfe soll einen Anreiz darstellen, damit der Arbeitnehmer entweder eine anderweitige Beschäftigung aufnimmt oder zumindest der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Als für den Tarifanspruch nicht ausreichend ist nach der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1a TV SozSich nur eine anderweitige Beschäftigung mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 21 Stunden oder weniger anzusehen. Obwohl die Tarifparteien das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs somit erkannt haben, haben sie für die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur eine Mindestarbeitszeit, nicht aber einen Mindestlohn vorgeschrieben. Daran sind die Gerichte gebunden. Dem Tarifvertrag ist auch nicht zu entnehmen, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sein soll, Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen, wenn der Lohn für eine verfügbare Beschäftigung niedriger ist als dieses (BAG 22.09.2016 - 6 AZR 397/15 - Rn. 15; 22.12.1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 19-23; LAG Rheinland-Pfalz 11.04.2016 - 3 Sa 310/15; 07.06.2016 - 6 Sa 328/15; 13.06.2016 - 3 Sa 71/16; 18.08.2016 - 2 Sa 91/16).

68

Soweit die Beklagte hervorhebt, dass es sich bei der Überbrückungsbeihilfe um eine steuerfinanzierte soziale Leistung handele (zuletzt BAG 22.09.2016 - 6 AZR 397/15 - Rn. 15), lassen sich daraus keine weiteren Anspruchsvoraussetzungen dergestalt herleiten, dass ein ehemaliger Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte alle Anstrengungen unternehmen müsste, um ein möglichst gleichwertiges Arbeitsverhältnis - sowohl in Bezug auf die Arbeitszeit als auch auf die Vergütung - einzugehen. Die Überbrückungsbeihilfe soll gerade einen Anreiz dafür darstellen, dass der Arbeitnehmer eine anderweitige Beschäftigung aufnimmt und dadurch wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert wird. Durch die Überbrückungsbeihilfe soll der Lebensunterhalt älterer, langjährig beschäftigter Arbeitnehmer, die betriebsbedingt entlassen worden sind, gesichert werden. Nachteile, die sich aus einem geringeren Arbeitsverdienst in einem neuen Arbeitsverhältnis oder aufgrund von Arbeitslosigkeit ergeben, sollen überbrückt werden. Zugleich soll ein Anreiz dafür geschaffen werden, dass der Arbeitnehmer durch Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte im Arbeitsprozess bleibt. Dieser Anreiz soll auch bestehen, wenn der Arbeitnehmer dafür eine Vergütung erhält, die den bei den Stationierungsstreitkräften erzielten Verdienst oder sogar das Arbeitslosengeld unterschreitet (so ausdrücklich BAG 22.09.2016 - 6 AZR 397/15 - Rn. 15 mwN).

69

Im Hinblick auf diese Anreizfunktion kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, dass er mit dem von ihm eingegangenen Teilzeitarbeitsverhältnis den Erhalt von Überbrückungsbeihilfe bezweckt. Er ist auch nicht verpflichtet, über die tariflich vorgeschriebene Mindestarbeitszeit hinaus eine Vollzeittätigkeit zu übernehmen (so auch LAG Rheinland-Pfalz 11.04.2016 - 3 Sa 310/15; 07.06.2016 - 6 Sa 328/15; 13.06.2016 - 3 Sa 71/16; 18.08.2016 - 2 Sa 91/16; jeweils mwN). Die Tarifvertragsparteien haben sich bewusst für eine Begrenzung auf eine Mindestarbeitszeit, nicht aber für eine Mindesthöhe des anderweitig erzielten Entgelts entschieden. Sie haben die Grenze von 21 Stunden nicht willkürlich gegriffen, sondern sich an der im Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrags geltenden Regelarbeitszeit von 42 Stunden orientiert (siehe BAG 31.07.2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 21). Ausgehend vom Regelungszweck des TV SozSich kam es den Tarifvertragsparteien offenkundig nicht auf ein Mindestmaß an Einkommen und damit eine Minderung der Leistungen des Bundes an. Vielmehr wollten sie sicherstellen, dass Arbeitnehmer mit Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe durch die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit ursprünglich mehr als 50% des Arbeitsvolumens eines Vollzeitbeschäftigten überhaupt eine Erwerbstätigkeit in mehr als geringfügigem Umfang iSd. bei Abschluss des TV SozSich (im Jahr 1971) geltenden § 102 AFG ausüben und sich so wieder in den Arbeitsmarkt eingliedern (so ausdrücklich BAG 31.07.2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 21 mwN).

70

d) Der Anspruch des Klägers auf die Überbrückungsbeihilfe entfällt auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB).

71

aa) Darin, dass der Kläger seine Rechte aus dem TV SozSich voll ausschöpft, kann für sich allein kein Rechtsmissbrauch gesehen werden. Wie oben bereits ausgeführt, genügt nach den tariflichen Bestimmungen eine anderweitige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mehr als 21 Wochenstunden, um die Überbrückungsbeihilfe beanspruchen zu können. Entgegen der Ansicht der Berufung kann der Missbrauchseinwand deshalb nicht allein damit begründet werden, dass der Kläger ein Arbeitsverhältnis mit nur 22 Wochenstunden und einem Monatsverdienst von nur € 990,00 eingegangen ist. Dass diese Möglichkeit besteht, war der Beklagten bereits bei Abschluss des Tarifvertrags im Jahr 1971 - spätestens seit der Entscheidung des BAG vom 22.12.1994 (6 AZR 337/94) - bekannt, ohne dass sie hieraus Folgerungen gezogen hat. Es hätte nahegelegen, den Tarifvertrag zu kündigen und mit den tarifvertragsschließenden Gewerkschaften (ua. ver.di, IG Metall) in Verhandlungen einzutreten, um die angestrebte Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen für die ehemaligen Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte zu erreichen. Dies ist nicht geschehen.

72

Die moralisierende Erwägung der Beklagten, es sei nicht gerechtfertigt, dass der Kläger mit dem geringstmöglichen Arbeitsaufwand ein Maximum an Steuergeldern beanspruchen könne, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Es ist noch kein Rechtsmissbrauch, wenn ein Berechtigter die Interessen des Verpflichteten unberücksichtigt lässt. Haben sich die Tarifvertragsparteien - wie hier - bewusst für eine Begrenzung auf eine Mindestarbeitszeit, nicht aber für eine Mindesthöhe des anderweitig erzielten Entgelts entschieden (vgl. BAG 31.07.2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 21), darf diese Rechtslage nicht über § 242 BGB zu Lasten der Arbeitnehmer verschärft werden. Dies würde bedeuten, sich über den klar erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien hinwegzusetzen.

73

Das Vorbringen der Beklagten läuft letztlich darauf hinaus, über den Einwand des Rechtsmissbrauchs allgemein anspruchsverschärfende Tatbestandsmerkmale für die Geltendmachung der tarifvertraglichen Überbrückungsbeihilfe aufzustellen, die die Tarifvertragsparteien nicht normiert haben. Eine Auslegung des TV SozSich im Sinne der Beklagten wäre ein unzulässiger Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG). Hierdurch würden entgegen dem Willen der Tarifvertragsparteien ergänzende tarifvertragliche Regelungen geschaffen (st. Rspr., vgl. zB BAG 17.10.2012 - 10 AZR 716/11 - Rn. 27 mwN; so ausdrücklich auch LAG Rheinland-Pfalz 13.06.2016 - 3 Sa 71/16 - Rn. 108).

74

bb) Auch nach den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls kann dem Kläger kein Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden. Im Streitfall kann insbesondere nicht angenommen werden, dass der Wert der Arbeitsleistung des Klägers im Handwerksbetrieb des Zeugen E. in einem auffälligen Missverhältnis zu der hierfür gezahlten Vergütung stand. Der Zeuge E. hat bei seiner Vernehmung nachvollziehbar geschildert, dass er den Kläger wegen seiner Behinderung an der rechten Hand nicht als Schlosser beschäftigt hat. Den ab 01.01.2015 geltenden Mindestlohn im Elektrohandwerk von € 10,10 brutto hat der Zeuge - auf den unzutreffenden Hinweis der Beklagten - gezahlt, obwohl der Kläger unstreitig keine elektro- und informationstechnischen Tätigkeiten verrichtet hat.

75

Dass der Kläger einen Lohn vereinbart hätte, der unter der üblichen Vergütung für Hilfsarbeiter liegt, obwohl ihm Angebote mit höherer Vergütung vorgelegen hätten, hat die Beklagte nicht unter Benennung konkreter Stellen dargelegt. Das bloße Zurückgreifen auf allgemein von der Arbeitsverwaltung als offen gemeldete Stellen genügt nicht, um den Einwand des Rechtsmissbrauchs zu begründen (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 11.04.2016 - 3 Sa 310/15; 07.06.2016 - 6 Sa 328/15; 13.06.2016 - 3 Sa 71/16; 18.08.2016 - 2 Sa 91/16).

76

Der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Beklagte behauptet, der Kläger habe seine Schlosserei, die er erlaubtermaßen neben seinem Arbeitsverhältnis mit den US-Stationierungsstreitkräften geführt hat, nicht im März 2012 aus gesundheitlichen Gründen stillgelegt. Der bloße Hinweis auf Eintragungen und Bilder, die im Internet veröffentlicht und von der Beklagten über Suchmaschinen gefunden worden sind, spricht nicht gegen die vom Kläger behauptete Stilllegung. Da Einträge im Internet nicht von selbst verschwinden und nicht ohne weiteres getilgt werden können, lässt die bloße Netzpräsenz noch keinen Rückschluss darauf zu, dass der Kläger neben seinem Arbeitsverhältnis mit dem Zeugen E. im hier maßgeblichen Zeitraum vom 01.05. bis 31.10.2015 noch einem selbstständigen Nebenerwerb nachgegangen ist. Selbst wenn der Kläger den Schlüsseldienst als Nebenerwerb noch betreiben oder - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer thematisiert hat - seine Ehefrau in der Quelle-Agentur unterstützen sollte, sind dies keine Umstände, die den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers erlauben. Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit sind nicht auf die Überbrückungsbeihilfe anzurechnen (so ausdrücklich BAG 01.10.1998 - 6 AZR 228/97 - Rn. 50). Selbst wenn der Kläger einen selbständigen Nebenerwerb aufrechterhalten haben sollte, den er unstreitig bereits während des Arbeitsverhältnisses mit den US-Stationierungsstreitkräften ausgeübt hat, läge kein Rechtsmissbrauch vor. Typische Gefälligkeiten unter Ehegatten oder schlichte familiäre Hilfeleistungen sind der Privatsphäre zuzurechnen; von der Entgeltlichkeit derartiger Dienste kann regelmäßig nicht ausgegangen werden. Der Kläger verhält sich deshalb nicht treuwidrig, wenn er in seiner Freizeit seine Ehefrau unterstützt. Er muss sich nicht entgegenhalten lassen, er habe gegenüber seiner Ehefrau auf Arbeitsentgelt verzichtet (vgl. BSG 06.11.1997 - 11 RAr 39/97 - Rn. 16). Der Verzicht setzte einen Anspruch auf Arbeitsentgelt voraus, für den eine Grundlage nicht ersichtlich ist.

77

e) Ob das Verhalten der Beklagten rechtsmissbräuchlich ist, wie die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz in der Entscheidung vom 13.06.2016 (3 Sa 71/16 - Rn. 109) angenommen hat, kann hier dahinstehen. Jedenfalls lässt sich dem Vorbringen der Beklagten auch im Streitfall nicht entnehmen, dass sie - und zwar bezogen auf den Kläger - irgendwelche Aktivitäten iSd. § 3 Ziff. 3 TV SozSich entfaltet hätte, um ihm im Umland von W. eine Tätigkeit als Schlossermeister im Bundesdienst oder allgemein im öffentlichen Dienst zu einer Vergütung von knapp € 3.700,00 brutto zu besorgen.

III.

78

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

79

Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Bundesregierung kann die von der Mindestlohnkommission vorgeschlagene Anpassung des Mindestlohns durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates für alle Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbindlich machen. Die Rechtsverordnung tritt am im Beschluss der Mindestlohnkommission bezeichneten Tag, frühestens aber am Tag nach Verkündung in Kraft. Die Rechtsverordnung gilt, bis sie durch eine neue Rechtsverordnung abgelöst wird.

(2) Vor Erlass der Rechtsverordnung erhalten die Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Vereinigungen von Arbeitgebern und Gewerkschaften, die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften, die Wohlfahrtsverbände sowie die Verbände, die wirtschaftliche und soziale Interessen organisieren, Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme. Die Frist zur Stellungnahme beträgt drei Wochen; sie beginnt mit der Bekanntmachung des Verordnungsentwurfs.

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.

(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 13. Juni 2012 - 2 Sa 675/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anrechnung individueller Entgelterhöhungen auf ERA-Besitzstandszulagen.

2

Die Klägerin ist bei der Beklagten am Standort E beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit die zwischen dem Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie e.V. und der Industriegewerkschaft Metall geschlossenen Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Anwendung, insbesondere der Entgeltrahmentarifvertrag vom 1. November 2005 (im Folgenden ERA-TV), der ERA-Einführungstarifvertrag vom 1. November 2005 (im Folgenden ERA-ETV), der Tarifvertrag ERA-Anpassungsfonds vom 19. Dezember 2003 (im Folgenden TV-ERA-Anpassungsfonds) sowie der Manteltarifvertrag vom 23. Juni 2008 (im Folgenden MTV).

3

Im ERA-ETV ist ua. geregelt:

        

㤠5 Besitzstandsregelung

        

1.    

Aus Anlass der erstmaligen Anwendung des ERA-TV darf nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften für den einzelnen Arbeitnehmer keine Minderung seines bisherigen tariflichen Entgelts, bestehend aus tariflichem Grundlohn zuzüglich individueller Leistungszulage bzw. Akkordmehrverdienst oder Prämie oder tariflichem Gehalt zuzüglich individueller Leistungszulage, erfolgen.

        

2.    

Für den Fall, dass das bisherige tarifliche Entgelt zum Stichtag der Ersteinführung des ERA-TV das neue tarifliche ERA-Entgelt überschreitet, erfolgt die Sicherung des Einkommens durch Ausweisung einer Entgeltdifferenz in dieser Höhe.

                 

…     

        

3.    

Eine Entgeltdifferenz gem. Ziff. 2 in Höhe von bis zu 10% des bisherigen tariflichen Entgelts wird als Ausgleichszulage, eine darüber hinausgehende Differenz als Überschreiterzulage zuzüglich zum neuen tariflichen ERA-Entgelt gezahlt.

                 

Die Überschreiterzulage nimmt an Tariferhöhungen teil. Die Ausgleichszulage vermindert sich entsprechend.

                 

Die Ausgleichszulage nimmt nicht an Tariferhöhungen teil. Sie wird reduziert um die erste Erhöhung des Tarifentgelts in voller Höhe. Dies kann frühestens zwölf Monate nach der Mitteilung der Ersteingruppierung an den Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber gem. § 3 Ziff. 10 erfolgen. Alle nachfolgenden Erhöhungen der Tarifentgelte werden bis auf 1%-Punkt des tariflichen Erhöhungsprozentsatzes auf die verbliebene Ausgleichszulage angerechnet.

        

4.    

Auf die Ausgleichszulage und die Überschreiterzulage werden in voller Höhe angerechnet:

                 

-       

individuelle Erhöhungen des Grundentgeltanspruches zzgl. daraus resultierender Erhöhungen des leistungsabhängigen Entgelts;

                 

-       

Erhöhungen der Erschwerniszulagen.

        

…“    

        
4

Im TV-ERA-Anpassungsfonds heißt es ua.:

        

„§ 2 Präambel

        

Der ERA-Anpassungsfonds dient der Sicherstellung eines gleitenden Übergangs vom heutigen Tarifsystem auf das ERA-Entgeltsystem für alle Beteiligten. …

        

…“    

5

Die Beklagte führte ERA zum 1. April 2007 ein. Die Klägerin wurde neu eingruppiert. Ihr Monatsentgelt setzte sich zunächst ua. aus dem Grundentgelt nach Entgeltgruppe 02/B0 sowie einer Ausgleichszulage und einer Überschreiterzulage nach § 5.3 ERA-ETV zusammen.

6

Seit Mai 2009 übt die Klägerin eine andere Tätigkeit aus. Sie ist seither in die Vergütungsgruppe 03/B0 eingruppiert. Die Beklagte rechnete die aus der Höhergruppierung resultierende individuelle Entgelterhöhung zunächst auf die Überschreiterzulage an. Diese entfiel damit insgesamt. Einen Teil des Restbetrags rechnete sie auf die Ausgleichszulage an und zahlte diese ab Mai 2009 nur noch in reduzierter Höhe aus.

7

Die Beklagte zog die Erhöhung der tariflichen Entgelte um 2,7 % zum 1. April 2011 auf den 1. Februar 2011 vor. 1,7 % hiervon rechnete sie auf die verbliebene Ausgleichszulage an. Ab 1. Februar 2011 zahlte sie der Klägerin ein Monatsentgelt, das sich ua. aus dem Grundentgelt nach Vergütungsgruppe 03/B0 und der - nochmals - reduzierten Ausgleichszulage zusammensetzte.

8

Mit ihrer am 18. April 2011 eingereichten, mehrfach erweiterten Klage begehrt die Klägerin ab Februar 2011 die Zahlung von monatlich weiteren 41,60 Euro brutto. Sie ist der Ansicht, die durch die Höhergruppierung bewirkte individuelle Erhöhung ihres Entgelts sei zunächst auf die Ausgleichszulage anzurechnen gewesen. Der Tarifvertrag sehe keine lediglich temporäre Sicherung des Besitzstands vor. Die Reihenfolge „Ausgleichszulage vor Überschreiterzulage“ sei in § 5.4 ERA-ETV mit Bedacht gewählt worden, um die Rangfolge der Anrechnung vorzugeben. Die unterschiedliche Wertigkeit der Zulagen - in Gestalt einer flüchtigen Ausgleichszulage und einer perspektivisch angelegten Überschreiterzulage - sei auch bei der Anrechnung individueller Entgelterhöhungen zu berücksichtigen. Die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung könne zudem wegen fehlender Beteiligung des Betriebsrats nicht aufrechterhalten bleiben.

9

Die Klägerin hat in den Vorinstanzen sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 416,00 Euro brutto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, beginnend ab 1. Dezember 2011 an sie für jeden Monat bis spätestens zum jeweiligen Monatsende 41,60 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem ersten Tag des jeweiligen Folgemonats zu zahlen, unter der Bedingung, dass der Bestand und der Inhalt des Arbeitsverhältnisses unverändert bleiben, die in diesem Rahmen erbrachten Arbeitsleistungen vertragsgemäß sind bzw. die Voraussetzungen der Ausnahmetatbestände, wie Annahmeverzug, nicht durch die Klägerin zu vertretende Unmöglichkeit der Arbeitsleistung, Arbeitsverhinderung aus persönlichen Gründen, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder an Feiertagen, Erholungsurlaub oder Betriebsrisiko, die trotz Nichtarbeit die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes in bisheriger Höhe anordnen, erfüllt sind und der Anspruch nicht durch die gesetzlich vorgesehenen Fälle von Mutterschutz und Elternzeit sowie Pflegezeit entfällt.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Einführung von ERA sei mit dem Ziel erfolgt, die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten beim Entgelt, also die Existenz zweier verschiedener Entgeltlinien aufzuheben. Individuelle Entgelterhöhungen seien deshalb vorrangig auf die tarifdynamische Überschreiterzulage anzurechnen. Andernfalls würden zunächst in eine niedrigere Entgeltgruppe eingruppierte Arbeitnehmer, die wegen der im Vergleich zu vorher höheren Vergütung eine Überschreiterzulage erhalten hätten, gegenüber den Arbeitnehmern bevorzugt, die bereits aufgrund der Ersteingruppierung nach ERA oder bei Einstellung in die höhere Vergütungsgruppe eingruppiert worden seien. Grundgedanke der ERA-Einführung sei es jedoch gewesen, die Eingruppierung und somit die Entgeltzahlung primär an der übertragenen Aufgabe auszurichten.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin, mit der Maßgabe, der auf künftige Leistung gerichtete Klageantrag sei unzulässig und die Klage im Übrigen unbegründet, zurückgewiesen. Die Klägerin verfolgt mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision ihr Klagebegehren weiter. Sie beantragt nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, an sie für die Monate Februar 2011 bis September 2012 monatlich 41,60 Euro brutto sowie künftig - unter den im Berufungsverfahren genannten Bedingungen, hilfsweise ergänzt um den Ausnahmetatbestand Arbeitskampfrisiko - beginnend ab 1. Oktober 2012 monatlich 41,60 Euro brutto jeweils nebst Zinsen zu zahlen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

13

I. Die auf sofortige Leistung für die Monate Februar 2011 bis Mai 2012 gerichteten Zahlungsanträge sind unbegründet.

14

1. Die Anträge sind zulässig. Hinsichtlich der Monate Dezember 2011 bis Mai 2012 ist die Umstellung des Antrags in der Revision zulässig, weil die Klage insoweit schon in der Berufungsinstanz, was das Landesarbeitsgericht - im Übrigen zu Recht von einer unzulässigen Klage auf künftige Leistung ausgehend - übersehen hat, nicht auf künftige Leistung gerichtet war. Auf die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 259 ZPO kommt es - bezogen auf diese Monate - nicht an.

15

a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage durch das Berufungsgericht ist der der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht (BGH 4. Mai 2005 - VIII ZR 5/04 - zu II 1 der Gründe mwN). Am 13. Juni 2012, dem Termin der Berufungsverhandlung, war die Klage für den Zeitraum Dezember 2011 bis Mai 2012 nicht mehr auf eine zukünftige Leistung gerichtet. Die Vergütungsansprüche der Klägerin, deren Zahlung nach § 16.1 (II) MTV am Schluss des Kalendermonats für den laufenden Monat erfolgt, waren bereits fällig. Das Berufungsgericht hätte über diese bereits fälligen Ansprüche entscheiden können, ohne dass es einer Änderung des Antrags bedurfte (vgl. BAG 28. Januar 2009 - 4 AZR 904/07 - Rn. 40; BGH 4. Mai 2005 - VIII ZR 5/04 - aaO; Zöller/Greger ZPO 30. Aufl. § 259 Rn. 4, § 257 Rn. 7).

16

b) § 559 Abs. 1 ZPO steht der Umstellung der Anträge in der Revision nicht entgegen. Die Klägerin trägt damit lediglich der vor Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht eingetretenen Fälligkeit der Vergütungsansprüche für die Monate Dezember 2011 bis Mai 2012 Rechnung. Dem Senat ist auf Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen eine Sachentscheidung möglich.

17

2. Ein Anspruch der Klägerin nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 5.3 Unterabs. 1 ERA-ETV auf weitere Zahlungen iHv. monatlich 41,60 Euro brutto für die Monate Februar 2011 bis Mai 2012 besteht nicht. Die Beklagte hat die individuelle Entgelterhöhung nach § 5.4 ERA-ETV zu Recht vorrangig auf die Überschreiterzulage angerechnet. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags. Die Erfüllung der sich unter Zugrundelegung dieser Anrechnungsweise ergebenden Vergütungsansprüche der Klägerin durch die Beklagte steht außer Streit.

18

a) Wie zu verfahren ist, wenn die individuelle Entgelterhöhung niedriger ist, als die Summe von Ausgleichs- und Überschreiterzulage, gibt der Wortlaut von § 5.4 ERA-ETV nicht vor. Die Reihenfolge in der die Zulagen genannt sind, beinhaltet keine Festlegung, wie die Anrechnung vorzunehmen ist. § 5.4 ERA-ETV ist - für sich betrachtet - lediglich zu entnehmen, dass individuelle Entgelterhöhungen - im Gegensatz zu tariflichen - nicht nur auf die Ausgleichszulage, sondern in voller Höhe auf beide Zulagen anzurechnen sind.

19

b) Die vorrangige Anrechnung individueller Entgelterhöhungen auf die Überschreiterzulage folgt jedoch aus Sinn und Zweck der tariflichen Besitzstandsregelung und der Systematik des Tarifvertrags.

20

aa) Mit der Einführung von ERA sollte, wie sich ua. aus § 2 TV-ERA-Anpassungsfonds ergibt, ein einheitliches betriebliches Entgeltniveau erreicht werden. Die Absicht der Tarifvertragsparteien, dieses Ziel zeitnah umzusetzen, ist einer Vielzahl von Bestimmungen des ERA-ETV zu entnehmen, die auf einen Anpassungszeitraum von maximal fünf Jahren abstellen (vgl. zB § 6.5 ERA-ETV und § 6.6 ERA-ETV zur Entgeltanpassung bei Arbeitnehmern, deren bisheriges tarifliches Entgelt das neue tarifliche ERA-Entgelt unterschreitet; § 4.2 (V) Unterabs. 3 Satz 2 ERA-ETV zum Korrekturzeitraum im Zusammenhang mit der Umrechnung von Leistungszulage, Prämie und Akkord aus Anlass der ERA-Einführung; § 7.6 ERA-ETV zur Kompensation betrieblicher Mehrkosten und § 7.7 ERA-ETV zur Weitergabe von betrieblichen Kosteneinsparungen an die Arbeitnehmer).

21

bb) Auch in den differenzierten - im Fall individueller Entgelterhöhungen die Besitzstandsregelung einschränkenden - Anrechnungsregelungen in § 5.3 Unterabs. 2 ERA-ETV und § 5.4 ERA-ETV kommt zum Ausdruck, dass die Vergütung aller Arbeitnehmer auf ERA-Niveau angeglichen werden soll. Dieser Zielsetzung eines möglichst zeitnahen Übergangs auf das ERA-Entgeltsystem wird allein mit einer vorrangigen Anrechnung individueller Entgelterhöhungen auf die Überschreiterzulage entsprochen. Anhaltspunkte für eine Anrechnung gleichrangig auf beide Zulagen oder im Verhältnis ihres Anteils am Gesamtvolumen der Besitzstandszulagen, sind demgegenüber dem Tarifvertrag nicht zu entnehmen.

22

(1) Die Besitzstandsregelung in § 5 ERA-ETV sichert das zum Zeitpunkt der Einführung von ERA erzielte Entgelt. Dies ist der Formulierung in § 5.1 ERA-ETV „aus Anlass der erstmaligen Anwendung des ERA-TV darf … für den einzelnen Arbeitnehmer keine Minderung seines bisherigen tariflichen Entgelts … erfolgen“ zu entnehmen. § 5.2 ERA-ETV stellt ebenfalls ausdrücklich auf das bisherige tarifliche Entgelt zum „Stichtag der Ersteinführung des ERA-TV“ ab. Der Tarifvertrag schreibt damit eine Untergrenze fest. Überschreitet das bisherige tarifliche Entgelt das neue tarifliche ERA-Entgelt, sichert der Tarifvertrag das bisherige Entgeltniveau, indem die nach § 5.2 ERA-ETV zu ermittelnde Entgeltdifferenz durch Zahlung der nach § 5.3 Unterabs. 1 ERA-ETV zu gewährenden Ausgleichs- und Überschreiterzulage auszugleichen ist.

23

(2) Spätere Erhöhungen des ERA-Entgelts sind nach den Bestimmungen des Tarifvertrags anzurechnen. Dabei differenziert der Tarifvertrag durch gesonderte, voneinander unabhängige Anrechnungsbestimmungen zwischen Tariferhöhungen (§ 5.3 Unterabs. 2 ERA-ETV) und individuellen Entgelterhöhungen (§ 5.4 ERA-ETV).

24

(a) Die Ausgleichszulage, die iHv. bis zu 10 % des bisherigen Tarifentgelts zu zahlen ist (§ 5.3 Unterabs. 1 Halbs. 1 ERA-ETV), wird bei Tariferhöhungen, ohne an ihnen selbst teilzunehmen (§ 5.3 Unterabs. 3 Satz 1 ERA-ETV), durch zeitlich und anteilsmäßig gestaffelte Anrechnung reduziert (§ 5.3 Unterabs. 2 und Unterabs. 3 Satz 2 bis 4 ERA-ETV). Die Überschreiterzulage, die nur Arbeitnehmern gewährt wird, deren bisheriges Entgelt um mehr als 10 % höher war als das neue tarifliche ERA-Entgelt (§ 5.3 Unterabs. 1 Halbs. 2 ERA-ETV), ist demgegenüber anrechnungsfest und nimmt an Tariferhöhungen teil (§ 5.3 Unterabs. 2 Satz 1 ERA-ETV).

25

(b) Mit § 5.4 ERA-ETV hebt der Tarifvertrag bei individuellen Entgelterhöhungen - begrenzt auf deren Volumen - für beide Zulagen den Bestandsschutz auf. Wächst der Arbeitnehmer aus der für seine Vergütung zum Stichtag der Ersteinführung des ERA-TV bestimmenden tariflichen Entgeltsituation durch spätere individuelle Entgelterhöhungen heraus, sind letztere nach § 5.4 ERA-ETV auf die Ausgleichs- und Überschreiterzulage in voller Höhe anzurechnen. Der Tarifvertrag sichert weiterhin das aus der Eingruppierung vor der ERA-Einführung resultierende Entgeltniveau. Er schreibt jedoch, indem er bei Höhergruppierungen eine Anrechnung ohne zeitliche und anteilsmäßige Staffelung in voller Höhe und auch auf die Überschreiterzulage zulässt, den Abstand zum ERA-Entgeltniveau nicht auf Basis späterer ERA-Höhergruppierungen fort. Dies führt zur Angleichung des Entgelts an die nach ERA zu gewährende Vergütung.

26

(c) Gegen eine vorrangige Aufzehrung der Ausgleichszulage durch Anrechnung individueller Entgelterhöhungen spricht die Systematik der Besitzstandsregelung. Nach § 5.3 Unterabs. 1 ERA-ETV ist eine Überschreiterzulage nur dann zu zahlen, wenn die Differenz zwischen bisherigem tariflichen Entgelt und neuem tariflichen ERA-Entgelt nicht durch die zu zahlende Ausgleichszulage abgedeckt ist. Die Überschreiterzulage wird nur nachrangig gewährt. Eine Abweichung von diesem Grundsatz haben die Tarifvertragsparteien in § 5.3 Unterabs. 2 Satz 2 ERA-ETV geregelt, indem Tariferhöhungen ausschließlich auf die Ausgleichszulage anzurechnen sind, nicht aber in § 5.4 ERA-ETV. Bei individuellen Entgelterhöhungen wird die Überschreiterzulage weiterhin nachrangig gewährt. Dem entsprechend ist sie, bei der nach § 5.4 ERA-ETV vorzunehmenden Anrechnung, zunächst abzuschmelzen.

27

(d) Eine vorrangige Anrechnung auf die Ausgleichszulage stünde zudem in Widerspruch zu der von den Tarifvertragsparteien in § 5.4 ERA-ETV mit den Worten „in voller Höhe“ zum Ausdruck gebrachten Intension einer wirkungsvollen Anrechnung individueller Entgelterhöhungen auf beide Zulagen: Wenn die individuelle Entgelterhöhung niedriger ist als die Summe von Ausgleichs- und Überschreiterzulage, würde als Ergebnis der Anrechnung zunächst das Zulagenvolumen insgesamt entsprechend dem Volumen der individuellen Entgelterhöhung reduziert. Die beabsichtigte Anrechnung „in voller Höhe“ würde jedoch bei nachfolgenden Tariferhöhungen teilweise wieder aufgehoben, weil die zunächst nach § 5.4 ERA-ETV verminderte Überschreiterzulage bei Tariferhöhungen wieder erhöht würde (§ 5.3 Unterabs. 2 ERA-ETV).

28

cc) Eine Anrechnung zunächst auf die Ausgleichszulage führte darüber hinaus zu einer Besserstellung der höhergruppierten Arbeitnehmer. Ihnen würde aufgrund der tarifdynamischen Ausgestaltung der Überschreiterzulage für einen längeren Zeitraum als bei umgekehrter Anrechnungsreihenfolge eine (höhere) Überschreiterzulage gewährt. Demgegenüber erhielten Arbeitnehmer, die die gleiche Tätigkeit ausüben und deshalb unmittelbar bei Einstellung - nach ERA-Einführung - oder bei ERA-Einführung, ausgehend vom gleichen bisherigen tariflichen Entgelt, in die höhere ERA-Entgeltgruppe einzugruppieren sind bzw. waren keine oder eine geringere Überschreiterzulage. Auch dies widerspräche der Zielsetzung des Tarifvertrags, zeitnah ein einheitliches betriebliches Entgeltniveau zu erreichen. Unerheblich ist, ob die Tarifvertragsparteien bei der Schaffung der neuen Entgeltstruktur und der Überleitung in den ERA-ETV eine solche Besserstellung von Beschäftigten aufgrund ihrer Befugnis, insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen zu generalisieren, pauschalieren und typisieren (vgl. zur Überleitung vom BAT in den TVöD BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 319/09 - Rn. 32 mwN, BAGE 140, 83), durch abweichende Anrechnungsregelungen hätten vornehmen können.

29

dd) Letztlich spricht für eine vorrangige Anrechnung auf die Überschreiterzulage auch der allgemeine Rechtsgedanke, der in § 366 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommt. Danach ist unter den weiteren in § 366 Abs. 2 BGB genannten Voraussetzungen eine Leistung zunächst auf die für den Schuldner lästigere Schuld anzurechnen. Das ist vorliegend die außerhalb des Anwendungsbereichs von § 5.4 ERA-ETV anrechnungsfeste und zudem an Tariferhöhungen teilnehmende Überschreiterzulage.

30

3. Die Beklagte ist nicht wegen einer Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung zu den von der Klägerin begehrten Zahlungen verpflichtet.

31

a) Nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls zur Unwirksamkeit von Maßnahmen oder Rechtsgeschäften, die den Arbeitnehmer belasten. Das soll verhindern, dass der Arbeitgeber dem Einigungszwang mit dem Betriebsrat durch Rückgriff auf arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten ausweicht. Dem Arbeitgeber darf aus einer betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtwidrigkeit auch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses kein Vorteil erwachsen. Maßnahmen zum Nachteil der Arbeitnehmer sind dabei nur solche, die bereits bestehende Rechtspositionen der Arbeitnehmer schmälern. Die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats führt allerdings nicht dazu, dass sich individualrechtliche Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer ergäben, die zuvor noch nicht bestanden haben (BAG 22. Juni 2010 - 1 AZR 853/08 - Rn. 42, BAGE 135, 13).

32

b) Die Beklagte hat durch die vorrangige Anrechnung der individuellen Entgelterhöhung auf die Überschreiterzulage Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht verletzt. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG war aufgrund des Tarifvorbehalts in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen.

33

aa) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht ist im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers allerdings durch den Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen, wenn die Tarifvertragsparteien die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit zwingend und abschließend inhaltlich geregelt haben (BAG 18. Oktober 2011 - 1 ABR 25/10 - Rn. 18, BAGE 139, 332).

34

bb) Die Tarifvertragsparteien haben mit § 5.4 ERA-ETV eine abschließende Regelung über die Reihenfolge der Anrechnung individueller Entgelterhöhungen auf die nach § 5.3 Unterabs. 1 ERA-ETV zu gewährenden Besitzstandszulagen getroffen. Danach ist, wie bereits ausgeführt, zunächst eine Anrechnung auf die Überschreiterzulage vorzunehmen. Ein Wahlrecht des Arbeitgebers sieht der Tarifvertrag nicht vor. Auch enthält § 5.4 ERA-ETV im Gegensatz zu anderen Bestimmungen des Tarifvertrags keine Öffnungsklausel, die eine abweichende betriebliche Regelung zuließe. Die Beklagte hat mit der Anrechnung lediglich die Bestimmungen des Tarifvertrags vollzogen.

35

II. Die erstmals in der Revision für die Monate Juni bis September 2012 gestellten Zahlungsanträge sind unzulässig. Insoweit liegt eine unzulässige Klageänderung vor.

36

1. Nach § 559 Abs. 1 ZPO ist in der Revisionsinstanz eine Klageänderung grundsätzlich ausgeschlossen. Der Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch bezüglich der Anträge der Parteien die Entscheidungsgrundlage für das Revisionsgericht. Hiervon hat das Bundesarbeitsgericht insbesondere aus prozessökonomischen Gründen Ausnahmen in den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO zugelassen, sowie dann, wenn sich der geänderte Sachantrag auf einen in der Berufungsinstanz festgestellten oder von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Partei durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden(vgl. BAG 26. Juni 2013 - 5 AZR 428/12 - Rn. 18).

37

2. Im Streitfall ist eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 559 Abs. 1 ZPO nicht geboten.

38

Ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO liegt nicht vor. Die Klägerin hat, indem sie bezogen auf diese Monate erstmals in der Revision sofortige statt künftige Leistung beantragt, nicht lediglich bei gleichbleibendem Klagegrund eine qualitative Änderung des Klageantrags iSv. § 264 Nr. 2 ZPO vorgenommen(vgl. Zöller/Greger ZPO 30. Aufl. § 264 Rn. 3b mwN für den Fall der Umstellung von sofortiger auf künftige Leistung bei gleichbleibendem Klagegrund). Der Klagegrund und die Höhe eines möglicherweise bestehenden Anspruchs wären vielmehr erstmals festzustellen. Das Landesarbeitsgericht hat für den Zeitraum Juni bis September 2012 - die Klage auf künftige Leistung zu Recht als unzulässig durch Prozessurteil abweisend - keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Die geänderten Zahlungsanträge können auch nicht auf unstreitiges tatsächliches Vorbringen der Parteien gestützt werden. Weder den Feststellungen des Berufungsgerichts noch dem Vortrag der Parteien ist zu entnehmen, ob die Klägerin in den genannten Monaten (durchgehend) gearbeitet hat oder ob sonstige Tatsachen vorliegen, aus denen sich ein Entgeltanspruch der Klägerin ohne Arbeitsleistung ergeben könnte. Der bisherige Antrag auf künftige Leistung und die in der Revision gestellten Anträge auf sofortige Leistung unterliegen damit unterschiedlichen Prüfprogrammen (zur Zulässigkeit der Antragsänderung auf sofortige Leistung bei Abweisung des Antrags auf künftige Leistung in den Vorinstanzen als unbegründet und unstreitigem Sachverhalt vgl. BAG 12. Juni 2002 - 10 AZR 503/01 - zu II 2 der Gründe). Der Beklagten würde zudem die Möglichkeit entzogen, etwaige Einwendungen und Einreden gegen den Entgeltanspruch vorzubringen (vgl. BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 16, BAGE 140, 291; 5. Dezember 2012 - 7 AZR 698/11 - Rn. 63, BAGE 144, 85).

39

III. Der auf künftige Leistung gerichtete Klageantrag ist unzulässig. Soweit sich der Antrag in den Vorinstanzen auf die Monate Juni bis September 2012 richtete, ist er nicht wirksam zurückgenommen (§ 269 Abs. 1 ZPO).

40

1. Ein auf die Vornahme einer künftigen Handlung gerichteter Antrag ist nach § 259 ZPO zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen(vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 106, 111). Die Besorgnis der Leistungsverweigerung kann sich auf einen bedingten Anspruch beziehen, sofern abgesehen vom Eintritt der Bedingung die Verpflichtung des Schuldners zur Erbringung der künftigen Leistung in ihrem Bestand gewiss ist. § 259 ZPO ermöglicht aber nicht die Verfolgung eines erst in der Zukunft entstehenden Anspruchs. Er setzt vielmehr voraus, dass der geltend gemachte Anspruch bereits entstanden ist (BAG 27. Oktober 2010 - 7 ABR 36/09 - Rn. 13; BGH 12. Juli 2006 - VIII ZR 235/04 - Rn. 11; zukünftige Vergütungsansprüche als künftige Leistungen iSv. § 259 ZPO ansehend, ohne tragend auf die Frage der Anspruchsentstehung abzustellen BAG 20. August 2002 - 9 AZR 710/00 - zu A I der Gründe, BAGE 102, 225; 6. Mai 2009 - 10 AZR 390/08 - Rn. 15; die Zulässigkeit des Antrags bereits wegen der fehlenden Aufnahme der für den Vergütungsanspruch maßgeblichen Bedingungen in den Antrag verneinend BAG 13. März 2002 - 5 AZR 755/00 - zu I 1 und 2 der Gründe; 9. April 2008 - 4 AZR 104/07 - Rn. 28; 28. Januar 2009 - 4 AZR 904/07 - Rn. 42).

41

2. Diese Vorrausetzungen sind nicht erfüllt.

42

a) Die von der Klägerin geltend gemachten künftigen Ansprüche waren im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz noch nicht entstanden. Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis entstehen erst mit Erbringung der Arbeitsleistung, weil der Vertrag durch Kündigung beendet werden kann oder der Arbeitnehmer die ihm obliegende Leistung, ohne Vorliegen der Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf Vergütung ohne Arbeitsleistung gegeben wäre, verweigern kann (vgl. BGH 26. Juni 2008 - IX ZR 87/07 - Rn. 13; 14. Januar 2010 - IX ZR 78/09 - Rn. 21; 20. September 2012 - IX ZR 208/11 - Rn. 14; 18. April 2013 - IX ZR 165/12 - Rn. 19). Der Abschluss des Arbeitsvertrags reicht für die Entstehung des Anspruchs nicht aus (vgl. BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14, BAGE 141, 144; 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 18, BAGE 124, 150; 19. Januar 2006 - 6 AZR 529/04 - Rn. 18, BAGE 117, 1; BGH 26. Juni 2008 - IX ZR 87/07 - aaO). Dies gilt unabhängig davon, ob als Voraussetzung für den künftigen Anspruch auf Arbeitsentgelt die Arbeitsleistung zu erbringen wäre oder ob künftig aus sonstigem Rechtsgrund Arbeitsentgelt ohne Arbeitsleistung beansprucht werden könnte (BAG 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - aaO). Auch im letztgenannten Fall entsteht der Anspruch erst, wenn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.

43

b) Es ist überdies zu berücksichtigen, dass § 259 ZPO die Besorgnis der Leistungsverweigerung zum Fälligkeitstermin voraussetzt. Auch hieran fehlt es vorliegend. Denn allein das Bestreiten der vom Arbeitnehmer beanspruchten Forderungen durch den Arbeitgeber reicht hierfür nicht aus (vgl. BAG 9. April 2008 - 4 AZR 104/07 - Rn. 29 mwN). Nur weil der Arbeitgeber - wie hier - aufgrund (vertretbarer) Auslegung des Tarifvertrags bisher Zahlungen ablehnte, kann nicht davon ausgegangen werden, er werde sich, trotz einer Verurteilung zur Zahlung bereits fälliger Forderungen, künftig der rechtzeitigen Leistung entziehen. Weitere Anhaltspunkte, die eine Besorgnis der Leistungsverweigerung zum Fälligkeitstermin begründen könnten, hat die Klägerin nicht dargelegt.

44

3. Einer Vorlage an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts gemäß § 45 ArbGG bedarf es nicht.

45

a) Der Große Senat entscheidet, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will. Eine Vorlagepflicht nach § 45 ArbGG besteht nur, wenn eine entscheidungserhebliche Abweichung zu der identischen Rechtsfrage vorliegt. Diese Voraussetzung betrifft die zu treffende Entscheidung wie die vorhergehende Entscheidung, von der abgewichen werden soll (BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 37 ff., BAGE 135, 163; 20. April 2011 - 5 AZR 191/10 - Rn. 15 ff. mwN, BAGE 137, 383).

46

b) Der Neunte und Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts haben in ihren Entscheidungen vom 20. August 2002 (- 9 AZR 710/00 - BAGE 102, 225) und vom 6. Mai 2009 (- 10 AZR 390/08 -) zukünftige Vergütungsansprüche als künftige Leistungen iSv. § 259 ZPO angesehen, ohne tragend auf die Frage der Anspruchsentstehung abzustellen. Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seinen Entscheidungen vom 9. April 2008 (- 4 AZR 104/07 -) und vom 28. Januar 2009 (- 4 AZR 904/07 -) die Zulässigkeit der Klage auf künftige Leistung bereits wegen fehlender Aufnahme der für den Vergütungsanspruch maßgeblichen Bedingungen in den Antrag verneint, ohne einen Rechtssatz zur Frage der Anspruchsentstehung als Zulässigkeitsvoraussetzung aufzustellen.

47

IV. Der auf künftige Leistung gerichtete Hilfsantrag ist aus den unter III. genannten Gründen ebenfalls unzulässig.

48

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Jungbluth    

        

    Mattausch     

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. Juni 2015 - 6 Sa 671/14 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, welche Auswirkung die Möglichkeit des Bezugs von Teilrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich) hat.

2

Der am 30. Mai 1951 geborene Kläger war von 1977 bis zum 30. April 2013 bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung wegen der Schließung der Dienststelle des Klägers. Unmittelbar im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war der Kläger bis zum 31. Oktober 2013 bei einer Transfergesellschaft der US-Stationierungsstreitkräfte beschäftigt. Vom 1. November 2013 bis zum 30. April 2014 bezog er Arbeitslosengeld I. Die Beklagte leistete an ihn seit dem 1. Mai 2013 Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich, der auf das Arbeitsverhältnis jedenfalls kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anzuwenden war. Der TV SozSich bestimmt auszugsweise:

        

㤠4

        

Überbrückungsbeihilfe

        

1.    

Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt:

                 

a)    

zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte,

                 

b)    

zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit …

                 

…       

        
        

5.    

a)    

Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung

                          

20 Beschäftigungsjahre (§ 8 TV AL II oder TV B II) und

                          

das 55. Lebensjahr oder

                          

25 Beschäftigungsjahre (§ 8 TV AL II oder TV B II) und

                          

das 50. Lebensjahr

                          

vollendet haben, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziffern 1 bis 4 ohne zeitliche Begrenzung.

                 

b)    

Arbeitnehmer, die nicht unter Absatz a) fallen, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziffern 1 bis 4 bei einer am Tage ihrer Entlassung

                          

nachzuweisenden Beschäftigungszeit (§ 8 TV AL II oder TV B II) von mindestens

und einem vollendeten Lebensalter von

bis zum Ablauf von

                          

10 Jahren

40 Jahren

2 Jahren

                          

…       

…       

…       

                          

15 Jahren

50 Jahren

5 Jahren

                          

nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

                                   
        

Protokollnotiz zu Ziffer 1a

        

Eine ‚anderweitige Beschäftigung‘ liegt nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt.

        

…       

        

§ 8

        

Ausschluss der Zahlung und Rückforderung überzahlter Überbrückungsbeihilfen und Beitragszuschüsse

        

1.    

Überbrückungsbeihilfe und Beitragszuschuss werden nicht gezahlt für Zeiten,

                 

…       

                 

c)    

nach Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Voraussetzungen zum Bezug des vorgezogenen Altersruhegeldes oder der Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt …

                 

…“    

        
3

Mit dem 30. Mai 2014 vollendete der Kläger sein 63. Lebensjahr und erfüllte damit die Voraussetzungen zum Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Hinzuverdienstgrenze für den Bezug einer Zwei-Drittel-Teilrente nach § 42 SGB VI betrug 1.361,52 Euro monatlich.

4

Der Kläger begründete zum 1. April 2014 ein Arbeitsverhältnis mit der M GmbH (M). Ihm stand zunächst bei einer Arbeitszeit von 21,5 Wochenstunden ein monatliches Entgelt von 900,00 Euro brutto, ab November 2014 nach einer Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 25 Stunden eine Monatsvergütung von 1.046,00 Euro brutto zu. Das Arbeitsverhältnis mit M endete durch betriebsbedingte Kündigung der Arbeitgeberin zum 30. Juni 2015.

5

Die Beklagte stellte die Zahlung der Überbrückungsbeihilfe mit dem 31. Mai 2014 ein. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei rentenberechtigt.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der zum Bezug einer Teilrente Berechtigte sei nicht aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Teilrenten habe es bei Abschluss des TV SozSich noch nicht gegeben. Es habe der üblichen Praxis entsprochen, derartige Rentenansprüche bei der Zahlung von Überbrückungsbeihilfe außer Acht zu lassen.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass ihm im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen (Arbeitsverdienst 900,00 Euro brutto, ab dem 1. November 2014 1.046,00 Euro brutto monatlich; Arbeitszeit 21,5 Wochenstunden, ab dem 1. November 2014 25 Wochenstunden) im vom 1. April 2014 bis zum 30. Juni 2015 mit der M GmbH bestandenen Arbeitsverhältnis ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des TV SozSich zustand;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.398,49 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.232,83 Euro vom 1. Juli bis zum 31. Juli 2014, aus 4.265,66 Euro vom 1. August bis zum 31. August 2014 und aus 6.398,49 Euro ab dem 1. September 2014 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Auch eine mögliche Teilrente sei Altersruhegeld im tariflichen Sinn. Zudem habe der Kläger die Beschäftigung bei M nur aufgenommen, um sich Ansprüche auf Überbrückungsbeihilfe zu sichern. Das geleistete Entgelt sei sittenwidrig niedrig. Der Kläger müsse sich jedenfalls das anrechnen lassen, was er hätte verdienen können.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageziele weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Mit Beginn der Rentenberechtigung hatte der Kläger nicht länger Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe.

11

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig. Das für den Antrag zu 1. erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Dieser Antrag ist dahin zu verstehen, dass nur der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe festgestellt werden soll, der unter Berücksichtigung des jeweiligen monatlichen Einkommens aus dem Arbeitsverhältnis mit M bestand (zum Gebot rechtsschutzgewährender Auslegung BAG 19. November 2015 - 6 AZR 559/14 - Rn. 16). Das hat der Kläger in der Revisionsinstanz klargestellt. Der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe soll ersichtlich nur für die Zeiträume festgestellt werden, für die die Beklagte während der Dauer des Arbeitsverhältnisses keine Überbrückungsbeihilfe geleistet hat. In dieser Auslegung erfasst der Feststellungsantrag keine Ansprüche für die Monate April und Mai 2014. Für diesen Zeitraum hat die Beklagte unstreitig noch Überbrückungsbeihilfe in einer vom Kläger nicht angezweifelten Höhe gezahlt. Auch die mit dem Leistungsantrag verfolgten Ansprüche auf Überbrückungsbeihilfe für die Monate Juni bis August 2014 unterfallen dem Feststellungsantrag nicht.

12

II. Die Klage ist jedoch unbegründet.

13

1. Nach den von der Beklagten nicht mit durchgreifenden Gegenrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist der Anspruch des Klägers auf Überbrückungsbeihilfe mit Aufnahme seiner Tätigkeit für M nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich entstanden. Weder war die arbeitsvertragliche Gestaltung dieses Arbeitsverhältnisses zu beanstanden, noch war dem Kläger die Berufung auf dieses Arbeitsverhältnis nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB verwehrt(vgl. dazu BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 383/12 - Rn. 14).

14

2. Der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe ist aber nach § 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich mit dem 31. Mai 2014 erloschen, weil der Kläger die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Zwei-Drittel-Teilrente erfüllte. Auch eine Teilrente iSv. § 42 SGB VI ist eine gesetzliche Altersrente, die den Arbeitnehmer wirtschaftlich absichert und deshalb nach der tariflichen Systematik und dem Zweck der Überbrückungsbeihilfe zur Beendigung des Anspruchs auf diese soziale Sonderleistung führt. Die Möglichkeit, eine solche Rente zu beziehen, hat anspruchsvernichtende Wirkung. Das hat das Landesarbeitsgericht richtig erkannt.

15

a) Die Überbrückungsbeihilfe ist eine steuerfinanzierte soziale Sonderleistung. Sie wird von der beklagten Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer Verpflichtung aus dem TV SozSich gezahlt. Diesen Tarifvertrag hat die Bundesrepublik nach Art. 56 Abs. 5 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS) zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den Stationierungsstreitkräften beschäftigten Arbeitnehmer für die Entsendestaaten geschlossen. Die Überbrückungsbeihilfe wird von ihr im Innenverhältnis zu der jeweiligen Stationierungsstreitmacht getragen (vgl. BT-Drs. 7/119 S. 11; BAG 1. Oktober 1998 - 6 AZR 228/97 - zu 1 der Gründe). Es handelt sich um eine soziale Leistung (vgl. EuGH 16. September 2004 - C-400/02 - [Merida] Rn. 37, Slg. 2004, I-8471; BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZN 815/11 - Rn. 23, BAGE 139, 226). Sie wird außerhalb des zuvor mit dem Entsendestaat begründeten Arbeitsverhältnisses von einer Dritten gezahlt (zu der Arbeitgebereigenschaft des Entsendestaats BAG 9. Februar 1993 - 1 ABR 43/92 - zu B II 2 c der Gründe). Durch diese Leistung erhalten ältere, langjährig beschäftigte Arbeitnehmer, die betriebsbedingt wirksam entlassen worden sind, noch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus Unterstützungsleistungen. Ihr Lebensunterhalt soll gesichert werden. Nachteile, die sich aus einem geringeren Arbeitsverdienst in einem neuen Arbeitsverhältnis oder aufgrund von Arbeitslosigkeit ergeben, sollen überbrückt werden. Zugleich soll ein Anreiz dafür geschaffen werden, dass der Arbeitnehmer durch Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte im Arbeitsprozess bleibt. Dieser Anreiz soll auch bestehen, wenn der Arbeitnehmer dafür eine Vergütung erhält, die den bei den Stationierungsstreitkräften erzielten Verdienst oder sogar das Arbeitslosengeld unterschreitet (vgl. BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - zu II 2 der Gründe). Der frühere Arbeitnehmer soll zumindest der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 20).

16

b) Der TV SozSich geht von einem zeitlich begrenzten Überbrückungsbedarf aus. Dieser Überbrückungsbedarf soll höchstens bis zum Erwerb einer wirtschaftlichen Absicherung durch den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung befriedigt werden. Mit Erwerb einer Rentenberechtigung besteht der durch die Überbrückungsbeihilfe zu deckende Sicherungsbedarf nach der Beurteilung der Tarifvertragsparteien unabhängig von der konkreten Höhe der Rente nicht mehr. Daher entfällt mit dem frühestmöglichen Rentenbezug das Bedürfnis für die Überbrückungsbeihilfe, deren Zweck nicht die Ergänzung einer als unzureichend empfundenen gesetzlichen Altersrente ist. Die Kompensation von Rentennachteilen, die sich ua. aus Rentenabschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente ergeben, liegt außerhalb des Regelungsplans der Tarifvertragsparteien. Soweit eine ausreichende Versorgung durch die gesetzliche Rente aufgrund etwaiger Rentenminderungen nicht besteht, ist die daraus entstehende Unterversorgung mit anderen Mitteln als der Überbrückungsbeihilfe auszugleichen (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 383/12 - Rn. 11; 6. Oktober 2011 - 6 AZN 815/11 - Rn. 23, BAGE 139, 226).

