Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 14. März 2017 - 8 Sa 402/16

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0314.8Sa402.16.00
bei uns veröffentlicht am14.03.2017

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 13.07.2016 - Az: 1 Ca 417/16 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich) vom 31.08.1971 über den 31.12. 2015 hinaus.

2

Die 1957 geborene Klägerin war von November 1984 bis zum 30.09. 2013 bei den US-Stationierungsstreitkräften zuletzt in der Abteilung „Zollermittlung" in H. beschäftigt. Die monatliche Grundvergütung betrug zuletzt 4.219,56 EUR brutto. Auf das Arbeitsverhältnis fanden der TVAL II und der TV SozSich Anwendung. Die US-Stationierungsstreitkräfte kündigten das Arbeitsverhältnis aus militärischen Gründen iSd. § 2 TV SozSich betriebsbedingt zum 30.09. 2013. Unmittelbar im Anschluss war die Klägerin vom 01.10.2013 bis 31.12.2013 in einer Transfergesellschaft beschäftigt.

3

Seit Januar 2014 ist die Klägerin entsprechend ihrem Arbeitsvertrag mit der Firma Bäcker G. GmbH vom 16.11.2014 (Bl. 8 - 13 dA) als Verkäuferin für Back- und Konditorenwaren mit 22 Stunden pro Woche zu einem Stundenlohn in Höhe von 10,30 EUR brutto beschäftigt. Die Klägerin hatte sich dabei nicht um eine bei der Firma Bäcker G. GmbH grundsätzlich mögliche Vollzeitbeschäftigung bemüht, sondern sich für eine Teilzeitbeschäftigung entschieden, weil sie sich nach ihrer eigenen Einschätzung gesundheitlich nicht in der Lage sah, die körperlichen Belastungen als Verkäuferin in einer Bäckerei vollschichtig zu tragen und sie zudem ihre 90-jährige Schwiegermutter betreuen wollte.

4

Die Beklagte leistete vom 01.01.2014 bis 31.12.2015 Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich.

5

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des TV SozSich lauten auszugsweise:

6

㤠2 Anspruchsvoraussetzungen

7

Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben Arbeitnehmer, die

8

1. wegen Personaleinschränkung

9

a) infolge einer Verringerung der Truppenstärke
b) … aus militärischen Gründen … entlassen werden, wenn sie

10

2. im Zeitpunkt der Entlassung

11

a) seit mindestens einem Jahr vollbeschäftigt sind,
b) mindestens fünf Beschäftigungsjahre … nachweisen können und das 40. Lebensjahr vollendet haben,
c) …
d) die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes oder des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen, und ihnen

12

3. keine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV AL II angeboten worden ist. …

13

§ 4 Überbrückungsbeihilfe

14

1. Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt:

15

a) zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte,
b) zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit …
c) zum Krankengeld … oder zum Verletztengeld …

16

17

4. Die Überbrückungsbeihilfe beträgt:

18

Im    

1. Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

100 v.H.

vom     

2. Jahr an

90 v.H.

19

des Unterschiedsbetrages zwischen der Bemessungsgrundlage (Ziff. 3a oder b) und den Leistungen gemäß vorstehenden Ziff. 1 und 2. …

20

5a. Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung …

21

25 Beschäftigungsjahre (…) und das 50. Lebensjahr vollendet haben, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziff. 1 bis 4 ohne zeitliche Begrenzung. …

22

Protokollnotiz zu Ziffer 1a

23

Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt."

24

Das zunächst befristete Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Firma Bäcker G. GmbH wurde ab dem 01.01.2016 zu in übrigen unveränderten Bedingungen unbefristet fortgeführt. Nachdem die Klägerin dies der Beklagten mitgeteilt hatte, stellte die Beklagte die bis dahin an die Klägerin gezahlte Überbrückungsbeihilfe zum 01.01.2016 ein.

25

Die Klägerin verfolgt daher mit der vorliegenden Klage ihre Ansprüche auf Überbrückungsbeihilfe in Höhe von rechnerisch jeweils zutreffend 2.629,78 EUR netto für Januar 2016 und 2.645,40 EUR netto für den Monat Februar 2017 sowie für die Zukunft weiter.

26

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen,
sie habe zur Kenntnis nehmen müssen, dass sowohl ihr fortgeschrittenes Lebensalter wie auch die während des langjährigen Arbeitsverhältnisses bei den US-Stationierungsstreitkräften erworbenen sehr speziellen, auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht nachgefragten Kenntnisse und Erfahrungen einen Wechsel in eine tatsächlich gleichwertige Arbeitsstelle unmöglich machten.

27

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

28

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.629,78 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. hieraus seit dem 01. März 2016 zu zahlen;

29

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.645,40 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. hieraus seit 01. April 2016 zu zahlen;

30

3. festzustellen, dass der Klägerin auf Grundlage ihres mit der Firma Bäcker G. GmbH, L., bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie auf Grundlage eines diesbezüglichen Bruttoarbeitsverdienstes der Klägerin in Höhe von monatlich mindestens 980,00 EUR - hilfsweise: auf Grundlage eines diesbezüglichen Bruttoarbeitsverdienstes des Klägerin in Höhe von monatlich mindestens 1.740,70 EUR - für die Zeit ab 01. März 2016 ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TASS) in Höhe des sich nach § 4 TASS jeweils monatlich zu errechnenden Betrages zusteht.

31

Die Beklagte hat beantragt,

32

die Klage abzuweisen.

33

Sie hat geltend gemacht,
auch wenn im Arbeitsvertrag der Klägerin aufgeführt sei, dass sie 22 Stunden arbeiten würde, werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin tatsächlich 22 Wochenstunden arbeite. Die Überbrückungsbeihilfe diene im Übrigen auch nicht dazu, Teilzeitwünsche auf Kosten der Steuerzahler zu befriedigen. Es genüge nicht, dass ein Arbeitnehmer lediglich die Mindestanforderungen des Tarifvertrages erfülle. Das Verhalten der Klägerin begründe den Einwand des Rechtsmissbrauchs.

34

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 13.07.2016 stattgegeben. Zur Begründung hat es zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin die tariflichen Voraussetzungen nach dem TV SozSich für die Gewährung der Überbrückungsbeihilfe erfülle. Der Rechtsmissbrauchseinwand der Beklagten greife nicht durch, da es der Klägerin nach einer langjährigen Beschäftigung bei den US-Streitkräften, die im fortgeschrittenen Alter nur noch schwer auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen konnte, nicht angelastet werden könne, dass sie ihr Arbeitsverhältnis bei der Firma Bäckerei G. GmbH an den Vorgaben des TV SozSich ausgerichtet und lediglich eine Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 22 Wochenstunden aufgenommen habe, obwohl auch eine Vollzeitbeschäftigung möglich gewesen wäre.

35

Gegen dieses Urteil, das der Beklagten am 12.08.2016 zugestellt worden ist, hat die Beklagte mit am 12.09.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26.10.2016 mit am 26.10.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

36

Sie macht nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 26.10.2016, auf den ergänzend Bezug genommen wird, zusammengefasst geltend,
es lasse sich entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts aus der Protokollnotiz zu § 4 TV SozSich nicht ableiten, dass man als ehemaliger Beschäftigter der Stationierungsstreitkräfte nur mehr als 21 Stunden arbeiten müsse, um einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu haben. Bei der Überbrückungsbeihilfe handele es sich um eine besondere staatliche Sozialleistung, die von ihr nur dann zu zahlen sei, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage sei, selbst eine dem früheren Gehalt vergleichbare Beschäftigung zu finden. Dagegen sei es nicht Sinn und Zweck der Überbrückungsbeihilfe, dass die Steuerzahler es entlassenen Arbeitnehmern der Stationierungsstreitkräfte ermöglichen würden, ohne wesentliche finanzielle Einbußen sich mit einem Arbeitsverhältnis als Anknüpfleistung auf "Minimalbasis" zufrieden zu geben. Im Übrigen könne die Klägerin bereits dem Grunde nach keine Überbrückungsbeihilfe beanspruchen, weil sie sich rechtsmissbräuchlich verhalten habe. Sie habe statt des ihr auch möglichen Vollzeitarbeitsverhältnisses als Verkäuferin lediglich eine Teilzeitarbeit, die zudem dem TV SozSich erforderliche Stundenzahl "gerade so" überschritten habe, aufgenommen. Mit diesem Verhalten habe die Klägerin ihre privaten Interessen rücksichtslos über die Interessen des Sozialstaates gestellt. Es bestehe eine Obliegenheit, seine Arbeitskraft bestmöglich auszunutzen.

37

Die Beklagte beantragt,

38

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 13.07.2016 - Az: 1 Ca 417/16 - wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

39

Die Klägerin beantragt,

40

die Berufung zurückzuweisen.

41

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie erfülle auch ab Januar 2016 die tariflichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Überbrückungsbeihilfe.

42

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

43

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO), aber unbegründet.

II.

44

Die Berufung der Beklagten hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, da das Arbeitsgericht der zulässigen Klage zu Recht stattgegeben hat. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin auch für die Zeit ab Januar 2016 weiter Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziffer 1 a TV SozSich zu gewähren.

45

1. Nach § 4 Ziff. 1 a TV SozSich wird Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt, wenn die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 2 TV SozSich - wie vorliegend unstreitig – erfüllt sind. Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nach der Protokollnotiz zu Ziff. 1 a nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt. Auch diese Anknüpfungsvoraussetzung ist vorliegend aufgrund der jedenfalls zuletzt unstreitig auf Grundlage des Arbeitsvertrages gegebenen regelmäßigen Arbeitszeit von 22 Stunden wöchentlich gegeben.

46

Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehen schon nach dem Wortlaut des § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich und der Protokollnotiz keine weiteren Anspruchsvoraussetzungen als eine "anderweitige Beschäftigung" mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mehr als 21 Wochenstunden (so ausdrücklich zuletzt BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 im Anschluss an LAG Rheinland-Pfalz 11.04.2016 - 3 Sa 310/15 sowie LAG Rheinland-Pfalz 07.06.2016 - 6 Sa 328/15; 13.06.2016 - 3 Sa 71/16; 18.08.2016 - 2 Sa 91/16 und 15.12.2016 - 5 Sa 249/16; sämtlich veröffentlicht in juris). Eine ergänzende Tarifvertragsauslegung kommt gleichfalls nicht in Betracht, es fehlt an der planwidrigen Regelungslücke.

47

Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer anschließt, ist die Überbrückungsbeihilfe eine steuerfinanzierte soziale Sonderleistung. Mit ihr sollen Nachteile, die sich aus einem geringeren Arbeitsverdienst in einem neuen Arbeitsverhältnis außerhalb der Stationierungsstreitkräfte oder aufgrund von Arbeitslosigkeit ergeben, überbrückt werden. Zugleich soll ein Anreiz dafür geschaffen werden, dass der Arbeitnehmer durch die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte im Arbeitsprozess verbleibt. Das Bundesarbeitsgericht hat weiter wiederholt und noch in jüngster Vergangenheit entschieden, dass sich die Anreizwirkung des § 4 TV SozSich vor allem durch die Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich entfaltet. Diese hält den Arbeitnehmer dazu an, im tariflich festgelegten Mindestbeschäftigungsumfang von mehr als 21 Stunden zu arbeiten. Das Bundesarbeitsgericht hat dabei klargestellt, dass sich die Tarifvertragsparteien bewusst für eine Begrenzung auf eine Mindestarbeitszeit, nicht aber für eine Mindesthöhe des anderweitigen Entgelts entschieden haben. Ihnen kam es offenkundig nicht darauf an, sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer ein Mindestmaß an Einkommen erzielt, um so die Leistungen des Bundes zu mindern. Sie wollten lediglich erreichen, dass der Arbeitnehmer eine Erwerbstätigkeit in einem Umfang ausübte, mit dem er nicht mehr als arbeitslos galt, und sich so wieder in den Arbeitsmarkt eingliederte; zugleich wollten sie eine Abgrenzung von dem Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe als Aufstockung zu den Leistungen der Arbeitsverwaltung bei Arbeitslosigkeit gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich vornehmen. Das Bundesarbeitsgericht hat außerdem ausdrücklich klargestellt, dass weitere Voraussetzungen für den Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich nicht bestehen und die Tarifvertragsparteien zwar das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs erkannt haben, sie gleichwohl aber die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur an eine Mindestarbeitszeit, nicht aber an einen Mindestlohn geknüpft haben. Schließlich hat das Bundesarbeitsgericht deutlich gemacht, dass die Gerichte an diese von der Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien geschützte Entscheidung gebunden sind (vgl. zuletzt BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 - Rn. 7 mwN,; LAG Rheinland-Pfalz 09.02.2017 -5 Sa 417/16, veröffentlicht in juris).

48

Zudem ist darüber hinaus durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ebenfalls geklärt, dass sich die Anreizwirkung des § 4 TV SozSich vor allem durch den Mindestbeschäftigungsumfang entfaltet, der sich aus der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich ergibt. Die Beklagte mag diese Anreizwirkung für zu schwach ausgeprägt halten, sie übersieht jedoch bei ihren Ausführungen - auch im Streitfall -, dass der Tarifvertrag weitere Anreize unzweideutig nicht schafft. Die Gleichwertigkeit zwischen dem neuen Arbeitsplatz und dem bei den Stationierungsstreitkräften weggefallenen Arbeitsplatz steht entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung nicht im Vordergrund. Die Tarifvertragsparteien haben lediglich einen Mindestbeschäftigungsumfang festgelegt. Sie wollten nicht sicherstellen, dass der Arbeitnehmer ein Mindestmaß an Einkommen erzielt, um so die Leistungen des Bundes zu mindern (vgl. zuletzt BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 - Rn. 15 mwN).

49

2. Der Klageanspruch entfällt auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB).

50

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 - Rn. 35, juris; vgl. zur Überbrückungsbeihilfe BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 24, NZA 1995, 1168). Schwierigkeiten, die sich aus fehlenden Kenntnismöglichkeiten ergeben, ist ggf. durch die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen (BAG 19. März 2014 - 7 AZR 527/12 –, Rn. 26, NZA 2014, 840). Die für den Einwand des Rechtsmissbrauchs darlegungsbelastete Beklagte vermochte keine Umstände vorzutragen, die ein rechtsmissbräuchliches Verhalten begründen könnten.

51

Die Beklagte stützt ihren Rechtsmissbrauchseinwand auf den unstreitigen Umstand, dass sich die Klägerin nicht um eine Vollzeitstelle bei ihrem jetzigen Arbeitgeber bemühte, sondern sich für eine Teilzeitbeschäftigung bei diesem mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 22 Stunden wöchentlich entschied, weil sie sich unstreitig auch um ihre Schwiegermutter kümmern wollte und sich nach ihrer eigenen Einschätzung auch nicht körperlich in der Lage sah, Vollzeit als Bäckereiverkäuferin zu arbeiten.

52

Der Klägerin kann jedoch insoweit vorliegend kein Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden. Allein der Umstand, dass beim selben Arbeitgeber auch eine Vollzeitstelle möglich erschien, reicht hierfür nicht aus. Denn die Klägerin hat lediglich die mit dem TV-SozSich eröffnete Gestaltungsmöglichkeit aus nicht weiter verwerflichen privaten Gründen wahrgenommen.

53

Das Vorbringen der Beklagten läuft letztlich im vorliegenden Fall darauf hinaus, über den Einwand des Rechtsmissbrauchs allgemein anspruchsverschärfende Tatbestandsmerkmale für die Geltendmachung der tarifvertraglichen Überbrückungsbeihilfe aufzustellen, die die Tarifvertragsparteien nicht normiert haben. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch hierzu bereits ausgeführt, dass die Beklagte bei ihrer Argumentation zur Rechtsmissbräuchlichkeit übersieht, dass in der Ausnutzung rechtlich eröffneter Gestaltungsmöglichkeiten keine unzulässige Umgehung von Rechtsnormen liegt. Arbeitnehmer, die Arbeitsverträge mit einer Beschäftigungsdauer von mehr als 21 Stunden schließen, nutzen - anders als ein zuvor arbeitsloser Arbeitnehmer, der im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit seiner Rentenberechtigung ein Arbeitsverhältnis begründet, um sich weiterhin den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu sichern - lediglich tariflich eröffnete Gestaltungsmöglichkeiten, die ihnen von den Tarifvertragsparteien eingeräumt worden sind. Ein Rechtsmissbrauch liegt darum entgegen der Ansicht der Berufung nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer weniger Wochenstunden arbeitet als zuvor bei den Stationierungsstreitkräften oder der Arbeitnehmer unterhalb seines Qualifikationsniveaus bzw. seiner Berufserfahrung arbeitet. Insbesondere liegt eine Rechtsmissbräuchlichkeit nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer „punktgenau“ die tarifliche Mindestbeschäftigungsdauer vereinbart (vgl. ausdrücklich BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 - Rn. 20 mwN).

54

Die aus Sicht der Beklagten verfehlte Anreizwirkung kann sie daher nicht mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs oder mit dem Verweis auf eine Rücksichtnahmepflicht erfolgreich begegnen. Vielmehr kann sie ihr Ziel eines Tarifinhalts, der ihre wirtschaftlichen Interessen besser berücksichtigt nur durch Tarifvertragsverhandlungen erreichen (vgl. hierzu auch ausdrücklich BAG 26.01.2017 - 6 AZN 835/16 - Rn. 23).

III.

55

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

56

Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 14. März 2017 - 8 Sa 402/16 zitiert 7 §§.

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Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

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Tenor

1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. April 2016 - 3 Sa 310/15 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 34.929,60 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

I. Die Grundsatzbeschwerde (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) ist unbegründet.

3

1. Die von der Beschwerde unter C I 1 a, b, c, e, f, i, l, m, q und s aufgeworfenen Rechtsfragen haben bereits deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie geklärt sind.

4

a) Eine Frage ist nur dann klärungsbedürftig, wenn sie entweder noch nicht höchstrichterlich entschieden ist oder zwar entschieden ist, aber gewichtige Gesichtspunkte gegen diese Entscheidung vorgebracht werden. Klärungsbedürftigkeit setzt damit voraus, dass die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage zweifelhaft ist (BVerfG 4. November 2008 - 1 BvR 2587/06 - Rn. 19; BAG 13. Juni 2006 - 9 AZN 226/06 - Rn. 7, BAGE 118, 247).

5

b) Die Beantwortung der og., von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen ist nicht zweifelhaft.

6

aa) Die Rechtsfragen unter C I 1 a, b, i und s betreffen in unterschiedlicher Formulierung die Frage, welche Bedeutung die in § 3 Ziff. 2 TV SozSich normierte Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitsuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden, für einen nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich geforderten Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe hat. Durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist geklärt, dass Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich bereits dann zusteht, wenn der Arbeitnehmer eine Beschäftigung von mehr als 21 Stunden ausübt, sofern kein Scheinarbeitsverhältnis vorliegt. Weitere Voraussetzungen für diesen Anspruch sind tariflich nicht normiert. Damit ist zugleich geklärt, dass der Arbeitnehmer, der eine anspruchsauslösende Beschäftigung ausübt, sich nicht noch zusätzlich arbeitsuchend bzw. arbeitslos melden muss, um den Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich zu erlangen. Dies ist zudem offenkundig.

7

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Überbrückungsbeihilfe eine steuerfinanzierte soziale Sonderleistung. Mit ihr sollen Nachteile, die sich aus einem geringeren Arbeitsverdienst in einem neuen Arbeitsverhältnis außerhalb der Stationierungsstreitkräfte oder aufgrund von Arbeitslosigkeit ergeben, überbrückt werden. Zugleich soll ein Anreiz dafür geschaffen werden, dass der Arbeitnehmer durch die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte im Arbeitsprozess verbleibt (zuletzt BAG 22. September 2016 - 6 AZR 397/15 - Rn. 15). Der Senat hat weiter wiederholt und noch in jüngster Vergangenheit entschieden, dass sich die Anreizwirkung des § 4 TV SozSich vor allem durch die Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich entfaltet. Diese hält den Arbeitnehmer dazu an, im tariflich festgelegten Mindestbeschäftigungsumfang von mehr als 21 Stunden zu arbeiten. Der Senat hat dabei klargestellt, dass sich die Tarifvertragsparteien bewusst für eine Begrenzung auf eine Mindestarbeitszeit, nicht aber für eine Mindesthöhe des anderweitigen Entgelts entschieden haben. Ihnen kam es offenkundig nicht darauf an, sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer ein Mindestmaß an Einkommen erzielt, um so die Leistungen des Bundes zu mindern. Sie wollten lediglich erreichen, dass der Arbeitnehmer eine Erwerbstätigkeit in einem Umfang ausübte, mit dem er nicht mehr als arbeitslos galt, und sich so wieder in den Arbeitsmarkt eingliederte; zugleich wollten sie eine Abgrenzung von dem Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe als Aufstockung zu den Leistungen der Arbeitsverwaltung bei Arbeitslosigkeit gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich vornehmen. Der Senat hat außerdem ausdrücklich klargestellt, dass weitere Voraussetzungen für den Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich nicht bestehen und die Tarifvertragsparteien zwar das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs erkannt haben, sie gleichwohl aber die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur an eine Mindestarbeitszeit, nicht aber an einen Mindestlohn geknüpft haben. Schließlich hat er deutlich gemacht, dass die Gerichte an diese von der Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien geschützte Entscheidung gebunden sind (BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 21 f.; 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - zu II 1 und 2 der Gründe).

8

(2) Entgegen der auf S. 39 und S. 43 f. der Beschwerdebegründung geäußerten Ansicht der Beklagten beziehen sich vorstehend zusammengefasste Aussagen des Senats nicht nur auf die „Qualität der anderweitigen Tätigkeit“, ohne andere Anspruchsvoraussetzungen zu klären. Sie enthalten vielmehr fallübergreifende und nach wie vor gültige Aussagen zum Bedeutungsgehalt der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich und zu den sich daraus ergebenden Anforderungen an eine Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte, die einen Anspruch des früheren Arbeitnehmers der Stationierungsstreitkräfte auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich auslöst.

9

(3) Durch diese Rechtsprechung ist geklärt, jedenfalls aber offenkundig, dass die den zu C I 1 a, b, i und s formulierten Fragen zugrunde liegende Annahme der Beklagten nicht zutrifft, aus § 3 Ziff. 2 TV SozSich lasse sich als weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich die Verpflichtung des Arbeitnehmers entnehmen, sich arbeitsuchend zu melden.

10

(a) Die Beklagte nimmt dabei bereits den Wortlaut des § 3 Ziff. 2 TV SozSich nicht zur Kenntnis. Danach hat sich der Arbeitnehmer nach der Kündigung arbeitsuchend, nach der Entlassung aber arbeitslos zu melden. Die von der Beklagten der tariflichen Regelung entnommene Verpflichtung, sich noch nach der Entlassung, dh. nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG 15. Dezember 2016 - 6 AZR 478/15 -; 20. Mai 1999 - 6 AZR 601/97 - zu II 1 a der Gründe) „arbeitsuchend“ zu melden, besteht schon nach dem unzweideutigen Tarifwortlaut des § 3 Ziff. 2 TV SozSich nicht.

11

(b) Darüber hinaus ist durch die Rechtsprechung des Senats sowie des Bundessozialgerichts geklärt, dass ein Arbeitnehmer, der eine Beschäftigung im vom TV SozSich verlangten Mindestumfang von mehr als 21 Stunden ausübt, nicht arbeitslos ist und sich darum auch nicht mehr gemäß § 3 Ziff. 2 TV SozSich nach seiner Entlassung arbeitslos melden kann. Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer gemäß § 138 Abs. 1 SGB III nur dann, wenn er beschäftigungslos ist (Nr. 1), sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Nr. 2), und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Nr. 3). Aus § 138 Abs. 1 Nr. 1 iVm. Abs. 3 Satz 1 SGB III folgt im Umkehrschluss, dass eine Erwerbstätigkeit von 15 Stunden wöchentlich und mehr die Beschäftigungslosigkeit ausschließt (BSG 3. Dezember 2009 - B 11 AL 28/08 R - Rn. 11 zur Vorgängerbestimmung § 119 Abs. 3 Satz 1 SGB III aF; vgl. auch BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 24). Ein Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis mit einer vereinbarten Arbeitszeit von mehr als 21 Stunden ist darum nicht arbeitslos.

12

(c) Vor diesem höchstrichterlich entschiedenen sozialversicherungsrechtlichen Hintergrund ist geklärt, jedenfalls aber offenkundig, dass der Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich nicht davon abhängt, dass der Arbeitnehmer sich gemäß § 3 Ziff. 2 TV SozSich nach der Kündigung arbeitsuchend und nach seiner Entlassung arbeitslos meldet. Daraus folgt zugleich, dass das von der Beschwerde auf S. 109 der Beschwerdebegründung aufgeworfene Gleichheitsproblem nicht besteht. Entgegen den Ausführungen auf S. 58 f. der Beschwerdebegründung folgt aus dem weit gefassten Zumutbarkeitsbegriff des § 2 Ziff. 3 Satz 2 TV SozSich iVm. § 1 Ziff. 3 ff. KSch TV und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt 17. März 2016 - 6 AZR 92/15 - Rn. 18 f.) nichts anderes. Diese Bestimmungen sollen so weit als möglich sicherstellen, dass Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz gerade nicht verlieren. Darum sollen sie eher weiter entfernt tätig werden müssen, als aus dem Arbeitsprozess ausscheiden (BAG 17. März 2016 - 6 AZR 92/15 - Rn. 19). Dagegen soll der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe den Besitzstand der Arbeitnehmer sichern, die gleichwohl ihren Arbeitsplatz verloren haben. Dieser unterschiedliche Bedeutungsgehalt ist offenkundig und bedarf daher keiner Klärung durch die Zulassung der Revision.

13

(d) § 3 Ziff. 2 TV SozSich hat damit nur Bedeutung für den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich. Dies hat im Übrigen die Beklagte in der Ausgangsfassung ihrer Erläuterungen und Verfahrensrichtlinien zur Durchführung des TV SozSich als Anlage zum Schreiben des BMWF vom 31. August 1971 (- F/Z B 5 - P 2300 - 36/71 -) selbst so verstanden. Darin heißt es zu § 3 Ziff. 2:

        

„Die Meldung des entlassenen Arbeitnehmers beim Arbeitsamt und seine Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung sind Voraussetzung zur Erlangung der Leistungen nach dem AFG; sie sind insoweit auch Voraussetzung eines Anspruchs auf Überbrückungsbeihilfe zu diesen Leistungen.

        

…“    

14

bb) Auch die von der Beschwerde unter C I 1 c, f, l und m aufgeworfenen Rechtsfragen, die in unterschiedlich formulierter Weise die Frage betreffen, wann das außerhalb der Stationierungsstreitkräfte begründete Arbeitsverhältnis rechtsmissbräuchlich gestaltet ist, so dass kein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich besteht, sind geklärt.

15

(1) Durch die in Rn. 7 dieses Beschlusses genannten Entscheidungen ist geklärt, dass sich die Anreizwirkung des § 4 TV SozSich vor allem durch den Mindestbeschäftigungsumfang entfaltet, der sich aus der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich ergibt. Die Beklagte mag diese Anreizwirkung für zu schwach ausgeprägt halten, sie übersieht jedoch bei ihren Ausführungen, insbesondere auf S. 17 bis S. 23 der Beschwerdebegründung, dass der Tarifvertrag weitere Anreize unzweideutig nicht schafft. Die Gleichwertigkeit zwischen dem neuen Arbeitsplatz und dem bei den Stationierungsstreitkräften weggefallenen Arbeitsplatz steht entgegen der von der Beschwerde auf S. 19 vertretenen Auffassung gerade nicht im Vordergrund. Die Tarifvertragsparteien haben lediglich einen Mindestbeschäftigungsumfang festgelegt, ohne ein bestimmtes Entgelt oder ein bestimmtes Beschäftigungsniveau zu verlangen. Sie wollten nicht sicherstellen, dass der Arbeitnehmer ein Mindestmaß an Einkommen erzielt, um so die Leistungen des Bundes zu mindern (BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 22).

16

(2) Die von der Beschwerde auf S. 63 der Begründung zitierte Passage aus der Entscheidung des Senats vom 31. Juli 2014 (- 6 AZR 993/12 - Rn. 24) ist aus dem Zusammenhang gerissen. Ihr lässt sich, anders als die Beschwerde annimmt, keineswegs entnehmen, dass der Vorgang der Wiedereingliederung „verschiedene Ausbaustufen“ haben kann und es verschiedenartige Tätigkeiten gebe, die das Ziel der Wiedereingliederung in unterschiedlichen Maßen verwirklichten. Die von der Beschwerde herangezogene Passage bezieht sich vielmehr unzweideutig nur auf die Frage, ob die Differenzierung zwischen Teilzeitbeschäftigten, die mehr oder weniger als 21 Stunden wöchentlich arbeiten, im Hinblick auf die seit Abschluss des TV SozSich im Jahre 1971 eingetretenen Änderungen im Sozialversicherungsrecht weiterhin gerechtfertigt ist. Wäre das vom Senat verneint worden, hätte dies nicht „verschiedene Ausbaustufen der Wiedereingliederung“, sondern unter Umständen die Unwirksamkeit der von der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich geforderten Mindestbeschäftigungsdauer zur Folge gehabt, so dass jede noch so geringfügige Beschäftigung den Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich auslösen würde.

17

(3) Der Hinweis auf S. 20 der Beschwerdebegründung auf die „amtlichen Erläuterungen zum TV SozSich“ begründet ebenso wenig einen Klärungsbedarf wie der Hinweis auf das auf S. 40 f. der Beschwerdebegründung zitierte Bulletin sowie auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung, auf das sich die Beschwerde ua. auf S. 41 und S. 56 der Beschwerdebegründung stützt. Einseitige Auslegungen der Beklagten als Tarifvertragspartei sind wie die Rundschreiben einer Tarifvertragspartei kein Hilfsmittel der Auslegung für tarifliche Normen, wenn ihr Inhalt in diesen wie vorliegend keinen Ausdruck findet (vgl. BAG 23. September 2010 - 6 AZR 338/09 - Rn. 18, BAGE 135, 318). Das gilt erst recht, wenn sich der Hinweis, auf den sich die Beschwerde auf S. 20 der Beschwerdebegründung im zweiten Absatz stützt, lediglich aus einem von der Beklagten erstellten Merkblatt ergibt. Der in diesem Merkblatt zum Ausdruck kommende, von den wirtschaftlichen Interessen der Beklagten getragene Wunsch hat im Tarifvertrag keinen Niederschlag gefunden.

18

(4) Bei ihren Ausführungen auf S. 21 bis S. 23 der Beschwerdebegründung, dass die Tarifvertragsparteien bei der Festlegung der Mindestbeschäftigungsdauer von den Gegebenheiten und Auffassungen der frühen 70er Jahre ausgegangen seien, übersieht die Beklagte, dass die Tarifvertragsparteien die von der Klägerin in Anspruch genommene Gestaltungsmöglichkeit auch schon im Jahr 1971 bei Abschluss des Tarifvertrags hätten unterbinden können, aber nicht unterbunden haben, sondern nur einen Mindestbeschäftigungsumfang von mehr als 21 Stunden verlangt haben.

19

(5) Die von der Beschwerde auf S. 47 der Begründung herangezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Juni 2006 (- 9 AZR 229/05 - BAGE 118, 252) betrifft die gänzlich andersgelagerte Frage der Anforderungen an eine stufenweise Wiedereingliederung eines Arbeitnehmers in das Erwerbsleben nach § 28 SGB IX. Die Ausführungen aus der Entscheidung vom 13. Juni 2006 können für die Frage, ob eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt im Sinne des TV SozSich vorliegt, nicht herangezogen werden und deshalb einen Klärungsbedarf ebenfalls nicht begründen.