17

c) Wegen dieses Regelungszwecks endet der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich mit der Rentenberechtigung. Das gilt auch dann, wenn lediglich die Möglichkeit des Bezugs einer vorzeitigen Altersrente mit Rentenabschlägen besteht. Darauf, ob der Berechtigte die Rente in Anspruch nimmt oder wenigstens beantragt hat, kommt es nicht an (BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 383/12 - Rn. 12). Sind dagegen die Hinzuverdienstgrenzen des § 34 Abs. 3 SGB VI überschritten, besteht keine Rentenberechtigung. Die Überbrückungsbeihilfe ist weiter zu leisten (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 383/12 - Rn. 14).

18

d) Die Revision geht zu Recht davon aus, dass die Teilrente keine eigene Rentenart ist. Sie zieht daraus jedoch den unzutreffenden Schluss, dass diese Rente nicht vom Ausschlusstatbestand des § 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich erfasst werde, weil der Bezugsberechtigte noch erwerbstätig sei.

19

aa) Die Teilrente soll einen „gleitenden Übergang“ in den Ruhestand ermöglichen (vgl. BT-Drs. 11/4124 S. 163; sh. auch die Formulierungshilfe der Bundesregierung für einen aus der Mitte des Deutschen Bundestages einzubringenden Entwurf eines Gesetzes zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben [Flexirentengesetz] vom 14. September 2016 zu A). Die Teilrente stellt abweichend vom „Alles-oder-nichts-Prinzip“ sicher, dass der Rentenanspruch nicht gänzlich entfällt, wenn der für eine Vollrente zulässige Hinzuverdienst überschritten wird. Der Rentenanspruch bleibt zumindest teilweise erhalten (vgl. Grüner/Dalichau SGB VI Stand 1. Dezember 2011 § 42 zu II 1; Jassat in Ruland/Dünn GK-SGB VI Stand Januar 2015 § 42 Rn. 5).

20

bb) Der Teilrentenanspruch gibt eine besondere Rentenberechnung vor. Die Teilrente ist - wie sich schon aus der Formulierung des § 42 Abs. 1 SGB VI ergibt - keine eigene Rentenart, sondern eine anteilige Altersrente im Sinn einer quotierten Vollrente(vgl. Jassat in Ruland/Dünn GK-SGB VI Stand Januar 2015 § 42 Rn. 6). Die Altersrente kann als Voll- oder Teilrente in Anspruch genommen werden. Teil- und Vollrente betreffen dabei stets denselben individuellen Altersrentenanspruch. § 42 Abs. 1 SGB VI eröffnet dem rentenberechtigten Arbeitnehmer lediglich ein Wahlrecht hinsichtlich des Rentenumfangs und damit der Rentenhöhe(vgl. Freudenberg in Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB VI 2. Aufl. § 42 Rn. 11; KKW/Roßbach 4. Aufl. § 42 Rn. 2). Wird eine Hinzuverdienstgrenze überschritten, wird der Anspruch auf die niedrigere Teilrente von Amts wegen geleistet, sofern der Versicherte nicht eine noch niedrigere Teilrente beantragt oder völlig auf die Rente verzichtet (vgl. KassKomm/Gürtner Stand Juni 2014 § 34 SGB VI Rn. 42, 46).

21

cc) Mit der Möglichkeit, eine Teilrente als quotierte Vollrente zu beziehen, ist der Überbrückungsbedarf, den der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe abdecken soll, beendet. Die Tarifvertragsparteien haben den durch die tarifliche Leistung gesicherten Überbrückungsbedarf mit dem Erwerb des Anspruchs auf eine gesetzliche Rente als befriedigt angesehen. Sie haben sich in § 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich der Systematik der gesetzlichen Rentenversicherung unterworfen. Die von der Revision vermisste Tarifänderung war für die anspruchsvernichtende Wirkung der Teilrente deswegen nicht erforderlich.

22

dd) Dieses aus der Tarifsystematik folgende Ergebnis steht auch mit dem Zweck der Überbrückungsbeihilfe im Einklang.

23

(1) Aufgrund der anspruchsvernichtenden Wirkung einer Teilrente besteht ein verstärkter Anreiz für den früheren Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte, sich um eine Beschäftigung mit möglichst hohem Arbeitszeitvolumen und entsprechend hohem Verdienst zu bemühen, um die Hinzuverdienstgrenzen zu überschreiten. Dadurch wird zugleich verhindert, dass ein Arbeitsverhältnis begründet wird, in dem bewusst nur die tariflich geforderte Mindeststundenzahl gearbeitet wird, um daneben eine möglichst hohe Aufstockungsleistung in Form der Überbrückungsbeihilfe zu erlangen. Ein hoher Verdienst steht im Einklang mit dem Ziel des TV SozSich, eine Anreizwirkung für eine Tätigkeit zu bieten, die zur weitestmöglichen Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt führt (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 24). Das übersieht die Revision, wenn sie geltend macht, der Wiedereingliederungszweck der Überbrückungsbeihilfe werde nicht hinreichend berücksichtigt, wenn bereits die Berechtigung zum Bezug einer Teilrente den Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe beende.

24

Durch dieses Auslegungsergebnis werden zudem Auseinandersetzungen darüber vermieden, ob es sich um ein Scheinarbeitsverhältnis, ein sittenwidrig niedriges Entgelt oder eine rechtsmissbräuchliche Vertragskonstellation handelt.

25

(2) Mit der erworbenen Rentenberechtigung - auch nur zum Bezug einer Teilrente - besteht kein durch die Überbrückungsbeihilfe abzudeckender, zeitlich begrenzter Überbrückungsbedarf mehr. Vielmehr handelt es sich lediglich um einen vorübergehenden oder dauernden Ergänzungsbedarf. Der Ergänzungsbedarf ergibt sich aus Sicht des ehemaligen Arbeitnehmers daraus, dass die gesetzliche (Teil-)Rente nicht ausreicht, um den bisherigen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Diesen Ergänzungsbedarf wollten und mussten die Tarifvertragsparteien nicht abdecken. Sie wollten den Lebensunterhalt nicht bis zum Bezug der Regelaltersrente, sondern nur bis zum frühestmöglichen Rentenbezug sicherstellen. Wird das Existenzminimum oder das Niveau der Grundsicherung durch die Summe aus (Teil-)Rente und etwaigem Hinzuverdienst nicht erreicht, ist diese Unterversorgung des rentenberechtigten früheren Arbeitnehmers nicht durch die Fortzahlung der Überbrückungsbeihilfe, sondern mit anderen sozialversicherungsrechtlichen Mitteln auszugleichen (vgl. BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 631/05 - Rn. 12, BAGE 118, 196).

26

Aus der von der Revision angeführten Regelung in § 4 Ziff. 5 Buchst. a TV SozSich folgt nichts anderes. Danach erhalten frühere Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte, die am Tag ihrer Entlassung ein bestimmtes Alter und eine bestimmte Anzahl von Beschäftigungsjahren aufweisen, Überbrückungsbeihilfe „ohne zeitliche Begrenzung“. Damit wird nur die begrenzte Zeitdauer der nach § 4 Ziff. 5 Buchst. b TV SozSich längstens fünf Jahre zu leistenden Überbrückungsbeihilfe aufgehoben. Die Vorschrift des § 4 Ziff. 5 Buchst. a TV SozSich lässt den Anspruchsverlust dagegen unangetastet, der nach § 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich im Zeitpunkt der frühestmöglichen Rentenberechtigung eintritt.

27

3. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich kein anderes Auslegungsergebnis daraus, dass die Beklagte die Möglichkeit zum Bezug einer Teilrente bei der Anwendung des § 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich jedenfalls seit 2008 nicht als anspruchsvernichtend angesehen hat. Eine tarifliche Übung ist als Auslegungskriterium nur heranzuziehen, wenn nach Wortlaut und Systematik eine eindeutige Tarifauslegung nicht möglich ist, beiden Tarifvertragsparteien die tarifliche Handhabung bekannt war und sie diese gebilligt haben (vgl. BAG 15. Januar 2015 - 6 AZR 707/13 - Rn. 27). Ein Rückgriff auf das Auslegungsmerkmal der tariflichen Übung scheidet angesichts des eindeutigen Auslegungsergebnisses aus.

28

4. Der Kläger wird durch die anspruchsvernichtende Wirkung seines Teilrentenanspruchs nicht wegen seines Alters diskriminiert iSv. § 7 Abs. 1 Halbs. 1, §§ 1, 3 AGG.

29

a) Er wird nicht gegenüber jüngeren Arbeitnehmern mit geringerer Beschäftigungszeit benachteiligt. Die Revision folgert seine Benachteiligung aus § 4 Ziff. 5 Buchst. a TV SozSich, der den Anspruchsverlust nach § 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich jedoch nicht abwendet, sondern nur einen fortbestehenden Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe verlängert (dazu im Einzelnen Rn. 26).

30

b) Die Argumentation, der Kläger werde trotz seines Wunschs, im Arbeitsleben zu verbleiben, bei Annahme der anspruchsvernichtenden Wirkung einer Teilrentenberechtigung gegenüber jüngeren Arbeitnehmern mit geringerer Beschäftigungszeit benachteiligt, berücksichtigt ferner nicht, dass die Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit durch § 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich unberührt bleibt. Die tarifliche Regelung drängt Arbeitnehmer, die Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich beziehen, gerade nicht aus dem Arbeitsmarkt (vgl. näher Rn. 17, 23; zu abweichenden Konstellationen EuGH 19. April 2016 - C-441/14 - [Dansk Industri] Rn. 25 f.; 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 45, Slg. 2010, I-9343). Sie setzt damit keine negativen Beschäftigungsanreize für Arbeitnehmer unterhalb des Alters, das den Bezug einer Regelaltersrente ermöglicht (vgl. Grünberger EuZA 2015, 333, 344), sondern schafft im Gegenteil Anreize dafür, im Arbeitsleben zu verbleiben und dabei eine möglichst umfangreiche Arbeitsleistung zu erbringen. Rentenabschläge wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente (dazu EuGH 26. Februar 2015 - C-515/13 - [Landin] Rn. 38 f.) werden beim Bezug von Teilrenten zumindest teilweise ausgeglichen. Nimmt der Versicherte die Teilrente in Anspruch, erfolgt der versicherungsmathematische Abschlag von 0,3 % für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente nur bezogen auf den tatsächlich in Anspruch genommenen Rentenanteil (Freudenberg in Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB VI 2. Aufl. § 35 Rn. 14 f.).

31

c) Unabhängig davon ist das Verbot der Altersdiskriminierung nicht verletzt, wenn soziale Leistungen des Arbeitgebers mit Überbrückungsfunktion wegen der Möglichkeit des Rentenbezugs gekürzt oder beschränkt werden (vgl. für Sozialplanleistungen EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar] Rn. 48; BAG 9. Dezember 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 21 ff., BAGE 150, 136). Das gilt erst recht für eine soziale Leistung wie die Überbrückungsbeihilfe, die vor dem völkerrechtlichen Hintergrund des ZA-NTS nicht vom früheren Arbeitgeber, sondern von der Bundesrepublik Deutschland erbracht wird, die als Dritte außerhalb des beendeten Arbeitsverhältnisses steht.

32

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Kreis    

        

    Lauth    

                 

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02. Dezember 2015 - 1 Ca 1108/15 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 2) des Tenors des vorgenannten Urteils wie folgt gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass dem Kläger im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit dem Automobilzentrum E. GmbH (Arbeitsverdienst: 9,61 €/Stunde; Lohnerhöhung entsprechend der prozentualen Erhöhung der Entgelte der Vergütungsgruppe I des Vergütungstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern; Arbeitszeit: 24 Stunden wöchentlich) ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des Tarifvertrages zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich) in Höhe des nach § 4 des TV SozSich jeweils monatlich zu errechnenden Betrages zusteht.

II. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte darüber hinaus verurteilt, einen weiteren Betrag in Höhe von 30.592,07 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.047,19 € seit dem 01. Dezember 2015, aus 4.047,19 € seit dem 01. Januar 2016, aus 4.047,19 € seit dem 01. Februar 2016, aus 3.765,70 € seit dem 01. März 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. April 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. Mai 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. Juni 2016 und aus 3.671,20 € seit dem 01. Juli 2016 an den Kläger zu zahlen.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ab Juli 2015 ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich) zusteht.

2

Der 1958 geborene Kläger war seit mehr als 30 Jahren bei den US-Stationierungsstreitkräften, zuletzt als aufsichtsführender Sachbearbeiter (Transportwesen) gegen ein tarifliches Grundgehalt von monatlich 4.845,28 € brutto in S-Stadt beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde von den US-Stationierungsstreitkräften aus Gründen im Sinne des § 2 TV SozSich mit Wirkung zum 31. Dezember 2014 beendet. In der Zeit vom 01. Januar bis 30. Juni 2015 war der Kläger bei einer aus Anlass der Schließung des Standortes S-Stadt gegründeten Transfergesellschaft beschäftigt und erhielt für diesen Zeitraum auch Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich.

3

Unter dem 08. Juni 2015 schloss der Kläger mit der Automobilzentrum E. GmbH einen schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 34 - 41 d. A.), der u. a. folgende Regelungen enthält:

4

"§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses und Probezeit

5

(1) Das Arbeitsverhältnis wird auf unbestimmte Zeit geschlossen und beginnt am 01.07.2015. Vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ist die ordentliche Kündigung ausgeschlossen. (…)

6

§ 2 Tätigkeit, Versetzungsvorbehalt, Alkoholverbot

7

(1) Der/Die Arbeitnehmer/in ist als Helfer im Servicebereich tätig. Die dem Arbeitsvertrag beiliegende Stellenbeschreibung ist Bestandteil dieses Vertrages. Der/Die Arbeitnehmer/in ist verpflichtet, Änderungen der Stellenbeschreibung zu akzeptieren und zu unterzeichnen, sofern diese auf Herstellervorgaben basieren.

8

(2) Arbeitsort ist S-Stadt. (…)

9

§ 3 Arbeitszeit

10

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 22 Stunden wöchentlich, verteilt auf die Werktage Montag bis Freitag.

11

(2) Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen werden vom Arbeitgeber festgelegt. Einmal pro Monat ist Samstagsarbeit obligatorisch, in Ausnahmefällen kann diese Samstagsarbeit auch nach Absprache mit dem Arbeitnehmer auf mehrere Samstage im Monat mit entsprechendem Freizeitausgleich bzw. finanzieller Vergütung erweitert werden. An- und Auskleiden rechnet nicht zur Arbeitszeit. (…)

12

§ 4 Vergütung

13

(1) Der/Die Arbeitnehmerin/in erhält für die vertragliche regelmäßige Arbeitszeit ein monatliches Brutto in Höhe von 850 Euro. Die Fälligkeit der Vergütung tritt jeweils am 3. Tag des Folgemonats ein. (…)

14

§ 6 Urlaub

15

(1) Der Jahresurlaubsanspruch des/der Arbeitnehmers/in beträgt zurzeit 12 Tage. Der Zeitpunkt des Urlaubs wird unter Berücksichtigung der Geschäftsinteressen in Abstimmung mit dem Arbeitgeber schriftlich festgelegt. Scheidet der/die Arbeitnehmer/in nach Erfüllung der gesetzlichen Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis im zweiten Halbjahr eines Kalendermonats aus, so hat er/sie Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, mindestens jedoch auf den gesetzlichen Mindesturlaub.

16

(2) Im Übrigen richtet sich der Anspruch des/der Arbeitnehmers/in auf bezahlten Erholungsurlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz in seiner jeweils geltenden Fassung. (…)"

17

Unter dem 08. September 2015 unterzeichneten der Kläger und die Automobilzentrum E. GmbH eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag (Bl. 48 d. A.), nach der der am 08. Juni 2015 geschlossene Arbeitsvertrag wie folgt geändert wird:

18

"§ 4 Vergütung

19

(1) Der Arbeitnehmer erhält rückwirkend zum 01.07.2015 für die vertraglich regelmäßige Arbeitszeit ein monatliches Brutto in Höhe von 895,00 €. Dies entspricht einem Stundenlohn in Höhe von 9,39 €. Ab dem 01.09.2015 erhöht sich die Vergütung des Arbeitnehmers entsprechend der prozentualen Erhöhung der Entgelte der Vergütungsgruppe I des "Vergütungstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes" in Bayern. Die Fälligkeit der Vergütung tritt jeweils am 3. Tag des Folgemonats ein.

20

Im Übrigen bleibt § 4 wie der übrige Arbeitsvertrag unverändert."

21

Danach erhielt der Kläger für seine Tätigkeit als Helfer im Servicebereich von der Automobilzentrum E. GmbH rückwirkend ab 01. Juli 2015 ein monatliches Gehalt in Höhe von 895,-- € brutto.

22

Mit seiner beim Arbeitsgericht Kaiserslautern erhobenen Klage hat der Kläger die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich für die Zeit ab Juli 2015 geltend gemacht (bezifferter Zahlungsantrag für Monate Juli bis September 2015 und Feststellungsantrag für die Zukunft).

23

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02. Dezember 2015 - 1 Ca 1108/15 - und ergänzend auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

24

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

25

1. die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von brutto 12.141,57 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von brutto 4.047,19 € seit dem 01.09.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von brutto 4.047,19 € seit dem 01.10.2015 und aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.047,19 € seit dem 01.11.2015 an ihn zu zahlen,

26

2. festzustellen, dass ihm im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit dem Automobilzentrum E. GmbH (Arbeitsverdienst: 9,39 €/Stunde; Lohnerhöhung entsprechend der prozentualen Erhöhung der Entgelte der Vergütungsgruppe I des Vergütungstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern; Arbeitszeit: 22 Stunden wöchentlich) ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des Tarifvertrages zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31.08.1971 (TV SozSich) in Höhe des sich nach § 4 des TV SozSich jeweils monatlich zu errechnenden Betrages zusteht.

27

Die Beklagte hat beantragt,

28

die Klage abzuweisen.

29

Mit Urteil vom 02. Dezember 2015 - 1 Ca 1108/15 - hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern der Klage stattgegeben. Hinsichtlich der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

30

Unter dem 03. Februar 2016 wurde zwischen der Automobilzentrum E. GmbH und dem Kläger folgende "Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag" geschlossen:

31

"Die Parteien verbindet ein Arbeitsvertrag vom 08.06.2015, zuletzt geändert am 08.09.2015.

32

Die Parteien kommen darin überein, dass ab dem 01.02.2016 folgende Änderungen des bislang maßgeblichen Arbeitsvertrages wirksam werden sollen:

33

1. Die wöchentliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers erhöht sich um 2 Stunden auf 24 Stunden. Die geänderte Arbeitszeit verteilt sich auf die Wochentage wie folgt: Montag bis Mittwoch von 08:00 bis 17:00 Uhr.

34

2. Die Vergütung des Arbeitnehmers erhöht sich von bislang 895,00 Euro brutto auf 1.000,00 Euro brutto im Monat. Das entspricht einem Stundenlohn in Höhe von 9,51 €.

35

3. Des Weiteren erhöht sich der jährliche Urlaubsanspruch um 3 Tage, der Gesamturlaubsanspruch beträgt somit 15 Tage.

36

Alle übrigen Vereinbarungen des bisherigen Arbeitsvertrags bleiben unverändert."

37

Gegen das ihr am 12. Februar 2016 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 11. März 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26. April 2016 mit Schriftsatz vom 26. April 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen und dem Kläger am 04. Mai 2016 zugestellt, begründet.

38

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 17. Mai 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 02. Juni 2016 eingegangen, Anschlussberufung eingelegt und im Wege der Klageerweiterung mit seinem weiteren Zahlungsantrag die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe über die Monate Juli bis September 2015 hinaus für die nachfolgenden Monate Oktober 2015 bis Mai 2016 beziffert geltend gemacht.

39

Die Beklagte trägt vor, sie bestreite mit Nichtwissen, dass der Kläger tatsächlich 22 bzw. 24 Wochenstunden bei der Automobilzentrum E. GmbH in S-Stadt arbeite. Hinsichtlich der vom Kläger vorgelegten Zeitaufstellungen bleibe unklar, wie diese überhaupt zu verstehen seien, insbesondere was mit "Leerlauf" gemeint sei. Sie gehe davon aus, dass der Kläger nicht mehr als 21 Wochenstunden gearbeitet habe. Im Übrigen lasse sich entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts aus der Protokollnotiz zu § 4 TV SozSich nicht ableiten, dass man als ehemaliger Beschäftigter der Stationierungsstreitkräfte nur mehr als 21 Stunden arbeiten müsse, um einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu haben. Bei der Überbrückungsbeihilfe handele es sich um eine besondere staatliche Sozialleistung, die von ihr nur dann zu zahlen sei, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage sei, selbst eine dem früheren Gehalt vergleichbare Beschäftigung zu finden. Dagegen sei es nicht Sinn und Zweck der Überbrückungsbeihilfe, dass die Steuerzahler es entlassenen Arbeitnehmern der Stationierungsstreitkräfte ermöglichen würden, ohne wesentliche finanzielle Einbußen sich mit einem Arbeitsverhältnis als Anknüpfleistung auf "Minimalbasis", also den in der Praxis zuletzt häufig vorkommenden 22 Wochenstundenverträgen bei einer Vergütung von 8,50 € zufrieden zu geben. Nach der allgemeinen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast habe der Arbeitnehmer als Anspruchsteller zu beweisen, dass er einer rechtswirksamen anderweitigen Beschäftigung im Sinne des Tarifvertrages nachgehe. Von der Beweislast mit umfasst seien das Bestehen eines rechtswirksamen Arbeitsverhältnisses mit einer nicht bloß geringfügigen Beschäftigung, eine rechtswirksame Lohnabrede mit einem bestimmten, bezifferten Arbeitsentgelt und eine tatsächliche Wochenarbeitszeit von mehr als 21 Stunden. Soweit die Rechtsprechung davon ausgehe, dass derjenige, der sich auf das Vorliegen eines Scheinarbeitsverhältnisses berufe, hierfür auch darlegungs- und beweispflichtig sei, passe dies nicht auf die vorliegende Fallgestaltung, bei der ein rechtswirksames Arbeitsverhältnis die Voraussetzung für den Leistungsanspruch gegenüber einem Dritten sei, der in keiner Weise am Arbeitsverhältnis, dessen Zustandekommen und dessen Durchführung beteiligt werde. Im Hinblick auf den Charakter der Überbrückungsbeihilfe als Sozialleistung sei vielmehr auf die Erwägungen der Sozialgerichtsbarkeit zur Darlegungs- und Beweislast abzustellen. Allein die Vorlage eines Arbeitsvertrages und entsprechender Sozialversicherungsnachweise reiche für die Darlegung eines rechtswirksamen Arbeitsverhältnisses nicht aus, da diese nur ein äußeres Bild zeigten. Die schlichte Vorlage eines Arbeitsvertrages genüge entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts deshalb nicht der beim Kläger liegenden Darlegungs- und Beweislast. Die anspruchsbegründende "anderweitige Beschäftigung" im Sinne des § 4 Ziff. 1 a TV SozSich könne nur ein von der Rechtsordnung anerkanntes Beschäftigungsverhältnis sein. Betrachte man die Arbeitszeit ohne "Leerlauf", habe der Kläger einen Umfang an Arbeitszeit behauptet, der auch nicht ansatzweise den tariflichen Mindestumfang von 21 Wochenstunden abdecke. Betrachte man die angeblichen Ist-Stunden, dann müsste sie ein Arbeitsverhältnis subventionieren, bei dem weniger als der gesetzliche Mindestlohn gezahlt werde. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Vorlage eines Arbeitsvertrages als ausreichend angesehen und dadurch zahlreiche Tatsachen und Anhaltspunkte unberücksichtigt gelassen, wonach ein Arbeitsverhältnis, das die Anspruchsvoraussetzungen des § 4 TV SozSich erfülle, nicht bestehe. Als Anzeichen für ein fehlendes Arbeitsverhältnis seien folgende Umstände zu berücksichtigen: Gelernter Facharbeiter (KFZ-Mechaniker) solle nur als Hilfskraft beschäftigt werden, Abweichung des schriftlichen Arbeitsvertrages von dem angeblich gelebten Arbeitsverhältnis hinsichtlich der Arbeitszeit, wiederholte Vereinbarungen unter der tariflichen Vergütung, Unklarheiten bzw. unsubstantiierter Vortrag zu den Zeiten und der Art der Arbeiten, Verzicht durch das behauptete Arbeitsverhältnis auf ein 5-fach höheres Arbeitslosengeld, unklare Festlegung der Arbeitszeit und Beibehaltung der Lage der Arbeitszeit trotz angeblicher Ausweitung der Arbeitszeit um zwei Stunden. Weiterhin müsse sich derjenige, der Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich geltend mache, ein treuwidriges Verhalten im Sinne des § 162 BGB und damit den Wegfall der Überbrückungsbeihilfe entgegen halten lassen. Es genüge nicht, dass ein Arbeitnehmer lediglich die Mindestanforderungen des Tarifvertrages erfülle. Vielmehr handele es sich bei dem Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe bereits nach dem Wortlaut um eine ergänzende Leistung. Im Vordergrund müsse also ein neues Arbeitsverhältnis stehen, in dem Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung möglichst äquivalent einbringe. Darüber hinaus müsse die neue Arbeitsleistung Hauptmotivation sein, und nicht nur den Zweck haben, die Überbrückungsbeihilfe als staatliche Leistung zu erzielen. Demgegenüber sei die Überbrückungsbeihilfe beim Kläger nicht soziale Folge eines Arbeitsverhältnisses, sondern - umgekehrt - maßgeblicher Zweck für das eingegangene Arbeitsverhältnis. Auch das fehlende Bemühen des Klägers um eine vergleichbare Folgebeschäftigung begründe entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts einen Rechtsmissbrauch im Sinne des §§ 162, 242 BGB. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers sei im Wesentlichen nicht einlassungsfähig. In der Gegend, in der der Kläger wohne, seien zahlreiche offene Stellen - sowohl für gelernte als auch für ungelernte Kräfte - gemeldet. Soweit der Kläger vorgetragen habe, dass ihm sein Drittarbeitgeber eine Teilzeitstelle im Betrieb von 20 Stunden angeboten habe, hätte er nach seinem eigenen Vorbringen in Vollzeit arbeiten können und gemäß § 9 TzBfG sogar einen gesetzlichen Anspruch auf Erhöhung seiner Arbeitszeit gehabt. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger sich um eine Vollzeitstelle bemüht habe. Zu Unrecht rüge der Kläger, dass sie ihren eigenen Verpflichtungen nach § 3 Ziff. 3 TV SozSich nicht nachgekommen sei. Sie habe ein Vermittlungsverfahren implementiert. Im Pool der zu vermittelnden Personen sei der Kläger gemeldet. Richtig sei aber, dass eine geeignete Stelle dem Kläger bisher im Rahmen dieses Verfahrens ihrer Kenntnis nach nicht vorrangig habe vermittelt werden können. Ein - unterstelltes - Arbeitsverhältnis des Klägers bzw. die diesem zugrunde liegende Entgeltvereinbarung sei im Hinblick auf die damit begehrte Überbrückungsbeihilfe wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB unwirksam. Vorliegend begehre der Kläger bei einem Monatsverdienst von 895,-- € eine Überbrückungsbeihilfe von über 4.000,-- € monatlich. Das Monatsentgelt mache also nur einen Bruchteil der Überbrückungsbeihilfe aus bzw. diese betrage ungefähr das dreieinhalbfache des vertraglich vereinbarten Arbeitsentgeltes. Die verwerfliche Gesinnung folge aus dem Leistungsbegehren gegenüber öffentlichen Kassen in Verbindung mit den Gesamtumständen. Der Kläger hätte einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I in Höhe von mehr als 2.000,-- € netto gehabt, den sie hätte aufstocken müssen, während sich der Kläger mit einem Arbeitsverdienst von 682,05 € netto zufrieden gebe und sie die Differenz von ca. 2/3 des Netto-Gehaltes ausgleichen solle. Soweit der Kläger nunmehr keine überwiegend gewerbliche Tätigkeit mehr verrichte, sondern als Sachbearbeiter fungiere, könne diese Tätigkeit der sog. Leistungsgruppe 4 des Bayerischen Landesamtes für Statistik zugeordnet werden. Hier werde im Landesdurchschnitt in Bayern eine Stundenvergütung von 14,42 € für Männer gezahlt. Der Kläger gebe sich mit nur 2/3 dieser durchschnittlichen Vergütung zufrieden. Nach dem einschlägigen Vergütungstarifvertrag sei die vom Kläger verrichtete Tätigkeit mit dem Regelbeispiel der "Gewährleistungssachbearbeitung" aufgeführt und in die Vergütungsgruppe 4 des Vergütungstarifvertrages vom 18. Juni 2012 aufgenommen. Danach verdiene der Kläger deutlich unter 2/3 des Tariflohns. Soweit der Kläger behaupte, dass die Tarifverträge weder auf 50% der Unternehmen noch auf 50% der Mitarbeiter im KFZ-Gewerbe in Bayern Anwendung finden würden, könne sie sich hierzu zwar bislang nicht erklären. Unzutreffend sei aber die rechtliche Einschätzung des Klägers, dass keine Gehaltsuntergrenze nach § 138 BGB gegeben sei. Der Wert der üblichen Vergütung ergebe sich zumindest aus der Durchschnittsvergütung, die nach den Zahlen des Bayerischen Landesamtes für Statistik insgesamt durchschnittlich 14,47 € pro Stunde betrage. Hier erreiche der Kläger gerade nicht mehr den 2/3-Wert. Seine Vergütung sei zumindest seit der Zuweisung der höherwertigen Tätigkeit sittenwidrig niedrig. In Bezug auf die Höhe der geltend gemachten Forderung betrage die Bruttobemessungsgrundlage für den gesamten Zeitraum nicht wie vom Kläger berechnet 4.942,19 €, sondern 4.845,28 €. Der Kläger habe die Bruttobemessungsgrundlage von 4.845,28 € um die gesetzliche Rentenerhöhung (West) des Jahres 2015 erhöht. Nach dem Wortlaut des § 4 Ziff. 3 a (2) TV SozSich erfolge die Erhöhung der Bruttobemessungsgrundlage aber erst nach dem Jahr der Entlassung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf ihre Berufungsbegründung vom 26. April 2016 und ihren Schriftsatz vom 06. Juli 2016 verwiesen.

40

Die Beklagte beantragt,

41

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02. Dezember 2015 - 1 Ca 1108/15 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

42

Der Kläger beantragt,

43

die Berufung zurückzuweisen.

44

Der Kläger beantragt im Wege der Anschlussberufung,

45

die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, einen weiteren Betrag in Höhe von 30.592,07 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.047,19 € seit dem 01. Dezember 2015, aus 4.047,19 € seit dem 01. Januar 2016, aus 4.047,19 € seit dem 01. Februar 2016, aus 3.765,70 € seit dem 01. März 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. April 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. Mai 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. Juni 2016 und aus 3.671,20 € seit dem 01. Juli 2016 an ihn zu zahlen.

46

Der Kläger berichtigt den Feststellungsantrag und passt ihn an seine aktuelle vertragliche Lage an:

47

Es wird festgestellt, dass ihm im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit dem Automobilzentrum E. GmbH (Arbeitsverdienst: 9,61 €/Stunde; Lohnerhöhung entsprechend der prozentualen Erhöhung der Entgelte der Vergütungsgruppe I des Vergütungstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern; Arbeitszeit: 24 Stunden wöchentlich) ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des Tarifvertrages zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich) in Höhe des nach § 4 des TV SozSich jeweils monatlich zu errechnenden Betrages zusteht.

48

Die Beklagte beantragt,

49

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

50

Der Kläger erwidert, das Arbeitsgericht habe zutreffend angenommen, dass für die prozessuale Geltendmachung des Anspruchs auf Überbrückungsbeihilfe zu einer anderweitigen Beschäftigung im Sinne des § 4 Ziff. 1 a TV SozSich die Vorlage eines Arbeitsvertrages sowie Nachweise über das aus diesem Arbeitsverhältnis bezogene Arbeitsentgelt ausreichend seien. Insbesondere werde hierdurch ausreichend nachgewiesen, dass der Anspruchsteller auch tatsächlich eine anderweitige Beschäftigung aufgenommen und die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit erbracht habe. Denn im absoluten Regelfall würden Arbeitsverträge auch so durchgeführt, wie sie unterschrieben worden seien. Abgesehen von Fällen des kollusiven Zusammenwirkens werde kein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Lohn zahlen, ohne dass dieser hierfür die entsprechende Gegenleistung in Form der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung erbracht habe. Tarifliche Voraussetzung für die Gewährung von Überbrückungsbeihilfe sei nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 TV SozSich und der dazugehörigen Protokollnotiz nur, dass der Anspruchsteller einen Arbeitsvertrag mit mehr als 21 Wochenstunden abgeschlossen habe und auf der Grundlage dieses Arbeitsverhältnisses Arbeitsentgelt für mindestens 21 Wochenstunden beziehe. Weitere Voraussetzungen für den Anspruch Überbrückungsbeihilfe würden sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus dem Sinn und Zweck des TV SozSich ergeben. Nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien sei die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess als Zielsetzung der Überbrückungsbeihilfe bereits dann erreicht, wenn die betroffenen Arbeitnehmer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im Umfang von mehr als 21 Wochenstunden tätig seien. Mithin erfülle er durch sein Arbeitsverhältnis bei der Automobilzentrum E. GmbH und seiner beruflichen Tätigkeit im Umfang von mittlerweile 24 Stunden pro Woche genau die Zielsetzung der Überbrückungsbeihilfe, so dass deren Zweck nicht verfehlt, sondern vielmehr gerade erfüllt werde. Entgegen der Ansicht der Beklagten müsse er nicht darlegen und beweisen, dass seine tatsächliche Wochenarbeitszeit mehr als 21 Stunden betrage, d. h. dass er in der Regel mehr als 21 Wochenstunden gearbeitet habe. Vielmehr obliege es der Beklagten, Tatsachen vorzutragen und notwendigenfalls zu beweisen, die angeblich für ein Scheinarbeitsverhältnis sprechen würden. Die Beklagte habe hierfür keine tragfähigen Anhaltspunkte vorgetragen. Nach ständiger Rechtsprechung trage derjenige die Beweislast für den Scheincharakter eines Vertrages, wer sich auf die Nichtigkeit eines Geschäftes nach § 117 Abs. 1 BGB berufe. Entgegen der unzutreffenden Ansicht der Beklagten sei diese Rechtsprechung auch für den vorliegenden Fall maßgeblich. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die tariflichen Ansprüche angeblich als Sozialleistung im weitesten Sinne zu verstehen seien. Denn dieser Umstand sei nicht geeignet, den arbeitsrechtlichen Charakter des Anspruchs auf Überbrückungsbeihilfe zu ändern. Eine Übertragung der von der Beklagten angeführten Erwägungen der Sozialgerichtsbarkeit auf die vorliegende arbeitsgerichtliche Streitigkeit verbiete sich ohnehin, weil die unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten von grundlegend verschiedenen Prozessgrundsätzen geprägt seien. Unabhängig davon genüge im Regelfall auch im Rahmen eines Sozialgerichtsprozesses die Vorlage eines Arbeitsvertrages, um der Feststellungslast hinsichtlich des Bestehens eines Beschäftigungsverhältnisses und der hieraus resultierenden Versicherungspflicht zu genügen. Die Beklagte habe keine erheblichen Umstände vorgetragen, weshalb sie der Ansicht sei, dass sein Arbeitsverhältnis nur zum Schein eingegangen sei. Soweit die Beklagte zum wiederholten Male bemängelt habe, dass er nur als Hilfskraft beschäftigt werde, weise er nochmals darauf hin, dass seine Ausbildung als Kfz-Mechaniker aus dem Jahr 1980 aufgrund des zwischenzeitlichen technischen Fortschritts im Kfz-Bereich mittlerweile entwertet sei, so dass er diese nicht mehr auf dem deutschen Arbeitsmarkt verwerten könne. Soweit die Beklagte behaupte, dass hinsichtlich der Arbeitszeit eine Abweichung des schriftlichen Arbeitsvertrages vom gelebten Arbeitsverhältnis vorliege, so treffe dies nicht zu. Die Arbeitszeit halte sich in dem durch den Arbeitsvertrag gesteckten Rahmen und sei wirksam durch seinen Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts festgelegt worden. Nach Vertragsschluss seien er und Herr E. auf dessen Vorschlag hin darin übereingekommen, dass er zunächst von Montag bis Mittwoch von jeweils 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr arbeiten solle. Auf diesem Wege hätten auf der einen Seite die Arbeitstage pro Monat und somit seine Reisekosten möglichst gering gehalten werden sollen. Die E. GmbH habe ihm zudem angeboten, dass er die anfallenden Überstunden dazu nutzen könne, ganze Arbeitstage bezahlt daheim zu bleiben, um sich an diesen Tagen die Reisekosten komplett sparen zu können. Auf der anderen Seite habe der Arbeitgeber hierdurch die notwendige Flexibilität gewahrt, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses noch nicht sicher gewesen sei, ob er für ihn ausreichend Arbeit habe. Die angefallenen Überstunden seien vereinbarungsgemäß seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben worden. Ein Zeitausgleich sei nach Absprache durch bezahlte Freistellung erfolgt. Dementsprechend sei er am 13. Juli 2015 sowie im Zeitraum vom 14. bis 16. September 2015 von seiner Arbeitsleistung unter Fortzahlung seiner Vergütung freigestellt worden. Soweit die Beklagte darauf hingewiesen habe, dass die Vereinbarung hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit keinen Niederschlag in dem Arbeitsvertrag gefunden habe, so sei dieser Einwand unerheblich. Denn es sei nicht unüblich, dass die konkreten Arbeitszeiten im ursprünglichen Arbeitsvertrag nicht genannt würden, um das Weisungsrecht des Arbeitgebers in zeitlicher Hinsicht nicht ohne Not einzuschränken. Zudem halte sich die Festlegung der Arbeitszeit im vertraglichen Rahmen. Von dem in § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages festgelegten Recht habe Herr E. zu Beginn des Arbeitsverhältnisses bei der Festlegung seiner Arbeitszeit Gebrauch gemacht. Mit Wirkung zum 01. Februar 2016 sei seine regelmäßige Arbeitszeit durch die vorgelegte Änderungsvereinbarung auf 24 Wochenstunden erhöht und im Rahmen dessen verbindlich auf Montag bis Mittwoch von 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr festgelegt worden. Er habe bei Herrn E. mehrmals um eine Erhöhung seiner Arbeitszeit angefragt. Da eine Mitarbeiterin zum 31. Januar 2016, die als sog. Garantiebearbeiterin mit 20 Stunden pro Woche tätig gewesen sei, die Automobilzentrum E. GmbH verlassen habe, sei ihm angeboten worden, dass er auf diese Stelle wechsele und gleichzeitig seine Arbeitszeit auf 24 Wochenstunden erhöht werden könne. Denn gewisse bisherige Arbeitsaufgaben habe er auch nach seinem Stellenwechsel weiterhin erledigen sollen. Sein Arbeitgeber habe ihm aber keine weiteren Stunden angeboten, obgleich er hierum gebeten habe. Soweit die Beklagte zum wiederholten Mal bemängele, dass sein Lohn unter der tariflichen Vergütung liege, habe er bereits erstinstanzlich darauf hingewiesen, dass eine Tarifvergütung im Kfz-Gewerbe in Bayern nicht üblich sei. Sein Stundenlohn entspreche vielmehr dem orts- und betriebsüblichen Lohn für vergleichbare Tätigkeiten. Von einer offenkundigen Unklarheit, was und wann er gearbeitet habe, könne auch keine Rede sein. Vielmehr habe er seine einzelnen Arbeitsaufgaben aufgezählt. Zudem habe er unter Verwendung von Auszügen aus dem elektronischen Zeiterfassungssystem jeden einzelnen seiner Arbeitstage kalendermäßig aufgezählt sowie den jeweiligen Beginn und das Endes seiner Arbeitszeit angegeben. Aus der Spalte "bez. Std." lasse sich Tag genau die Dauer der Arbeitszeit entnehmen. Exakter könne die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers nicht angegeben werden. Die Spalte "Leerlauf" in den Zeitaufstellungen habe nicht die Bedeutung, dass er insoweit nicht beschäftigt worden sei. Die Spalte "W 3" (Leerlauf) weise lediglich den Umfang der Arbeitszeit aus, der nicht der Abarbeitung eines bestimmten Reparatur-/Serviceauftrages zugeordnet sei. Bei der Automobilzentrum E. GmbH müssten lediglich alle produktiven Mitarbeiter ihre Tätigkeit auftragsbezogen mit Abstempeln eines Strichcodes nachweisen, um ihre Arbeitszeit abrechnen zu können. Für Servicemitarbeiter bestehe hingegen keine solche Pflicht. Mithin sei die Spalte "W 3" im Regelfall gleichbedeutend mit seiner tatsächlichen Arbeitszeit. Nur in Fällen, in denen er ausnahmsweise auftragsbezogene Tätigkeiten verrichtet habe, ergebe sich die tägliche Arbeitszeit aus der Summe der Spalte "W 3" und der Spalte "ZA" (= Zeit aller gestempelten Aufträge). Er sei bei der Automobilzentrum E. GmbH in deren Autohaus in S-Stadt entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarung vom 01. Juli 2015 bis 31. Januar 2016 als Helfer im Servicebereich tatsächlich im Durchschnitt mit 22 Stunden wöchentlich tätig gewesen und habe im Rahmen dieser regelmäßigen Arbeitszeiten die von ihm im Einzelnen aufgeführten Tätigkeiten erledigt. Seit dem 01. Februar 2016 sei er für die Automobilzentrum E. GmbH in S-Stadt als Garantiebearbeiter regelmäßig mit 24 Wochenstunden mit den von ihm im Einzelnen aufgeführten Aufgaben tätig. Seine tatsächliche Arbeitszeit werde elektronisch festgehalten und ergebe sich aus den von ihm vorgelegten Stundenaufzeichnungen. Sein Arbeitsverhältnis halte sich auch an die Vorgaben des Mindestlohngesetzes. Nach § 2 Abs. 2 MiLoG könnten auch mit Arbeitnehmern, die zum Mindestlohn vergütet würden, Arbeitszeitkonten schriftlich vereinbart werden. Er habe mit der Automobilzentrum E. GmbH ein solches Arbeitszeitkonto schriftlich vereinbart, das die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 MiLoG erfülle. Grundlage dieses Arbeitszeitkontos seien die vom elektronischen Zeiterfassungssystem erfassten Arbeitszeiten. Gemäß der zutreffenden Feststellung des Arbeitsgerichts sei der pauschale Vorwurf des treuwidrigen Verhaltens nicht geeignet, seinen Anspruch zu Fall zu bringen. Vielmehr habe die Beklagte seinerseits nichts dazu vorgetragen, welche Maßnahmen sie ergriffen habe, um ihren tarifvertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihm aus § 3 Ziff. 3 TV SozSich nachzukommen. Mithin könne nur davon ausgegangen werden, dass die Beklagte im Hinblick auf die vertraglich geschuldete Mithilfe bei der Vermittlung der ehemaligen Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte völlig tatenlos geblieben sei. Allein der Umstand, dass er zunächst 22 bzw. nun 24 Wochenstunden arbeite und sein Arbeitslohn nicht seinem ehemaligen Lohn bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften entspreche, begründe keine Treuwidrigkeit. Die Beklagte habe auch nicht vorgetragen, welche angezeigten Bewerbungsbemühungen er angeblich pflichtwidrig unterlassen habe. Im Übrigen habe er seine Bewerbungsbemühungen im Einzelnen dargestellt. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei seine Vergütung zuletzt auch nicht sittenwidrig niedrig. Den von der Beklagten angeführten Daten fehle die notwendige Aussagekraft für den vorliegenden Fall. Zunächst einmal würden sich die Angaben des Landesamtes für Statistik auf ganz Bayern beziehen, während Bezugsgröße für die Prüfung eines auffälligen Missverhältnisses das Lohnniveau sei, das sich für die auszuübende Tätigkeit in der Wirtschaftsregion gebildet habe. S-Stadt gehöre zu der gemessen an bayerischen Verhältnissen eher strukturschwachen Wirtschaftsregion des nördlichen Unterfrankens. Im Übrigen könnten die Daten in Folge der beschäftigungsübergreifenden Kategorisierung keine Aussage darüber treffen, wie hoch die Durchschnittsvergütung für eine konkrete Tätigkeit sei. Zudem werde explizit zwischen vollzeitbeschäftigten und teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschieden. Der Bruttostundenverdienst ohne Sonderzahlungen für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer der Lohngruppe 4 werde mit lediglich 11,98 € angeführt. Überdies sei seine aktuelle Tätigkeit richtigerweise der Leistungsgruppe 5 zuzuordnen. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte seinen Bruttostundenverdienst ohne Sonderzahlungen errechne, aber in Widerspruch hierzu den Bruttostundenverdienst mit Sonderzahlungen heranziehe.

51

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen E.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 18. August 2016 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

52

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO), aber unbegründet.

53

Die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig (§§ 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 524 ZPO). Sie erfordert keine eigenständige Beschwer (BAG 19. Mai 2016 - 3 AZR 766/14 - Rn. 14, juris). Der in der ersten Instanz voll obsiegende Kläger kann sich deshalb - wie hier - der (zulässigen) gegnerischen Berufung zum Zwecke der Klageerweiterung anschließen (BGH 10. Mai 2011 - VI ZR 152/10 - Rn. 10, NJW 2011, 3298). Die Anschlussberufung ist auch begründet.

54

Die Klage ist mit den zuletzt gestellten Anträgen zulässig und begründet. Der Kläger hat nach § 4 Ziff. 1 a TV SozSich einen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Überbrückungsbeihilfe für die Monate Juli 2015 bis Mai 2016 und die von ihm zuletzt begehrte (zukunftsbezogene) Feststellung.

I.

55

Die Klage ist mit den zuletzt gestellten Anträgen zulässig.

56

Die mit der Anschlussberufung vorgenommene Erweiterung der Zahlungsklage über den erstinstanzlich streitgegenständlichen Zeitraum von Juli 2015 bis September 2015 hinaus auf den nachfolgenden Zeitraum von Oktober 2015 bis Mai 2016 ist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 533 ZPO zulässig. Der im Berufungsverfahren gemäß § 264 Nr. 2 ZPO beschränkte Feststellungsantrag ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

II.

57

Die Klage ist begründet.

58

Der Kläger hat nach § 4 Ziff. 1 a TV SozSich einen Anspruch auf die von ihm begehrte Überbrückungsbeihilfe ab Juli 2015.

59

1. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 TV SozSich sind unstreitig erfüllt. Nach § 4 Ziff. 1 a TV SozSich wird Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt. Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nach der Protokollnotiz zu Ziff. 1 a nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt. Diese Voraussetzungen sind hier ebenfalls erfüllt.

60

Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts (§ 286 ZPO) fest, dass der Kläger tatsächlich bei der Automobilzentrum E. GmbH in deren Autohaus in S-Stadt aufgrund des Arbeitsvertrages vom 08. Juni 2015 in der Zeit vom 01. Juli 2015 bis 31. Januar 2016 als Helfer im Servicebereich im Durchschnitt 22 Stunden wöchentlich gearbeitet hat und dort aufgrund des Änderungsvertrages vom 03. Februar 2016 seit dem 01. Februar 2016 als Garantiebearbeiter regelmäßig mit 24 Wochenstunden tätig ist.

61

a) Der Kläger hat den Arbeitsvertrag vom 08. Juni 2015 nebst der Ergänzung vom 08. September 2015 und den Änderungsvertrag vom 02. Februar 2016 vorgelegt, die er mit der Automobilzentrum E. GmbH abgeschlossen hat. Danach haben die Vertragsparteien für die Zeit ab 01. Juli 2015 eine Tätigkeit des Klägers als Helfer im Servicebereich mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 22 Stunden wöchentlich und ab dem 01. Februar 2016 eine um zwei Stunden auf 24 Stunden erhöhte Wochenarbeitszeit des Klägers vereinbart. Weiterhin hat der Kläger die nach dem elektronischen Zeiterfassungssystem der Automobilzentrum E. GmbH dokumentierten Arbeitszeiten für die streitgegenständlichen Monate Juli 2015 bis Mai 2016 vorgelegt. In Bezug auf die in den Zeitaufstellungen enthaltene Spalte W 3 (Leerlauf) hat er erläutert, dass diese Spalte lediglich den Umfang der Arbeitszeit ausweise, der nicht der Abarbeitung eines bestimmten Reparatur- bzw. Serviceauftrages zugeordnet sei und nicht etwa besage, dass er insoweit nicht beschäftigt worden sei. Gemäß den vorgelegten Lohnabrechnungen hat der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum die jeweils vertraglich vereinbarte Vergütung in Höhe von 895,-- € brutto rückwirkend ab 01. Juli 2015 und sodann in Höhe von 1.000,-- € brutto ab 01. Februar 2016 erhalten.

62

b) Der von beiden Parteien benannte Zeuge E. hat in jeder Hinsicht glaubhaft bestätigt, dass der Kläger entsprechend den geschlossenen Verträgen auch tatsächlich beschäftigt worden ist bzw. dementsprechend beschäftigt wird. Der Zeuge E. hat ausgesagt, dass er Geschäftsführer des Automobilzentrums E. GmbH in S-Stadt sei und der Kläger in ihrem Autohaus in S-Stadt seit 01. Juli 2015 zunächst als Helfer im Servicebereich im Durchschnitt 22 Stunden wöchentlich gearbeitet habe. Bei der Tätigkeit als Helfer handele es sich um den Hol- und Bringservice für Kunden, Teile holen usw.. Es handele sich um Tätigkeiten, die sporadisch im Autohaus anfallen würden. Zu den ihm vorgelegten Verträgen vom 08. Juni 2015 nebst Ergänzung vom 08. September 2015 und der Änderungsvereinbarung vom 03. Februar 2016 hat er erklärt, dass diese Verträge von ihm unterschrieben worden seien und der Kläger dementsprechend auch beschäftigt worden sei bzw. beschäftigt werde. Seit 01. Februar 2016 habe der Kläger Garantie, Kulanz und Notdienstbearbeitung übernommen, was vorher Frau S. gemacht habe. Nachdem Frau S. ihr Arbeitsverhältnis gekündigt habe, seien diese Arbeiten auf den Kläger übertragen worden. Dabei habe Frau S. etwa 1/3 ihrer Tätigkeit an den Kläger abgegeben, während die ihr vorher zugeordnete Werbung und die Standards, die die meiste Zeit in Anspruch genommen hätten, von seiner Tochter übernommen worden seien. Wenn der Kläger z. B. Garantiefälle bearbeite, müsse ggf. ein anderer Monteur die ansonsten vom Kläger miterledigten Hilfsarbeiten ausführen. Mit dem Kläger sei abgesprochen worden, dass er seine Arbeit an den Werktagen Montag bis Mittwoch erbringe. Wenn der Kläger mehr gearbeitet habe, sei er ggf. an anderen Tagen freigestellt worden. Wenn der Kläger z. B. einen Tag zusätzlich gearbeitet habe, sei er dafür an einem anderen Tag freigestellt worden. Der Kläger sitze im Büro zwei Schreibtische von ihm entfernt. Er habe den Kläger vor Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht persönlich gekannt und sei mit ihm auch nicht befreundet. Sie hätten in ihrem Autohaus zwei Kfz-Meister und keinen weiteren Bedarf. Während früher alles mechanisch gewesen sei, sei heute alles elektronisch, so dass der Einstieg für einen Kfz-Meister, der z. B. schon fünf Jahre raus sei, unheimlich schwer wäre. Das Budget gebe es auch nicht her, dem Kläger eine höhere Vergütung anzubieten.

63

Aufgrund dieser glaubhaften Aussage des Zeugen E. ist das Berufungsgericht zweifelsfrei davon überzeugt, dass der Kläger entsprechend den von ihm vorgelegten Verträgen mit der Automobilzentrum E. GmbH dort auch tatsächlich beschäftigt worden ist bzw. beschäftigt wird. Es kann daher dahingestellt bleiben, zu wessen Lasten eine - hier nicht gegebene - Unergiebigkeit der Beweisaufnahme (non liquet) gehen würde.

64

2. Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehen nach dem Wortlaut der Tarifbestimmung und der Protokollnotiz keine weiteren Anspruchsvoraussetzungen (vgl. BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 17, NZA 1995, 1168).

65

Insbesondere ist nicht entscheidend, wie hoch das Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung des Klägers ist. Gemäß dem Wortlaut von § 4 Ziff. 1 a TV SozSich hat der Kläger einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu diesem Arbeitsentgelt, ohne dass es auf dessen Höhe ankommt. Der von den Tarifvertragsparteien gewählte Begriff "Überbrückungsbeilhilfe" besagt nicht, dass die "Beilhilfe" stets niedriger sein muss als das übrige Einkommen, sondern nur, dass sie beim Übergang in ein Arbeitsverhältnis mit niedrigeren Bezügen helfen soll. Für eine andere Auslegung findet sich im Tarifwortlaut kein Hinweis. Weiterhin lässt sich dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, soweit er in den Tarifnormen seinen Niederschlag gefunden hat, auch unter Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs nicht entnehmen, dass das Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung höher sein muss als das Arbeitslosengeld, das der Arbeitnehmer erhielte. Die Fallgruppen des § 4 Ziff. 1 TV SozSich stehen unabhängig nebeneinander und erlauben nicht den Schluss, das Arbeitsentgelt müsse mindestens die Höhe des Arbeitslosengeldes erreichen. Eine solche Annahme würde auch dem nach § 3 TV SozSich auf Wiedereingliederung des entlassenen Arbeitnehmers gerichteten tariflichen Regelungskonzept widersprechen. Die Überbrückungsbeihilferegelung soll einen Anreiz darstellen, damit der Arbeitnehmer entweder eine anderweitige Beschäftigung aufnimmt oder zumindest der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Als für den Tarifanspruch nicht ausreichend ist nach der Protokollnotiz zu § 4 Ziffer 1 a TV SozSich nur eine anderweitige Beschäftigung mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 21 Stunden oder weniger anzusehen. Obwohl die Tarifparteien das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs somit erkannt haben, haben sie für die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur eine Mindestarbeitszeit, nicht aber einen Mindestlohn vorgeschrieben. Daran sind die Gerichte gebunden. Dem Tarifvertrag ist auch nicht zu entnehmen, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sein soll, Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen, wenn der Lohn für eine verfügbare Beschäftigung niedriger ist als dieses (BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 19 - 23, NZA 1995, 1168).

66

3. Der Klageanspruch entfällt auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB).

67

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 - Rn. 35, juris; vgl. zur Überbrückungsbeihilfe BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 24, NZA 1995, 1168). Schwierigkeiten, die sich aus fehlenden Kenntnismöglichkeiten ergeben, ist ggf. durch die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen (BAG 19. März 2014 - 7 AZR 527/12 –, Rn. 26, NZA 2014, 840). Die für den Einwand des Rechtsmissbrauchs darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat keine Umstände unter Beweisantritt vorgetragen, die ein rechtsmissbräuchliches Verhalten begründen könnten.

68

a) Die zwischen dem Kläger und dem Automobilzentrum E. GmbH jeweils vereinbarte Vergütung ist nicht sittenwidrig (§ 138 BGB).

69

Die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat bereits keine Umstände vorgetragen, die ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung begründen. Entgegen den Ausführungen der Beklagten ist unerheblich, in welchem Verhältnis das vom Kläger erzielte Arbeitseinkommen zu der von ihm begehrten Überbrückungsbeihilfe steht. Darauf kommt es gemäß den obigen Ausführungen nach den tariflich festgelegten Anspruchsvoraussetzungen nicht an. Im Streitfall kann auch nicht angenommen werden, dass der von der Beklagten angeführte Tariflohn der verkehrsüblichen Vergütung entspricht und danach der Wert der Arbeitsleistung des Klägers in einem auffälligen Missverhältnis zu der hierfür gezahlten Vergütung steht. Der Kläger hat vorgetragen, dass eine Tarifvergütung im Kfz-Gewerbe in Bayern nicht üblich sei. Weder seien mehr als 50 % der Arbeitgeber des Kfz-Gewerbes tarifgebunden, noch würden die in Bayern organisierten Arbeitgeber mehr als 50 % der Arbeitnehmer im Kfz-Gewerbe beschäftigen. Die für die Voraussetzungen des § 138 BGB darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat sich hierzu nicht erklären können. Mithin kann nicht von der Üblichkeit der angeführten Tarifvergütung ausgegangen werden, so dass von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen ist (vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 14 und 24, NZA 2009, 837). Hierzu hat die Beklagte einen Auszug aus den statistischen Berichten über die Verdienste und Arbeitszeiten im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich in Bayern im ersten Quartal 2016 des Bayerischen Landesamtes für Statistik vorgelegt. Danach beträgt bei der von der Beklagten angeführten Leistungsgruppe 4 der Bruttostundenverdienst für die teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer (insgesamt) lediglich 11,98 € und bei vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern ohne Sonderzahlungen 13,70 € (Männer) bzw. 13,75 € (insgesamt). Damit wird die Grenze von 2/3 des üblichen Lohns nicht unterschritten. Im Übrigen lässt sich auch nicht feststellen, aufgrund welcher Umstände die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit der Leistungsgruppe 4 zuzuordnen sein soll. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, welche besonderen Kenntnisse und Fertigkeiten für spezielle, branchengebundene Aufgaben erforderlich sein sollen, die nicht durch Anlernen von bis zu drei Monaten vermittelt werden können, sondern in der Regel durch eine Anlernzeit von bis zu zwei Jahren erworben werden.

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b) Weiterhin wird auch der Mindestlohn von 8,50 € brutto je Zeitstunde nach dem Mindestlohngesetz nicht unterschritten. Der Kläger hat vorgetragen, dass er aufgrund des für ihn geführten schriftlichen Arbeitszeitkontos für die über die regelmäßige Wochenarbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden einen entsprechenden Freizeitausgleich erhält (§ 2 Abs. 2 MiLoG). Eine Unterschreitung des nach dem Mindestlohngesetz ab dem 01. Januar 2015 zu zahlenden Mindestlohns lässt sich im Streitfall nicht feststellen.

71

c) Soweit die Beklagte hervorgehoben hat, dass es sich bei der Überbrückungsbeihilfe um eine ergänzende staatliche Sozialleistung handele, ändert dies nichts daran, dass sich daraus gemäß den obigen Ausführungen keine weiteren Anspruchsvoraussetzungen dergestalt herleiten lassen, dass im "Vordergrund" ein neues Arbeitsverhältnis stehen müsse, durch das der Arbeitnehmer seine (neue) Arbeitsleistung möglichst gleichwertig einzubringen habe und das nicht nur zum Erhalt von Überbrückungsbeihilfe als maßgeblicher Zweck eingegangen worden sei. Die Überbrückungsbeihilfe soll gerade einen Anreiz dafür darstellen, dass der Arbeitnehmer eine anderweitige Beschäftigung aufnimmt und dadurch wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert wird. Im Hinblick auf diese Anreizfunktion kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, dass er mit dem von ihm eingegangenen Arbeitsverhältnis den Erhalt von Überbrückungsbeihilfe bezweckt. Wie bereits oben ausgeführt, besagt allein der von den Tarifparteien gewählte Begriff "Überbrückungsbeihilfe" nicht, dass die "Beihilfe" niedriger sein muss als das übrige Einkommen. Vielmehr haben die Tarifparteien für die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur eine Mindestarbeitszeit, nicht aber einen Mindestlohn vorgeschrieben, obwohl sie das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs erkannt haben. Der Kläger ist danach nicht verpflichtet, über die vorgeschriebene Mindestarbeitszeit hinaus eine Vollzeittätigkeit zu übernehmen. Unabhängig davon hat nach der Aussage des Zeugen E. dessen Tochter von der zuvor halbtags beschäftigten Mitarbeiterin S. die Werbung und die Standards übernommen, die die meiste Zeit in Anspruch genommen hätten. Anlässlich der vom Kläger ab 01. Februar 2016 übernommenen Tätigkeit als Garantiebearbeiter ist daher nur eine Erhöhung seiner Arbeitszeit um zwei Stunden vereinbart worden. Im Übrigen hat der Zeuge darauf verwiesen, dass ggf. ein anderer Monteur die ansonsten vom Kläger miterledigten Hilfsarbeiten ausführen müsse, wenn dieser z.B. Garantiefälle bearbeite. Weiterhin hat der Zeuge E. ausgesagt, dass es das Budget nicht hergegeben habe, dem Kläger eine höhere Vergütung anzubieten. Entgegen der Annahme der Beklagten haben der Kläger und die Automobilzentrum E. GmbH in der Ergänzung zum Arbeitsvertrag vom 08. September 2015 keine Vergütung nach der Vergütungsgruppe 1 des angeführten Tarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern, sondern vielmehr das festgelegte Bruttogehalt vereinbart, das sich lediglich künftig entsprechend der prozentualen Erhöhung der Entgelte der genannten Vergütungsgruppe erhöht. Der Kläger hat im Einzelnen geschildert, welche umfangreichen Bewerbungsbemühungen er - erfolglos - unternommen hat. Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat das substantiierte Vorbringen des Klägers lediglich mit Nichtwissen bestritten und keine Tatsachen dafür unter Beweisantritt dargelegt, dass der Kläger etwa einen unter der üblichen Vergütung liegenden Lohn vereinbart hat, obwohl für ihn bestimmte günstigere Angebote verfügbar waren. Allein der Verweis darauf, dass zahlreiche offene Stellen gemeldet seien, reicht zur Begründung eines Rechtsmissbrauchs i.S.v. §§ 162, 242 BGB nicht aus.

72

4. Die Klageansprüche sind auch der Höhe nach begründet.

73

Nach § 4 Ziff. 3 a Abs. 1 TV SozSich ist Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung (Ziff. 1 a) die tarifvertragliche Grundvergütung nach § 16 Ziff. 1 a TV AL II, die dem Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit im Zeitpunkt der Entlassung für einen vollen Kalendermonat zustand. Im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers zum 31. Dezember 2014 hat diese Bruttobemessungsgrundlage unstreitig 4.845,28 € gem. dem Schreiben der Beklagten vom 27. Februar 2015 betragen. Nach § 4 Ziff. 3 a Abs. 2 TV SozSich ist die Bemessungsgrundlage in den dem Jahr der Entlassung folgenden Kalenderjahren jeweils um den v.H.-Satz zu erhöhen, um den die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung infolge Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage durch Gesetz angepasst werden. Das auf das Jahr der Entlassung des Klägers zum 31. Dezember 2014 folgende Kalenderjahr ist das Kalenderjahr 2015, so dass sich die Bemessungsgrundlage entsprechend der gesetzlichen Rentenerhöhung zum 01. Juli 2015 um 2,1 % erhöht hat. Dementsprechend ist von der vom Kläger errechneten Bemessungsgrundlage in Höhe von 4.942,19 € auszugehen. Im Übrigen hat die Beklagte die vom Kläger jeweils zutreffend gemäß § 4 Ziff. 4 TV SozSich errechnete Anspruchshöhe nicht bestritten.

74

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

75

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 30. September 2009 - 18 Sa 242/09 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin der Beklagten gegenüber nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 auskunfts- und beitragspflichtig ist.

2

Die Beklagte ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Die Klägerin ist seit dem 29. Dezember 2006 Mitglied des Hauptverbandes der Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e. V. (HDH). Ihr Betrieb ist beim Gewerbeamt Diemelstadt mit den Gegenständen „Maler- und Lackiererarbeiten aller Art, Trocken- und Akustikbau“ eingetragen. Sie bietet individuelle Innenausbauten auch für größere Objekte und hat bis einschließlich September 2007 am Sozialkassenverfahren teilgenommen.

3

Der betriebliche Geltungsbereich des VTV ist nach seinem § 1 Abs. 2 ua. wie folgt geregelt:

        

„Abschnitt I

        

Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.

        

Abschnitt II

        

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die - mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen - der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

        

Abschnitt III

        

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I oder II erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung - mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen - gewerblich sonstige bauliche Leistungen erbringen.

        

…       

        

Abschnitt V

        

Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z. B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:

        

…       

        

37.     

Trocken- und Montagebauarbeiten (z. B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen, Montage von Baufertigteilen), einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern;

        

…       

        

Abschnitt VII

        

Nicht erfasst werden Betriebe

        

…       

        

11.     

des Schreinerhandwerks sowie der holzbe- und -verarbeitenden Industrie, soweit nicht Fertigbau-, Dämm-(Isolier-), Trockenbau- und Montagebauarbeiten oder Zimmerarbeiten ausgeführt werden,

        

…“    

        
4

Gemäß der Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe vom 15. Mai 2008 (BAnz. Nr. 104 vom 15. Juli 2008 S. 2540) ist der VTV mit Wirkung vom 1. Oktober 2007 für allgemeinverbindlich erklärt worden. Die Erklärung enthält folgende Einschränkungen:

        

„(1)   

Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen mit Sitz im Inland, die unter einen der im Anhang 1 abgedruckten fachlichen Geltungsbereiche der am 1. Januar 2003 geltenden Mantel- oder Rahmentarifverträge

                 

-       

der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie,

                 

…       

        
                 

fallen. Abs. 1 findet nur in Verbindung mit Abs. 2 Anwendung.

        

(2)     

Für Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen mit Sitz im Inland gilt Abs. 1,

                 

a)    

solange diese unmittelbar oder mittelbar Mitglied

                          

-       

des Hauptverbandes der Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e. V.,

                          

...     

        
                 

oder eines ihrer Mitgliedsverbände sind. Wurde die Mitgliedschaft bis zum 1. Juli 1999 (Stichtag) erworben, wird unwiderlegbar vermutet, dass die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt sind.

                 

…       

        

(4)     

Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen mit Sitz im Inland,

                 

...     

                 

5.    

die unmittelbar oder mittelbar Mitglied des Bundesverbandes Holz und Kunststoff sind, von dem Rahmen- oder Manteltarifvertrag des Bundesverbandes Holz und Kunststoff oder eines seiner Mitgliedsverbände erfasst werden und überwiegend Tätigkeiten ausüben, die im fachlichen Geltungsbereich des am 1. Januar 2003 geltenden Manteltarifvertrages für das holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk Saar (Anhang 3) genannt sind, falls derjenige Tarifvertrag, von dem der Betrieb erfasst wird, gegenüber den Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes spezieller ist;

                 

...     

        

Anhang 1

        

Die maßgebenden fachlichen Geltungsbereiche von Tarifverträgen sind nachstehend abgedruckt. Als Betriebe im Sinne dieses Anhangs gelten in jedem Fall auch selbständige Betriebsabteilungen.

        

Holz- und kunststoffverarbeitende Industrie

        

Für Betriebe, Hilfs- und Nebenbetriebe sowie selbständige Betriebsabteilungen der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie, des Serienmöbelhandwerks, der Sperrholz-, Faser- und Spanplattenindustrie, Kunststoffprodukte herstellende Betriebe sowie Betriebe, die anstelle oder in Verbindung mit Holz andere Werkstoffe oder Kunststoffe verarbeiten, wie z. B. Betriebe zur Herstellung nachstehender Erzeugnisse einschließlich Vertrieb und Montage:

        

1.    

Kasten- und Sitzmöbel aller Art, Polstermöbel, Polstergestelle, Matratzen und Matratzenrahmen, Tische, Kleinmöbel und Beleuchtungskörper,

        

2.    

Büro-, Schul-, Industrie- und Labormöbel, Kühlmöbel und -einrichtungen,

        

3.    

Holzgehäuse und Holzkästen aller Art, z. B. für Uhren, Rundfunk und Fernsehapparate, Plattenspieler, Tonbandgeräte, Telefon-, fotografische Apparate, Besteckkästen,

        

4.    

Innenausbau, Wohnungs-, Büro-, Industrie- und Ladeneinrichtungen, Bad- und Saunaeinrichtungen, Solarien, Regale, Schiffsinnenausbauten, Verkleidungen und Vertäfelungen aller Art, Herstellung und Montage von Schalldichtungen (zur Dämpfung und Isolierung), akustische Ausbauten und Auskleidung von Räumen,

        

5.    

Türen, Tore, Fenster, Rollläden, Jalousien, Rollos, Verdunkelungsanlagen, Klappläden, Treppen, Aufzüge, Fassadenelemente, Raumtrennprodukte, Fertigbau- und andere Bauteile, Zäune aller Art,

        

…       

        
        

28.     

Verlegung von Parkett und anderen Fußböden,

        

…       

        
        

33.     

Boden- und Wandbeläge,

        

...     

                 
        

Anhang 3

        

Die nach § 2 Abs. 4 Nr. 1, 5 und 6 maßgebenden fachlichen Geltungsbereiche von Tarifverträgen sind nachstehend abgedruckt. Als Betriebe im Sinne dieses Anhangs gelten in jedem Fall auch selbständige Betriebsabteilungen.

        

...     

        

Holz- und kunststoffverarbeitendes Handwerk

        

Für alle Betriebe des holz- und kunststoffverarbeitenden Handwerks (Tischler-/Schreinerhandwerk) und die Betriebe der Handwerksordnung, Anlage B, Nrn. 24 und 50 (Einbau von genormten Baufertigteilen und Bestattern).

        

Darunter fallen insbesondere Betriebe, die mit einem der genannten Gewerbe in der Handwerksrolle A oder B eingetragen sind und folgende Tätigkeiten ausüben:

        

-       

Produkte und Objekte für den privaten, geschäftlichen, öffentlichen und kulturellen Bereich sowie für den Sport- und Freizeitbereich, insbesondere Möbel und Inneneinrichtungen für und Innenausbau von z. B. Läden, Gaststätten, Praxen, Büros, Hotels, Schulen, Heimen, Sportstätten, Krankenhäusern, Kindergärten, Verwaltungen, Banken, sowie Spiel- und Sportgeräte, Gehäuse, Vorrichtungen und Modelle, Messebauten, Innen- und Außentüren, Fenster, Treppen, Böden, Trennwände, Wand- und Deckenverkleidungen, fassadenabschließende Bauelemente, Wintergärten, Trockenbauten, Fahrzeugein- und -ausbauten planen, konstruieren, rationell fertigen und montieren, einbauen und instandhalten unter Verwendung unterschiedlicher Materialien wie insbesondere von Holz, Holzwerkstoffen, Kunststoffen, Glas, Metall, Stein, Werkstoffen für den Trockenbau, Belag- und Verbundwerkstoffen,

        

-       

Produkte und Objekte einschließlich der Versorgungstechnik einbauen, montieren, instand halten, warten und restaurieren, Bauabläufe auch gewerkübergreifend koordinieren,

        

-       

montagefertige Teile und Erzeugnisse insbesondere Rollläden, Schattierungs- und Belüftungssysteme, Schließ- und Schutzsysteme für Bauelemente, Anbauten und Wintergärten einbauen, montieren und instandhalten,

        

...“   

        
5

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, als Betrieb zur Herstellung der in Anhang 1 Nr. 4, 5 (holz- und kunststoffverarbeitende Industrie) der Allgemeinverbindlicherklärung vom 15. Mai 2008 aufgeführten Produkte sei sie seit Begründung der Mitgliedschaft im HDH nicht mehr an den VTV gebunden. Zu ca. 70 % der Gesamtarbeitszeit würden Elemente für besondere Decken- und Wandausbauten wie Deckensegel, gebogene Wandverkleidungen, Heiz- und Kühlelemente für Decken, Wände und Böden, Lichtsysteme, Lichtvouten und -decken, individuelle Beleuchtungen, Brandschutzverkleidungen, Akustikelemente, Stahlrahmenverglasungen, Türen, Möbel und Fertigbäder auftragsbezogen im Betrieb hergestellt und dann vor Ort eingebaut. Auf den Herstellungsprozess entfalle dabei ein Arbeitszeitanteil von 20 % bis 33 %. Sie kaufe Platten, Profile und Schrauben und fertige daraus die individuellen Inneneinrichtungen und Einrichtungselemente. Die Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeit gelte für alle Mitglieder des HDH und nicht nur für Industriebetriebe. Tatsächlich führe sie aber auch einen Industrie- und nicht einen Handwerksbetrieb. Sie beschäftige 65 gewerbliche Arbeitnehmer und 11 Angestellte, habe 18 Lastkraftwagen und weise ein Vorratsvermögen von 270.000,00 Euro sowie ein langfristiges Anlagevermögen mit einem Bilanzwert von 1,1 Mio. Euro auf. Bei einem Jahresumsatz von 3,7 Mio. Euro investiere sie jährlich ca. 280.000,00 Euro.

6

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass sie für Zeiträume ab dem 1. Oktober 2007 der Beklagten gegenüber nicht zur Erteilung von Auskünften - weder über die Anzahl gewerblicher Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des SGB VI versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben, über angefallene Bruttolohnsummen und Sozialkassenbeiträge für diese Arbeitnehmer noch über die Anzahl der Angestellten, die eine nach den Vorschriften des SGB VI versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben - und auch nicht zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen verpflichtet ist.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Einschränkung in Abs. 1 des Ersten Teils der Allgemeinverbindlicherklärung vom 15. Mai 2008 gelte nur für Industriebetriebe. Die Klägerin führe aber einen Handwerksbetrieb. Sie beschäftige ca. 40 gewerbliche Arbeitnehmer und 5 Angestellte und erbringe überwiegend handwerkliche Montageleistungen. Zu 70 % der jeweiligen persönlichen wie auch der betrieblichen Gesamtarbeitszeit seien im Jahr 2007 Decken und Wände verkleidet sowie Leichtbauwände aufgestellt worden. Die Klägerin richte im Handel bezogene Platten durch entsprechenden Zuschnitt vor oder passe diese ein, sie montiere aber keine selbst hergestellten Bauelemente.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann der Klage nicht stattgegeben werden. Mangels ausreichender Feststellungen kann der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden. Die Revision führt deshalb zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

10

I. Die auf Feststellung des Nichtbestehens eines - durch den allgemeinverbindlichen VTV begründeten - Rechtsverhältnisses gerichtete Klage ist zulässig (vgl. BAG 25. Juli 2001 - 10 AZR 599/00 - zu II 1 der Gründe, BAGE 98, 263).

11

1. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse an der begehrten(negativen) Feststellung liegt vor, da die Beklagte die Klägerin zu Beitragszahlungen heranziehen will.

12

2. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, obwohl die begehrte Feststellung weder zeitlich noch im Hinblick auf das Fortbestehen der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine nicht bestehende Beitragspflicht beschränkt ist. Es handelt sich auch nicht um einen deswegen von vornherein unbegründeten sog. Globalantrag; denn die materielle Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen mit Dauerwirkung besteht nur so lange, wie sich die entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht wesentlich ändern (BAG 6. Juni 2000 - 1 ABR 21/99 - zu B II 4 a der Gründe, BAGE 95, 47). Die materielle Rechtskraft der begehrten Feststellung würde deshalb nur so lange wirken, wie sich die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen, zB Art und Umfang der verrichteten Tätigkeiten, nicht wesentlich verändern.

13

II. Der Betrieb der Klägerin kann den Auskunfts- und Beitragspflichten nach §§ 18, 19 und § 21 VTV auch ab dem 1. Oktober 2007 noch unterliegen.

14

1. Der Betrieb unterfällt nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV. Die Klägerin behauptet, zu ca. 70 % der insgesamt anfallenden Arbeitszeit würden Arbeiten des Innenausbaus verrichtet, indem Elemente für Wand- und Deckenausbauten vorbereitet und eingebaut werden. Dies sind Trocken- und Montagebauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV, wie das Klammerbeispiel (Wand- und Deckeneinbau) verdeutlicht. Auch die Beklagte trägt die überwiegende Verrichtung solcher Arbeiten vor.

15

2. Der Betrieb der Klägerin ist nicht nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 11 VTV vom Geltungsbereich ausgenommen. Nach beiderseitigem Vortrag der Parteien greift jedenfalls die in dieser Bestimmung geregelte Rückausnahme, weil arbeitszeitlich überwiegend Trockenbau- und Montagebauarbeiten ausgeführt werden (vgl. BAG 20. Juni 2007 - 10 AZR 302/06 - Rn. 16, AP TVG § 1 Tarifverträge: Holz Nr. 26 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 135).

16

3. Da die Klägerin nicht Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbands ist, wäre der Betrieb nach § 5 Abs. 4 TVG nur dann an den VTV gebunden, wenn er von der Allgemeinverbindlicherklärung vom 15. Mai 2008 erfasst wird. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann diese Frage nicht beantwortet werden.

17

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Betrieb der Klägerin werde als Betrieb der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie nicht von der Allgemeinverbindlichkeit erfasst, weil die Klägerin Mitglied des HDH sei. Es komme nicht darauf an, ob es sich um einen Industriebetrieb handele.

18

b) Dem folgt der Senat nicht. In der Entscheidung vom 23. Juni 2010 (- 10 AZR 463/09 - Rn. 17 bis 24, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 321)hat der Senat begründet, dass die wortgleiche Einschränkung in Abschn. I iVm. Anhang I (holz- und kunststoffverarbeitende Industrie) der Allgemeinverbindlicherklärung vom 24. Februar 2006 nur für Industriebetriebe greift. Auf diese Begründung wird verwiesen. Der Senat hält nach nochmaliger Prüfung auch unter Berücksichtigung der umfassenden Revisionserwiderung an seiner Rechtsauffassung fest.

19

aa) Der Rechtsprechung, dass Betriebe, die überwiegend die in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV genannten Tätigkeiten ausführen, unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fallen, ohne dass die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschn. I bis III geprüft werden müssen(st. Rspr., vgl. BAG 28. Mai 2008 - 10 AZR 358/07 - Rn. 20, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 301), kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entnommen werden, dass ein Tarifmerkmal in einem Obersatz stets gegeben ist, wenn der Tatbestand eines Beispiels erfüllt ist. Maßgeblich für die Auslegung eines Tarifvertrags oder einer Allgemeinverbindlicherklärung (zu den Auslegungsgrundsätzen von Allgemeinverbindlicherklärungen vgl. BAG 12. Mai 2010 - 10 AZR 559/09 - Rn. 12, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 320)sind in erster Linie Wortlaut und Systematik der jeweiligen Regelung. Der erste der im Anhang 1 der Allgemeinverbindlicherklärung vom 15. Mai 2008 aufgeführten Kataloge ist mit den Worten „Holz- und kunststoffverarbeitende Industrie“ überschrieben. Dies ist kein inhaltsleerer Oberbegriff, sondern ein Hinweis auf den Anwendungsbereich des nachfolgenden Regelwerks, der bei der Auslegung zu berücksichtigen ist. Die Systematik der Einschränkungsklausel, die in Abs. 4 iVm. dem Anhang 3 unter der Überschrift „Holz- und kunststoffverarbeitendes Handwerk“ die Betriebe erfasst, die in handwerklichen Betriebsstrukturen weitgehend vergleichbare Tätigkeiten verrichten, bestätigt dieses Verständnis. Es wäre widersprüchlich, für Handwerksbetriebe eigene (und engere) Voraussetzungen für die Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeit aufzustellen, wenn der größte Teil der von Abs. 4 Nr. 5 des Ersten Teils erfassten Betriebe bereits nach Abs. 1 und Abs. 2 des Ersten Teils durch bloße Mitgliedschaft im HDH von der Allgemeinverbindlichkeit ausgenommen wäre.

20

bb) Auch der Vortrag der Klägerin zur Entstehungsgeschichte führt zu keiner anderen Auslegung der Einschränkungsklausel. Auf die Entstehungsgeschichte einer Tarifnorm kann zwar ergänzend bei Auslegungszweifeln zurückgegriffen werden (BAG 23. Februar 2011 - 10 AZR 579/09 - Rn. 17; 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 - Rn. 29, AP TVG § 1 Auslegung Nr. 220). Wortlaut und Systematik der Einschränkungsklausel lassen solche Zweifel aber nicht entstehen, sondern geben durchgreifende Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeit gemäß Abs. 1 und Abs. 2 des Ersten Teils der Bekanntmachung vom 15. Mai 2008 in Verbindung mit dem Anhang 1 „Holz- und kunststoffverarbeitende Industrie“ nur für Industriebetriebe gilt, soweit das Handwerk nicht ausdrücklich einbezogen wird (ausführlich BAG 23. Juni 2010 - 10 AZR 463/09 - Rn. 17 bis 24, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 321). Soweit die Klägerin auf den vom Normgeber bezweckten Schutz der Mitgliederbestände des HDH verweist, hat ein solcher Schutzzweck in der Einschränkungsklausel nur insoweit Niederschlag gefunden, als nach Abs. 2 Satz 2 des Ersten Teils bei einer bis zum 1. Juli 1999 begründeten Mitgliedschaft im HDH vermutet wird, dass der Betrieb unter einen der im Anhang 1 abgedruckten fachlichen Geltungsbereiche der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie fällt. Dass es im Übrigen nur auf die Mitgliedschaft im HDH ankommen sollte, kommt in der Einschränkungsklausel nicht zum Ausdruck.

21

cc) Der Normgeber hat eine Abgrenzung der Geltungsbereiche getroffen, die Überschneidungen möglichst ausschließt. Nach Abs. 1 und Abs. 2 des Ersten Teils der Allgemeinverbindlicherklärung vom 15. Mai 2008 in Verbindung mit Anhang 1 „Holz- und kunststoffverarbeitende Industrie“ werden bis auf die ausdrücklich aufgeführten Ausnahmen deshalb nur Industriebetriebe von der Einschränkung erfasst.

22

c) Ein Industriebetrieb unterscheidet sich von einem Handwerksbetrieb regelmäßig durch seine Größe, die Anzahl seiner Beschäftigten sowie als Folge der Anlagenintensität durch einen größeren Kapitalbedarf. Ein Industriebetrieb ist durch Produktionsanlagen und -stufen gekennzeichnet und wird durch standardisierte Produktionsprozesse geprägt. Ein Handwerksbetrieb ist dagegen regelmäßig kleiner und weniger technisiert. Die Arbeiten werden überwiegend mit der Hand nach den Methoden des einschlägigen Handwerks und nicht auf Vorrat, sondern für einen bestimmten Kundenkreis ausgeführt. Zwar wird auch in Handwerksbetrieben modernste Technik eingesetzt. Kennzeichnend für solche Betriebe ist jedoch, dass der Einsatz von Maschinen die handwerkliche Tätigkeit unterstützt und sie nicht ersetzt, und dass diese Tätigkeiten in der Regel von Arbeitnehmern mit einer einschlägigen Berufsausbildung ausgeführt werden (vgl. BAG 21. Januar 2009 - 10 AZR 325/08 - Rn. 16 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 307; 23. Juni 2010 - 10 AZR 463/09 - Rn. 25, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 321).

23

Die Grenzziehung zwischen einem Industrie- und einem Handwerksbetrieb kann schwierig sein, da es große Handwerksbetriebe mit einer Vielzahl von Mitarbeitern und einem hohen Kapitaleinsatz gibt und andererseits eine auftragsbezogene Fertigung oder fehlende Produktionsstufen nicht generell der Annahme eines Industriebetriebs entgegenstehen. So kann zB die Fenster- und Türenproduktion auftragsbezogen, aber im Rahmen einer industriellen Fertigung erfolgen. Ob es sich im Einzelfall um einen Handwerks- oder um einen Industriebetrieb handelt, lässt sich nur im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände unter Berücksichtigung der jeweiligen tariflichen Regelungen ermitteln. Den Tatsacheninstanzen kommt insoweit ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt.

24

III. Das Landesarbeitsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - nicht geprüft, ob die Klägerin einen Industriebetrieb führt. Die Klägerin behauptet das Vorliegen eines Betriebs, der nach seiner Größe, seiner technischen Ausstattung und seiner Investitionsquote wesentliche Voraussetzungen eines Industriebetriebs erfüllen kann. Demgegenüber könnte für einen Handwerksbetrieb sprechen, dass nicht auf Vorrat, sondern auftragsbezogen gefertigt wird. Konkrete Feststellungen dazu, ob die Produktion in Stufen gegliedert ist und ob sie im Rahmen standardisierter Prozesse organisiert ist, hat das Landesarbeitsgericht bisher nicht getroffen. Dies wird nachzuholen sein. Darlegungs- und beweisbelastet für die Indizien, die auf einen Industriebetrieb schließen lassen, ist die Klägerin, die sich darauf beruft, dass sie von einer Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung erfasst wird (vgl. BAG 2. Juli 2008 - 10 AZR 386/07 - Rn. 15, DB 2009, 798).

        

    Mikosch    

        

    Eylert    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Trümner    

        

    Frese    

                 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 5.2.2015, Az.: 5 Ca 627/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die am … 1959 geborene Klägerin war vom 01.05.1983 bis zum 30.04.2013 bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Bestimmungen des Tarifvertrages zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich) Anwendung. Das Arbeitsverhältnis endete zum 30.04.2013 wegen Personaleinschränkung im Sinne des § 2 Nr. 1 TV SozSich.

2

Die Klägerin teilte der Beklagten mit, dass sie ab dem 01.04.2014 bei ihrer Schwägerin in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt sei mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 92 Stunden pro Monat und einer Arbeitsvergütung i. H. v. 782,00 EUR brutto monatlich. Nachdem die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion rügte, dass die von der Klägerin zu erbringenden Arbeitsstunden die in der Protokollnotiz zu Ziffer 1 a des § 4 TV SozSich festgelegte Mindestarbeitszeit von 21 Stunden nur in einem ganz geringen Umfang überstieg, teilte die Klägerin mit, dass sie mit Wirkung ab dem 01.08.2014 monatlich 96 Stunden arbeite und hierfür ein Bruttomonatsentgelt von 816,00 EUR erhalte.

3

Die Klägerin erhielt daraufhin zunächst Überbrückungsbeihilfe zu ihrem Arbeitsverdienst. Im Juli 2014 wurden diese Zahlungen eingestellt.

4

Mit ihrer am 12.11.2014 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von Überbrückungsbeihilfe für die Monate August, September und Oktober 2014 in Anspruch genommen und darüber hinaus die Feststellung begehrt, dass ihr auf Grundlage ihres derzeitigen Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Bestimmungen des TV SozSich zusteht.

5

Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, bei dem von ihr begründenden Arbeitsverhältnis handele es sich keineswegs um ein bloßes Scheinarbeitsverhältnis. Sie arbeite an 12 bis 13 Tagen pro Monat jeweils von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr bzw. 17.00 Uhr. Ihre tägliche Arbeitszeit belaufe sich auf ca. 6 bis 8 Stunden.

6

Die Klägerin hat beantragt,

7

1. festzustellen, dass ihr auf Grundlage ihres derzeitigen Arbeitsverhältnisses bei der Firma "Der Sch." (Arbeitsvergütung 816,--Euro brutto, Monatsstunden: 96) Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des Tarifvertrags zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften der BRD vom 31.08.1971 zusteht,

8

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.579,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz

9

aus 2.596,39 Euro brutto ab 01.09.2014 bis 30.09.2014,
aus 5.052,78 Euro brutto ab 01.10.2014 bis 31.10.2014 und
aus 7.579,17 Euro brutto ab 01.11.2014 zu zahlen.

10

Die Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die Klägerin trage die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie tatsächlich in einem Arbeitsverhältnis stehe. Allein die Vorlage eines Arbeitsvertrages reiche hierfür nicht aus. Es sei davon auszugehen, dass zwischen der Klägerin und ihrer Schwägerin lediglich ein Scheinarbeitsverhältnis bestehe.

13

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 05.02.2015 (Bl. 45 bis 48 d. A.).

14

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin A.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05.02.2015 (Bl. 38 ff. d. A.) verwiesen.

15

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 05.02.2015 stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 bis 9 dieses Urteils (= Bl. 48 bis 52 d. A.) verwiesen.

16

Gegen das ihr am 09.03.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13.03.2015 Berufung eingelegt und diese am Montag, dem 11.05.2015, begründet.

17

Die Beklagte macht geltend, sie stimme zwar den Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil im Wesentlichen zu. Auch die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts sei als vertretbar anzusehen. Deshalb werde an dem in erster Instanz erhobenen Vorwurf eines Scheinarbeitsverhältnisses nicht mehr festgehalten. Der Feststellungsantrag der Klägerin gehe jedoch in mehrfacher Hinsicht zu weit. Dies folge u. a. daraus, dass die Klägerin die Feststellung begehre, dass ihr dauerhaft auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses, welches eine Arbeitsvergütung von nur 816,00 EUR vorsehe, Überbrückungsbeihilfe zustehe. Die Klägerin verdiene derzeit lediglich den gesetzlichen Mindestlohn, welcher jedoch nach 24 Monaten der Überprüfung durch die Mindestlohnkommission unterliege. Bei einer Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes würde sie - die Beklagte - infolge der uneingeschränkten Stattgabe des Feststellungsantrages dazu verpflichtet, ein rechtswidriges Arbeitsverhältnis anzuerkennen. Voraussetzung für die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe müsse jedoch zumindest sein, dass der gesetzliche Mindestlohn oder sonstige Mindestlohngrenzen, wie z. B. die Grenze der Sittenwidrigkeit oder tariflich vorgeschriebene Lohnuntergrenzen eingehalten würden. Sollte die Klägerin ihre Arbeitszeit erhöhen, ohne dass dies mit einer gleichzeitigen Einkommenssteigerung einhergehe, sei der Feststellungsantrag bereits unabhängig von einer etwaigen Anpassung der gesetzlichen Mindestlohngrenze zu weitgehend. Auch in zeitlicher Hinsicht gehe der Feststellungsantrag zu weit. Er berücksichtige nicht, dass trotz des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe untergehen könne, sofern ein tariflicher Ausschlusstatbestand eingreife. Letztlich sei zu berücksichtigen, dass der Anspruch der Klägerin jedenfalls ab dem Zeitpunkt nicht mehr bestehen könne, ab dem sie Altersrente in Anspruch nehmen könne.

18

Die Beklagte beantragt (zuletzt nach teilweiser Berufungsrücknahme),

19

das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und den Feststellungsantrag der Klägerin abzuweisen.

20

Die Klägerin beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Berufung sei offensichtlich unbegründet. Es bestehe überhaupt kein Anhaltspunkt dafür, dass ihre Arbeitsvergütung zukünftig - denkbar frühestens ab einer Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes - gegen das Mindestlohngesetz verstoßen werde. Dies sei völlig aus der Luft gegriffen. Daher bräuchten auch keine Überlegungen angestellt werden, welche Folge ein theoretisch denkbarer Verstoß gegen das Mindestlohngesetz haben könnte. Der Klageantrag beinhalte die aktuellen Daten ihres Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und entspreche somit der Rechtsprechung des BAG. Es gebe auch keine Veranlassung zu der Überlegung, dass sich ihre Arbeitszeit ohne entsprechende Vergütungsanpassung erhöhe. Dies sei geradezu abwegig. Der Klageantrag sei auch in zeitlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, da er ausdrücklich die Bestimmungen des TV SozSich umfasse. Er gehe daher nicht über den tariflich vorgegebenen Zeitrahmen hinaus.

23

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

24

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag der Klägerin (Klageantrag zu 1.) sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung stattgegeben.

II.

25

Die zulässige Feststellungsklage ist begründet. Die Klägerin hat auf der Grundlage ihres derzeitigen Arbeitsverhältnisses, dessen maßgeblichen Konditionen im Klageantrag bezeichnet sind, gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des TV SozSich. Das Berufungsgericht folgt uneingeschränkt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Da die Beklagte nicht in Abrede stellt, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch derzeit zusteht und insoweit die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht in Abrede stellt, besteht (an sich) kein Anlass zu weitergehenden Ausführungen seitens des Berufungsgerichts. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beklagten bedarf es lediglich folgender Klarstellungen:

26

1. Die Feststellungsklage ist nach Maßgabe der zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils begründet. Dass der Klägerin derzeit der von ihr geltend gemachte Anspruch zusteht, hat die Beklagte überdies im Berufungsverfahren nicht mehr in Abrede gestellt. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es ohne Belang, ob und unter welchen Voraussetzungen der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zukünftig in Wegfall geraten kann. Denn für die gerichtliche Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ist ausschließlich die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegebene Sach- und Rechtslage maßgebend. Es ist im Übrigen nahezu jedem Rechtsverhältnis immanent, dass dieses irgendwann in Zukunft infolge des Eintritts bestimmter Ereignisse oder Änderung der Rechtslage enden kann. Es ist von daher weder Aufgabe der klagenden Partei noch des entscheidenden Gerichts, etwaige, das zur Feststellung beantragte Rechtsverhältnis zukünftig möglicherweise beendenden Ereignisse oder Bedingungen in den Klageantrag bzw. in den Urteilstenor aufzunehmen.

27

2. Die Beklagte ist hierdurch keineswegs schutzlos gestellt. Zwar ist die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung auch in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich nicht begrenzt. Dies gilt auch bei feststellenden Entscheidungen mit Dauerwirkung, etwa - wie hier - bei der Feststellung, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zusteht. Die Beendigung der Rechtskraft kommt jedoch bei Entscheidungen mit Dauerwirkung dann in Betracht, wenn sich die maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse wesentlich ändern (BAG v. 06.06.2000 - 1 ABR 21/99 - AP Nr. 9 zu § 97 ArbGG 1979). Die Beklagte ist daher nicht daran gehindert, einen etwaigen, nach Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteils infolge wesentlicher Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse eintretenden Wegfall des Anspruchs der Klägerin in einem neuen Prozess - etwa im Wege einer negativen Feststellungsklage - geltend zu machen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Auflage, Vor § 322 Rz. 53 und Rz. 60 f., m.w.N.).

28

3. Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

29

Für die Zulassung der Revision bestand nach den Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserlautern vom 19.05.2015, Az.: 8 Ca 260/15 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob die Beklagte zur Zahlung von Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag für soziale Sicherung (TV SozSich) verpflichtet ist.

2

Die Klägerin war von 1972 bis 2004 bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigt, zuletzt als qualifizierte Buchhalterin gegen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 4.492,00 Euro. Die Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe des § 4 TV SozSich wird nach Maßgabe einer Protokollnotiz geleistet, wenn mehr als 21 Stunden in einem anderen Arbeitsverhältnis abgeleistet werden.

3

Seit 2006 hat die Klägerin einen Arbeitsvertrag mit dem Malerbetrieb G., hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 14 d. A. Bezug genommen wird, als „Büroaushilfe" mit 22 Arbeitsstunden pro Woche. In diesem Arbeitsvertrag wird auf den Maler- und Lackierertarifvertrag verwiesen und die Klägerin in die Vergütungsgruppe K 1 eingruppiert. Die Klägerin erhielt zunächst 612,15 Euro. Die Vergütung wurde bis September 2014 nicht erhöht.

4

Die Überbrückungsbeihilfe wird über die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion - Lohnstelle ausländische Streitkräfte - abgewickelt. Regelmäßig hat die Klägerin die Abrechnungen aus ihrem Arbeitsverhältnis dort eingereicht und die Überbrückungsbeihilfe bis einschließlich September 2014 auch tatsächlich erhalten. Erst danach hat die ADD moniert, die Vergütung sei sittenwidrig.

5

Die Klägerin und ihr Arbeitsvertragspartner, der Malerbetrieb G. haben daraufhin die Vergütung auf 820,00 Euro brutto erhöht. Gleichwohl stellte die ADD Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zum 01.10.2014 vollständig ein.

6

Die Klägerin hat vorgetragen,
sie habe trotz zahlreicher Bewerbungen keinen gleichwertigen Arbeitsplatz erhalten können. Sie habe erkennen müssen, dass die bei den Streitkräften erworbenen Kenntnisse außerhalb der Streitkräfte nichts wert seien. Bei ihrem Ausscheiden sei sie Klägerin 52 Jahre alt gewesen und deshalb auf dem Arbeitsmarkt kaum noch zu vermitteln gewesen. Sie verrichte beim Malerbetrieb G. einfache Büroarbeiten, wie das Schreiben von Rechnungen und das Erledigen von Telefondienst. Diese Tätigkeit sei in der Vergütungsgruppe K 1 richtig eingruppiert. In Vollzeit ergebe sich ein Bruttoentgelt von 1.139,00 Euro; bei Vertragsschluss seien davon 22/40 zugrunde gelegt worden. Von Erhöhungen der Vergütung wegen der Berufserfahrungsstufen hätten weder die Klägerin noch der Arbeitgeber etwas gewusst bzw. daran gedacht. Derzeit betrage die Vergütung 1.523,00 Euro. 22/40 davon seien 848,65 Euro. Die Klägerin sei bereit, sich diesen Betrag anrechnen zu lassen.

7

Die ADD habe 8 Jahre lang - unstreitig - kein Problem mit der Entlohnung beim Malerbetrieb G. gehabt und sie sodann plötzlich als sittenwidrig angesehen. Die Klägerin habe noch nachgefragt, was als nicht sittenwidrig angesehen werde und die Rückmeldung im Hinblick auf den bevorstehenden Mindestlohn erhalten, dass 820,00 Euro in Ordnung seien. Sie habe dann erreicht, dass die Vergütungserhöhung, die wegen des Mindestlohns ohnehin angestanden habe, vorgezogen worden sei. Gleichwohl sei die Überbrückungsbeihilfe komplett eingestellt worden.

8

Die Darlegungs- und Beweislast für eine sittenwidrig zu niedrige Vergütung habe die Beklagte. Es handele sich nicht um eine Sozialleistung, sondern um eine tarifvertragliche Leistung, die grundsätzlich vom Arbeitgeber geschuldet werde, auch wenn die Bundesrepublik Deutschland die Aufwendungen ersetze. Es gebe zu der tarifvertraglichen Vorschrift eine Verfahrensrichtlinie, wonach bei unangemessen niedriger Vergütung die Arbeitnehmer aufgefordert werden sollten, eine betriebsübliche oder ortsübliche Vergütung anzustreben. Selbst wenn aber die Vergütung zu niedrig sei, dürfe die Beklagte die Überbrückungsbeihilfe nicht komplett einstellen, sondern nur die übliche angemessene Vergütung ansetzen.

9

Zu berücksichtigen sei auch, dass der Arbeitgeber während der Zeit des Bezuges der Überbrückungsbeihilfe der Klägerin kein Angebot für eine Arbeitsstelle unterbreitet habe. Die Klägerin sei aber am liebsten wieder zu den Streitkräften zurückgekehrt, um dort Arbeiten zu verrichten.

10

Die Klägerin beantragt,

11

festzustellen, dass der Klägerin auf Grundlage ihres mit der Firma Malerbetrieb G. GmbH, K., bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie auf Grundlage eines diesbezüglichen Arbeitsverdienstes der Klägerin in Höhe von monatlich 848,65 Euro (brutto) rückwirkend für die Zeit ab 01.10.2014 - 30.04.2015 die Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den US-Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31.08.1971 (TASS) zusteht.

12

Die Beklagte beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Die Beklagte hat vorgetragen,
die Klägerin arbeite für 90 % weniger als ihre vorherige Vergütung gewesen sei und das nur, weil sie Überbrückungsbeihilfe zwischen 3.000,00 und 3.400,00 Euro monatlich erhalte. Als die Gefahr bestanden habe, dass diese Überbrückungsbeihilfe gestrichen werde, habe die Klägerin plötzlich eine Vergütungserhöhung über 25 % bei ihrem Arbeitgeber erreichen können. Vorher sei 8 Jahre lang die Vergütung nicht erhöht worden, weil es der Klägerin gleichgültig gewesen sei, wie viel sie verdient habe, denn die Differenz sei ihr von der Bundesrepublik Deutschland und damit dem Steuerzahler ersetzt worden.

15

Es sei zu bestreiten, dass die Klägerin einfachste Tätigkeiten erbringe oder überhaupt Arbeit leiste. Die Klägerin könne mit dem Computer arbeiten. Sie sei zutreffend in der Vergütungsgruppe K 2 oder K 3 einzugruppieren. Im Vergleich mit der Vergütung der Klägerin sei diese damit 42 bis 50 % zu niedrig und damit letztlich sittenwidrig. Im Übrigen habe die Klägerin in der Vergangenheit an Lohnerhöhungen nicht teilgenommen, obwohl nach dem Index zwischen 2004 und 2014 ein Lohnplus von 18,9 % gegeben sei.

16

Die tarifvertragliche Leistung sei eine Überbrückungsbeihilfe und nicht eine Voll-finanzierung der betreffenden Arbeitnehmer. Es sollten nur soziale Härten abgemildert und nicht Passivität gefördert oder andere Arbeitgeber subventioniert werden, die dann für geringe Bezahlung hochqualifizierte Arbeitnehmer beschäftigen könnten.

17

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für Überbrückungsbeihilfe liege bei der Klägerin und nicht, wie sonst, bei der Behauptung eines Scheinarbeitsverhältnisses bei der Beklagten. Die Klägerin habe bewusst durch die Vertragsgestaltung eine Zahlungspflicht der Beklagten herbeigeführt. Sie müsse allerdings selbst auch die Interessen der Arbeitgeberseite berücksichtigen, da sie ohne Gegenleistung Vergütung erhalte. Der Tarifvertrag verlange zwar grundsätzlich kein Mindestentgelt. Das Arbeitsverhältnis sei aber allein von den Arbeitsvertragsparteien offensichtlich so gestaltet worden, dass Überbrückungsbeihilfe gezahlt werde.

18

Die Klägerin habe eine besser bezahlte Stelle als Buchhalterin finden können. Sie habe sich nicht ausreichend darum bemüht. Diese Passivität an sich sei schon treuwidrig. Die von der Klägerin zitierte Richtlinie sehe vor, dass bei rechtsmissbräuchlicher Gestaltung des Arbeitsvertrages die Überbrückungsbeihilfe eingestellt werde. Das sei hier der Fall. Die Klägerin habe kein schutzwürdiges Vertrauen für die Zukunft aufgrund des unwirksamen Vertrages haben können, weiterhin Überbrückungsbeihilfe zu erhalten.

19

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern - 8 Ca 260/15 - hat Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin, sie habe 22 Stunden pro Woche für den Malerbetrieb G. gearbeitet und dabei einfache Büroarbeiten und Telefondienst erledigt, durch Vernehmung des Zeugen G., von der Klägerin benannt. Hinsichtlich des Inhalts des Beweisbeschlusses wird auf die Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 19.05.2015 (Bl. 94 d. A.), hinsichtlich des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme auf Bl. 94 ff d. A. Bezug genommen.

20

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat daraufhin durch Urteil vom 19.05.2015 - 8 Ca 260/15 - festgestellt, dass der Klägerin auf Grundlage ihres mit der Firma Malerbetrieb G. GmbH, K., bestehende Arbeitsverhältnisses sowie auf Grundlage eines diesbezüglichen Arbeitsverdienstes der Klägerin in Höhe von monatlich 870,41 EUR (brutto) kriegen für die Zeit ab dem 01.10.2014 bis zum 30.04.2015 die Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den US-Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31.08.1971 (TASS) zusteht. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 101 bis 109 d. A. Bezug genommen.

21

Gegen das ihr am 03.06.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 03.07.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 03.09.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nach dem zuvor durch Beschluss vom 27.07.2015 auf ihren begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 03.09.2015 einschließlich verlängert worden war.

22

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe setze voraus, dass der entlassene Arbeitnehmer seinerseits alles tue, um einen möglichst gleichwertigen Arbeitsplatz zu erlangen. Vorliegend sei in Folge des Urteils des BAG vom 19.12.2013 - 6 AZR 383/12 - davon auszugehen, dass ein Rechtsmissbrauch (§ 162 BGB) im Zusammenhang mit dem Bezug von Leistungen nach dem TV SozSich gegeben sei. Das Arbeitsentgelt der Klägerin sei sittenwidrig zu niedrig. Das folge aus dem krassen Missverhältnis zwischen der Überbrückungsbeihilfe und dem Arbeitsentgelt als Anknüpfungsleistung. Des Weiteren folge dies daraus, dass der Tarifvertragszweck verfehlt werde und das Arbeitsverhältnis ausschließlich zum Zwecke des Leistungsbezuges nach dem TV SozSich begründet worden sei. Des Weiteren müsse berücksichtigt werden, dass die Klägerin - für Arbeitsverhältnisse atypisch - über mehr als 7 Jahre hinweg von sich aus keine Veranlassung gesehen habe, eine Steigerung ihres Entgelts zu erreichen. Sie habe nicht einmal die alljährlichen Lohnsteigerungen bei den gewerblichen Arbeitnehmern im Maler- und Lackiererhandwerk, die ihr aufgrund der Buchhaltung und Zuarbeit für den Steuerberater bekannt gewesen seien, zum Anlass genommen, um Lohnsteigerungen nachzusuchen. Dies sei umso mehr vorwerfbar, als ihre Überbrückungsbeihilfe alljährlich aufgrund der Steigerungen in der Rentenversicherung TV SozSich erhöht worden sei. Die Klägerin habe es im Gegenteil sogar versäumt, ein den tarifvertraglichen Vorgaben genügendes Entgelt zu erreichen, indem sie ihr Entgelt auf der Grundlage von 22/40 Stunden statt von 22/39 Stunden berechnen habe lassen und daneben die Steigerung durch vorhandene Berufserfahrung nicht zur Geltung gebracht habe.

23

Tatsächlich habe die Klägerin durch ihre PC-Arbeiten Tätigkeiten ausgeübt, die eine Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppe K 3 erforderlich machten. Die Klägerin habe sich mit lediglich 41,4 % des einschlägigen tariflichen Entgelts zufrieden gegeben. Damit liege die Vergütung der Klägerin bis September 2014 weit unter der Grenze der Sittenwidrigkeit.

24

Des Weiteren habe die Klägerin keine Anstrengungen unternommen, eine ihrer Tätigkeit bei den Streitkräften wenigstens teilweise entsprechende Folgebeschäftigung zu finden.

25

Im Übrigen überzeuge es nicht, davon auszugehen, die Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppe K 1 sei zumindest nicht greifbar falsch. Denn es sei zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin selbständig an einem Computer arbeite. Sie übe insoweit zumindest einfache kaufmännische Tätigkeiten selbständig aus, so dass die Merkmale der Beschäftigungsgruppe 2 und 3 des einschlägigen Tarifvertrages erfüllt seien. Die Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht habe im Übrigen nicht ergeben, dass die tariflichen Voraussetzungen hinsichtlich der notwendigen Stundenzahl gegeben seien. Denn der Zeuge G. habe nicht bestätigen können, dass die Klägerin 21 oder mehr Wochenstunden gearbeitet habe. Allein aus dem vorgelegten schriftlichen Arbeitsvertrag lasse sich dies aber nicht ableiten. Denn der begründe lediglich einen Beweis dafür, dass arbeitsvertraglich eine Arbeitszeit von 22 Wochenstunden vereinbart worden sei, nicht aber, dass diese auch tatsächlich geleistet worden seien.

26

Insgesamt ergebe sich die Nichterfüllung der tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen aus einer Gesamtwürdigung folgender Einzelumstände:

27

- Einstellung einer qualifizierten Buchhalterin mit mehr als 30-jähriger Berufserfahrung als "Büro-Aushilfe".
- Langjährige Vergütung nach der niedrigsten tariflichen Lohngruppe
- In mehr als 7 Jahren keinerlei Teilnahme an Lohnerhöhungen, sondern unverändertes Gehalt.
- Trotz arbeitsvertraglicher Geltung des einschlägigen Tarifrechts keine Teilnahme an den vorgesehenen Stufensteigerungen nach drei bzw. fünf Jahren.
- Sehr geringes Entgelt angesichts der behaupteten Tätigkeit.
- Erfüllung von Minimalbedingungen für die Überbrückungsbeihilfe angesichts der beiden Arbeitsvertragsparteien bewussten Wechselbezüglichkeit von Arbeitsentgelt und Überbrückungsbeihilfe.

28

Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die Klage entgegen der Auffassung der Beklagten für begründet erachtet, hat die Beklagte die Aufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 11.796,00 EUR netto erklärt. Hinsichtlich der Begründung der Hilfsaufrechnung wird auf die Berufungsbegründungsschrift der Beklagten vom 03.09.2015 (Seite 16 bis 18 = Bl. 144 bis 146) Bezug genommen.

29

Für den Fall, dass die Klage der Klägerin unbegründet ist, es also zu keiner hilfsweise erklärten Aufrechnung kommt, hat die Beklagte zudem Widerklage erhoben.

30

Die Beklagte verlangt insoweit widerklagend die Rückzahlung der zu Unrecht gezahlten Überbrückungsbeihilfe für die Vergangenheit in Höhe 8.573,99 EUR für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.10.2014. Die Widerklage wird insoweit als offene Teilklage geltend gemacht und beschränkt sich der Höhe nach auf den Teil der überzahlten Überbrückungsbeihilfe, der im Falle einer tatsächlichen Beschäftigung im Umfang von 22 Wochen wenigstens auf tariflicher Basis der Beschäftigungsgruppe K 1 der Klägerin zugestanden hätte, also unter Berücksichtigung der bisher nicht beachtenden Stufensteigerung.

31

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 03.09.2015 (Bl. 129 bis 146 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 147 bis 157 d. A.) sowie ein Schriftsatz vom 02.11.2015 (Bl. 207 bis 219 d. A.) Bezug genommen.

32

Die Beklagte beantragt,

33

1. auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 19.05.2015, Az.: 8 Ca 260/16, abgeändert und die Klage abgewiesen.