20

(6) Die Beschwerde übersieht bei ihrer auf die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit der arbeitsrechtlichen Ausgestaltung der Arbeitsverträge, die von den Stationierungsstreitkräften entlassene Arbeitnehmer schließen, zielenden Argumentation, dass in der Ausnutzung rechtlich eröffneter Gestaltungsmöglichkeiten keine unzulässige Umgehung von Rechtsnormen liegt (BAG 27. November 2008 - 6 AZR 632/08 - Rn. 28 f., BAGE 128, 317). Arbeitnehmer, die Arbeitsverträge mit einer Beschäftigungsdauer von mehr als 21 Stunden schließen, nutzen - anders als ein zuvor arbeitsloser Arbeitnehmer, der im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit seiner Rentenberechtigung ein Arbeitsverhältnis begründet, um sich weiterhin den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu sichern - lediglich tariflich eröffnete Gestaltungsmöglichkeiten, die ihnen von den Tarifvertragsparteien eingeräumt worden sind (vgl. zur nicht eröffneten Gestaltungsmöglichkeit bei Wegfall der Anspruchsgrundlage nach § 4 Ziff. 1 TV SozSich BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 383/12 - Rn. 14 f.). Ein Rechtsmissbrauch liegt darum entgegen der Ansicht der Beschwerdebegründung nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer weniger Wochenstunden arbeitet als zuvor bei den Stationierungsstreitkräften oder der Arbeitnehmer unterhalb seines Qualifikationsniveaus bzw. seiner Berufserfahrung arbeitet. Insbesondere liegt eine Rechtsmissbräuchlichkeit nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer „punktgenau“ die tarifliche Mindestbeschäftigungsdauer vereinbart.

21

cc) Die von der Beschwerde unter C I 1 e formulierte Frage zur Erreichung des Ziels der Eingliederung in den Arbeitsprozess iSv. § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich ist durch die Entscheidungen des Senats vom 31. Juli 2014 (- 6 AZR 993/12 - Rn. 22 f.) sowie vom 22. Dezember 1994 (- 6 AZR 337/94 -) aus vorstehend genannten Gründen geklärt.

22

dd) Auch die unter C I 1 q aufgeworfene Rechtsfrage zur Beweislast für ein rechtsmissbräuchliches Arbeitsverhältnis ist nicht klärungsbedürftig. Diese Beweislast richtet sich nach den allgemeinen Beweislastverteilungsgrundsätzen. Wer sich auf ein Scheingeschäft beruft, trägt dafür die Beweislast. Das gilt auch für die Behauptung, bei einem Arbeitsvertrag handele es sich um ein Scheingeschäft (BAG 18. September 2014 - 6 AZR 145/13 - Rn. 23). Nach dem allgemeinen Grundsatz, dass derjenige die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt, wer den Anspruch erhebt, ist derjenige, der sich auf einen Rechtsmissbrauch oder die Sittenwidrigkeit beruft, für das Vorliegen von Umständen, die eine solche Einschätzung rechtfertigen, darlegungs- und beweispflichtig (vgl. BAG 27. Juni 2012 - 5 AZR 496/11 - Rn. 13). Nichts anderes gilt für die Frage der Sittenwidrigkeit oder Rechtsmissbräuchlichkeit eines von einem ehemaligen Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte begründeten Arbeitsverhältnisses (BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - zu II 3 der Gründe).

23

c) Die Tatsache, dass die unter I 1 b dieses Beschlusses erörterten Rechtsfragen geklärt sind, wird dadurch bestätigt, dass die Erwägung der Beklagten zu der von ihr für richtig gehaltenen Auslegung des TV SozSich weit überwiegend dem tarifpolitischen Bereich oder anderen, mit dem TV SozSich nicht vergleichbaren Regelungen entnommen sind. Sie betreffen eine aus Sicht der Beklagten verfehlte Anreizwirkung, die den Arbeitnehmer, wie sie auf S. 48 der Beschwerdebegründung ausführt, „ermunterten“, sich auf ihre Kosten „auszuruhen“. Dass die vorstehend wiedergegebene Rechtsprechung außer von ihr noch von Gerichten oder im Schrifttum in Zweifel gezogen wird, legt sie dagegen nicht dar. Die Beklagte will lediglich ihre Interpretation vom Begriff der Überbrückungsbeihilfe, wie sie sie auf S. 66 ff. entwickelt, und den sich daraus ergebenden Anspruchsvoraussetzungen für eine solche Zahlung an die Stelle der tariflichen Ausgestaltung dieser steuerfinanzierten Sonderzahlung in ihrer Interpretation durch den Senat setzen. Ihr Ziel eines Tarifinhalts, der ihre wirtschaftlichen Interessen besser berücksichtigt, kann sie jedoch nicht durch den Einwand erreichen, der langjährige Bezug von Überbrückungsbeihilfe in Fällen wie denen der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich, sondern nur durch Tarifvertragsverhandlungen. Darum stellt sich die auf S. 30 der Beschwerdebegründung im dritten Absatz angesprochene Frage nicht.

24

2. Die unter C I 1 d, o und p aufgeworfenen Fragen, die die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auf S. 28 f., eher im Gegenteil sei davon auszugehen, dass das Verhalten der Beklagten widersprüchlich sei, betreffen, sind nicht entscheidungserheblich. Diese Überlegungen sind nicht tragend, sondern vom Landesarbeitsgericht lediglich ergänzend angestellt worden. Entgegen der auf S. 38 der Beschwerdebegründung geäußerten Auffassung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht dadurch nicht die an die Klägerin zu stellenden Anforderungen relativiert. Auf die auf S. 51 f. der Begründung angesprochene Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Tätigwerden der Beklagten zu verlangen ist, kommt es darum nicht an.

25

3. Auch die unter C I 1 g, h, j und k sowie r formulierten Rechtsfragen sind nicht entscheidungserheblich. Die Rechtsfragen zu C I 1 g, h, j und k können zudem nur abhängig von den Umständen des Einzelfalls beantwortet werden und sind bereits darum nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

26

a) Die unter C I 1 g und h formulierten Fragen sind nicht entscheidungserheblich. Das Landesarbeitsgericht hat es entgegen der auf S. 42 der Beschwerdebegründung dargelegten Annahme der Beklagten nicht für das Vorliegen der tariflich erforderlichen Stundenzahl bzw. arbeitsvertraglichen Leistungen ausreichen lassen, dass der Arbeitgeber vermute, dass derartige Leistungen erbracht werden. Das Landesarbeitsgericht hat lediglich nicht beanstandet, dass der Zeuge nicht minuziös angeben konnte, wie viele Stunden die Klägerin an welchen Tagen tatsächlich gearbeitet habe.

27

b) Den unter C I 1 j und k formulierten Rechtsfragen fehlt ebenfalls die Entscheidungserheblichkeit. Das Landesarbeitsgericht hat entgegen der auf S. 45 der Beschwerdebegründung geäußerten Annahme der Beklagten nicht die Prüfung eines Rechtsmissbrauchs immer dann abgelehnt, wenn Rechtsmissbrauch nicht tatbestandlich erwähnt wird. Es ist auf S. 27 der anzufechtenden Entscheidung, anders als die Beklagte auf S. 46 der Beschwerdebegründung annimmt, auch nicht davon ausgegangen, es liege eine bewusste Regelungslücke vor. Aus der Gesamtschau der Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auf S. 26 unten bis S. 28 oben ergibt sich vielmehr, dass es die Möglichkeit einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme der Überbrückungsbeihilfe nicht generell ausgeschlossen und auch keine diesbezügliche Regelungslücke im TV SozSich angenommen hat. Es hat lediglich einzelfallbezogen - und rechtlich zutreffend - ausgeführt, dass aufgrund der tarifvertraglichen Ausgestaltung des Anspruchs auf die Überbrückungsbeihilfe die von der Beklagten angeführten tatsächlichen Umstände, namentlich die „unterwertige“ Tätigkeit sowie die Nichtteilnahme an Lohnerhöhungen, eine Sittenwidrigkeit bzw. einen Rechtsmissbrauch nicht begründen könnten. Das zeigt der Schlusssatz auf S. 27 unten/S. 28 oben, wonach es „insgesamt“ nicht zu beanstanden sei, wenn ein Arbeitnehmer sich auf ein Teilzeitarbeitsverhältnis mit mehr als 21 Wochenarbeitsstunden einlasse, um die tarifvertraglichen Voraussetzungen für die Überbrückungsbeihilfe zu erfüllen, so dass der Klägerin „insoweit“ ein rechtlich erheblicher Vorwurf nicht gemacht werden könne.

28

c) Die unter C I 1 r formulierte Rechtsfrage ist nicht entscheidungserheblich. Mit der Frage, ob ein sittenwidriges bzw. rechtsmissbräuchliches Arbeitsverhältnis zum vollkommenen Wegfall der Überbrückungsbeihilfe führt, hat sich das Landesarbeitsgericht, wie die Beschwerde auf S. 54 der Begründung erkennt, nicht befasst. Ausgehend von seinem Lösungsansatz musste es auf diese Rechtsfrage nicht eingehen. Die Beschwerde legt nicht dar, inwieweit die aufgeworfene Frage gleichwohl entscheidungserheblich ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt zu dieser Frage keinen allgemeinen Rechtssatz aufgestellt, so dass das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Handhabung des Rechts nicht berührt ist und die Entscheidung insoweit auch deshalb keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. BVerfG 25. März 2010 - 1 BvR 882/09 - Rn. 19, BVerfGK 17, 196).

29

4. Unter C I 1 n zeigt die Beschwerde keine klärungsbedürftige Rechtsfrage auf, sondern bittet um eine Interpretation der Entscheidung des Senats vom 22. Dezember 1994 (- 6 AZR 337/94 -).

30

II. Auch die Divergenzbeschwerde (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG) ist unbegründet.

31

1. Die unter C II 1 a, 2 a und 3 a angenommene Divergenz zwischen der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und der Rechtsprechung des Senats hinsichtlich der Frage, ob weitere Anforderungen als die anderweitige Beschäftigung an den Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich zu stellen sind, liegt nicht vor.

32

a) Das Landesarbeitsgericht hat den von der Beschwerde auf S. 96 gebildeten und auf S. 99 modifizierten abstrakten Rechtssatz nicht aufgestellt. Die Beschwerde will aus den dort genannten Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ableiten, dass dieses den abstrakten Obersatz aufgestellt habe, dass alle übrigen Voraussetzungen des TV SozSich, insbesondere das in § 3 normierte Erfordernis der Arbeitsuchendmeldung, nicht mehr zu prüfen seien und allgemein anspruchseinschränkende Tatbestandsmerkmale für die Geltendmachung des tarifvertraglichen Anspruchs nicht möglich seien(S. 100 f. der Beschwerdebegründung). Ein derartiger Rechtssatz ist jedoch den zitierten Passagen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen. Vielmehr hat das Landesarbeitsgericht auf S. 24 unten in der anzufechtenden Entscheidung ausgeführt, dass die Klägerin weitere tatbestandliche Voraussetzungen „nach Maßgabe der hier anzuwendenden Tarifnorm“ nicht habe einhalten müssen. Daraus folgt, dass sich das Landesarbeitsgericht mit den von der Beschwerde zitierten Passagen lediglich an die von ihm zuvor ausführlich im Wortlaut wiedergegebene Entscheidung des Senats vom 22. Dezember 1994 (- 6 AZR 337/94 -) hat anschließen wollen. Deshalb wären nähere Darlegungen der Beschwerde dazu erforderlich gewesen, dass das Landesarbeitsgericht mit der zitierten Passage nicht lediglich die von ihm in der angeführten Weise verstandene Rechtsprechung des Senats zusammenfassen, sondern einen eigenen, davon abweichenden abstrakten Rechtssatz aufstellen wollte.

33

b) Darüber hinaus hat der Senat mit den auf S. 97 f. der Beschwerdebegründung zitierten Passagen keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, sondern im Tatbestand nur den Tarifwortlaut wiedergegeben sowie das Ergebnis der Entscheidung genannt.

34

2. Die von der Beschwerde unter C II 1 b, 2 b und 3 b angenommene Divergenz zwischen der anzufechtenden Entscheidung und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich der Frage des Rechtsmissbrauchs liegt ebenfalls nicht vor. Wie in Rn. 32 ausgeführt, hat das Landesarbeitsgericht den von der Beschwerde auf S. 97 der Begründung gebildeten Rechtssatz nicht aufgestellt, sondern lediglich einzelfallbezogen einen Rechtsmissbrauch verneint.

35

III. Es liegt auch keine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG).

36

1. Die unter C IV 1 a erhobene Rüge, das Landesarbeitsgericht habe die Klage zu Unrecht als schlüssig angesehen, obwohl die Klägerin nicht einmal behauptet habe, sich arbeitsuchend gemeldet zu haben, betrifft lediglich vermeintliche Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts. Soweit die Beschwerde auf S. 108 der Beschwerdebegründung rügt, das Landesarbeitsgericht habe insoweit keinen Hinweis erteilt, fehlt es am erforderlichen Vortrag, was die Beklagte bei Erteilung des vermissten Hinweises vorgetragen hätte (BAG 14. März 2005 - 1 AZN 1002/04 - BAGE 114, 67), und damit an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit.

37

2. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu den Pflichten der Beklagten sind, wie in Rn. 24 ausgeführt, nicht tragend. Deshalb liegt in der vermeintlichen Verletzung der Hinweispflicht, die die Beschwerde unter C IV 1 b der Beschwerdebegründung rügt, keine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör. Zudem fehlt auch insoweit die Darlegung, was die Beklagte bei Erteilung des vermissten Hinweises konkret vorgetragen hätte. Die pauschalen Ausführungen unter C IV 2 b der Beschwerdebegründung sind nicht ausreichend.

38

3. Auch die unter C IV 1 c der Beschwerdebegründung gerügte Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör durch die Verletzung der richterlichen Fragepflicht durch das Landesarbeitsgericht liegt nicht vor. Wie ausgeführt, trifft bereits die Grundannahme der Beschwerde, das Landesarbeitsgericht habe es ausreichen lassen, dass der Arbeitgeber der Klägerin deren Anwesenheit nur vermutet habe, nicht zu. Zum anderen hat die Beklagte ihrer Pflicht, sich selbst Gehör zu verschaffen, nicht genügt und kann darum einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht geltend machen(BVerfG 18. August 2010 - 1 BvR 3268/07 - Rn. 28, BVerfGK 17, 479; BAG 14. Dezember 2010 - 6 AZN 986/10 - Rn. 25). Die Beklagte behauptet nicht, dass sie die Fragen, die nach ihrer Auffassung das Landesarbeitsgericht an den Zeugen hätte richten müssen, nicht selbst hätte stellen können.

39

IV. Der unter C III der Beschwerdebegründung geltend gemachte absolute Revisionsgrund (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG, § 547 Nr. 1 ZPO) ist nicht ordnungsgemäß dargelegt. Es ist nicht nachvollziehbar, inwieweit die ehrenamtlichen Richter der Spruchkammer nicht ordnungsgemäß zugeordnet worden sein sollen. Gemäß Ziff. II.3.a des der Beschwerdebegründung beiliegenden Geschäftsverteilungsplans des Landesarbeitsgerichts vom 10. Dezember 2014 ergibt sich die Zuteilung der ehrenamtlichen Richter an die einzelnen Kammern „aus den anliegenden Listen“. Diese Listen waren jedoch weder der per Fax noch der per EGPV übermittelten Fassung der Beschwerdebegründung beigefügt. Eine Verletzung des gesetzlichen Richters ist nicht aufgezeigt.

40

V. Der Senat sieht nach § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG von einer weiteren Begründung ab.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel     

        

        

        

    M. Jostes    

        

    Augat     

                 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserlautern vom 19.05.2015, Az.: 8 Ca 260/15 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob die Beklagte zur Zahlung von Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag für soziale Sicherung (TV SozSich) verpflichtet ist.

2

Die Klägerin war von 1972 bis 2004 bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigt, zuletzt als qualifizierte Buchhalterin gegen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 4.492,00 Euro. Die Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe des § 4 TV SozSich wird nach Maßgabe einer Protokollnotiz geleistet, wenn mehr als 21 Stunden in einem anderen Arbeitsverhältnis abgeleistet werden.

3

Seit 2006 hat die Klägerin einen Arbeitsvertrag mit dem Malerbetrieb G., hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 14 d. A. Bezug genommen wird, als „Büroaushilfe" mit 22 Arbeitsstunden pro Woche. In diesem Arbeitsvertrag wird auf den Maler- und Lackierertarifvertrag verwiesen und die Klägerin in die Vergütungsgruppe K 1 eingruppiert. Die Klägerin erhielt zunächst 612,15 Euro. Die Vergütung wurde bis September 2014 nicht erhöht.

4

Die Überbrückungsbeihilfe wird über die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion - Lohnstelle ausländische Streitkräfte - abgewickelt. Regelmäßig hat die Klägerin die Abrechnungen aus ihrem Arbeitsverhältnis dort eingereicht und die Überbrückungsbeihilfe bis einschließlich September 2014 auch tatsächlich erhalten. Erst danach hat die ADD moniert, die Vergütung sei sittenwidrig.

5

Die Klägerin und ihr Arbeitsvertragspartner, der Malerbetrieb G. haben daraufhin die Vergütung auf 820,00 Euro brutto erhöht. Gleichwohl stellte die ADD Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zum 01.10.2014 vollständig ein.

6

Die Klägerin hat vorgetragen,
sie habe trotz zahlreicher Bewerbungen keinen gleichwertigen Arbeitsplatz erhalten können. Sie habe erkennen müssen, dass die bei den Streitkräften erworbenen Kenntnisse außerhalb der Streitkräfte nichts wert seien. Bei ihrem Ausscheiden sei sie Klägerin 52 Jahre alt gewesen und deshalb auf dem Arbeitsmarkt kaum noch zu vermitteln gewesen. Sie verrichte beim Malerbetrieb G. einfache Büroarbeiten, wie das Schreiben von Rechnungen und das Erledigen von Telefondienst. Diese Tätigkeit sei in der Vergütungsgruppe K 1 richtig eingruppiert. In Vollzeit ergebe sich ein Bruttoentgelt von 1.139,00 Euro; bei Vertragsschluss seien davon 22/40 zugrunde gelegt worden. Von Erhöhungen der Vergütung wegen der Berufserfahrungsstufen hätten weder die Klägerin noch der Arbeitgeber etwas gewusst bzw. daran gedacht. Derzeit betrage die Vergütung 1.523,00 Euro. 22/40 davon seien 848,65 Euro. Die Klägerin sei bereit, sich diesen Betrag anrechnen zu lassen.

7

Die ADD habe 8 Jahre lang - unstreitig - kein Problem mit der Entlohnung beim Malerbetrieb G. gehabt und sie sodann plötzlich als sittenwidrig angesehen. Die Klägerin habe noch nachgefragt, was als nicht sittenwidrig angesehen werde und die Rückmeldung im Hinblick auf den bevorstehenden Mindestlohn erhalten, dass 820,00 Euro in Ordnung seien. Sie habe dann erreicht, dass die Vergütungserhöhung, die wegen des Mindestlohns ohnehin angestanden habe, vorgezogen worden sei. Gleichwohl sei die Überbrückungsbeihilfe komplett eingestellt worden.

8

Die Darlegungs- und Beweislast für eine sittenwidrig zu niedrige Vergütung habe die Beklagte. Es handele sich nicht um eine Sozialleistung, sondern um eine tarifvertragliche Leistung, die grundsätzlich vom Arbeitgeber geschuldet werde, auch wenn die Bundesrepublik Deutschland die Aufwendungen ersetze. Es gebe zu der tarifvertraglichen Vorschrift eine Verfahrensrichtlinie, wonach bei unangemessen niedriger Vergütung die Arbeitnehmer aufgefordert werden sollten, eine betriebsübliche oder ortsübliche Vergütung anzustreben. Selbst wenn aber die Vergütung zu niedrig sei, dürfe die Beklagte die Überbrückungsbeihilfe nicht komplett einstellen, sondern nur die übliche angemessene Vergütung ansetzen.

9

Zu berücksichtigen sei auch, dass der Arbeitgeber während der Zeit des Bezuges der Überbrückungsbeihilfe der Klägerin kein Angebot für eine Arbeitsstelle unterbreitet habe. Die Klägerin sei aber am liebsten wieder zu den Streitkräften zurückgekehrt, um dort Arbeiten zu verrichten.

10

Die Klägerin beantragt,

11

festzustellen, dass der Klägerin auf Grundlage ihres mit der Firma Malerbetrieb G. GmbH, K., bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie auf Grundlage eines diesbezüglichen Arbeitsverdienstes der Klägerin in Höhe von monatlich 848,65 Euro (brutto) rückwirkend für die Zeit ab 01.10.2014 - 30.04.2015 die Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den US-Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31.08.1971 (TASS) zusteht.

12

Die Beklagte beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Die Beklagte hat vorgetragen,
die Klägerin arbeite für 90 % weniger als ihre vorherige Vergütung gewesen sei und das nur, weil sie Überbrückungsbeihilfe zwischen 3.000,00 und 3.400,00 Euro monatlich erhalte. Als die Gefahr bestanden habe, dass diese Überbrückungsbeihilfe gestrichen werde, habe die Klägerin plötzlich eine Vergütungserhöhung über 25 % bei ihrem Arbeitgeber erreichen können. Vorher sei 8 Jahre lang die Vergütung nicht erhöht worden, weil es der Klägerin gleichgültig gewesen sei, wie viel sie verdient habe, denn die Differenz sei ihr von der Bundesrepublik Deutschland und damit dem Steuerzahler ersetzt worden.

15

Es sei zu bestreiten, dass die Klägerin einfachste Tätigkeiten erbringe oder überhaupt Arbeit leiste. Die Klägerin könne mit dem Computer arbeiten. Sie sei zutreffend in der Vergütungsgruppe K 2 oder K 3 einzugruppieren. Im Vergleich mit der Vergütung der Klägerin sei diese damit 42 bis 50 % zu niedrig und damit letztlich sittenwidrig. Im Übrigen habe die Klägerin in der Vergangenheit an Lohnerhöhungen nicht teilgenommen, obwohl nach dem Index zwischen 2004 und 2014 ein Lohnplus von 18,9 % gegeben sei.

16

Die tarifvertragliche Leistung sei eine Überbrückungsbeihilfe und nicht eine Voll-finanzierung der betreffenden Arbeitnehmer. Es sollten nur soziale Härten abgemildert und nicht Passivität gefördert oder andere Arbeitgeber subventioniert werden, die dann für geringe Bezahlung hochqualifizierte Arbeitnehmer beschäftigen könnten.

17

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für Überbrückungsbeihilfe liege bei der Klägerin und nicht, wie sonst, bei der Behauptung eines Scheinarbeitsverhältnisses bei der Beklagten. Die Klägerin habe bewusst durch die Vertragsgestaltung eine Zahlungspflicht der Beklagten herbeigeführt. Sie müsse allerdings selbst auch die Interessen der Arbeitgeberseite berücksichtigen, da sie ohne Gegenleistung Vergütung erhalte. Der Tarifvertrag verlange zwar grundsätzlich kein Mindestentgelt. Das Arbeitsverhältnis sei aber allein von den Arbeitsvertragsparteien offensichtlich so gestaltet worden, dass Überbrückungsbeihilfe gezahlt werde.

18

Die Klägerin habe eine besser bezahlte Stelle als Buchhalterin finden können. Sie habe sich nicht ausreichend darum bemüht. Diese Passivität an sich sei schon treuwidrig. Die von der Klägerin zitierte Richtlinie sehe vor, dass bei rechtsmissbräuchlicher Gestaltung des Arbeitsvertrages die Überbrückungsbeihilfe eingestellt werde. Das sei hier der Fall. Die Klägerin habe kein schutzwürdiges Vertrauen für die Zukunft aufgrund des unwirksamen Vertrages haben können, weiterhin Überbrückungsbeihilfe zu erhalten.

19

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern - 8 Ca 260/15 - hat Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin, sie habe 22 Stunden pro Woche für den Malerbetrieb G. gearbeitet und dabei einfache Büroarbeiten und Telefondienst erledigt, durch Vernehmung des Zeugen G., von der Klägerin benannt. Hinsichtlich des Inhalts des Beweisbeschlusses wird auf die Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 19.05.2015 (Bl. 94 d. A.), hinsichtlich des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme auf Bl. 94 ff d. A. Bezug genommen.

20

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat daraufhin durch Urteil vom 19.05.2015 - 8 Ca 260/15 - festgestellt, dass der Klägerin auf Grundlage ihres mit der Firma Malerbetrieb G. GmbH, K., bestehende Arbeitsverhältnisses sowie auf Grundlage eines diesbezüglichen Arbeitsverdienstes der Klägerin in Höhe von monatlich 870,41 EUR (brutto) kriegen für die Zeit ab dem 01.10.2014 bis zum 30.04.2015 die Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den US-Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31.08.1971 (TASS) zusteht. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 101 bis 109 d. A. Bezug genommen.

21

Gegen das ihr am 03.06.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 03.07.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 03.09.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nach dem zuvor durch Beschluss vom 27.07.2015 auf ihren begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 03.09.2015 einschließlich verlängert worden war.

22

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe setze voraus, dass der entlassene Arbeitnehmer seinerseits alles tue, um einen möglichst gleichwertigen Arbeitsplatz zu erlangen. Vorliegend sei in Folge des Urteils des BAG vom 19.12.2013 - 6 AZR 383/12 - davon auszugehen, dass ein Rechtsmissbrauch (§ 162 BGB) im Zusammenhang mit dem Bezug von Leistungen nach dem TV SozSich gegeben sei. Das Arbeitsentgelt der Klägerin sei sittenwidrig zu niedrig. Das folge aus dem krassen Missverhältnis zwischen der Überbrückungsbeihilfe und dem Arbeitsentgelt als Anknüpfungsleistung. Des Weiteren folge dies daraus, dass der Tarifvertragszweck verfehlt werde und das Arbeitsverhältnis ausschließlich zum Zwecke des Leistungsbezuges nach dem TV SozSich begründet worden sei. Des Weiteren müsse berücksichtigt werden, dass die Klägerin - für Arbeitsverhältnisse atypisch - über mehr als 7 Jahre hinweg von sich aus keine Veranlassung gesehen habe, eine Steigerung ihres Entgelts zu erreichen. Sie habe nicht einmal die alljährlichen Lohnsteigerungen bei den gewerblichen Arbeitnehmern im Maler- und Lackiererhandwerk, die ihr aufgrund der Buchhaltung und Zuarbeit für den Steuerberater bekannt gewesen seien, zum Anlass genommen, um Lohnsteigerungen nachzusuchen. Dies sei umso mehr vorwerfbar, als ihre Überbrückungsbeihilfe alljährlich aufgrund der Steigerungen in der Rentenversicherung TV SozSich erhöht worden sei. Die Klägerin habe es im Gegenteil sogar versäumt, ein den tarifvertraglichen Vorgaben genügendes Entgelt zu erreichen, indem sie ihr Entgelt auf der Grundlage von 22/40 Stunden statt von 22/39 Stunden berechnen habe lassen und daneben die Steigerung durch vorhandene Berufserfahrung nicht zur Geltung gebracht habe.

23

Tatsächlich habe die Klägerin durch ihre PC-Arbeiten Tätigkeiten ausgeübt, die eine Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppe K 3 erforderlich machten. Die Klägerin habe sich mit lediglich 41,4 % des einschlägigen tariflichen Entgelts zufrieden gegeben. Damit liege die Vergütung der Klägerin bis September 2014 weit unter der Grenze der Sittenwidrigkeit.

24

Des Weiteren habe die Klägerin keine Anstrengungen unternommen, eine ihrer Tätigkeit bei den Streitkräften wenigstens teilweise entsprechende Folgebeschäftigung zu finden.

25

Im Übrigen überzeuge es nicht, davon auszugehen, die Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppe K 1 sei zumindest nicht greifbar falsch. Denn es sei zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin selbständig an einem Computer arbeite. Sie übe insoweit zumindest einfache kaufmännische Tätigkeiten selbständig aus, so dass die Merkmale der Beschäftigungsgruppe 2 und 3 des einschlägigen Tarifvertrages erfüllt seien. Die Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht habe im Übrigen nicht ergeben, dass die tariflichen Voraussetzungen hinsichtlich der notwendigen Stundenzahl gegeben seien. Denn der Zeuge G. habe nicht bestätigen können, dass die Klägerin 21 oder mehr Wochenstunden gearbeitet habe. Allein aus dem vorgelegten schriftlichen Arbeitsvertrag lasse sich dies aber nicht ableiten. Denn der begründe lediglich einen Beweis dafür, dass arbeitsvertraglich eine Arbeitszeit von 22 Wochenstunden vereinbart worden sei, nicht aber, dass diese auch tatsächlich geleistet worden seien.

26

Insgesamt ergebe sich die Nichterfüllung der tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen aus einer Gesamtwürdigung folgender Einzelumstände:

27

- Einstellung einer qualifizierten Buchhalterin mit mehr als 30-jähriger Berufserfahrung als "Büro-Aushilfe".
- Langjährige Vergütung nach der niedrigsten tariflichen Lohngruppe
- In mehr als 7 Jahren keinerlei Teilnahme an Lohnerhöhungen, sondern unverändertes Gehalt.
- Trotz arbeitsvertraglicher Geltung des einschlägigen Tarifrechts keine Teilnahme an den vorgesehenen Stufensteigerungen nach drei bzw. fünf Jahren.
- Sehr geringes Entgelt angesichts der behaupteten Tätigkeit.
- Erfüllung von Minimalbedingungen für die Überbrückungsbeihilfe angesichts der beiden Arbeitsvertragsparteien bewussten Wechselbezüglichkeit von Arbeitsentgelt und Überbrückungsbeihilfe.

28

Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die Klage entgegen der Auffassung der Beklagten für begründet erachtet, hat die Beklagte die Aufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 11.796,00 EUR netto erklärt. Hinsichtlich der Begründung der Hilfsaufrechnung wird auf die Berufungsbegründungsschrift der Beklagten vom 03.09.2015 (Seite 16 bis 18 = Bl. 144 bis 146) Bezug genommen.

29

Für den Fall, dass die Klage der Klägerin unbegründet ist, es also zu keiner hilfsweise erklärten Aufrechnung kommt, hat die Beklagte zudem Widerklage erhoben.

30

Die Beklagte verlangt insoweit widerklagend die Rückzahlung der zu Unrecht gezahlten Überbrückungsbeihilfe für die Vergangenheit in Höhe 8.573,99 EUR für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.10.2014. Die Widerklage wird insoweit als offene Teilklage geltend gemacht und beschränkt sich der Höhe nach auf den Teil der überzahlten Überbrückungsbeihilfe, der im Falle einer tatsächlichen Beschäftigung im Umfang von 22 Wochen wenigstens auf tariflicher Basis der Beschäftigungsgruppe K 1 der Klägerin zugestanden hätte, also unter Berücksichtigung der bisher nicht beachtenden Stufensteigerung.

31

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 03.09.2015 (Bl. 129 bis 146 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 147 bis 157 d. A.) sowie ein Schriftsatz vom 02.11.2015 (Bl. 207 bis 219 d. A.) Bezug genommen.

32

Die Beklagte beantragt,

33

1. auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 19.05.2015, Az.: 8 Ca 260/16, abgeändert und die Klage abgewiesen.

34

2. Für den Fall, dass die Aufrechnung der Beklagten mit überzahlter Überbrückungsbeihilfe aus der Vergangenheit mangels der streitgegenständlichen Forderung der Klägerin ins Leere geht, wird als Widerklage beantragt,

35

die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 8.573,99 EUR netto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

36

Die Klägerin beantragt,

37

die Berufung der Beklagten vollumfänglich einschließlich der Widerklage zurückzuweisen.

38

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, es sei ihr trotz aller intensiver Bemühungen nicht gelungen, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einen auch nur annähernd gleichwertigen Arbeitsplatz zu finden. Das von ihr gelebte Arbeitsverhältnis erfülle die grundsätzlichen Voraussetzungen zum Bezug der tariflichen Überbrückungsbeihilfe. Der von ihr - der Klägerin - mit der Firma G. GmbH abgeschlossene Arbeitsvertrag sei nicht als sittenwidrig anzusehen. Insbesondere verlange der einschlägige Tarifvertrag nicht die Vereinbarung einer bestimmten Mindestvergütung. Die bei der Firma G. GmbH vorgenommene Eingruppierung sei sachlich zutreffend. Die Vergütung sei über Jahre hinweg - bis 2014 - unverändert geblieben; dies habe die jeweilige Auskunft seitens der Handwerkskammer ergeben. Es treffe nicht zu, dass sie die nach dem Tarifvertrag erforderliche wöchentliche Arbeitsleistung im Umfang von mehr als 21 Stunden nicht nachgewiesen habe. Zu berücksichtigen sei insoweit insbesondere, dass die Beklagte über volle 8 Jahre hinweg niemals irgendwelche diesbezüglichen Zweifel gehegt und von der Klägerin einen Nachweis über ihre tatsächliche und wöchentliche Arbeitsleistung erbeten habe. Auch habe die Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht das Vorbringen der Klägerin bestätigt. Vor diesem Hintergrund stehe der Beklagten auch kein Anspruch auf Rückzahlung angeblich zu Unrecht bezahlter TASS-Beträge zu.