34

2. Für den Fall, dass die Aufrechnung der Beklagten mit überzahlter Überbrückungsbeihilfe aus der Vergangenheit mangels der streitgegenständlichen Forderung der Klägerin ins Leere geht, wird als Widerklage beantragt,

35

die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 8.573,99 EUR netto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

36

Die Klägerin beantragt,

37

die Berufung der Beklagten vollumfänglich einschließlich der Widerklage zurückzuweisen.

38

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, es sei ihr trotz aller intensiver Bemühungen nicht gelungen, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einen auch nur annähernd gleichwertigen Arbeitsplatz zu finden. Das von ihr gelebte Arbeitsverhältnis erfülle die grundsätzlichen Voraussetzungen zum Bezug der tariflichen Überbrückungsbeihilfe. Der von ihr - der Klägerin - mit der Firma G. GmbH abgeschlossene Arbeitsvertrag sei nicht als sittenwidrig anzusehen. Insbesondere verlange der einschlägige Tarifvertrag nicht die Vereinbarung einer bestimmten Mindestvergütung. Die bei der Firma G. GmbH vorgenommene Eingruppierung sei sachlich zutreffend. Die Vergütung sei über Jahre hinweg - bis 2014 - unverändert geblieben; dies habe die jeweilige Auskunft seitens der Handwerkskammer ergeben. Es treffe nicht zu, dass sie die nach dem Tarifvertrag erforderliche wöchentliche Arbeitsleistung im Umfang von mehr als 21 Stunden nicht nachgewiesen habe. Zu berücksichtigen sei insoweit insbesondere, dass die Beklagte über volle 8 Jahre hinweg niemals irgendwelche diesbezüglichen Zweifel gehegt und von der Klägerin einen Nachweis über ihre tatsächliche und wöchentliche Arbeitsleistung erbeten habe. Auch habe die Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht das Vorbringen der Klägerin bestätigt. Vor diesem Hintergrund stehe der Beklagten auch kein Anspruch auf Rückzahlung angeblich zu Unrecht bezahlter TASS-Beträge zu.

39

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 07.10.2015 (Bl. 178 bis 193 d. A.) Bezug genommen.

40

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

41

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 11.04.2016.

Entscheidungsgründe

I.

42

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

43

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

44

Denn das Arbeitsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend die aus Ziffer 1 des angefochtenen Urteils vom 19.05.2015 - 8 Ca 260/15 - ersichtliche Feststellung getroffen, die weitestgehend dem Klagebegehren der Klägerin entspricht.

45

Der Anspruch folgt aus § 4 Ziffer 1 lit. a TV SozSich. Danach wird Überbrückungsbeihilfe gezahlt zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte. Nach der Protokollnotiz zu Ziffer 1 a liegt eine "anderweitige Beschäftigung" in diesem Sinne nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt.

46

Nach Maßgabe der Auslegung der insoweit im Gesamtzusammenhang einschlägigen Tarifnormen einerseits und der Anwendung auf den konkret zu entscheidenden Lebenssachverhalt nach Maßgabe des tatsächlichen Vorbringens der Parteien andererseits sind diese Voraussetzungen entgegen der Auffassung der Beklagten vorliegend gegeben.

47

Insoweit enthält der TV SozSich vom 31.08.1971, soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Belang, folgende Regelungen:

48

"§ 2 Anspruchsvoraussetzungen

49

Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben Arbeitnehmer, die

50

1. wegen Personaleinschränkung

51

a) infolge einer Verringerung der Truppenstärke
b) infolge einer aus militärischen Gründen von der obersten Dienstbehörde angeordneten Auflösung von Dienststellen oder Einheiten oder deren Verlegung außerhalb des Einzugsbereichs des bisherigen ständigen Beschäftigungsortes

52

entlassen werden, wenn sie

53

2. im Zeitpunkt der Entlassung

54

a) seit mindestens einem Jahr vollbeschäftigt sind,
b) mindestens fünf Beschäftigungsjahre im Sinne des § 8 TV AL II oder des TV B II nachweisen können und das 40. Lebensjahr vollendet haben,
c) ihren ständigen Wohnsitz in den letzten fünf Jahren im Geltungsbereich des TV AL II oder des TV B II hatten,
d) die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes oder des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen, und ihnen

55

3. keine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV ALM angeboten worden ist. Als zumutbar gilt jede anderweitige Verwendung im Sinne des § 1 Ziffern 3 ff. des Kündigungsschutztarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den amerikanischen und belgischen Stationierungsstreitkräften vom 16. Dezember 1966 - und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitnehmer unter den Geltungsbereich des KSch TV fällt.

56

§ 3 Eingliederung

57

1. Der entlassene Arbeitnehmer soll möglichst sofort in den Arbeitsprozess wieder eingegliedert werden.

58

2. Der Arbeitnehmer hat sich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitsuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden.

59

Er hat, soweit zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess erforderlich, an beruflichen Bildungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (§§ 33ff. AFG: Berufliche Fortbildung und Umschulung) teilzunehmen.

60

3. Die Bundesregierung wird bemüht sein, für die bevorzugte Einstellung entlassener deutscher Arbeitnehmer in den Bundesdienst Sorge zu tragen. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Bundesregierung wird außerdem darauf hinwirken, dass deutsche Arbeitnehmer im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten von anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes bevorzugt berücksichtigt werden.

61

§ 4 Überbrückungsbeihilfe

62

1. Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt:

63

a) zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte,
b) zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit oder beruflichen Bildungsmaßnahmen (Arbeitslosengeld/-hilfe, Unterhaltsgeld),
c) zum Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung oder zum Verletztengeld der gesetzlichen Unfallversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Arbeitsunfall.

64

2. a) (1) Die Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (Ziffer 1b) wird in den Fällen des § 44 Absatz 4, der §§115, 121, 123, 126, 233 Absatz 2 AFG nach dem ungekürzten Arbeitslosen- bzw. Unterhaltsgeld berechnet; entsprechendes gilt für die Arbeitslosenhilfe.

65

(2) Für Zeiten der Arbeitslosigkeit, in denen der Arbeitnehmer die Anspruchsvoraussetzungen auf Arbeitslosenhilfe nur deshalb nicht erfüllt, weil er im Sinne des § 134 Absatz 1 Nr. 3 AFG nicht bedürftig ist, wird die zuvor zum Arbeitslosengeld gezahlte Überbrückungsbeihilfe innerhalb des Anspruchszeitraumes nach Ziffer 5 insgesamt bis zur Dauer von 52 Wochen - längstens jedoch bis zum Ablauf des Anspruchszeitraumes - weitergezahlt.

66

b) Für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung oder Arbeitsunfall (Ziffer 1c) wird die Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld oder Verletztengeld innerhalb eines Kalenderjahres insgesamt bis zur Dauer von 12 Wochen gezahlt - längstens jedoch bis zum Ablauf des Anspruchszeitraumes gemäß Ziffer 5.

67

3. a) (1) Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung (Ziffer 1a) ist die tarifvertragliche Grundvergütung nach § 16 Ziffer 1a TV AL II, die dem Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit im Zeitpunkt der Entlassung für einen vollen Kalendermonat zu-stand (Umrechnungsformel: wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit x 13:3).

68

Für Arbeitnehmer, deren arbeitsvertragliche regelmäßige Arbeitszeit in den letzten 6 Monaten vor der Entlassung unterschiedlich festgesetzt war, gilt als "arbeitsvertragliche regelmäßige Arbeitszeit im Zeitpunkt der Entlassung" der rechnerische Durchschnitt der letzten 26 Beschäftigungswochen.

69

(2) In den dem Jahr der Entlassung folgenden Kalenderjahren ist die Bemessungsgrundlage jeweils um den v.H.-Satz zu erhöhen, um den die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung infolge Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage (§ 1255 Absatz 2, § 1272 RVO) durch Gesetz angepasst werden.

70

b) Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (Ziffer 1b) und der gesetzlichen Kranken oder Unfallversicherung (Ziffer 1c) ist die um die gesetzlichen Lohnabzüge verminderte Bemessungsgrundlage nach vorstehendem Absatz a). Bei der fiktiven Berechnung der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge ist von den für den Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Zahlung der Überbrückungsbeihilfe maßgeblichen Steuer- und Versicherungsmerkmalen - jedoch ohne Berücksichtigung von auf der Steuerkarte aufgetragenen Freibeträgen - auszugehen.

71

4. Die Überbrückungsbeihilfe beträgt:

72

im 1. Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 100 v.H. vom 2. Jahr an 90 v.H.
des Unterschiedsbetrages zwischen der Bemessungsgrundlage (Ziffer 3a oder b) und den Leistungen gemäß vorstehenden Ziffern 1 und 2.

73

Wird die Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit oder der gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung gezahlt, so ist sie um den zur Deckung der Lohnsteuer erforderlichen Betrag aufzustocken.

74

5. a) Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung 20 Beschäftigungsjahre (§ 8 TVAL II oder TVB II) und das 55. Lebensjahr, oder 25 Beschäftigungsjahre (§ 8 TV AL II oder TV B II) und das 50. Lebensjahr vollendet haben, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziffern 1 bis 4 ohne zeitliche Begrenzung.

75

b) Arbeitnehmer, die nicht unter Absatz a) fallen, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziffern 1 bis 4 bei einer am Tage ihrer Entlassung nachzuweisenden

76

Beschäftigungszeit
(§ 8 TV ALU oder TV B II)
von mindestens

und einem vollendet
Lebensalter von

bis zum Ablauf von

10 Jahren

40 Jahren

2 Jahren

10 Jahren

45 Jahren

3 Jahren

10 Jahren

50 Jahren

4 Jahren

15 Jahren

40 Jahren

3 Jahren

15 Jahren

45 Jahren

4 Jahren

15 Jahren

50 Jahren

5 Jahren

77

nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

78

Protokollnotiz zu Ziffer 1a

79

Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt."

80

In Anwendung dieser auf die Streitparteien des Rechtsstreits anzuwendenden Vorschriften ergibt sich vorliegend, dass die Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum die tarifvertraglichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt hat, dass dem keineswegs der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 162 Abs. 1 BGB) entgegensteht, dass vielmehr eher sich die Beklagte den Einwand eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (Verbot des venire contra factum proprium, § 242 BGB) entgegenhalten lassen muss, mit der Folge, dass die Klage im erstinstanzlich tenorierten Ausmaß begründet, die erklärte Hilfsaufrechnung unbegründet sowie die erhobene Widerklage dagegen nicht zur Entscheidung angefallen sind. Für die Auslegung von Tarifnormen gelten folgende Grundsätze:

81

Verstößt die Norm eines Tarifvertrags gegen höherrangiges Recht oder überschreiten die Tarifvertragsparteien die Grenze der tariflichen Rechtsetzungsbefugnis, ist die Tarifnorm nichtig. Das gilt grds. auch für gleichheitswidrige Tarifverträge. Die Gerichte für Arbeitssachen dürfen im Unterschied zu der Rechtslage bei formellen Gesetzen i.S.v. Art. 100 Abs. 1GG darüber entscheiden, ob eine Tarifnorm im jeweiligen Streitfall nichtig ist. Die Entscheidung bindet außerhalb des Geltungsbereichs von § 9 TVG allerdings nur die Parteien des konkreten Rechtsstreits. Die Arbeitsgerichte dürfen aber an sich nur die Nichtigkeit der gleichheitswidrigen Rechtsnorm feststellen. Sie dürfen den Tarifvertragsparteien keine bestimmten Normierungspflichten auferlegen (BAG 23.2.2011 ZTR 2011, 489; 4.5.2010 - 9 AZR 181/09, NZA-RR 2011, 112 LS). Eine unbewusste Tariflücke darf durch die Gerichte nur dann geschlossen werden, wenn sich aus dem Tarifvertrag selbst hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, welche Regelung die Tarifvertragsparteien getroffen hätten. wenn sie die Lücke bemerkt hätten (BAG 23.2.2011 ZTR 2011, 489). Ergibt die Auslegung eines Tarifvertrages, dass eine Regelungslücke besteht, so ist diese als unbewusst aufzufassen, wenn die fehlende Regelung dem Sinn und Zweck des Tarifvertrages grds. widersprechen würde. Bewusste Regelungslücken dürften von den Gerichten nicht im Sinne einer ergänzenden Auslegung geschlossen werden (BAG 12.12.2013 - 8 AZR 942/12, EzA-SD 9/2014 S. 14 LS; s. BAG 3.7.2014 6 AZR 753/12 EzA-SD 19/2014 S. 8f. LS; 16.4.2015 - 6 AZR 142/14 - EzA-SD 15/2015 S. 7 LS).

82

Die gleichheitswidrig ausgeklammerten Personen haben andererseits dann Anspruch auf die Vergünstigung, wenn die tariflichen Normgeber dem Gleichheitssatz nur auf diese Weise Rechnung tragen können (BAG 4.5.2010 - 9 AZR 181/09, NZA-RR 2011, 112 LS). Zudem müssen insoweit auch unionsrechtliche Aspekte berücksichtigt werden (BAG 20.3.2012 EzA § 10 AGG Nr. 5: diskriminierende Urlaubsstaffelung; s.a. BAG 8. 12. 2011 - 6 AZR 319/09; LAG SchlH 31.1.2013 - 5 Sa 248/12, ZTR 2013, 245).

83

Unbewusste Regelungslücken stehen also einer ergänzenden Auslegung durch die Arbeitsgerichte grds. offen. Die gerichtliche Ergänzung des Tarifvertrages muss aber im Tarifwerk selbst hinreichend sichere Anhaltspunkte finden. Die Arbeitsgerichte dürfen jedoch andererseits nicht spekulativ oder nach eigenen Billigkeitsüberlegungen den nicht mehr erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien ersetzen (BAG 12.12.2013 - 8 AZR 942/12, EzA-SD 9/20I4 S. 14 LS; vgl. Dörner / Luczak/Wildchütz/Baeck/Hoß; Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 13. Aufl. 2016, Kap. 1 Rnr. 338 ff.).

84

In Anwendung dieser Grundsätze ist das BAG (22.12.1994 - 6 AZR 337/94 - NZA 1995, 1168) von Folgendem ausgegangen:

85

"1. Überbrückungsbeihilfe wird nach dieser Bestimmung zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt. Nach der Protokollnotiz zu § 4 Nr. 1lit. a TV SozSich liegt eine "anderweitige Beschäftigung" nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt. Diese Voraussetzungen erfüllt die dem Kl. angebotene Tätigkeit. Sie liegt außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte und umfasst unstreitig eine wöchentliche Arbeitszeit von 22 Stunden. Weitere Anspruchsvoraussetzungen bestehen nach dem Wortlaut der Tarifbestimmung und der Protokollnotiz nicht. Darauf, ob die Beschäftigung dem Kl. nach der Zumutbarkeits-Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit angeboten werden könnte, kommt es nicht an. Dafür enthält der Tarifwortlaut keine Anhaltspunkte. Dies hat das LAG zutreffend angenommen. Ebenso wenig ist entscheidend, wie hoch das Arbeitsentgelt aus der dem Kl. angebotenen anderweitigen Beschäftigung ist. Nach dem Wortlaut von § 4 Nr. 1 lit. a TV SozSich hat der Kl. einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu diesem Arbeitsentgelt, ohne dass es auf dessen Höhe ankommt. Der von den Tarifparteien gewählte Begriff "Überbrückungsbeihilfe" besagt nicht, dass die "Beihilfe" stets niedriger sein muss als das übrige Einkommen, sondern nur, dass sie beim Übergang in ein Arbeitsverhältnis mit niedrigeren Bezügen helfen soll. Für eine andere Auslegung findet sich im Tarifwortlaut kein Hinweis.

86

2. Auch dem wirklichen Willen der Tarifparteien und damit dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, soweit sie in den Tarifnormen ihren Niederschlag gefunden haben, lässt sich - auch bei Beachtung des tariflichen Gesamtzusammenhangs - nicht entnehmen, dass das Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung höher sein muss als das Arbeitslosengeld, das der Arbeitnehmer erhielte. Das LAG hat zu Recht angenommen, dass die Fallgruppen des § 4 Nr. 1 TV SozSich unabhängig nebeneinander stehen und nicht den Schluss erlauben, das Arbeitsentgelt müsse mindestens die Höhe des Arbeitslosengeldes erreichen. Eine solche Annahme widerspräche auch dem auf Wiedereingliederung des entlassenen Arbeitnehmers tariflichen Regelungskonzept.

87

Nach § 3 Nr. 1 TV SozSich soll der entlassene Arbeitnehmer möglichst sofort in den Arbeitsprozess wieder eingegliedert werden. Demgemäß hat sich der Arbeitnehmer nach § 3 Nr. 2 S. 1 TV SozSich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitssuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden. Nach § 4 Nr. lit. bTV SozSich wird in diesem Fall Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit oder beruflichen Bildungsmaßnahmen (Arbeitslosengeld/-hilfe, Unterhaltsgeld) gezahlt. Der Arbeitnehmer erhält im Fall seiner Arbeitslosigkeit Überbrückungsbeihilfe also nur, wenn er selbst die Voraussetzungen im Sinne §§ 100, 105 AFG dafür schafft, dass er Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit erhält. Die Überbrückungsbeihilfe soll, sieht man einmal vom Fall des § 4 Nr 2 lit. a (2) TV SozSich ab, nicht die einzige Leistung an den Arbeitnehmer sein, sondern den Unterschiedsbetrag zwischen dem ursprünglich bezogenen Arbeitsentgelt bei den Stationierungsstreitkräften und danach bezogenen Leistungen abdecken. Verschafft der Arbeitnehmer sich keine Leistungen nach § 4 Nrn. 1, 2 TV SozSich, erhält er grundsätzlich auch keine Überbrückungshilfe, Daraus wird deutlich, dass die Überbrückungsbeihilferegelung einen Anreiz darstellen soll, damit der Arbeitnehmer entweder eine anderweitige Beschäftigung aufnimmt oder zumindest der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (§§ 100, 103 AFG). Als für den Tarifanspruch nicht ausreichend ist nach der Protokollnotiz zu § 4 Nr. 1 lit. a TV SozSich nur eine anderweitige Beschäftigung mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 21 Stunden oder weniger anzusehen. Obwohl die Tarifparteien das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs somit erkannt haben, haben sie für die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur eine Mindestarbeitszeit, nicht aber einen Mindestlohn vorgeschrieben. Daran sind die Gerichte gebunden.

88

Dem Tarifvertrag ist auch nicht zu entnehmen, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sein soll, Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen, wenn der Lohn für eine verfügbare Beschäftigung niedriger ist als dieses. Eher ist das Gegenteil der Fall, wenn man im Sinne des in der Grundsatznorm des § 3 Nr. 1 TV SozSich enthaltenen Wiedereingliederungsgebots die Reihenfolge der in § 4 Nr. 1 lit. a, b TV SozSich genannten Fallgruppen für maßgebend hält. Diese Frage bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil der Kl. die in Buchstabe a genannte Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt verlangt hat.

89

3. Der Anspruch des Kl. entfällt nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB). Die Bekl. hat keine Tatsachen dafür behauptet, dass der Kl. treuwidrig, etwa durch Scheingeschäft oder, obwohl günstigere Angebote verfügbar sind, für die anderweitige Beschäftigung einen Lohn vereinbaren will, der unter der üblichen Vergütung liegt."

90

Vor diesem Hintergrund ist vorliegend davon auszugehen, dass die Klägerin mit der vorliegend gegebenen Beschäftigung bei der Firma G. GmbH die tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Insbesondere ist entgegen der Auffassung der Beklagten davon auszugehen, dass aufgrund des Ergebnisses der vor dem Arbeitsgericht im erstinstanzlichen Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme nachgewiesen ist, dass die Klägerin mit dieser Firma nicht nur einen schriftlichen, nach § 416 Abs. 1 ZPO zu würdigenden, Arbeitsvertrag mit dem gebotenen Inhalt abgeschlossen hat, sondern auch tatsächlich für die Firma G. GmbH im streitgegenständlichen Zeitraum mehr als 21 Wochenarbeitsstunden abgeleistet hat.

91

Die Aussage des Zeugen G. hat das Arbeitsgericht zutreffend gewürdigt; insoweit wird zu Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 8 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 107 d. A.) Bezug genommen. Damit ist die volle Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO nach Maßgabe von der Grundsätze gegeben:

92

Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Insofern ist das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin zulässigerweise bestritten hat, nach Maßgabe der vor dem Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme als wahr anzusehen.

93

Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien - insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit als Zielpunkt - aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).

94

Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für - auch nur geringe - Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr "erachten". Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise einer Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.

95

Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.

96

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht nicht zu beanstanden. Der Zeuge hat vielmehr lebensnah und nachvollziehbar beschrieben, wie das zwischen ihm und der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis gelebt und tatsächlich vollzogen wurde; vernünftige Zweifel an der Wahrheitsgemäßheit dieser Aussage bestehen für die Kammer nicht. Soweit die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass der Zeuge erklärt habe: "Wie lange die Klägerin arbeitet am Tag, kann ich nicht sagen", steht dies entgegen der Auffassung der Beklagten der hier für zutreffend gehaltenen Beweiswürdigung keineswegs entgegen. Es liegt auf der Hand, dass angesichts des zwischen dem Zeugen und der Klägerin bestehenden Arbeitsverhältnisses keine allgegenwärtige Kontrolle des Inhalts stattfindet, dass der Zeuge zu jeder Zeit minutiös nachvollziehen kann, wie viele Stunden die Klägerin an welchen Tagen tatsächlich gearbeitet hat. Dessen bedarf es auch nicht. Anhaltspunkte dafür, dass es sich insoweit lediglich um ein Scheinarbeitsverhältnis gehandelt haben könnte, sind ersichtlich nicht gegeben.

97

Weitere tatbestandliche Voraussetzungen nach Maßgabe der hier anzuwenden Tarifnorm musste die Klägerin nicht einhalten; insbesondere ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten aus der Entscheidung des BAG vom 19.12.2013 (- 6 AZR 383/12 Beck RS 2014, 67022) nichts anderes. Das BAG (a. a. O.) hat in dieser Entscheidung lediglich angenommen, dass Entgelt, dass aus einem aus der Arbeitslosigkeit heraus erst zum Stichtag der Rentenberechtigung begründeten Arbeitsverhältnisses erzielt wird, nach dem Regelungszweck des TV SozSich nicht durch Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu ergänzen ist. In einem solchen Fall besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer nicht Rentenberechtigt ist, weil die Hinzuverdienensgrenzen des § 34 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 SGB VI überschritten sind, der zeitlich begrenzte Sicherungsbedarf für die Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe nicht mehr. Das BAG (a. a. O.) hat insoweit ausgeführt:

98

"3. Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich von den bisher vom Senat entschiedenen Fällen. Es geht nicht darum, ob der Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe von Anfang an wegen einer Rentenberechtigung des ehemaligen Arbeitnehmers der Stationierungsstreitkräfte nicht entsteht (§ 2 Ziff. 2 Buchst. d. TV SozSich) bzw. ob der auf unveränderter Grundlage zu erfüllende Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe erlischt, sobald der Arbeitnehmer rentenberechtigt ist (§ 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich). Streitentscheidend ist allein, ob der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe auf einer neuen Rechtsgrundlage weiter besteht. Der Kläger begehrt für den streitbefangenen Zeitraum die Zahlung der Überbrückungsbeihilfe nicht mehr wie bis zum Dezember 2010 als Zuschuss zu den Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (§ 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich), sondern als Zuschuss zu einer anderweitigen Beschäftigung iSd. § 4 Ziff. 1 Buchst, a TV SozSich, die er im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Eintritt der Rentenberechtigung begründet hat. Entgelt, das aus einer solchen, erst zum Stichtag der Rentenberechtigung begründeten anderweitigen Beschäftigung erzielt wird, ist nach dem Regelungszweck des TV SozSich nicht durch Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu ergänzen. In einem solchen Fall besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer nicht rentenberechtigt ist, weil die Hinzuverdienstgrenzen überschritten sind, der zeitlich begrenzte Sicherungsbedarf für die Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe nicht mehr. Die Überbrückungsbeihilfe soll, wie ausgeführt, nicht eine als unzureichend empfundene Altersrente ergänzen, sondern den Arbeitnehmer bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn absichern. Nach seinem Regelungszweck eröffnet der TV SozSich die vom Kläger in Anspruch genommene Gestaltungsmöglichkelt, ein nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich durch Überbrückungsbeihilfe zu ergänzendes Arbeitsverhältnis erst zu dem Zeitpunkt zu begründen, ab dem er ohne dieses Arbeitsverhältnis Rente hätte beantragen können und deshalb der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe erloschen wäre, nicht. Das liefe auf ein Wahlrecht zwischen der Inanspruchnahme der vorgezogenen Rente oder der Fortzahlung der Überbrückungsbeihilfe bis zum regulären Rentenbeginn hinaus. Ein solches Wahlrecht besteht jedoch nach der Konzeption der Tarifvertragsparteien gerade nicht (vgl. BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 631/05 - Rn. 11, BAGE 118, 196).

99

4. Das vom Kläger zum 1, Januar 2011 begründete Arbeitsverhältnis war nach diesen Grundsätzen kein Arbeitsverhältnis iSd. § 4 Ziff. 1 Buchst, a TV SozSich. Das aus diesem Arbeitsverhältnis erzielte Entgelt war nicht durch Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu ergänzen …"

100

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die insoweit durch das BAG (a. a. O.) entschiedene Rechtsfrage in keinem Zusammenhang zum hier zu beurteilenden maßgeblichen Lebenssachverhalt. Denn dort endete der klägerische Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe deshalb, weil nach dem maßgeblichen Tarifnormen Rentenbezugsberechtigung bestand. Davon ist vorliegend für den streitgegenständlichen Zeitraum - unstreitig - gerade nicht auszugehen. Irgendwelche Ausführungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 TV SozSich, um die es vorliegend geht, enthält diese Entscheidung nicht.

101

Soweit die Beklagte vorgetragen hat, aufgrund einer Gesamtwürdigung der im Tatbestand wiedergegebenen Einzelumstände sei davon auszugehen, dass es sich nicht um ein rechtswirksames Arbeitsverhältnis mit einer tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 22 Stunden handele, sei Sittenwidrigkeit gegeben, folgt die Kammer dem nicht. Das Vorbringen der Beklagten läuft insoweit letztlich darauf hinaus, über die Behauptungen einer Sittenwidrigkeit, eines Rechtsmissbrauchs im Einzelfall allgemeine anspruchseinschränkende Tatbestandsmerkmale für die Geltendmachung des tarifvertraglichen Anspruchs aufzustellen, die die Tarifvertragsparteien aber nicht normiert haben, und die letztlich zu einem verfassungswidrigen (Art. 9 Abs. 3 GG) Ausfüllen einer sicher nicht unbewussten, sondern allenfalls bewussten Regelungslücke durch die Kammer führen würde. Denn es handelt sich insoweit um tatsächliche Umstände, die die Beklagte seit der Entscheidung des BAG vom 19.12.2013 (a. a. O.) gleichlautend in vergleichbar gelagerten Sachverhalten, also durchweg und generell - mit Nuancen im Einzelnen - vorbringt, um entsprechende Zahlungen nicht leisten zu müssen, auch wenn, wie vorliegend, in Kenntnis aller Umstände über Jahre hinweg die Zahlungen zuvor beanstandungsfrei geleistet worden sind. Abstrahiert lassen sich die von der Beklagten gewünschten allgemeinen Anforderungen dahin zusammenfassen, dass ein an sich anspruchsberechtigter Arbeitnehmer verpflichtet ist, nicht "unterwertig", also unterhalb seiner zuvor erlangten beruflichen Qualifikation und Berufserfahrung zu arbeiten, er eine langjährige Vergütung nach einer niedrigen tariflichen Lohngruppe nicht akzeptieren darf, insbesondere nicht verbunden mit einer Nichtteilnahme an Lohnerhöhungen und Stufensteigerungen tarifvertraglicher Normen, er sich nicht auf sehr geringes Entgelt einlassen darf und er schließlich dafür Sorge zu tragen hat, dass gewisse Minimalbedingungen im Hinblick auf eine Wechselbezüglichkeit von Arbeitsentgelt und Überbrückungsbeihilfe gegeben sein müssen. Diese Vorstellungen der Beklagten laufen auf eine von ihr offenbar angenommene Verpflichtung des anspruchsberechtigten Arbeitnehmers hinaus, sich um eine möglichst höchstbezahlte und ebenso möglichst Vollzeitstelle zu bemühen und stehen damit in diametralen Gegensatz zur durch Anwendung der Methoden zur Tarifauslegung gefundenen Rechtsauffassung des BAG (22.12.1994 a. a. O.). Denn danach ist Anspruchsvoraussetzungen gerade nicht eine Vollzeittätigkeit und danach ist es für die Anwendung der maßgeblichen Tarifnormen unerheblich, welche Höhe das Arbeitsentgelt erreicht. Noch weniger ist eine Verpflichtung zur arbeitsgerichtlichen Klärung einer tarifgerechten Entlohnung (vgl. nur § 12 a ArbGG) vorgesehen. Insgesamt ist es im Hinblick auf §§ 162 Abs. 1, 242 BGB nicht zu beanstanden, wenn sich ein vom Wegfall seines Arbeitsplatzes betroffener Arbeitnehmer auf ein Teilzeitarbeitsverhältnis mit mehr als 21 Wochenarbeitsstunden einlässt, um die tarifvertraglichen Voraussetzungen für die Überbrückungsbeihilfe zu erfüllen, so dass der Klägerin im Streitfall ein insoweit rechtlich erheblicher Vorwurf nicht gemacht werden kann.

102

Eher im Gegenteil ist davon auszugehen, dass das Verhalten der Beklagten insoweit widersprüchlich, rechtsmissbräuchlich ist (Verbot des venire contra factum proprium, § 242 BGB). Denn die Beklagte hat nicht nur über Jahre hinweg beanstandungsfrei in Kenntnis aller Umstände die Überbrückungsbeihilfe der Klägerin abgerechnet, ausgezahlt, also abgewickelt. Die Beklagte ist vielmehr weitergehend nach dem TV SozSich auch ersichtlich den ihr obliegenden Verpflichtungen, sich um eine angemessene Beschäftigung für die Betroffenen Arbeitnehmer zu bemühen, langjährig nicht nachkommen. Gemäß § 3 Ziffer 3 TV SozSich hat sich die Bundesregierung aber ausdrücklich verpflichtet, "bemüht zu sein", für die bevorzugte Einstellung entlassener Deutscher Arbeitnehmer in den Bundesdienst Sorge zu tragen. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Bundesregierung wird auch außerdem danach darauf hinwirken, dass deutsche Arbeitnehmer im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten von anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes bevorzugt berücksichtigt werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte insoweit bezogen auf die Klägerin irgendwelche Aktivitäten entfaltet haben könnte, lassen sich ihrem schriftsätzlichen Vorbringen in beiden Rechtszügen aber nicht entnehmen. Darauf hat die Klägerin zutreffend hingewiesen. Aus den Erläuterungen zum TV SozSich (Seite 22, 75 Ergänzungslieferung 07/15) ergibt sich, dass das Bundesministerium des Innern zuletzt mit Schreiben vom 02. - 08.09.2010 die obersten Bundesbehörden sowie die Innenminister (Senatoren) der Länder und die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände gebeten hat, von den Stationierungsstreitkräften entlassene Deutsche Arbeitnehmer bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten bevorzugt zu berücksichtigten. Die Arbeitsagenturen sind danach angewiesen, zur Unterbringung der entlassenen Arbeitnehmer im deutschen öffentlichen Dienst an die in Betracht kommenden Behörden heranzutreten (Schnellbrief der Bundesanstalt für Arbeit vom 18.05.1972). Konkrete, auf die einzelnen Arbeitnehmer bezogene Maßnahmen sind folglich nicht nur nicht in Erwägung gezogen worden, sondern vielmehr geht die Beklagte wohl davon aus, ihrer tariflichen Verpflichtung damit Genüge getan zu haben. Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig überzeugend, die - ohnehin tarifnormativ nicht zu begründenden - deutlich weitgehenderen Anforderungen an die Klägerin zu stellen.

103

Folglich war die Berufung der Beklagten einschließlich der erklärten Hilfsaufrechnung zurückzuweisen. Die von der Beklagten im Berufungsverfahren erstmals erhobene Widerklage ist nicht zur Entscheidung angefallen.

104

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

105

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 20. Mai 2015 - 1 Ca 119/15 - und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 23. September 2015 - 1 Ca 634/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich) vom 31. August 1971.

2

Der am ... Dezember 1953 geborene Kläger war vom 01. April 1977 bis 30. Juni 2007 bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigt, zuletzt als IT-/ EDV-Spezialist. Auf das Arbeitsverhältnis fanden zumindest kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Tarifverträge des TV AL II und der TV SozSich Anwendung.

3

Im TV SozSich heißt es auszugsweise wie folgt:

4

㤠2 Anspruchsvoraussetzungen

5

Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben Arbeitnehmer, die

6

1. wegen Personaleinschränkung

7

a) infolge einer Verringerung der Truppenstärke
b) infolge einer aus militärischen Gründen von der obersten Dienstbehörde angeordneten Auflösung von Dienststellen oder Einheiten oder deren Verlegung außerhalb des Einzugsbereichs des bisherigen ständigen Beschäftigungsortes entlassen werden, wenn sie

8

2. im Zeitpunkt der Entlassung

9

a) seit mindestens einem Jahr vollbeschäftigt sind,
b) mindestens fünf Beschäftigungsjahre im Sinne des § 8 TV AL II oder des TV B II nachweisen können und das 40. Lebensjahr vollendet haben,
c) ihren ständigen Wohnsitz in den letzten fünf Jahren im Geltungsbereich des TV AL II oder des TV B II hatten,
d) die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes oder des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen, und ihnen

10

3. keine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV AL II angeboten worden ist. …

11

§ 4 Überbrückungsbeihilfe

12

1. Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt

13

a) zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte,
b) zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit …

14

Protokollnotiz zu Ziffer 1a:

15

Eine „anderweitige Beschäftigung“ liegt nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt.“

16

Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete aus militärischen Gründen iSd. § 2 Ziff. 1 TV SozSich. Seit Oktober 2008 zahlte die Beklagte dem Kläger eine monatliche Überbrückungsbeihilfe nach TV SozSich, nachdem der Kläger unter dem 07. Oktober 2008 einen schriftliche Arbeitsvertrag mit der O.P.M. Verwaltungs GmbH, E-Stadt (Bl. 11 f. d. A., 6 Sa 328/15, im Folgenden: AV), unterzeichnet hatte, ausweislich dessen der Kläger als Kaufmännischer Angestellter für die O.P.M. Verwaltungs GmbH zu einer Vergütung von 650,00 Euro brutto monatlich bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 22 Stunden tätig zu sein hatte. Wegen des Inhaltes des Arbeitsvertrages im Einzelnen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. Die von der Beklagten dem Kläger deshalb gewährte Überbrückungsbeihilfe betrug zuletzt monatlich 3.485,46 Euro.

17

Mit Schreiben vom 20. August 2014 teilte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion - Lohnstelle auswärtige Streitkräfte (LaS) - dem Kläger mit, das von ihm bezogene, seit 5,5 Jahren nicht erhöhte Arbeitsentgelt stehe in einem offenkundigen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung und sei zu Lasten der öffentlichen Kassen sittenwidrig gering, weshalb er mangels rechtswirksamen Arbeitsverhältnisses keinen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe habe, deren Zahlung nach September 2014 eingestellt werde. Unter dem 01. September 2014 unterzeichnete der Kläger mit seiner Arbeitgeberin einen Folgearbeitsvertrag (Bl. 33 f. d. A., im Folgenden: FolgeAV), nach dem die monatliche Vergütung auf 850,00 Euro angehoben wurde. Auf Anforderung durch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion - Lohnstelle auswärtige Streitkräfte (LaS) - gegenüber dem Kläger gab dessen Arbeitgeberin mit Schreiben vom 20. Oktober 2014 Erklärungen zum Beschäftigungsverhältnis ab, bezüglich derer im Einzelnen auf Bl. 38 d. A. verwiesen wird. Mit Schreiben vom 01. Januar 2015 teilte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion - Lohnstelle auswärtige Streitkräfte (LaS) - dem Kläger mit, es verbleibe bei der Einstellung der Zahlungen.

18

Der Kläger hat am 30. Januar 2015 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern unter dem Aktenzeichen 1 Ca 119/15 Klage auf Zahlung von Überbrückungsbeihilfe erhoben, zuletzt für den Zeitraum von Oktober 2014 bis Januar 2015, und zugleich entsprechende Feststellung begehrt. Das Arbeitsgericht hat den Feststellungsantrag mit Beschluss vom 20. Mai 2015 zur abgesonderten Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen 1 Ca 634/15 abgetrennt. Der Kläger hat in diesem Verfahren zuletzt den Feststellungsantrag mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen und stattdessen nur mehr beziffert Überbrückungsbeihilfe für die Monate Februar bis August 2015 geltend gemacht.

19

Der Kläger hat erstinstanzlich in beiden Verfahren im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte sei verpflichtet, ihm auch weiterhin Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich in Höhe von 3.485,46 Euro brutto und - infolge der Erhöhung des Rentenwertes auf 2,1 % - ab 01. Juli 2015 in Höhe von 3.574,75 Euro brutto zu zahlen. Die Tarifvertragsparteien hätten sich bewusst für eine Begrenzung auf eine Mindestarbeitszeit von 22 Wochenstunden, nicht aber für eine Mindesthöhe des anderweitig erzielten Entgelts entschieden. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei das mit dem Drittarbeitgeber vereinbarte, übliche und über dem gesetzlichen Mindestlohn liegende Arbeitsentgelt auch nicht zu Lasten öffentlicher Kassen sittenwidrig gering. Er habe aufgrund seiner Qualifikation und seines fortgeschrittenen Alters froh sein müssen, überhaupt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch einmal Fuß fassen zu können. Allein der soziale Charakter der Überbrückungsbeihilfe ändere im Übrigen nichts an der Darlegungs- und Beweislast der Beklagten für eine behauptete Sittenwidrigkeit des Arbeitsvertrages als Scheinarbeitsverhältnis, das tatsächlich nicht vorliege. Zumindest könne er sich auf Vertrauensschutz berufen.

20

Der Kläger hat im Verfahren 1 Ca 119/15 zuletzt beantragt,

21

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.941,84 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.485,46 Euro seit 01.11.2014, aus weiteren 3.485,46 Euro seit 01.12.2014, aus weiteren 3.485,46 Euro seit 01.01.2015 und aus weiteren 3.485,46 Euro seit 01.02.2015 zu zahlen.

22

Er hat im Verfahren 1 Ca 634/15 zuletzt beantragt,

23

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.576,74 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 3.485,46 Euro brutto seit 01.03., 01.04., 01.05., 01.06. und 01.07.2015 sowie aus weiteren 3.574,72 Euro brutto seit 01.08. und 01.09.2015 zu zahlen.

24

Die Beklagte hat in beiden Verfahren jeweils beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, nach dem vom Kläger behaupteten Arbeitsverhältnis habe er zunächst 6,79 Euro brutto verdient, was nur 13,76 % seines Gehaltes bei den Streitkräften entspreche und für kaufmännische Angestellte nicht marktüblich sei, wie auch das zuletzt angehobene Gehalt. Der Kläger trage angesichts des sozialen Charakters der Überbrückungsbeihilfe - wie im Rahmen sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche wegen entgeltlicher Beschäftigung - die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines wirksamen Arbeitsverhältnisses zur Begründung seines Anspruchs. Rechtlich zweifelhafte Arbeitsverhältnisse wie das vorliegende Scheinarbeitsverhältnis seien keine tauglichen Anknüpfungsgegenstände für die Bewilligung von Überbrückungsbeihilfe. Der Umstand, dass der Kläger keinerlei Bestrebungen ergriffen habe, um eine Gehaltssteigerung herbeizuführen, sei treuwidrig und stehe einem Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe entgegen, der keine sachwidrige Subventionierung sein solle. Die Behauptung des Klägers, ihm fehle trotz oder sogar wegen seiner langjährigen Tätigkeit für die Stationierungsstreitkräfte die für den heutigen Arbeitsmarkt notwendige Qualifikation, sei unsubstantiiert und erkläre zudem nicht, warum der Verdienst nicht wenigstens während der nachfolgenden Beschäftigung angehoben worden sei oder er angesichts der niedrigen Vergütung eine Teilzeitdiskriminierung geltend gemacht habe. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen, nachdem die Beklagte lediglich den Hinweis des Bundesarbeitsgerichts auf eine mögliche Unbilligkeit von Vertragsgestaltungen in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 2013 (6 AZR 383/12) beachte. Im Verfahren 1 Ca 634/15 hat die Beklagte zuletzt ergänzend mit Nichtwissen bestritten, dass der Arbeitsvertrag des Klägers in Vollzug gesetzt worden sei und der Kläger 22 Stunden wöchentlich arbeite; zumindest dies müsse der Kläger als tarifvertragliche Voraussetzung für seinen Anspruch beweisen. Zudem hat sie den Anspruch der Höhe nach bestritten, weil sich der Kläger im Vergleich zu einem Vollzeitarbeitnehmer mit einem künstlich niedrigen Entgelt zufrieden gegeben habe.

27

Das Arbeitsgericht hat der Klage im Verfahren 1 Ca 119/15 mit Urteil vom 20. Mai 2015 vollumfänglich stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen angeführt, die Voraussetzungen des TV SozSich für die Gewährung einer Überbrückungsbeihilfe seien gegeben, da der Kläger neben den unstreitig vorliegenden sonstigen Voraussetzungen das allein von den Tarifvertragsparteien vorgesehene Kriterium der Mindestbeschäftigungsdauer von mehr als 21 Wochenstunden erfülle, während ein Mindestverdienst nicht erforderlich sei. Angesichts des Ziels der Tarifvertragsparteien, die betriebsbedingt entlassenen, älteren, langjährig bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigten Arbeitnehmer überhaupt in den Arbeitsmarkt bei mehr als geringfügiger Beschäftigung wiedereinzugliedern, könne ihm nicht angelastet werden, dass er sein Arbeitsverhältnis nach den Vorgaben des TV SozSich ausgerichtet habe. Von einem treuwidrigen Verhalten des Klägers, der nach seiner langjährigen Beschäftigung bei den Streitkräften in fortgeschrittenem Alter nur noch schwer auf dem Arbeitsmarkt habe Fuß fassen können, könne keine Rede sein. Tatsächliche Anhaltspunkte für ein Scheinarbeitsverhältnis seien von der Beklagten weder vorgetragen, geschweige denn unter Beweis gestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 124 ff. d. A., 6 Sa 328/15, Bezug genommen.

28

Auch im Verfahren 1 Ca 634/15 hat das Arbeitsgericht der Klage mit Urteil vom 23. September 2015 vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es sich ergänzend zur vorangegangenen Entscheidung im Wesentlichen darauf berufen, der Kläger erfülle die tariflichen Voraussetzungen für den Bezug der Überbrückungsbeihilfe. Einer weiteren Substantiierung, wann und wor er seine vereinbarte Arbeitszeit mit welchem Inhalt erbringe, bedürfe es nicht. Die Darlegungs- und Beweislast für ein Scheinarbeitsverhältnis trage die sich hierauf berufende Beklagte, wobei es nicht genüge, wenn sie auf die bloße Rechtsansicht des Klägers verweise, es sei unerheblich, ob er weniger verdiene als eine Vollzeitkraft, zumal der Kläger diesen Umstand gleichzeitig in Abrede gestellt habe. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 100 f. d. A., 6 Sa 497/15, verwiesen.

29

Die Beklagte hat gegen das am 15. Juli 2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts im Verfahren 1 Ca 119/15 mit am 16. Juli 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 15. Juli 2015 unter dem Aktenzeichen 6 Sa 328/15 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 15. Oktober 2015 mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 14. Oktober 2015 begründet.

30

Die Beklagte hat gegen das am 03. November 2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts im Verfahren 1 Ca 634/15 mit am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 09. November 2015 unter dem Aktenzeichen 6 Sa 497/15 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz von Montag, dem 04. Januar 2016, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, begründet.

31

Die Beklagte macht zweitinstanzlich in beiden Verfahren nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründungsschriften vom 15. Oktober 2015 und 04. Januar 2016 (Bl. 144 ff. d. A., 6 Sa 328/15, Bl. 121 ff. d. A., 6 Sa 497/15) und der Schriftsätze vom 24. Februar 2015 (Bl. 182 ff. d. A., 6 Sa 328/15; Bl. 218 ff. d. A., 6 Sa 497/15) und 27. Mai 2015 (Bl. 257 ff. d. A, 6 Sa 328/15), auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird, im Wesentlichen geltend,

32

die Entscheidung des Arbeitsgerichts sei im Ergebnis unzutreffend. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass andere kaufmännische Angestellte der Drittarbeitgeberin im gleichen Zeitraum wie der Kläger eine Stundenvergütung in Höhe von die ortsübliche Vergütung für kaufmännische Tätigkeit im EDV-Bereich erheblich unterschreitenden maximal 6,79 Euro brutto bzw. 8,88 Euro brutto erzielt hätten bzw. erzielten. Es werde bestritten, dass der Kläger tatsächlich eine Arbeitsleistung für die Drittarbeitgeberin erbringe, hilfsweise dass es sich um eine solche in Höhe von 22 Stunden handele, in der er die von ihm angegebenen, (auch: Hilfs-) Tätigkeiten verrichte. Es sei nicht ersichtlich, wann der Kläger arbeite, zumal die Drittarbeitgeberin in der Stellungnahme gerade ausgeführt habe, es bestünden keine festen Arbeitszeiten. Allein die Vorlage des Arbeitsvertrages genüge nicht, der Kläger müsse vielmehr Vollbeweis für die anspruchsbegründenden tariflichen Voraussetzungen und auch - angesichts des Charakters der Überbrückungsbeihilfe als Sozialleistung - in Übereinstimmung mit der sozialgerichtlichen Rechtsprechung dafür erbringen, dass kein Scheinarbeitsverhältnis vorliege, zumal sie keine Einblick in das Drittarbeitsverhältnis habe. Das Arbeitsgericht habe zahlreiche Anhaltspunkte für ein Scheinarbeitsverhältnis unberücksichtigt gelassen. Das Eingehen und das jahrelange Festhalten des Klägers an einem äußerst niedrig dotierten Arbeitsverhältnis mit geringstmöglicher Arbeitszeit sei zudem rechtsmissbräuchlich iSd. § 162 BGB, zumal es dem Kläger möglich gewesen sei, bei offenen 57 Stellen im Bereich EDV-Betreuung und IT-Administration und mehr als 200 offenen Stellen für ungelernte Fachkräfte im Bezirk der Arbeitsagentur Kaiserslautern eine adäquate anderweitige Beschäftigung zu finden. Es sei vor diesem Hintergrund mehr als fragwürdig, dass die Drittarbeitgeberin ganz offen mitgeteilt habe, eine Vertragsanpassung sei nicht für erforderlich gehalten worden. Ihr, der Beklagten, könne es nicht zugemutet werden, auf ein gesetzes- oder sittenwidrig niedriges Entgelt wie vorliegend Aufstockungsleistungen zu zahlen, das nur den Zweck erfülle, Überbrückungsbeihilfe zu beziehen.

33

Das Berufungsgericht hat die Verfahren 6 Sa 328/15 und 6 Sa 497/15 mit Beschluss vom 12. April 2016 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des erstgenannten Verfahrens verbunden.

34

Die Beklagte beantragt,

35

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 20. Mai 2015 - Az.: 1 Ca 119/15 - wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

36

2. das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 23. September 2015 - Az.: 1 Ca 634/15 - wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

37

Der Kläger beantragt,

38

die Berufungen zurückzuweisen.

39

Er verteidigt das von der Beklagten angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderungen vom 23. November 2015 (Bl. 205 ff. d. A., 6 Sa 328/15; 28. Januar 2016 (Bl. 169 ff. d. A., 6 Sa 328/15) und ihres Schriftsatzes vom 18. März 2015 (Bl. 192 ff. d. A., 6 Sa 497/15), hinsichtlich derer jeweils auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, zweitinstanzlich im Wesentlichen wie folgt,

40

während er die tariflichen Voraussetzungen für die Überbrückungsbeihilfe darlegen und beweisen müsse, verbleibe es bei der zivilrechtlichen Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Scheinarbeitsverhältnisses bei der Beklagten. Er sei tatsächlich bei der O.P.M. Verwaltungs-GmbH mit regelmäßig 22 Stunden in der Woche (vier Tage à 4,5 Stunden, ein Tag (idR freitags) à 4 Stunden, jeweils beginnend zwischen 8.00 und 9.00 Uhr) an seinem regelmäßigen Dienstsitz in M tätig. Seine Aufgabe bestehe darin, die sechs PC-Arbeitsplätze der Mitarbeiter dort und weiterer fünf Mitarbeiter in O zu betreuen (Bedarfsanalyse, Installation, Aufspielen neuer Programme, Datensicherung, Ankäufe, Marktsondierung, Entsorgung von Geräten). Weiter führe er Bürohilfstätigkeiten und Botengänge aus (Botengänge zu Ämtern und Behörden, Bring- und Holtätigkeiten gegenüber Kunden, Einscannarbeiten, Einkäufe, Entsorgungen, Zusammentragen von Daten (einfache PC-Arbeit), Hilfstätigkeiten bei einzelnen geschäftlichen Projekten). Er sei mit den anderen Kollegen nicht vergleichbar, da diese durchweg spezialisierte Buchhaltungskräfte, Betriebswirte und Bankkaufleute seien. Auch wenn seine Vergütung sehr niedrig sei, sei die Annahme eines Scheinarbeitsverhältnisses mehr als gewagt. Er habe nach Fachabitur und Wehrdienst ohne berufliche Ausbildung bei den Streitkräften zunächst im Rechenzentrum Computer und Großanlagen bedient, danach Bürotätigkeiten verrichtet und in den letzten Jahren im sog. „Help Desk“ Kundenanfragen und Beschwerden angenommen, so dass er keinesfalls ein „EDV-Spezialist“ oder „IT-Experte“ sei und das überdurchschnittliche Gehalt bei den Streitkräften nicht als Indiz für ein Scheinarbeitsverhältnis herangezogen werden könne, wobei ohnehin die monatliche Vergütung von 850,00 Euro brutto für minderqualifizierte Arbeitnehmer in Teilzeit wie ihn keineswegs unüblich sei. Eine höher qualifizierte Stelle zu finden sei ihm unmöglich gewesen. Rechtsmissbrauch liege nicht vor, da er die allein erforderlichen tariflichen Voraussetzungen erfülle, auch wenn es durchaus nachvollziehbar sei, dass die Beklagte versuche, ausschließlich aus fiskalischen Erwägungen mit allen Mitteln die finanziellen Folgen des TV SozSich im Nachhinein zu korrigieren.

41

Die Berufungskammer hat aufgrund Beschlusses vom 12. April 2016 (Bl. 244 d. A., 6 Sa 328/15) Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers, er habe ab 01. Oktober 2014 auf der Grundlage des FolgeAV bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 22 Stunden als kaufmännischer Angestellter im EDV-Bereich die Arbeitsplätze der Mitarbeiter betreut, sowie Bürohilfstätigkeiten und Botengänge ausgeführt durch Vernehmung des Zeugen E.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 07. Juni 2016 Bezug genommen.

42

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe

A

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Die zulässigen Berufungen sind in der Sache nicht erfolgreich.

I.

44

Die Berufungen sind zulässig.

45

Die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil vom 20. Mai 2015 - 1 Ca 119/15 - ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG), wurde nach Zustellung des Urteils am 15. Juli 2015 mit am 16. Juli 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 15. Juli 2015 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 15. Oktober 2015 mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 14. Oktober 2015 rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, 5, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO).

46

Auch die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil vom 23. September 2015 - 1 Ca 634/15 - ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG), wurde nach Zustellung des Urteils am 03. November 2015 mit am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 09. November 2015 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und mit Schriftsatz von Montag, dem 04. Januar 2016, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, 5, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 520, 222 Abs. 2 ZPO).

II.

47

Beide Berufungen sind nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu dem Arbeitsentgelt seiner Beschäftigung für die Monate Oktober 2014 bis August 2015 in aus dem arbeitsgerichtlichen Tenor ersichtlichem Umfang nach §§ 2, 4 Ziff. 1 a TV SozSich iVm. der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 a TV SozSich zusteht. Die Berufungen waren zurückzuweisen.

48

1. Überbrückungsbeihilfe wird nach § 4 Ziff. 1 a TV SozSich zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt, wenn - wie vorliegend unstreitig der Fall - die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 TV SozSich gegeben sind. Nach der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 a TV SozSich liegt eine „anderweitige Beschäftigung“ nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als nur 21 Stunden beträgt. Weitere Anspruchsvoraussetzungen bestehen nach dem Wortlaut der Tarifbestimmung und der Protokollnotiz nicht (BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 17, zitiert nach juris).

49

2. Die Tätigkeit des Klägers bei der O.P.M. Verwaltungs GmbH, E-Stadt, mit 22 Wochenstunden vom 01. Oktober 2014 bis 31. August 2015 zu einer monatlichen Vergütung von 850,00 Euro brutto gemäß den Bestimmungen des FolgeAV stellt eine derartige zum Bezug von Überbrückungsbeihilfe berechtigende Anknüpfungsbeschäftigung iSd. Tarifvertrages dar.

50

2.1. Für die Berufungskammer steht zur Überzeugung fest, dass der Kläger im streitigen Zeitraum auf der Grundlage des FolgeAV bei der O.P.M. Verwaltungs GmbH der von ihm im Umfang von 22 Wochenstunden behaupteten Tätigkeit außerhalb der US-Stationierungsstreitkräfte zu einer monatlichen Bruttovergütung von 850,00 Euro nachgegangen ist (§ 286 ZPO).

51

a) Nach allgemeinen Grundsätzen trägt derjenige, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen (BAG 25. Juni 2014 - 7 AZR 847/12 - Rn. 36, mwN, zitiert nach juris). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen als anspruchsbegründende Tatsachen zum Bezug von Überbrückungsbeihilfe - und damit auch für die erforderliche Anknüpfungsbeschäftigung - liegt damit beim Kläger.

52

b) Es kann dahinstehen, ob der Kläger allein durch die bloße Vorlage des Arbeitsvertrages idF. des FolgeAV, dessen grundsätzlichen Abschluss die Beklagte bis zuletzt nicht in Abrede gestellt hat, seiner Darlegungs- und Beweislast genügen konnte, zumindest so lange, wie eine tatsächliche Beschäftigung des Klägers überhaupt unstreitig war (vgl. BAG 09. Februar 1995 - 2 AZR 389/94 - Rn. 23, zitiert nach juris). Nachdem die Beklagte jedenfalls zweitinstanzlich in beiden von der Berufungskammer verbundenen Verfahren mit Nichtwissen bestritten hatte, dass der Kläger überhaupt eine Arbeitsleistung in Höhe von 22 Wochenstunden für die O.P.M. Verwaltungs GmbH erbracht hat, steht für das Berufungsgericht zuletzt nach Vernehmung des Zeugen E. unter Berücksichtigung des gesamten Inhaltes der Verhandlung zur Überzeugung nach § 286 ZPO fest, dass die Behauptungen des Klägers zu seiner Beschäftigung bei der O.P.M. Verwaltungs GmbH für den Zeitraum ab 01. Oktober 2014 zutreffen. Der Zeuge E., der der Geschäftsführer der Drittarbeitgeberin ist, hat detailreich und in sich widerspruchsfrei bekundet, dass der Kläger zu Beginn der Beschäftigung mehr im Bereich EDV tätig war, zwischenzeitlich jedoch, nachdem die Firma sich verschiedenen Netzwerken angeschlossen hat, angesichts gestiegener Anforderungen an Soft- und Hardwarekenntnisse und nach Fremdvergabe der Computerwartung nur noch begrenzt dort eingesetzt wird und eher reine Hilfstätigkeiten verrichtet, wie beispielsweise Botengänge, Daten zusammentragen, Belege besorgen, dh. Vorarbeiten leisten. Dass der Zeuge die Arbeiten nicht exakter beschreiben konnte, tat hierbei der Glaubhaftigkeit der Aussage keinen Abbruch, hat er doch nachvollziehbar angegeben, dass die Tätigkeit des Klägers je nach Projekt variiert. Der Zeuge konnte auch Angaben zur Arbeitszeit des Klägers machen und hat ausgesagt, dass dieser regelmäßig um 8.00 Uhr kommt und dann bis 12.00 - 12.30 Uhr arbeitet, um die wöchentlich vereinbarten 22 Stunden zu erreichen, wobei Mehrarbeit zeitnah in Freizeit ausgeglichen werde. Dass der Zeuge angegeben hat, es gebe keine Stechuhren im Betrieb M, wo der Kläger eingesetzt ist, hinderte die Berufungskammer nicht daran, seiner Aussage Glauben zu schenken, da der Zeuge nachvollziehbar angegeben hat, bei nur vier Personen bedürfe es keiner Kontrolle durch derartige Mechanismen. Gleiches gilt für seine Angabe, er sei viel unterwegs, da er zugleich bekräftigt hat, auch oft anwesend zu sein, so dass er über die Arbeit des Klägers eine Aussage machen könne. Die Berufungskammer hatte keinerlei Veranlassung, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln, da weder eine besondere Nähe zum Kläger ersichtlich gewesen wäre, noch sonstige persönlichen Gründe, die den Zeugen hätten veranlassen können, zu dessen Gunsten eine unzutreffende Aussage zu machen. Auch hat der persönliche Eindruck, den der Zeuge während seiner neutral getätigten Aussage gemacht hat, hierzu keinen Anhaltspunkt geliefert.

53

c) Da der Kläger damit bereits iSd. § 286 ZPO Vollbeweis dafür erbracht hat, dass er tatsächlich eine zum Bezug von Überbrückungsbeihilfe iSd. TV SozSich berechtigende Arbeitsleistung über 22 Wochenstunden für die O.P.M. GmbH verrichtet hat, kann dahinstehen, ob die Auffassung der Berufung zutrifft, der Kläger trage angesichts des sozialen Charakters der Überbrückungsbeihilfe die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitsvertrag wie vereinbart ordnungsgemäß durchgeführt worden ist (vgl. zu den üblichen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast nach § 117 Abs. 1 BGB: BAG 13. Februar 2003 - 8 AZR 59/02 - Rn. 36, mwN, 09. Februar 1995 - 2 AZR 389/94 - Rn. 24, jeweils zitiert nach juris).

54

2.2. Die Beklagte kann sich des Anspruchs nicht mit Erfolg wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) erwehren.

55

a) Entgegen der Auffassung der Berufung trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Kläger treuwidrig iSd. § 242 BGB, etwa durch Scheingeschäft oder wegen Verstoßes gegen die guten Sitten einen Lohn vereinbart hat, der unter der üblichen Vergütung liegt(vgl. BAG 22. Dezember 1994 -6 AZR 337/94 - Rn. 24, zitiert nach juris). Der Grundsatz von Treu und Glauben beschränkt als Gebot der Redlichkeit und allgemeine Schranke der Rechtsausübung sowohl subjektive Rechte als auch die Inanspruchnahme von Rechtsinstituten und Normen; die sich aus einem Rechtsinstitut oder einer Rechtsnorm an sich ergebenden Rechtsfolgen müssen zurücktreten, wenn sie zu einem mit § 242 BGB unvereinbaren Ergebnis führen(BAG 24. Juni 2015 - 7 AZR 452/13 - Rn. 23, zitiert nach juris). Nach allgemeinen Grundsätzen ist darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen einer missbräuchlichen Vertragsgestaltung derjenige, der eine solche geltend macht (BAG 19. März 2014 - 7 AZR 527/12 - Rn. 26, zitiert nach juris). Schwierigkeiten, die sich aus fehlenden Kenntnismöglichkeiten ergeben, ist unter Umständen durch die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen (vgl. zu Befristungsabreden: BAG 19. März 2014 - 7 AZR 527/12 - Rn. 26, aaO; 04. Dezember 2013 - 7 AZR 290/12 - Rn. 26, zitiert nach juris). Hieran ändert sich - anders als die Berufung meint - nichts dadurch, dass die Überbrückungsbeihilfe als unterstützende Leistung aus sozialen Gesichtspunkten gewährt wird (vgl. BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 23, zitiert nach juris). Auch wenn Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich eine soziale Sonderleistung darstellt, die weit über die im Arbeitsleben üblichen Leistungen des Arbeitgebers hinausgeht (vgl. BAG 06. Oktober 2011 - 6 AZN 815/11 - Rn. 23, zitiert nach juris), besteht - anders als die Berufung meint - keine Veranlassung, im Hinblick auf den Rechtsmissbrauchseinwand auf die Erwägungen der Sozialgerichtsbarkeit zur Darlegungs- und Beweislast bei sozialrechtlichen Ansprüchen gegenüber öffentlichen Kassen, die eine entgeltliche Beschäftigung iSv. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V voraussetzen, abzustellen. Derartige Ansprüche sind im Rechtsweg vor den Sozialgerichten bei geltendem Amtsermittlungsgrundsatz zu verfolgen. Beim Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich handelt es sich demgegenüber unabhängig vom sozialen Charakter der Leistung um einen zivilrechtlichen Anspruch aus Tarifvertrag, dessen tatbestandliche Voraussetzungen - ua. das Vorliegen einer Anknüpfungsbeschäftigung mit mehr als 21 Wochenstunden - der Arbeitnehmer als Anspruchssteller darlegen und beweisen muss und der im von Grundsätzen des Zivilprozesses geprägten arbeitsrechtlichen Verfahren geltend gemacht wird. Gelingt dem Arbeitnehmer dies - wie vorliegend aus bereits dargelegten Gründen -, ist es Aufgabe der Beklagten die Voraussetzungen für ein treuwidriges Verhalten des Klägers bei der Inanspruchnahme von Überbrückungsbeihilfe darzulegen und zu beweisen (vgl. BAG 22. Dezember 1994 – 6 AZR 337/94 - Rn. 23, aaO), gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Regeln zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast.

56

b) Ausgehend hiervon ist der Beklagten der Nachweis eines treuwidrigen Verhaltens des Klägers im Hinblick auf die verlangte Überbrückungsbeihilfe nicht gelungen. Die Berufungskammer vermochte in Würdigung des gesamten Ergebnisses der Verhandlungen einschließlich der Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme weder ausreichenden Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass der Kläger im Wege eines Scheingeschäfts (§ 117 BGB) mit der O.P.M. Verwaltungs GmbH einen zu niedrigen Lohn für seine tatsächlich höherwertige Tätigkeit vereinbart hätte, noch dass seine Vergütung sittenwidrig niedrig war, noch dass dem Kläger aus sonstigen Gründen Rechtsmissbrauch iSd. § 242 BGB vorzuwerfen ist. Anders als die Beklagte meint, steht für die Berufungskammer aus den bereits dargelegten Gründen zur Überzeugung fest, dass der Kläger im streitigen Zeitraum bei der Drittarbeitgeberin nicht als EDV-Spezialist eingesetzt wurde, sondern zuletzt schwerpunktmäßig Botengänge und einfachste Bürohilfsarbeiten verrichtet hat, hinsichtlich derer die Höhe der Vergütung des Klägers nicht zu beanstanden ist, zumal der ab 01. Januar 2015 geltende gesetzliche Mindestlohn pro Stunde erreicht wurde. Dass der Kläger einen Lohn vereinbart hätte, der unter der üblichen Vergütung liegt, obwohl konkrete Angebote mit höherer Vergütung vorgelegen hätten, hat die Beklagte nicht unter Benennung konkreter Stellen benannt. Das bloße Zurückgreifen auf allgemein von der Arbeitsverwaltung als offen gemeldete Stellen genügte hierzu nicht. Da nicht ersichtlich ist, auf welcher Rechtsgrundlage der Kläger einen Anspruch auf Lohnerhöhung hätte haben sollen, kann die Beklagte dem Kläger auch nicht gemäß § 162 BGB vorwerfen, nach einer solchen im streitigen Zeitraum nicht ersucht zu haben, zumal es nach der tarifvertraglichen Regelung nicht darauf ankommt, wie hoch das vereinbarte Arbeitsentgelt ist(vgl. BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 338/94 - Rn. 19, zitiert nach juris). Aus den gleichen Gründen war vom Kläger auch nicht zu verlangen, sich gegenüber der Drittarbeitgeberin auf eine - zudem nicht ersichtliche - Teilzeitdiskriminierung zu berufen. Auch das Festhalten an der vereinbarten Arbeitszeit von 22 Stunden kann dem Kläger zum Vorwurf nicht gereichen, da er damit die tarifliche Mindestbeschäftigungsdauer überschreitet, ohne dass der Tarifwortlaut weitere Voraussetzungen verlangen würde (BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 338/94 - Rn. 17, aaO). Dass die Drittarbeitgeberin der Beklagten im Übrigen unklare Auskünfte über die Beschäftigung des Klägers erteilt hätte, war angesichts der Tatsache, dass sie sämtliche Fragen aus dem Fragebogen der Lohnstelle Ausländische Streitkräfte vom 16. Oktober 2014 mit Schreiben vom 20. Oktober 2014 (Bl. 38 d. A.) ausführlich beantwortet hat, nicht zu erkennen.

57

3. Nachdem der Kläger im streitigen Zeitraum von Oktober 2014 bis August 2015 die Voraussetzungen für den Bezug von Überbrückungsbeihilfe §§ 2, 4 Ziff. 1 a TV SozSich iVm. der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 a TV SozSich erfüllt hat, steht ihm der vom Arbeitsgericht ausgeurteilte Betrag, den die Beklagte monatlich der Höhe nach - unabhängig von der Frage ihrer Auffassung nach treuwidrig zu niedrig vereinbarter Höhe der Vergütung beim Drittarbeitgeber - nicht beanstandet hat, zu.

B

58

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

59

Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.01.2016 - 3 Ca 1266/15 - wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte darüber hinaus verurteilt, 22.064,60 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.02.2016, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.03.2016, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.04.2016, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.05.2016 sowie aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.06.2016 an den Kläger zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob die Beklagte zur Zahlung von Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag für soziale Sicherung (TV SozSich) verpflichtet ist.

2

Der 1955 geborene Kläger war seit 1974 bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigt, zuletzt als Air Field Manager in G.. Aufgrund der Schließung dieses Flugfeldes im Dezember 2006 wurde er aufgrund von Personaleinschränkungen im Sinne des § 2 TV SozSich entlassen.

3

Dem Kläger wurde ab dem 01.01.2007 Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich gewährt. Dies erfolgte im Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 28.02.2007 zu den Arbeitsentgelten, die er bei einer Firma R. bezogen hatte, in der Zeit vom 01.03.2007 bis zum 31.03.2012 zu dem Arbeitsentgelt, das er bei einer Firma B. GmbH bezogen hatte, im Zeitraum vom 01.04.2012 bis zum 30.06.2014 zum Arbeitsentgelt, was er bei der Firma T. KG bezogen hatte und für den Zeitraum vom 01.07.2014 bis zum 31.01.2015 schließlich zu dem Arbeitsentgelt, das er bei der Firma K. bezogen hatte. Dort arbeitete er zuletzt für einen Monatsverdienst von 808,00 EUR bei 22 Wochenstunden.

4

Dieses Arbeitsverhältnis hat der Kläger selbst gekündigt, weil er sich überfordert fühlte. Im Anschluss daran beantragte er wiederum Überbrückungsbeihilfe zu einem Arbeitsverhältnis bei der Firma T. KG. Er legte insoweit unterschiedliche, insgesamt fünf, Arbeitsvertragsentwürfe für die Beschäftigung bei der Firma T. KG bei der zuständigen ADD vor, die immer wieder die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe aus unterschiedlichen Gründen ablehnte. Bezüglich des Inhalts der entsprechenden Arbeitsvertragsentwürfe wird auf Bl. 74 ff. d.A. Bezug genommen.

5

Der Kläger hat vorgetragen,
er sei tatsächlich seit dem 01.02.2015 bei der Firma T. KG als Taxifahrer beschäftigt. Diese Tätigkeit erfolge in Teilzeit zu 22 Stunden im Durchschnitt in der Woche bei einer Vergütung von 810,00 EUR pro Monat.

6

Der Kläger hat beantragt,

7

1. Die Beklagte wird verurteilt, einen Betrag in Höhe von 43.616,15 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 4.310,31 EUR seit dem 01.04.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.310,31 EUR seit dem 01.05.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.310,31 EUR seit dem 01.06.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.310,31 EUR seit dem 01.07.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.310,31 EUR seit dem 01.08.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 EUR seit dem 01.09.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 EUR seit dem 01.10.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 EUR seit dem 01.11.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 EUR seit dem 01.12.2015 sowie aus einem Betrag in Höhe von 4.412,92 EUR seit dem 01.01.2016 an den Kläger zu zahlen.

8

2. Es wird festgestellt, dass dem Kläger im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit der T. KG (Arbeitsverdienst: 8,50 EUR/Stunde; bei Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns wird Stundenlohn entsprechend angepasst; Arbeitszeit: 22 Stunden wöchentlich, Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos nach § 2 Abs. 2 MiLoG) ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des Tarifvertrages zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungskräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31.08.1971 (TV SozSich) in Höhe des sich nach § 4 des TV SozSich jeweils monatlich zu errechnenden Betrages zusteht.

9

Die Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte hat vorgetragen,
sie habe erhebliche Zweifel daran, dass überhaupt ein Arbeitsverhältnis zu der Firma T. KG bestehe, jedenfalls in der vorgetragenen Form. Dies folge bereits daraus, dass der Kläger verschiedenste Arbeitsvertragsentwürfe vorgelegt habe, in denen der angebliche Arbeitgeber sogar teilweise falsch geschrieben gewesen sei. Im Übrigen sei das Verhalten des Klägers als treuwidrig anzusehen. Er habe seine Arbeitsverhältnisse nämlich immer genau so ausgestaltet, dass er nur ein Minimum an Arbeitsleistung zu verrichten habe, um damit ein Maximum an staatlichen Sozialleistungen zu beziehen. Entsprechend § 162 BGB sei er aber verpflichtet, seine Arbeitskraft anderweitig so einzusetzen, dass weniger Sozialleistungen oder gar keine mehr an ihn zu zahlen seien.

12

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat in der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2016 - 3 Ca 1266/15 - den Zeugen H. vernommen. Hinsichtlich des Inhalts seiner Aussage wird auf die Niederschrift der Sitzung vom 14.01.2016 (Bl. 232 - 235 d. A.) Bezug genommen.

13

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Beklagte daraufhin antragsgemäß zur Zahlung von 43.616,15 € brutto nebst Zinsen verurteilt, sowie festgestellt, dass dem Kläger im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit der T. KG ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich zusteht. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 259 - 266 d. A. Bezug genommen.

14

Gegen das ihr am 12.02.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 29.02.2016 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 07.04.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

15

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die tariflichen Voraussetzungen mit dem seit 01.02.2015 behaupteten Arbeitsverhältnis seien bereits nicht erfüllt. Dies folge aus den vom Kläger vorgelegten Stundennachweisen. Nach seinem eigenen Vortrag würden einerseits die zwingenden gesetzlichen Voraussetzungen des Mindestlohngesetzes unterschritten, z. B. in den Monaten Juni, August und September 2015; im Übrigen erfülle der Kläger nicht die tarifliche erforderliche tatsächliche Wochenarbeitszeit von mehr als 21 Stunden. Insoweit sei zu bestreiten, dass der Kläger mehr als 21 Wochenstunden gearbeitet habe. Allein der Umstand, dass ein Arbeitsvertrag vorgelegt werde, in dem eine Arbeitszeit von 22 Wochenstunden vereinbart sei, sei kein Beweis dafür, dass tatsächlich auch 22 Wochenarbeitsstunden gearbeitet worden seien. Insoweit müssten auch die Pausenzeiten berücksichtigt werden, weil sie ganz erheblichen Einfluss auf den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe hätten. Falls der Kläger längere Pausen genommen habe, seien die Voraussetzungen für die Gewährung von Überbrückungsbeihilfe nicht gegeben, weil dann die 21-Wochenstunden-Zahl nicht erreicht werde. Habe er dagegen kürzere Pausen genommen, unterschreite er unmittelbar den gesetzlichen Mindestlohn und der Anspruch gehe soweit gesamthaft unter. Auch der vom Arbeitsgericht vernommene Zeuge habe keine Kenntnis davon gehabt, ob der Kläger tatsächlich 21 Wochenstunden gearbeitet habe.

16

Im Übrigen setze die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe voraus, dass der entlassene Arbeitnehmer seinerseits alles Tue, um einen möglichst gleichwertigen Arbeitsplatz zu erlangen. Vorliegend sei infolge des Urteils des BAG vom 19.12.2013 - 6 AZR 383/12 - davon auszugehen, dass ein Rechtsmissbrauch (§ 162 BGB) im Zusammenhang mit dem Bezug von Leistungen nach dem TV SozSich gegeben sei. Das Arbeitsentgelt des Klägers sei offensichtlich zu niedrig. Das folge aus dem krassen Missverhältnis zwischen der Überbrückungsbeilhilfe und dem Arbeitsentgelt als Anknüpfungsleistung. Des Weiteren folge dies daraus, dass der Tarifvertragszweck verfehlt werde und das Arbeitsverhältnis ausschließlich zum Zwecke des Leistungsbezuges nach dem TV SozSich begründet worden sei. Des Weiteren müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger - für Arbeitsverhältnisse atypisch - über Jahre hinweg von sich aus keine Veranlassung gesehen habe, eine Steigerung seines Entgelts zu erreichen. Dies sei umso mehr vorwerfbar, als seine Überbrückungsbeihilfe alljährlich aufgrund der Steigerung in der Rentenversicherung nach Maßgabe des TV SozSich erhöht worden sei. Damit liege die Vergütung des Klägers insgesamt weit unter der Grenze der Sittenwidrigkeit. Im Übrigen habe der Kläger keine Anstrengung unternommen, eine seiner Tätigkeiten bei den Streitkräften wenigstens teilweise entsprechende Folgebeschäftigung zu finden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass das Primärziel der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess die Gleichwertigkeit eines neuen Arbeitsverhältnisses sei; vorliegend sei folglich nach Maßgabe der Einzelumstände eine vollständige Zweckverfehlung des TV SozSich gegeben. Diese zu beanstandende Gesamtsituation werde exemplarisch durch das Vorgehen des Klägers und die Zeugenaussage des Dritt-Arbeitgebers wie folgt bestätigt:

17

- Vorlage von fünf verschiedenen Versionen (sic!) von Arbeitsverträgen durch den Kläger mit der Bitte "um Nachricht", ob dieser Vertrag den Voraussetzungen zum Erhalt der Überbrückungsbeihilfe nach TV TASS entspricht bzw. ob es jetzt passt.

18

- Die arbeitsvertraglichen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses (Stundenzahl, Mindestlohn) gehen auf den Kläger zurück, da ihm eine vom Arbeitgeber angebotene Beschäftigung auf 450 €-Basis "nichts bringe".

19

- (Rückwirkende) Anpassung der Arbeitsverträge auf Wunsch des Kläger so, "wie es das Amt [= Lohnstelle] gerne hätte".

20

- Verfasser der Arbeitsverträge ist (atypisch) nicht der Arbeitgeber, sondern der Kläger (Arbeitnehmer).

21

- Gewisse Gleichgültigkeit des Arbeitgebers gegenüber "Nuancen" bei Arbeitszeit + Lohngestaltung.

22

- Regelung eines "verstetigten Monatsentgelts" mit Stundenlohn auf Basis des Mindestlohns unabhängig von tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden.

23

Diese Einzelumstände belegten beispielhaft, dass der Kläger seiner Verpflichtung um ein ernsthaftes Bemühen um einen möglichst gleichwertigen Arbeitsplatz nicht nachgekommen sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Arbeitslosenquote im struktur-starken Landkreis B-Stadt, in dem der Kläger wohne, bei 1,6 Prozent liege, die Quote der Langzeitarbeitslosen liege sogar nur bei 0,8 Prozent.

24

Im Übrigen werde bestritten, dass dem Kläger der Anspruch - diesen dem Grunde nach unterstellt - der Höhe nach zustehe.

25

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 06.04.2016 (Bl. 286 - 303 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 304 - 329 d. A.) sowie ihren Schriftsatz vom 10.06.2016 (Bl. 449 - 451 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 452 - 455 .d. A.) Bezug genommen.

26

Die Beklagte beantragt,

27

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14. Januar 2016, Az.: 3 Ca 1266/15, abzuändern und die Klage abzuweisen.

28

Der Kläger beantragt,

29

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

30

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebst insbesondere hervor, es sei ihm trotz aller intensiver Bemühungen, die er im erstinstanzlichen Rechtszug auch nachgewiesen habe, nicht gelungen, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einen auch nur annähernd gleichwertigen Arbeitsplatz zu finden. Das von ihm gelebte Arbeitsverhältnis erfülle die grundsätzlichen Voraussetzungen zum Bezug der tariflichen Überbrückungsbeihilfe. Der von ihm zuletzt abgeschlossene Arbeitsvertrag sei nicht als sittenwidrig anzusehen. Insbesondere verlange der einschlägige Tarifvertrag nicht die Vereinbarung einer bestimmten Mindestvergütung. Es treffe nicht zu, dass er die nach dem Tarifvertrag erforderliche wöchentliche Arbeitsleistung im Umfang von mehr als 21 Stunden nicht nachgewiesen habe. Zu berücksichtigen sei insoweit zu dem insbesondere, dass die Beklagte über die Jahre hinweg niemals irgendwelche diesbezüglichen Zweifel gehegt und vom Kläger einen Nachweis über seine tatsächliche und wöchentliche Arbeitsleistung erbeten habe. Auch habe die Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht das Vorbingen des Klägers bestätigt.

31

Unstreitig seien die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Überbrückungsbeihilfe vorliegend gegeben. Für die Berechnung der Höhe der zu gewährenden Überbrückungsbeihilfe sei nach Maßgabe der tariflichen Regelung nur die Vorlage des Arbeitsvertrages und von Nachweisen über die aus diesem Arbeitsverhältnis resultierenden Lohnansprüche erforderlich. Dem sei der Kläger stets nachgekommen. Einen weiteren Beweis müsse er nicht erbringen. Die Vernehmung des Zeugen H. habe zweifelsfrei ergeben, dass zwischen dem Kläger und seinem Unternehmen ein Arbeitsverhältnis auf Basis von 22 Wochenstunden die Woche bestanden habe und auch derzeit bestehe. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die tatsächliche Wochenarbeitszeit von mehr als 21 Wochenstunden nicht erfülle, bestünden nicht. Dies habe die vor dem Arbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme zweifelsfrei ergeben. Insoweit habe der Kläger substantiiert hinsichtlich der konkreten Dauer seiner Arbeitszeit vorgetragen, obwohl er nach den Grundsätzen der Darlegungslast dazu überhaupt nicht verpflichtet gewesen sei. Hinsichtlich der fehlenden Einhaltung der Vorgaben des Mindestlohngesetzes fehle es an substantiiertem Vorbringen der Beklagten. Richtig sei demgegenüber, dass sich aus seinen Stundennachweisen ergebe, dass er im Durchschnitt jeden Monat mehr als 21 Wochenstunden als Taxifahrer tätig sei und dafür unter Berücksichtigung des geführten Arbeitszeitkontos auch den gesetzlichen Mindestlohn erhalten habe. Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch bzw. eine Zweckverfehlung hinsichtlich der tarifvertraglichen Leistungen seien ersichtlich nicht gegeben; das Vorbringen der Beklagten sei insoweit völlig aus der Luft gegriffen. Im Übrigen verhalte sich die Beklagte selbst treuwidrig, denn sie habe keinerlei Anstrengungen unternommen, ihren eigenen Verpflichtungen gem. § 3 Ziff. 3 TV SozSich nachzukommen. Vor diesem Hintergrund verhalte sie sich vorliegend illoyal. Schließlich sei entgegen der Auffassung der Beklagten davon auszugehen, dass mit den geltend gemachten Zahlungen gerade der Regelungszweck des TV SozSich erfüllt werde. Letztlich habe er, der Kläger sich in höchstmöglichem Ausmaß um eine Vollzeitstelle bemüht, freilich erfolglos.

32

Weil nach alledem die Klage des Klägers aus seiner Sicht nach wie vor voll umfänglich begründet ist, begehrt er im Wege der Anschlussberufung die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu seinem Arbeitsentgelt aus seiner Tätigkeit für die T. KG für die Monate Dezember 2015 - April 2016.

33

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 11.05.2016 (Bl. 369 - 402 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 403 - 440 d. A.) Bezug genommen.

34

Der Kläger beantragt deshalb weiterhin,

35

die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 22.064,60 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.02.2016, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.03.2016, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.04.2016, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.05.2016 sowie aus einem Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.06.2016 an ihn zu zahlen.

36

Die Beklagte beantragt,

37

die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

38

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

39

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 13.06.2016.

Entscheidungsgründe

I.

40

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

41

Die gleichen Grundsätze gelten für die Anschlussberufung des Klägers, die eine, wovon auch die Beklagte ausgeht, sachdienliche Klageerweiterung enthält.

II.

42

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

43

Denn das Arbeitsgericht ist letztlich zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 43.616,15 € brutto nebst Zinsen sowie die Feststellung verlangen kann, dass ihm im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit der Fa. T. KG ein Anspruch auf Überbrückungsbeilhilfe nach den Bestimmungen des TV SozSich zusteht. Des Weiteren kann der Kläger aufgrund der Klageerweiterung im Berufungsverfahren die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 22.064,60 € brutto nebst Zinsen verlangen.

44

Der Anspruch folgt aus § 4 Ziffer 1 lit. a TV SozSich. Danach wird Überbrückungsbeihilfe gezahlt zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte. Nach der Protokollnotiz zu Ziffer 1 a liegt eine "anderweitige Beschäftigung" in diesem Sinne nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt.

45

Nach Maßgabe der Auslegung der insoweit im Gesamtzusammenhang einschlägigen Tarifnormen einerseits und der Anwendung auf den konkret zu entscheidenden Lebenssachverhalt nach Maßgabe des tatsächlichen Vorbringens der Parteien andererseits sind diese Voraussetzungen entgegen der Auffassung der Beklagten vorliegend gegeben.

46

Insoweit enthält der TV SozSich vom 31.08.1971, soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Belang, folgende Regelungen:

47

"§ 2 Anspruchsvoraussetzungen

48

Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben Arbeitnehmer, die

49

1. wegen Personaleinschränkung

50

a) infolge einer Verringerung der Truppenstärke
b) infolge einer aus militärischen Gründen von der obersten Dienstbehörde angeordneten Auflösung von Dienststellen oder Einheiten oder deren Verlegung außerhalb des Einzugsbereichs des bisherigen ständigen Beschäftigungsortes

51

entlassen werden, wenn sie

52

2. im Zeitpunkt der Entlassung

53

a) seit mindestens einem Jahr vollbeschäftigt sind,
b) mindestens fünf Beschäftigungsjahre im Sinne des § 8 TV AL II oder des TV B II nachweisen können und das 40. Lebensjahr vollendet haben,
c) ihren ständigen Wohnsitz in den letzten fünf Jahren im Geltungsbereich des TV AL II oder des TV B II hatten,
d) die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes oder des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen, und ihnen

54

3. keine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV ALM angeboten worden ist. Als zumutbar gilt jede anderweitige Verwendung im Sinne des § 1 Ziffern 3ff. des Kündigungsschutztarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den amerikanischen und belgischen Stationierungsstreitkräften vom 16. Dezember 1966 - und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitnehmer unter den Geltungsbereich des KSch TV fällt.

55

§ 3 Eingliederung

56

1. Der entlassene Arbeitnehmer soll möglichst sofort in den Arbeitsprozess wieder eingegliedert werden.

57

2. Der Arbeitnehmer hat sich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitsuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden.

58

Er hat, soweit zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess erforderlich, an beruflichen Bildungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (§§ 33ff. AFG: Berufliche Fortbildung und Umschulung) teilzunehmen.

59

3. Die Bundesregierung wird bemüht sein, für die bevorzugte Einstellung entlassener deutscher Arbeitnehmer in den Bundesdienst Sorge zu tragen. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Bundesregierung wird außerdem darauf hinwirken, dass deutsche Arbeitnehmer im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten von anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes bevorzugt berücksichtigt werden.

60

§ 4 Überbrückungsbeihilfe

61

1. Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt:

62

a) zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte,
b) zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeits-losigkeit oder beruflichen Bildungsmaßnahmen (Arbeitslosengeld/-hilfe, Unterhaltsgeld),
c) zum Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung oder zum Verletztengeld der gesetzlichen Unfallversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Arbeitsunfall.

2. a)

63

(1) Die Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (Ziffer 1b) wird in den Fällen des § 44 Absatz 4, der §§115, 121, 123, 126, 233 Absatz2 AFG nach dem ungekürzten Arbeitslosen- bzw. Unterhaltsgeld berechnet; entsprechendes gilt für die Arbeitslosenhilfe.

64

(2) Für Zeiten der Arbeitslosigkeit, in denen der Arbeitnehmer die Anspruchsvoraussetzungen auf Arbeitslosenhilfe nur deshalb nicht erfüllt, weil er im Sinne des § 134 Absatz 1 Nr. 3 AFG nicht bedürftig ist, wird die zuvor zum Arbeitslosengeld gezahlte Überbrückungsbeihilfe innerhalb des Anspruchszeitraumes nach Ziffer 5 insgesamt bis zur Dauer von 52 Wochen - längstens jedoch bis zum Ablauf des Anspruchszeitraumes - weitergezahlt.

65

b) Für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung oder Arbeitsunfall (Ziffer 1c) wird die Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld oder Verletztengeld innerhalb eines Kalenderjahres insgesamt bis zur Dauer von 12 Wochen gezahlt - längstens jedoch bis zum Ablauf des Anspruchszeitraumes gemäß Ziffer 5.

3. a)

66

(1) Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung (Ziffer 1a) ist die tarifvertragliche Grundvergütung nach § 16 Ziffer 1a TV AL II, die dem Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit im Zeitpunkt der Entlassung für einen vollen Kalendermonat zu-stand (Umrechnungsformel: wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit x 13:3).

67

Für Arbeitnehmer, deren arbeitsvertragliche regelmäßige Arbeitszeit in den letzten 6 Monaten vor der Entlassung unterschiedlich festgesetzt war, gilt als "arbeitsvertragliche regelmäßige Arbeitszeit im Zeitpunkt der Entlassung" der rechnerische Durchschnitt der letzten 26 Beschäftigungswochen.

68

(2) In den dem Jahr der Entlassung folgenden Kalenderjahren ist die Bemessungsgrundlage jeweils um den v.H.-Satz zu erhöhen, um den die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung infolge Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage (§ 1255 Absatz 2, § 1272 RVO) durch Gesetz angepasst werden.

69

b) Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (Ziffer 1b) und der gesetzlichen Kranken oder Unfallversicherung (Ziffer 1c) ist die um die gesetzlichen Lohnabzüge verminderte Bemessungsgrundlage nach vorstehendem Absatz a). Bei der fiktiven Berechnung der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge ist von den für den Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Zahlung der Überbrückungsbeihilfe maßgeblichen Steuer- und Versicherungsmerkmalen - jedoch ohne Berücksichtigung von auf der Steuerkarte aufgetragenen Freibeträgen - auszugehen.

70

4. Die Überbrückungsbeihilfe beträgt:

71

im 1. Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

100 v.H.

vom 2. Jahr an

90 v.H.

72

des Unterschiedsbetrages zwischen der Bemessungsgrundlage (Ziffer 3a oder b) und den Leistungen gemäß vorstehenden Ziffern 1 und 2.

73

Wird die Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit oder der gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung gezahlt, so ist sie um den zur Deckung der Lohnsteuer erforderlichen Betrag aufzustocken.

5.

74

a) Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung 20 Beschäftigungsjahre (§ 8 TVAL II oder TVB II) und das 55. Lebensjahr, oder 25 Beschäftigungsjahre (§ 8 TV AL II oder TV B II) und das 50. Lebensjahr vollendet haben, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziffern 1 bis 4 ohne zeitliche Begrenzung.

75

b) Arbeitnehmer, die nicht unter Absatz a) fallen, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziffern 1 bis 4 bei einer am Tage ihrer Entlassung

76

nachzuweisenden

77

Beschäftigungszeit
(§ 8 TV ALU oder TV B II)
von mindestens

und einem vollendeten
Lebensalter von

bis zum Ablauf
von

_______________________

__________________

_______________

10 Jahren

40 Jahren

2 Jahren

10 Jahren

45 Jahren

3 Jahren

10 Jahren

50 Jahren

4 Jahren

15 Jahren

40 Jahren

3 Jahren

15 Jahren

45 Jahren

4 Jahren

15 Jahren

50 Jahren

5 Jahren

nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

        

78

Protokollnotiz zu Ziffer 1a

79

Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt."

80

In Anwendung dieser auf die Streitparteien des Rechtsstreits anzuwendenden Vorschriften ergibt sich vorliegend, dass der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum die tarifvertraglichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt hat, dass dem keineswegs der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 162 Abs. 1 BGB) entgegensteht, dass vielmehr eher sich die Beklagte den Einwand eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (Verbot des venire contra factum proprium, § 242 BGB) entgegenhalten lassen muss, mit der Folge, dass die Klage im erstinstanzlich tenorierten Ausmaß ebenso wie die Klageerweiterung im Berufungsverfahren begründet.

81

Für die Auslegung von Tarifnormen gelten folgende Grundsätze:

82

Gem. § 4 Abs. 1 TVG gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen. Tarifverträge sind deshalb nicht entsprechend §§ 133, 157 BGB, sondern wie Gesetze auszulegen (BAG 12.09.1984 EzA § 1 TVG Auslegung Nr. 14; 12.10.2005 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 17; 24.05.2012 - 6 AZR 703/10 - EzA-SD 16/2012 S. 14 LS. Ein Dissens der Tarifvertragsparteien vermag an der tarifrechtlichen Wirksamkeit einer gültig zustande gekommenen Norm wegen ihres Normcharakters nichts zu ändern. Das gilt auch dann, wenn die abweichenden Vorstellungen zur Auslegung des Tarifvertrages bereits zum Zeitpunkt des Tarifvertragsabschlusses bestanden haben. Maßgeblich ist in diesen Fällen der nach außen zum Ausdruck gekommene Normbefehl (BAG 18.10.2012 -6 AZR 261/11, EzA-SD 26/2012 S. 13).

83

Lässt sich ein eindeutiges Auslegungsergebnis anhand der anerkannten Auslegungsgesichtspunkte (Wortlaut - s. BAG 13.11.2013 - 10 AZR 1058/12, EzA-SD 6/2014, S. 23 LS, Sinn und Zweck der Regelung unter Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs, Praktikabilität der einen oder anderen Auslegung, Entstehungsgesichte und des dabei zum Ausdruck gekommenen Willens der Tarifvertragsparteien) nicht gewinnen, so gebietet es der Gesichtspunkt der Normenklarheit, letztlich der Auslegung den Vorzug zu geben, die bei einem unbefangenen Durchlesen der Regelung, d.h. ohne Rückgriff auf die anerkannten Auslegungsmethoden und Auslegungsgesichtspunkte, als näherliegend erscheint und folglich von den Normadressaten typischerweise als maßgeblich empfunden wird (BAG 22.04.2010 NZA 2011, 1293; 24.05.2012 -6 AZR 703/10, EzA-SD 16/2012 S. 14 LS) Lässt sich danach ein eindeutiger Norminhalt feststellen, ist die Norm nicht wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Normenklarheit nichtig (BAG 18.10.2012 -6 AZR 261/11, EzA-SD 26/2012 S. 13). Eine Unklarheitenregelung wie im AGB-Recht gilt bei der Auslegung von Tarifverträgen nicht. Ein Auslegungsgrundsatz, wonach Tarifverträge im Zweifel zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer zu interpretieren wären, würde die Tarifautonomie verletzen (BAG 15.01.2015 - 6 AZR 650/13 - EzA-SD 6/2015 S. 14 LS).

84

Dem subjektiven Willen einer oder beider Tarifvertragsparteien kann bei der Auslegung von tariflichen Normen aus Gründen der Rechtssicherheit nur Bedeutung zukommen, wenn er in den Tarifregelungen unmittelbar seinen Niederschlag gefunden hat. Die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte bei der Auslegung von Tarifnormen unterliegt deshalb grundsätzlichen Bedenken (BAG 10.12.2014 - 4 AZR 503/12 - EzA § 4 TVG Günstigkeitsprinzip Nr. 12).

85

Verstößt die Norm eines Tarifvertrags gegen höherrangiges Recht oder überschreiten die Tarifvertragsparteien die Grenze der tariflichen Rechtsetzungsbefugnis, ist die Tarifnorm nichtig. Das gilt grds. auch für gleichheitswidrige Tarifverträge. Die Gerichte für Arbeitssachen dürfen im Unterschied zu der Rechtslage bei formellen Gesetzen i.S.v. Art. 100 Abs. 1GG darüber entscheiden, ob eine Tarifnorm im jeweiligen Streitfall nichtig ist. Die Entscheidung bindet außerhalb des Geltungsbereichs von § 9 TVG allerdings nur die Parteien des konkreten Rechtsstreits. Die Arbeitsgerichte dürfen aber an sich nur die Nichtigkeit der gleichheitswidrigen Rechtsnorm feststellen. Sie dürfen den Tarifvertragsparteien keine bestimmten Normierungspflichten auferlegen (BAG 23.2.2011 ZTR 2011, 489; 4.5.2010 - 9 AZR 181/09, NZA-RR 2011, 112 LS). Eine unbewusste Tariflücke darf durch die Gerichte nur dann geschlossen werden, wenn sich aus dem Tarifvertrag selbst hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, welche Regelung die Tarifvertragsparteien getroffen hätten. wenn sie die Lücke bemerkt hätten (BAG 23.2.2011 ZTR 2011, 489). Ergibt die Auslegung eines Tarifvertrages, dass eine Regelungslücke besteht, so ist diese als unbewusst aufzufassen, wenn die fehlende Regelung dem Sinn und Zweck des Tarifvertrages grds. widersprechen würde. Bewusste Regelungslücken dürften von den Gerichten nicht im Sinne einer ergänzenden Auslegung geschlossen werden (BAG 12.12.2013 - 8 AZR 942/12, EzA-SD 9/2014 S. 14 LS; s. BAG 3.7.2014 6 AZR 753/12 EzA-SD 19/2014 S. 8f. LS; 16.4.2015 - 6 AZR 142/14 - EzA-SD 15/2015 S. 7 LS).

86

Die gleichheitswidrig ausgeklammerten Personen haben andererseits dann Anspruch auf die Vergünstigung, wenn die tariflichen Normgeber dem Gleichheitssatz nur auf diese Weise Rechnung tragen können (BAG 4.5.2010 - 9 AZR 181/09, NZA-RR 2011, 112 LS). Zudem müssen insoweit auch unionsrechtliche Aspekte berücksichtigt werden (BAG 20.3.2012 EzA § 10 AGG Nr. 5: diskriminierende Urlaubsstaffelung; s.a. BAG 8. 12. 2011 - 6 AZR 319/09; LAG SchlH 31.1.2013 - 5 Sa 248/12, ZTR 2013, 245).

87

Unbewusste Regelungslücken stehen also einer ergänzenden Auslegung durch die Arbeitsgerichte grds. offen. Die gerichtliche Ergänzung des Tarifvertrages muss aber im Tarifwerk selbst hinreichend sichere Anhaltspunkte finden. Die Arbeitsgerichte dürfen jedoch andererseits nicht spekulativ oder nach eigenen Billigkeitsüberlegungen den nicht mehr erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien ersetzen (BAG 12.12.2013 - 8 AZR 942/12, EzA-SD 9/20I4 S. 14 LS; vgl. Dörner/Luczak/Wildchütz/Baeck/Hoß; Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 13. Aufl. 2016, Kap. 1 Rnr. 338 ff.).

88

In Anwendung dieser Grundsätze ist das BAG (22.12.1994 - 6 AZR 337/94 - NZA 1995, 1168) von Folgendem ausgegangen:

89

"1. Überbrückungsbeihilfe wird nach dieser Bestimmung zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt. Nach der Protokollnotiz zu § 4 Nr. 1lit. a TV SozSich liegt eine "anderweitige Beschäftigung" nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt. Diese Voraussetzungen erfüllt die dem Kl. angebotene Tätigkeit. Sie liegt außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte und umfasst unstreitig eine wöchentliche Arbeitszeit von 22 Stunden. Weitere Anspruchsvoraussetzungen bestehen nach dem Wortlaut der Tarifbestimmung und der Protokollnotiz nicht. Darauf, ob die Beschäftigung dem Kl. nach der Zumutbarkeits-Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit angeboten werden könnte, kommt es nicht an. Dafür enthält der Tarifwortlaut keine Anhaltspunkte. Dies hat das LAG zutreffend angenommen. Ebenso wenig ist entscheidend, wie hoch das Arbeitsentgelt aus der dem Kl. angebotenen anderweitigen Beschäftigung ist. Nach dem Wortlaut von § 4 Nr. 1 lit. a TV SozSich hat der Kl. einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu diesem Arbeitsentgelt, ohne dass es auf dessen Höhe ankommt. Der von den Tarifparteien gewählte Begriff "Überbrückungsbeihilfe" besagt nicht, dass die "Beihilfe" stets niedriger sein muss als das übrige Einkommen, sondern nur, dass sie beim Übergang in ein Arbeitsverhältnis mit niedrigeren Bezügen helfen soll. Für eine andere Auslegung findet sich im Tarifwortlaut kein Hinweis.

90

2. Auch dem wirklichen Willen der Tarifparteien und damit dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, soweit sie in den Tarifnormen ihren Niederschlag gefunden haben, lässt sich - auch bei Beachtung des tariflichen Gesamtzusammenhangs - nicht entnehmen, dass das Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung höher sein muss als das Arbeitslosengeld, das der Arbeitnehmer erhielte. Das LAG hat zu Recht angenommen, dass die Fallgruppen des § 4 Nr. 1 TV SozSich unabhängig nebeneinander stehen und nicht den Schluss erlauben, das Arbeitsentgelt müsse mindestens die Höhe des Arbeitslosengeldes erreichen. Eine solche Annahme widerspräche auch dem auf Wiedereingliederung des entlassenen Arbeitnehmers tariflichen Regelungskonzept.

91

Nach § 3 Nr. 1 TV SozSich soll der entlassene Arbeitnehmer möglichst sofort in den Arbeitsprozess wieder eingegliedert werden. Demgemäß hat sich der Arbeitnehmer nach § 3 Nr. 2 S. 1 TV SozSich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitssuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden. Nach § 4 Nr. lit. bTV SozSich wird in diesem Fall Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit oder beruflichen Bildungsmaßnahmen (Arbeitslosengeld/-hilfe, Unterhaltsgeld) gezahlt. Der Arbeitnehmer erhält im Fall seiner Arbeitslosigkeit Überbrückungsbeihilfe also nur, wenn er selbst die Voraussetzungen im Sinne §§ 100, 105 AFG dafür schafft, dass er Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit erhält. Die Überbrückungsbeihilfe soll, sieht man einmal vom Fall des § 4 Nr 2 lit. a (2) TV SozSich ab, nicht die einzige Leistung an den Arbeitnehmer sein, sondern den Unterschiedsbetrag zwischen dem ursprünglich bezogenen Arbeitsentgelt bei den Stationierungsstreitkräften und danach bezogenen Leistungen abdecken. Verschafft der Arbeitnehmer sich keine Leistungen nach § 4 Nrn. 1, 2 TV SozSich, erhält er grundsätzlich auch keine Überbrückungshilfe, Daraus wird deutlich, dass die Überbrückungsbeihilferegelung einen Anreiz darstellen soll, damit der Arbeitnehmer entweder eine anderweitige Beschäftigung aufnimmt oder zumindest der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (§§ 100, 103 AFG). Als für den Tarifanspruch nicht ausreichend ist nach der Protokollnotiz zu § 4 Nr. 1 lit. a TV SozSich nur eine anderweitige Beschäftigung mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 21 Stunden oder weniger anzusehen. Obwohl die Tarifparteien das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs somit erkannt haben, haben sie für die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur eine Mindestarbeitszeit, nicht aber einen Mindestlohn vorgeschrieben. Daran sind die Gerichte gebunden.

92

Dem Tarifvertrag ist auch nicht zu entnehmen, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sein soll, Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen, wenn der Lohn für eine verfügbare Beschäftigung niedriger ist als dieses. Eher ist das Gegenteil der Fall, wenn man im Sinne des in der Grundsatznorm des § 3 Nr. 1 TV SozSich enthaltenen Wiedereingliederungsgebots die Reihenfolge der in § 4 Nr. 1 lit. a, b TV SozSich genannten Fallgruppen für maßgebend hält. Diese Frage bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil der Kl. die in Buchstabe a genannte Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt verlangt hat.

93

3. Der Anspruch des Kl. entfällt nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB). Die Bekl. hat keine Tatsachen dafür behauptet, dass der Kl. treuwidrig, etwa durch Scheingeschäft oder, obwohl günstigere Angebote verfügbar sind, für die anderweitige Beschäftigung einen Lohn vereinbaren will, der unter der üblichen Vergütung liegt."

94

Vor diesem Hintergrund ist vorliegend davon auszugehen, dass der Kläger mit der vorliegend gegebenen Beschäftigung bei der Fa. T. KG die tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen entgegen der Auffassung der Beklagten erfüllt. Insbesondere ist davon auszugehen, dass aufgrund des Ergebnisses der vor dem Arbeitsgericht im erstinstanzlichen Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme nachgewiesen ist, dass der Kläger mit dieser Firma nicht nur einen schriftlichen, nach § 416 Abs. 1 ZPO zu würdigenden, Arbeitsvertrag mit dem gebotenen Inhalt abgeschlossen hat, sondern auch tatsächlich für die Fa. T. KG im streitgegenständlichen Zeitraum mehr als 21 Wochenarbeitsstunden tatsächlich abgeleistet hat.

95

Die Aussage des Zeugen H. hat das Arbeitsgericht zutreffend gewürdigt; insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 8, 9 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 264, 265 d. A.) Bezug genommen. Damit ist die volle Überzeugung i. S. d. § 286 Abs. 1 ZPO der Kammer nach Maßgabe folgender Grundsätze gegeben:

96

Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Insofern ist das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin zulässigerweise bestritten hat, nach Maßgabe der vor dem Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme als wahr anzusehen.

97

Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien - insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit als Zielpunkt - aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).

98

Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für - auch nur geringe - Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr "erachten". Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise einer Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.

99

Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.

100

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht nicht zu beanstanden. Der Zeuge hat vielmehr lebensnah und nachvollziehbar beschreiben, wie das zwischen ihm und dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis gelebt und tatsächlich vollzogen wurde; vernünftige Zweifel an der Wahrheitsgemäßheit dieser Aussage bestehen für die Kammer nicht. Soweit die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass der Zeuge nicht im Einzelnen habe erklären können, wie lange der Kläger am Tag arbeite, steht dies entgegen der Auffassung der Beklagten der hier für zutreffend gehaltenen Beweiswürdigung keineswegs entgegen. Denn es liegt auf der Hand, das angesichts des zwischen dem Zeugen und dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses keine allgegenwärtige Kontrolle des Inhalts stattfindet, dass der Zeuge zu jeder Zeit minutiös nachvollziehen kann, wieviel Stunden der Kläger an welchen Tagen tatsächlich gearbeitet hat. Dessen bedarf es auch nicht. Anhaltspunkte dafür, dass es sich insoweit lediglich um ein Scheinarbeitsverhältnis gehandelt haben könnte, sind ersichtlich nicht gegeben. Das Arbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang völlig zutreffend ausgeführt:

101

"Auch die Nachfrage, warum er ausgerechnet 22 Stunden Arbeitszeit mit dem Kläger vereinbart hatte, erklärte der Zeuge nachvollziehbar. Offensichtlich hatte er sich insoweit mit dem Kläger nicht abgesprochen, da seine Angaben, woher die Arbeitsvertragsmuster stammten, von den Angaben des Klägers in seinen Schriftsätzen abwichen. Er gab unumwunden zu, dass sowohl die Arbeitsvertragsmuster, als auch das Stundendeputat auf Betreiben des Klägers vereinbart wurden und auch die diesbezüglichen Änderungen im Dezember und Februar. Er erläuterte nachvollziehbar, dass er Anfang 2015 aufgrund der Einführung des Mindestlohngesetzes eigentlich nur 450-EUR-Kräfte als geringfügige Arbeitsverhältnisse begründen wollte. Alleine weil er den Kläger aus einem früheren Arbeitsverhältnis her kannte, habe er eine Ausnahme gemacht.

102

Letztendlich sei es ihm egal gewesen, ob der Kläger 808,00 EUR oder 810,00 EUR verdienen würde, die Arbeitszeit 21,25 Stunden oder 22 Stunden betragen sollte. Insofern habe er sich den Wünschen des Klägers nicht verschlossen, damit dieser mit "dem für ihn zuständigen Amt" hinsichtlich seiner Überbrückungsbeihilfe keinen Ärger bekomme."

103

Dem ist aus der Sicht der Kammer - voll inhaltlich - zustimmend nichts hinzuzufügen.

104

Weitere tatbestandliche Voraussetzungen nach Maßgabe der hier anzuwendenden Tarifnorm musste die Klägerin nicht einhalten; insbesondere ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten aus der Entscheidung des BAG vom 19.12.2013 (- 6 AZR 383/12 Beck RS 2014, 67022) nichts anderes. Das BAG (a. a. O.) hat in dieser Entscheidung lediglich angenommen, dass Entgelt, dass aus einem aus der Arbeitslosigkeit heraus erst zum Stichtag der Rentenberechtigung begründeten Arbeitsverhältnisses erzielt wird, nach dem Regelungszweck des TV SozSich nicht durch Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu ergänzen ist. In einem solchen Fall besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer nicht rentenberechtigt ist, weil die Hinzuverdienensgrenzen des § 34 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 SGB VI überschritten sind, der zeitlich begrenzte Sicherungsbedarf für die Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe nicht mehr. Das BAG (a. a. O.) hat insoweit ausgeführt:

105

"3. Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich von den bisher vom Senat entschiedenen Fällen. Es geht nicht darum, ob der Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe von Anfang an wegen einer Rentenberechtigung des ehemaligen Arbeitnehmers der Stationierungsstreitkräfte nicht entsteht (§ 2 Ziff. 2 Buchst. d. TV SozSich) bzw. ob der auf unveränderter Grundlage zu erfüllende Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe erlischt, sobald der Arbeitnehmer rentenberechtigt ist (§ 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich). Streitentscheidend ist allein, ob der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe auf einer neuen Rechtsgrundlage weiter besteht. Der Kläger begehrt für den streitbefangenen Zeitraum die Zahlung der Überbrückungsbeihilfe nicht mehr wie bis zum Dezember 2010 als Zuschuss zu den Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (§ 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich), sondern als Zuschuss zu einer anderweitigen Beschäftigung iSd. § 4 Ziff. 1 Buchst, a TV SozSich, die er im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Eintritt der Rentenberechtigung begründet hat. Entgelt, das aus einer solchen, erst zum Stichtag der Rentenberechtigung begründeten anderweitigen Beschäftigung erzielt wird, ist nach dem Regelungszweck des TV SozSich nicht durch Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu ergänzen. In einem solchen Fall besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer nicht rentenberechtigt ist, weil die Hinzuverdienstgrenzen überschritten sind, der zeitlich begrenzte Sicherungsbedarf für die Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe nicht mehr. Die Überbrückungsbeihilfe soll, wie ausgeführt, nicht eine als unzureichend empfundene Altersrente ergänzen, sondern den Arbeitnehmer bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn absichern. Nach seinem Regelungszweck eröffnet der TV SozSich die vom Kläger in Anspruch genommene Gestaltungsmöglichkelt, ein nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich durch Überbrückungsbeihilfe zu ergänzendes Arbeitsverhältnis erst zu dem Zeitpunkt zu begründen, ab dem er ohne dieses Arbeitsverhältnis Rente hätte beantragen können und deshalb der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe erloschen wäre, nicht. Das liefe auf ein Wahlrecht zwischen der Inanspruchnahme der vorgezogenen Rente oder der Fortzahlung der Überbrückungsbeihilfe bis zum regulären Rentenbeginn hinaus. Ein solches Wahlrecht besteht jedoch nach der Konzeption der Tarifvertragsparteien gerade nicht (vgl. BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 631/05 - Rn. 11, BAGE 118, 196).

106

4. Das vom Kläger zum 1, Januar 2011 begründete Arbeitsverhältnis war nach diesen Grundsätzen kein Arbeitsverhältnis iSd. § 4 Ziff. 1 Buchst, a TV SozSich. Das aus diesem Arbeitsverhältnis erzielte Entgelt war nicht durch Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu ergänzen …"

107

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die insoweit durch das BAG (a. a. O.) entschiedene Rechtsfrage in keinem Zusammenhang zum hier zu beurteilenden maßgeblichen Lebenssachverhalt. Denn dort endete der klägerische Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe deshalb, weil nach dem maßgeblichen Tarifnormen Rentenbezugsberechtigung bestand. Davon ist vorliegend für den streitgegenständlichen Zeitraum - unstreitig - gerade nicht auszugehen. Irgendwelche Ausführungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 TV SozSich, um die es vorliegend - auch - geht, enthält diese Entscheidung nicht.