39

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 07.10.2015 (Bl. 178 bis 193 d. A.) Bezug genommen.

40

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

41

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 11.04.2016.

Entscheidungsgründe

I.

42

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

43

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

44

Denn das Arbeitsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend die aus Ziffer 1 des angefochtenen Urteils vom 19.05.2015 - 8 Ca 260/15 - ersichtliche Feststellung getroffen, die weitestgehend dem Klagebegehren der Klägerin entspricht.

45

Der Anspruch folgt aus § 4 Ziffer 1 lit. a TV SozSich. Danach wird Überbrückungsbeihilfe gezahlt zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte. Nach der Protokollnotiz zu Ziffer 1 a liegt eine "anderweitige Beschäftigung" in diesem Sinne nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt.

46

Nach Maßgabe der Auslegung der insoweit im Gesamtzusammenhang einschlägigen Tarifnormen einerseits und der Anwendung auf den konkret zu entscheidenden Lebenssachverhalt nach Maßgabe des tatsächlichen Vorbringens der Parteien andererseits sind diese Voraussetzungen entgegen der Auffassung der Beklagten vorliegend gegeben.

47

Insoweit enthält der TV SozSich vom 31.08.1971, soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Belang, folgende Regelungen:

48

"§ 2 Anspruchsvoraussetzungen

49

Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben Arbeitnehmer, die

50

1. wegen Personaleinschränkung

51

a) infolge einer Verringerung der Truppenstärke
b) infolge einer aus militärischen Gründen von der obersten Dienstbehörde angeordneten Auflösung von Dienststellen oder Einheiten oder deren Verlegung außerhalb des Einzugsbereichs des bisherigen ständigen Beschäftigungsortes

52

entlassen werden, wenn sie

53

2. im Zeitpunkt der Entlassung

54

a) seit mindestens einem Jahr vollbeschäftigt sind,
b) mindestens fünf Beschäftigungsjahre im Sinne des § 8 TV AL II oder des TV B II nachweisen können und das 40. Lebensjahr vollendet haben,
c) ihren ständigen Wohnsitz in den letzten fünf Jahren im Geltungsbereich des TV AL II oder des TV B II hatten,
d) die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes oder des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen, und ihnen

55

3. keine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV ALM angeboten worden ist. Als zumutbar gilt jede anderweitige Verwendung im Sinne des § 1 Ziffern 3 ff. des Kündigungsschutztarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den amerikanischen und belgischen Stationierungsstreitkräften vom 16. Dezember 1966 - und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitnehmer unter den Geltungsbereich des KSch TV fällt.

56

§ 3 Eingliederung

57

1. Der entlassene Arbeitnehmer soll möglichst sofort in den Arbeitsprozess wieder eingegliedert werden.

58

2. Der Arbeitnehmer hat sich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitsuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden.

59

Er hat, soweit zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess erforderlich, an beruflichen Bildungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (§§ 33ff. AFG: Berufliche Fortbildung und Umschulung) teilzunehmen.

60

3. Die Bundesregierung wird bemüht sein, für die bevorzugte Einstellung entlassener deutscher Arbeitnehmer in den Bundesdienst Sorge zu tragen. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Bundesregierung wird außerdem darauf hinwirken, dass deutsche Arbeitnehmer im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten von anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes bevorzugt berücksichtigt werden.

61

§ 4 Überbrückungsbeihilfe

62

1. Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt:

63

a) zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte,
b) zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit oder beruflichen Bildungsmaßnahmen (Arbeitslosengeld/-hilfe, Unterhaltsgeld),
c) zum Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung oder zum Verletztengeld der gesetzlichen Unfallversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Arbeitsunfall.

64

2. a) (1) Die Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (Ziffer 1b) wird in den Fällen des § 44 Absatz 4, der §§115, 121, 123, 126, 233 Absatz 2 AFG nach dem ungekürzten Arbeitslosen- bzw. Unterhaltsgeld berechnet; entsprechendes gilt für die Arbeitslosenhilfe.

65

(2) Für Zeiten der Arbeitslosigkeit, in denen der Arbeitnehmer die Anspruchsvoraussetzungen auf Arbeitslosenhilfe nur deshalb nicht erfüllt, weil er im Sinne des § 134 Absatz 1 Nr. 3 AFG nicht bedürftig ist, wird die zuvor zum Arbeitslosengeld gezahlte Überbrückungsbeihilfe innerhalb des Anspruchszeitraumes nach Ziffer 5 insgesamt bis zur Dauer von 52 Wochen - längstens jedoch bis zum Ablauf des Anspruchszeitraumes - weitergezahlt.

66

b) Für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung oder Arbeitsunfall (Ziffer 1c) wird die Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld oder Verletztengeld innerhalb eines Kalenderjahres insgesamt bis zur Dauer von 12 Wochen gezahlt - längstens jedoch bis zum Ablauf des Anspruchszeitraumes gemäß Ziffer 5.

67

3. a) (1) Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung (Ziffer 1a) ist die tarifvertragliche Grundvergütung nach § 16 Ziffer 1a TV AL II, die dem Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit im Zeitpunkt der Entlassung für einen vollen Kalendermonat zu-stand (Umrechnungsformel: wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit x 13:3).

68

Für Arbeitnehmer, deren arbeitsvertragliche regelmäßige Arbeitszeit in den letzten 6 Monaten vor der Entlassung unterschiedlich festgesetzt war, gilt als "arbeitsvertragliche regelmäßige Arbeitszeit im Zeitpunkt der Entlassung" der rechnerische Durchschnitt der letzten 26 Beschäftigungswochen.

69

(2) In den dem Jahr der Entlassung folgenden Kalenderjahren ist die Bemessungsgrundlage jeweils um den v.H.-Satz zu erhöhen, um den die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung infolge Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage (§ 1255 Absatz 2, § 1272 RVO) durch Gesetz angepasst werden.

70

b) Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (Ziffer 1b) und der gesetzlichen Kranken oder Unfallversicherung (Ziffer 1c) ist die um die gesetzlichen Lohnabzüge verminderte Bemessungsgrundlage nach vorstehendem Absatz a). Bei der fiktiven Berechnung der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge ist von den für den Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Zahlung der Überbrückungsbeihilfe maßgeblichen Steuer- und Versicherungsmerkmalen - jedoch ohne Berücksichtigung von auf der Steuerkarte aufgetragenen Freibeträgen - auszugehen.

71

4. Die Überbrückungsbeihilfe beträgt:

72

im 1. Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 100 v.H. vom 2. Jahr an 90 v.H.
des Unterschiedsbetrages zwischen der Bemessungsgrundlage (Ziffer 3a oder b) und den Leistungen gemäß vorstehenden Ziffern 1 und 2.

73

Wird die Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit oder der gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung gezahlt, so ist sie um den zur Deckung der Lohnsteuer erforderlichen Betrag aufzustocken.

74

5. a) Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung 20 Beschäftigungsjahre (§ 8 TVAL II oder TVB II) und das 55. Lebensjahr, oder 25 Beschäftigungsjahre (§ 8 TV AL II oder TV B II) und das 50. Lebensjahr vollendet haben, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziffern 1 bis 4 ohne zeitliche Begrenzung.

75

b) Arbeitnehmer, die nicht unter Absatz a) fallen, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziffern 1 bis 4 bei einer am Tage ihrer Entlassung nachzuweisenden

76

Beschäftigungszeit
(§ 8 TV ALU oder TV B II)
von mindestens

und einem vollendet
Lebensalter von

bis zum Ablauf von

10 Jahren

40 Jahren

2 Jahren

10 Jahren

45 Jahren

3 Jahren

10 Jahren

50 Jahren

4 Jahren

15 Jahren

40 Jahren

3 Jahren

15 Jahren

45 Jahren

4 Jahren

15 Jahren

50 Jahren

5 Jahren

77

nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

78

Protokollnotiz zu Ziffer 1a

79

Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt."

80

In Anwendung dieser auf die Streitparteien des Rechtsstreits anzuwendenden Vorschriften ergibt sich vorliegend, dass die Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum die tarifvertraglichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt hat, dass dem keineswegs der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 162 Abs. 1 BGB) entgegensteht, dass vielmehr eher sich die Beklagte den Einwand eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (Verbot des venire contra factum proprium, § 242 BGB) entgegenhalten lassen muss, mit der Folge, dass die Klage im erstinstanzlich tenorierten Ausmaß begründet, die erklärte Hilfsaufrechnung unbegründet sowie die erhobene Widerklage dagegen nicht zur Entscheidung angefallen sind. Für die Auslegung von Tarifnormen gelten folgende Grundsätze:

81

Verstößt die Norm eines Tarifvertrags gegen höherrangiges Recht oder überschreiten die Tarifvertragsparteien die Grenze der tariflichen Rechtsetzungsbefugnis, ist die Tarifnorm nichtig. Das gilt grds. auch für gleichheitswidrige Tarifverträge. Die Gerichte für Arbeitssachen dürfen im Unterschied zu der Rechtslage bei formellen Gesetzen i.S.v. Art. 100 Abs. 1GG darüber entscheiden, ob eine Tarifnorm im jeweiligen Streitfall nichtig ist. Die Entscheidung bindet außerhalb des Geltungsbereichs von § 9 TVG allerdings nur die Parteien des konkreten Rechtsstreits. Die Arbeitsgerichte dürfen aber an sich nur die Nichtigkeit der gleichheitswidrigen Rechtsnorm feststellen. Sie dürfen den Tarifvertragsparteien keine bestimmten Normierungspflichten auferlegen (BAG 23.2.2011 ZTR 2011, 489; 4.5.2010 - 9 AZR 181/09, NZA-RR 2011, 112 LS). Eine unbewusste Tariflücke darf durch die Gerichte nur dann geschlossen werden, wenn sich aus dem Tarifvertrag selbst hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, welche Regelung die Tarifvertragsparteien getroffen hätten. wenn sie die Lücke bemerkt hätten (BAG 23.2.2011 ZTR 2011, 489). Ergibt die Auslegung eines Tarifvertrages, dass eine Regelungslücke besteht, so ist diese als unbewusst aufzufassen, wenn die fehlende Regelung dem Sinn und Zweck des Tarifvertrages grds. widersprechen würde. Bewusste Regelungslücken dürften von den Gerichten nicht im Sinne einer ergänzenden Auslegung geschlossen werden (BAG 12.12.2013 - 8 AZR 942/12, EzA-SD 9/2014 S. 14 LS; s. BAG 3.7.2014 6 AZR 753/12 EzA-SD 19/2014 S. 8f. LS; 16.4.2015 - 6 AZR 142/14 - EzA-SD 15/2015 S. 7 LS).

82

Die gleichheitswidrig ausgeklammerten Personen haben andererseits dann Anspruch auf die Vergünstigung, wenn die tariflichen Normgeber dem Gleichheitssatz nur auf diese Weise Rechnung tragen können (BAG 4.5.2010 - 9 AZR 181/09, NZA-RR 2011, 112 LS). Zudem müssen insoweit auch unionsrechtliche Aspekte berücksichtigt werden (BAG 20.3.2012 EzA § 10 AGG Nr. 5: diskriminierende Urlaubsstaffelung; s.a. BAG 8. 12. 2011 - 6 AZR 319/09; LAG SchlH 31.1.2013 - 5 Sa 248/12, ZTR 2013, 245).

83

Unbewusste Regelungslücken stehen also einer ergänzenden Auslegung durch die Arbeitsgerichte grds. offen. Die gerichtliche Ergänzung des Tarifvertrages muss aber im Tarifwerk selbst hinreichend sichere Anhaltspunkte finden. Die Arbeitsgerichte dürfen jedoch andererseits nicht spekulativ oder nach eigenen Billigkeitsüberlegungen den nicht mehr erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien ersetzen (BAG 12.12.2013 - 8 AZR 942/12, EzA-SD 9/20I4 S. 14 LS; vgl. Dörner / Luczak/Wildchütz/Baeck/Hoß; Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 13. Aufl. 2016, Kap. 1 Rnr. 338 ff.).

84

In Anwendung dieser Grundsätze ist das BAG (22.12.1994 - 6 AZR 337/94 - NZA 1995, 1168) von Folgendem ausgegangen:

85

"1. Überbrückungsbeihilfe wird nach dieser Bestimmung zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt. Nach der Protokollnotiz zu § 4 Nr. 1lit. a TV SozSich liegt eine "anderweitige Beschäftigung" nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt. Diese Voraussetzungen erfüllt die dem Kl. angebotene Tätigkeit. Sie liegt außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte und umfasst unstreitig eine wöchentliche Arbeitszeit von 22 Stunden. Weitere Anspruchsvoraussetzungen bestehen nach dem Wortlaut der Tarifbestimmung und der Protokollnotiz nicht. Darauf, ob die Beschäftigung dem Kl. nach der Zumutbarkeits-Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit angeboten werden könnte, kommt es nicht an. Dafür enthält der Tarifwortlaut keine Anhaltspunkte. Dies hat das LAG zutreffend angenommen. Ebenso wenig ist entscheidend, wie hoch das Arbeitsentgelt aus der dem Kl. angebotenen anderweitigen Beschäftigung ist. Nach dem Wortlaut von § 4 Nr. 1 lit. a TV SozSich hat der Kl. einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu diesem Arbeitsentgelt, ohne dass es auf dessen Höhe ankommt. Der von den Tarifparteien gewählte Begriff "Überbrückungsbeihilfe" besagt nicht, dass die "Beihilfe" stets niedriger sein muss als das übrige Einkommen, sondern nur, dass sie beim Übergang in ein Arbeitsverhältnis mit niedrigeren Bezügen helfen soll. Für eine andere Auslegung findet sich im Tarifwortlaut kein Hinweis.

86

2. Auch dem wirklichen Willen der Tarifparteien und damit dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, soweit sie in den Tarifnormen ihren Niederschlag gefunden haben, lässt sich - auch bei Beachtung des tariflichen Gesamtzusammenhangs - nicht entnehmen, dass das Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung höher sein muss als das Arbeitslosengeld, das der Arbeitnehmer erhielte. Das LAG hat zu Recht angenommen, dass die Fallgruppen des § 4 Nr. 1 TV SozSich unabhängig nebeneinander stehen und nicht den Schluss erlauben, das Arbeitsentgelt müsse mindestens die Höhe des Arbeitslosengeldes erreichen. Eine solche Annahme widerspräche auch dem auf Wiedereingliederung des entlassenen Arbeitnehmers tariflichen Regelungskonzept.

87

Nach § 3 Nr. 1 TV SozSich soll der entlassene Arbeitnehmer möglichst sofort in den Arbeitsprozess wieder eingegliedert werden. Demgemäß hat sich der Arbeitnehmer nach § 3 Nr. 2 S. 1 TV SozSich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitssuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden. Nach § 4 Nr. lit. bTV SozSich wird in diesem Fall Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit oder beruflichen Bildungsmaßnahmen (Arbeitslosengeld/-hilfe, Unterhaltsgeld) gezahlt. Der Arbeitnehmer erhält im Fall seiner Arbeitslosigkeit Überbrückungsbeihilfe also nur, wenn er selbst die Voraussetzungen im Sinne §§ 100, 105 AFG dafür schafft, dass er Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit erhält. Die Überbrückungsbeihilfe soll, sieht man einmal vom Fall des § 4 Nr 2 lit. a (2) TV SozSich ab, nicht die einzige Leistung an den Arbeitnehmer sein, sondern den Unterschiedsbetrag zwischen dem ursprünglich bezogenen Arbeitsentgelt bei den Stationierungsstreitkräften und danach bezogenen Leistungen abdecken. Verschafft der Arbeitnehmer sich keine Leistungen nach § 4 Nrn. 1, 2 TV SozSich, erhält er grundsätzlich auch keine Überbrückungshilfe, Daraus wird deutlich, dass die Überbrückungsbeihilferegelung einen Anreiz darstellen soll, damit der Arbeitnehmer entweder eine anderweitige Beschäftigung aufnimmt oder zumindest der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (§§ 100, 103 AFG). Als für den Tarifanspruch nicht ausreichend ist nach der Protokollnotiz zu § 4 Nr. 1 lit. a TV SozSich nur eine anderweitige Beschäftigung mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 21 Stunden oder weniger anzusehen. Obwohl die Tarifparteien das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs somit erkannt haben, haben sie für die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur eine Mindestarbeitszeit, nicht aber einen Mindestlohn vorgeschrieben. Daran sind die Gerichte gebunden.

88

Dem Tarifvertrag ist auch nicht zu entnehmen, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sein soll, Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen, wenn der Lohn für eine verfügbare Beschäftigung niedriger ist als dieses. Eher ist das Gegenteil der Fall, wenn man im Sinne des in der Grundsatznorm des § 3 Nr. 1 TV SozSich enthaltenen Wiedereingliederungsgebots die Reihenfolge der in § 4 Nr. 1 lit. a, b TV SozSich genannten Fallgruppen für maßgebend hält. Diese Frage bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil der Kl. die in Buchstabe a genannte Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt verlangt hat.

89

3. Der Anspruch des Kl. entfällt nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB). Die Bekl. hat keine Tatsachen dafür behauptet, dass der Kl. treuwidrig, etwa durch Scheingeschäft oder, obwohl günstigere Angebote verfügbar sind, für die anderweitige Beschäftigung einen Lohn vereinbaren will, der unter der üblichen Vergütung liegt."

90

Vor diesem Hintergrund ist vorliegend davon auszugehen, dass die Klägerin mit der vorliegend gegebenen Beschäftigung bei der Firma G. GmbH die tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Insbesondere ist entgegen der Auffassung der Beklagten davon auszugehen, dass aufgrund des Ergebnisses der vor dem Arbeitsgericht im erstinstanzlichen Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme nachgewiesen ist, dass die Klägerin mit dieser Firma nicht nur einen schriftlichen, nach § 416 Abs. 1 ZPO zu würdigenden, Arbeitsvertrag mit dem gebotenen Inhalt abgeschlossen hat, sondern auch tatsächlich für die Firma G. GmbH im streitgegenständlichen Zeitraum mehr als 21 Wochenarbeitsstunden abgeleistet hat.

91

Die Aussage des Zeugen G. hat das Arbeitsgericht zutreffend gewürdigt; insoweit wird zu Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 8 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 107 d. A.) Bezug genommen. Damit ist die volle Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO nach Maßgabe von der Grundsätze gegeben:

92

Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Insofern ist das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin zulässigerweise bestritten hat, nach Maßgabe der vor dem Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme als wahr anzusehen.

93

Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien - insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit als Zielpunkt - aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).

94

Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für - auch nur geringe - Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr "erachten". Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise einer Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.

95

Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.

96

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht nicht zu beanstanden. Der Zeuge hat vielmehr lebensnah und nachvollziehbar beschrieben, wie das zwischen ihm und der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis gelebt und tatsächlich vollzogen wurde; vernünftige Zweifel an der Wahrheitsgemäßheit dieser Aussage bestehen für die Kammer nicht. Soweit die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass der Zeuge erklärt habe: "Wie lange die Klägerin arbeitet am Tag, kann ich nicht sagen", steht dies entgegen der Auffassung der Beklagten der hier für zutreffend gehaltenen Beweiswürdigung keineswegs entgegen. Es liegt auf der Hand, dass angesichts des zwischen dem Zeugen und der Klägerin bestehenden Arbeitsverhältnisses keine allgegenwärtige Kontrolle des Inhalts stattfindet, dass der Zeuge zu jeder Zeit minutiös nachvollziehen kann, wie viele Stunden die Klägerin an welchen Tagen tatsächlich gearbeitet hat. Dessen bedarf es auch nicht. Anhaltspunkte dafür, dass es sich insoweit lediglich um ein Scheinarbeitsverhältnis gehandelt haben könnte, sind ersichtlich nicht gegeben.

97

Weitere tatbestandliche Voraussetzungen nach Maßgabe der hier anzuwenden Tarifnorm musste die Klägerin nicht einhalten; insbesondere ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten aus der Entscheidung des BAG vom 19.12.2013 (- 6 AZR 383/12 Beck RS 2014, 67022) nichts anderes. Das BAG (a. a. O.) hat in dieser Entscheidung lediglich angenommen, dass Entgelt, dass aus einem aus der Arbeitslosigkeit heraus erst zum Stichtag der Rentenberechtigung begründeten Arbeitsverhältnisses erzielt wird, nach dem Regelungszweck des TV SozSich nicht durch Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu ergänzen ist. In einem solchen Fall besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer nicht Rentenberechtigt ist, weil die Hinzuverdienensgrenzen des § 34 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 SGB VI überschritten sind, der zeitlich begrenzte Sicherungsbedarf für die Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe nicht mehr. Das BAG (a. a. O.) hat insoweit ausgeführt:

98

"3. Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich von den bisher vom Senat entschiedenen Fällen. Es geht nicht darum, ob der Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe von Anfang an wegen einer Rentenberechtigung des ehemaligen Arbeitnehmers der Stationierungsstreitkräfte nicht entsteht (§ 2 Ziff. 2 Buchst. d. TV SozSich) bzw. ob der auf unveränderter Grundlage zu erfüllende Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe erlischt, sobald der Arbeitnehmer rentenberechtigt ist (§ 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich). Streitentscheidend ist allein, ob der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe auf einer neuen Rechtsgrundlage weiter besteht. Der Kläger begehrt für den streitbefangenen Zeitraum die Zahlung der Überbrückungsbeihilfe nicht mehr wie bis zum Dezember 2010 als Zuschuss zu den Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (§ 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich), sondern als Zuschuss zu einer anderweitigen Beschäftigung iSd. § 4 Ziff. 1 Buchst, a TV SozSich, die er im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Eintritt der Rentenberechtigung begründet hat. Entgelt, das aus einer solchen, erst zum Stichtag der Rentenberechtigung begründeten anderweitigen Beschäftigung erzielt wird, ist nach dem Regelungszweck des TV SozSich nicht durch Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu ergänzen. In einem solchen Fall besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer nicht rentenberechtigt ist, weil die Hinzuverdienstgrenzen überschritten sind, der zeitlich begrenzte Sicherungsbedarf für die Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe nicht mehr. Die Überbrückungsbeihilfe soll, wie ausgeführt, nicht eine als unzureichend empfundene Altersrente ergänzen, sondern den Arbeitnehmer bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn absichern. Nach seinem Regelungszweck eröffnet der TV SozSich die vom Kläger in Anspruch genommene Gestaltungsmöglichkelt, ein nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich durch Überbrückungsbeihilfe zu ergänzendes Arbeitsverhältnis erst zu dem Zeitpunkt zu begründen, ab dem er ohne dieses Arbeitsverhältnis Rente hätte beantragen können und deshalb der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe erloschen wäre, nicht. Das liefe auf ein Wahlrecht zwischen der Inanspruchnahme der vorgezogenen Rente oder der Fortzahlung der Überbrückungsbeihilfe bis zum regulären Rentenbeginn hinaus. Ein solches Wahlrecht besteht jedoch nach der Konzeption der Tarifvertragsparteien gerade nicht (vgl. BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 631/05 - Rn. 11, BAGE 118, 196).

99

4. Das vom Kläger zum 1, Januar 2011 begründete Arbeitsverhältnis war nach diesen Grundsätzen kein Arbeitsverhältnis iSd. § 4 Ziff. 1 Buchst, a TV SozSich. Das aus diesem Arbeitsverhältnis erzielte Entgelt war nicht durch Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu ergänzen …"

100

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die insoweit durch das BAG (a. a. O.) entschiedene Rechtsfrage in keinem Zusammenhang zum hier zu beurteilenden maßgeblichen Lebenssachverhalt. Denn dort endete der klägerische Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe deshalb, weil nach dem maßgeblichen Tarifnormen Rentenbezugsberechtigung bestand. Davon ist vorliegend für den streitgegenständlichen Zeitraum - unstreitig - gerade nicht auszugehen. Irgendwelche Ausführungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 TV SozSich, um die es vorliegend geht, enthält diese Entscheidung nicht.

101

Soweit die Beklagte vorgetragen hat, aufgrund einer Gesamtwürdigung der im Tatbestand wiedergegebenen Einzelumstände sei davon auszugehen, dass es sich nicht um ein rechtswirksames Arbeitsverhältnis mit einer tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 22 Stunden handele, sei Sittenwidrigkeit gegeben, folgt die Kammer dem nicht. Das Vorbringen der Beklagten läuft insoweit letztlich darauf hinaus, über die Behauptungen einer Sittenwidrigkeit, eines Rechtsmissbrauchs im Einzelfall allgemeine anspruchseinschränkende Tatbestandsmerkmale für die Geltendmachung des tarifvertraglichen Anspruchs aufzustellen, die die Tarifvertragsparteien aber nicht normiert haben, und die letztlich zu einem verfassungswidrigen (Art. 9 Abs. 3 GG) Ausfüllen einer sicher nicht unbewussten, sondern allenfalls bewussten Regelungslücke durch die Kammer führen würde. Denn es handelt sich insoweit um tatsächliche Umstände, die die Beklagte seit der Entscheidung des BAG vom 19.12.2013 (a. a. O.) gleichlautend in vergleichbar gelagerten Sachverhalten, also durchweg und generell - mit Nuancen im Einzelnen - vorbringt, um entsprechende Zahlungen nicht leisten zu müssen, auch wenn, wie vorliegend, in Kenntnis aller Umstände über Jahre hinweg die Zahlungen zuvor beanstandungsfrei geleistet worden sind. Abstrahiert lassen sich die von der Beklagten gewünschten allgemeinen Anforderungen dahin zusammenfassen, dass ein an sich anspruchsberechtigter Arbeitnehmer verpflichtet ist, nicht "unterwertig", also unterhalb seiner zuvor erlangten beruflichen Qualifikation und Berufserfahrung zu arbeiten, er eine langjährige Vergütung nach einer niedrigen tariflichen Lohngruppe nicht akzeptieren darf, insbesondere nicht verbunden mit einer Nichtteilnahme an Lohnerhöhungen und Stufensteigerungen tarifvertraglicher Normen, er sich nicht auf sehr geringes Entgelt einlassen darf und er schließlich dafür Sorge zu tragen hat, dass gewisse Minimalbedingungen im Hinblick auf eine Wechselbezüglichkeit von Arbeitsentgelt und Überbrückungsbeihilfe gegeben sein müssen. Diese Vorstellungen der Beklagten laufen auf eine von ihr offenbar angenommene Verpflichtung des anspruchsberechtigten Arbeitnehmers hinaus, sich um eine möglichst höchstbezahlte und ebenso möglichst Vollzeitstelle zu bemühen und stehen damit in diametralen Gegensatz zur durch Anwendung der Methoden zur Tarifauslegung gefundenen Rechtsauffassung des BAG (22.12.1994 a. a. O.). Denn danach ist Anspruchsvoraussetzungen gerade nicht eine Vollzeittätigkeit und danach ist es für die Anwendung der maßgeblichen Tarifnormen unerheblich, welche Höhe das Arbeitsentgelt erreicht. Noch weniger ist eine Verpflichtung zur arbeitsgerichtlichen Klärung einer tarifgerechten Entlohnung (vgl. nur § 12 a ArbGG) vorgesehen. Insgesamt ist es im Hinblick auf §§ 162 Abs. 1, 242 BGB nicht zu beanstanden, wenn sich ein vom Wegfall seines Arbeitsplatzes betroffener Arbeitnehmer auf ein Teilzeitarbeitsverhältnis mit mehr als 21 Wochenarbeitsstunden einlässt, um die tarifvertraglichen Voraussetzungen für die Überbrückungsbeihilfe zu erfüllen, so dass der Klägerin im Streitfall ein insoweit rechtlich erheblicher Vorwurf nicht gemacht werden kann.

102

Eher im Gegenteil ist davon auszugehen, dass das Verhalten der Beklagten insoweit widersprüchlich, rechtsmissbräuchlich ist (Verbot des venire contra factum proprium, § 242 BGB). Denn die Beklagte hat nicht nur über Jahre hinweg beanstandungsfrei in Kenntnis aller Umstände die Überbrückungsbeihilfe der Klägerin abgerechnet, ausgezahlt, also abgewickelt. Die Beklagte ist vielmehr weitergehend nach dem TV SozSich auch ersichtlich den ihr obliegenden Verpflichtungen, sich um eine angemessene Beschäftigung für die Betroffenen Arbeitnehmer zu bemühen, langjährig nicht nachkommen. Gemäß § 3 Ziffer 3 TV SozSich hat sich die Bundesregierung aber ausdrücklich verpflichtet, "bemüht zu sein", für die bevorzugte Einstellung entlassener Deutscher Arbeitnehmer in den Bundesdienst Sorge zu tragen. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Bundesregierung wird auch außerdem danach darauf hinwirken, dass deutsche Arbeitnehmer im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten von anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes bevorzugt berücksichtigt werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte insoweit bezogen auf die Klägerin irgendwelche Aktivitäten entfaltet haben könnte, lassen sich ihrem schriftsätzlichen Vorbringen in beiden Rechtszügen aber nicht entnehmen. Darauf hat die Klägerin zutreffend hingewiesen. Aus den Erläuterungen zum TV SozSich (Seite 22, 75 Ergänzungslieferung 07/15) ergibt sich, dass das Bundesministerium des Innern zuletzt mit Schreiben vom 02. - 08.09.2010 die obersten Bundesbehörden sowie die Innenminister (Senatoren) der Länder und die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände gebeten hat, von den Stationierungsstreitkräften entlassene Deutsche Arbeitnehmer bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten bevorzugt zu berücksichtigten. Die Arbeitsagenturen sind danach angewiesen, zur Unterbringung der entlassenen Arbeitnehmer im deutschen öffentlichen Dienst an die in Betracht kommenden Behörden heranzutreten (Schnellbrief der Bundesanstalt für Arbeit vom 18.05.1972). Konkrete, auf die einzelnen Arbeitnehmer bezogene Maßnahmen sind folglich nicht nur nicht in Erwägung gezogen worden, sondern vielmehr geht die Beklagte wohl davon aus, ihrer tariflichen Verpflichtung damit Genüge getan zu haben. Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig überzeugend, die - ohnehin tarifnormativ nicht zu begründenden - deutlich weitgehenderen Anforderungen an die Klägerin zu stellen.

103

Folglich war die Berufung der Beklagten einschließlich der erklärten Hilfsaufrechnung zurückzuweisen. Die von der Beklagten im Berufungsverfahren erstmals erhobene Widerklage ist nicht zur Entscheidung angefallen.

104

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

105

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 20. Mai 2015 - 1 Ca 119/15 - und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 23. September 2015 - 1 Ca 634/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich) vom 31. August 1971.

2

Der am ... Dezember 1953 geborene Kläger war vom 01. April 1977 bis 30. Juni 2007 bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigt, zuletzt als IT-/ EDV-Spezialist. Auf das Arbeitsverhältnis fanden zumindest kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Tarifverträge des TV AL II und der TV SozSich Anwendung.

3

Im TV SozSich heißt es auszugsweise wie folgt:

4

㤠2 Anspruchsvoraussetzungen

5

Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben Arbeitnehmer, die

6

1. wegen Personaleinschränkung

7

a) infolge einer Verringerung der Truppenstärke
b) infolge einer aus militärischen Gründen von der obersten Dienstbehörde angeordneten Auflösung von Dienststellen oder Einheiten oder deren Verlegung außerhalb des Einzugsbereichs des bisherigen ständigen Beschäftigungsortes entlassen werden, wenn sie

8

2. im Zeitpunkt der Entlassung

9

a) seit mindestens einem Jahr vollbeschäftigt sind,
b) mindestens fünf Beschäftigungsjahre im Sinne des § 8 TV AL II oder des TV B II nachweisen können und das 40. Lebensjahr vollendet haben,
c) ihren ständigen Wohnsitz in den letzten fünf Jahren im Geltungsbereich des TV AL II oder des TV B II hatten,
d) die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes oder des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen, und ihnen

10

3. keine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV AL II angeboten worden ist. …

11

§ 4 Überbrückungsbeihilfe

12

1. Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt

13

a) zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte,
b) zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit …

14

Protokollnotiz zu Ziffer 1a:

15

Eine „anderweitige Beschäftigung“ liegt nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt.“

16

Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete aus militärischen Gründen iSd. § 2 Ziff. 1 TV SozSich. Seit Oktober 2008 zahlte die Beklagte dem Kläger eine monatliche Überbrückungsbeihilfe nach TV SozSich, nachdem der Kläger unter dem 07. Oktober 2008 einen schriftliche Arbeitsvertrag mit der O.P.M. Verwaltungs GmbH, E-Stadt (Bl. 11 f. d. A., 6 Sa 328/15, im Folgenden: AV), unterzeichnet hatte, ausweislich dessen der Kläger als Kaufmännischer Angestellter für die O.P.M. Verwaltungs GmbH zu einer Vergütung von 650,00 Euro brutto monatlich bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 22 Stunden tätig zu sein hatte. Wegen des Inhaltes des Arbeitsvertrages im Einzelnen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. Die von der Beklagten dem Kläger deshalb gewährte Überbrückungsbeihilfe betrug zuletzt monatlich 3.485,46 Euro.