108

Soweit die Beklagte vorgetragen hat, aufgrund einer Gesamtwürdigung der im Tatbestand wiedergegebenen Einzelumstände sei davon auszugehen, dass es sich nicht um ein rechtswirksames Arbeitsverhältnis mit einer tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 22 Stunden handele, sei Sittenwidrigkeit gegeben, folgt die Kammer dem nicht. Das Vorbringen der Beklagten läuft insoweit letztlich darauf hinaus, über die Behauptungen einer Sittenwidrigkeit, eines Rechtsmissbrauchs im Einzelfall allgemeine anspruchseinschränkende Tatbestandsmerkmale für die Geltendmachung des tarifvertraglichen Anspruchs aufzustellen, die die Tarifvertragsparteien aber nicht normiert haben, und die letztlich zu einem verfassungswidrigen (Art. 9 Abs. 3 GG) Ausfüllen einer sicher nicht unbewussten, sondern allenfalls bewussten Regelungslücke durch die Kammer führen würde. Denn es handelt sich insoweit um tatsächliche Umstände, die die Beklagte seit der Entscheidung des BAG vom 19.12.2013 (a. a. O.) gleichlautend in vergleichbar gelagerten Sachverhalten, also durchweg und generell - mit Nuancen im Einzelnen - vorbringt, um entsprechende Zahlungen nicht leisten zu müssen, auch wenn, wie vorliegend, in Kenntnis aller Umstände über Jahre hinweg die Zahlungen zuvor beanstandungsfrei geleistet worden sind. Abstrahiert lassen sich die von der Beklagten gewünschten allgemeinen Anforderungen dahin zusammenfassen, dass ein an sich anspruchsberechtigter Arbeitnehmer verpflichtet ist, nicht "unterwertig", also unterhalb seiner zuvor erlangten beruflichen Qualifikation und Berufserfahrung zu arbeiten, er eine langjährige Vergütung nach einer niedrigen tariflichen Lohngruppe nicht akzeptieren darf, insbesondere nicht verbunden mit einer Nichtteilnahme an Lohnerhöhungen und Stufensteigerungen tarifvertraglicher Normen, er sich nicht auf sehr geringes Entgelt einlassen darf und er schließlich dafür Sorge zu tragen hat, dass gewisse Minimalbedingungen im Hinblick auf eine Wechselbezüglichkeit von Arbeitsentgelt und Überbrückungsbeihilfe gegeben sein müssen. Diese Vorstellungen der Beklagten laufen auf eine von ihr offenbar angenommene Verpflichtung des anspruchsberechtigten Arbeitnehmers hinaus, sich um eine möglichst höchstbezahlte und ebenso möglichst Vollzeitstelle zu bemühen und stehen damit in diametralen Gegensatz zur durch Anwendung der Methoden zur Tarifauslegung gefundenen Rechtsauffassung des BAG (22.12.1994 a. a. O.). Denn danach ist Anspruchsvoraussetzung gerade nicht eine Vollzeittätigkeit und danach ist es für die Anwendung der maßgeblichen Tarifnormen unerheblich, welche Höhe das Arbeitsentgelt erreicht. Noch weniger ist eine Verpflichtung zur arbeitsgerichtlichen Klärung einer tarifgerechten Entlohnung (vgl. nur § 12 a ArbGG) vorgesehen. Insgesamt ist es im Hinblick auf §§ 162 Abs. 1, 242 BGB nicht zu beanstanden, wenn sich ein vom Wegfall seines Arbeitsplatzes betroffener Arbeitnehmer auf ein Teilzeitarbeitsverhältnis mit mehr als 21 Wochenarbeitsstunden einlässt, um die tarifvertraglichen Voraussetzungen für die Überbrückungsbeihilfe zu erfüllen, so dass der Klägerin im Streitfall ein insoweit rechtlich erheblicher Vorwurf nicht gemacht werden kann.

109

Eher im Gegenteil ist davon auszugehen, dass das Verhalten der Beklagten insoweit widersprüchlich, rechtsmissbräuchlich ist (Verbot des venire contra factum proprium, § 242 BGB). Denn die Beklagte hat nicht nur über Jahre hinweg beanstandungsfrei in Kenntnis aller Umstände die Überbrückungsbeihilfe der Klägerin abgerechnet, ausgezahlt, also abgewickelt. Die Beklagte ist vielmehr weitergehend nach dem TV SozSich auch ersichtlich den ihr obliegenden Verpflichtungen, sich um eine angemessene Beschäftigung für die Betroffenen Arbeitnehmer zu bemühen, langjährig nicht nachkommen. Gemäß § 3 Ziffer 3 TV SozSich hat sich die Bundesregierung aber ausdrücklich verpflichtet, "bemüht zu sein", für die bevorzugte Einstellung entlassener Deutscher Arbeitnehmer in den Bundesdienst Sorge zu tragen. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Bundesregierung wird auch außerdem danach darauf hinwirken, dass deutsche Arbeitnehmer im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten von anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes bevorzugt berücksichtigt werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte insoweit bezogen auf die Klägerin irgendwelche Aktivitäten entfaltet haben könnte, lassen sich ihrem schriftsätzlichen Vorbringen in beiden Rechtszügen aber nicht entnehmen. Darauf hat der Kläger zutreffend hingewiesen. Aus den Erläuterungen zum TV SozSich (Seite 22, 75 Ergänzungslieferung 07/15) ergibt sich, dass das Bundesministerium des Innern zuletzt mit Schreiben vom 02. - 08.09.2010 die obersten Bundesbehörden sowie die Innenminister (Senatoren) der Länder und die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände gebeten hat, von den Stationierungsstreitkräften entlassene Deutsche Arbeitnehmer bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten bevorzugt zu berücksichtigten. Die Arbeitsagenturen sind danach angewiesen, zur Unterbringung der entlassenen Arbeitnehmer im deutschen öffentlichen Dienst an die in Betracht kommenden Behörden heranzutreten (Schnellbrief der Bundesanstalt für Arbeit vom 18.05.1972). Konkrete, auf die einzelnen Arbeitnehmer bezogene Maßnahmen sind folglich nicht nur nicht in Erwägung gezogen worden, sondern vielmehr geht die Beklagte wohl davon aus, ihrer tariflichen Verpflichtung damit Genüge getan zu haben. Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig überzeugend, die - ohnehin tarifnormativ nicht zu begründenden - deutlich weitgehenderen Anforderungen an den Kläger zu stellen.

110

Nachdem die Beklagte keine substantiierten Einwendungen hinsichtlich der Höhe der Klageforderung erhoben hat, war ihre Berufung zurückzuweisen. Weiterhin war der zulässiger Weise im Wege der Anschlussberufung im Berufungsverfahren erstmals geltend gemachten Klageerweiterung stattzugeben.

111

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO.

112

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Voraussetzungen des §§ 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02. Dezember 2015 - 1 Ca 1108/15 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 2) des Tenors des vorgenannten Urteils wie folgt gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass dem Kläger im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit dem Automobilzentrum E. GmbH (Arbeitsverdienst: 9,61 €/Stunde; Lohnerhöhung entsprechend der prozentualen Erhöhung der Entgelte der Vergütungsgruppe I des Vergütungstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern; Arbeitszeit: 24 Stunden wöchentlich) ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des Tarifvertrages zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich) in Höhe des nach § 4 des TV SozSich jeweils monatlich zu errechnenden Betrages zusteht.

II. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte darüber hinaus verurteilt, einen weiteren Betrag in Höhe von 30.592,07 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.047,19 € seit dem 01. Dezember 2015, aus 4.047,19 € seit dem 01. Januar 2016, aus 4.047,19 € seit dem 01. Februar 2016, aus 3.765,70 € seit dem 01. März 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. April 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. Mai 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. Juni 2016 und aus 3.671,20 € seit dem 01. Juli 2016 an den Kläger zu zahlen.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ab Juli 2015 ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich) zusteht.

2

Der 1958 geborene Kläger war seit mehr als 30 Jahren bei den US-Stationierungsstreitkräften, zuletzt als aufsichtsführender Sachbearbeiter (Transportwesen) gegen ein tarifliches Grundgehalt von monatlich 4.845,28 € brutto in S-Stadt beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde von den US-Stationierungsstreitkräften aus Gründen im Sinne des § 2 TV SozSich mit Wirkung zum 31. Dezember 2014 beendet. In der Zeit vom 01. Januar bis 30. Juni 2015 war der Kläger bei einer aus Anlass der Schließung des Standortes S-Stadt gegründeten Transfergesellschaft beschäftigt und erhielt für diesen Zeitraum auch Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich.

3

Unter dem 08. Juni 2015 schloss der Kläger mit der Automobilzentrum E. GmbH einen schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 34 - 41 d. A.), der u. a. folgende Regelungen enthält:

4

"§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses und Probezeit

5

(1) Das Arbeitsverhältnis wird auf unbestimmte Zeit geschlossen und beginnt am 01.07.2015. Vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ist die ordentliche Kündigung ausgeschlossen. (…)

6

§ 2 Tätigkeit, Versetzungsvorbehalt, Alkoholverbot

7

(1) Der/Die Arbeitnehmer/in ist als Helfer im Servicebereich tätig. Die dem Arbeitsvertrag beiliegende Stellenbeschreibung ist Bestandteil dieses Vertrages. Der/Die Arbeitnehmer/in ist verpflichtet, Änderungen der Stellenbeschreibung zu akzeptieren und zu unterzeichnen, sofern diese auf Herstellervorgaben basieren.

8

(2) Arbeitsort ist S-Stadt. (…)

9

§ 3 Arbeitszeit

10

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 22 Stunden wöchentlich, verteilt auf die Werktage Montag bis Freitag.

11

(2) Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen werden vom Arbeitgeber festgelegt. Einmal pro Monat ist Samstagsarbeit obligatorisch, in Ausnahmefällen kann diese Samstagsarbeit auch nach Absprache mit dem Arbeitnehmer auf mehrere Samstage im Monat mit entsprechendem Freizeitausgleich bzw. finanzieller Vergütung erweitert werden. An- und Auskleiden rechnet nicht zur Arbeitszeit. (…)

12

§ 4 Vergütung

13

(1) Der/Die Arbeitnehmerin/in erhält für die vertragliche regelmäßige Arbeitszeit ein monatliches Brutto in Höhe von 850 Euro. Die Fälligkeit der Vergütung tritt jeweils am 3. Tag des Folgemonats ein. (…)

14

§ 6 Urlaub

15

(1) Der Jahresurlaubsanspruch des/der Arbeitnehmers/in beträgt zurzeit 12 Tage. Der Zeitpunkt des Urlaubs wird unter Berücksichtigung der Geschäftsinteressen in Abstimmung mit dem Arbeitgeber schriftlich festgelegt. Scheidet der/die Arbeitnehmer/in nach Erfüllung der gesetzlichen Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis im zweiten Halbjahr eines Kalendermonats aus, so hat er/sie Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, mindestens jedoch auf den gesetzlichen Mindesturlaub.

16

(2) Im Übrigen richtet sich der Anspruch des/der Arbeitnehmers/in auf bezahlten Erholungsurlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz in seiner jeweils geltenden Fassung. (…)"

17

Unter dem 08. September 2015 unterzeichneten der Kläger und die Automobilzentrum E. GmbH eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag (Bl. 48 d. A.), nach der der am 08. Juni 2015 geschlossene Arbeitsvertrag wie folgt geändert wird:

18

"§ 4 Vergütung

19

(1) Der Arbeitnehmer erhält rückwirkend zum 01.07.2015 für die vertraglich regelmäßige Arbeitszeit ein monatliches Brutto in Höhe von 895,00 €. Dies entspricht einem Stundenlohn in Höhe von 9,39 €. Ab dem 01.09.2015 erhöht sich die Vergütung des Arbeitnehmers entsprechend der prozentualen Erhöhung der Entgelte der Vergütungsgruppe I des "Vergütungstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes" in Bayern. Die Fälligkeit der Vergütung tritt jeweils am 3. Tag des Folgemonats ein.

20

Im Übrigen bleibt § 4 wie der übrige Arbeitsvertrag unverändert."

21

Danach erhielt der Kläger für seine Tätigkeit als Helfer im Servicebereich von der Automobilzentrum E. GmbH rückwirkend ab 01. Juli 2015 ein monatliches Gehalt in Höhe von 895,-- € brutto.

22

Mit seiner beim Arbeitsgericht Kaiserslautern erhobenen Klage hat der Kläger die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich für die Zeit ab Juli 2015 geltend gemacht (bezifferter Zahlungsantrag für Monate Juli bis September 2015 und Feststellungsantrag für die Zukunft).

23

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02. Dezember 2015 - 1 Ca 1108/15 - und ergänzend auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

24

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

25

1. die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von brutto 12.141,57 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von brutto 4.047,19 € seit dem 01.09.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von brutto 4.047,19 € seit dem 01.10.2015 und aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.047,19 € seit dem 01.11.2015 an ihn zu zahlen,

26

2. festzustellen, dass ihm im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit dem Automobilzentrum E. GmbH (Arbeitsverdienst: 9,39 €/Stunde; Lohnerhöhung entsprechend der prozentualen Erhöhung der Entgelte der Vergütungsgruppe I des Vergütungstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern; Arbeitszeit: 22 Stunden wöchentlich) ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des Tarifvertrages zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31.08.1971 (TV SozSich) in Höhe des sich nach § 4 des TV SozSich jeweils monatlich zu errechnenden Betrages zusteht.

27

Die Beklagte hat beantragt,

28

die Klage abzuweisen.

29

Mit Urteil vom 02. Dezember 2015 - 1 Ca 1108/15 - hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern der Klage stattgegeben. Hinsichtlich der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

30

Unter dem 03. Februar 2016 wurde zwischen der Automobilzentrum E. GmbH und dem Kläger folgende "Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag" geschlossen:

31

"Die Parteien verbindet ein Arbeitsvertrag vom 08.06.2015, zuletzt geändert am 08.09.2015.

32

Die Parteien kommen darin überein, dass ab dem 01.02.2016 folgende Änderungen des bislang maßgeblichen Arbeitsvertrages wirksam werden sollen:

33

1. Die wöchentliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers erhöht sich um 2 Stunden auf 24 Stunden. Die geänderte Arbeitszeit verteilt sich auf die Wochentage wie folgt: Montag bis Mittwoch von 08:00 bis 17:00 Uhr.

34

2. Die Vergütung des Arbeitnehmers erhöht sich von bislang 895,00 Euro brutto auf 1.000,00 Euro brutto im Monat. Das entspricht einem Stundenlohn in Höhe von 9,51 €.

35

3. Des Weiteren erhöht sich der jährliche Urlaubsanspruch um 3 Tage, der Gesamturlaubsanspruch beträgt somit 15 Tage.

36

Alle übrigen Vereinbarungen des bisherigen Arbeitsvertrags bleiben unverändert."

37

Gegen das ihr am 12. Februar 2016 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 11. März 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26. April 2016 mit Schriftsatz vom 26. April 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen und dem Kläger am 04. Mai 2016 zugestellt, begründet.

38

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 17. Mai 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 02. Juni 2016 eingegangen, Anschlussberufung eingelegt und im Wege der Klageerweiterung mit seinem weiteren Zahlungsantrag die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe über die Monate Juli bis September 2015 hinaus für die nachfolgenden Monate Oktober 2015 bis Mai 2016 beziffert geltend gemacht.

39

Die Beklagte trägt vor, sie bestreite mit Nichtwissen, dass der Kläger tatsächlich 22 bzw. 24 Wochenstunden bei der Automobilzentrum E. GmbH in S-Stadt arbeite. Hinsichtlich der vom Kläger vorgelegten Zeitaufstellungen bleibe unklar, wie diese überhaupt zu verstehen seien, insbesondere was mit "Leerlauf" gemeint sei. Sie gehe davon aus, dass der Kläger nicht mehr als 21 Wochenstunden gearbeitet habe. Im Übrigen lasse sich entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts aus der Protokollnotiz zu § 4 TV SozSich nicht ableiten, dass man als ehemaliger Beschäftigter der Stationierungsstreitkräfte nur mehr als 21 Stunden arbeiten müsse, um einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu haben. Bei der Überbrückungsbeihilfe handele es sich um eine besondere staatliche Sozialleistung, die von ihr nur dann zu zahlen sei, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage sei, selbst eine dem früheren Gehalt vergleichbare Beschäftigung zu finden. Dagegen sei es nicht Sinn und Zweck der Überbrückungsbeihilfe, dass die Steuerzahler es entlassenen Arbeitnehmern der Stationierungsstreitkräfte ermöglichen würden, ohne wesentliche finanzielle Einbußen sich mit einem Arbeitsverhältnis als Anknüpfleistung auf "Minimalbasis", also den in der Praxis zuletzt häufig vorkommenden 22 Wochenstundenverträgen bei einer Vergütung von 8,50 € zufrieden zu geben. Nach der allgemeinen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast habe der Arbeitnehmer als Anspruchsteller zu beweisen, dass er einer rechtswirksamen anderweitigen Beschäftigung im Sinne des Tarifvertrages nachgehe. Von der Beweislast mit umfasst seien das Bestehen eines rechtswirksamen Arbeitsverhältnisses mit einer nicht bloß geringfügigen Beschäftigung, eine rechtswirksame Lohnabrede mit einem bestimmten, bezifferten Arbeitsentgelt und eine tatsächliche Wochenarbeitszeit von mehr als 21 Stunden. Soweit die Rechtsprechung davon ausgehe, dass derjenige, der sich auf das Vorliegen eines Scheinarbeitsverhältnisses berufe, hierfür auch darlegungs- und beweispflichtig sei, passe dies nicht auf die vorliegende Fallgestaltung, bei der ein rechtswirksames Arbeitsverhältnis die Voraussetzung für den Leistungsanspruch gegenüber einem Dritten sei, der in keiner Weise am Arbeitsverhältnis, dessen Zustandekommen und dessen Durchführung beteiligt werde. Im Hinblick auf den Charakter der Überbrückungsbeihilfe als Sozialleistung sei vielmehr auf die Erwägungen der Sozialgerichtsbarkeit zur Darlegungs- und Beweislast abzustellen. Allein die Vorlage eines Arbeitsvertrages und entsprechender Sozialversicherungsnachweise reiche für die Darlegung eines rechtswirksamen Arbeitsverhältnisses nicht aus, da diese nur ein äußeres Bild zeigten. Die schlichte Vorlage eines Arbeitsvertrages genüge entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts deshalb nicht der beim Kläger liegenden Darlegungs- und Beweislast. Die anspruchsbegründende "anderweitige Beschäftigung" im Sinne des § 4 Ziff. 1 a TV SozSich könne nur ein von der Rechtsordnung anerkanntes Beschäftigungsverhältnis sein. Betrachte man die Arbeitszeit ohne "Leerlauf", habe der Kläger einen Umfang an Arbeitszeit behauptet, der auch nicht ansatzweise den tariflichen Mindestumfang von 21 Wochenstunden abdecke. Betrachte man die angeblichen Ist-Stunden, dann müsste sie ein Arbeitsverhältnis subventionieren, bei dem weniger als der gesetzliche Mindestlohn gezahlt werde. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Vorlage eines Arbeitsvertrages als ausreichend angesehen und dadurch zahlreiche Tatsachen und Anhaltspunkte unberücksichtigt gelassen, wonach ein Arbeitsverhältnis, das die Anspruchsvoraussetzungen des § 4 TV SozSich erfülle, nicht bestehe. Als Anzeichen für ein fehlendes Arbeitsverhältnis seien folgende Umstände zu berücksichtigen: Gelernter Facharbeiter (KFZ-Mechaniker) solle nur als Hilfskraft beschäftigt werden, Abweichung des schriftlichen Arbeitsvertrages von dem angeblich gelebten Arbeitsverhältnis hinsichtlich der Arbeitszeit, wiederholte Vereinbarungen unter der tariflichen Vergütung, Unklarheiten bzw. unsubstantiierter Vortrag zu den Zeiten und der Art der Arbeiten, Verzicht durch das behauptete Arbeitsverhältnis auf ein 5-fach höheres Arbeitslosengeld, unklare Festlegung der Arbeitszeit und Beibehaltung der Lage der Arbeitszeit trotz angeblicher Ausweitung der Arbeitszeit um zwei Stunden. Weiterhin müsse sich derjenige, der Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich geltend mache, ein treuwidriges Verhalten im Sinne des § 162 BGB und damit den Wegfall der Überbrückungsbeihilfe entgegen halten lassen. Es genüge nicht, dass ein Arbeitnehmer lediglich die Mindestanforderungen des Tarifvertrages erfülle. Vielmehr handele es sich bei dem Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe bereits nach dem Wortlaut um eine ergänzende Leistung. Im Vordergrund müsse also ein neues Arbeitsverhältnis stehen, in dem Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung möglichst äquivalent einbringe. Darüber hinaus müsse die neue Arbeitsleistung Hauptmotivation sein, und nicht nur den Zweck haben, die Überbrückungsbeihilfe als staatliche Leistung zu erzielen. Demgegenüber sei die Überbrückungsbeihilfe beim Kläger nicht soziale Folge eines Arbeitsverhältnisses, sondern - umgekehrt - maßgeblicher Zweck für das eingegangene Arbeitsverhältnis. Auch das fehlende Bemühen des Klägers um eine vergleichbare Folgebeschäftigung begründe entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts einen Rechtsmissbrauch im Sinne des §§ 162, 242 BGB. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers sei im Wesentlichen nicht einlassungsfähig. In der Gegend, in der der Kläger wohne, seien zahlreiche offene Stellen - sowohl für gelernte als auch für ungelernte Kräfte - gemeldet. Soweit der Kläger vorgetragen habe, dass ihm sein Drittarbeitgeber eine Teilzeitstelle im Betrieb von 20 Stunden angeboten habe, hätte er nach seinem eigenen Vorbringen in Vollzeit arbeiten können und gemäß § 9 TzBfG sogar einen gesetzlichen Anspruch auf Erhöhung seiner Arbeitszeit gehabt. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger sich um eine Vollzeitstelle bemüht habe. Zu Unrecht rüge der Kläger, dass sie ihren eigenen Verpflichtungen nach § 3 Ziff. 3 TV SozSich nicht nachgekommen sei. Sie habe ein Vermittlungsverfahren implementiert. Im Pool der zu vermittelnden Personen sei der Kläger gemeldet. Richtig sei aber, dass eine geeignete Stelle dem Kläger bisher im Rahmen dieses Verfahrens ihrer Kenntnis nach nicht vorrangig habe vermittelt werden können. Ein - unterstelltes - Arbeitsverhältnis des Klägers bzw. die diesem zugrunde liegende Entgeltvereinbarung sei im Hinblick auf die damit begehrte Überbrückungsbeihilfe wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB unwirksam. Vorliegend begehre der Kläger bei einem Monatsverdienst von 895,-- € eine Überbrückungsbeihilfe von über 4.000,-- € monatlich. Das Monatsentgelt mache also nur einen Bruchteil der Überbrückungsbeihilfe aus bzw. diese betrage ungefähr das dreieinhalbfache des vertraglich vereinbarten Arbeitsentgeltes. Die verwerfliche Gesinnung folge aus dem Leistungsbegehren gegenüber öffentlichen Kassen in Verbindung mit den Gesamtumständen. Der Kläger hätte einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I in Höhe von mehr als 2.000,-- € netto gehabt, den sie hätte aufstocken müssen, während sich der Kläger mit einem Arbeitsverdienst von 682,05 € netto zufrieden gebe und sie die Differenz von ca. 2/3 des Netto-Gehaltes ausgleichen solle. Soweit der Kläger nunmehr keine überwiegend gewerbliche Tätigkeit mehr verrichte, sondern als Sachbearbeiter fungiere, könne diese Tätigkeit der sog. Leistungsgruppe 4 des Bayerischen Landesamtes für Statistik zugeordnet werden. Hier werde im Landesdurchschnitt in Bayern eine Stundenvergütung von 14,42 € für Männer gezahlt. Der Kläger gebe sich mit nur 2/3 dieser durchschnittlichen Vergütung zufrieden. Nach dem einschlägigen Vergütungstarifvertrag sei die vom Kläger verrichtete Tätigkeit mit dem Regelbeispiel der "Gewährleistungssachbearbeitung" aufgeführt und in die Vergütungsgruppe 4 des Vergütungstarifvertrages vom 18. Juni 2012 aufgenommen. Danach verdiene der Kläger deutlich unter 2/3 des Tariflohns. Soweit der Kläger behaupte, dass die Tarifverträge weder auf 50% der Unternehmen noch auf 50% der Mitarbeiter im KFZ-Gewerbe in Bayern Anwendung finden würden, könne sie sich hierzu zwar bislang nicht erklären. Unzutreffend sei aber die rechtliche Einschätzung des Klägers, dass keine Gehaltsuntergrenze nach § 138 BGB gegeben sei. Der Wert der üblichen Vergütung ergebe sich zumindest aus der Durchschnittsvergütung, die nach den Zahlen des Bayerischen Landesamtes für Statistik insgesamt durchschnittlich 14,47 € pro Stunde betrage. Hier erreiche der Kläger gerade nicht mehr den 2/3-Wert. Seine Vergütung sei zumindest seit der Zuweisung der höherwertigen Tätigkeit sittenwidrig niedrig. In Bezug auf die Höhe der geltend gemachten Forderung betrage die Bruttobemessungsgrundlage für den gesamten Zeitraum nicht wie vom Kläger berechnet 4.942,19 €, sondern 4.845,28 €. Der Kläger habe die Bruttobemessungsgrundlage von 4.845,28 € um die gesetzliche Rentenerhöhung (West) des Jahres 2015 erhöht. Nach dem Wortlaut des § 4 Ziff. 3 a (2) TV SozSich erfolge die Erhöhung der Bruttobemessungsgrundlage aber erst nach dem Jahr der Entlassung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf ihre Berufungsbegründung vom 26. April 2016 und ihren Schriftsatz vom 06. Juli 2016 verwiesen.

40

Die Beklagte beantragt,

41

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02. Dezember 2015 - 1 Ca 1108/15 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

42

Der Kläger beantragt,

43

die Berufung zurückzuweisen.

44

Der Kläger beantragt im Wege der Anschlussberufung,

45

die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, einen weiteren Betrag in Höhe von 30.592,07 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.047,19 € seit dem 01. Dezember 2015, aus 4.047,19 € seit dem 01. Januar 2016, aus 4.047,19 € seit dem 01. Februar 2016, aus 3.765,70 € seit dem 01. März 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. April 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. Mai 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. Juni 2016 und aus 3.671,20 € seit dem 01. Juli 2016 an ihn zu zahlen.

46

Der Kläger berichtigt den Feststellungsantrag und passt ihn an seine aktuelle vertragliche Lage an:

47

Es wird festgestellt, dass ihm im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit dem Automobilzentrum E. GmbH (Arbeitsverdienst: 9,61 €/Stunde; Lohnerhöhung entsprechend der prozentualen Erhöhung der Entgelte der Vergütungsgruppe I des Vergütungstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern; Arbeitszeit: 24 Stunden wöchentlich) ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des Tarifvertrages zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich) in Höhe des nach § 4 des TV SozSich jeweils monatlich zu errechnenden Betrages zusteht.

48

Die Beklagte beantragt,

49

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

50

Der Kläger erwidert, das Arbeitsgericht habe zutreffend angenommen, dass für die prozessuale Geltendmachung des Anspruchs auf Überbrückungsbeihilfe zu einer anderweitigen Beschäftigung im Sinne des § 4 Ziff. 1 a TV SozSich die Vorlage eines Arbeitsvertrages sowie Nachweise über das aus diesem Arbeitsverhältnis bezogene Arbeitsentgelt ausreichend seien. Insbesondere werde hierdurch ausreichend nachgewiesen, dass der Anspruchsteller auch tatsächlich eine anderweitige Beschäftigung aufgenommen und die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit erbracht habe. Denn im absoluten Regelfall würden Arbeitsverträge auch so durchgeführt, wie sie unterschrieben worden seien. Abgesehen von Fällen des kollusiven Zusammenwirkens werde kein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Lohn zahlen, ohne dass dieser hierfür die entsprechende Gegenleistung in Form der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung erbracht habe. Tarifliche Voraussetzung für die Gewährung von Überbrückungsbeihilfe sei nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 TV SozSich und der dazugehörigen Protokollnotiz nur, dass der Anspruchsteller einen Arbeitsvertrag mit mehr als 21 Wochenstunden abgeschlossen habe und auf der Grundlage dieses Arbeitsverhältnisses Arbeitsentgelt für mindestens 21 Wochenstunden beziehe. Weitere Voraussetzungen für den Anspruch Überbrückungsbeihilfe würden sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus dem Sinn und Zweck des TV SozSich ergeben. Nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien sei die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess als Zielsetzung der Überbrückungsbeihilfe bereits dann erreicht, wenn die betroffenen Arbeitnehmer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im Umfang von mehr als 21 Wochenstunden tätig seien. Mithin erfülle er durch sein Arbeitsverhältnis bei der Automobilzentrum E. GmbH und seiner beruflichen Tätigkeit im Umfang von mittlerweile 24 Stunden pro Woche genau die Zielsetzung der Überbrückungsbeihilfe, so dass deren Zweck nicht verfehlt, sondern vielmehr gerade erfüllt werde. Entgegen der Ansicht der Beklagten müsse er nicht darlegen und beweisen, dass seine tatsächliche Wochenarbeitszeit mehr als 21 Stunden betrage, d. h. dass er in der Regel mehr als 21 Wochenstunden gearbeitet habe. Vielmehr obliege es der Beklagten, Tatsachen vorzutragen und notwendigenfalls zu beweisen, die angeblich für ein Scheinarbeitsverhältnis sprechen würden. Die Beklagte habe hierfür keine tragfähigen Anhaltspunkte vorgetragen. Nach ständiger Rechtsprechung trage derjenige die Beweislast für den Scheincharakter eines Vertrages, wer sich auf die Nichtigkeit eines Geschäftes nach § 117 Abs. 1 BGB berufe. Entgegen der unzutreffenden Ansicht der Beklagten sei diese Rechtsprechung auch für den vorliegenden Fall maßgeblich. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die tariflichen Ansprüche angeblich als Sozialleistung im weitesten Sinne zu verstehen seien. Denn dieser Umstand sei nicht geeignet, den arbeitsrechtlichen Charakter des Anspruchs auf Überbrückungsbeihilfe zu ändern. Eine Übertragung der von der Beklagten angeführten Erwägungen der Sozialgerichtsbarkeit auf die vorliegende arbeitsgerichtliche Streitigkeit verbiete sich ohnehin, weil die unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten von grundlegend verschiedenen Prozessgrundsätzen geprägt seien. Unabhängig davon genüge im Regelfall auch im Rahmen eines Sozialgerichtsprozesses die Vorlage eines Arbeitsvertrages, um der Feststellungslast hinsichtlich des Bestehens eines Beschäftigungsverhältnisses und der hieraus resultierenden Versicherungspflicht zu genügen. Die Beklagte habe keine erheblichen Umstände vorgetragen, weshalb sie der Ansicht sei, dass sein Arbeitsverhältnis nur zum Schein eingegangen sei. Soweit die Beklagte zum wiederholten Male bemängelt habe, dass er nur als Hilfskraft beschäftigt werde, weise er nochmals darauf hin, dass seine Ausbildung als Kfz-Mechaniker aus dem Jahr 1980 aufgrund des zwischenzeitlichen technischen Fortschritts im Kfz-Bereich mittlerweile entwertet sei, so dass er diese nicht mehr auf dem deutschen Arbeitsmarkt verwerten könne. Soweit die Beklagte behaupte, dass hinsichtlich der Arbeitszeit eine Abweichung des schriftlichen Arbeitsvertrages vom gelebten Arbeitsverhältnis vorliege, so treffe dies nicht zu. Die Arbeitszeit halte sich in dem durch den Arbeitsvertrag gesteckten Rahmen und sei wirksam durch seinen Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts festgelegt worden. Nach Vertragsschluss seien er und Herr E. auf dessen Vorschlag hin darin übereingekommen, dass er zunächst von Montag bis Mittwoch von jeweils 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr arbeiten solle. Auf diesem Wege hätten auf der einen Seite die Arbeitstage pro Monat und somit seine Reisekosten möglichst gering gehalten werden sollen. Die E. GmbH habe ihm zudem angeboten, dass er die anfallenden Überstunden dazu nutzen könne, ganze Arbeitstage bezahlt daheim zu bleiben, um sich an diesen Tagen die Reisekosten komplett sparen zu können. Auf der anderen Seite habe der Arbeitgeber hierdurch die notwendige Flexibilität gewahrt, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses noch nicht sicher gewesen sei, ob er für ihn ausreichend Arbeit habe. Die angefallenen Überstunden seien vereinbarungsgemäß seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben worden. Ein Zeitausgleich sei nach Absprache durch bezahlte Freistellung erfolgt. Dementsprechend sei er am 13. Juli 2015 sowie im Zeitraum vom 14. bis 16. September 2015 von seiner Arbeitsleistung unter Fortzahlung seiner Vergütung freigestellt worden. Soweit die Beklagte darauf hingewiesen habe, dass die Vereinbarung hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit keinen Niederschlag in dem Arbeitsvertrag gefunden habe, so sei dieser Einwand unerheblich. Denn es sei nicht unüblich, dass die konkreten Arbeitszeiten im ursprünglichen Arbeitsvertrag nicht genannt würden, um das Weisungsrecht des Arbeitgebers in zeitlicher Hinsicht nicht ohne Not einzuschränken. Zudem halte sich die Festlegung der Arbeitszeit im vertraglichen Rahmen. Von dem in § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages festgelegten Recht habe Herr E. zu Beginn des Arbeitsverhältnisses bei der Festlegung seiner Arbeitszeit Gebrauch gemacht. Mit Wirkung zum 01. Februar 2016 sei seine regelmäßige Arbeitszeit durch die vorgelegte Änderungsvereinbarung auf 24 Wochenstunden erhöht und im Rahmen dessen verbindlich auf Montag bis Mittwoch von 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr festgelegt worden. Er habe bei Herrn E. mehrmals um eine Erhöhung seiner Arbeitszeit angefragt. Da eine Mitarbeiterin zum 31. Januar 2016, die als sog. Garantiebearbeiterin mit 20 Stunden pro Woche tätig gewesen sei, die Automobilzentrum E. GmbH verlassen habe, sei ihm angeboten worden, dass er auf diese Stelle wechsele und gleichzeitig seine Arbeitszeit auf 24 Wochenstunden erhöht werden könne. Denn gewisse bisherige Arbeitsaufgaben habe er auch nach seinem Stellenwechsel weiterhin erledigen sollen. Sein Arbeitgeber habe ihm aber keine weiteren Stunden angeboten, obgleich er hierum gebeten habe. Soweit die Beklagte zum wiederholten Mal bemängele, dass sein Lohn unter der tariflichen Vergütung liege, habe er bereits erstinstanzlich darauf hingewiesen, dass eine Tarifvergütung im Kfz-Gewerbe in Bayern nicht üblich sei. Sein Stundenlohn entspreche vielmehr dem orts- und betriebsüblichen Lohn für vergleichbare Tätigkeiten. Von einer offenkundigen Unklarheit, was und wann er gearbeitet habe, könne auch keine Rede sein. Vielmehr habe er seine einzelnen Arbeitsaufgaben aufgezählt. Zudem habe er unter Verwendung von Auszügen aus dem elektronischen Zeiterfassungssystem jeden einzelnen seiner Arbeitstage kalendermäßig aufgezählt sowie den jeweiligen Beginn und das Endes seiner Arbeitszeit angegeben. Aus der Spalte "bez. Std." lasse sich Tag genau die Dauer der Arbeitszeit entnehmen. Exakter könne die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers nicht angegeben werden. Die Spalte "Leerlauf" in den Zeitaufstellungen habe nicht die Bedeutung, dass er insoweit nicht beschäftigt worden sei. Die Spalte "W 3" (Leerlauf) weise lediglich den Umfang der Arbeitszeit aus, der nicht der Abarbeitung eines bestimmten Reparatur-/Serviceauftrages zugeordnet sei. Bei der Automobilzentrum E. GmbH müssten lediglich alle produktiven Mitarbeiter ihre Tätigkeit auftragsbezogen mit Abstempeln eines Strichcodes nachweisen, um ihre Arbeitszeit abrechnen zu können. Für Servicemitarbeiter bestehe hingegen keine solche Pflicht. Mithin sei die Spalte "W 3" im Regelfall gleichbedeutend mit seiner tatsächlichen Arbeitszeit. Nur in Fällen, in denen er ausnahmsweise auftragsbezogene Tätigkeiten verrichtet habe, ergebe sich die tägliche Arbeitszeit aus der Summe der Spalte "W 3" und der Spalte "ZA" (= Zeit aller gestempelten Aufträge). Er sei bei der Automobilzentrum E. GmbH in deren Autohaus in S-Stadt entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarung vom 01. Juli 2015 bis 31. Januar 2016 als Helfer im Servicebereich tatsächlich im Durchschnitt mit 22 Stunden wöchentlich tätig gewesen und habe im Rahmen dieser regelmäßigen Arbeitszeiten die von ihm im Einzelnen aufgeführten Tätigkeiten erledigt. Seit dem 01. Februar 2016 sei er für die Automobilzentrum E. GmbH in S-Stadt als Garantiebearbeiter regelmäßig mit 24 Wochenstunden mit den von ihm im Einzelnen aufgeführten Aufgaben tätig. Seine tatsächliche Arbeitszeit werde elektronisch festgehalten und ergebe sich aus den von ihm vorgelegten Stundenaufzeichnungen. Sein Arbeitsverhältnis halte sich auch an die Vorgaben des Mindestlohngesetzes. Nach § 2 Abs. 2 MiLoG könnten auch mit Arbeitnehmern, die zum Mindestlohn vergütet würden, Arbeitszeitkonten schriftlich vereinbart werden. Er habe mit der Automobilzentrum E. GmbH ein solches Arbeitszeitkonto schriftlich vereinbart, das die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 MiLoG erfülle. Grundlage dieses Arbeitszeitkontos seien die vom elektronischen Zeiterfassungssystem erfassten Arbeitszeiten. Gemäß der zutreffenden Feststellung des Arbeitsgerichts sei der pauschale Vorwurf des treuwidrigen Verhaltens nicht geeignet, seinen Anspruch zu Fall zu bringen. Vielmehr habe die Beklagte seinerseits nichts dazu vorgetragen, welche Maßnahmen sie ergriffen habe, um ihren tarifvertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihm aus § 3 Ziff. 3 TV SozSich nachzukommen. Mithin könne nur davon ausgegangen werden, dass die Beklagte im Hinblick auf die vertraglich geschuldete Mithilfe bei der Vermittlung der ehemaligen Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte völlig tatenlos geblieben sei. Allein der Umstand, dass er zunächst 22 bzw. nun 24 Wochenstunden arbeite und sein Arbeitslohn nicht seinem ehemaligen Lohn bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften entspreche, begründe keine Treuwidrigkeit. Die Beklagte habe auch nicht vorgetragen, welche angezeigten Bewerbungsbemühungen er angeblich pflichtwidrig unterlassen habe. Im Übrigen habe er seine Bewerbungsbemühungen im Einzelnen dargestellt. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei seine Vergütung zuletzt auch nicht sittenwidrig niedrig. Den von der Beklagten angeführten Daten fehle die notwendige Aussagekraft für den vorliegenden Fall. Zunächst einmal würden sich die Angaben des Landesamtes für Statistik auf ganz Bayern beziehen, während Bezugsgröße für die Prüfung eines auffälligen Missverhältnisses das Lohnniveau sei, das sich für die auszuübende Tätigkeit in der Wirtschaftsregion gebildet habe. S-Stadt gehöre zu der gemessen an bayerischen Verhältnissen eher strukturschwachen Wirtschaftsregion des nördlichen Unterfrankens. Im Übrigen könnten die Daten in Folge der beschäftigungsübergreifenden Kategorisierung keine Aussage darüber treffen, wie hoch die Durchschnittsvergütung für eine konkrete Tätigkeit sei. Zudem werde explizit zwischen vollzeitbeschäftigten und teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschieden. Der Bruttostundenverdienst ohne Sonderzahlungen für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer der Lohngruppe 4 werde mit lediglich 11,98 € angeführt. Überdies sei seine aktuelle Tätigkeit richtigerweise der Leistungsgruppe 5 zuzuordnen. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte seinen Bruttostundenverdienst ohne Sonderzahlungen errechne, aber in Widerspruch hierzu den Bruttostundenverdienst mit Sonderzahlungen heranziehe.

51

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen E.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 18. August 2016 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

52

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO), aber unbegründet.

53

Die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig (§§ 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 524 ZPO). Sie erfordert keine eigenständige Beschwer (BAG 19. Mai 2016 - 3 AZR 766/14 - Rn. 14, juris). Der in der ersten Instanz voll obsiegende Kläger kann sich deshalb - wie hier - der (zulässigen) gegnerischen Berufung zum Zwecke der Klageerweiterung anschließen (BGH 10. Mai 2011 - VI ZR 152/10 - Rn. 10, NJW 2011, 3298). Die Anschlussberufung ist auch begründet.

54

Die Klage ist mit den zuletzt gestellten Anträgen zulässig und begründet. Der Kläger hat nach § 4 Ziff. 1 a TV SozSich einen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Überbrückungsbeihilfe für die Monate Juli 2015 bis Mai 2016 und die von ihm zuletzt begehrte (zukunftsbezogene) Feststellung.

I.

55

Die Klage ist mit den zuletzt gestellten Anträgen zulässig.

56

Die mit der Anschlussberufung vorgenommene Erweiterung der Zahlungsklage über den erstinstanzlich streitgegenständlichen Zeitraum von Juli 2015 bis September 2015 hinaus auf den nachfolgenden Zeitraum von Oktober 2015 bis Mai 2016 ist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 533 ZPO zulässig. Der im Berufungsverfahren gemäß § 264 Nr. 2 ZPO beschränkte Feststellungsantrag ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

II.

57

Die Klage ist begründet.

58

Der Kläger hat nach § 4 Ziff. 1 a TV SozSich einen Anspruch auf die von ihm begehrte Überbrückungsbeihilfe ab Juli 2015.

59

1. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 TV SozSich sind unstreitig erfüllt. Nach § 4 Ziff. 1 a TV SozSich wird Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt. Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nach der Protokollnotiz zu Ziff. 1 a nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt. Diese Voraussetzungen sind hier ebenfalls erfüllt.

60

Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts (§ 286 ZPO) fest, dass der Kläger tatsächlich bei der Automobilzentrum E. GmbH in deren Autohaus in S-Stadt aufgrund des Arbeitsvertrages vom 08. Juni 2015 in der Zeit vom 01. Juli 2015 bis 31. Januar 2016 als Helfer im Servicebereich im Durchschnitt 22 Stunden wöchentlich gearbeitet hat und dort aufgrund des Änderungsvertrages vom 03. Februar 2016 seit dem 01. Februar 2016 als Garantiebearbeiter regelmäßig mit 24 Wochenstunden tätig ist.

61

a) Der Kläger hat den Arbeitsvertrag vom 08. Juni 2015 nebst der Ergänzung vom 08. September 2015 und den Änderungsvertrag vom 02. Februar 2016 vorgelegt, die er mit der Automobilzentrum E. GmbH abgeschlossen hat. Danach haben die Vertragsparteien für die Zeit ab 01. Juli 2015 eine Tätigkeit des Klägers als Helfer im Servicebereich mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 22 Stunden wöchentlich und ab dem 01. Februar 2016 eine um zwei Stunden auf 24 Stunden erhöhte Wochenarbeitszeit des Klägers vereinbart. Weiterhin hat der Kläger die nach dem elektronischen Zeiterfassungssystem der Automobilzentrum E. GmbH dokumentierten Arbeitszeiten für die streitgegenständlichen Monate Juli 2015 bis Mai 2016 vorgelegt. In Bezug auf die in den Zeitaufstellungen enthaltene Spalte W 3 (Leerlauf) hat er erläutert, dass diese Spalte lediglich den Umfang der Arbeitszeit ausweise, der nicht der Abarbeitung eines bestimmten Reparatur- bzw. Serviceauftrages zugeordnet sei und nicht etwa besage, dass er insoweit nicht beschäftigt worden sei. Gemäß den vorgelegten Lohnabrechnungen hat der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum die jeweils vertraglich vereinbarte Vergütung in Höhe von 895,-- € brutto rückwirkend ab 01. Juli 2015 und sodann in Höhe von 1.000,-- € brutto ab 01. Februar 2016 erhalten.

62

b) Der von beiden Parteien benannte Zeuge E. hat in jeder Hinsicht glaubhaft bestätigt, dass der Kläger entsprechend den geschlossenen Verträgen auch tatsächlich beschäftigt worden ist bzw. dementsprechend beschäftigt wird. Der Zeuge E. hat ausgesagt, dass er Geschäftsführer des Automobilzentrums E. GmbH in S-Stadt sei und der Kläger in ihrem Autohaus in S-Stadt seit 01. Juli 2015 zunächst als Helfer im Servicebereich im Durchschnitt 22 Stunden wöchentlich gearbeitet habe. Bei der Tätigkeit als Helfer handele es sich um den Hol- und Bringservice für Kunden, Teile holen usw.. Es handele sich um Tätigkeiten, die sporadisch im Autohaus anfallen würden. Zu den ihm vorgelegten Verträgen vom 08. Juni 2015 nebst Ergänzung vom 08. September 2015 und der Änderungsvereinbarung vom 03. Februar 2016 hat er erklärt, dass diese Verträge von ihm unterschrieben worden seien und der Kläger dementsprechend auch beschäftigt worden sei bzw. beschäftigt werde. Seit 01. Februar 2016 habe der Kläger Garantie, Kulanz und Notdienstbearbeitung übernommen, was vorher Frau S. gemacht habe. Nachdem Frau S. ihr Arbeitsverhältnis gekündigt habe, seien diese Arbeiten auf den Kläger übertragen worden. Dabei habe Frau S. etwa 1/3 ihrer Tätigkeit an den Kläger abgegeben, während die ihr vorher zugeordnete Werbung und die Standards, die die meiste Zeit in Anspruch genommen hätten, von seiner Tochter übernommen worden seien. Wenn der Kläger z. B. Garantiefälle bearbeite, müsse ggf. ein anderer Monteur die ansonsten vom Kläger miterledigten Hilfsarbeiten ausführen. Mit dem Kläger sei abgesprochen worden, dass er seine Arbeit an den Werktagen Montag bis Mittwoch erbringe. Wenn der Kläger mehr gearbeitet habe, sei er ggf. an anderen Tagen freigestellt worden. Wenn der Kläger z. B. einen Tag zusätzlich gearbeitet habe, sei er dafür an einem anderen Tag freigestellt worden. Der Kläger sitze im Büro zwei Schreibtische von ihm entfernt. Er habe den Kläger vor Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht persönlich gekannt und sei mit ihm auch nicht befreundet. Sie hätten in ihrem Autohaus zwei Kfz-Meister und keinen weiteren Bedarf. Während früher alles mechanisch gewesen sei, sei heute alles elektronisch, so dass der Einstieg für einen Kfz-Meister, der z. B. schon fünf Jahre raus sei, unheimlich schwer wäre. Das Budget gebe es auch nicht her, dem Kläger eine höhere Vergütung anzubieten.

63

Aufgrund dieser glaubhaften Aussage des Zeugen E. ist das Berufungsgericht zweifelsfrei davon überzeugt, dass der Kläger entsprechend den von ihm vorgelegten Verträgen mit der Automobilzentrum E. GmbH dort auch tatsächlich beschäftigt worden ist bzw. beschäftigt wird. Es kann daher dahingestellt bleiben, zu wessen Lasten eine - hier nicht gegebene - Unergiebigkeit der Beweisaufnahme (non liquet) gehen würde.

64

2. Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehen nach dem Wortlaut der Tarifbestimmung und der Protokollnotiz keine weiteren Anspruchsvoraussetzungen (vgl. BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 17, NZA 1995, 1168).

65

Insbesondere ist nicht entscheidend, wie hoch das Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung des Klägers ist. Gemäß dem Wortlaut von § 4 Ziff. 1 a TV SozSich hat der Kläger einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu diesem Arbeitsentgelt, ohne dass es auf dessen Höhe ankommt. Der von den Tarifvertragsparteien gewählte Begriff "Überbrückungsbeilhilfe" besagt nicht, dass die "Beilhilfe" stets niedriger sein muss als das übrige Einkommen, sondern nur, dass sie beim Übergang in ein Arbeitsverhältnis mit niedrigeren Bezügen helfen soll. Für eine andere Auslegung findet sich im Tarifwortlaut kein Hinweis. Weiterhin lässt sich dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, soweit er in den Tarifnormen seinen Niederschlag gefunden hat, auch unter Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs nicht entnehmen, dass das Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung höher sein muss als das Arbeitslosengeld, das der Arbeitnehmer erhielte. Die Fallgruppen des § 4 Ziff. 1 TV SozSich stehen unabhängig nebeneinander und erlauben nicht den Schluss, das Arbeitsentgelt müsse mindestens die Höhe des Arbeitslosengeldes erreichen. Eine solche Annahme würde auch dem nach § 3 TV SozSich auf Wiedereingliederung des entlassenen Arbeitnehmers gerichteten tariflichen Regelungskonzept widersprechen. Die Überbrückungsbeihilferegelung soll einen Anreiz darstellen, damit der Arbeitnehmer entweder eine anderweitige Beschäftigung aufnimmt oder zumindest der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Als für den Tarifanspruch nicht ausreichend ist nach der Protokollnotiz zu § 4 Ziffer 1 a TV SozSich nur eine anderweitige Beschäftigung mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 21 Stunden oder weniger anzusehen. Obwohl die Tarifparteien das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs somit erkannt haben, haben sie für die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur eine Mindestarbeitszeit, nicht aber einen Mindestlohn vorgeschrieben. Daran sind die Gerichte gebunden. Dem Tarifvertrag ist auch nicht zu entnehmen, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sein soll, Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen, wenn der Lohn für eine verfügbare Beschäftigung niedriger ist als dieses (BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 19 - 23, NZA 1995, 1168).

66

3. Der Klageanspruch entfällt auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB).

67

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 - Rn. 35, juris; vgl. zur Überbrückungsbeihilfe BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 24, NZA 1995, 1168). Schwierigkeiten, die sich aus fehlenden Kenntnismöglichkeiten ergeben, ist ggf. durch die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen (BAG 19. März 2014 - 7 AZR 527/12 –, Rn. 26, NZA 2014, 840). Die für den Einwand des Rechtsmissbrauchs darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat keine Umstände unter Beweisantritt vorgetragen, die ein rechtsmissbräuchliches Verhalten begründen könnten.

68

a) Die zwischen dem Kläger und dem Automobilzentrum E. GmbH jeweils vereinbarte Vergütung ist nicht sittenwidrig (§ 138 BGB).

69

Die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat bereits keine Umstände vorgetragen, die ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung begründen. Entgegen den Ausführungen der Beklagten ist unerheblich, in welchem Verhältnis das vom Kläger erzielte Arbeitseinkommen zu der von ihm begehrten Überbrückungsbeihilfe steht. Darauf kommt es gemäß den obigen Ausführungen nach den tariflich festgelegten Anspruchsvoraussetzungen nicht an. Im Streitfall kann auch nicht angenommen werden, dass der von der Beklagten angeführte Tariflohn der verkehrsüblichen Vergütung entspricht und danach der Wert der Arbeitsleistung des Klägers in einem auffälligen Missverhältnis zu der hierfür gezahlten Vergütung steht. Der Kläger hat vorgetragen, dass eine Tarifvergütung im Kfz-Gewerbe in Bayern nicht üblich sei. Weder seien mehr als 50 % der Arbeitgeber des Kfz-Gewerbes tarifgebunden, noch würden die in Bayern organisierten Arbeitgeber mehr als 50 % der Arbeitnehmer im Kfz-Gewerbe beschäftigen. Die für die Voraussetzungen des § 138 BGB darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat sich hierzu nicht erklären können. Mithin kann nicht von der Üblichkeit der angeführten Tarifvergütung ausgegangen werden, so dass von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen ist (vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 14 und 24, NZA 2009, 837). Hierzu hat die Beklagte einen Auszug aus den statistischen Berichten über die Verdienste und Arbeitszeiten im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich in Bayern im ersten Quartal 2016 des Bayerischen Landesamtes für Statistik vorgelegt. Danach beträgt bei der von der Beklagten angeführten Leistungsgruppe 4 der Bruttostundenverdienst für die teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer (insgesamt) lediglich 11,98 € und bei vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern ohne Sonderzahlungen 13,70 € (Männer) bzw. 13,75 € (insgesamt). Damit wird die Grenze von 2/3 des üblichen Lohns nicht unterschritten. Im Übrigen lässt sich auch nicht feststellen, aufgrund welcher Umstände die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit der Leistungsgruppe 4 zuzuordnen sein soll. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, welche besonderen Kenntnisse und Fertigkeiten für spezielle, branchengebundene Aufgaben erforderlich sein sollen, die nicht durch Anlernen von bis zu drei Monaten vermittelt werden können, sondern in der Regel durch eine Anlernzeit von bis zu zwei Jahren erworben werden.

70

b) Weiterhin wird auch der Mindestlohn von 8,50 € brutto je Zeitstunde nach dem Mindestlohngesetz nicht unterschritten. Der Kläger hat vorgetragen, dass er aufgrund des für ihn geführten schriftlichen Arbeitszeitkontos für die über die regelmäßige Wochenarbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden einen entsprechenden Freizeitausgleich erhält (§ 2 Abs. 2 MiLoG). Eine Unterschreitung des nach dem Mindestlohngesetz ab dem 01. Januar 2015 zu zahlenden Mindestlohns lässt sich im Streitfall nicht feststellen.