17

Mit Schreiben vom 20. August 2014 teilte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion - Lohnstelle auswärtige Streitkräfte (LaS) - dem Kläger mit, das von ihm bezogene, seit 5,5 Jahren nicht erhöhte Arbeitsentgelt stehe in einem offenkundigen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung und sei zu Lasten der öffentlichen Kassen sittenwidrig gering, weshalb er mangels rechtswirksamen Arbeitsverhältnisses keinen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe habe, deren Zahlung nach September 2014 eingestellt werde. Unter dem 01. September 2014 unterzeichnete der Kläger mit seiner Arbeitgeberin einen Folgearbeitsvertrag (Bl. 33 f. d. A., im Folgenden: FolgeAV), nach dem die monatliche Vergütung auf 850,00 Euro angehoben wurde. Auf Anforderung durch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion - Lohnstelle auswärtige Streitkräfte (LaS) - gegenüber dem Kläger gab dessen Arbeitgeberin mit Schreiben vom 20. Oktober 2014 Erklärungen zum Beschäftigungsverhältnis ab, bezüglich derer im Einzelnen auf Bl. 38 d. A. verwiesen wird. Mit Schreiben vom 01. Januar 2015 teilte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion - Lohnstelle auswärtige Streitkräfte (LaS) - dem Kläger mit, es verbleibe bei der Einstellung der Zahlungen.

18

Der Kläger hat am 30. Januar 2015 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern unter dem Aktenzeichen 1 Ca 119/15 Klage auf Zahlung von Überbrückungsbeihilfe erhoben, zuletzt für den Zeitraum von Oktober 2014 bis Januar 2015, und zugleich entsprechende Feststellung begehrt. Das Arbeitsgericht hat den Feststellungsantrag mit Beschluss vom 20. Mai 2015 zur abgesonderten Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen 1 Ca 634/15 abgetrennt. Der Kläger hat in diesem Verfahren zuletzt den Feststellungsantrag mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen und stattdessen nur mehr beziffert Überbrückungsbeihilfe für die Monate Februar bis August 2015 geltend gemacht.

19

Der Kläger hat erstinstanzlich in beiden Verfahren im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte sei verpflichtet, ihm auch weiterhin Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich in Höhe von 3.485,46 Euro brutto und - infolge der Erhöhung des Rentenwertes auf 2,1 % - ab 01. Juli 2015 in Höhe von 3.574,75 Euro brutto zu zahlen. Die Tarifvertragsparteien hätten sich bewusst für eine Begrenzung auf eine Mindestarbeitszeit von 22 Wochenstunden, nicht aber für eine Mindesthöhe des anderweitig erzielten Entgelts entschieden. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei das mit dem Drittarbeitgeber vereinbarte, übliche und über dem gesetzlichen Mindestlohn liegende Arbeitsentgelt auch nicht zu Lasten öffentlicher Kassen sittenwidrig gering. Er habe aufgrund seiner Qualifikation und seines fortgeschrittenen Alters froh sein müssen, überhaupt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch einmal Fuß fassen zu können. Allein der soziale Charakter der Überbrückungsbeihilfe ändere im Übrigen nichts an der Darlegungs- und Beweislast der Beklagten für eine behauptete Sittenwidrigkeit des Arbeitsvertrages als Scheinarbeitsverhältnis, das tatsächlich nicht vorliege. Zumindest könne er sich auf Vertrauensschutz berufen.

20

Der Kläger hat im Verfahren 1 Ca 119/15 zuletzt beantragt,

21

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.941,84 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.485,46 Euro seit 01.11.2014, aus weiteren 3.485,46 Euro seit 01.12.2014, aus weiteren 3.485,46 Euro seit 01.01.2015 und aus weiteren 3.485,46 Euro seit 01.02.2015 zu zahlen.

22

Er hat im Verfahren 1 Ca 634/15 zuletzt beantragt,

23

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.576,74 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 3.485,46 Euro brutto seit 01.03., 01.04., 01.05., 01.06. und 01.07.2015 sowie aus weiteren 3.574,72 Euro brutto seit 01.08. und 01.09.2015 zu zahlen.

24

Die Beklagte hat in beiden Verfahren jeweils beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, nach dem vom Kläger behaupteten Arbeitsverhältnis habe er zunächst 6,79 Euro brutto verdient, was nur 13,76 % seines Gehaltes bei den Streitkräften entspreche und für kaufmännische Angestellte nicht marktüblich sei, wie auch das zuletzt angehobene Gehalt. Der Kläger trage angesichts des sozialen Charakters der Überbrückungsbeihilfe - wie im Rahmen sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche wegen entgeltlicher Beschäftigung - die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines wirksamen Arbeitsverhältnisses zur Begründung seines Anspruchs. Rechtlich zweifelhafte Arbeitsverhältnisse wie das vorliegende Scheinarbeitsverhältnis seien keine tauglichen Anknüpfungsgegenstände für die Bewilligung von Überbrückungsbeihilfe. Der Umstand, dass der Kläger keinerlei Bestrebungen ergriffen habe, um eine Gehaltssteigerung herbeizuführen, sei treuwidrig und stehe einem Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe entgegen, der keine sachwidrige Subventionierung sein solle. Die Behauptung des Klägers, ihm fehle trotz oder sogar wegen seiner langjährigen Tätigkeit für die Stationierungsstreitkräfte die für den heutigen Arbeitsmarkt notwendige Qualifikation, sei unsubstantiiert und erkläre zudem nicht, warum der Verdienst nicht wenigstens während der nachfolgenden Beschäftigung angehoben worden sei oder er angesichts der niedrigen Vergütung eine Teilzeitdiskriminierung geltend gemacht habe. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen, nachdem die Beklagte lediglich den Hinweis des Bundesarbeitsgerichts auf eine mögliche Unbilligkeit von Vertragsgestaltungen in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 2013 (6 AZR 383/12) beachte. Im Verfahren 1 Ca 634/15 hat die Beklagte zuletzt ergänzend mit Nichtwissen bestritten, dass der Arbeitsvertrag des Klägers in Vollzug gesetzt worden sei und der Kläger 22 Stunden wöchentlich arbeite; zumindest dies müsse der Kläger als tarifvertragliche Voraussetzung für seinen Anspruch beweisen. Zudem hat sie den Anspruch der Höhe nach bestritten, weil sich der Kläger im Vergleich zu einem Vollzeitarbeitnehmer mit einem künstlich niedrigen Entgelt zufrieden gegeben habe.

27

Das Arbeitsgericht hat der Klage im Verfahren 1 Ca 119/15 mit Urteil vom 20. Mai 2015 vollumfänglich stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen angeführt, die Voraussetzungen des TV SozSich für die Gewährung einer Überbrückungsbeihilfe seien gegeben, da der Kläger neben den unstreitig vorliegenden sonstigen Voraussetzungen das allein von den Tarifvertragsparteien vorgesehene Kriterium der Mindestbeschäftigungsdauer von mehr als 21 Wochenstunden erfülle, während ein Mindestverdienst nicht erforderlich sei. Angesichts des Ziels der Tarifvertragsparteien, die betriebsbedingt entlassenen, älteren, langjährig bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigten Arbeitnehmer überhaupt in den Arbeitsmarkt bei mehr als geringfügiger Beschäftigung wiedereinzugliedern, könne ihm nicht angelastet werden, dass er sein Arbeitsverhältnis nach den Vorgaben des TV SozSich ausgerichtet habe. Von einem treuwidrigen Verhalten des Klägers, der nach seiner langjährigen Beschäftigung bei den Streitkräften in fortgeschrittenem Alter nur noch schwer auf dem Arbeitsmarkt habe Fuß fassen können, könne keine Rede sein. Tatsächliche Anhaltspunkte für ein Scheinarbeitsverhältnis seien von der Beklagten weder vorgetragen, geschweige denn unter Beweis gestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 124 ff. d. A., 6 Sa 328/15, Bezug genommen.

28

Auch im Verfahren 1 Ca 634/15 hat das Arbeitsgericht der Klage mit Urteil vom 23. September 2015 vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es sich ergänzend zur vorangegangenen Entscheidung im Wesentlichen darauf berufen, der Kläger erfülle die tariflichen Voraussetzungen für den Bezug der Überbrückungsbeihilfe. Einer weiteren Substantiierung, wann und wor er seine vereinbarte Arbeitszeit mit welchem Inhalt erbringe, bedürfe es nicht. Die Darlegungs- und Beweislast für ein Scheinarbeitsverhältnis trage die sich hierauf berufende Beklagte, wobei es nicht genüge, wenn sie auf die bloße Rechtsansicht des Klägers verweise, es sei unerheblich, ob er weniger verdiene als eine Vollzeitkraft, zumal der Kläger diesen Umstand gleichzeitig in Abrede gestellt habe. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 100 f. d. A., 6 Sa 497/15, verwiesen.

29

Die Beklagte hat gegen das am 15. Juli 2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts im Verfahren 1 Ca 119/15 mit am 16. Juli 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 15. Juli 2015 unter dem Aktenzeichen 6 Sa 328/15 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 15. Oktober 2015 mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 14. Oktober 2015 begründet.

30

Die Beklagte hat gegen das am 03. November 2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts im Verfahren 1 Ca 634/15 mit am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 09. November 2015 unter dem Aktenzeichen 6 Sa 497/15 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz von Montag, dem 04. Januar 2016, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, begründet.

31

Die Beklagte macht zweitinstanzlich in beiden Verfahren nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründungsschriften vom 15. Oktober 2015 und 04. Januar 2016 (Bl. 144 ff. d. A., 6 Sa 328/15, Bl. 121 ff. d. A., 6 Sa 497/15) und der Schriftsätze vom 24. Februar 2015 (Bl. 182 ff. d. A., 6 Sa 328/15; Bl. 218 ff. d. A., 6 Sa 497/15) und 27. Mai 2015 (Bl. 257 ff. d. A, 6 Sa 328/15), auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird, im Wesentlichen geltend,

32

die Entscheidung des Arbeitsgerichts sei im Ergebnis unzutreffend. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass andere kaufmännische Angestellte der Drittarbeitgeberin im gleichen Zeitraum wie der Kläger eine Stundenvergütung in Höhe von die ortsübliche Vergütung für kaufmännische Tätigkeit im EDV-Bereich erheblich unterschreitenden maximal 6,79 Euro brutto bzw. 8,88 Euro brutto erzielt hätten bzw. erzielten. Es werde bestritten, dass der Kläger tatsächlich eine Arbeitsleistung für die Drittarbeitgeberin erbringe, hilfsweise dass es sich um eine solche in Höhe von 22 Stunden handele, in der er die von ihm angegebenen, (auch: Hilfs-) Tätigkeiten verrichte. Es sei nicht ersichtlich, wann der Kläger arbeite, zumal die Drittarbeitgeberin in der Stellungnahme gerade ausgeführt habe, es bestünden keine festen Arbeitszeiten. Allein die Vorlage des Arbeitsvertrages genüge nicht, der Kläger müsse vielmehr Vollbeweis für die anspruchsbegründenden tariflichen Voraussetzungen und auch - angesichts des Charakters der Überbrückungsbeihilfe als Sozialleistung - in Übereinstimmung mit der sozialgerichtlichen Rechtsprechung dafür erbringen, dass kein Scheinarbeitsverhältnis vorliege, zumal sie keine Einblick in das Drittarbeitsverhältnis habe. Das Arbeitsgericht habe zahlreiche Anhaltspunkte für ein Scheinarbeitsverhältnis unberücksichtigt gelassen. Das Eingehen und das jahrelange Festhalten des Klägers an einem äußerst niedrig dotierten Arbeitsverhältnis mit geringstmöglicher Arbeitszeit sei zudem rechtsmissbräuchlich iSd. § 162 BGB, zumal es dem Kläger möglich gewesen sei, bei offenen 57 Stellen im Bereich EDV-Betreuung und IT-Administration und mehr als 200 offenen Stellen für ungelernte Fachkräfte im Bezirk der Arbeitsagentur Kaiserslautern eine adäquate anderweitige Beschäftigung zu finden. Es sei vor diesem Hintergrund mehr als fragwürdig, dass die Drittarbeitgeberin ganz offen mitgeteilt habe, eine Vertragsanpassung sei nicht für erforderlich gehalten worden. Ihr, der Beklagten, könne es nicht zugemutet werden, auf ein gesetzes- oder sittenwidrig niedriges Entgelt wie vorliegend Aufstockungsleistungen zu zahlen, das nur den Zweck erfülle, Überbrückungsbeihilfe zu beziehen.

33

Das Berufungsgericht hat die Verfahren 6 Sa 328/15 und 6 Sa 497/15 mit Beschluss vom 12. April 2016 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des erstgenannten Verfahrens verbunden.

34

Die Beklagte beantragt,

35

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 20. Mai 2015 - Az.: 1 Ca 119/15 - wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

36

2. das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 23. September 2015 - Az.: 1 Ca 634/15 - wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

37

Der Kläger beantragt,

38

die Berufungen zurückzuweisen.

39

Er verteidigt das von der Beklagten angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderungen vom 23. November 2015 (Bl. 205 ff. d. A., 6 Sa 328/15; 28. Januar 2016 (Bl. 169 ff. d. A., 6 Sa 328/15) und ihres Schriftsatzes vom 18. März 2015 (Bl. 192 ff. d. A., 6 Sa 497/15), hinsichtlich derer jeweils auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, zweitinstanzlich im Wesentlichen wie folgt,

40

während er die tariflichen Voraussetzungen für die Überbrückungsbeihilfe darlegen und beweisen müsse, verbleibe es bei der zivilrechtlichen Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Scheinarbeitsverhältnisses bei der Beklagten. Er sei tatsächlich bei der O.P.M. Verwaltungs-GmbH mit regelmäßig 22 Stunden in der Woche (vier Tage à 4,5 Stunden, ein Tag (idR freitags) à 4 Stunden, jeweils beginnend zwischen 8.00 und 9.00 Uhr) an seinem regelmäßigen Dienstsitz in M tätig. Seine Aufgabe bestehe darin, die sechs PC-Arbeitsplätze der Mitarbeiter dort und weiterer fünf Mitarbeiter in O zu betreuen (Bedarfsanalyse, Installation, Aufspielen neuer Programme, Datensicherung, Ankäufe, Marktsondierung, Entsorgung von Geräten). Weiter führe er Bürohilfstätigkeiten und Botengänge aus (Botengänge zu Ämtern und Behörden, Bring- und Holtätigkeiten gegenüber Kunden, Einscannarbeiten, Einkäufe, Entsorgungen, Zusammentragen von Daten (einfache PC-Arbeit), Hilfstätigkeiten bei einzelnen geschäftlichen Projekten). Er sei mit den anderen Kollegen nicht vergleichbar, da diese durchweg spezialisierte Buchhaltungskräfte, Betriebswirte und Bankkaufleute seien. Auch wenn seine Vergütung sehr niedrig sei, sei die Annahme eines Scheinarbeitsverhältnisses mehr als gewagt. Er habe nach Fachabitur und Wehrdienst ohne berufliche Ausbildung bei den Streitkräften zunächst im Rechenzentrum Computer und Großanlagen bedient, danach Bürotätigkeiten verrichtet und in den letzten Jahren im sog. „Help Desk“ Kundenanfragen und Beschwerden angenommen, so dass er keinesfalls ein „EDV-Spezialist“ oder „IT-Experte“ sei und das überdurchschnittliche Gehalt bei den Streitkräften nicht als Indiz für ein Scheinarbeitsverhältnis herangezogen werden könne, wobei ohnehin die monatliche Vergütung von 850,00 Euro brutto für minderqualifizierte Arbeitnehmer in Teilzeit wie ihn keineswegs unüblich sei. Eine höher qualifizierte Stelle zu finden sei ihm unmöglich gewesen. Rechtsmissbrauch liege nicht vor, da er die allein erforderlichen tariflichen Voraussetzungen erfülle, auch wenn es durchaus nachvollziehbar sei, dass die Beklagte versuche, ausschließlich aus fiskalischen Erwägungen mit allen Mitteln die finanziellen Folgen des TV SozSich im Nachhinein zu korrigieren.

41

Die Berufungskammer hat aufgrund Beschlusses vom 12. April 2016 (Bl. 244 d. A., 6 Sa 328/15) Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers, er habe ab 01. Oktober 2014 auf der Grundlage des FolgeAV bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 22 Stunden als kaufmännischer Angestellter im EDV-Bereich die Arbeitsplätze der Mitarbeiter betreut, sowie Bürohilfstätigkeiten und Botengänge ausgeführt durch Vernehmung des Zeugen E.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 07. Juni 2016 Bezug genommen.

42

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe

A

43

Die zulässigen Berufungen sind in der Sache nicht erfolgreich.

I.

44

Die Berufungen sind zulässig.

45

Die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil vom 20. Mai 2015 - 1 Ca 119/15 - ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG), wurde nach Zustellung des Urteils am 15. Juli 2015 mit am 16. Juli 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 15. Juli 2015 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 15. Oktober 2015 mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 14. Oktober 2015 rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, 5, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO).

46

Auch die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil vom 23. September 2015 - 1 Ca 634/15 - ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG), wurde nach Zustellung des Urteils am 03. November 2015 mit am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 09. November 2015 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und mit Schriftsatz von Montag, dem 04. Januar 2016, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, 5, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 520, 222 Abs. 2 ZPO).

II.

47

Beide Berufungen sind nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu dem Arbeitsentgelt seiner Beschäftigung für die Monate Oktober 2014 bis August 2015 in aus dem arbeitsgerichtlichen Tenor ersichtlichem Umfang nach §§ 2, 4 Ziff. 1 a TV SozSich iVm. der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 a TV SozSich zusteht. Die Berufungen waren zurückzuweisen.

48

1. Überbrückungsbeihilfe wird nach § 4 Ziff. 1 a TV SozSich zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt, wenn - wie vorliegend unstreitig der Fall - die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 TV SozSich gegeben sind. Nach der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 a TV SozSich liegt eine „anderweitige Beschäftigung“ nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als nur 21 Stunden beträgt. Weitere Anspruchsvoraussetzungen bestehen nach dem Wortlaut der Tarifbestimmung und der Protokollnotiz nicht (BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 17, zitiert nach juris).

49

2. Die Tätigkeit des Klägers bei der O.P.M. Verwaltungs GmbH, E-Stadt, mit 22 Wochenstunden vom 01. Oktober 2014 bis 31. August 2015 zu einer monatlichen Vergütung von 850,00 Euro brutto gemäß den Bestimmungen des FolgeAV stellt eine derartige zum Bezug von Überbrückungsbeihilfe berechtigende Anknüpfungsbeschäftigung iSd. Tarifvertrages dar.

50

2.1. Für die Berufungskammer steht zur Überzeugung fest, dass der Kläger im streitigen Zeitraum auf der Grundlage des FolgeAV bei der O.P.M. Verwaltungs GmbH der von ihm im Umfang von 22 Wochenstunden behaupteten Tätigkeit außerhalb der US-Stationierungsstreitkräfte zu einer monatlichen Bruttovergütung von 850,00 Euro nachgegangen ist (§ 286 ZPO).

51

a) Nach allgemeinen Grundsätzen trägt derjenige, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen (BAG 25. Juni 2014 - 7 AZR 847/12 - Rn. 36, mwN, zitiert nach juris). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen als anspruchsbegründende Tatsachen zum Bezug von Überbrückungsbeihilfe - und damit auch für die erforderliche Anknüpfungsbeschäftigung - liegt damit beim Kläger.

52

b) Es kann dahinstehen, ob der Kläger allein durch die bloße Vorlage des Arbeitsvertrages idF. des FolgeAV, dessen grundsätzlichen Abschluss die Beklagte bis zuletzt nicht in Abrede gestellt hat, seiner Darlegungs- und Beweislast genügen konnte, zumindest so lange, wie eine tatsächliche Beschäftigung des Klägers überhaupt unstreitig war (vgl. BAG 09. Februar 1995 - 2 AZR 389/94 - Rn. 23, zitiert nach juris). Nachdem die Beklagte jedenfalls zweitinstanzlich in beiden von der Berufungskammer verbundenen Verfahren mit Nichtwissen bestritten hatte, dass der Kläger überhaupt eine Arbeitsleistung in Höhe von 22 Wochenstunden für die O.P.M. Verwaltungs GmbH erbracht hat, steht für das Berufungsgericht zuletzt nach Vernehmung des Zeugen E. unter Berücksichtigung des gesamten Inhaltes der Verhandlung zur Überzeugung nach § 286 ZPO fest, dass die Behauptungen des Klägers zu seiner Beschäftigung bei der O.P.M. Verwaltungs GmbH für den Zeitraum ab 01. Oktober 2014 zutreffen. Der Zeuge E., der der Geschäftsführer der Drittarbeitgeberin ist, hat detailreich und in sich widerspruchsfrei bekundet, dass der Kläger zu Beginn der Beschäftigung mehr im Bereich EDV tätig war, zwischenzeitlich jedoch, nachdem die Firma sich verschiedenen Netzwerken angeschlossen hat, angesichts gestiegener Anforderungen an Soft- und Hardwarekenntnisse und nach Fremdvergabe der Computerwartung nur noch begrenzt dort eingesetzt wird und eher reine Hilfstätigkeiten verrichtet, wie beispielsweise Botengänge, Daten zusammentragen, Belege besorgen, dh. Vorarbeiten leisten. Dass der Zeuge die Arbeiten nicht exakter beschreiben konnte, tat hierbei der Glaubhaftigkeit der Aussage keinen Abbruch, hat er doch nachvollziehbar angegeben, dass die Tätigkeit des Klägers je nach Projekt variiert. Der Zeuge konnte auch Angaben zur Arbeitszeit des Klägers machen und hat ausgesagt, dass dieser regelmäßig um 8.00 Uhr kommt und dann bis 12.00 - 12.30 Uhr arbeitet, um die wöchentlich vereinbarten 22 Stunden zu erreichen, wobei Mehrarbeit zeitnah in Freizeit ausgeglichen werde. Dass der Zeuge angegeben hat, es gebe keine Stechuhren im Betrieb M, wo der Kläger eingesetzt ist, hinderte die Berufungskammer nicht daran, seiner Aussage Glauben zu schenken, da der Zeuge nachvollziehbar angegeben hat, bei nur vier Personen bedürfe es keiner Kontrolle durch derartige Mechanismen. Gleiches gilt für seine Angabe, er sei viel unterwegs, da er zugleich bekräftigt hat, auch oft anwesend zu sein, so dass er über die Arbeit des Klägers eine Aussage machen könne. Die Berufungskammer hatte keinerlei Veranlassung, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln, da weder eine besondere Nähe zum Kläger ersichtlich gewesen wäre, noch sonstige persönlichen Gründe, die den Zeugen hätten veranlassen können, zu dessen Gunsten eine unzutreffende Aussage zu machen. Auch hat der persönliche Eindruck, den der Zeuge während seiner neutral getätigten Aussage gemacht hat, hierzu keinen Anhaltspunkt geliefert.

53

c) Da der Kläger damit bereits iSd. § 286 ZPO Vollbeweis dafür erbracht hat, dass er tatsächlich eine zum Bezug von Überbrückungsbeihilfe iSd. TV SozSich berechtigende Arbeitsleistung über 22 Wochenstunden für die O.P.M. GmbH verrichtet hat, kann dahinstehen, ob die Auffassung der Berufung zutrifft, der Kläger trage angesichts des sozialen Charakters der Überbrückungsbeihilfe die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitsvertrag wie vereinbart ordnungsgemäß durchgeführt worden ist (vgl. zu den üblichen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast nach § 117 Abs. 1 BGB: BAG 13. Februar 2003 - 8 AZR 59/02 - Rn. 36, mwN, 09. Februar 1995 - 2 AZR 389/94 - Rn. 24, jeweils zitiert nach juris).

54

2.2. Die Beklagte kann sich des Anspruchs nicht mit Erfolg wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) erwehren.

55

a) Entgegen der Auffassung der Berufung trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Kläger treuwidrig iSd. § 242 BGB, etwa durch Scheingeschäft oder wegen Verstoßes gegen die guten Sitten einen Lohn vereinbart hat, der unter der üblichen Vergütung liegt(vgl. BAG 22. Dezember 1994 -6 AZR 337/94 - Rn. 24, zitiert nach juris). Der Grundsatz von Treu und Glauben beschränkt als Gebot der Redlichkeit und allgemeine Schranke der Rechtsausübung sowohl subjektive Rechte als auch die Inanspruchnahme von Rechtsinstituten und Normen; die sich aus einem Rechtsinstitut oder einer Rechtsnorm an sich ergebenden Rechtsfolgen müssen zurücktreten, wenn sie zu einem mit § 242 BGB unvereinbaren Ergebnis führen(BAG 24. Juni 2015 - 7 AZR 452/13 - Rn. 23, zitiert nach juris). Nach allgemeinen Grundsätzen ist darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen einer missbräuchlichen Vertragsgestaltung derjenige, der eine solche geltend macht (BAG 19. März 2014 - 7 AZR 527/12 - Rn. 26, zitiert nach juris). Schwierigkeiten, die sich aus fehlenden Kenntnismöglichkeiten ergeben, ist unter Umständen durch die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen (vgl. zu Befristungsabreden: BAG 19. März 2014 - 7 AZR 527/12 - Rn. 26, aaO; 04. Dezember 2013 - 7 AZR 290/12 - Rn. 26, zitiert nach juris). Hieran ändert sich - anders als die Berufung meint - nichts dadurch, dass die Überbrückungsbeihilfe als unterstützende Leistung aus sozialen Gesichtspunkten gewährt wird (vgl. BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 23, zitiert nach juris). Auch wenn Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich eine soziale Sonderleistung darstellt, die weit über die im Arbeitsleben üblichen Leistungen des Arbeitgebers hinausgeht (vgl. BAG 06. Oktober 2011 - 6 AZN 815/11 - Rn. 23, zitiert nach juris), besteht - anders als die Berufung meint - keine Veranlassung, im Hinblick auf den Rechtsmissbrauchseinwand auf die Erwägungen der Sozialgerichtsbarkeit zur Darlegungs- und Beweislast bei sozialrechtlichen Ansprüchen gegenüber öffentlichen Kassen, die eine entgeltliche Beschäftigung iSv. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V voraussetzen, abzustellen. Derartige Ansprüche sind im Rechtsweg vor den Sozialgerichten bei geltendem Amtsermittlungsgrundsatz zu verfolgen. Beim Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich handelt es sich demgegenüber unabhängig vom sozialen Charakter der Leistung um einen zivilrechtlichen Anspruch aus Tarifvertrag, dessen tatbestandliche Voraussetzungen - ua. das Vorliegen einer Anknüpfungsbeschäftigung mit mehr als 21 Wochenstunden - der Arbeitnehmer als Anspruchssteller darlegen und beweisen muss und der im von Grundsätzen des Zivilprozesses geprägten arbeitsrechtlichen Verfahren geltend gemacht wird. Gelingt dem Arbeitnehmer dies - wie vorliegend aus bereits dargelegten Gründen -, ist es Aufgabe der Beklagten die Voraussetzungen für ein treuwidriges Verhalten des Klägers bei der Inanspruchnahme von Überbrückungsbeihilfe darzulegen und zu beweisen (vgl. BAG 22. Dezember 1994 – 6 AZR 337/94 - Rn. 23, aaO), gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Regeln zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast.

56

b) Ausgehend hiervon ist der Beklagten der Nachweis eines treuwidrigen Verhaltens des Klägers im Hinblick auf die verlangte Überbrückungsbeihilfe nicht gelungen. Die Berufungskammer vermochte in Würdigung des gesamten Ergebnisses der Verhandlungen einschließlich der Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme weder ausreichenden Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass der Kläger im Wege eines Scheingeschäfts (§ 117 BGB) mit der O.P.M. Verwaltungs GmbH einen zu niedrigen Lohn für seine tatsächlich höherwertige Tätigkeit vereinbart hätte, noch dass seine Vergütung sittenwidrig niedrig war, noch dass dem Kläger aus sonstigen Gründen Rechtsmissbrauch iSd. § 242 BGB vorzuwerfen ist. Anders als die Beklagte meint, steht für die Berufungskammer aus den bereits dargelegten Gründen zur Überzeugung fest, dass der Kläger im streitigen Zeitraum bei der Drittarbeitgeberin nicht als EDV-Spezialist eingesetzt wurde, sondern zuletzt schwerpunktmäßig Botengänge und einfachste Bürohilfsarbeiten verrichtet hat, hinsichtlich derer die Höhe der Vergütung des Klägers nicht zu beanstanden ist, zumal der ab 01. Januar 2015 geltende gesetzliche Mindestlohn pro Stunde erreicht wurde. Dass der Kläger einen Lohn vereinbart hätte, der unter der üblichen Vergütung liegt, obwohl konkrete Angebote mit höherer Vergütung vorgelegen hätten, hat die Beklagte nicht unter Benennung konkreter Stellen benannt. Das bloße Zurückgreifen auf allgemein von der Arbeitsverwaltung als offen gemeldete Stellen genügte hierzu nicht. Da nicht ersichtlich ist, auf welcher Rechtsgrundlage der Kläger einen Anspruch auf Lohnerhöhung hätte haben sollen, kann die Beklagte dem Kläger auch nicht gemäß § 162 BGB vorwerfen, nach einer solchen im streitigen Zeitraum nicht ersucht zu haben, zumal es nach der tarifvertraglichen Regelung nicht darauf ankommt, wie hoch das vereinbarte Arbeitsentgelt ist(vgl. BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 338/94 - Rn. 19, zitiert nach juris). Aus den gleichen Gründen war vom Kläger auch nicht zu verlangen, sich gegenüber der Drittarbeitgeberin auf eine - zudem nicht ersichtliche - Teilzeitdiskriminierung zu berufen. Auch das Festhalten an der vereinbarten Arbeitszeit von 22 Stunden kann dem Kläger zum Vorwurf nicht gereichen, da er damit die tarifliche Mindestbeschäftigungsdauer überschreitet, ohne dass der Tarifwortlaut weitere Voraussetzungen verlangen würde (BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 338/94 - Rn. 17, aaO). Dass die Drittarbeitgeberin der Beklagten im Übrigen unklare Auskünfte über die Beschäftigung des Klägers erteilt hätte, war angesichts der Tatsache, dass sie sämtliche Fragen aus dem Fragebogen der Lohnstelle Ausländische Streitkräfte vom 16. Oktober 2014 mit Schreiben vom 20. Oktober 2014 (Bl. 38 d. A.) ausführlich beantwortet hat, nicht zu erkennen.

57

3. Nachdem der Kläger im streitigen Zeitraum von Oktober 2014 bis August 2015 die Voraussetzungen für den Bezug von Überbrückungsbeihilfe §§ 2, 4 Ziff. 1 a TV SozSich iVm. der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 a TV SozSich erfüllt hat, steht ihm der vom Arbeitsgericht ausgeurteilte Betrag, den die Beklagte monatlich der Höhe nach - unabhängig von der Frage ihrer Auffassung nach treuwidrig zu niedrig vereinbarter Höhe der Vergütung beim Drittarbeitgeber - nicht beanstandet hat, zu.

B

58

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

59

Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.01.2016 - 3 Ca 1266/15 - wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte darüber hinaus verurteilt, 22.064,60 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.02.2016, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.03.2016, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.04.2016, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.05.2016 sowie aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.06.2016 an den Kläger zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob die Beklagte zur Zahlung von Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag für soziale Sicherung (TV SozSich) verpflichtet ist.

2

Der 1955 geborene Kläger war seit 1974 bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigt, zuletzt als Air Field Manager in G.. Aufgrund der Schließung dieses Flugfeldes im Dezember 2006 wurde er aufgrund von Personaleinschränkungen im Sinne des § 2 TV SozSich entlassen.