71

c) Soweit die Beklagte hervorgehoben hat, dass es sich bei der Überbrückungsbeihilfe um eine ergänzende staatliche Sozialleistung handele, ändert dies nichts daran, dass sich daraus gemäß den obigen Ausführungen keine weiteren Anspruchsvoraussetzungen dergestalt herleiten lassen, dass im "Vordergrund" ein neues Arbeitsverhältnis stehen müsse, durch das der Arbeitnehmer seine (neue) Arbeitsleistung möglichst gleichwertig einzubringen habe und das nicht nur zum Erhalt von Überbrückungsbeihilfe als maßgeblicher Zweck eingegangen worden sei. Die Überbrückungsbeihilfe soll gerade einen Anreiz dafür darstellen, dass der Arbeitnehmer eine anderweitige Beschäftigung aufnimmt und dadurch wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert wird. Im Hinblick auf diese Anreizfunktion kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, dass er mit dem von ihm eingegangenen Arbeitsverhältnis den Erhalt von Überbrückungsbeihilfe bezweckt. Wie bereits oben ausgeführt, besagt allein der von den Tarifparteien gewählte Begriff "Überbrückungsbeihilfe" nicht, dass die "Beihilfe" niedriger sein muss als das übrige Einkommen. Vielmehr haben die Tarifparteien für die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur eine Mindestarbeitszeit, nicht aber einen Mindestlohn vorgeschrieben, obwohl sie das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs erkannt haben. Der Kläger ist danach nicht verpflichtet, über die vorgeschriebene Mindestarbeitszeit hinaus eine Vollzeittätigkeit zu übernehmen. Unabhängig davon hat nach der Aussage des Zeugen E. dessen Tochter von der zuvor halbtags beschäftigten Mitarbeiterin S. die Werbung und die Standards übernommen, die die meiste Zeit in Anspruch genommen hätten. Anlässlich der vom Kläger ab 01. Februar 2016 übernommenen Tätigkeit als Garantiebearbeiter ist daher nur eine Erhöhung seiner Arbeitszeit um zwei Stunden vereinbart worden. Im Übrigen hat der Zeuge darauf verwiesen, dass ggf. ein anderer Monteur die ansonsten vom Kläger miterledigten Hilfsarbeiten ausführen müsse, wenn dieser z.B. Garantiefälle bearbeite. Weiterhin hat der Zeuge E. ausgesagt, dass es das Budget nicht hergegeben habe, dem Kläger eine höhere Vergütung anzubieten. Entgegen der Annahme der Beklagten haben der Kläger und die Automobilzentrum E. GmbH in der Ergänzung zum Arbeitsvertrag vom 08. September 2015 keine Vergütung nach der Vergütungsgruppe 1 des angeführten Tarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern, sondern vielmehr das festgelegte Bruttogehalt vereinbart, das sich lediglich künftig entsprechend der prozentualen Erhöhung der Entgelte der genannten Vergütungsgruppe erhöht. Der Kläger hat im Einzelnen geschildert, welche umfangreichen Bewerbungsbemühungen er - erfolglos - unternommen hat. Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat das substantiierte Vorbringen des Klägers lediglich mit Nichtwissen bestritten und keine Tatsachen dafür unter Beweisantritt dargelegt, dass der Kläger etwa einen unter der üblichen Vergütung liegenden Lohn vereinbart hat, obwohl für ihn bestimmte günstigere Angebote verfügbar waren. Allein der Verweis darauf, dass zahlreiche offene Stellen gemeldet seien, reicht zur Begründung eines Rechtsmissbrauchs i.S.v. §§ 162, 242 BGB nicht aus.

72

4. Die Klageansprüche sind auch der Höhe nach begründet.

73

Nach § 4 Ziff. 3 a Abs. 1 TV SozSich ist Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung (Ziff. 1 a) die tarifvertragliche Grundvergütung nach § 16 Ziff. 1 a TV AL II, die dem Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit im Zeitpunkt der Entlassung für einen vollen Kalendermonat zustand. Im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers zum 31. Dezember 2014 hat diese Bruttobemessungsgrundlage unstreitig 4.845,28 € gem. dem Schreiben der Beklagten vom 27. Februar 2015 betragen. Nach § 4 Ziff. 3 a Abs. 2 TV SozSich ist die Bemessungsgrundlage in den dem Jahr der Entlassung folgenden Kalenderjahren jeweils um den v.H.-Satz zu erhöhen, um den die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung infolge Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage durch Gesetz angepasst werden. Das auf das Jahr der Entlassung des Klägers zum 31. Dezember 2014 folgende Kalenderjahr ist das Kalenderjahr 2015, so dass sich die Bemessungsgrundlage entsprechend der gesetzlichen Rentenerhöhung zum 01. Juli 2015 um 2,1 % erhöht hat. Dementsprechend ist von der vom Kläger errechneten Bemessungsgrundlage in Höhe von 4.942,19 € auszugehen. Im Übrigen hat die Beklagte die vom Kläger jeweils zutreffend gemäß § 4 Ziff. 4 TV SozSich errechnete Anspruchshöhe nicht bestritten.

74

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

75

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

Tenor

1. Die Berufung der beklagten Bundesrepublik gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 31. März 2016, Az. 2 Ca 1403/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich) vom 31.08.1971.

2

Der im Januar 1955 geborene Kläger war von Mai 1979 bis September 2014 in Vollzeit bei den US-Stationierungsstreitkräften, zuletzt als Schlossermeister am Standort Sch. zu einem Grundgehalt nach Gehaltsgruppe D 1-3/E TVAL II iHv. € 3.674,99 brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden der TVAL II und der TV SozSich Anwendung. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde aus militärischen Gründen iSd. § 2 TV SozSich zum 30.09.2014 betriebsbedingt gekündigt. Die US-Streitkräfte zahlten ihm für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung iHv. € 62.805,00. In der Zeit vom 01.10.2014 bis 31.03.2015 wechselte der Kläger in eine aus Anlass der Schließung des Standorts Sch. gegründete Transfergesellschaft. Im April 2015 war er einen Monat arbeitslos. Die Beklagte zahlte ihm zum Arbeitslosengeld iHv. € 1.569,60 (netto) Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich.

3

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des TV SozSich lauten:

4

㤠2
Anspruchsvoraussetzungen

5

Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben Arbeitnehmer, die

6

1. wegen Personaleinschränkung

7

a) infolge einer Verringerung der Truppenstärke
b) … aus militärischen Gründen … entlassen werden, wenn sie

8

2. im Zeitpunkt der Entlassung

9

a) seit mindestens einem Jahr vollbeschäftigt sind,
b) mindestens fünf Beschäftigungsjahre … nachweisen können und das 40. Lebensjahr vollendet haben,
c) …
d) die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes oder des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen, und ihnen

10

3. keine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV AL II angeboten worden ist. …

11

§ 3
Eingliederung

12

1. Der entlassene Arbeitnehmer soll möglichst sofort in den Arbeitsprozess wieder eingegliedert werden.

13

2. Der Arbeitnehmer hat sich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitsuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden. Er hat, soweit zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess erforderlich, an beruflichen Bildungsmaßnahmen … teilzunehmen.

14

3. Die Bundesregierung wird bemüht sein, für die bevorzugte Einstellung entlassener deutscher Arbeitnehmer in den Bundesdienst Sorge zu tragen. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Bundesregierung wird außerdem darauf hinwirken, dass deutsche Arbeitnehmer im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten von anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes bevorzugt berücksichtigt werden.

15

§ 4
Überbrückungsbeihilfe

16

1. Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt:

17

a) zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte,
b) zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit …
c) zum Krankengeld … oder zum Verletztengeld …

18

19

4. Die Überbrückungsbeihilfe beträgt:

20

im    

1. Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

100 v.H.

vom     

2. Jahr an

  90 v.H.

21

des Unterschiedsbetrages zwischen der Bemessungsgrundlage
(Ziff. 3a oder b) und den Leistungen gemäß vorstehenden Ziff. 1 und 2. …

22

5a. Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung …

23

25 Beschäftigungsjahre (…) und das 50. Lebensjahr vollendet haben, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziff. 1 bis 4 ohne zeitliche Begrenzung. …

24

Protokollnotiz zu Ziffer 1a

25

Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt."

26

Am 21.04.2015 wandte sich der Kläger an die zuständige Lohnstelle ausländische Streitkräfte (LaS) und legte ihr den Entwurf eines Arbeitsvertrages mit dem Zeugen E. vor, der einen Meisterbetrieb für Haustechnik (Elektro-, Heizungs-, Solar- und Wasserinstallation) unterhält. Der Kläger erklärte, dass er am 01.05.2015 die Stelle antreten könne, wenn die Beklagte ihr "Okay" zu diesem Vertrag gebe. Die LaS lehnte eine verbindliche Vorabprüfung des Entwurfs ab, wies aber darauf hin, dass der Mindestlohn für das Elektrohandwerk nicht gewahrt sei. Der Kläger legte daraufhin einen zweiten Entwurf mit einer angehobenen Stundenvergütung vor. Mit Datum vom 30.04.2015 schloss er einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit dem Zeugen E. ab. Laut Vertragstext wurde er ab 01.05.2015 als Lagerarbeiter zu einer Bruttovergütung von € 990,00 monatlich mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 22 Wochenstunden eingestellt. Auf Anforderung der Beklagten gab der Zeuge E. mit Schreiben vom 14.09.2015 folgende Erklärung ab:

27

"Tätigkeiten

28

Zu 5.

29

Herr A. räumt angelieferte Ware (Heizungs-, Sanitär- und Elektromaterial) im Lager und in unser 2 Servicefahrzeuge ein.
Auf Baustellen Material zum Arbeitsplatz bringen. Nicht benötigtes Material wieder in Fahrzeuge bzw. ins Lager einräumen.
Lager und Fahrzeuge reinigen.

30

Zu 6.

31

Nein

32

Zu7

33

Wir beschäftigen nur 2 Gesellen

8.

34

Herr A. arbeitet Montag und Dienstag von 8 bis 16 Uhr 30
Mittwoch 8 bis 14 Uhr 30.
Die Mittagspause beträgt täglich 30 Minuten."

35

Der Zeuge E. kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 13. zum 31.10.2015.

36

Die Beklagte weigert sich, dem Kläger für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 Überbrückungsbeihilfe zu zahlen. Nach vergeblicher Geltendmachung erhob der Kläger am 04.11.2015 die vorliegende Feststellungsklage. Er hat in der Berufungsinstanz klargestellt, dass er mit der Anrechnung einer Verletztenrente, die er seit mehreren Jahren von der Berufsgenossenschaft Holz und Metall bezieht, auf die Überbrückungsbeihilfe einverstanden ist.

37

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

38

festzustellen, dass ihm auf Grundlage seines mit der Firma E., Haustechnik, X., bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie auf Grundlage seines Arbeitsverdienstes iHv. monatlich € 990,00 (brutto) rückwirkend für die Zeit vom 01.05. bis zum 31.10.2015 die Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich zusteht.

39

Die Beklagte hat beantragt,

40

die Klage abzuweisen.

41

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 31.03.2016 stattgegeben. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

42

Die Beklagte hat gegen das am 19.05.2016 zugestellte Urteil mit am 07.06.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.08.2016 mit am 16.08.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

43

Die Beklagte ist der Ansicht, die Feststellungsklage sei bereits unzulässig. Der Kläger habe in einem Folgeprozess vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern (Az. 8 Ca 815/16) zu erkennen gegeben, dass die Verletztenrente, die ihm die Berufsgenossenschaft gewähre, nicht auf die Überbrückungsbeihilfe anzurechnen sei. Eine Rechtsbefriedung sei daher durch die Feststellungsklage nicht zu erwarten.

44

Die Feststellungsklage sei jedenfalls unbegründet. Im aktuellen Online-Telefonbuch "Das Örtliche" sei eine kostenpflichtige Werbeanzeige "Schlüsseldienst A." zu finden. Als Inhaberin des Schlüsseldienstes sei die Ehefrau des Klägers benannt; als Firmensitz sei dessen Wohnanschrift angegeben. Ferner seien im Internet Fotos veröffentlicht, die die Schlosserei bereitgestellt habe, ua. das Schild " A., Schlosserei Metallbau Schlüsseldienst". Der Kläger behaupte zwar, dass er den Betrieb zum 27.03.2012 aufgegeben habe. Dies werde vor dem Hintergrund der Werbeanzeige im aktuellen Telefonbuch bestritten. Die Beklagte bestreitet im Übrigen mit Nichtwissen, dass der Kläger montags und dienstags von 8:00 bis 16:30 Uhr und mittwochs von 8:00 bis 14:30 Uhr mit einer jeweils halbstündigen Pause im Handwerksbetrieb des Zeugen E. gearbeitet habe. Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem Zeugen E. überhaupt gelebt worden sei und dass der Kläger als ungelernte Kraft und in der Regel mehr als 21 Wochenstunden gearbeitet habe.

45

Sie macht außerdem geltend, im Umland von W. herrsche Vollbeschäftigung. Gerade die Beschäftigungssituation für Facharbeiter sei als gut zu bezeichnen. Die Bundesagentur für Arbeit habe am Wohnort des Klägers und seiner näheren Umgebung mittlerweile mehr als 200 offene Stellen für Schlosser. Sie bestreitet, dass sich der Kläger ernsthaft darum bemüht habe, in seiner angestammten Tätigkeit als Schlosser(meister) in Vollzeit zu arbeiten. Der Kläger sei verpflichtet, sich anzustrengen, um wieder einen gleichwertigen Arbeitsplatz - sowohl die Vergütung als auch die Arbeitszeit betreffend - zu erlangen. Damit sei nicht vereinbar, wenn er sich mit einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von lediglich 22 Wochenstunden und einer Tätigkeit als ungelernte Kraft zu einem geringen Stundenlohn begnüge. Sinn und Zweck des TV SozSich rechtfertige es nicht, dass der Kläger mit dem geringstmöglichen Arbeitsaufwand ein Maximum an Steuergeldern beanspruchen könne. Es liefe erst recht den Zielvorstellungen des TV SozSich zuwider, wenn sich der Kläger mit einer niedrigen Wochenarbeitszeit in einem Arbeitsverhältnis zufrieden geben könnte, um nebenher einer selbständigen Tätigkeit mit seiner Schlosserei nachzugehen. Schließlich verhalte sich der Kläger missbräuchlich, weil ein Missverhältnis zwischen dem eigenen Verdienst von € 990,00 und der begehrten Überbrückungsbeihilfe von über € 2.500,00 vorliege.

46

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

47

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 31.03.2016, Az. 2 Ca 1403/15, abzuändern und die Klage abzuweisen.

48

Der Kläger beantragt,

49

die Berufung zurückzuweisen.

50

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er habe schon Jahre vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Einverständnis mit den US-Stationierungsstreitkräften eine Schlosserei als Nebenerwerb betrieben. Diesen Nebenerwerb habe er im Jahr 2012 aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Er habe den ohnehin nur kleinen Betrieb eingestellt und auch formell abgemeldet. Seine Ehefrau habe als Nebenerwerb eine Quelle-Agentur betrieben. Weder er noch seine Ehefrau hätten Fotos im Internet veröffentlicht oder diesbezüglich Verträge abgeschlossen. Das Schild " A., Schlosserei Metallbau Schlüsseldienst" sei schon 2012 vom Haus abgehängt worden. Aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme sei er überhaupt nicht mehr in der Lage gewesen, die Schlosserei zu betreiben. Deshalb beziehe er auch die Verletztenrente der Berufsgenossenschaft. Er habe im Betrieb des Zeugen E. im arbeitsvertraglich vereinbarten Umfang von 22 Wochenstunden tatsächlich gearbeitet. Er habe seine Arbeit am Montag, dem 04.05.2015 aufgenommen. Die Angaben des Zeugen E. im Schreiben vom 14.09.2015 seien zutreffend.

51

Die Berufungskammer hat über die Frage, ob der Kläger in der Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 als Lagerarbeiter mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 22 Stunden im Handwerksbetrieb des Zeugen E. tatsächlich gearbeitet hat, Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15.12.2016 Bezug genommen.

52

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

53

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.

II.

54

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage zu Recht stattgegeben.

55

1. Die Feststellungsklage ist entgegen der Ansicht der Berufung zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe soll für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 festgestellt werden, für die die Beklagte keine Zahlung geleistet hat. Dabei soll der Anspruch festgestellt werden, der unter Berücksichtigung des monatlichen Einkommens iHv. € 990,00 brutto aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Zeugen E. bestand. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer durch ausdrückliche Erklärung zu Protokoll klargestellt, dass er damit einverstanden ist, dass die Verletztenrente, die ihm die Berufsgenossenschaft Holz und Metall gewährt, auf die Überbrückungsbeihilfe angerechnet wird.

56

Der grundsätzlich geltende Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht entgegen, obwohl der Kläger den Anspruch beziffern könnte. Bei der beklagten Bundesrepublik ist davon auszugehen, dass sie die Urteile staatlicher Gerichte vollzieht, auch wenn kein vollstreckbarer Titel vorliegt (vgl. BAG 16.07.1998 - 6 AZR 672/96 - zur Überbrückungsbeihilfe). Zu einer gegenteiligen Annahme besteht im vorliegenden Fall keine Veranlassung.

57

Der von § 256 Abs. 1 ZPO verlangte Gegenwartsbezug des Rechtsverhältnisses wird dadurch hergestellt, dass der Kläger die Erfüllung konkreter Ansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit gegenwärtige rechtliche Vorteile erstrebt (vgl. zB BAG 16.05.2013 - 6 AZR 680/11 - Rn. 18 mwN).

58

2. Die Klage ist begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Überbrückungsbeihilfe zusteht.

59

a) Überbrückungsbeihilfe wird nach § 4 Ziff. 1a TV SozSich zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt, wenn - was vorliegend unstreitig ist - die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 TV SozSich gegeben sind. Nach der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1a TV SozSich liegt eine „anderweitige Beschäftigung“ nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als nur 21 Stunden beträgt.

60

b) Die Tätigkeit des Klägers im Handwerksbetrieb des Zeugen E. mit 22 Wochenstunden in der Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 zu einer monatlichen Vergütung von € 990,00 brutto gemäß den Bestimmungen des Arbeitsvertrages vom 30.04.2015 stellt eine derartige zum Bezug von Überbrückungsbeihilfe berechtigende Anknüpfungsbeschäftigung iSd. Tarifvertrages dar.

61

Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung der Berufungskammer (§ 286 ZPO) zweifelsfrei fest, dass der Kläger in der Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 tatsächlich im Betrieb des Zeugen E. auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 30.04.2015 im Umfang von 22 Wochenstunden gearbeitet hat.

62

Der Zeuge E. hat bei seiner Vernehmung bekundet, dass er den Kläger in der Zeit vom 01.05. bis zum 31.10.2015 in seinem Handwerksbetrieb überwiegend als Lagerarbeiter beschäftigt habe. Die Arbeitszeit sei nicht so starr festgelegt worden, dass er den Kläger immer zu den festen Zeiten eingesetzt habe, die in seinem Antwortschreiben vom 14.09.2015 aufgeführt seien. Wenn der Kläger bspw. auf einer Baustelle geholfen habe, sei er bis zur Fertigstellung der Arbeiten geblieben. In einem solchen Fall sei er dann am Folgetag später gekommen oder früher gegangen. Der Kläger habe nur Hilfsarbeiten verrichtet. Zu Beginn seiner Beschäftigung habe er das Lager aufgeräumt. Weil die Aufräumarbeiten in den letzten zwei, drei Jahren vernachlässigt worden seien, habe er damit zunächst genug zu tun gehabt. Der Kläger habe außerdem Arbeitsmaterial zu den Baustellen gebracht. Soweit er mit seiner geschädigten rechten Hand dazu in der Lage gewesen sei, habe der Kläger auf den Baustellen auch den Monteuren geholfen. Als Schlosser habe er ihn aufgrund seiner Behinderung nicht beschäftigen können.

63

Auf den Vorhalt der Beklagten, dass er in seinem Antwortschreiben vom 14.09.2015 angegeben habe, der Kläger werde montags und dienstags von 8.00 bis 16:30 Uhr und mittwochs von 8:00 bis 14:30 Uhr (mit einer täglichen Mittagspause von 30 Minuten) beschäftigt, hat der Zeuge geantwortet, er habe nicht streng darauf geachtet, dass der Kläger exakt zu diesen Zeiten gearbeitet habe. Der Kläger habe ihm die geleisteten Arbeitsstunden auf Arbeitszetteln notiert und selbst auf die Einhaltung seiner Arbeitszeit von 22 Wochenstunden geachtet. Er habe keinen Zweifel daran, dass der Kläger die vereinbarten 22 Stunden pro Woche gearbeitet habe. Wenn ein Arbeitnehmer korrekt sei, müsse er nicht jede Minute kontrollieren. Die ausgefüllten Arbeitszettel habe er seinem Steuerberater gegeben, der den Lohn abrechnet habe. Er habe den Kläger wieder entlassen, weil er nicht genügend Arbeit für ihn gehabt habe. Wegen seiner Probleme mit der rechten Hand, habe er den Kläger nicht überall einsetzen können.

64

Die Darstellung des Zeugen E. war ohne Einschränkung glaubhaft. Es gibt für die Kammer nach dem persönlichen Eindruck, den sie von dem Zeugen während seiner Vernehmung gewonnen hat, keinen Anhaltspunkt daran zu zweifeln, dass der Kläger im streitigen Zeitraum tatsächlich in dessen Handwerksbetrieb (Heizung, Elektro, Sanitär) als Hilfsarbeiter gearbeitet hat. Die Kammer ist aufgrund der Aussage des Zeugen auch davon überzeugt, dass der Kläger regelmäßig 22 Wochenstunden gearbeitet hat. Gegen die Gewissenhaftigkeit des Zeugen spricht nicht, dass er in seinem Antwortschreiben vom 14.09.2015 feste Arbeitszeiten angegeben hat, die nach seiner Aussage nicht starr eingehalten worden sind. Der Zeuge hat plausibel und nachvollziehbar geschildert, dass er den Angaben des Klägers auf den Arbeitszetteln vertraut hat. Der Zeuge beschäftigt in seinem kleinen Handwerksbetrieb zwei Monteure und arbeitet selbst bei seinen Kunden auf der Baustelle. Es besteht für die Kammer kein Zweifel daran, dass der Kläger die Arbeitsstunden, die der Zeuge abgerechnet und bezahlt hat, auch tatsächlich erbracht hat. Das erhebliche Misstrauen, dass die Beklagte dem Kläger entgegenbringt, hatte der Zeuge nicht. Es ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht gerechtfertigt.

65

c) Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehen nach dem Wortlaut des § 4 Ziff. 1a TV SozSich und der Protokollnotiz keine weiteren Anspruchsvoraussetzungen als eine "anderweitige Beschäftigung" mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mehr als 21 Wochenstunden (so ausdrücklich BAG 22.12.1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 17; sich anschließend LAG Rheinland-Pfalz 11.04.2016 - 3 Sa 310/15; 07.06.2016 - 6 Sa 328/15; 13.06.2016 - 3 Sa 71/16; 18.08.2016 - 2 Sa 91/16).

66

Insbesondere ist nicht entscheidend, wie hoch das Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung des Arbeitnehmers ist. Nach dem Wortlaut des § 4 Ziff. 1a TV SozSich hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu diesem Arbeitsentgelt, ohne dass es auf dessen Höhe ankommt. Der von den Tarifvertragsparteien gewählte Begriff "Überbrückungsbeihilfe" besagt nicht, dass diese stets niedriger sein muss als das übrige Einkommen, sondern nur, dass sie beim Übergang in ein Arbeitsverhältnis mit niedrigeren Bezügen helfen soll. Für eine andere Auslegung findet sich im Tarifwortlaut kein Hinweis (so schon BAG 22.12.1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 19).

67

Weiterhin lässt sich dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, soweit er in den Tarifnormen seinen Niederschlag gefunden hat, auch unter Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs nicht entnehmen, dass das Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung höher sein muss als das Arbeitslosengeld, das der Arbeitnehmer erhielte. Die Fallgruppen des § 4 Ziff. 1 TV SozSich stehen unabhängig nebeneinander und erlauben nicht den Schluss, das Arbeitsentgelt müsse mindestens die Höhe des Arbeitslosengeldes erreichen. Eine solche Annahme würde auch dem nach § 3 TV SozSich auf Wiedereingliederung des entlassenen Arbeitnehmers gerichteten tariflichen Regelungskonzept widersprechen. Die Überbrückungsbeihilfe soll einen Anreiz darstellen, damit der Arbeitnehmer entweder eine anderweitige Beschäftigung aufnimmt oder zumindest der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Als für den Tarifanspruch nicht ausreichend ist nach der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1a TV SozSich nur eine anderweitige Beschäftigung mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 21 Stunden oder weniger anzusehen. Obwohl die Tarifparteien das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs somit erkannt haben, haben sie für die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur eine Mindestarbeitszeit, nicht aber einen Mindestlohn vorgeschrieben. Daran sind die Gerichte gebunden. Dem Tarifvertrag ist auch nicht zu entnehmen, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sein soll, Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen, wenn der Lohn für eine verfügbare Beschäftigung niedriger ist als dieses (BAG 22.09.2016 - 6 AZR 397/15 - Rn. 15; 22.12.1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 19-23; LAG Rheinland-Pfalz 11.04.2016 - 3 Sa 310/15; 07.06.2016 - 6 Sa 328/15; 13.06.2016 - 3 Sa 71/16; 18.08.2016 - 2 Sa 91/16).

68

Soweit die Beklagte hervorhebt, dass es sich bei der Überbrückungsbeihilfe um eine steuerfinanzierte soziale Leistung handele (zuletzt BAG 22.09.2016 - 6 AZR 397/15 - Rn. 15), lassen sich daraus keine weiteren Anspruchsvoraussetzungen dergestalt herleiten, dass ein ehemaliger Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte alle Anstrengungen unternehmen müsste, um ein möglichst gleichwertiges Arbeitsverhältnis - sowohl in Bezug auf die Arbeitszeit als auch auf die Vergütung - einzugehen. Die Überbrückungsbeihilfe soll gerade einen Anreiz dafür darstellen, dass der Arbeitnehmer eine anderweitige Beschäftigung aufnimmt und dadurch wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert wird. Durch die Überbrückungsbeihilfe soll der Lebensunterhalt älterer, langjährig beschäftigter Arbeitnehmer, die betriebsbedingt entlassen worden sind, gesichert werden. Nachteile, die sich aus einem geringeren Arbeitsverdienst in einem neuen Arbeitsverhältnis oder aufgrund von Arbeitslosigkeit ergeben, sollen überbrückt werden. Zugleich soll ein Anreiz dafür geschaffen werden, dass der Arbeitnehmer durch Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte im Arbeitsprozess bleibt. Dieser Anreiz soll auch bestehen, wenn der Arbeitnehmer dafür eine Vergütung erhält, die den bei den Stationierungsstreitkräften erzielten Verdienst oder sogar das Arbeitslosengeld unterschreitet (so ausdrücklich BAG 22.09.2016 - 6 AZR 397/15 - Rn. 15 mwN).

69

Im Hinblick auf diese Anreizfunktion kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, dass er mit dem von ihm eingegangenen Teilzeitarbeitsverhältnis den Erhalt von Überbrückungsbeihilfe bezweckt. Er ist auch nicht verpflichtet, über die tariflich vorgeschriebene Mindestarbeitszeit hinaus eine Vollzeittätigkeit zu übernehmen (so auch LAG Rheinland-Pfalz 11.04.2016 - 3 Sa 310/15; 07.06.2016 - 6 Sa 328/15; 13.06.2016 - 3 Sa 71/16; 18.08.2016 - 2 Sa 91/16; jeweils mwN). Die Tarifvertragsparteien haben sich bewusst für eine Begrenzung auf eine Mindestarbeitszeit, nicht aber für eine Mindesthöhe des anderweitig erzielten Entgelts entschieden. Sie haben die Grenze von 21 Stunden nicht willkürlich gegriffen, sondern sich an der im Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrags geltenden Regelarbeitszeit von 42 Stunden orientiert (siehe BAG 31.07.2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 21). Ausgehend vom Regelungszweck des TV SozSich kam es den Tarifvertragsparteien offenkundig nicht auf ein Mindestmaß an Einkommen und damit eine Minderung der Leistungen des Bundes an. Vielmehr wollten sie sicherstellen, dass Arbeitnehmer mit Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe durch die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit ursprünglich mehr als 50% des Arbeitsvolumens eines Vollzeitbeschäftigten überhaupt eine Erwerbstätigkeit in mehr als geringfügigem Umfang iSd. bei Abschluss des TV SozSich (im Jahr 1971) geltenden § 102 AFG ausüben und sich so wieder in den Arbeitsmarkt eingliedern (so ausdrücklich BAG 31.07.2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 21 mwN).

70

d) Der Anspruch des Klägers auf die Überbrückungsbeihilfe entfällt auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB).

71

aa) Darin, dass der Kläger seine Rechte aus dem TV SozSich voll ausschöpft, kann für sich allein kein Rechtsmissbrauch gesehen werden. Wie oben bereits ausgeführt, genügt nach den tariflichen Bestimmungen eine anderweitige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mehr als 21 Wochenstunden, um die Überbrückungsbeihilfe beanspruchen zu können. Entgegen der Ansicht der Berufung kann der Missbrauchseinwand deshalb nicht allein damit begründet werden, dass der Kläger ein Arbeitsverhältnis mit nur 22 Wochenstunden und einem Monatsverdienst von nur € 990,00 eingegangen ist. Dass diese Möglichkeit besteht, war der Beklagten bereits bei Abschluss des Tarifvertrags im Jahr 1971 - spätestens seit der Entscheidung des BAG vom 22.12.1994 (6 AZR 337/94) - bekannt, ohne dass sie hieraus Folgerungen gezogen hat. Es hätte nahegelegen, den Tarifvertrag zu kündigen und mit den tarifvertragsschließenden Gewerkschaften (ua. ver.di, IG Metall) in Verhandlungen einzutreten, um die angestrebte Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen für die ehemaligen Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte zu erreichen. Dies ist nicht geschehen.

72

Die moralisierende Erwägung der Beklagten, es sei nicht gerechtfertigt, dass der Kläger mit dem geringstmöglichen Arbeitsaufwand ein Maximum an Steuergeldern beanspruchen könne, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Es ist noch kein Rechtsmissbrauch, wenn ein Berechtigter die Interessen des Verpflichteten unberücksichtigt lässt. Haben sich die Tarifvertragsparteien - wie hier - bewusst für eine Begrenzung auf eine Mindestarbeitszeit, nicht aber für eine Mindesthöhe des anderweitig erzielten Entgelts entschieden (vgl. BAG 31.07.2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 21), darf diese Rechtslage nicht über § 242 BGB zu Lasten der Arbeitnehmer verschärft werden. Dies würde bedeuten, sich über den klar erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien hinwegzusetzen.

73

Das Vorbringen der Beklagten läuft letztlich darauf hinaus, über den Einwand des Rechtsmissbrauchs allgemein anspruchsverschärfende Tatbestandsmerkmale für die Geltendmachung der tarifvertraglichen Überbrückungsbeihilfe aufzustellen, die die Tarifvertragsparteien nicht normiert haben. Eine Auslegung des TV SozSich im Sinne der Beklagten wäre ein unzulässiger Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG). Hierdurch würden entgegen dem Willen der Tarifvertragsparteien ergänzende tarifvertragliche Regelungen geschaffen (st. Rspr., vgl. zB BAG 17.10.2012 - 10 AZR 716/11 - Rn. 27 mwN; so ausdrücklich auch LAG Rheinland-Pfalz 13.06.2016 - 3 Sa 71/16 - Rn. 108).

74

bb) Auch nach den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls kann dem Kläger kein Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden. Im Streitfall kann insbesondere nicht angenommen werden, dass der Wert der Arbeitsleistung des Klägers im Handwerksbetrieb des Zeugen E. in einem auffälligen Missverhältnis zu der hierfür gezahlten Vergütung stand. Der Zeuge E. hat bei seiner Vernehmung nachvollziehbar geschildert, dass er den Kläger wegen seiner Behinderung an der rechten Hand nicht als Schlosser beschäftigt hat. Den ab 01.01.2015 geltenden Mindestlohn im Elektrohandwerk von € 10,10 brutto hat der Zeuge - auf den unzutreffenden Hinweis der Beklagten - gezahlt, obwohl der Kläger unstreitig keine elektro- und informationstechnischen Tätigkeiten verrichtet hat.

75

Dass der Kläger einen Lohn vereinbart hätte, der unter der üblichen Vergütung für Hilfsarbeiter liegt, obwohl ihm Angebote mit höherer Vergütung vorgelegen hätten, hat die Beklagte nicht unter Benennung konkreter Stellen dargelegt. Das bloße Zurückgreifen auf allgemein von der Arbeitsverwaltung als offen gemeldete Stellen genügt nicht, um den Einwand des Rechtsmissbrauchs zu begründen (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 11.04.2016 - 3 Sa 310/15; 07.06.2016 - 6 Sa 328/15; 13.06.2016 - 3 Sa 71/16; 18.08.2016 - 2 Sa 91/16).

76

Der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Beklagte behauptet, der Kläger habe seine Schlosserei, die er erlaubtermaßen neben seinem Arbeitsverhältnis mit den US-Stationierungsstreitkräften geführt hat, nicht im März 2012 aus gesundheitlichen Gründen stillgelegt. Der bloße Hinweis auf Eintragungen und Bilder, die im Internet veröffentlicht und von der Beklagten über Suchmaschinen gefunden worden sind, spricht nicht gegen die vom Kläger behauptete Stilllegung. Da Einträge im Internet nicht von selbst verschwinden und nicht ohne weiteres getilgt werden können, lässt die bloße Netzpräsenz noch keinen Rückschluss darauf zu, dass der Kläger neben seinem Arbeitsverhältnis mit dem Zeugen E. im hier maßgeblichen Zeitraum vom 01.05. bis 31.10.2015 noch einem selbstständigen Nebenerwerb nachgegangen ist. Selbst wenn der Kläger den Schlüsseldienst als Nebenerwerb noch betreiben oder - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer thematisiert hat - seine Ehefrau in der Quelle-Agentur unterstützen sollte, sind dies keine Umstände, die den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers erlauben. Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit sind nicht auf die Überbrückungsbeihilfe anzurechnen (so ausdrücklich BAG 01.10.1998 - 6 AZR 228/97 - Rn. 50). Selbst wenn der Kläger einen selbständigen Nebenerwerb aufrechterhalten haben sollte, den er unstreitig bereits während des Arbeitsverhältnisses mit den US-Stationierungsstreitkräften ausgeübt hat, läge kein Rechtsmissbrauch vor. Typische Gefälligkeiten unter Ehegatten oder schlichte familiäre Hilfeleistungen sind der Privatsphäre zuzurechnen; von der Entgeltlichkeit derartiger Dienste kann regelmäßig nicht ausgegangen werden. Der Kläger verhält sich deshalb nicht treuwidrig, wenn er in seiner Freizeit seine Ehefrau unterstützt. Er muss sich nicht entgegenhalten lassen, er habe gegenüber seiner Ehefrau auf Arbeitsentgelt verzichtet (vgl. BSG 06.11.1997 - 11 RAr 39/97 - Rn. 16). Der Verzicht setzte einen Anspruch auf Arbeitsentgelt voraus, für den eine Grundlage nicht ersichtlich ist.

77

e) Ob das Verhalten der Beklagten rechtsmissbräuchlich ist, wie die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz in der Entscheidung vom 13.06.2016 (3 Sa 71/16 - Rn. 109) angenommen hat, kann hier dahinstehen. Jedenfalls lässt sich dem Vorbringen der Beklagten auch im Streitfall nicht entnehmen, dass sie - und zwar bezogen auf den Kläger - irgendwelche Aktivitäten iSd. § 3 Ziff. 3 TV SozSich entfaltet hätte, um ihm im Umland von W. eine Tätigkeit als Schlossermeister im Bundesdienst oder allgemein im öffentlichen Dienst zu einer Vergütung von knapp € 3.700,00 brutto zu besorgen.

III.

78

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

79

Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

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Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 18.08.2016, Az. 5 Ca 169/16, wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass dem Kläger im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit dem Schausteller E. vom 21.07.2015 (Arbeitsverdienst: 850,00 EUR monatlich, Arbeitszeit: 23 Stunden wöchentlich) für die Zeit vom 01.10.2015 bis zum 30.06.2016 ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des Tarifvertrages zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31.08.1971 (TV SozSich) in Höhe des nach § 4 TV SozSich jeweils monatlich zu errechnenden Betrages zusteht.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich) vom 31.08.1971.

2

Der im September 1955 geborene Kläger ist mit einem GdB von 50 schwerbehindert. Er war vom 01.12.1979 bis 30.04.2013 in Vollzeit bei den US-Stationierungsstreitkräften am Standort P. zu einem Grundgehalt nach Gehaltsgruppe C 6a TVAL II iHv. zuletzt € 3.805,35 brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden der TVAL II und der TV SozSich Anwendung. Der Kläger wurde aus militärischen Gründen iSd. § 2 TV SozSich zum 30.04.2013 entlassen. Unmittelbar im Anschluss war er bis 30.10.2013 in einer Transfergesellschaft beschäftigt. Vom 01.11.2013 bis 30.09.2015 bezog er Arbeitslosengeld I. Die Beklagte leistete vom 01.05.2013 bis 30.09.2015 Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich.

3

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des TV SozSich lauten:

4

㤠2
Anspruchsvoraussetzungen

5

Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben Arbeitnehmer, die

6

1. wegen Personaleinschränkung

7

a) infolge einer Verringerung der Truppenstärke
b) … aus militärischen Gründen … entlassen werden, wenn sie

8

2. im Zeitpunkt der Entlassung

9

a) seit mindestens einem Jahr vollbeschäftigt sind,
b) mindestens fünf Beschäftigungsjahre … nachweisen können und das 40. Lebensjahr vollendet haben,
c) …
d) die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes oder des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen, und ihnen

10

3. keine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV AL II angeboten worden ist. …

11

§ 3
Eingliederung

12

1. Der entlassene Arbeitnehmer soll möglichst sofort in den Arbeitsprozess wieder eingegliedert werden.

13

2. Der Arbeitnehmer hat sich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitsuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden. Er hat, soweit zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess erforderlich, an beruflichen Bildungsmaßnahmen … teilzunehmen.

14

3. Die Bundesregierung wird bemüht sein, für die bevorzugte Einstellung entlassener deutscher Arbeitnehmer in den Bundesdienst Sorge zu tragen. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Bundesregierung wird außerdem darauf hinwirken, dass deutsche Arbeitnehmer im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten von anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes bevorzugt berücksichtigt werden.

15

§ 4
Überbrückungsbeihilfe

16

1. Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt:

17

a) zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte,
b) zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit …
c) zum Krankengeld … oder zum Verletztengeld …

18

19

4. Die Überbrückungsbeihilfe beträgt:

20

im    

1. Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

100 v.H.

vom  

2. Jahr an

  90 v.H.

21

des Unterschiedsbetrages zwischen der Bemessungsgrundlage
(Ziff. 3a oder b) und den Leistungen gemäß vorstehenden Ziff. 1 und 2. …

22

5a. Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung …

23

25 Beschäftigungsjahre (…) und das 50. Lebensjahr vollendet haben, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziff. 1 bis 4 ohne zeitliche Begrenzung. …

24

Protokollnotiz zu Ziffer 1a

25

Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt."

26

Mit Datum vom 21.07.2015 schloss der Kläger, der vor 1979 den (ehemaligen) Ausbildungsberuf Radio- und Fernsehtechniker erlernt hat, mit dem Schaustellerbetrieb E. einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit Wirkung ab 01.10.2015. Im Vertrag ist vereinbart worden, dass der Kläger ab 01.10.2015 als Schaustellergehilfe zu einer monatlichen Bruttovergütung von € 850,00 mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 23 Stunden eingestellt wird.

27

Das Arbeitsverhältnis mit dem Schausteller wurde zum 30.06.2016 beendet, weil der Kläger ab 01.07.2016 eine vorzeitige Altersrente für schwerbehinderte Menschen bezieht. Die Beklagte weigert sich, dem Kläger für die neun Monate vom 01.10.2015 bis 30.06.2016 Überbrückungsbeihilfe zu zahlen.

28

Nach vergeblicher Geltendmachung erhob der Kläger am 09.03.2016 die vorliegende Klage. Er hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, er habe im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich 100 Stunden und damit im Durchschnitt 23 Stunden wöchentlich im Schaustellerbetrieb E. gearbeitet. Meist habe er 6 bis 8 Stunden, überwiegend 8 Stunden, täglich an unterschiedlichen Tagen gearbeitet, ungefähr 3 Tage die Woche. Im Zeitraum vom 01. bis 15.10.2015 habe er auf einem Markt in O. gearbeitet, konkret am 01., 03. und 05.10.2015. Auf dem Oktobermarkt in K., der in der Zeit vom 14. bis 28.10.2015 stattgefunden habe, habe er am 14., 16., 17., 20., 21., 22., 23., 24. und 27.10.2015 gearbeitet. Auf dem Markt in P. habe er in der Zeit vom 05. bis 09.11.2015, konkret am 05., 06., 08. und 09.11.2015 gearbeitet. Auf dem Markt in Z., der vom 27. bis 31.01.2016 stattgefunden habe, sei er am 27. und 31.01.2016 eingesetzt worden. Auf den Landgrafentagen in P., die in der Zeit vom 30.03. bis 04.04.2016 stattgefunden haben, sei er vom 01. bis 04.04.2016 eingesetzt worden. Darüber hinaus habe er auf dem Maimarkt in P. vom 27.04. bis 10.05.2016 und auf der Mai-Kerwe in K. vom 18.05. bis 31.05.2016 gearbeitet. Auf dem Imbissstand, den der Schausteller E. im Outlet-Center Z., in der Zeit vom 16.11.2015 bis 10.01.2016 betrieben habe, habe er am 16., 18., 20., 24., 27. und 29.11.2015 sowie am 01. bis 05.12., am 07.12., am 14., 15. und 16.12.2015, sowie am 23., 27. und 31.12.2015 gearbeitet. Im Jahr 2016 sei er dort am 04., 09. und 10.01. beschäftigt worden und anschließend am 13., 15., 18., 22., 30. und 31.01.2016 jeweils mit Aufräum- und Putzarbeiten. Zu seinem Aufgabenbereich habe darüber hinaus gehört, nach Auszug von Saisonarbeitern, wie sie bspw. auf dem Maimarkt in K. eingesetzt worden seien, die Wohnwagen zu reinigen, Reparaturarbeiten vorzunehmen und die Wohnwagen winterfest zu machen. Er habe Reifen gewechselt, Elektrokabel verlegt oder ausgetauscht und ganze Hänger mit Leergut sortiert. Die Lage seiner Arbeitszeit sei unterschiedlich gewesen, was aufgrund der Eigenart eines Schaustellerbetriebs nachvollziehbar sei. Die Arbeitszeit sei flexibel gewesen und nicht auf feste Arbeitstage festgelegt worden. Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses habe er nur an 3 Arbeitstagen später als 23:00 Uhr gearbeitet.

29

Von einer weiteren Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 18.08.2016 Bezug genommen.

30

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

31

1. festzustellen, dass ihm aufgrund seines vom 01.10.2015 bis 30.06.2016 bestandenen Arbeitsverhältnisses bei der Firma E. gemäß Arbeitsvertrag vom 31.07.2015 ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Bestimmung des Tarifvertrags Soziale Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31.08.1971 (TV SozSich) zusteht;

32

2. die Beklagte zu verurteilen, Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des TV SozSich für die Monate Oktober bis Dezember 2015 und Januar bis Februar 2016 abzurechnen und den sich daraus ergebenden Nettobetrag an ihn auszuzahlen.

33

Die Beklagte hat beantragt,

34

die Klage abzuweisen.

35

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.08.2016 abgewiesen. Die Klage sei unbegründet. Dem Vortrag des Klägers lasse sich nicht entnehmen, dass seine regelmäßige Arbeitszeit im Schaustellerbetrieb E. wöchentlich im Durchschnitt mehr als 21 Stunden betragen habe. Da die tägliche Arbeitszeit des Klägers nach seinen Angaben aufgrund der Eigenart seiner Tätigkeit variiert habe, reiche die Vorlage des schriftlichen Arbeitsvertrags nicht aus, um die regelmäßige Arbeitszeit darzulegen. Der Kläger habe schriftsätzlich nur unsubstantiiert vorgetragen, dass er "meist zwischen 6 und 8 Stunden, überwiegend 8 Stunden" an "ungefähr 3 Tagen" in der Woche gearbeitet habe. Außerdem habe er die Zeiträume angegeben, wann er auf diversen Märkten oder im Outlet-Center in Z. gearbeitet habe. Im Kammertermin habe er auf Befragen die konkreten Einsatztage angegeben. Selbst wenn man zu seinen Gunsten unterstelle, dass er an den aufgeführten 59 Tagen jeweils 8 Stunden gearbeitet habe, errechne sich eine Gesamtstundenzahl von lediglich 472. Vom 01.10.2015 bis 30.06.2016 hätte er jedoch insgesamt 818 Stunden arbeiten müssen, um auf eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 21 Stunden zu kommen. Eine Beweisaufnahme wäre auf eine unzulässige Ausforschung der benannten Zeugen hinausgelaufen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

36

Der Kläger hat gegen das am 01.09.2016 zugestellte Urteil mit am 26.09.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 31.10.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

37

Er macht geltend, das Arbeitsgericht habe die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast verkannt. Für die Behauptung, bei seinem Arbeitsverhältnis mit dem Schaustellerbetrieb E. habe es sich um ein Scheingeschäft gehandelt, trage die Beklagte die Beweislast. Jedenfalls hätte das Arbeitsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine Beweisaufnahme durchführen müssen. Er habe in erster Instanz sowohl den schriftlichen Arbeitsvertrag vorgelegt als auch die monatlichen Abrechnungen seines Arbeitgebers. Er habe hinreichend konkret dargelegt, dass er im Durchschnitt mehr als 21 Stunden wöchentlich im Schaustellerbetrieb E. gearbeitet habe. Er habe jeden Monat 100 Stunden gearbeitet, was einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 23 Stunden entspreche. Es sei nicht unsubstantiiert, wenn er vorgetragen habe, dass er meist zwischen 6 bis 8 Stunden, überwiegend 8 Stunden gearbeitet habe und diese Arbeitszeit ungefähr 3 Tagen entspreche. Das Arbeitsgericht habe seine Prozessbevollmächtigte im Kammertermin konkret nach seiner Arbeitszeit in Bezug auf verschiedene Märkte und das Outlet-Center in Z. befragt. Seine Prozessbevollmächtigte habe die Fragen detailliert beantwortet. Im Übrigen sei seine tägliche Arbeitszeit in der Zeit vom 01.10.2015 bis 30.05.2016 im Einzelnen der vorgelegten Arbeitszeitdokumentation (Anlage A6) zu entnehmen, die von der Zeugin E. erstellt worden sei. Im Monat Juni 2016 sei ihm Urlaub gewährt worden.

38

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich zuletzt,

39

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 18.08.2016, Az. 5 Ca 169/16, abzuändern und festzustellen, dass ihm im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit dem Schausteller E. vom 21.07.2015 (Arbeitsverdienst: 850,00 EUR monatlich, Arbeitszeit: 23 Stunden wöchentlich) für die Zeit vom 01.10.2015 bis zum 30.06.2016 ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des Tarifvertrages zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31.08.1971 (TV SozSich) in Höhe des nach § 4 TV SozSich jeweils monatlich zu errechnenden Betrages zusteht.

40

Die Beklagte beantragt,

41

die Berufung zurückzuweisen.

42

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Der Kläger trage nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Umstände nach § 4 TV SozSich. Der Kläger sei in erster Instanz seiner Darlegungslast nicht nachgekommen, denn er habe nicht substantiiert dargelegt, wann er wo gearbeitet habe. Sein zweitinstanzlicher Vortrag sei wegen Verspätung nicht zu berücksichtigen und werde jedenfalls bestritten.

43

Im Übrigen könne der Kläger bereits dem Grunde nach für die Zeit vom 01.10.2015 bis 30.06.2016 keine Überbrückungsbeihilfe beanspruchen, weil er sich rechtsmissbräuchlich verhalten habe. Er sei ein Arbeitsverhältnis mit einer monatlichen Arbeitszeit von 100 Stunden und dem gesetzlichen Mindestlohn eingegangen. Damit habe er die nach dem TV SozSich erforderliche Stundenzahl "gerade so" überschritten. Mit diesem Verhalten habe der Kläger seine Interessen rücksichtslos über die Interessen des Sozialstaates gestellt. Ziel des TV SozSich sei nicht, dass die ehemaligen Beschäftigten der US-Streitkräfte mit einem Minimum an Arbeitszeit und -vergütung dauerhaft die Überbrückungsbeihilfe beziehen können und dadurch eine echte und volle Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess vermeiden. Es bestehe ein offenkundiges Missverhältnis zwischen der Überbrückungsbeihilfe und dem Arbeitsverdienst aus der neuen Beschäftigung. Der Kläger versuche, ungeachtet eines hohen Qualifikations- und Verdienstniveaus bei den US-Stationierungsstreitkräften mit einem Arbeitsverhältnis zu Minimalbedingungen eine weit überdurchschnittliche Überbrückungsbeihilfe aus öffentlichen Kassen zu erhalten. Dies sei missbräuchlich, denn im erlernten Beruf des Klägers seien zahlreiche freie Arbeitsplätze vorhanden, die er - nach einer Weiterqualifikation durch die Bundesagentur für Arbeit - hätte anstreben können. Außerdem behaupte der Kläger, dass er im Schaustellerbetrieb E. als Schaustellergehilfe und Reinigungskraft eingesetzt worden sei. Im Umkreis von 25 km um den Wohnort des Klägers seien zahlreiche offene Stellen für Reinigungskräfte gemeldet, die einem höheren Branchenmindestlohn als € 8,50/Std. unterfielen.

44

Die Berufungskammer hat über die Frage, ob der Kläger in der Zeit vom 01.10.2015 bis 30.06.2016 im Schaustellerbetrieb E. mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 23 Stunden tatsächlich und in diesem Umfang gearbeitet hat, Beweis erhoben durch Vernehmung der Eheleute E. als Zeugen. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.02.2017 Bezug genommen.

45

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

46

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.

II.

47

Die Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg. Die beklagte Bundesrepublik ist verpflichtet, dem Kläger in der Zeit vom 01.10.2015 bis zum 30.06.2016 Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich zu gewähren.

48

1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe soll für die neun Monate vom 01.10.2015 bis 30.06.2016 festgestellt werden, für die die Beklagte keine Zahlung geleistet hat. Dabei soll der Anspruch festgestellt werden, der unter Berücksichtigung des monatlichen Einkommens iHv. € 850,00 brutto aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Schaustellerbetrieb E. bestand.

49

Der grundsätzlich geltende Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht entgegen, obwohl der Kläger den Anspruch beziffern könnte. Bei der beklagten Bundesrepublik ist davon auszugehen, dass sie die Urteile staatlicher Gerichte vollzieht, auch wenn kein vollstreckbarer Titel vorliegt (vgl. BAG 16.07.1998 - 6 AZR 672/96 - zur Überbrückungsbeihilfe). Zu einer gegenteiligen Annahme besteht im vorliegenden Fall keine Veranlassung. Der von § 256 Abs. 1 ZPO verlangte Gegenwartsbezug des Rechtsverhältnisses wird dadurch hergestellt, dass der Kläger die Erfüllung konkreter Ansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit gegenwärtige rechtliche Vorteile erstrebt (vgl. zB BAG 16.05.2013 - 6 AZR 680/11 - Rn. 18 mwN).

50

2. Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht für die Zeit vom 01.10.2015 bis 30.06.2016 der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Überbrückungsbeihilfe zu.

51

a) Überbrückungsbeihilfe wird nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt, wenn - was vorliegend unstreitig ist - die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 TV SozSich gegeben sind. Nach der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich liegt eine „anderweitige Beschäftigung“ vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als nur 21 Stunden beträgt.

52

b) Die Tätigkeit des Klägers im Schaustellerbetrieb E. in der Zeit vom 01.10.2015 bis 30.06.2016 zu einer monatlichen Vergütung von € 850,00 brutto gemäß den Bestimmungen des Arbeitsvertrages vom 21.07.2015 stellt eine derartige zum Bezug von Überbrückungsbeihilfe berechtigende Anknüpfungsbeschäftigung iSd. Tarifvertrages dar.

53

Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung der Berufungskammer (§ 286 ZPO) zweifelsfrei fest, dass der Kläger in den streitigen neun Monaten tatsächlich im Schaustellerbetrieb E. auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 21.07.2015 mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 23 Wochenstunden beschäftigt war. Das Vorliegen eines Scheingeschäfts hat die Beweisaufnahme nicht ergeben.

54

Der Zeuge E. hat bei seiner Vernehmung bekundet, dass er Festzelte, Imbissstände und Catering betreibe; Fahrgeschäfte (zB. Karussells) habe er nicht mehr. Er habe den Kläger in der Zeit vom 01.10.2015 bis zum 30.06.2016 in seinem Schaustellerbetrieb beschäftigt. Zu den Tätigkeiten des Klägers habe im Wesentlichen das Verlegen der Elektroleitungen und die Installation der Wasserversorgung bei Veranstaltungen (Märkten) gehört. Der Kläger habe aber auch Zeltplanen zur Reparatur gebracht, die Gläserspülmaschine bedient, Brötchen gebacken, vom Lieferanten die Getränke angenommen oder das Leergut weggebracht. In der Zeit, in der keine Veranstaltungen stattgefunden haben, habe der Kläger in der Halle Reparaturarbeiten verrichtet, abgeschliffen und ähnliches mehr.

55

Der Kläger habe jeden Monat "seine 100 Stunden gemacht". Er - der Zeuge - habe sich, wenn er mit dem Kläger unterwegs gewesen sei, Arbeitsbeginn und Arbeitsende als Notiz auf seinem Handy eingegeben. Wenn der Kläger seine 100 Stunden gearbeitet habe, sei das dann okay gewesen. Auf mehrfaches Befragen der Beklagten hat der Zeuge wiederholt versichert, dass die vereinbarte Arbeitszeit von 100 Stunden pro Monat eingehalten worden sei. Wörtlich hat der Zeuge erklärt: "Wenn es heißt 100 Stunden, dann machen wir 100 Stunden!"

56

Die Zeugin E. hat während ihrer Vernehmung bekundet, dass der Kläger von Oktober 2015 bis Juni 2016 in ihrem Betrieb beschäftigt gewesen sei. Es sei eine Arbeitszeit von 100 Stunden im Monat vereinbart worden. Der Kläger habe im gesamten Monat Juni 2016 seinen Urlaub genommen und sei zum Monatsende ausgeschieden, weil ihm seine Rente bewilligt worden sei. Der Kläger habe alle Arbeiten verrichtet, die in ihrem Betrieb angefallen seien. Er habe auf den Festen die Elektroinstallation bis zum Schaltkasten verkabelt, die Musikanlage installiert und die Wasserversorgung hergestellt. Der Kläger sei meistens mit ihrem Ehemann unterwegs gewesen. Ihr Ehemann habe vor Ort die Arbeitszeit des Klägers und der anderen Arbeitnehmer (teilweise 10 Leute) kontrolliert. Er habe ihr die Arbeitszeiten mitgeteilt, die sie anschließend in die Stundenzettel eingetragen habe. Die Stundenzettel habe sie zur Erfüllung ihrer Dokumentationspflichten für jeden Arbeitnehmer geführt, um sie bei einer Zollprüfung vorlegen zu können. Außerdem habe sie die notierten Stunden dem Steuerberaterbüro zur Erstellung der Lohnabrechnungen übermittelt. Der Kläger habe - wie alle Arbeitnehmer - seine Arbeit zur vollen Stunde begonnen. Sie habe seine Arbeitszeit auch stundengenau abgerechnet. Darauf sei nicht nur beim Kläger, sondern bei allen Arbeitnehmern, geachtet worden.