3

Dem Kläger wurde ab dem 01.01.2007 Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich gewährt. Dies erfolgte im Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 28.02.2007 zu den Arbeitsentgelten, die er bei einer Firma R. bezogen hatte, in der Zeit vom 01.03.2007 bis zum 31.03.2012 zu dem Arbeitsentgelt, das er bei einer Firma B. GmbH bezogen hatte, im Zeitraum vom 01.04.2012 bis zum 30.06.2014 zum Arbeitsentgelt, was er bei der Firma T. KG bezogen hatte und für den Zeitraum vom 01.07.2014 bis zum 31.01.2015 schließlich zu dem Arbeitsentgelt, das er bei der Firma K. bezogen hatte. Dort arbeitete er zuletzt für einen Monatsverdienst von 808,00 EUR bei 22 Wochenstunden.

4

Dieses Arbeitsverhältnis hat der Kläger selbst gekündigt, weil er sich überfordert fühlte. Im Anschluss daran beantragte er wiederum Überbrückungsbeihilfe zu einem Arbeitsverhältnis bei der Firma T. KG. Er legte insoweit unterschiedliche, insgesamt fünf, Arbeitsvertragsentwürfe für die Beschäftigung bei der Firma T. KG bei der zuständigen ADD vor, die immer wieder die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe aus unterschiedlichen Gründen ablehnte. Bezüglich des Inhalts der entsprechenden Arbeitsvertragsentwürfe wird auf Bl. 74 ff. d.A. Bezug genommen.

5

Der Kläger hat vorgetragen,
er sei tatsächlich seit dem 01.02.2015 bei der Firma T. KG als Taxifahrer beschäftigt. Diese Tätigkeit erfolge in Teilzeit zu 22 Stunden im Durchschnitt in der Woche bei einer Vergütung von 810,00 EUR pro Monat.

6

Der Kläger hat beantragt,

7

1. Die Beklagte wird verurteilt, einen Betrag in Höhe von 43.616,15 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 4.310,31 EUR seit dem 01.04.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.310,31 EUR seit dem 01.05.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.310,31 EUR seit dem 01.06.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.310,31 EUR seit dem 01.07.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.310,31 EUR seit dem 01.08.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 EUR seit dem 01.09.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 EUR seit dem 01.10.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 EUR seit dem 01.11.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 EUR seit dem 01.12.2015 sowie aus einem Betrag in Höhe von 4.412,92 EUR seit dem 01.01.2016 an den Kläger zu zahlen.

8

2. Es wird festgestellt, dass dem Kläger im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit der T. KG (Arbeitsverdienst: 8,50 EUR/Stunde; bei Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns wird Stundenlohn entsprechend angepasst; Arbeitszeit: 22 Stunden wöchentlich, Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos nach § 2 Abs. 2 MiLoG) ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des Tarifvertrages zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungskräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31.08.1971 (TV SozSich) in Höhe des sich nach § 4 des TV SozSich jeweils monatlich zu errechnenden Betrages zusteht.

9

Die Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte hat vorgetragen,
sie habe erhebliche Zweifel daran, dass überhaupt ein Arbeitsverhältnis zu der Firma T. KG bestehe, jedenfalls in der vorgetragenen Form. Dies folge bereits daraus, dass der Kläger verschiedenste Arbeitsvertragsentwürfe vorgelegt habe, in denen der angebliche Arbeitgeber sogar teilweise falsch geschrieben gewesen sei. Im Übrigen sei das Verhalten des Klägers als treuwidrig anzusehen. Er habe seine Arbeitsverhältnisse nämlich immer genau so ausgestaltet, dass er nur ein Minimum an Arbeitsleistung zu verrichten habe, um damit ein Maximum an staatlichen Sozialleistungen zu beziehen. Entsprechend § 162 BGB sei er aber verpflichtet, seine Arbeitskraft anderweitig so einzusetzen, dass weniger Sozialleistungen oder gar keine mehr an ihn zu zahlen seien.

12

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat in der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2016 - 3 Ca 1266/15 - den Zeugen H. vernommen. Hinsichtlich des Inhalts seiner Aussage wird auf die Niederschrift der Sitzung vom 14.01.2016 (Bl. 232 - 235 d. A.) Bezug genommen.

13

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Beklagte daraufhin antragsgemäß zur Zahlung von 43.616,15 € brutto nebst Zinsen verurteilt, sowie festgestellt, dass dem Kläger im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit der T. KG ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich zusteht. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 259 - 266 d. A. Bezug genommen.

14

Gegen das ihr am 12.02.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 29.02.2016 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 07.04.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

15

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die tariflichen Voraussetzungen mit dem seit 01.02.2015 behaupteten Arbeitsverhältnis seien bereits nicht erfüllt. Dies folge aus den vom Kläger vorgelegten Stundennachweisen. Nach seinem eigenen Vortrag würden einerseits die zwingenden gesetzlichen Voraussetzungen des Mindestlohngesetzes unterschritten, z. B. in den Monaten Juni, August und September 2015; im Übrigen erfülle der Kläger nicht die tarifliche erforderliche tatsächliche Wochenarbeitszeit von mehr als 21 Stunden. Insoweit sei zu bestreiten, dass der Kläger mehr als 21 Wochenstunden gearbeitet habe. Allein der Umstand, dass ein Arbeitsvertrag vorgelegt werde, in dem eine Arbeitszeit von 22 Wochenstunden vereinbart sei, sei kein Beweis dafür, dass tatsächlich auch 22 Wochenarbeitsstunden gearbeitet worden seien. Insoweit müssten auch die Pausenzeiten berücksichtigt werden, weil sie ganz erheblichen Einfluss auf den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe hätten. Falls der Kläger längere Pausen genommen habe, seien die Voraussetzungen für die Gewährung von Überbrückungsbeihilfe nicht gegeben, weil dann die 21-Wochenstunden-Zahl nicht erreicht werde. Habe er dagegen kürzere Pausen genommen, unterschreite er unmittelbar den gesetzlichen Mindestlohn und der Anspruch gehe soweit gesamthaft unter. Auch der vom Arbeitsgericht vernommene Zeuge habe keine Kenntnis davon gehabt, ob der Kläger tatsächlich 21 Wochenstunden gearbeitet habe.

16

Im Übrigen setze die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe voraus, dass der entlassene Arbeitnehmer seinerseits alles Tue, um einen möglichst gleichwertigen Arbeitsplatz zu erlangen. Vorliegend sei infolge des Urteils des BAG vom 19.12.2013 - 6 AZR 383/12 - davon auszugehen, dass ein Rechtsmissbrauch (§ 162 BGB) im Zusammenhang mit dem Bezug von Leistungen nach dem TV SozSich gegeben sei. Das Arbeitsentgelt des Klägers sei offensichtlich zu niedrig. Das folge aus dem krassen Missverhältnis zwischen der Überbrückungsbeilhilfe und dem Arbeitsentgelt als Anknüpfungsleistung. Des Weiteren folge dies daraus, dass der Tarifvertragszweck verfehlt werde und das Arbeitsverhältnis ausschließlich zum Zwecke des Leistungsbezuges nach dem TV SozSich begründet worden sei. Des Weiteren müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger - für Arbeitsverhältnisse atypisch - über Jahre hinweg von sich aus keine Veranlassung gesehen habe, eine Steigerung seines Entgelts zu erreichen. Dies sei umso mehr vorwerfbar, als seine Überbrückungsbeihilfe alljährlich aufgrund der Steigerung in der Rentenversicherung nach Maßgabe des TV SozSich erhöht worden sei. Damit liege die Vergütung des Klägers insgesamt weit unter der Grenze der Sittenwidrigkeit. Im Übrigen habe der Kläger keine Anstrengung unternommen, eine seiner Tätigkeiten bei den Streitkräften wenigstens teilweise entsprechende Folgebeschäftigung zu finden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass das Primärziel der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess die Gleichwertigkeit eines neuen Arbeitsverhältnisses sei; vorliegend sei folglich nach Maßgabe der Einzelumstände eine vollständige Zweckverfehlung des TV SozSich gegeben. Diese zu beanstandende Gesamtsituation werde exemplarisch durch das Vorgehen des Klägers und die Zeugenaussage des Dritt-Arbeitgebers wie folgt bestätigt:

17

- Vorlage von fünf verschiedenen Versionen (sic!) von Arbeitsverträgen durch den Kläger mit der Bitte "um Nachricht", ob dieser Vertrag den Voraussetzungen zum Erhalt der Überbrückungsbeihilfe nach TV TASS entspricht bzw. ob es jetzt passt.

18

- Die arbeitsvertraglichen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses (Stundenzahl, Mindestlohn) gehen auf den Kläger zurück, da ihm eine vom Arbeitgeber angebotene Beschäftigung auf 450 €-Basis "nichts bringe".

19

- (Rückwirkende) Anpassung der Arbeitsverträge auf Wunsch des Kläger so, "wie es das Amt [= Lohnstelle] gerne hätte".

20

- Verfasser der Arbeitsverträge ist (atypisch) nicht der Arbeitgeber, sondern der Kläger (Arbeitnehmer).

21

- Gewisse Gleichgültigkeit des Arbeitgebers gegenüber "Nuancen" bei Arbeitszeit + Lohngestaltung.

22

- Regelung eines "verstetigten Monatsentgelts" mit Stundenlohn auf Basis des Mindestlohns unabhängig von tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden.

23

Diese Einzelumstände belegten beispielhaft, dass der Kläger seiner Verpflichtung um ein ernsthaftes Bemühen um einen möglichst gleichwertigen Arbeitsplatz nicht nachgekommen sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Arbeitslosenquote im struktur-starken Landkreis B-Stadt, in dem der Kläger wohne, bei 1,6 Prozent liege, die Quote der Langzeitarbeitslosen liege sogar nur bei 0,8 Prozent.

24

Im Übrigen werde bestritten, dass dem Kläger der Anspruch - diesen dem Grunde nach unterstellt - der Höhe nach zustehe.

25

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 06.04.2016 (Bl. 286 - 303 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 304 - 329 d. A.) sowie ihren Schriftsatz vom 10.06.2016 (Bl. 449 - 451 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 452 - 455 .d. A.) Bezug genommen.

26

Die Beklagte beantragt,

27

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14. Januar 2016, Az.: 3 Ca 1266/15, abzuändern und die Klage abzuweisen.

28

Der Kläger beantragt,

29

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

30

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebst insbesondere hervor, es sei ihm trotz aller intensiver Bemühungen, die er im erstinstanzlichen Rechtszug auch nachgewiesen habe, nicht gelungen, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einen auch nur annähernd gleichwertigen Arbeitsplatz zu finden. Das von ihm gelebte Arbeitsverhältnis erfülle die grundsätzlichen Voraussetzungen zum Bezug der tariflichen Überbrückungsbeihilfe. Der von ihm zuletzt abgeschlossene Arbeitsvertrag sei nicht als sittenwidrig anzusehen. Insbesondere verlange der einschlägige Tarifvertrag nicht die Vereinbarung einer bestimmten Mindestvergütung. Es treffe nicht zu, dass er die nach dem Tarifvertrag erforderliche wöchentliche Arbeitsleistung im Umfang von mehr als 21 Stunden nicht nachgewiesen habe. Zu berücksichtigen sei insoweit zu dem insbesondere, dass die Beklagte über die Jahre hinweg niemals irgendwelche diesbezüglichen Zweifel gehegt und vom Kläger einen Nachweis über seine tatsächliche und wöchentliche Arbeitsleistung erbeten habe. Auch habe die Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht das Vorbingen des Klägers bestätigt.

31

Unstreitig seien die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Überbrückungsbeihilfe vorliegend gegeben. Für die Berechnung der Höhe der zu gewährenden Überbrückungsbeihilfe sei nach Maßgabe der tariflichen Regelung nur die Vorlage des Arbeitsvertrages und von Nachweisen über die aus diesem Arbeitsverhältnis resultierenden Lohnansprüche erforderlich. Dem sei der Kläger stets nachgekommen. Einen weiteren Beweis müsse er nicht erbringen. Die Vernehmung des Zeugen H. habe zweifelsfrei ergeben, dass zwischen dem Kläger und seinem Unternehmen ein Arbeitsverhältnis auf Basis von 22 Wochenstunden die Woche bestanden habe und auch derzeit bestehe. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die tatsächliche Wochenarbeitszeit von mehr als 21 Wochenstunden nicht erfülle, bestünden nicht. Dies habe die vor dem Arbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme zweifelsfrei ergeben. Insoweit habe der Kläger substantiiert hinsichtlich der konkreten Dauer seiner Arbeitszeit vorgetragen, obwohl er nach den Grundsätzen der Darlegungslast dazu überhaupt nicht verpflichtet gewesen sei. Hinsichtlich der fehlenden Einhaltung der Vorgaben des Mindestlohngesetzes fehle es an substantiiertem Vorbringen der Beklagten. Richtig sei demgegenüber, dass sich aus seinen Stundennachweisen ergebe, dass er im Durchschnitt jeden Monat mehr als 21 Wochenstunden als Taxifahrer tätig sei und dafür unter Berücksichtigung des geführten Arbeitszeitkontos auch den gesetzlichen Mindestlohn erhalten habe. Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch bzw. eine Zweckverfehlung hinsichtlich der tarifvertraglichen Leistungen seien ersichtlich nicht gegeben; das Vorbringen der Beklagten sei insoweit völlig aus der Luft gegriffen. Im Übrigen verhalte sich die Beklagte selbst treuwidrig, denn sie habe keinerlei Anstrengungen unternommen, ihren eigenen Verpflichtungen gem. § 3 Ziff. 3 TV SozSich nachzukommen. Vor diesem Hintergrund verhalte sie sich vorliegend illoyal. Schließlich sei entgegen der Auffassung der Beklagten davon auszugehen, dass mit den geltend gemachten Zahlungen gerade der Regelungszweck des TV SozSich erfüllt werde. Letztlich habe er, der Kläger sich in höchstmöglichem Ausmaß um eine Vollzeitstelle bemüht, freilich erfolglos.

32

Weil nach alledem die Klage des Klägers aus seiner Sicht nach wie vor voll umfänglich begründet ist, begehrt er im Wege der Anschlussberufung die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu seinem Arbeitsentgelt aus seiner Tätigkeit für die T. KG für die Monate Dezember 2015 - April 2016.

33

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 11.05.2016 (Bl. 369 - 402 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 403 - 440 d. A.) Bezug genommen.

34

Der Kläger beantragt deshalb weiterhin,

35

die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 22.064,60 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.02.2016, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.03.2016, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.04.2016, aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.05.2016 sowie aus einem Betrag in Höhe von 4.412,92 € seit dem 01.06.2016 an ihn zu zahlen.

36

Die Beklagte beantragt,

37

die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

38

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

39

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 13.06.2016.

Entscheidungsgründe

I.

40

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

41

Die gleichen Grundsätze gelten für die Anschlussberufung des Klägers, die eine, wovon auch die Beklagte ausgeht, sachdienliche Klageerweiterung enthält.

II.

42

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

43

Denn das Arbeitsgericht ist letztlich zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 43.616,15 € brutto nebst Zinsen sowie die Feststellung verlangen kann, dass ihm im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit der Fa. T. KG ein Anspruch auf Überbrückungsbeilhilfe nach den Bestimmungen des TV SozSich zusteht. Des Weiteren kann der Kläger aufgrund der Klageerweiterung im Berufungsverfahren die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 22.064,60 € brutto nebst Zinsen verlangen.

44

Der Anspruch folgt aus § 4 Ziffer 1 lit. a TV SozSich. Danach wird Überbrückungsbeihilfe gezahlt zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte. Nach der Protokollnotiz zu Ziffer 1 a liegt eine "anderweitige Beschäftigung" in diesem Sinne nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt.

45

Nach Maßgabe der Auslegung der insoweit im Gesamtzusammenhang einschlägigen Tarifnormen einerseits und der Anwendung auf den konkret zu entscheidenden Lebenssachverhalt nach Maßgabe des tatsächlichen Vorbringens der Parteien andererseits sind diese Voraussetzungen entgegen der Auffassung der Beklagten vorliegend gegeben.

46

Insoweit enthält der TV SozSich vom 31.08.1971, soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Belang, folgende Regelungen:

47

"§ 2 Anspruchsvoraussetzungen

48

Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben Arbeitnehmer, die

49

1. wegen Personaleinschränkung

50

a) infolge einer Verringerung der Truppenstärke
b) infolge einer aus militärischen Gründen von der obersten Dienstbehörde angeordneten Auflösung von Dienststellen oder Einheiten oder deren Verlegung außerhalb des Einzugsbereichs des bisherigen ständigen Beschäftigungsortes

51

entlassen werden, wenn sie

52

2. im Zeitpunkt der Entlassung

53

a) seit mindestens einem Jahr vollbeschäftigt sind,
b) mindestens fünf Beschäftigungsjahre im Sinne des § 8 TV AL II oder des TV B II nachweisen können und das 40. Lebensjahr vollendet haben,
c) ihren ständigen Wohnsitz in den letzten fünf Jahren im Geltungsbereich des TV AL II oder des TV B II hatten,
d) die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes oder des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen, und ihnen

54

3. keine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV ALM angeboten worden ist. Als zumutbar gilt jede anderweitige Verwendung im Sinne des § 1 Ziffern 3ff. des Kündigungsschutztarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den amerikanischen und belgischen Stationierungsstreitkräften vom 16. Dezember 1966 - und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitnehmer unter den Geltungsbereich des KSch TV fällt.

55

§ 3 Eingliederung

56

1. Der entlassene Arbeitnehmer soll möglichst sofort in den Arbeitsprozess wieder eingegliedert werden.

57

2. Der Arbeitnehmer hat sich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitsuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden.

58

Er hat, soweit zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess erforderlich, an beruflichen Bildungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (§§ 33ff. AFG: Berufliche Fortbildung und Umschulung) teilzunehmen.

59

3. Die Bundesregierung wird bemüht sein, für die bevorzugte Einstellung entlassener deutscher Arbeitnehmer in den Bundesdienst Sorge zu tragen. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Bundesregierung wird außerdem darauf hinwirken, dass deutsche Arbeitnehmer im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten von anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes bevorzugt berücksichtigt werden.

60

§ 4 Überbrückungsbeihilfe

61

1. Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt:

62

a) zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte,
b) zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeits-losigkeit oder beruflichen Bildungsmaßnahmen (Arbeitslosengeld/-hilfe, Unterhaltsgeld),
c) zum Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung oder zum Verletztengeld der gesetzlichen Unfallversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Arbeitsunfall.

2. a)

63

(1) Die Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (Ziffer 1b) wird in den Fällen des § 44 Absatz 4, der §§115, 121, 123, 126, 233 Absatz2 AFG nach dem ungekürzten Arbeitslosen- bzw. Unterhaltsgeld berechnet; entsprechendes gilt für die Arbeitslosenhilfe.

64

(2) Für Zeiten der Arbeitslosigkeit, in denen der Arbeitnehmer die Anspruchsvoraussetzungen auf Arbeitslosenhilfe nur deshalb nicht erfüllt, weil er im Sinne des § 134 Absatz 1 Nr. 3 AFG nicht bedürftig ist, wird die zuvor zum Arbeitslosengeld gezahlte Überbrückungsbeihilfe innerhalb des Anspruchszeitraumes nach Ziffer 5 insgesamt bis zur Dauer von 52 Wochen - längstens jedoch bis zum Ablauf des Anspruchszeitraumes - weitergezahlt.

65

b) Für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung oder Arbeitsunfall (Ziffer 1c) wird die Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld oder Verletztengeld innerhalb eines Kalenderjahres insgesamt bis zur Dauer von 12 Wochen gezahlt - längstens jedoch bis zum Ablauf des Anspruchszeitraumes gemäß Ziffer 5.

3. a)

66

(1) Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung (Ziffer 1a) ist die tarifvertragliche Grundvergütung nach § 16 Ziffer 1a TV AL II, die dem Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit im Zeitpunkt der Entlassung für einen vollen Kalendermonat zu-stand (Umrechnungsformel: wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit x 13:3).

67

Für Arbeitnehmer, deren arbeitsvertragliche regelmäßige Arbeitszeit in den letzten 6 Monaten vor der Entlassung unterschiedlich festgesetzt war, gilt als "arbeitsvertragliche regelmäßige Arbeitszeit im Zeitpunkt der Entlassung" der rechnerische Durchschnitt der letzten 26 Beschäftigungswochen.

68

(2) In den dem Jahr der Entlassung folgenden Kalenderjahren ist die Bemessungsgrundlage jeweils um den v.H.-Satz zu erhöhen, um den die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung infolge Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage (§ 1255 Absatz 2, § 1272 RVO) durch Gesetz angepasst werden.

69

b) Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (Ziffer 1b) und der gesetzlichen Kranken oder Unfallversicherung (Ziffer 1c) ist die um die gesetzlichen Lohnabzüge verminderte Bemessungsgrundlage nach vorstehendem Absatz a). Bei der fiktiven Berechnung der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge ist von den für den Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Zahlung der Überbrückungsbeihilfe maßgeblichen Steuer- und Versicherungsmerkmalen - jedoch ohne Berücksichtigung von auf der Steuerkarte aufgetragenen Freibeträgen - auszugehen.

70

4. Die Überbrückungsbeihilfe beträgt:

71

im 1. Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

100 v.H.

vom 2. Jahr an

90 v.H.

72

des Unterschiedsbetrages zwischen der Bemessungsgrundlage (Ziffer 3a oder b) und den Leistungen gemäß vorstehenden Ziffern 1 und 2.

73

Wird die Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit oder der gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung gezahlt, so ist sie um den zur Deckung der Lohnsteuer erforderlichen Betrag aufzustocken.

5.

74

a) Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung 20 Beschäftigungsjahre (§ 8 TVAL II oder TVB II) und das 55. Lebensjahr, oder 25 Beschäftigungsjahre (§ 8 TV AL II oder TV B II) und das 50. Lebensjahr vollendet haben, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziffern 1 bis 4 ohne zeitliche Begrenzung.

75

b) Arbeitnehmer, die nicht unter Absatz a) fallen, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziffern 1 bis 4 bei einer am Tage ihrer Entlassung

76

nachzuweisenden

77

Beschäftigungszeit
(§ 8 TV ALU oder TV B II)
von mindestens

und einem vollendeten
Lebensalter von

bis zum Ablauf
von

_______________________

__________________

_______________

10 Jahren

40 Jahren

2 Jahren

10 Jahren

45 Jahren

3 Jahren

10 Jahren

50 Jahren

4 Jahren

15 Jahren

40 Jahren

3 Jahren

15 Jahren

45 Jahren

4 Jahren

15 Jahren

50 Jahren

5 Jahren

nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

        

78

Protokollnotiz zu Ziffer 1a

79

Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt."

80

In Anwendung dieser auf die Streitparteien des Rechtsstreits anzuwendenden Vorschriften ergibt sich vorliegend, dass der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum die tarifvertraglichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt hat, dass dem keineswegs der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 162 Abs. 1 BGB) entgegensteht, dass vielmehr eher sich die Beklagte den Einwand eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (Verbot des venire contra factum proprium, § 242 BGB) entgegenhalten lassen muss, mit der Folge, dass die Klage im erstinstanzlich tenorierten Ausmaß ebenso wie die Klageerweiterung im Berufungsverfahren begründet.

81

Für die Auslegung von Tarifnormen gelten folgende Grundsätze:

82

Gem. § 4 Abs. 1 TVG gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen. Tarifverträge sind deshalb nicht entsprechend §§ 133, 157 BGB, sondern wie Gesetze auszulegen (BAG 12.09.1984 EzA § 1 TVG Auslegung Nr. 14; 12.10.2005 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 17; 24.05.2012 - 6 AZR 703/10 - EzA-SD 16/2012 S. 14 LS. Ein Dissens der Tarifvertragsparteien vermag an der tarifrechtlichen Wirksamkeit einer gültig zustande gekommenen Norm wegen ihres Normcharakters nichts zu ändern. Das gilt auch dann, wenn die abweichenden Vorstellungen zur Auslegung des Tarifvertrages bereits zum Zeitpunkt des Tarifvertragsabschlusses bestanden haben. Maßgeblich ist in diesen Fällen der nach außen zum Ausdruck gekommene Normbefehl (BAG 18.10.2012 -6 AZR 261/11, EzA-SD 26/2012 S. 13).

83

Lässt sich ein eindeutiges Auslegungsergebnis anhand der anerkannten Auslegungsgesichtspunkte (Wortlaut - s. BAG 13.11.2013 - 10 AZR 1058/12, EzA-SD 6/2014, S. 23 LS, Sinn und Zweck der Regelung unter Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs, Praktikabilität der einen oder anderen Auslegung, Entstehungsgesichte und des dabei zum Ausdruck gekommenen Willens der Tarifvertragsparteien) nicht gewinnen, so gebietet es der Gesichtspunkt der Normenklarheit, letztlich der Auslegung den Vorzug zu geben, die bei einem unbefangenen Durchlesen der Regelung, d.h. ohne Rückgriff auf die anerkannten Auslegungsmethoden und Auslegungsgesichtspunkte, als näherliegend erscheint und folglich von den Normadressaten typischerweise als maßgeblich empfunden wird (BAG 22.04.2010 NZA 2011, 1293; 24.05.2012 -6 AZR 703/10, EzA-SD 16/2012 S. 14 LS) Lässt sich danach ein eindeutiger Norminhalt feststellen, ist die Norm nicht wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Normenklarheit nichtig (BAG 18.10.2012 -6 AZR 261/11, EzA-SD 26/2012 S. 13). Eine Unklarheitenregelung wie im AGB-Recht gilt bei der Auslegung von Tarifverträgen nicht. Ein Auslegungsgrundsatz, wonach Tarifverträge im Zweifel zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer zu interpretieren wären, würde die Tarifautonomie verletzen (BAG 15.01.2015 - 6 AZR 650/13 - EzA-SD 6/2015 S. 14 LS).

84

Dem subjektiven Willen einer oder beider Tarifvertragsparteien kann bei der Auslegung von tariflichen Normen aus Gründen der Rechtssicherheit nur Bedeutung zukommen, wenn er in den Tarifregelungen unmittelbar seinen Niederschlag gefunden hat. Die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte bei der Auslegung von Tarifnormen unterliegt deshalb grundsätzlichen Bedenken (BAG 10.12.2014 - 4 AZR 503/12 - EzA § 4 TVG Günstigkeitsprinzip Nr. 12).

85

Verstößt die Norm eines Tarifvertrags gegen höherrangiges Recht oder überschreiten die Tarifvertragsparteien die Grenze der tariflichen Rechtsetzungsbefugnis, ist die Tarifnorm nichtig. Das gilt grds. auch für gleichheitswidrige Tarifverträge. Die Gerichte für Arbeitssachen dürfen im Unterschied zu der Rechtslage bei formellen Gesetzen i.S.v. Art. 100 Abs. 1GG darüber entscheiden, ob eine Tarifnorm im jeweiligen Streitfall nichtig ist. Die Entscheidung bindet außerhalb des Geltungsbereichs von § 9 TVG allerdings nur die Parteien des konkreten Rechtsstreits. Die Arbeitsgerichte dürfen aber an sich nur die Nichtigkeit der gleichheitswidrigen Rechtsnorm feststellen. Sie dürfen den Tarifvertragsparteien keine bestimmten Normierungspflichten auferlegen (BAG 23.2.2011 ZTR 2011, 489; 4.5.2010 - 9 AZR 181/09, NZA-RR 2011, 112 LS). Eine unbewusste Tariflücke darf durch die Gerichte nur dann geschlossen werden, wenn sich aus dem Tarifvertrag selbst hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, welche Regelung die Tarifvertragsparteien getroffen hätten. wenn sie die Lücke bemerkt hätten (BAG 23.2.2011 ZTR 2011, 489). Ergibt die Auslegung eines Tarifvertrages, dass eine Regelungslücke besteht, so ist diese als unbewusst aufzufassen, wenn die fehlende Regelung dem Sinn und Zweck des Tarifvertrages grds. widersprechen würde. Bewusste Regelungslücken dürften von den Gerichten nicht im Sinne einer ergänzenden Auslegung geschlossen werden (BAG 12.12.2013 - 8 AZR 942/12, EzA-SD 9/2014 S. 14 LS; s. BAG 3.7.2014 6 AZR 753/12 EzA-SD 19/2014 S. 8f. LS; 16.4.2015 - 6 AZR 142/14 - EzA-SD 15/2015 S. 7 LS).

86

Die gleichheitswidrig ausgeklammerten Personen haben andererseits dann Anspruch auf die Vergünstigung, wenn die tariflichen Normgeber dem Gleichheitssatz nur auf diese Weise Rechnung tragen können (BAG 4.5.2010 - 9 AZR 181/09, NZA-RR 2011, 112 LS). Zudem müssen insoweit auch unionsrechtliche Aspekte berücksichtigt werden (BAG 20.3.2012 EzA § 10 AGG Nr. 5: diskriminierende Urlaubsstaffelung; s.a. BAG 8. 12. 2011 - 6 AZR 319/09; LAG SchlH 31.1.2013 - 5 Sa 248/12, ZTR 2013, 245).

87

Unbewusste Regelungslücken stehen also einer ergänzenden Auslegung durch die Arbeitsgerichte grds. offen. Die gerichtliche Ergänzung des Tarifvertrages muss aber im Tarifwerk selbst hinreichend sichere Anhaltspunkte finden. Die Arbeitsgerichte dürfen jedoch andererseits nicht spekulativ oder nach eigenen Billigkeitsüberlegungen den nicht mehr erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien ersetzen (BAG 12.12.2013 - 8 AZR 942/12, EzA-SD 9/20I4 S. 14 LS; vgl. Dörner/Luczak/Wildchütz/Baeck/Hoß; Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 13. Aufl. 2016, Kap. 1 Rnr. 338 ff.).

88

In Anwendung dieser Grundsätze ist das BAG (22.12.1994 - 6 AZR 337/94 - NZA 1995, 1168) von Folgendem ausgegangen:

89

"1. Überbrückungsbeihilfe wird nach dieser Bestimmung zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt. Nach der Protokollnotiz zu § 4 Nr. 1lit. a TV SozSich liegt eine "anderweitige Beschäftigung" nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt. Diese Voraussetzungen erfüllt die dem Kl. angebotene Tätigkeit. Sie liegt außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte und umfasst unstreitig eine wöchentliche Arbeitszeit von 22 Stunden. Weitere Anspruchsvoraussetzungen bestehen nach dem Wortlaut der Tarifbestimmung und der Protokollnotiz nicht. Darauf, ob die Beschäftigung dem Kl. nach der Zumutbarkeits-Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit angeboten werden könnte, kommt es nicht an. Dafür enthält der Tarifwortlaut keine Anhaltspunkte. Dies hat das LAG zutreffend angenommen. Ebenso wenig ist entscheidend, wie hoch das Arbeitsentgelt aus der dem Kl. angebotenen anderweitigen Beschäftigung ist. Nach dem Wortlaut von § 4 Nr. 1 lit. a TV SozSich hat der Kl. einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu diesem Arbeitsentgelt, ohne dass es auf dessen Höhe ankommt. Der von den Tarifparteien gewählte Begriff "Überbrückungsbeihilfe" besagt nicht, dass die "Beihilfe" stets niedriger sein muss als das übrige Einkommen, sondern nur, dass sie beim Übergang in ein Arbeitsverhältnis mit niedrigeren Bezügen helfen soll. Für eine andere Auslegung findet sich im Tarifwortlaut kein Hinweis.

90

2. Auch dem wirklichen Willen der Tarifparteien und damit dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, soweit sie in den Tarifnormen ihren Niederschlag gefunden haben, lässt sich - auch bei Beachtung des tariflichen Gesamtzusammenhangs - nicht entnehmen, dass das Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung höher sein muss als das Arbeitslosengeld, das der Arbeitnehmer erhielte. Das LAG hat zu Recht angenommen, dass die Fallgruppen des § 4 Nr. 1 TV SozSich unabhängig nebeneinander stehen und nicht den Schluss erlauben, das Arbeitsentgelt müsse mindestens die Höhe des Arbeitslosengeldes erreichen. Eine solche Annahme widerspräche auch dem auf Wiedereingliederung des entlassenen Arbeitnehmers tariflichen Regelungskonzept.

91

Nach § 3 Nr. 1 TV SozSich soll der entlassene Arbeitnehmer möglichst sofort in den Arbeitsprozess wieder eingegliedert werden. Demgemäß hat sich der Arbeitnehmer nach § 3 Nr. 2 S. 1 TV SozSich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitssuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden. Nach § 4 Nr. lit. bTV SozSich wird in diesem Fall Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit oder beruflichen Bildungsmaßnahmen (Arbeitslosengeld/-hilfe, Unterhaltsgeld) gezahlt. Der Arbeitnehmer erhält im Fall seiner Arbeitslosigkeit Überbrückungsbeihilfe also nur, wenn er selbst die Voraussetzungen im Sinne §§ 100, 105 AFG dafür schafft, dass er Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit erhält. Die Überbrückungsbeihilfe soll, sieht man einmal vom Fall des § 4 Nr 2 lit. a (2) TV SozSich ab, nicht die einzige Leistung an den Arbeitnehmer sein, sondern den Unterschiedsbetrag zwischen dem ursprünglich bezogenen Arbeitsentgelt bei den Stationierungsstreitkräften und danach bezogenen Leistungen abdecken. Verschafft der Arbeitnehmer sich keine Leistungen nach § 4 Nrn. 1, 2 TV SozSich, erhält er grundsätzlich auch keine Überbrückungshilfe, Daraus wird deutlich, dass die Überbrückungsbeihilferegelung einen Anreiz darstellen soll, damit der Arbeitnehmer entweder eine anderweitige Beschäftigung aufnimmt oder zumindest der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (§§ 100, 103 AFG). Als für den Tarifanspruch nicht ausreichend ist nach der Protokollnotiz zu § 4 Nr. 1 lit. a TV SozSich nur eine anderweitige Beschäftigung mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 21 Stunden oder weniger anzusehen. Obwohl die Tarifparteien das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs somit erkannt haben, haben sie für die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur eine Mindestarbeitszeit, nicht aber einen Mindestlohn vorgeschrieben. Daran sind die Gerichte gebunden.

92

Dem Tarifvertrag ist auch nicht zu entnehmen, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sein soll, Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen, wenn der Lohn für eine verfügbare Beschäftigung niedriger ist als dieses. Eher ist das Gegenteil der Fall, wenn man im Sinne des in der Grundsatznorm des § 3 Nr. 1 TV SozSich enthaltenen Wiedereingliederungsgebots die Reihenfolge der in § 4 Nr. 1 lit. a, b TV SozSich genannten Fallgruppen für maßgebend hält. Diese Frage bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil der Kl. die in Buchstabe a genannte Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt verlangt hat.

93

3. Der Anspruch des Kl. entfällt nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB). Die Bekl. hat keine Tatsachen dafür behauptet, dass der Kl. treuwidrig, etwa durch Scheingeschäft oder, obwohl günstigere Angebote verfügbar sind, für die anderweitige Beschäftigung einen Lohn vereinbaren will, der unter der üblichen Vergütung liegt."

94

Vor diesem Hintergrund ist vorliegend davon auszugehen, dass der Kläger mit der vorliegend gegebenen Beschäftigung bei der Fa. T. KG die tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen entgegen der Auffassung der Beklagten erfüllt. Insbesondere ist davon auszugehen, dass aufgrund des Ergebnisses der vor dem Arbeitsgericht im erstinstanzlichen Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme nachgewiesen ist, dass der Kläger mit dieser Firma nicht nur einen schriftlichen, nach § 416 Abs. 1 ZPO zu würdigenden, Arbeitsvertrag mit dem gebotenen Inhalt abgeschlossen hat, sondern auch tatsächlich für die Fa. T. KG im streitgegenständlichen Zeitraum mehr als 21 Wochenarbeitsstunden tatsächlich abgeleistet hat.

95

Die Aussage des Zeugen H. hat das Arbeitsgericht zutreffend gewürdigt; insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 8, 9 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 264, 265 d. A.) Bezug genommen. Damit ist die volle Überzeugung i. S. d. § 286 Abs. 1 ZPO der Kammer nach Maßgabe folgender Grundsätze gegeben:

96

Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Insofern ist das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin zulässigerweise bestritten hat, nach Maßgabe der vor dem Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme als wahr anzusehen.

97

Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien - insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit als Zielpunkt - aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).

98

Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für - auch nur geringe - Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr "erachten". Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise einer Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.

99

Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.

100

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht nicht zu beanstanden. Der Zeuge hat vielmehr lebensnah und nachvollziehbar beschreiben, wie das zwischen ihm und dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis gelebt und tatsächlich vollzogen wurde; vernünftige Zweifel an der Wahrheitsgemäßheit dieser Aussage bestehen für die Kammer nicht. Soweit die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass der Zeuge nicht im Einzelnen habe erklären können, wie lange der Kläger am Tag arbeite, steht dies entgegen der Auffassung der Beklagten der hier für zutreffend gehaltenen Beweiswürdigung keineswegs entgegen. Denn es liegt auf der Hand, das angesichts des zwischen dem Zeugen und dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses keine allgegenwärtige Kontrolle des Inhalts stattfindet, dass der Zeuge zu jeder Zeit minutiös nachvollziehen kann, wieviel Stunden der Kläger an welchen Tagen tatsächlich gearbeitet hat. Dessen bedarf es auch nicht. Anhaltspunkte dafür, dass es sich insoweit lediglich um ein Scheinarbeitsverhältnis gehandelt haben könnte, sind ersichtlich nicht gegeben. Das Arbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang völlig zutreffend ausgeführt:

101

"Auch die Nachfrage, warum er ausgerechnet 22 Stunden Arbeitszeit mit dem Kläger vereinbart hatte, erklärte der Zeuge nachvollziehbar. Offensichtlich hatte er sich insoweit mit dem Kläger nicht abgesprochen, da seine Angaben, woher die Arbeitsvertragsmuster stammten, von den Angaben des Klägers in seinen Schriftsätzen abwichen. Er gab unumwunden zu, dass sowohl die Arbeitsvertragsmuster, als auch das Stundendeputat auf Betreiben des Klägers vereinbart wurden und auch die diesbezüglichen Änderungen im Dezember und Februar. Er erläuterte nachvollziehbar, dass er Anfang 2015 aufgrund der Einführung des Mindestlohngesetzes eigentlich nur 450-EUR-Kräfte als geringfügige Arbeitsverhältnisse begründen wollte. Alleine weil er den Kläger aus einem früheren Arbeitsverhältnis her kannte, habe er eine Ausnahme gemacht.

102

Letztendlich sei es ihm egal gewesen, ob der Kläger 808,00 EUR oder 810,00 EUR verdienen würde, die Arbeitszeit 21,25 Stunden oder 22 Stunden betragen sollte. Insofern habe er sich den Wünschen des Klägers nicht verschlossen, damit dieser mit "dem für ihn zuständigen Amt" hinsichtlich seiner Überbrückungsbeihilfe keinen Ärger bekomme."

103

Dem ist aus der Sicht der Kammer - voll inhaltlich - zustimmend nichts hinzuzufügen.

104

Weitere tatbestandliche Voraussetzungen nach Maßgabe der hier anzuwendenden Tarifnorm musste die Klägerin nicht einhalten; insbesondere ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten aus der Entscheidung des BAG vom 19.12.2013 (- 6 AZR 383/12 Beck RS 2014, 67022) nichts anderes. Das BAG (a. a. O.) hat in dieser Entscheidung lediglich angenommen, dass Entgelt, dass aus einem aus der Arbeitslosigkeit heraus erst zum Stichtag der Rentenberechtigung begründeten Arbeitsverhältnisses erzielt wird, nach dem Regelungszweck des TV SozSich nicht durch Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu ergänzen ist. In einem solchen Fall besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer nicht rentenberechtigt ist, weil die Hinzuverdienensgrenzen des § 34 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 SGB VI überschritten sind, der zeitlich begrenzte Sicherungsbedarf für die Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe nicht mehr. Das BAG (a. a. O.) hat insoweit ausgeführt:

105

"3. Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich von den bisher vom Senat entschiedenen Fällen. Es geht nicht darum, ob der Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe von Anfang an wegen einer Rentenberechtigung des ehemaligen Arbeitnehmers der Stationierungsstreitkräfte nicht entsteht (§ 2 Ziff. 2 Buchst. d. TV SozSich) bzw. ob der auf unveränderter Grundlage zu erfüllende Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe erlischt, sobald der Arbeitnehmer rentenberechtigt ist (§ 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich). Streitentscheidend ist allein, ob der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe auf einer neuen Rechtsgrundlage weiter besteht. Der Kläger begehrt für den streitbefangenen Zeitraum die Zahlung der Überbrückungsbeihilfe nicht mehr wie bis zum Dezember 2010 als Zuschuss zu den Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (§ 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich), sondern als Zuschuss zu einer anderweitigen Beschäftigung iSd. § 4 Ziff. 1 Buchst, a TV SozSich, die er im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Eintritt der Rentenberechtigung begründet hat. Entgelt, das aus einer solchen, erst zum Stichtag der Rentenberechtigung begründeten anderweitigen Beschäftigung erzielt wird, ist nach dem Regelungszweck des TV SozSich nicht durch Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu ergänzen. In einem solchen Fall besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer nicht rentenberechtigt ist, weil die Hinzuverdienstgrenzen überschritten sind, der zeitlich begrenzte Sicherungsbedarf für die Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe nicht mehr. Die Überbrückungsbeihilfe soll, wie ausgeführt, nicht eine als unzureichend empfundene Altersrente ergänzen, sondern den Arbeitnehmer bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn absichern. Nach seinem Regelungszweck eröffnet der TV SozSich die vom Kläger in Anspruch genommene Gestaltungsmöglichkelt, ein nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich durch Überbrückungsbeihilfe zu ergänzendes Arbeitsverhältnis erst zu dem Zeitpunkt zu begründen, ab dem er ohne dieses Arbeitsverhältnis Rente hätte beantragen können und deshalb der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe erloschen wäre, nicht. Das liefe auf ein Wahlrecht zwischen der Inanspruchnahme der vorgezogenen Rente oder der Fortzahlung der Überbrückungsbeihilfe bis zum regulären Rentenbeginn hinaus. Ein solches Wahlrecht besteht jedoch nach der Konzeption der Tarifvertragsparteien gerade nicht (vgl. BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 631/05 - Rn. 11, BAGE 118, 196).

106

4. Das vom Kläger zum 1, Januar 2011 begründete Arbeitsverhältnis war nach diesen Grundsätzen kein Arbeitsverhältnis iSd. § 4 Ziff. 1 Buchst, a TV SozSich. Das aus diesem Arbeitsverhältnis erzielte Entgelt war nicht durch Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu ergänzen …"

107

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die insoweit durch das BAG (a. a. O.) entschiedene Rechtsfrage in keinem Zusammenhang zum hier zu beurteilenden maßgeblichen Lebenssachverhalt. Denn dort endete der klägerische Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe deshalb, weil nach dem maßgeblichen Tarifnormen Rentenbezugsberechtigung bestand. Davon ist vorliegend für den streitgegenständlichen Zeitraum - unstreitig - gerade nicht auszugehen. Irgendwelche Ausführungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 TV SozSich, um die es vorliegend - auch - geht, enthält diese Entscheidung nicht.

108

Soweit die Beklagte vorgetragen hat, aufgrund einer Gesamtwürdigung der im Tatbestand wiedergegebenen Einzelumstände sei davon auszugehen, dass es sich nicht um ein rechtswirksames Arbeitsverhältnis mit einer tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 22 Stunden handele, sei Sittenwidrigkeit gegeben, folgt die Kammer dem nicht. Das Vorbringen der Beklagten läuft insoweit letztlich darauf hinaus, über die Behauptungen einer Sittenwidrigkeit, eines Rechtsmissbrauchs im Einzelfall allgemeine anspruchseinschränkende Tatbestandsmerkmale für die Geltendmachung des tarifvertraglichen Anspruchs aufzustellen, die die Tarifvertragsparteien aber nicht normiert haben, und die letztlich zu einem verfassungswidrigen (Art. 9 Abs. 3 GG) Ausfüllen einer sicher nicht unbewussten, sondern allenfalls bewussten Regelungslücke durch die Kammer führen würde. Denn es handelt sich insoweit um tatsächliche Umstände, die die Beklagte seit der Entscheidung des BAG vom 19.12.2013 (a. a. O.) gleichlautend in vergleichbar gelagerten Sachverhalten, also durchweg und generell - mit Nuancen im Einzelnen - vorbringt, um entsprechende Zahlungen nicht leisten zu müssen, auch wenn, wie vorliegend, in Kenntnis aller Umstände über Jahre hinweg die Zahlungen zuvor beanstandungsfrei geleistet worden sind. Abstrahiert lassen sich die von der Beklagten gewünschten allgemeinen Anforderungen dahin zusammenfassen, dass ein an sich anspruchsberechtigter Arbeitnehmer verpflichtet ist, nicht "unterwertig", also unterhalb seiner zuvor erlangten beruflichen Qualifikation und Berufserfahrung zu arbeiten, er eine langjährige Vergütung nach einer niedrigen tariflichen Lohngruppe nicht akzeptieren darf, insbesondere nicht verbunden mit einer Nichtteilnahme an Lohnerhöhungen und Stufensteigerungen tarifvertraglicher Normen, er sich nicht auf sehr geringes Entgelt einlassen darf und er schließlich dafür Sorge zu tragen hat, dass gewisse Minimalbedingungen im Hinblick auf eine Wechselbezüglichkeit von Arbeitsentgelt und Überbrückungsbeihilfe gegeben sein müssen. Diese Vorstellungen der Beklagten laufen auf eine von ihr offenbar angenommene Verpflichtung des anspruchsberechtigten Arbeitnehmers hinaus, sich um eine möglichst höchstbezahlte und ebenso möglichst Vollzeitstelle zu bemühen und stehen damit in diametralen Gegensatz zur durch Anwendung der Methoden zur Tarifauslegung gefundenen Rechtsauffassung des BAG (22.12.1994 a. a. O.). Denn danach ist Anspruchsvoraussetzung gerade nicht eine Vollzeittätigkeit und danach ist es für die Anwendung der maßgeblichen Tarifnormen unerheblich, welche Höhe das Arbeitsentgelt erreicht. Noch weniger ist eine Verpflichtung zur arbeitsgerichtlichen Klärung einer tarifgerechten Entlohnung (vgl. nur § 12 a ArbGG) vorgesehen. Insgesamt ist es im Hinblick auf §§ 162 Abs. 1, 242 BGB nicht zu beanstanden, wenn sich ein vom Wegfall seines Arbeitsplatzes betroffener Arbeitnehmer auf ein Teilzeitarbeitsverhältnis mit mehr als 21 Wochenarbeitsstunden einlässt, um die tarifvertraglichen Voraussetzungen für die Überbrückungsbeihilfe zu erfüllen, so dass der Klägerin im Streitfall ein insoweit rechtlich erheblicher Vorwurf nicht gemacht werden kann.

109

Eher im Gegenteil ist davon auszugehen, dass das Verhalten der Beklagten insoweit widersprüchlich, rechtsmissbräuchlich ist (Verbot des venire contra factum proprium, § 242 BGB). Denn die Beklagte hat nicht nur über Jahre hinweg beanstandungsfrei in Kenntnis aller Umstände die Überbrückungsbeihilfe der Klägerin abgerechnet, ausgezahlt, also abgewickelt. Die Beklagte ist vielmehr weitergehend nach dem TV SozSich auch ersichtlich den ihr obliegenden Verpflichtungen, sich um eine angemessene Beschäftigung für die Betroffenen Arbeitnehmer zu bemühen, langjährig nicht nachkommen. Gemäß § 3 Ziffer 3 TV SozSich hat sich die Bundesregierung aber ausdrücklich verpflichtet, "bemüht zu sein", für die bevorzugte Einstellung entlassener Deutscher Arbeitnehmer in den Bundesdienst Sorge zu tragen. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Bundesregierung wird auch außerdem danach darauf hinwirken, dass deutsche Arbeitnehmer im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten von anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes bevorzugt berücksichtigt werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte insoweit bezogen auf die Klägerin irgendwelche Aktivitäten entfaltet haben könnte, lassen sich ihrem schriftsätzlichen Vorbringen in beiden Rechtszügen aber nicht entnehmen. Darauf hat der Kläger zutreffend hingewiesen. Aus den Erläuterungen zum TV SozSich (Seite 22, 75 Ergänzungslieferung 07/15) ergibt sich, dass das Bundesministerium des Innern zuletzt mit Schreiben vom 02. - 08.09.2010 die obersten Bundesbehörden sowie die Innenminister (Senatoren) der Länder und die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände gebeten hat, von den Stationierungsstreitkräften entlassene Deutsche Arbeitnehmer bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten bevorzugt zu berücksichtigten. Die Arbeitsagenturen sind danach angewiesen, zur Unterbringung der entlassenen Arbeitnehmer im deutschen öffentlichen Dienst an die in Betracht kommenden Behörden heranzutreten (Schnellbrief der Bundesanstalt für Arbeit vom 18.05.1972). Konkrete, auf die einzelnen Arbeitnehmer bezogene Maßnahmen sind folglich nicht nur nicht in Erwägung gezogen worden, sondern vielmehr geht die Beklagte wohl davon aus, ihrer tariflichen Verpflichtung damit Genüge getan zu haben. Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig überzeugend, die - ohnehin tarifnormativ nicht zu begründenden - deutlich weitgehenderen Anforderungen an den Kläger zu stellen.

110

Nachdem die Beklagte keine substantiierten Einwendungen hinsichtlich der Höhe der Klageforderung erhoben hat, war ihre Berufung zurückzuweisen. Weiterhin war der zulässiger Weise im Wege der Anschlussberufung im Berufungsverfahren erstmals geltend gemachten Klageerweiterung stattzugeben.

111

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO.

112

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Voraussetzungen des §§ 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02. Dezember 2015 - 1 Ca 1108/15 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 2) des Tenors des vorgenannten Urteils wie folgt gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass dem Kläger im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit dem Automobilzentrum E. GmbH (Arbeitsverdienst: 9,61 €/Stunde; Lohnerhöhung entsprechend der prozentualen Erhöhung der Entgelte der Vergütungsgruppe I des Vergütungstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern; Arbeitszeit: 24 Stunden wöchentlich) ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des Tarifvertrages zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich) in Höhe des nach § 4 des TV SozSich jeweils monatlich zu errechnenden Betrages zusteht.

II. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte darüber hinaus verurteilt, einen weiteren Betrag in Höhe von 30.592,07 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.047,19 € seit dem 01. Dezember 2015, aus 4.047,19 € seit dem 01. Januar 2016, aus 4.047,19 € seit dem 01. Februar 2016, aus 3.765,70 € seit dem 01. März 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. April 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. Mai 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. Juni 2016 und aus 3.671,20 € seit dem 01. Juli 2016 an den Kläger zu zahlen.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ab Juli 2015 ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich) zusteht.

2

Der 1958 geborene Kläger war seit mehr als 30 Jahren bei den US-Stationierungsstreitkräften, zuletzt als aufsichtsführender Sachbearbeiter (Transportwesen) gegen ein tarifliches Grundgehalt von monatlich 4.845,28 € brutto in S-Stadt beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde von den US-Stationierungsstreitkräften aus Gründen im Sinne des § 2 TV SozSich mit Wirkung zum 31. Dezember 2014 beendet. In der Zeit vom 01. Januar bis 30. Juni 2015 war der Kläger bei einer aus Anlass der Schließung des Standortes S-Stadt gegründeten Transfergesellschaft beschäftigt und erhielt für diesen Zeitraum auch Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich.

3

Unter dem 08. Juni 2015 schloss der Kläger mit der Automobilzentrum E. GmbH einen schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 34 - 41 d. A.), der u. a. folgende Regelungen enthält:

4

"§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses und Probezeit

5

(1) Das Arbeitsverhältnis wird auf unbestimmte Zeit geschlossen und beginnt am 01.07.2015. Vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ist die ordentliche Kündigung ausgeschlossen. (…)

6

§ 2 Tätigkeit, Versetzungsvorbehalt, Alkoholverbot

7

(1) Der/Die Arbeitnehmer/in ist als Helfer im Servicebereich tätig. Die dem Arbeitsvertrag beiliegende Stellenbeschreibung ist Bestandteil dieses Vertrages. Der/Die Arbeitnehmer/in ist verpflichtet, Änderungen der Stellenbeschreibung zu akzeptieren und zu unterzeichnen, sofern diese auf Herstellervorgaben basieren.

8

(2) Arbeitsort ist S-Stadt. (…)

9

§ 3 Arbeitszeit

10

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 22 Stunden wöchentlich, verteilt auf die Werktage Montag bis Freitag.

11

(2) Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen werden vom Arbeitgeber festgelegt. Einmal pro Monat ist Samstagsarbeit obligatorisch, in Ausnahmefällen kann diese Samstagsarbeit auch nach Absprache mit dem Arbeitnehmer auf mehrere Samstage im Monat mit entsprechendem Freizeitausgleich bzw. finanzieller Vergütung erweitert werden. An- und Auskleiden rechnet nicht zur Arbeitszeit. (…)

12

§ 4 Vergütung

13

(1) Der/Die Arbeitnehmerin/in erhält für die vertragliche regelmäßige Arbeitszeit ein monatliches Brutto in Höhe von 850 Euro. Die Fälligkeit der Vergütung tritt jeweils am 3. Tag des Folgemonats ein. (…)

14

§ 6 Urlaub

15

(1) Der Jahresurlaubsanspruch des/der Arbeitnehmers/in beträgt zurzeit 12 Tage. Der Zeitpunkt des Urlaubs wird unter Berücksichtigung der Geschäftsinteressen in Abstimmung mit dem Arbeitgeber schriftlich festgelegt. Scheidet der/die Arbeitnehmer/in nach Erfüllung der gesetzlichen Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis im zweiten Halbjahr eines Kalendermonats aus, so hat er/sie Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, mindestens jedoch auf den gesetzlichen Mindesturlaub.

16

(2) Im Übrigen richtet sich der Anspruch des/der Arbeitnehmers/in auf bezahlten Erholungsurlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz in seiner jeweils geltenden Fassung. (…)"

17

Unter dem 08. September 2015 unterzeichneten der Kläger und die Automobilzentrum E. GmbH eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag (Bl. 48 d. A.), nach der der am 08. Juni 2015 geschlossene Arbeitsvertrag wie folgt geändert wird:

18

"§ 4 Vergütung

19

(1) Der Arbeitnehmer erhält rückwirkend zum 01.07.2015 für die vertraglich regelmäßige Arbeitszeit ein monatliches Brutto in Höhe von 895,00 €. Dies entspricht einem Stundenlohn in Höhe von 9,39 €. Ab dem 01.09.2015 erhöht sich die Vergütung des Arbeitnehmers entsprechend der prozentualen Erhöhung der Entgelte der Vergütungsgruppe I des "Vergütungstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes" in Bayern. Die Fälligkeit der Vergütung tritt jeweils am 3. Tag des Folgemonats ein.

20

Im Übrigen bleibt § 4 wie der übrige Arbeitsvertrag unverändert."

21

Danach erhielt der Kläger für seine Tätigkeit als Helfer im Servicebereich von der Automobilzentrum E. GmbH rückwirkend ab 01. Juli 2015 ein monatliches Gehalt in Höhe von 895,-- € brutto.

22

Mit seiner beim Arbeitsgericht Kaiserslautern erhobenen Klage hat der Kläger die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich für die Zeit ab Juli 2015 geltend gemacht (bezifferter Zahlungsantrag für Monate Juli bis September 2015 und Feststellungsantrag für die Zukunft).

23

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02. Dezember 2015 - 1 Ca 1108/15 - und ergänzend auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

24

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

25

1. die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von brutto 12.141,57 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von brutto 4.047,19 € seit dem 01.09.2015, aus einem weiteren Betrag in Höhe von brutto 4.047,19 € seit dem 01.10.2015 und aus einem weiteren Betrag in Höhe von 4.047,19 € seit dem 01.11.2015 an ihn zu zahlen,

26

2. festzustellen, dass ihm im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit dem Automobilzentrum E. GmbH (Arbeitsverdienst: 9,39 €/Stunde; Lohnerhöhung entsprechend der prozentualen Erhöhung der Entgelte der Vergütungsgruppe I des Vergütungstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern; Arbeitszeit: 22 Stunden wöchentlich) ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des Tarifvertrages zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31.08.1971 (TV SozSich) in Höhe des sich nach § 4 des TV SozSich jeweils monatlich zu errechnenden Betrages zusteht.

27

Die Beklagte hat beantragt,

28

die Klage abzuweisen.

29

Mit Urteil vom 02. Dezember 2015 - 1 Ca 1108/15 - hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern der Klage stattgegeben. Hinsichtlich der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

30

Unter dem 03. Februar 2016 wurde zwischen der Automobilzentrum E. GmbH und dem Kläger folgende "Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag" geschlossen:

31

"Die Parteien verbindet ein Arbeitsvertrag vom 08.06.2015, zuletzt geändert am 08.09.2015.

32

Die Parteien kommen darin überein, dass ab dem 01.02.2016 folgende Änderungen des bislang maßgeblichen Arbeitsvertrages wirksam werden sollen:

33

1. Die wöchentliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers erhöht sich um 2 Stunden auf 24 Stunden. Die geänderte Arbeitszeit verteilt sich auf die Wochentage wie folgt: Montag bis Mittwoch von 08:00 bis 17:00 Uhr.

34

2. Die Vergütung des Arbeitnehmers erhöht sich von bislang 895,00 Euro brutto auf 1.000,00 Euro brutto im Monat. Das entspricht einem Stundenlohn in Höhe von 9,51 €.

35

3. Des Weiteren erhöht sich der jährliche Urlaubsanspruch um 3 Tage, der Gesamturlaubsanspruch beträgt somit 15 Tage.

36

Alle übrigen Vereinbarungen des bisherigen Arbeitsvertrags bleiben unverändert."

37

Gegen das ihr am 12. Februar 2016 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 11. März 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26. April 2016 mit Schriftsatz vom 26. April 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen und dem Kläger am 04. Mai 2016 zugestellt, begründet.

38

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 17. Mai 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 02. Juni 2016 eingegangen, Anschlussberufung eingelegt und im Wege der Klageerweiterung mit seinem weiteren Zahlungsantrag die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe über die Monate Juli bis September 2015 hinaus für die nachfolgenden Monate Oktober 2015 bis Mai 2016 beziffert geltend gemacht.

39

Die Beklagte trägt vor, sie bestreite mit Nichtwissen, dass der Kläger tatsächlich 22 bzw. 24 Wochenstunden bei der Automobilzentrum E. GmbH in S-Stadt arbeite. Hinsichtlich der vom Kläger vorgelegten Zeitaufstellungen bleibe unklar, wie diese überhaupt zu verstehen seien, insbesondere was mit "Leerlauf" gemeint sei. Sie gehe davon aus, dass der Kläger nicht mehr als 21 Wochenstunden gearbeitet habe. Im Übrigen lasse sich entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts aus der Protokollnotiz zu § 4 TV SozSich nicht ableiten, dass man als ehemaliger Beschäftigter der Stationierungsstreitkräfte nur mehr als 21 Stunden arbeiten müsse, um einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu haben. Bei der Überbrückungsbeihilfe handele es sich um eine besondere staatliche Sozialleistung, die von ihr nur dann zu zahlen sei, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage sei, selbst eine dem früheren Gehalt vergleichbare Beschäftigung zu finden. Dagegen sei es nicht Sinn und Zweck der Überbrückungsbeihilfe, dass die Steuerzahler es entlassenen Arbeitnehmern der Stationierungsstreitkräfte ermöglichen würden, ohne wesentliche finanzielle Einbußen sich mit einem Arbeitsverhältnis als Anknüpfleistung auf "Minimalbasis", also den in der Praxis zuletzt häufig vorkommenden 22 Wochenstundenverträgen bei einer Vergütung von 8,50 € zufrieden zu geben. Nach der allgemeinen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast habe der Arbeitnehmer als Anspruchsteller zu beweisen, dass er einer rechtswirksamen anderweitigen Beschäftigung im Sinne des Tarifvertrages nachgehe. Von der Beweislast mit umfasst seien das Bestehen eines rechtswirksamen Arbeitsverhältnisses mit einer nicht bloß geringfügigen Beschäftigung, eine rechtswirksame Lohnabrede mit einem bestimmten, bezifferten Arbeitsentgelt und eine tatsächliche Wochenarbeitszeit von mehr als 21 Stunden. Soweit die Rechtsprechung davon ausgehe, dass derjenige, der sich auf das Vorliegen eines Scheinarbeitsverhältnisses berufe, hierfür auch darlegungs- und beweispflichtig sei, passe dies nicht auf die vorliegende Fallgestaltung, bei der ein rechtswirksames Arbeitsverhältnis die Voraussetzung für den Leistungsanspruch gegenüber einem Dritten sei, der in keiner Weise am Arbeitsverhältnis, dessen Zustandekommen und dessen Durchführung beteiligt werde. Im Hinblick auf den Charakter der Überbrückungsbeihilfe als Sozialleistung sei vielmehr auf die Erwägungen der Sozialgerichtsbarkeit zur Darlegungs- und Beweislast abzustellen. Allein die Vorlage eines Arbeitsvertrages und entsprechender Sozialversicherungsnachweise reiche für die Darlegung eines rechtswirksamen Arbeitsverhältnisses nicht aus, da diese nur ein äußeres Bild zeigten. Die schlichte Vorlage eines Arbeitsvertrages genüge entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts deshalb nicht der beim Kläger liegenden Darlegungs- und Beweislast. Die anspruchsbegründende "anderweitige Beschäftigung" im Sinne des § 4 Ziff. 1 a TV SozSich könne nur ein von der Rechtsordnung anerkanntes Beschäftigungsverhältnis sein. Betrachte man die Arbeitszeit ohne "Leerlauf", habe der Kläger einen Umfang an Arbeitszeit behauptet, der auch nicht ansatzweise den tariflichen Mindestumfang von 21 Wochenstunden abdecke. Betrachte man die angeblichen Ist-Stunden, dann müsste sie ein Arbeitsverhältnis subventionieren, bei dem weniger als der gesetzliche Mindestlohn gezahlt werde. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Vorlage eines Arbeitsvertrages als ausreichend angesehen und dadurch zahlreiche Tatsachen und Anhaltspunkte unberücksichtigt gelassen, wonach ein Arbeitsverhältnis, das die Anspruchsvoraussetzungen des § 4 TV SozSich erfülle, nicht bestehe. Als Anzeichen für ein fehlendes Arbeitsverhältnis seien folgende Umstände zu berücksichtigen: Gelernter Facharbeiter (KFZ-Mechaniker) solle nur als Hilfskraft beschäftigt werden, Abweichung des schriftlichen Arbeitsvertrages von dem angeblich gelebten Arbeitsverhältnis hinsichtlich der Arbeitszeit, wiederholte Vereinbarungen unter der tariflichen Vergütung, Unklarheiten bzw. unsubstantiierter Vortrag zu den Zeiten und der Art der Arbeiten, Verzicht durch das behauptete Arbeitsverhältnis auf ein 5-fach höheres Arbeitslosengeld, unklare Festlegung der Arbeitszeit und Beibehaltung der Lage der Arbeitszeit trotz angeblicher Ausweitung der Arbeitszeit um zwei Stunden. Weiterhin müsse sich derjenige, der Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich geltend mache, ein treuwidriges Verhalten im Sinne des § 162 BGB und damit den Wegfall der Überbrückungsbeihilfe entgegen halten lassen. Es genüge nicht, dass ein Arbeitnehmer lediglich die Mindestanforderungen des Tarifvertrages erfülle. Vielmehr handele es sich bei dem Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe bereits nach dem Wortlaut um eine ergänzende Leistung. Im Vordergrund müsse also ein neues Arbeitsverhältnis stehen, in dem Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung möglichst äquivalent einbringe. Darüber hinaus müsse die neue Arbeitsleistung Hauptmotivation sein, und nicht nur den Zweck haben, die Überbrückungsbeihilfe als staatliche Leistung zu erzielen. Demgegenüber sei die Überbrückungsbeihilfe beim Kläger nicht soziale Folge eines Arbeitsverhältnisses, sondern - umgekehrt - maßgeblicher Zweck für das eingegangene Arbeitsverhältnis. Auch das fehlende Bemühen des Klägers um eine vergleichbare Folgebeschäftigung begründe entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts einen Rechtsmissbrauch im Sinne des §§ 162, 242 BGB. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers sei im Wesentlichen nicht einlassungsfähig. In der Gegend, in der der Kläger wohne, seien zahlreiche offene Stellen - sowohl für gelernte als auch für ungelernte Kräfte - gemeldet. Soweit der Kläger vorgetragen habe, dass ihm sein Drittarbeitgeber eine Teilzeitstelle im Betrieb von 20 Stunden angeboten habe, hätte er nach seinem eigenen Vorbringen in Vollzeit arbeiten können und gemäß § 9 TzBfG sogar einen gesetzlichen Anspruch auf Erhöhung seiner Arbeitszeit gehabt. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger sich um eine Vollzeitstelle bemüht habe. Zu Unrecht rüge der Kläger, dass sie ihren eigenen Verpflichtungen nach § 3 Ziff. 3 TV SozSich nicht nachgekommen sei. Sie habe ein Vermittlungsverfahren implementiert. Im Pool der zu vermittelnden Personen sei der Kläger gemeldet. Richtig sei aber, dass eine geeignete Stelle dem Kläger bisher im Rahmen dieses Verfahrens ihrer Kenntnis nach nicht vorrangig habe vermittelt werden können. Ein - unterstelltes - Arbeitsverhältnis des Klägers bzw. die diesem zugrunde liegende Entgeltvereinbarung sei im Hinblick auf die damit begehrte Überbrückungsbeihilfe wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB unwirksam. Vorliegend begehre der Kläger bei einem Monatsverdienst von 895,-- € eine Überbrückungsbeihilfe von über 4.000,-- € monatlich. Das Monatsentgelt mache also nur einen Bruchteil der Überbrückungsbeihilfe aus bzw. diese betrage ungefähr das dreieinhalbfache des vertraglich vereinbarten Arbeitsentgeltes. Die verwerfliche Gesinnung folge aus dem Leistungsbegehren gegenüber öffentlichen Kassen in Verbindung mit den Gesamtumständen. Der Kläger hätte einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I in Höhe von mehr als 2.000,-- € netto gehabt, den sie hätte aufstocken müssen, während sich der Kläger mit einem Arbeitsverdienst von 682,05 € netto zufrieden gebe und sie die Differenz von ca. 2/3 des Netto-Gehaltes ausgleichen solle. Soweit der Kläger nunmehr keine überwiegend gewerbliche Tätigkeit mehr verrichte, sondern als Sachbearbeiter fungiere, könne diese Tätigkeit der sog. Leistungsgruppe 4 des Bayerischen Landesamtes für Statistik zugeordnet werden. Hier werde im Landesdurchschnitt in Bayern eine Stundenvergütung von 14,42 € für Männer gezahlt. Der Kläger gebe sich mit nur 2/3 dieser durchschnittlichen Vergütung zufrieden. Nach dem einschlägigen Vergütungstarifvertrag sei die vom Kläger verrichtete Tätigkeit mit dem Regelbeispiel der "Gewährleistungssachbearbeitung" aufgeführt und in die Vergütungsgruppe 4 des Vergütungstarifvertrages vom 18. Juni 2012 aufgenommen. Danach verdiene der Kläger deutlich unter 2/3 des Tariflohns. Soweit der Kläger behaupte, dass die Tarifverträge weder auf 50% der Unternehmen noch auf 50% der Mitarbeiter im KFZ-Gewerbe in Bayern Anwendung finden würden, könne sie sich hierzu zwar bislang nicht erklären. Unzutreffend sei aber die rechtliche Einschätzung des Klägers, dass keine Gehaltsuntergrenze nach § 138 BGB gegeben sei. Der Wert der üblichen Vergütung ergebe sich zumindest aus der Durchschnittsvergütung, die nach den Zahlen des Bayerischen Landesamtes für Statistik insgesamt durchschnittlich 14,47 € pro Stunde betrage. Hier erreiche der Kläger gerade nicht mehr den 2/3-Wert. Seine Vergütung sei zumindest seit der Zuweisung der höherwertigen Tätigkeit sittenwidrig niedrig. In Bezug auf die Höhe der geltend gemachten Forderung betrage die Bruttobemessungsgrundlage für den gesamten Zeitraum nicht wie vom Kläger berechnet 4.942,19 €, sondern 4.845,28 €. Der Kläger habe die Bruttobemessungsgrundlage von 4.845,28 € um die gesetzliche Rentenerhöhung (West) des Jahres 2015 erhöht. Nach dem Wortlaut des § 4 Ziff. 3 a (2) TV SozSich erfolge die Erhöhung der Bruttobemessungsgrundlage aber erst nach dem Jahr der Entlassung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf ihre Berufungsbegründung vom 26. April 2016 und ihren Schriftsatz vom 06. Juli 2016 verwiesen.