57

Die beiden Zeugen haben in jeder Hinsicht glaubhaft geschildert, dass der Kläger im streitigen Zeitraum tatsächlich in ihrem Schaustellerbetrieb mit einer monatlichen Arbeitszeit von 100 Stunden gearbeitet hat. Im Monat Juni 2016 haben die Zeugen dem Kläger Urlaub gewährt. Die Berufungskammer hat nach dem persönlichen Eindruck, den sie von den beiden Zeugen während ihrer Vernehmung gewonnen hat, keinen Anlass an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Sie schilderten anschaulich, in sich stimmig und lebensnah sowohl Inhalt als auch Umfang der Arbeitsleistung des Klägers. Ein Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits ist für keinen der Zeugen erkennbar. Im Ergebnis ist die Berufungskammer daher davon überzeugt, dass der Kläger in der Zeit vom 01.10.2015 bis zum 30.06.2016 eine anspruchsauslösende Beschäftigung im Schaustellerbetrieb E. ausgeübt hat.

58

c) Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehen nach dem Wortlaut des § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich und der Protokollnotiz keine weiteren Anspruchsvoraussetzungen als eine "anderweitige Beschäftigung" mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mehr als 21 Wochenstunden (so ausdrücklich zuletzt BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 im Anschluss an LAG Rheinland-Pfalz 11.04.2016 - 3 Sa 310/15 sowie LAG Rheinland-Pfalz 07.06.2016 - 6 Sa 328/15; 13.06.2016 - 3 Sa 71/16; 18.08.2016 - 2 Sa 91/16 und 15.12.2016 - 5 Sa 249/16; sämtlich veröffentlicht in juris).

59

Durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zuletzt BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 - Rn. 6) ist geklärt, dass ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich bereits dann besteht, wenn der Arbeitnehmer eine Beschäftigung von mehr als 21 Stunden ausübt, sofern kein Scheinarbeitsverhältnis vorliegt. Weitere Voraussetzungen für diesen Anspruch sind tariflich nicht normiert. Damit ist zugleich geklärt, dass der Arbeitnehmer, der eine anspruchsauslösende Beschäftigung ausübt, sich nicht noch zusätzlich arbeitsuchend bzw. arbeitslos melden muss, um den Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich zu erlangen.

60

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer anschließt, ist die Überbrückungsbeihilfe eine steuerfinanzierte soziale Sonderleistung. Mit ihr sollen Nachteile, die sich aus einem geringeren Arbeitsverdienst in einem neuen Arbeitsverhältnis außerhalb der Stationierungsstreitkräfte oder aufgrund von Arbeitslosigkeit ergeben, überbrückt werden. Zugleich soll ein Anreiz dafür geschaffen werden, dass der Arbeitnehmer durch die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte im Arbeitsprozess verbleibt. Das Bundesarbeitsgericht hat weiter wiederholt und noch in jüngster Vergangenheit entschieden, dass sich die Anreizwirkung des § 4 TV SozSich vor allem durch die Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich entfaltet. Diese hält den Arbeitnehmer dazu an, im tariflich festgelegten Mindestbeschäftigungsumfang von mehr als 21 Stunden zu arbeiten. Das Bundesarbeitsgericht hat dabei klargestellt, dass sich die Tarifvertragsparteien bewusst für eine Begrenzung auf eine Mindestarbeitszeit, nicht aber für eine Mindesthöhe des anderweitigen Entgelts entschieden haben. Ihnen kam es offenkundig nicht darauf an, sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer ein Mindestmaß an Einkommen erzielt, um so die Leistungen des Bundes zu mindern. Sie wollten lediglich erreichen, dass der Arbeitnehmer eine Erwerbstätigkeit in einem Umfang ausübte, mit dem er nicht mehr als arbeitslos galt, und sich so wieder in den Arbeitsmarkt eingliederte; zugleich wollten sie eine Abgrenzung von dem Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe als Aufstockung zu den Leistungen der Arbeitsverwaltung bei Arbeitslosigkeit gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich vornehmen. Das Bundesarbeitsgericht hat außerdem ausdrücklich klargestellt, dass weitere Voraussetzungen für den Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich nicht bestehen und die Tarifvertragsparteien zwar das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs erkannt haben, sie gleichwohl aber die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur an eine Mindestarbeitszeit, nicht aber an einen Mindestlohn geknüpft haben. Schließlich hat das Bundesarbeitsgericht deutlich gemacht, dass die Gerichte an diese von der Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien geschützte Entscheidung gebunden sind (vgl. zuletzt BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 - Rn. 7 mwN).

61

Durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist geklärt, dass sich die Anreizwirkung des § 4 TV SozSich vor allem durch den Mindestbeschäftigungsumfang entfaltet, der sich aus der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich ergibt. Die Beklagte mag diese Anreizwirkung für zu schwach ausgeprägt halten, sie übersieht jedoch bei ihren Ausführungen - auch im Streitfall, dass der Tarifvertrag weitere Anreize unzweideutig nicht schafft. Die Gleichwertigkeit zwischen dem neuen Arbeitsplatz und dem bei den Stationierungsstreitkräften weggefallenen Arbeitsplatz steht entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung nicht im Vordergrund. Die Tarifvertragsparteien haben lediglich einen Mindestbeschäftigungsumfang festgelegt, ohne ein bestimmtes Entgelt oder ein bestimmtes Beschäftigungsniveau zu verlangen. Sie wollten nicht sicherstellen, dass der Arbeitnehmer ein Mindestmaß an Einkommen erzielt, um so die Leistungen des Bundes zu mindern (vgl. zuletzt BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 - Rn. 15 mwN).

62

Das Bundesarbeitsgericht hat außerdem ausgeführt, dass die Beklagte bei ihrer auf die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit der arbeitsrechtlichen Ausgestaltung der Arbeitsverträge, die von den Stationierungsstreitkräften entlassene Arbeitnehmer schließen, zielenden Argumentation übersieht, dass in der Ausnutzung rechtlich eröffneter Gestaltungsmöglichkeiten keine unzulässige Umgehung von Rechtsnormen liegt. Arbeitnehmer, die Arbeitsverträge mit einer Beschäftigungsdauer von mehr als 21 Stunden schließen, nutzen - anders als ein zuvor arbeitsloser Arbeitnehmer, der im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit seiner Rentenberechtigung ein Arbeitsverhältnis begründet, um sich weiterhin den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu sichern - lediglich tariflich eröffnete Gestaltungsmöglichkeiten, die ihnen von den Tarifvertragsparteien eingeräumt worden sind. Ein Rechtsmissbrauch liegt darum entgegen der Ansicht der Berufung nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer weniger Wochenstunden arbeitet als zuvor bei den Stationierungsstreitkräften oder der Arbeitnehmer unterhalb seines Qualifikationsniveaus bzw. seiner Berufserfahrung arbeitet. Insbesondere liegt eine Rechtsmissbräuchlichkeit nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer „punktgenau“ die tarifliche Mindestbeschäftigungsdauer vereinbart (vgl. ausdrücklich BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 - Rn. 20 mwN).

63

Auch im vorliegenden Fall sind die Erwägung der Beklagten zu der von ihr für richtig gehaltenen Auslegung des TV SozSich weit überwiegend dem tarifpolitischen Bereich oder anderen, mit dem TV SozSich nicht vergleichbaren Regelungen entnommen. Sie betreffen eine aus Sicht der Beklagten verfehlte Anreizwirkung. Ihr Ziel eines Tarifinhalts, der ihre wirtschaftlichen Interessen besser berücksichtigt, kann sie jedoch nicht durch den Einwand erreichen, der Bezug von Überbrückungsbeihilfe in Fällen wie dem des Klägers sei rechtsmissbräuchlich, sondern nur durch Tarifvertragsverhandlungen (so ausdrücklich BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 - Rn. 23).

III.

64

Die Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

65

Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 13.07.2016 - Az: 1 Ca 417/16 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich) vom 31.08.1971 über den 31.12. 2015 hinaus.

2

Die 1957 geborene Klägerin war von November 1984 bis zum 30.09. 2013 bei den US-Stationierungsstreitkräften zuletzt in der Abteilung „Zollermittlung" in H. beschäftigt. Die monatliche Grundvergütung betrug zuletzt 4.219,56 EUR brutto. Auf das Arbeitsverhältnis fanden der TVAL II und der TV SozSich Anwendung. Die US-Stationierungsstreitkräfte kündigten das Arbeitsverhältnis aus militärischen Gründen iSd. § 2 TV SozSich betriebsbedingt zum 30.09. 2013. Unmittelbar im Anschluss war die Klägerin vom 01.10.2013 bis 31.12.2013 in einer Transfergesellschaft beschäftigt.

3

Seit Januar 2014 ist die Klägerin entsprechend ihrem Arbeitsvertrag mit der Firma Bäcker G. GmbH vom 16.11.2014 (Bl. 8 - 13 dA) als Verkäuferin für Back- und Konditorenwaren mit 22 Stunden pro Woche zu einem Stundenlohn in Höhe von 10,30 EUR brutto beschäftigt. Die Klägerin hatte sich dabei nicht um eine bei der Firma Bäcker G. GmbH grundsätzlich mögliche Vollzeitbeschäftigung bemüht, sondern sich für eine Teilzeitbeschäftigung entschieden, weil sie sich nach ihrer eigenen Einschätzung gesundheitlich nicht in der Lage sah, die körperlichen Belastungen als Verkäuferin in einer Bäckerei vollschichtig zu tragen und sie zudem ihre 90-jährige Schwiegermutter betreuen wollte.

4

Die Beklagte leistete vom 01.01.2014 bis 31.12.2015 Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich.

5

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des TV SozSich lauten auszugsweise:

6

㤠2 Anspruchsvoraussetzungen

7

Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben Arbeitnehmer, die

8

1. wegen Personaleinschränkung

9

a) infolge einer Verringerung der Truppenstärke
b) … aus militärischen Gründen … entlassen werden, wenn sie

10

2. im Zeitpunkt der Entlassung

11

a) seit mindestens einem Jahr vollbeschäftigt sind,
b) mindestens fünf Beschäftigungsjahre … nachweisen können und das 40. Lebensjahr vollendet haben,
c) …
d) die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes oder des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen, und ihnen

12

3. keine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV AL II angeboten worden ist. …

13

§ 4 Überbrückungsbeihilfe

14

1. Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt:

15

a) zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte,
b) zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit …
c) zum Krankengeld … oder zum Verletztengeld …

16

17

4. Die Überbrückungsbeihilfe beträgt:

18

Im    

1. Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

100 v.H.

vom     

2. Jahr an

90 v.H.

19

des Unterschiedsbetrages zwischen der Bemessungsgrundlage (Ziff. 3a oder b) und den Leistungen gemäß vorstehenden Ziff. 1 und 2. …

20

5a. Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung …

21

25 Beschäftigungsjahre (…) und das 50. Lebensjahr vollendet haben, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziff. 1 bis 4 ohne zeitliche Begrenzung. …

22

Protokollnotiz zu Ziffer 1a

23

Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt."

24

Das zunächst befristete Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Firma Bäcker G. GmbH wurde ab dem 01.01.2016 zu in übrigen unveränderten Bedingungen unbefristet fortgeführt. Nachdem die Klägerin dies der Beklagten mitgeteilt hatte, stellte die Beklagte die bis dahin an die Klägerin gezahlte Überbrückungsbeihilfe zum 01.01.2016 ein.

25

Die Klägerin verfolgt daher mit der vorliegenden Klage ihre Ansprüche auf Überbrückungsbeihilfe in Höhe von rechnerisch jeweils zutreffend 2.629,78 EUR netto für Januar 2016 und 2.645,40 EUR netto für den Monat Februar 2017 sowie für die Zukunft weiter.

26

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen,
sie habe zur Kenntnis nehmen müssen, dass sowohl ihr fortgeschrittenes Lebensalter wie auch die während des langjährigen Arbeitsverhältnisses bei den US-Stationierungsstreitkräften erworbenen sehr speziellen, auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht nachgefragten Kenntnisse und Erfahrungen einen Wechsel in eine tatsächlich gleichwertige Arbeitsstelle unmöglich machten.

27

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

28

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.629,78 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. hieraus seit dem 01. März 2016 zu zahlen;

29

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.645,40 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. hieraus seit 01. April 2016 zu zahlen;

30

3. festzustellen, dass der Klägerin auf Grundlage ihres mit der Firma Bäcker G. GmbH, L., bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie auf Grundlage eines diesbezüglichen Bruttoarbeitsverdienstes der Klägerin in Höhe von monatlich mindestens 980,00 EUR - hilfsweise: auf Grundlage eines diesbezüglichen Bruttoarbeitsverdienstes des Klägerin in Höhe von monatlich mindestens 1.740,70 EUR - für die Zeit ab 01. März 2016 ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TASS) in Höhe des sich nach § 4 TASS jeweils monatlich zu errechnenden Betrages zusteht.

31

Die Beklagte hat beantragt,

32

die Klage abzuweisen.

33

Sie hat geltend gemacht,
auch wenn im Arbeitsvertrag der Klägerin aufgeführt sei, dass sie 22 Stunden arbeiten würde, werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin tatsächlich 22 Wochenstunden arbeite. Die Überbrückungsbeihilfe diene im Übrigen auch nicht dazu, Teilzeitwünsche auf Kosten der Steuerzahler zu befriedigen. Es genüge nicht, dass ein Arbeitnehmer lediglich die Mindestanforderungen des Tarifvertrages erfülle. Das Verhalten der Klägerin begründe den Einwand des Rechtsmissbrauchs.

34

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 13.07.2016 stattgegeben. Zur Begründung hat es zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin die tariflichen Voraussetzungen nach dem TV SozSich für die Gewährung der Überbrückungsbeihilfe erfülle. Der Rechtsmissbrauchseinwand der Beklagten greife nicht durch, da es der Klägerin nach einer langjährigen Beschäftigung bei den US-Streitkräften, die im fortgeschrittenen Alter nur noch schwer auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen konnte, nicht angelastet werden könne, dass sie ihr Arbeitsverhältnis bei der Firma Bäckerei G. GmbH an den Vorgaben des TV SozSich ausgerichtet und lediglich eine Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 22 Wochenstunden aufgenommen habe, obwohl auch eine Vollzeitbeschäftigung möglich gewesen wäre.

35

Gegen dieses Urteil, das der Beklagten am 12.08.2016 zugestellt worden ist, hat die Beklagte mit am 12.09.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26.10.2016 mit am 26.10.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

36

Sie macht nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 26.10.2016, auf den ergänzend Bezug genommen wird, zusammengefasst geltend,
es lasse sich entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts aus der Protokollnotiz zu § 4 TV SozSich nicht ableiten, dass man als ehemaliger Beschäftigter der Stationierungsstreitkräfte nur mehr als 21 Stunden arbeiten müsse, um einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu haben. Bei der Überbrückungsbeihilfe handele es sich um eine besondere staatliche Sozialleistung, die von ihr nur dann zu zahlen sei, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage sei, selbst eine dem früheren Gehalt vergleichbare Beschäftigung zu finden. Dagegen sei es nicht Sinn und Zweck der Überbrückungsbeihilfe, dass die Steuerzahler es entlassenen Arbeitnehmern der Stationierungsstreitkräfte ermöglichen würden, ohne wesentliche finanzielle Einbußen sich mit einem Arbeitsverhältnis als Anknüpfleistung auf "Minimalbasis" zufrieden zu geben. Im Übrigen könne die Klägerin bereits dem Grunde nach keine Überbrückungsbeihilfe beanspruchen, weil sie sich rechtsmissbräuchlich verhalten habe. Sie habe statt des ihr auch möglichen Vollzeitarbeitsverhältnisses als Verkäuferin lediglich eine Teilzeitarbeit, die zudem dem TV SozSich erforderliche Stundenzahl "gerade so" überschritten habe, aufgenommen. Mit diesem Verhalten habe die Klägerin ihre privaten Interessen rücksichtslos über die Interessen des Sozialstaates gestellt. Es bestehe eine Obliegenheit, seine Arbeitskraft bestmöglich auszunutzen.

37

Die Beklagte beantragt,

38

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 13.07.2016 - Az: 1 Ca 417/16 - wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

39

Die Klägerin beantragt,

40

die Berufung zurückzuweisen.

41

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie erfülle auch ab Januar 2016 die tariflichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Überbrückungsbeihilfe.

42

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

43

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO), aber unbegründet.

II.

44

Die Berufung der Beklagten hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, da das Arbeitsgericht der zulässigen Klage zu Recht stattgegeben hat. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin auch für die Zeit ab Januar 2016 weiter Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziffer 1 a TV SozSich zu gewähren.

45

1. Nach § 4 Ziff. 1 a TV SozSich wird Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt, wenn die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 2 TV SozSich - wie vorliegend unstreitig – erfüllt sind. Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nach der Protokollnotiz zu Ziff. 1 a nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt. Auch diese Anknüpfungsvoraussetzung ist vorliegend aufgrund der jedenfalls zuletzt unstreitig auf Grundlage des Arbeitsvertrages gegebenen regelmäßigen Arbeitszeit von 22 Stunden wöchentlich gegeben.

46

Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehen schon nach dem Wortlaut des § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich und der Protokollnotiz keine weiteren Anspruchsvoraussetzungen als eine "anderweitige Beschäftigung" mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mehr als 21 Wochenstunden (so ausdrücklich zuletzt BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 im Anschluss an LAG Rheinland-Pfalz 11.04.2016 - 3 Sa 310/15 sowie LAG Rheinland-Pfalz 07.06.2016 - 6 Sa 328/15; 13.06.2016 - 3 Sa 71/16; 18.08.2016 - 2 Sa 91/16 und 15.12.2016 - 5 Sa 249/16; sämtlich veröffentlicht in juris). Eine ergänzende Tarifvertragsauslegung kommt gleichfalls nicht in Betracht, es fehlt an der planwidrigen Regelungslücke.

47

Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer anschließt, ist die Überbrückungsbeihilfe eine steuerfinanzierte soziale Sonderleistung. Mit ihr sollen Nachteile, die sich aus einem geringeren Arbeitsverdienst in einem neuen Arbeitsverhältnis außerhalb der Stationierungsstreitkräfte oder aufgrund von Arbeitslosigkeit ergeben, überbrückt werden. Zugleich soll ein Anreiz dafür geschaffen werden, dass der Arbeitnehmer durch die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte im Arbeitsprozess verbleibt. Das Bundesarbeitsgericht hat weiter wiederholt und noch in jüngster Vergangenheit entschieden, dass sich die Anreizwirkung des § 4 TV SozSich vor allem durch die Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich entfaltet. Diese hält den Arbeitnehmer dazu an, im tariflich festgelegten Mindestbeschäftigungsumfang von mehr als 21 Stunden zu arbeiten. Das Bundesarbeitsgericht hat dabei klargestellt, dass sich die Tarifvertragsparteien bewusst für eine Begrenzung auf eine Mindestarbeitszeit, nicht aber für eine Mindesthöhe des anderweitigen Entgelts entschieden haben. Ihnen kam es offenkundig nicht darauf an, sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer ein Mindestmaß an Einkommen erzielt, um so die Leistungen des Bundes zu mindern. Sie wollten lediglich erreichen, dass der Arbeitnehmer eine Erwerbstätigkeit in einem Umfang ausübte, mit dem er nicht mehr als arbeitslos galt, und sich so wieder in den Arbeitsmarkt eingliederte; zugleich wollten sie eine Abgrenzung von dem Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe als Aufstockung zu den Leistungen der Arbeitsverwaltung bei Arbeitslosigkeit gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich vornehmen. Das Bundesarbeitsgericht hat außerdem ausdrücklich klargestellt, dass weitere Voraussetzungen für den Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich nicht bestehen und die Tarifvertragsparteien zwar das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs erkannt haben, sie gleichwohl aber die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur an eine Mindestarbeitszeit, nicht aber an einen Mindestlohn geknüpft haben. Schließlich hat das Bundesarbeitsgericht deutlich gemacht, dass die Gerichte an diese von der Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien geschützte Entscheidung gebunden sind (vgl. zuletzt BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 - Rn. 7 mwN,; LAG Rheinland-Pfalz 09.02.2017 -5 Sa 417/16, veröffentlicht in juris).

48

Zudem ist darüber hinaus durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ebenfalls geklärt, dass sich die Anreizwirkung des § 4 TV SozSich vor allem durch den Mindestbeschäftigungsumfang entfaltet, der sich aus der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich ergibt. Die Beklagte mag diese Anreizwirkung für zu schwach ausgeprägt halten, sie übersieht jedoch bei ihren Ausführungen - auch im Streitfall -, dass der Tarifvertrag weitere Anreize unzweideutig nicht schafft. Die Gleichwertigkeit zwischen dem neuen Arbeitsplatz und dem bei den Stationierungsstreitkräften weggefallenen Arbeitsplatz steht entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung nicht im Vordergrund. Die Tarifvertragsparteien haben lediglich einen Mindestbeschäftigungsumfang festgelegt. Sie wollten nicht sicherstellen, dass der Arbeitnehmer ein Mindestmaß an Einkommen erzielt, um so die Leistungen des Bundes zu mindern (vgl. zuletzt BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 - Rn. 15 mwN).

49

2. Der Klageanspruch entfällt auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB).

50

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 - Rn. 35, juris; vgl. zur Überbrückungsbeihilfe BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 24, NZA 1995, 1168). Schwierigkeiten, die sich aus fehlenden Kenntnismöglichkeiten ergeben, ist ggf. durch die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen (BAG 19. März 2014 - 7 AZR 527/12 –, Rn. 26, NZA 2014, 840). Die für den Einwand des Rechtsmissbrauchs darlegungsbelastete Beklagte vermochte keine Umstände vorzutragen, die ein rechtsmissbräuchliches Verhalten begründen könnten.

51

Die Beklagte stützt ihren Rechtsmissbrauchseinwand auf den unstreitigen Umstand, dass sich die Klägerin nicht um eine Vollzeitstelle bei ihrem jetzigen Arbeitgeber bemühte, sondern sich für eine Teilzeitbeschäftigung bei diesem mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 22 Stunden wöchentlich entschied, weil sie sich unstreitig auch um ihre Schwiegermutter kümmern wollte und sich nach ihrer eigenen Einschätzung auch nicht körperlich in der Lage sah, Vollzeit als Bäckereiverkäuferin zu arbeiten.

52

Der Klägerin kann jedoch insoweit vorliegend kein Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden. Allein der Umstand, dass beim selben Arbeitgeber auch eine Vollzeitstelle möglich erschien, reicht hierfür nicht aus. Denn die Klägerin hat lediglich die mit dem TV-SozSich eröffnete Gestaltungsmöglichkeit aus nicht weiter verwerflichen privaten Gründen wahrgenommen.

53

Das Vorbringen der Beklagten läuft letztlich im vorliegenden Fall darauf hinaus, über den Einwand des Rechtsmissbrauchs allgemein anspruchsverschärfende Tatbestandsmerkmale für die Geltendmachung der tarifvertraglichen Überbrückungsbeihilfe aufzustellen, die die Tarifvertragsparteien nicht normiert haben. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch hierzu bereits ausgeführt, dass die Beklagte bei ihrer Argumentation zur Rechtsmissbräuchlichkeit übersieht, dass in der Ausnutzung rechtlich eröffneter Gestaltungsmöglichkeiten keine unzulässige Umgehung von Rechtsnormen liegt. Arbeitnehmer, die Arbeitsverträge mit einer Beschäftigungsdauer von mehr als 21 Stunden schließen, nutzen - anders als ein zuvor arbeitsloser Arbeitnehmer, der im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit seiner Rentenberechtigung ein Arbeitsverhältnis begründet, um sich weiterhin den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu sichern - lediglich tariflich eröffnete Gestaltungsmöglichkeiten, die ihnen von den Tarifvertragsparteien eingeräumt worden sind. Ein Rechtsmissbrauch liegt darum entgegen der Ansicht der Berufung nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer weniger Wochenstunden arbeitet als zuvor bei den Stationierungsstreitkräften oder der Arbeitnehmer unterhalb seines Qualifikationsniveaus bzw. seiner Berufserfahrung arbeitet. Insbesondere liegt eine Rechtsmissbräuchlichkeit nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer „punktgenau“ die tarifliche Mindestbeschäftigungsdauer vereinbart (vgl. ausdrücklich BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 - Rn. 20 mwN).

54

Die aus Sicht der Beklagten verfehlte Anreizwirkung kann sie daher nicht mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs oder mit dem Verweis auf eine Rücksichtnahmepflicht erfolgreich begegnen. Vielmehr kann sie ihr Ziel eines Tarifinhalts, der ihre wirtschaftlichen Interessen besser berücksichtigt nur durch Tarifvertragsverhandlungen erreichen (vgl. hierzu auch ausdrücklich BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 - Rn. 23).

III.

55

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

56

Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Tenor

1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. April 2016 - 3 Sa 310/15 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 34.929,60 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

I. Die Grundsatzbeschwerde (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) ist unbegründet.

3

1. Die von der Beschwerde unter C I 1 a, b, c, e, f, i, l, m, q und s aufgeworfenen Rechtsfragen haben bereits deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie geklärt sind.

4

a) Eine Frage ist nur dann klärungsbedürftig, wenn sie entweder noch nicht höchstrichterlich entschieden ist oder zwar entschieden ist, aber gewichtige Gesichtspunkte gegen diese Entscheidung vorgebracht werden. Klärungsbedürftigkeit setzt damit voraus, dass die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage zweifelhaft ist (BVerfG 4. November 2008 - 1 BvR 2587/06 - Rn. 19; BAG 13. Juni 2006 - 9 AZN 226/06 - Rn. 7, BAGE 118, 247).

5

b) Die Beantwortung der og., von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen ist nicht zweifelhaft.

6

aa) Die Rechtsfragen unter C I 1 a, b, i und s betreffen in unterschiedlicher Formulierung die Frage, welche Bedeutung die in § 3 Ziff. 2 TV SozSich normierte Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitsuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden, für einen nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich geforderten Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe hat. Durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist geklärt, dass Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich bereits dann zusteht, wenn der Arbeitnehmer eine Beschäftigung von mehr als 21 Stunden ausübt, sofern kein Scheinarbeitsverhältnis vorliegt. Weitere Voraussetzungen für diesen Anspruch sind tariflich nicht normiert. Damit ist zugleich geklärt, dass der Arbeitnehmer, der eine anspruchsauslösende Beschäftigung ausübt, sich nicht noch zusätzlich arbeitsuchend bzw. arbeitslos melden muss, um den Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich zu erlangen. Dies ist zudem offenkundig.

7

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Überbrückungsbeihilfe eine steuerfinanzierte soziale Sonderleistung. Mit ihr sollen Nachteile, die sich aus einem geringeren Arbeitsverdienst in einem neuen Arbeitsverhältnis außerhalb der Stationierungsstreitkräfte oder aufgrund von Arbeitslosigkeit ergeben, überbrückt werden. Zugleich soll ein Anreiz dafür geschaffen werden, dass der Arbeitnehmer durch die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte im Arbeitsprozess verbleibt (zuletzt BAG 22. September 2016 - 6 AZR 397/15 - Rn. 15). Der Senat hat weiter wiederholt und noch in jüngster Vergangenheit entschieden, dass sich die Anreizwirkung des § 4 TV SozSich vor allem durch die Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich entfaltet. Diese hält den Arbeitnehmer dazu an, im tariflich festgelegten Mindestbeschäftigungsumfang von mehr als 21 Stunden zu arbeiten. Der Senat hat dabei klargestellt, dass sich die Tarifvertragsparteien bewusst für eine Begrenzung auf eine Mindestarbeitszeit, nicht aber für eine Mindesthöhe des anderweitigen Entgelts entschieden haben. Ihnen kam es offenkundig nicht darauf an, sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer ein Mindestmaß an Einkommen erzielt, um so die Leistungen des Bundes zu mindern. Sie wollten lediglich erreichen, dass der Arbeitnehmer eine Erwerbstätigkeit in einem Umfang ausübte, mit dem er nicht mehr als arbeitslos galt, und sich so wieder in den Arbeitsmarkt eingliederte; zugleich wollten sie eine Abgrenzung von dem Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe als Aufstockung zu den Leistungen der Arbeitsverwaltung bei Arbeitslosigkeit gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich vornehmen. Der Senat hat außerdem ausdrücklich klargestellt, dass weitere Voraussetzungen für den Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich nicht bestehen und die Tarifvertragsparteien zwar das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs erkannt haben, sie gleichwohl aber die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur an eine Mindestarbeitszeit, nicht aber an einen Mindestlohn geknüpft haben. Schließlich hat er deutlich gemacht, dass die Gerichte an diese von der Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien geschützte Entscheidung gebunden sind (BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 21 f.; 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - zu II 1 und 2 der Gründe).

8

(2) Entgegen der auf S. 39 und S. 43 f. der Beschwerdebegründung geäußerten Ansicht der Beklagten beziehen sich vorstehend zusammengefasste Aussagen des Senats nicht nur auf die „Qualität der anderweitigen Tätigkeit“, ohne andere Anspruchsvoraussetzungen zu klären. Sie enthalten vielmehr fallübergreifende und nach wie vor gültige Aussagen zum Bedeutungsgehalt der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich und zu den sich daraus ergebenden Anforderungen an eine Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte, die einen Anspruch des früheren Arbeitnehmers der Stationierungsstreitkräfte auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich auslöst.

9

(3) Durch diese Rechtsprechung ist geklärt, jedenfalls aber offenkundig, dass die den zu C I 1 a, b, i und s formulierten Fragen zugrunde liegende Annahme der Beklagten nicht zutrifft, aus § 3 Ziff. 2 TV SozSich lasse sich als weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich die Verpflichtung des Arbeitnehmers entnehmen, sich arbeitsuchend zu melden.

10

(a) Die Beklagte nimmt dabei bereits den Wortlaut des § 3 Ziff. 2 TV SozSich nicht zur Kenntnis. Danach hat sich der Arbeitnehmer nach der Kündigung arbeitsuchend, nach der Entlassung aber arbeitslos zu melden. Die von der Beklagten der tariflichen Regelung entnommene Verpflichtung, sich noch nach der Entlassung, dh. nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG 15. Dezember 2016 - 6 AZR 478/15 -; 20. Mai 1999 - 6 AZR 601/97 - zu II 1 a der Gründe) „arbeitsuchend“ zu melden, besteht schon nach dem unzweideutigen Tarifwortlaut des § 3 Ziff. 2 TV SozSich nicht.

11

(b) Darüber hinaus ist durch die Rechtsprechung des Senats sowie des Bundessozialgerichts geklärt, dass ein Arbeitnehmer, der eine Beschäftigung im vom TV SozSich verlangten Mindestumfang von mehr als 21 Stunden ausübt, nicht arbeitslos ist und sich darum auch nicht mehr gemäß § 3 Ziff. 2 TV SozSich nach seiner Entlassung arbeitslos melden kann. Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer gemäß § 138 Abs. 1 SGB III nur dann, wenn er beschäftigungslos ist (Nr. 1), sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Nr. 2), und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Nr. 3). Aus § 138 Abs. 1 Nr. 1 iVm. Abs. 3 Satz 1 SGB III folgt im Umkehrschluss, dass eine Erwerbstätigkeit von 15 Stunden wöchentlich und mehr die Beschäftigungslosigkeit ausschließt (BSG 3. Dezember 2009 - B 11 AL 28/08 R - Rn. 11 zur Vorgängerbestimmung § 119 Abs. 3 Satz 1 SGB III aF; vgl. auch BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 24). Ein Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis mit einer vereinbarten Arbeitszeit von mehr als 21 Stunden ist darum nicht arbeitslos.

12

(c) Vor diesem höchstrichterlich entschiedenen sozialversicherungsrechtlichen Hintergrund ist geklärt, jedenfalls aber offenkundig, dass der Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich nicht davon abhängt, dass der Arbeitnehmer sich gemäß § 3 Ziff. 2 TV SozSich nach der Kündigung arbeitsuchend und nach seiner Entlassung arbeitslos meldet. Daraus folgt zugleich, dass das von der Beschwerde auf S. 109 der Beschwerdebegründung aufgeworfene Gleichheitsproblem nicht besteht. Entgegen den Ausführungen auf S. 58 f. der Beschwerdebegründung folgt aus dem weit gefassten Zumutbarkeitsbegriff des § 2 Ziff. 3 Satz 2 TV SozSich iVm. § 1 Ziff. 3 ff. KSch TV und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt 17. März 2016 - 6 AZR 92/15 - Rn. 18 f.) nichts anderes. Diese Bestimmungen sollen so weit als möglich sicherstellen, dass Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz gerade nicht verlieren. Darum sollen sie eher weiter entfernt tätig werden müssen, als aus dem Arbeitsprozess ausscheiden (BAG 17. März 2016 - 6 AZR 92/15 - Rn. 19). Dagegen soll der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe den Besitzstand der Arbeitnehmer sichern, die gleichwohl ihren Arbeitsplatz verloren haben. Dieser unterschiedliche Bedeutungsgehalt ist offenkundig und bedarf daher keiner Klärung durch die Zulassung der Revision.

13

(d) § 3 Ziff. 2 TV SozSich hat damit nur Bedeutung für den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich. Dies hat im Übrigen die Beklagte in der Ausgangsfassung ihrer Erläuterungen und Verfahrensrichtlinien zur Durchführung des TV SozSich als Anlage zum Schreiben des BMWF vom 31. August 1971 (- F/Z B 5 - P 2300 - 36/71 -) selbst so verstanden. Darin heißt es zu § 3 Ziff. 2:

        

„Die Meldung des entlassenen Arbeitnehmers beim Arbeitsamt und seine Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung sind Voraussetzung zur Erlangung der Leistungen nach dem AFG; sie sind insoweit auch Voraussetzung eines Anspruchs auf Überbrückungsbeihilfe zu diesen Leistungen.

        

…“    

14

bb) Auch die von der Beschwerde unter C I 1 c, f, l und m aufgeworfenen Rechtsfragen, die in unterschiedlich formulierter Weise die Frage betreffen, wann das außerhalb der Stationierungsstreitkräfte begründete Arbeitsverhältnis rechtsmissbräuchlich gestaltet ist, so dass kein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich besteht, sind geklärt.

15

(1) Durch die in Rn. 7 dieses Beschlusses genannten Entscheidungen ist geklärt, dass sich die Anreizwirkung des § 4 TV SozSich vor allem durch den Mindestbeschäftigungsumfang entfaltet, der sich aus der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich ergibt. Die Beklagte mag diese Anreizwirkung für zu schwach ausgeprägt halten, sie übersieht jedoch bei ihren Ausführungen, insbesondere auf S. 17 bis S. 23 der Beschwerdebegründung, dass der Tarifvertrag weitere Anreize unzweideutig nicht schafft. Die Gleichwertigkeit zwischen dem neuen Arbeitsplatz und dem bei den Stationierungsstreitkräften weggefallenen Arbeitsplatz steht entgegen der von der Beschwerde auf S. 19 vertretenen Auffassung gerade nicht im Vordergrund. Die Tarifvertragsparteien haben lediglich einen Mindestbeschäftigungsumfang festgelegt, ohne ein bestimmtes Entgelt oder ein bestimmtes Beschäftigungsniveau zu verlangen. Sie wollten nicht sicherstellen, dass der Arbeitnehmer ein Mindestmaß an Einkommen erzielt, um so die Leistungen des Bundes zu mindern (BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 22).

16

(2) Die von der Beschwerde auf S. 63 der Begründung zitierte Passage aus der Entscheidung des Senats vom 31. Juli 2014 (- 6 AZR 993/12 - Rn. 24) ist aus dem Zusammenhang gerissen. Ihr lässt sich, anders als die Beschwerde annimmt, keineswegs entnehmen, dass der Vorgang der Wiedereingliederung „verschiedene Ausbaustufen“ haben kann und es verschiedenartige Tätigkeiten gebe, die das Ziel der Wiedereingliederung in unterschiedlichen Maßen verwirklichten. Die von der Beschwerde herangezogene Passage bezieht sich vielmehr unzweideutig nur auf die Frage, ob die Differenzierung zwischen Teilzeitbeschäftigten, die mehr oder weniger als 21 Stunden wöchentlich arbeiten, im Hinblick auf die seit Abschluss des TV SozSich im Jahre 1971 eingetretenen Änderungen im Sozialversicherungsrecht weiterhin gerechtfertigt ist. Wäre das vom Senat verneint worden, hätte dies nicht „verschiedene Ausbaustufen der Wiedereingliederung“, sondern unter Umständen die Unwirksamkeit der von der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich geforderten Mindestbeschäftigungsdauer zur Folge gehabt, so dass jede noch so geringfügige Beschäftigung den Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich auslösen würde.

17

(3) Der Hinweis auf S. 20 der Beschwerdebegründung auf die „amtlichen Erläuterungen zum TV SozSich“ begründet ebenso wenig einen Klärungsbedarf wie der Hinweis auf das auf S. 40 f. der Beschwerdebegründung zitierte Bulletin sowie auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung, auf das sich die Beschwerde ua. auf S. 41 und S. 56 der Beschwerdebegründung stützt. Einseitige Auslegungen der Beklagten als Tarifvertragspartei sind wie die Rundschreiben einer Tarifvertragspartei kein Hilfsmittel der Auslegung für tarifliche Normen, wenn ihr Inhalt in diesen wie vorliegend keinen Ausdruck findet (vgl. BAG 23. September 2010 - 6 AZR 338/09 - Rn. 18, BAGE 135, 318). Das gilt erst recht, wenn sich der Hinweis, auf den sich die Beschwerde auf S. 20 der Beschwerdebegründung im zweiten Absatz stützt, lediglich aus einem von der Beklagten erstellten Merkblatt ergibt. Der in diesem Merkblatt zum Ausdruck kommende, von den wirtschaftlichen Interessen der Beklagten getragene Wunsch hat im Tarifvertrag keinen Niederschlag gefunden.

18

(4) Bei ihren Ausführungen auf S. 21 bis S. 23 der Beschwerdebegründung, dass die Tarifvertragsparteien bei der Festlegung der Mindestbeschäftigungsdauer von den Gegebenheiten und Auffassungen der frühen 70er Jahre ausgegangen seien, übersieht die Beklagte, dass die Tarifvertragsparteien die von der Klägerin in Anspruch genommene Gestaltungsmöglichkeit auch schon im Jahr 1971 bei Abschluss des Tarifvertrags hätten unterbinden können, aber nicht unterbunden haben, sondern nur einen Mindestbeschäftigungsumfang von mehr als 21 Stunden verlangt haben.

19

(5) Die von der Beschwerde auf S. 47 der Begründung herangezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Juni 2006 (- 9 AZR 229/05 - BAGE 118, 252) betrifft die gänzlich andersgelagerte Frage der Anforderungen an eine stufenweise Wiedereingliederung eines Arbeitnehmers in das Erwerbsleben nach § 28 SGB IX. Die Ausführungen aus der Entscheidung vom 13. Juni 2006 können für die Frage, ob eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt im Sinne des TV SozSich vorliegt, nicht herangezogen werden und deshalb einen Klärungsbedarf ebenfalls nicht begründen.

20

(6) Die Beschwerde übersieht bei ihrer auf die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit der arbeitsrechtlichen Ausgestaltung der Arbeitsverträge, die von den Stationierungsstreitkräften entlassene Arbeitnehmer schließen, zielenden Argumentation, dass in der Ausnutzung rechtlich eröffneter Gestaltungsmöglichkeiten keine unzulässige Umgehung von Rechtsnormen liegt (BAG 27. November 2008 - 6 AZR 632/08 - Rn. 28 f., BAGE 128, 317). Arbeitnehmer, die Arbeitsverträge mit einer Beschäftigungsdauer von mehr als 21 Stunden schließen, nutzen - anders als ein zuvor arbeitsloser Arbeitnehmer, der im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit seiner Rentenberechtigung ein Arbeitsverhältnis begründet, um sich weiterhin den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu sichern - lediglich tariflich eröffnete Gestaltungsmöglichkeiten, die ihnen von den Tarifvertragsparteien eingeräumt worden sind (vgl. zur nicht eröffneten Gestaltungsmöglichkeit bei Wegfall der Anspruchsgrundlage nach § 4 Ziff. 1 TV SozSich BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 383/12 - Rn. 14 f.). Ein Rechtsmissbrauch liegt darum entgegen der Ansicht der Beschwerdebegründung nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer weniger Wochenstunden arbeitet als zuvor bei den Stationierungsstreitkräften oder der Arbeitnehmer unterhalb seines Qualifikationsniveaus bzw. seiner Berufserfahrung arbeitet. Insbesondere liegt eine Rechtsmissbräuchlichkeit nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer „punktgenau“ die tarifliche Mindestbeschäftigungsdauer vereinbart.

21

cc) Die von der Beschwerde unter C I 1 e formulierte Frage zur Erreichung des Ziels der Eingliederung in den Arbeitsprozess iSv. § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich ist durch die Entscheidungen des Senats vom 31. Juli 2014 (- 6 AZR 993/12 - Rn. 22 f.) sowie vom 22. Dezember 1994 (- 6 AZR 337/94 -) aus vorstehend genannten Gründen geklärt.

22

dd) Auch die unter C I 1 q aufgeworfene Rechtsfrage zur Beweislast für ein rechtsmissbräuchliches Arbeitsverhältnis ist nicht klärungsbedürftig. Diese Beweislast richtet sich nach den allgemeinen Beweislastverteilungsgrundsätzen. Wer sich auf ein Scheingeschäft beruft, trägt dafür die Beweislast. Das gilt auch für die Behauptung, bei einem Arbeitsvertrag handele es sich um ein Scheingeschäft (BAG 18. September 2014 - 6 AZR 145/13 - Rn. 23). Nach dem allgemeinen Grundsatz, dass derjenige die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt, wer den Anspruch erhebt, ist derjenige, der sich auf einen Rechtsmissbrauch oder die Sittenwidrigkeit beruft, für das Vorliegen von Umständen, die eine solche Einschätzung rechtfertigen, darlegungs- und beweispflichtig (vgl. BAG 27. Juni 2012 - 5 AZR 496/11 - Rn. 13). Nichts anderes gilt für die Frage der Sittenwidrigkeit oder Rechtsmissbräuchlichkeit eines von einem ehemaligen Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte begründeten Arbeitsverhältnisses (BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - zu II 3 der Gründe).

23

c) Die Tatsache, dass die unter I 1 b dieses Beschlusses erörterten Rechtsfragen geklärt sind, wird dadurch bestätigt, dass die Erwägung der Beklagten zu der von ihr für richtig gehaltenen Auslegung des TV SozSich weit überwiegend dem tarifpolitischen Bereich oder anderen, mit dem TV SozSich nicht vergleichbaren Regelungen entnommen sind. Sie betreffen eine aus Sicht der Beklagten verfehlte Anreizwirkung, die den Arbeitnehmer, wie sie auf S. 48 der Beschwerdebegründung ausführt, „ermunterten“, sich auf ihre Kosten „auszuruhen“. Dass die vorstehend wiedergegebene Rechtsprechung außer von ihr noch von Gerichten oder im Schrifttum in Zweifel gezogen wird, legt sie dagegen nicht dar. Die Beklagte will lediglich ihre Interpretation vom Begriff der Überbrückungsbeihilfe, wie sie sie auf S. 66 ff. entwickelt, und den sich daraus ergebenden Anspruchsvoraussetzungen für eine solche Zahlung an die Stelle der tariflichen Ausgestaltung dieser steuerfinanzierten Sonderzahlung in ihrer Interpretation durch den Senat setzen. Ihr Ziel eines Tarifinhalts, der ihre wirtschaftlichen Interessen besser berücksichtigt, kann sie jedoch nicht durch den Einwand erreichen, der langjährige Bezug von Überbrückungsbeihilfe in Fällen wie denen der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich, sondern nur durch Tarifvertragsverhandlungen. Darum stellt sich die auf S. 30 der Beschwerdebegründung im dritten Absatz angesprochene Frage nicht.

24

2. Die unter C I 1 d, o und p aufgeworfenen Fragen, die die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auf S. 28 f., eher im Gegenteil sei davon auszugehen, dass das Verhalten der Beklagten widersprüchlich sei, betreffen, sind nicht entscheidungserheblich. Diese Überlegungen sind nicht tragend, sondern vom Landesarbeitsgericht lediglich ergänzend angestellt worden. Entgegen der auf S. 38 der Beschwerdebegründung geäußerten Auffassung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht dadurch nicht die an die Klägerin zu stellenden Anforderungen relativiert. Auf die auf S. 51 f. der Begründung angesprochene Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Tätigwerden der Beklagten zu verlangen ist, kommt es darum nicht an.

25

3. Auch die unter C I 1 g, h, j und k sowie r formulierten Rechtsfragen sind nicht entscheidungserheblich. Die Rechtsfragen zu C I 1 g, h, j und k können zudem nur abhängig von den Umständen des Einzelfalls beantwortet werden und sind bereits darum nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

26

a) Die unter C I 1 g und h formulierten Fragen sind nicht entscheidungserheblich. Das Landesarbeitsgericht hat es entgegen der auf S. 42 der Beschwerdebegründung dargelegten Annahme der Beklagten nicht für das Vorliegen der tariflich erforderlichen Stundenzahl bzw. arbeitsvertraglichen Leistungen ausreichen lassen, dass der Arbeitgeber vermute, dass derartige Leistungen erbracht werden. Das Landesarbeitsgericht hat lediglich nicht beanstandet, dass der Zeuge nicht minuziös angeben konnte, wie viele Stunden die Klägerin an welchen Tagen tatsächlich gearbeitet habe.

27

b) Den unter C I 1 j und k formulierten Rechtsfragen fehlt ebenfalls die Entscheidungserheblichkeit. Das Landesarbeitsgericht hat entgegen der auf S. 45 der Beschwerdebegründung geäußerten Annahme der Beklagten nicht die Prüfung eines Rechtsmissbrauchs immer dann abgelehnt, wenn Rechtsmissbrauch nicht tatbestandlich erwähnt wird. Es ist auf S. 27 der anzufechtenden Entscheidung, anders als die Beklagte auf S. 46 der Beschwerdebegründung annimmt, auch nicht davon ausgegangen, es liege eine bewusste Regelungslücke vor. Aus der Gesamtschau der Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auf S. 26 unten bis S. 28 oben ergibt sich vielmehr, dass es die Möglichkeit einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme der Überbrückungsbeihilfe nicht generell ausgeschlossen und auch keine diesbezügliche Regelungslücke im TV SozSich angenommen hat. Es hat lediglich einzelfallbezogen - und rechtlich zutreffend - ausgeführt, dass aufgrund der tarifvertraglichen Ausgestaltung des Anspruchs auf die Überbrückungsbeihilfe die von der Beklagten angeführten tatsächlichen Umstände, namentlich die „unterwertige“ Tätigkeit sowie die Nichtteilnahme an Lohnerhöhungen, eine Sittenwidrigkeit bzw. einen Rechtsmissbrauch nicht begründen könnten. Das zeigt der Schlusssatz auf S. 27 unten/S. 28 oben, wonach es „insgesamt“ nicht zu beanstanden sei, wenn ein Arbeitnehmer sich auf ein Teilzeitarbeitsverhältnis mit mehr als 21 Wochenarbeitsstunden einlasse, um die tarifvertraglichen Voraussetzungen für die Überbrückungsbeihilfe zu erfüllen, so dass der Klägerin „insoweit“ ein rechtlich erheblicher Vorwurf nicht gemacht werden könne.

28

c) Die unter C I 1 r formulierte Rechtsfrage ist nicht entscheidungserheblich. Mit der Frage, ob ein sittenwidriges bzw. rechtsmissbräuchliches Arbeitsverhältnis zum vollkommenen Wegfall der Überbrückungsbeihilfe führt, hat sich das Landesarbeitsgericht, wie die Beschwerde auf S. 54 der Begründung erkennt, nicht befasst. Ausgehend von seinem Lösungsansatz musste es auf diese Rechtsfrage nicht eingehen. Die Beschwerde legt nicht dar, inwieweit die aufgeworfene Frage gleichwohl entscheidungserheblich ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt zu dieser Frage keinen allgemeinen Rechtssatz aufgestellt, so dass das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Handhabung des Rechts nicht berührt ist und die Entscheidung insoweit auch deshalb keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. BVerfG 25. März 2010 - 1 BvR 882/09 - Rn. 19, BVerfGK 17, 196).

29

4. Unter C I 1 n zeigt die Beschwerde keine klärungsbedürftige Rechtsfrage auf, sondern bittet um eine Interpretation der Entscheidung des Senats vom 22. Dezember 1994 (- 6 AZR 337/94 -).

30

II. Auch die Divergenzbeschwerde (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG) ist unbegründet.

31

1. Die unter C II 1 a, 2 a und 3 a angenommene Divergenz zwischen der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und der Rechtsprechung des Senats hinsichtlich der Frage, ob weitere Anforderungen als die anderweitige Beschäftigung an den Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich zu stellen sind, liegt nicht vor.

32

a) Das Landesarbeitsgericht hat den von der Beschwerde auf S. 96 gebildeten und auf S. 99 modifizierten abstrakten Rechtssatz nicht aufgestellt. Die Beschwerde will aus den dort genannten Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ableiten, dass dieses den abstrakten Obersatz aufgestellt habe, dass alle übrigen Voraussetzungen des TV SozSich, insbesondere das in § 3 normierte Erfordernis der Arbeitsuchendmeldung, nicht mehr zu prüfen seien und allgemein anspruchseinschränkende Tatbestandsmerkmale für die Geltendmachung des tarifvertraglichen Anspruchs nicht möglich seien(S. 100 f. der Beschwerdebegründung). Ein derartiger Rechtssatz ist jedoch den zitierten Passagen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen. Vielmehr hat das Landesarbeitsgericht auf S. 24 unten in der anzufechtenden Entscheidung ausgeführt, dass die Klägerin weitere tatbestandliche Voraussetzungen „nach Maßgabe der hier anzuwendenden Tarifnorm“ nicht habe einhalten müssen. Daraus folgt, dass sich das Landesarbeitsgericht mit den von der Beschwerde zitierten Passagen lediglich an die von ihm zuvor ausführlich im Wortlaut wiedergegebene Entscheidung des Senats vom 22. Dezember 1994 (- 6 AZR 337/94 -) hat anschließen wollen. Deshalb wären nähere Darlegungen der Beschwerde dazu erforderlich gewesen, dass das Landesarbeitsgericht mit der zitierten Passage nicht lediglich die von ihm in der angeführten Weise verstandene Rechtsprechung des Senats zusammenfassen, sondern einen eigenen, davon abweichenden abstrakten Rechtssatz aufstellen wollte.

33

b) Darüber hinaus hat der Senat mit den auf S. 97 f. der Beschwerdebegründung zitierten Passagen keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, sondern im Tatbestand nur den Tarifwortlaut wiedergegeben sowie das Ergebnis der Entscheidung genannt.

34

2. Die von der Beschwerde unter C II 1 b, 2 b und 3 b angenommene Divergenz zwischen der anzufechtenden Entscheidung und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich der Frage des Rechtsmissbrauchs liegt ebenfalls nicht vor. Wie in Rn. 32 ausgeführt, hat das Landesarbeitsgericht den von der Beschwerde auf S. 97 der Begründung gebildeten Rechtssatz nicht aufgestellt, sondern lediglich einzelfallbezogen einen Rechtsmissbrauch verneint.

35

III. Es liegt auch keine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG).

36

1. Die unter C IV 1 a erhobene Rüge, das Landesarbeitsgericht habe die Klage zu Unrecht als schlüssig angesehen, obwohl die Klägerin nicht einmal behauptet habe, sich arbeitsuchend gemeldet zu haben, betrifft lediglich vermeintliche Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts. Soweit die Beschwerde auf S. 108 der Beschwerdebegründung rügt, das Landesarbeitsgericht habe insoweit keinen Hinweis erteilt, fehlt es am erforderlichen Vortrag, was die Beklagte bei Erteilung des vermissten Hinweises vorgetragen hätte (BAG 14. März 2005 - 1 AZN 1002/04 - BAGE 114, 67), und damit an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit.

37

2. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu den Pflichten der Beklagten sind, wie in Rn. 24 ausgeführt, nicht tragend. Deshalb liegt in der vermeintlichen Verletzung der Hinweispflicht, die die Beschwerde unter C IV 1 b der Beschwerdebegründung rügt, keine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör. Zudem fehlt auch insoweit die Darlegung, was die Beklagte bei Erteilung des vermissten Hinweises konkret vorgetragen hätte. Die pauschalen Ausführungen unter C IV 2 b der Beschwerdebegründung sind nicht ausreichend.

38

3. Auch die unter C IV 1 c der Beschwerdebegründung gerügte Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör durch die Verletzung der richterlichen Fragepflicht durch das Landesarbeitsgericht liegt nicht vor. Wie ausgeführt, trifft bereits die Grundannahme der Beschwerde, das Landesarbeitsgericht habe es ausreichen lassen, dass der Arbeitgeber der Klägerin deren Anwesenheit nur vermutet habe, nicht zu. Zum anderen hat die Beklagte ihrer Pflicht, sich selbst Gehör zu verschaffen, nicht genügt und kann darum einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht geltend machen(BVerfG 18. August 2010 - 1 BvR 3268/07 - Rn. 28, BVerfGK 17, 479; BAG 14. Dezember 2010 - 6 AZN 986/10 - Rn. 25). Die Beklagte behauptet nicht, dass sie die Fragen, die nach ihrer Auffassung das Landesarbeitsgericht an den Zeugen hätte richten müssen, nicht selbst hätte stellen können.

39

IV. Der unter C III der Beschwerdebegründung geltend gemachte absolute Revisionsgrund (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG, § 547 Nr. 1 ZPO) ist nicht ordnungsgemäß dargelegt. Es ist nicht nachvollziehbar, inwieweit die ehrenamtlichen Richter der Spruchkammer nicht ordnungsgemäß zugeordnet worden sein sollen. Gemäß Ziff. II.3.a des der Beschwerdebegründung beiliegenden Geschäftsverteilungsplans des Landesarbeitsgerichts vom 10. Dezember 2014 ergibt sich die Zuteilung der ehrenamtlichen Richter an die einzelnen Kammern „aus den anliegenden Listen“. Diese Listen waren jedoch weder der per Fax noch der per EGPV übermittelten Fassung der Beschwerdebegründung beigefügt. Eine Verletzung des gesetzlichen Richters ist nicht aufgezeigt.

40

V. Der Senat sieht nach § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG von einer weiteren Begründung ab.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel     

        

        

        

    M. Jostes    

        

    Augat     

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.