40

Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02. Dezember 2015 - 1 Ca 1108/15 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

44

Der Kläger beantragt im Wege der Anschlussberufung,

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die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, einen weiteren Betrag in Höhe von 30.592,07 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.047,19 € seit dem 01. Dezember 2015, aus 4.047,19 € seit dem 01. Januar 2016, aus 4.047,19 € seit dem 01. Februar 2016, aus 3.765,70 € seit dem 01. März 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. April 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. Mai 2016, aus 3.671,20 € seit dem 01. Juni 2016 und aus 3.671,20 € seit dem 01. Juli 2016 an ihn zu zahlen.

46

Der Kläger berichtigt den Feststellungsantrag und passt ihn an seine aktuelle vertragliche Lage an:

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Es wird festgestellt, dass ihm im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen seines Arbeitsvertrages mit dem Automobilzentrum E. GmbH (Arbeitsverdienst: 9,61 €/Stunde; Lohnerhöhung entsprechend der prozentualen Erhöhung der Entgelte der Vergütungsgruppe I des Vergütungstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern; Arbeitszeit: 24 Stunden wöchentlich) ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach den Bestimmungen des Tarifvertrages zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich) in Höhe des nach § 4 des TV SozSich jeweils monatlich zu errechnenden Betrages zusteht.

48

Die Beklagte beantragt,

49

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

50

Der Kläger erwidert, das Arbeitsgericht habe zutreffend angenommen, dass für die prozessuale Geltendmachung des Anspruchs auf Überbrückungsbeihilfe zu einer anderweitigen Beschäftigung im Sinne des § 4 Ziff. 1 a TV SozSich die Vorlage eines Arbeitsvertrages sowie Nachweise über das aus diesem Arbeitsverhältnis bezogene Arbeitsentgelt ausreichend seien. Insbesondere werde hierdurch ausreichend nachgewiesen, dass der Anspruchsteller auch tatsächlich eine anderweitige Beschäftigung aufgenommen und die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit erbracht habe. Denn im absoluten Regelfall würden Arbeitsverträge auch so durchgeführt, wie sie unterschrieben worden seien. Abgesehen von Fällen des kollusiven Zusammenwirkens werde kein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Lohn zahlen, ohne dass dieser hierfür die entsprechende Gegenleistung in Form der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung erbracht habe. Tarifliche Voraussetzung für die Gewährung von Überbrückungsbeihilfe sei nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 TV SozSich und der dazugehörigen Protokollnotiz nur, dass der Anspruchsteller einen Arbeitsvertrag mit mehr als 21 Wochenstunden abgeschlossen habe und auf der Grundlage dieses Arbeitsverhältnisses Arbeitsentgelt für mindestens 21 Wochenstunden beziehe. Weitere Voraussetzungen für den Anspruch Überbrückungsbeihilfe würden sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus dem Sinn und Zweck des TV SozSich ergeben. Nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien sei die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess als Zielsetzung der Überbrückungsbeihilfe bereits dann erreicht, wenn die betroffenen Arbeitnehmer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im Umfang von mehr als 21 Wochenstunden tätig seien. Mithin erfülle er durch sein Arbeitsverhältnis bei der Automobilzentrum E. GmbH und seiner beruflichen Tätigkeit im Umfang von mittlerweile 24 Stunden pro Woche genau die Zielsetzung der Überbrückungsbeihilfe, so dass deren Zweck nicht verfehlt, sondern vielmehr gerade erfüllt werde. Entgegen der Ansicht der Beklagten müsse er nicht darlegen und beweisen, dass seine tatsächliche Wochenarbeitszeit mehr als 21 Stunden betrage, d. h. dass er in der Regel mehr als 21 Wochenstunden gearbeitet habe. Vielmehr obliege es der Beklagten, Tatsachen vorzutragen und notwendigenfalls zu beweisen, die angeblich für ein Scheinarbeitsverhältnis sprechen würden. Die Beklagte habe hierfür keine tragfähigen Anhaltspunkte vorgetragen. Nach ständiger Rechtsprechung trage derjenige die Beweislast für den Scheincharakter eines Vertrages, wer sich auf die Nichtigkeit eines Geschäftes nach § 117 Abs. 1 BGB berufe. Entgegen der unzutreffenden Ansicht der Beklagten sei diese Rechtsprechung auch für den vorliegenden Fall maßgeblich. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die tariflichen Ansprüche angeblich als Sozialleistung im weitesten Sinne zu verstehen seien. Denn dieser Umstand sei nicht geeignet, den arbeitsrechtlichen Charakter des Anspruchs auf Überbrückungsbeihilfe zu ändern. Eine Übertragung der von der Beklagten angeführten Erwägungen der Sozialgerichtsbarkeit auf die vorliegende arbeitsgerichtliche Streitigkeit verbiete sich ohnehin, weil die unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten von grundlegend verschiedenen Prozessgrundsätzen geprägt seien. Unabhängig davon genüge im Regelfall auch im Rahmen eines Sozialgerichtsprozesses die Vorlage eines Arbeitsvertrages, um der Feststellungslast hinsichtlich des Bestehens eines Beschäftigungsverhältnisses und der hieraus resultierenden Versicherungspflicht zu genügen. Die Beklagte habe keine erheblichen Umstände vorgetragen, weshalb sie der Ansicht sei, dass sein Arbeitsverhältnis nur zum Schein eingegangen sei. Soweit die Beklagte zum wiederholten Male bemängelt habe, dass er nur als Hilfskraft beschäftigt werde, weise er nochmals darauf hin, dass seine Ausbildung als Kfz-Mechaniker aus dem Jahr 1980 aufgrund des zwischenzeitlichen technischen Fortschritts im Kfz-Bereich mittlerweile entwertet sei, so dass er diese nicht mehr auf dem deutschen Arbeitsmarkt verwerten könne. Soweit die Beklagte behaupte, dass hinsichtlich der Arbeitszeit eine Abweichung des schriftlichen Arbeitsvertrages vom gelebten Arbeitsverhältnis vorliege, so treffe dies nicht zu. Die Arbeitszeit halte sich in dem durch den Arbeitsvertrag gesteckten Rahmen und sei wirksam durch seinen Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts festgelegt worden. Nach Vertragsschluss seien er und Herr E. auf dessen Vorschlag hin darin übereingekommen, dass er zunächst von Montag bis Mittwoch von jeweils 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr arbeiten solle. Auf diesem Wege hätten auf der einen Seite die Arbeitstage pro Monat und somit seine Reisekosten möglichst gering gehalten werden sollen. Die E. GmbH habe ihm zudem angeboten, dass er die anfallenden Überstunden dazu nutzen könne, ganze Arbeitstage bezahlt daheim zu bleiben, um sich an diesen Tagen die Reisekosten komplett sparen zu können. Auf der anderen Seite habe der Arbeitgeber hierdurch die notwendige Flexibilität gewahrt, da er sich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses noch nicht sicher gewesen sei, ob er für ihn ausreichend Arbeit habe. Die angefallenen Überstunden seien vereinbarungsgemäß seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben worden. Ein Zeitausgleich sei nach Absprache durch bezahlte Freistellung erfolgt. Dementsprechend sei er am 13. Juli 2015 sowie im Zeitraum vom 14. bis 16. September 2015 von seiner Arbeitsleistung unter Fortzahlung seiner Vergütung freigestellt worden. Soweit die Beklagte darauf hingewiesen habe, dass die Vereinbarung hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit keinen Niederschlag in dem Arbeitsvertrag gefunden habe, so sei dieser Einwand unerheblich. Denn es sei nicht unüblich, dass die konkreten Arbeitszeiten im ursprünglichen Arbeitsvertrag nicht genannt würden, um das Weisungsrecht des Arbeitgebers in zeitlicher Hinsicht nicht ohne Not einzuschränken. Zudem halte sich die Festlegung der Arbeitszeit im vertraglichen Rahmen. Von dem in § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages festgelegten Recht habe Herr E. zu Beginn des Arbeitsverhältnisses bei der Festlegung seiner Arbeitszeit Gebrauch gemacht. Mit Wirkung zum 01. Februar 2016 sei seine regelmäßige Arbeitszeit durch die vorgelegte Änderungsvereinbarung auf 24 Wochenstunden erhöht und im Rahmen dessen verbindlich auf Montag bis Mittwoch von 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr festgelegt worden. Er habe bei Herrn E. mehrmals um eine Erhöhung seiner Arbeitszeit angefragt. Da eine Mitarbeiterin zum 31. Januar 2016, die als sog. Garantiebearbeiterin mit 20 Stunden pro Woche tätig gewesen sei, die Automobilzentrum E. GmbH verlassen habe, sei ihm angeboten worden, dass er auf diese Stelle wechsele und gleichzeitig seine Arbeitszeit auf 24 Wochenstunden erhöht werden könne. Denn gewisse bisherige Arbeitsaufgaben habe er auch nach seinem Stellenwechsel weiterhin erledigen sollen. Sein Arbeitgeber habe ihm aber keine weiteren Stunden angeboten, obgleich er hierum gebeten habe. Soweit die Beklagte zum wiederholten Mal bemängele, dass sein Lohn unter der tariflichen Vergütung liege, habe er bereits erstinstanzlich darauf hingewiesen, dass eine Tarifvergütung im Kfz-Gewerbe in Bayern nicht üblich sei. Sein Stundenlohn entspreche vielmehr dem orts- und betriebsüblichen Lohn für vergleichbare Tätigkeiten. Von einer offenkundigen Unklarheit, was und wann er gearbeitet habe, könne auch keine Rede sein. Vielmehr habe er seine einzelnen Arbeitsaufgaben aufgezählt. Zudem habe er unter Verwendung von Auszügen aus dem elektronischen Zeiterfassungssystem jeden einzelnen seiner Arbeitstage kalendermäßig aufgezählt sowie den jeweiligen Beginn und das Endes seiner Arbeitszeit angegeben. Aus der Spalte "bez. Std." lasse sich Tag genau die Dauer der Arbeitszeit entnehmen. Exakter könne die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers nicht angegeben werden. Die Spalte "Leerlauf" in den Zeitaufstellungen habe nicht die Bedeutung, dass er insoweit nicht beschäftigt worden sei. Die Spalte "W 3" (Leerlauf) weise lediglich den Umfang der Arbeitszeit aus, der nicht der Abarbeitung eines bestimmten Reparatur-/Serviceauftrages zugeordnet sei. Bei der Automobilzentrum E. GmbH müssten lediglich alle produktiven Mitarbeiter ihre Tätigkeit auftragsbezogen mit Abstempeln eines Strichcodes nachweisen, um ihre Arbeitszeit abrechnen zu können. Für Servicemitarbeiter bestehe hingegen keine solche Pflicht. Mithin sei die Spalte "W 3" im Regelfall gleichbedeutend mit seiner tatsächlichen Arbeitszeit. Nur in Fällen, in denen er ausnahmsweise auftragsbezogene Tätigkeiten verrichtet habe, ergebe sich die tägliche Arbeitszeit aus der Summe der Spalte "W 3" und der Spalte "ZA" (= Zeit aller gestempelten Aufträge). Er sei bei der Automobilzentrum E. GmbH in deren Autohaus in S-Stadt entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarung vom 01. Juli 2015 bis 31. Januar 2016 als Helfer im Servicebereich tatsächlich im Durchschnitt mit 22 Stunden wöchentlich tätig gewesen und habe im Rahmen dieser regelmäßigen Arbeitszeiten die von ihm im Einzelnen aufgeführten Tätigkeiten erledigt. Seit dem 01. Februar 2016 sei er für die Automobilzentrum E. GmbH in S-Stadt als Garantiebearbeiter regelmäßig mit 24 Wochenstunden mit den von ihm im Einzelnen aufgeführten Aufgaben tätig. Seine tatsächliche Arbeitszeit werde elektronisch festgehalten und ergebe sich aus den von ihm vorgelegten Stundenaufzeichnungen. Sein Arbeitsverhältnis halte sich auch an die Vorgaben des Mindestlohngesetzes. Nach § 2 Abs. 2 MiLoG könnten auch mit Arbeitnehmern, die zum Mindestlohn vergütet würden, Arbeitszeitkonten schriftlich vereinbart werden. Er habe mit der Automobilzentrum E. GmbH ein solches Arbeitszeitkonto schriftlich vereinbart, das die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 MiLoG erfülle. Grundlage dieses Arbeitszeitkontos seien die vom elektronischen Zeiterfassungssystem erfassten Arbeitszeiten. Gemäß der zutreffenden Feststellung des Arbeitsgerichts sei der pauschale Vorwurf des treuwidrigen Verhaltens nicht geeignet, seinen Anspruch zu Fall zu bringen. Vielmehr habe die Beklagte seinerseits nichts dazu vorgetragen, welche Maßnahmen sie ergriffen habe, um ihren tarifvertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihm aus § 3 Ziff. 3 TV SozSich nachzukommen. Mithin könne nur davon ausgegangen werden, dass die Beklagte im Hinblick auf die vertraglich geschuldete Mithilfe bei der Vermittlung der ehemaligen Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte völlig tatenlos geblieben sei. Allein der Umstand, dass er zunächst 22 bzw. nun 24 Wochenstunden arbeite und sein Arbeitslohn nicht seinem ehemaligen Lohn bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften entspreche, begründe keine Treuwidrigkeit. Die Beklagte habe auch nicht vorgetragen, welche angezeigten Bewerbungsbemühungen er angeblich pflichtwidrig unterlassen habe. Im Übrigen habe er seine Bewerbungsbemühungen im Einzelnen dargestellt. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei seine Vergütung zuletzt auch nicht sittenwidrig niedrig. Den von der Beklagten angeführten Daten fehle die notwendige Aussagekraft für den vorliegenden Fall. Zunächst einmal würden sich die Angaben des Landesamtes für Statistik auf ganz Bayern beziehen, während Bezugsgröße für die Prüfung eines auffälligen Missverhältnisses das Lohnniveau sei, das sich für die auszuübende Tätigkeit in der Wirtschaftsregion gebildet habe. S-Stadt gehöre zu der gemessen an bayerischen Verhältnissen eher strukturschwachen Wirtschaftsregion des nördlichen Unterfrankens. Im Übrigen könnten die Daten in Folge der beschäftigungsübergreifenden Kategorisierung keine Aussage darüber treffen, wie hoch die Durchschnittsvergütung für eine konkrete Tätigkeit sei. Zudem werde explizit zwischen vollzeitbeschäftigten und teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschieden. Der Bruttostundenverdienst ohne Sonderzahlungen für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer der Lohngruppe 4 werde mit lediglich 11,98 € angeführt. Überdies sei seine aktuelle Tätigkeit richtigerweise der Leistungsgruppe 5 zuzuordnen. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte seinen Bruttostundenverdienst ohne Sonderzahlungen errechne, aber in Widerspruch hierzu den Bruttostundenverdienst mit Sonderzahlungen heranziehe.

51

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen E.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 18. August 2016 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

52

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO), aber unbegründet.

53

Die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig (§§ 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 524 ZPO). Sie erfordert keine eigenständige Beschwer (BAG 19. Mai 2016 - 3 AZR 766/14 - Rn. 14, juris). Der in der ersten Instanz voll obsiegende Kläger kann sich deshalb - wie hier - der (zulässigen) gegnerischen Berufung zum Zwecke der Klageerweiterung anschließen (BGH 10. Mai 2011 - VI ZR 152/10 - Rn. 10, NJW 2011, 3298). Die Anschlussberufung ist auch begründet.

54

Die Klage ist mit den zuletzt gestellten Anträgen zulässig und begründet. Der Kläger hat nach § 4 Ziff. 1 a TV SozSich einen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Überbrückungsbeihilfe für die Monate Juli 2015 bis Mai 2016 und die von ihm zuletzt begehrte (zukunftsbezogene) Feststellung.

I.

55

Die Klage ist mit den zuletzt gestellten Anträgen zulässig.

56

Die mit der Anschlussberufung vorgenommene Erweiterung der Zahlungsklage über den erstinstanzlich streitgegenständlichen Zeitraum von Juli 2015 bis September 2015 hinaus auf den nachfolgenden Zeitraum von Oktober 2015 bis Mai 2016 ist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 533 ZPO zulässig. Der im Berufungsverfahren gemäß § 264 Nr. 2 ZPO beschränkte Feststellungsantrag ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

II.

57

Die Klage ist begründet.

58

Der Kläger hat nach § 4 Ziff. 1 a TV SozSich einen Anspruch auf die von ihm begehrte Überbrückungsbeihilfe ab Juli 2015.

59

1. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 TV SozSich sind unstreitig erfüllt. Nach § 4 Ziff. 1 a TV SozSich wird Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt. Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nach der Protokollnotiz zu Ziff. 1 a nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt. Diese Voraussetzungen sind hier ebenfalls erfüllt.

60

Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts (§ 286 ZPO) fest, dass der Kläger tatsächlich bei der Automobilzentrum E. GmbH in deren Autohaus in S-Stadt aufgrund des Arbeitsvertrages vom 08. Juni 2015 in der Zeit vom 01. Juli 2015 bis 31. Januar 2016 als Helfer im Servicebereich im Durchschnitt 22 Stunden wöchentlich gearbeitet hat und dort aufgrund des Änderungsvertrages vom 03. Februar 2016 seit dem 01. Februar 2016 als Garantiebearbeiter regelmäßig mit 24 Wochenstunden tätig ist.

61

a) Der Kläger hat den Arbeitsvertrag vom 08. Juni 2015 nebst der Ergänzung vom 08. September 2015 und den Änderungsvertrag vom 02. Februar 2016 vorgelegt, die er mit der Automobilzentrum E. GmbH abgeschlossen hat. Danach haben die Vertragsparteien für die Zeit ab 01. Juli 2015 eine Tätigkeit des Klägers als Helfer im Servicebereich mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 22 Stunden wöchentlich und ab dem 01. Februar 2016 eine um zwei Stunden auf 24 Stunden erhöhte Wochenarbeitszeit des Klägers vereinbart. Weiterhin hat der Kläger die nach dem elektronischen Zeiterfassungssystem der Automobilzentrum E. GmbH dokumentierten Arbeitszeiten für die streitgegenständlichen Monate Juli 2015 bis Mai 2016 vorgelegt. In Bezug auf die in den Zeitaufstellungen enthaltene Spalte W 3 (Leerlauf) hat er erläutert, dass diese Spalte lediglich den Umfang der Arbeitszeit ausweise, der nicht der Abarbeitung eines bestimmten Reparatur- bzw. Serviceauftrages zugeordnet sei und nicht etwa besage, dass er insoweit nicht beschäftigt worden sei. Gemäß den vorgelegten Lohnabrechnungen hat der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum die jeweils vertraglich vereinbarte Vergütung in Höhe von 895,-- € brutto rückwirkend ab 01. Juli 2015 und sodann in Höhe von 1.000,-- € brutto ab 01. Februar 2016 erhalten.

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b) Der von beiden Parteien benannte Zeuge E. hat in jeder Hinsicht glaubhaft bestätigt, dass der Kläger entsprechend den geschlossenen Verträgen auch tatsächlich beschäftigt worden ist bzw. dementsprechend beschäftigt wird. Der Zeuge E. hat ausgesagt, dass er Geschäftsführer des Automobilzentrums E. GmbH in S-Stadt sei und der Kläger in ihrem Autohaus in S-Stadt seit 01. Juli 2015 zunächst als Helfer im Servicebereich im Durchschnitt 22 Stunden wöchentlich gearbeitet habe. Bei der Tätigkeit als Helfer handele es sich um den Hol- und Bringservice für Kunden, Teile holen usw.. Es handele sich um Tätigkeiten, die sporadisch im Autohaus anfallen würden. Zu den ihm vorgelegten Verträgen vom 08. Juni 2015 nebst Ergänzung vom 08. September 2015 und der Änderungsvereinbarung vom 03. Februar 2016 hat er erklärt, dass diese Verträge von ihm unterschrieben worden seien und der Kläger dementsprechend auch beschäftigt worden sei bzw. beschäftigt werde. Seit 01. Februar 2016 habe der Kläger Garantie, Kulanz und Notdienstbearbeitung übernommen, was vorher Frau S. gemacht habe. Nachdem Frau S. ihr Arbeitsverhältnis gekündigt habe, seien diese Arbeiten auf den Kläger übertragen worden. Dabei habe Frau S. etwa 1/3 ihrer Tätigkeit an den Kläger abgegeben, während die ihr vorher zugeordnete Werbung und die Standards, die die meiste Zeit in Anspruch genommen hätten, von seiner Tochter übernommen worden seien. Wenn der Kläger z. B. Garantiefälle bearbeite, müsse ggf. ein anderer Monteur die ansonsten vom Kläger miterledigten Hilfsarbeiten ausführen. Mit dem Kläger sei abgesprochen worden, dass er seine Arbeit an den Werktagen Montag bis Mittwoch erbringe. Wenn der Kläger mehr gearbeitet habe, sei er ggf. an anderen Tagen freigestellt worden. Wenn der Kläger z. B. einen Tag zusätzlich gearbeitet habe, sei er dafür an einem anderen Tag freigestellt worden. Der Kläger sitze im Büro zwei Schreibtische von ihm entfernt. Er habe den Kläger vor Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht persönlich gekannt und sei mit ihm auch nicht befreundet. Sie hätten in ihrem Autohaus zwei Kfz-Meister und keinen weiteren Bedarf. Während früher alles mechanisch gewesen sei, sei heute alles elektronisch, so dass der Einstieg für einen Kfz-Meister, der z. B. schon fünf Jahre raus sei, unheimlich schwer wäre. Das Budget gebe es auch nicht her, dem Kläger eine höhere Vergütung anzubieten.

63

Aufgrund dieser glaubhaften Aussage des Zeugen E. ist das Berufungsgericht zweifelsfrei davon überzeugt, dass der Kläger entsprechend den von ihm vorgelegten Verträgen mit der Automobilzentrum E. GmbH dort auch tatsächlich beschäftigt worden ist bzw. beschäftigt wird. Es kann daher dahingestellt bleiben, zu wessen Lasten eine - hier nicht gegebene - Unergiebigkeit der Beweisaufnahme (non liquet) gehen würde.

64

2. Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehen nach dem Wortlaut der Tarifbestimmung und der Protokollnotiz keine weiteren Anspruchsvoraussetzungen (vgl. BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 17, NZA 1995, 1168).

65

Insbesondere ist nicht entscheidend, wie hoch das Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung des Klägers ist. Gemäß dem Wortlaut von § 4 Ziff. 1 a TV SozSich hat der Kläger einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu diesem Arbeitsentgelt, ohne dass es auf dessen Höhe ankommt. Der von den Tarifvertragsparteien gewählte Begriff "Überbrückungsbeilhilfe" besagt nicht, dass die "Beilhilfe" stets niedriger sein muss als das übrige Einkommen, sondern nur, dass sie beim Übergang in ein Arbeitsverhältnis mit niedrigeren Bezügen helfen soll. Für eine andere Auslegung findet sich im Tarifwortlaut kein Hinweis. Weiterhin lässt sich dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, soweit er in den Tarifnormen seinen Niederschlag gefunden hat, auch unter Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs nicht entnehmen, dass das Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung höher sein muss als das Arbeitslosengeld, das der Arbeitnehmer erhielte. Die Fallgruppen des § 4 Ziff. 1 TV SozSich stehen unabhängig nebeneinander und erlauben nicht den Schluss, das Arbeitsentgelt müsse mindestens die Höhe des Arbeitslosengeldes erreichen. Eine solche Annahme würde auch dem nach § 3 TV SozSich auf Wiedereingliederung des entlassenen Arbeitnehmers gerichteten tariflichen Regelungskonzept widersprechen. Die Überbrückungsbeihilferegelung soll einen Anreiz darstellen, damit der Arbeitnehmer entweder eine anderweitige Beschäftigung aufnimmt oder zumindest der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Als für den Tarifanspruch nicht ausreichend ist nach der Protokollnotiz zu § 4 Ziffer 1 a TV SozSich nur eine anderweitige Beschäftigung mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 21 Stunden oder weniger anzusehen. Obwohl die Tarifparteien das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs somit erkannt haben, haben sie für die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur eine Mindestarbeitszeit, nicht aber einen Mindestlohn vorgeschrieben. Daran sind die Gerichte gebunden. Dem Tarifvertrag ist auch nicht zu entnehmen, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sein soll, Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen, wenn der Lohn für eine verfügbare Beschäftigung niedriger ist als dieses (BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 19 - 23, NZA 1995, 1168).

66

3. Der Klageanspruch entfällt auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB).

67

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 - Rn. 35, juris; vgl. zur Überbrückungsbeihilfe BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 24, NZA 1995, 1168). Schwierigkeiten, die sich aus fehlenden Kenntnismöglichkeiten ergeben, ist ggf. durch die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen (BAG 19. März 2014 - 7 AZR 527/12 –, Rn. 26, NZA 2014, 840). Die für den Einwand des Rechtsmissbrauchs darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat keine Umstände unter Beweisantritt vorgetragen, die ein rechtsmissbräuchliches Verhalten begründen könnten.

68

a) Die zwischen dem Kläger und dem Automobilzentrum E. GmbH jeweils vereinbarte Vergütung ist nicht sittenwidrig (§ 138 BGB).

69

Die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat bereits keine Umstände vorgetragen, die ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung begründen. Entgegen den Ausführungen der Beklagten ist unerheblich, in welchem Verhältnis das vom Kläger erzielte Arbeitseinkommen zu der von ihm begehrten Überbrückungsbeihilfe steht. Darauf kommt es gemäß den obigen Ausführungen nach den tariflich festgelegten Anspruchsvoraussetzungen nicht an. Im Streitfall kann auch nicht angenommen werden, dass der von der Beklagten angeführte Tariflohn der verkehrsüblichen Vergütung entspricht und danach der Wert der Arbeitsleistung des Klägers in einem auffälligen Missverhältnis zu der hierfür gezahlten Vergütung steht. Der Kläger hat vorgetragen, dass eine Tarifvergütung im Kfz-Gewerbe in Bayern nicht üblich sei. Weder seien mehr als 50 % der Arbeitgeber des Kfz-Gewerbes tarifgebunden, noch würden die in Bayern organisierten Arbeitgeber mehr als 50 % der Arbeitnehmer im Kfz-Gewerbe beschäftigen. Die für die Voraussetzungen des § 138 BGB darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat sich hierzu nicht erklären können. Mithin kann nicht von der Üblichkeit der angeführten Tarifvergütung ausgegangen werden, so dass von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen ist (vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 14 und 24, NZA 2009, 837). Hierzu hat die Beklagte einen Auszug aus den statistischen Berichten über die Verdienste und Arbeitszeiten im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich in Bayern im ersten Quartal 2016 des Bayerischen Landesamtes für Statistik vorgelegt. Danach beträgt bei der von der Beklagten angeführten Leistungsgruppe 4 der Bruttostundenverdienst für die teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer (insgesamt) lediglich 11,98 € und bei vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern ohne Sonderzahlungen 13,70 € (Männer) bzw. 13,75 € (insgesamt). Damit wird die Grenze von 2/3 des üblichen Lohns nicht unterschritten. Im Übrigen lässt sich auch nicht feststellen, aufgrund welcher Umstände die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit der Leistungsgruppe 4 zuzuordnen sein soll. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, welche besonderen Kenntnisse und Fertigkeiten für spezielle, branchengebundene Aufgaben erforderlich sein sollen, die nicht durch Anlernen von bis zu drei Monaten vermittelt werden können, sondern in der Regel durch eine Anlernzeit von bis zu zwei Jahren erworben werden.

70

b) Weiterhin wird auch der Mindestlohn von 8,50 € brutto je Zeitstunde nach dem Mindestlohngesetz nicht unterschritten. Der Kläger hat vorgetragen, dass er aufgrund des für ihn geführten schriftlichen Arbeitszeitkontos für die über die regelmäßige Wochenarbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden einen entsprechenden Freizeitausgleich erhält (§ 2 Abs. 2 MiLoG). Eine Unterschreitung des nach dem Mindestlohngesetz ab dem 01. Januar 2015 zu zahlenden Mindestlohns lässt sich im Streitfall nicht feststellen.

71

c) Soweit die Beklagte hervorgehoben hat, dass es sich bei der Überbrückungsbeihilfe um eine ergänzende staatliche Sozialleistung handele, ändert dies nichts daran, dass sich daraus gemäß den obigen Ausführungen keine weiteren Anspruchsvoraussetzungen dergestalt herleiten lassen, dass im "Vordergrund" ein neues Arbeitsverhältnis stehen müsse, durch das der Arbeitnehmer seine (neue) Arbeitsleistung möglichst gleichwertig einzubringen habe und das nicht nur zum Erhalt von Überbrückungsbeihilfe als maßgeblicher Zweck eingegangen worden sei. Die Überbrückungsbeihilfe soll gerade einen Anreiz dafür darstellen, dass der Arbeitnehmer eine anderweitige Beschäftigung aufnimmt und dadurch wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert wird. Im Hinblick auf diese Anreizfunktion kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, dass er mit dem von ihm eingegangenen Arbeitsverhältnis den Erhalt von Überbrückungsbeihilfe bezweckt. Wie bereits oben ausgeführt, besagt allein der von den Tarifparteien gewählte Begriff "Überbrückungsbeihilfe" nicht, dass die "Beihilfe" niedriger sein muss als das übrige Einkommen. Vielmehr haben die Tarifparteien für die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur eine Mindestarbeitszeit, nicht aber einen Mindestlohn vorgeschrieben, obwohl sie das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs erkannt haben. Der Kläger ist danach nicht verpflichtet, über die vorgeschriebene Mindestarbeitszeit hinaus eine Vollzeittätigkeit zu übernehmen. Unabhängig davon hat nach der Aussage des Zeugen E. dessen Tochter von der zuvor halbtags beschäftigten Mitarbeiterin S. die Werbung und die Standards übernommen, die die meiste Zeit in Anspruch genommen hätten. Anlässlich der vom Kläger ab 01. Februar 2016 übernommenen Tätigkeit als Garantiebearbeiter ist daher nur eine Erhöhung seiner Arbeitszeit um zwei Stunden vereinbart worden. Im Übrigen hat der Zeuge darauf verwiesen, dass ggf. ein anderer Monteur die ansonsten vom Kläger miterledigten Hilfsarbeiten ausführen müsse, wenn dieser z.B. Garantiefälle bearbeite. Weiterhin hat der Zeuge E. ausgesagt, dass es das Budget nicht hergegeben habe, dem Kläger eine höhere Vergütung anzubieten. Entgegen der Annahme der Beklagten haben der Kläger und die Automobilzentrum E. GmbH in der Ergänzung zum Arbeitsvertrag vom 08. September 2015 keine Vergütung nach der Vergütungsgruppe 1 des angeführten Tarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern, sondern vielmehr das festgelegte Bruttogehalt vereinbart, das sich lediglich künftig entsprechend der prozentualen Erhöhung der Entgelte der genannten Vergütungsgruppe erhöht. Der Kläger hat im Einzelnen geschildert, welche umfangreichen Bewerbungsbemühungen er - erfolglos - unternommen hat. Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat das substantiierte Vorbringen des Klägers lediglich mit Nichtwissen bestritten und keine Tatsachen dafür unter Beweisantritt dargelegt, dass der Kläger etwa einen unter der üblichen Vergütung liegenden Lohn vereinbart hat, obwohl für ihn bestimmte günstigere Angebote verfügbar waren. Allein der Verweis darauf, dass zahlreiche offene Stellen gemeldet seien, reicht zur Begründung eines Rechtsmissbrauchs i.S.v. §§ 162, 242 BGB nicht aus.

72

4. Die Klageansprüche sind auch der Höhe nach begründet.

73

Nach § 4 Ziff. 3 a Abs. 1 TV SozSich ist Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung (Ziff. 1 a) die tarifvertragliche Grundvergütung nach § 16 Ziff. 1 a TV AL II, die dem Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit im Zeitpunkt der Entlassung für einen vollen Kalendermonat zustand. Im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers zum 31. Dezember 2014 hat diese Bruttobemessungsgrundlage unstreitig 4.845,28 € gem. dem Schreiben der Beklagten vom 27. Februar 2015 betragen. Nach § 4 Ziff. 3 a Abs. 2 TV SozSich ist die Bemessungsgrundlage in den dem Jahr der Entlassung folgenden Kalenderjahren jeweils um den v.H.-Satz zu erhöhen, um den die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung infolge Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage durch Gesetz angepasst werden. Das auf das Jahr der Entlassung des Klägers zum 31. Dezember 2014 folgende Kalenderjahr ist das Kalenderjahr 2015, so dass sich die Bemessungsgrundlage entsprechend der gesetzlichen Rentenerhöhung zum 01. Juli 2015 um 2,1 % erhöht hat. Dementsprechend ist von der vom Kläger errechneten Bemessungsgrundlage in Höhe von 4.942,19 € auszugehen. Im Übrigen hat die Beklagte die vom Kläger jeweils zutreffend gemäß § 4 Ziff. 4 TV SozSich errechnete Anspruchshöhe nicht bestritten.

74

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

75

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

Tenor

1. Die Berufung der beklagten Bundesrepublik gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 31. März 2016, Az. 2 Ca 1403/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich) vom 31.08.1971.

2

Der im Januar 1955 geborene Kläger war von Mai 1979 bis September 2014 in Vollzeit bei den US-Stationierungsstreitkräften, zuletzt als Schlossermeister am Standort Sch. zu einem Grundgehalt nach Gehaltsgruppe D 1-3/E TVAL II iHv. € 3.674,99 brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden der TVAL II und der TV SozSich Anwendung. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde aus militärischen Gründen iSd. § 2 TV SozSich zum 30.09.2014 betriebsbedingt gekündigt. Die US-Streitkräfte zahlten ihm für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung iHv. € 62.805,00. In der Zeit vom 01.10.2014 bis 31.03.2015 wechselte der Kläger in eine aus Anlass der Schließung des Standorts Sch. gegründete Transfergesellschaft. Im April 2015 war er einen Monat arbeitslos. Die Beklagte zahlte ihm zum Arbeitslosengeld iHv. € 1.569,60 (netto) Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich.

3

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des TV SozSich lauten:

4

㤠2
Anspruchsvoraussetzungen

5

Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben Arbeitnehmer, die

6

1. wegen Personaleinschränkung

7

a) infolge einer Verringerung der Truppenstärke
b) … aus militärischen Gründen … entlassen werden, wenn sie

8

2. im Zeitpunkt der Entlassung

9

a) seit mindestens einem Jahr vollbeschäftigt sind,
b) mindestens fünf Beschäftigungsjahre … nachweisen können und das 40. Lebensjahr vollendet haben,
c) …
d) die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes oder des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen, und ihnen

10

3. keine anderweitige zumutbare Verwendung im Geltungsbereich des TV AL II angeboten worden ist. …

11

§ 3
Eingliederung

12

1. Der entlassene Arbeitnehmer soll möglichst sofort in den Arbeitsprozess wieder eingegliedert werden.

13

2. Der Arbeitnehmer hat sich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitsuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden. Er hat, soweit zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess erforderlich, an beruflichen Bildungsmaßnahmen … teilzunehmen.

14

3. Die Bundesregierung wird bemüht sein, für die bevorzugte Einstellung entlassener deutscher Arbeitnehmer in den Bundesdienst Sorge zu tragen. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Bundesregierung wird außerdem darauf hinwirken, dass deutsche Arbeitnehmer im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten von anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes bevorzugt berücksichtigt werden.

15

§ 4
Überbrückungsbeihilfe

16

1. Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt:

17

a) zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte,
b) zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit …
c) zum Krankengeld … oder zum Verletztengeld …

18

19

4. Die Überbrückungsbeihilfe beträgt:

20

im    

1. Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

100 v.H.

vom     

2. Jahr an

  90 v.H.

21

des Unterschiedsbetrages zwischen der Bemessungsgrundlage
(Ziff. 3a oder b) und den Leistungen gemäß vorstehenden Ziff. 1 und 2. …

22

5a. Arbeitnehmer, die am Tage ihrer Entlassung …

23

25 Beschäftigungsjahre (…) und das 50. Lebensjahr vollendet haben, erhalten Überbrückungsbeihilfe nach Maßgabe der Ziff. 1 bis 4 ohne zeitliche Begrenzung. …

24

Protokollnotiz zu Ziffer 1a

25

Eine "anderweitige Beschäftigung" liegt nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als 21 Stunden beträgt."

26

Am 21.04.2015 wandte sich der Kläger an die zuständige Lohnstelle ausländische Streitkräfte (LaS) und legte ihr den Entwurf eines Arbeitsvertrages mit dem Zeugen E. vor, der einen Meisterbetrieb für Haustechnik (Elektro-, Heizungs-, Solar- und Wasserinstallation) unterhält. Der Kläger erklärte, dass er am 01.05.2015 die Stelle antreten könne, wenn die Beklagte ihr "Okay" zu diesem Vertrag gebe. Die LaS lehnte eine verbindliche Vorabprüfung des Entwurfs ab, wies aber darauf hin, dass der Mindestlohn für das Elektrohandwerk nicht gewahrt sei. Der Kläger legte daraufhin einen zweiten Entwurf mit einer angehobenen Stundenvergütung vor. Mit Datum vom 30.04.2015 schloss er einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit dem Zeugen E. ab. Laut Vertragstext wurde er ab 01.05.2015 als Lagerarbeiter zu einer Bruttovergütung von € 990,00 monatlich mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 22 Wochenstunden eingestellt. Auf Anforderung der Beklagten gab der Zeuge E. mit Schreiben vom 14.09.2015 folgende Erklärung ab:

27

"Tätigkeiten

28

Zu 5.

29

Herr A. räumt angelieferte Ware (Heizungs-, Sanitär- und Elektromaterial) im Lager und in unser 2 Servicefahrzeuge ein.
Auf Baustellen Material zum Arbeitsplatz bringen. Nicht benötigtes Material wieder in Fahrzeuge bzw. ins Lager einräumen.
Lager und Fahrzeuge reinigen.

30

Zu 6.

31

Nein

32

Zu7

33

Wir beschäftigen nur 2 Gesellen

8.

34

Herr A. arbeitet Montag und Dienstag von 8 bis 16 Uhr 30
Mittwoch 8 bis 14 Uhr 30.
Die Mittagspause beträgt täglich 30 Minuten."

35

Der Zeuge E. kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 13. zum 31.10.2015.

36

Die Beklagte weigert sich, dem Kläger für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 Überbrückungsbeihilfe zu zahlen. Nach vergeblicher Geltendmachung erhob der Kläger am 04.11.2015 die vorliegende Feststellungsklage. Er hat in der Berufungsinstanz klargestellt, dass er mit der Anrechnung einer Verletztenrente, die er seit mehreren Jahren von der Berufsgenossenschaft Holz und Metall bezieht, auf die Überbrückungsbeihilfe einverstanden ist.

37

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

38

festzustellen, dass ihm auf Grundlage seines mit der Firma E., Haustechnik, X., bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie auf Grundlage seines Arbeitsverdienstes iHv. monatlich € 990,00 (brutto) rückwirkend für die Zeit vom 01.05. bis zum 31.10.2015 die Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich zusteht.

39

Die Beklagte hat beantragt,

40

die Klage abzuweisen.

41

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 31.03.2016 stattgegeben. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

42

Die Beklagte hat gegen das am 19.05.2016 zugestellte Urteil mit am 07.06.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.08.2016 mit am 16.08.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

43

Die Beklagte ist der Ansicht, die Feststellungsklage sei bereits unzulässig. Der Kläger habe in einem Folgeprozess vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern (Az. 8 Ca 815/16) zu erkennen gegeben, dass die Verletztenrente, die ihm die Berufsgenossenschaft gewähre, nicht auf die Überbrückungsbeihilfe anzurechnen sei. Eine Rechtsbefriedung sei daher durch die Feststellungsklage nicht zu erwarten.

44

Die Feststellungsklage sei jedenfalls unbegründet. Im aktuellen Online-Telefonbuch "Das Örtliche" sei eine kostenpflichtige Werbeanzeige "Schlüsseldienst A." zu finden. Als Inhaberin des Schlüsseldienstes sei die Ehefrau des Klägers benannt; als Firmensitz sei dessen Wohnanschrift angegeben. Ferner seien im Internet Fotos veröffentlicht, die die Schlosserei bereitgestellt habe, ua. das Schild " A., Schlosserei Metallbau Schlüsseldienst". Der Kläger behaupte zwar, dass er den Betrieb zum 27.03.2012 aufgegeben habe. Dies werde vor dem Hintergrund der Werbeanzeige im aktuellen Telefonbuch bestritten. Die Beklagte bestreitet im Übrigen mit Nichtwissen, dass der Kläger montags und dienstags von 8:00 bis 16:30 Uhr und mittwochs von 8:00 bis 14:30 Uhr mit einer jeweils halbstündigen Pause im Handwerksbetrieb des Zeugen E. gearbeitet habe. Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem Zeugen E. überhaupt gelebt worden sei und dass der Kläger als ungelernte Kraft und in der Regel mehr als 21 Wochenstunden gearbeitet habe.

45

Sie macht außerdem geltend, im Umland von W. herrsche Vollbeschäftigung. Gerade die Beschäftigungssituation für Facharbeiter sei als gut zu bezeichnen. Die Bundesagentur für Arbeit habe am Wohnort des Klägers und seiner näheren Umgebung mittlerweile mehr als 200 offene Stellen für Schlosser. Sie bestreitet, dass sich der Kläger ernsthaft darum bemüht habe, in seiner angestammten Tätigkeit als Schlosser(meister) in Vollzeit zu arbeiten. Der Kläger sei verpflichtet, sich anzustrengen, um wieder einen gleichwertigen Arbeitsplatz - sowohl die Vergütung als auch die Arbeitszeit betreffend - zu erlangen. Damit sei nicht vereinbar, wenn er sich mit einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von lediglich 22 Wochenstunden und einer Tätigkeit als ungelernte Kraft zu einem geringen Stundenlohn begnüge. Sinn und Zweck des TV SozSich rechtfertige es nicht, dass der Kläger mit dem geringstmöglichen Arbeitsaufwand ein Maximum an Steuergeldern beanspruchen könne. Es liefe erst recht den Zielvorstellungen des TV SozSich zuwider, wenn sich der Kläger mit einer niedrigen Wochenarbeitszeit in einem Arbeitsverhältnis zufrieden geben könnte, um nebenher einer selbständigen Tätigkeit mit seiner Schlosserei nachzugehen. Schließlich verhalte sich der Kläger missbräuchlich, weil ein Missverhältnis zwischen dem eigenen Verdienst von € 990,00 und der begehrten Überbrückungsbeihilfe von über € 2.500,00 vorliege.

46

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

47

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 31.03.2016, Az. 2 Ca 1403/15, abzuändern und die Klage abzuweisen.

48

Der Kläger beantragt,

49

die Berufung zurückzuweisen.

50

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er habe schon Jahre vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Einverständnis mit den US-Stationierungsstreitkräften eine Schlosserei als Nebenerwerb betrieben. Diesen Nebenerwerb habe er im Jahr 2012 aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Er habe den ohnehin nur kleinen Betrieb eingestellt und auch formell abgemeldet. Seine Ehefrau habe als Nebenerwerb eine Quelle-Agentur betrieben. Weder er noch seine Ehefrau hätten Fotos im Internet veröffentlicht oder diesbezüglich Verträge abgeschlossen. Das Schild " A., Schlosserei Metallbau Schlüsseldienst" sei schon 2012 vom Haus abgehängt worden. Aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme sei er überhaupt nicht mehr in der Lage gewesen, die Schlosserei zu betreiben. Deshalb beziehe er auch die Verletztenrente der Berufsgenossenschaft. Er habe im Betrieb des Zeugen E. im arbeitsvertraglich vereinbarten Umfang von 22 Wochenstunden tatsächlich gearbeitet. Er habe seine Arbeit am Montag, dem 04.05.2015 aufgenommen. Die Angaben des Zeugen E. im Schreiben vom 14.09.2015 seien zutreffend.

51

Die Berufungskammer hat über die Frage, ob der Kläger in der Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 als Lagerarbeiter mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 22 Stunden im Handwerksbetrieb des Zeugen E. tatsächlich gearbeitet hat, Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15.12.2016 Bezug genommen.

52

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

53

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.

II.

54

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage zu Recht stattgegeben.

55

1. Die Feststellungsklage ist entgegen der Ansicht der Berufung zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe soll für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 festgestellt werden, für die die Beklagte keine Zahlung geleistet hat. Dabei soll der Anspruch festgestellt werden, der unter Berücksichtigung des monatlichen Einkommens iHv. € 990,00 brutto aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Zeugen E. bestand. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer durch ausdrückliche Erklärung zu Protokoll klargestellt, dass er damit einverstanden ist, dass die Verletztenrente, die ihm die Berufsgenossenschaft Holz und Metall gewährt, auf die Überbrückungsbeihilfe angerechnet wird.

56

Der grundsätzlich geltende Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht entgegen, obwohl der Kläger den Anspruch beziffern könnte. Bei der beklagten Bundesrepublik ist davon auszugehen, dass sie die Urteile staatlicher Gerichte vollzieht, auch wenn kein vollstreckbarer Titel vorliegt (vgl. BAG 16.07.1998 - 6 AZR 672/96 - zur Überbrückungsbeihilfe). Zu einer gegenteiligen Annahme besteht im vorliegenden Fall keine Veranlassung.

57

Der von § 256 Abs. 1 ZPO verlangte Gegenwartsbezug des Rechtsverhältnisses wird dadurch hergestellt, dass der Kläger die Erfüllung konkreter Ansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit gegenwärtige rechtliche Vorteile erstrebt (vgl. zB BAG 16.05.2013 - 6 AZR 680/11 - Rn. 18 mwN).

58

2. Die Klage ist begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Überbrückungsbeihilfe zusteht.

59

a) Überbrückungsbeihilfe wird nach § 4 Ziff. 1a TV SozSich zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte gezahlt, wenn - was vorliegend unstreitig ist - die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 TV SozSich gegeben sind. Nach der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1a TV SozSich liegt eine „anderweitige Beschäftigung“ nur vor, wenn die arbeitsvertragliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit mehr als nur 21 Stunden beträgt.

60

b) Die Tätigkeit des Klägers im Handwerksbetrieb des Zeugen E. mit 22 Wochenstunden in der Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 zu einer monatlichen Vergütung von € 990,00 brutto gemäß den Bestimmungen des Arbeitsvertrages vom 30.04.2015 stellt eine derartige zum Bezug von Überbrückungsbeihilfe berechtigende Anknüpfungsbeschäftigung iSd. Tarifvertrages dar.

61

Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung der Berufungskammer (§ 286 ZPO) zweifelsfrei fest, dass der Kläger in der Zeit vom 01.05. bis 31.10.2015 tatsächlich im Betrieb des Zeugen E. auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 30.04.2015 im Umfang von 22 Wochenstunden gearbeitet hat.

62

Der Zeuge E. hat bei seiner Vernehmung bekundet, dass er den Kläger in der Zeit vom 01.05. bis zum 31.10.2015 in seinem Handwerksbetrieb überwiegend als Lagerarbeiter beschäftigt habe. Die Arbeitszeit sei nicht so starr festgelegt worden, dass er den Kläger immer zu den festen Zeiten eingesetzt habe, die in seinem Antwortschreiben vom 14.09.2015 aufgeführt seien. Wenn der Kläger bspw. auf einer Baustelle geholfen habe, sei er bis zur Fertigstellung der Arbeiten geblieben. In einem solchen Fall sei er dann am Folgetag später gekommen oder früher gegangen. Der Kläger habe nur Hilfsarbeiten verrichtet. Zu Beginn seiner Beschäftigung habe er das Lager aufgeräumt. Weil die Aufräumarbeiten in den letzten zwei, drei Jahren vernachlässigt worden seien, habe er damit zunächst genug zu tun gehabt. Der Kläger habe außerdem Arbeitsmaterial zu den Baustellen gebracht. Soweit er mit seiner geschädigten rechten Hand dazu in der Lage gewesen sei, habe der Kläger auf den Baustellen auch den Monteuren geholfen. Als Schlosser habe er ihn aufgrund seiner Behinderung nicht beschäftigen können.

63

Auf den Vorhalt der Beklagten, dass er in seinem Antwortschreiben vom 14.09.2015 angegeben habe, der Kläger werde montags und dienstags von 8.00 bis 16:30 Uhr und mittwochs von 8:00 bis 14:30 Uhr (mit einer täglichen Mittagspause von 30 Minuten) beschäftigt, hat der Zeuge geantwortet, er habe nicht streng darauf geachtet, dass der Kläger exakt zu diesen Zeiten gearbeitet habe. Der Kläger habe ihm die geleisteten Arbeitsstunden auf Arbeitszetteln notiert und selbst auf die Einhaltung seiner Arbeitszeit von 22 Wochenstunden geachtet. Er habe keinen Zweifel daran, dass der Kläger die vereinbarten 22 Stunden pro Woche gearbeitet habe. Wenn ein Arbeitnehmer korrekt sei, müsse er nicht jede Minute kontrollieren. Die ausgefüllten Arbeitszettel habe er seinem Steuerberater gegeben, der den Lohn abrechnet habe. Er habe den Kläger wieder entlassen, weil er nicht genügend Arbeit für ihn gehabt habe. Wegen seiner Probleme mit der rechten Hand, habe er den Kläger nicht überall einsetzen können.

64

Die Darstellung des Zeugen E. war ohne Einschränkung glaubhaft. Es gibt für die Kammer nach dem persönlichen Eindruck, den sie von dem Zeugen während seiner Vernehmung gewonnen hat, keinen Anhaltspunkt daran zu zweifeln, dass der Kläger im streitigen Zeitraum tatsächlich in dessen Handwerksbetrieb (Heizung, Elektro, Sanitär) als Hilfsarbeiter gearbeitet hat. Die Kammer ist aufgrund der Aussage des Zeugen auch davon überzeugt, dass der Kläger regelmäßig 22 Wochenstunden gearbeitet hat. Gegen die Gewissenhaftigkeit des Zeugen spricht nicht, dass er in seinem Antwortschreiben vom 14.09.2015 feste Arbeitszeiten angegeben hat, die nach seiner Aussage nicht starr eingehalten worden sind. Der Zeuge hat plausibel und nachvollziehbar geschildert, dass er den Angaben des Klägers auf den Arbeitszetteln vertraut hat. Der Zeuge beschäftigt in seinem kleinen Handwerksbetrieb zwei Monteure und arbeitet selbst bei seinen Kunden auf der Baustelle. Es besteht für die Kammer kein Zweifel daran, dass der Kläger die Arbeitsstunden, die der Zeuge abgerechnet und bezahlt hat, auch tatsächlich erbracht hat. Das erhebliche Misstrauen, dass die Beklagte dem Kläger entgegenbringt, hatte der Zeuge nicht. Es ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht gerechtfertigt.

65

c) Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehen nach dem Wortlaut des § 4 Ziff. 1a TV SozSich und der Protokollnotiz keine weiteren Anspruchsvoraussetzungen als eine "anderweitige Beschäftigung" mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mehr als 21 Wochenstunden (so ausdrücklich BAG 22.12.1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 17; sich anschließend LAG Rheinland-Pfalz 11.04.2016 - 3 Sa 310/15; 07.06.2016 - 6 Sa 328/15; 13.06.2016 - 3 Sa 71/16; 18.08.2016 - 2 Sa 91/16).

66

Insbesondere ist nicht entscheidend, wie hoch das Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung des Arbeitnehmers ist. Nach dem Wortlaut des § 4 Ziff. 1a TV SozSich hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu diesem Arbeitsentgelt, ohne dass es auf dessen Höhe ankommt. Der von den Tarifvertragsparteien gewählte Begriff "Überbrückungsbeihilfe" besagt nicht, dass diese stets niedriger sein muss als das übrige Einkommen, sondern nur, dass sie beim Übergang in ein Arbeitsverhältnis mit niedrigeren Bezügen helfen soll. Für eine andere Auslegung findet sich im Tarifwortlaut kein Hinweis (so schon BAG 22.12.1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 19).

67

Weiterhin lässt sich dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, soweit er in den Tarifnormen seinen Niederschlag gefunden hat, auch unter Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs nicht entnehmen, dass das Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung höher sein muss als das Arbeitslosengeld, das der Arbeitnehmer erhielte. Die Fallgruppen des § 4 Ziff. 1 TV SozSich stehen unabhängig nebeneinander und erlauben nicht den Schluss, das Arbeitsentgelt müsse mindestens die Höhe des Arbeitslosengeldes erreichen. Eine solche Annahme würde auch dem nach § 3 TV SozSich auf Wiedereingliederung des entlassenen Arbeitnehmers gerichteten tariflichen Regelungskonzept widersprechen. Die Überbrückungsbeihilfe soll einen Anreiz darstellen, damit der Arbeitnehmer entweder eine anderweitige Beschäftigung aufnimmt oder zumindest der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Als für den Tarifanspruch nicht ausreichend ist nach der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1a TV SozSich nur eine anderweitige Beschäftigung mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 21 Stunden oder weniger anzusehen. Obwohl die Tarifparteien das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs somit erkannt haben, haben sie für die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur eine Mindestarbeitszeit, nicht aber einen Mindestlohn vorgeschrieben. Daran sind die Gerichte gebunden. Dem Tarifvertrag ist auch nicht zu entnehmen, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sein soll, Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen, wenn der Lohn für eine verfügbare Beschäftigung niedriger ist als dieses (BAG 22.09.2016 - 6 AZR 397/15 - Rn. 15; 22.12.1994 - 6 AZR 337/94 - Rn. 19-23; LAG Rheinland-Pfalz 11.04.2016 - 3 Sa 310/15; 07.06.2016 - 6 Sa 328/15; 13.06.2016 - 3 Sa 71/16; 18.08.2016 - 2 Sa 91/16).

68

Soweit die Beklagte hervorhebt, dass es sich bei der Überbrückungsbeihilfe um eine steuerfinanzierte soziale Leistung handele (zuletzt BAG 22.09.2016 - 6 AZR 397/15 - Rn. 15), lassen sich daraus keine weiteren Anspruchsvoraussetzungen dergestalt herleiten, dass ein ehemaliger Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte alle Anstrengungen unternehmen müsste, um ein möglichst gleichwertiges Arbeitsverhältnis - sowohl in Bezug auf die Arbeitszeit als auch auf die Vergütung - einzugehen. Die Überbrückungsbeihilfe soll gerade einen Anreiz dafür darstellen, dass der Arbeitnehmer eine anderweitige Beschäftigung aufnimmt und dadurch wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert wird. Durch die Überbrückungsbeihilfe soll der Lebensunterhalt älterer, langjährig beschäftigter Arbeitnehmer, die betriebsbedingt entlassen worden sind, gesichert werden. Nachteile, die sich aus einem geringeren Arbeitsverdienst in einem neuen Arbeitsverhältnis oder aufgrund von Arbeitslosigkeit ergeben, sollen überbrückt werden. Zugleich soll ein Anreiz dafür geschaffen werden, dass der Arbeitnehmer durch Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte im Arbeitsprozess bleibt. Dieser Anreiz soll auch bestehen, wenn der Arbeitnehmer dafür eine Vergütung erhält, die den bei den Stationierungsstreitkräften erzielten Verdienst oder sogar das Arbeitslosengeld unterschreitet (so ausdrücklich BAG 22.09.2016 - 6 AZR 397/15 - Rn. 15 mwN).

69

Im Hinblick auf diese Anreizfunktion kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, dass er mit dem von ihm eingegangenen Teilzeitarbeitsverhältnis den Erhalt von Überbrückungsbeihilfe bezweckt. Er ist auch nicht verpflichtet, über die tariflich vorgeschriebene Mindestarbeitszeit hinaus eine Vollzeittätigkeit zu übernehmen (so auch LAG Rheinland-Pfalz 11.04.2016 - 3 Sa 310/15; 07.06.2016 - 6 Sa 328/15; 13.06.2016 - 3 Sa 71/16; 18.08.2016 - 2 Sa 91/16; jeweils mwN). Die Tarifvertragsparteien haben sich bewusst für eine Begrenzung auf eine Mindestarbeitszeit, nicht aber für eine Mindesthöhe des anderweitig erzielten Entgelts entschieden. Sie haben die Grenze von 21 Stunden nicht willkürlich gegriffen, sondern sich an der im Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrags geltenden Regelarbeitszeit von 42 Stunden orientiert (siehe BAG 31.07.2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 21). Ausgehend vom Regelungszweck des TV SozSich kam es den Tarifvertragsparteien offenkundig nicht auf ein Mindestmaß an Einkommen und damit eine Minderung der Leistungen des Bundes an. Vielmehr wollten sie sicherstellen, dass Arbeitnehmer mit Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe durch die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit ursprünglich mehr als 50% des Arbeitsvolumens eines Vollzeitbeschäftigten überhaupt eine Erwerbstätigkeit in mehr als geringfügigem Umfang iSd. bei Abschluss des TV SozSich (im Jahr 1971) geltenden § 102 AFG ausüben und sich so wieder in den Arbeitsmarkt eingliedern (so ausdrücklich BAG 31.07.2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 21 mwN).

70

d) Der Anspruch des Klägers auf die Überbrückungsbeihilfe entfällt auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB).

71

aa) Darin, dass der Kläger seine Rechte aus dem TV SozSich voll ausschöpft, kann für sich allein kein Rechtsmissbrauch gesehen werden. Wie oben bereits ausgeführt, genügt nach den tariflichen Bestimmungen eine anderweitige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mehr als 21 Wochenstunden, um die Überbrückungsbeihilfe beanspruchen zu können. Entgegen der Ansicht der Berufung kann der Missbrauchseinwand deshalb nicht allein damit begründet werden, dass der Kläger ein Arbeitsverhältnis mit nur 22 Wochenstunden und einem Monatsverdienst von nur € 990,00 eingegangen ist. Dass diese Möglichkeit besteht, war der Beklagten bereits bei Abschluss des Tarifvertrags im Jahr 1971 - spätestens seit der Entscheidung des BAG vom 22.12.1994 (6 AZR 337/94) - bekannt, ohne dass sie hieraus Folgerungen gezogen hat. Es hätte nahegelegen, den Tarifvertrag zu kündigen und mit den tarifvertragsschließenden Gewerkschaften (ua. ver.di, IG Metall) in Verhandlungen einzutreten, um die angestrebte Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen für die ehemaligen Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte zu erreichen. Dies ist nicht geschehen.

72

Die moralisierende Erwägung der Beklagten, es sei nicht gerechtfertigt, dass der Kläger mit dem geringstmöglichen Arbeitsaufwand ein Maximum an Steuergeldern beanspruchen könne, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Es ist noch kein Rechtsmissbrauch, wenn ein Berechtigter die Interessen des Verpflichteten unberücksichtigt lässt. Haben sich die Tarifvertragsparteien - wie hier - bewusst für eine Begrenzung auf eine Mindestarbeitszeit, nicht aber für eine Mindesthöhe des anderweitig erzielten Entgelts entschieden (vgl. BAG 31.07.2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 21), darf diese Rechtslage nicht über § 242 BGB zu Lasten der Arbeitnehmer verschärft werden. Dies würde bedeuten, sich über den klar erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien hinwegzusetzen.

73

Das Vorbringen der Beklagten läuft letztlich darauf hinaus, über den Einwand des Rechtsmissbrauchs allgemein anspruchsverschärfende Tatbestandsmerkmale für die Geltendmachung der tarifvertraglichen Überbrückungsbeihilfe aufzustellen, die die Tarifvertragsparteien nicht normiert haben. Eine Auslegung des TV SozSich im Sinne der Beklagten wäre ein unzulässiger Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG). Hierdurch würden entgegen dem Willen der Tarifvertragsparteien ergänzende tarifvertragliche Regelungen geschaffen (st. Rspr., vgl. zB BAG 17.10.2012 - 10 AZR 716/11 - Rn. 27 mwN; so ausdrücklich auch LAG Rheinland-Pfalz 13.06.2016 - 3 Sa 71/16 - Rn. 108).

74

bb) Auch nach den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls kann dem Kläger kein Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden. Im Streitfall kann insbesondere nicht angenommen werden, dass der Wert der Arbeitsleistung des Klägers im Handwerksbetrieb des Zeugen E. in einem auffälligen Missverhältnis zu der hierfür gezahlten Vergütung stand. Der Zeuge E. hat bei seiner Vernehmung nachvollziehbar geschildert, dass er den Kläger wegen seiner Behinderung an der rechten Hand nicht als Schlosser beschäftigt hat. Den ab 01.01.2015 geltenden Mindestlohn im Elektrohandwerk von € 10,10 brutto hat der Zeuge - auf den unzutreffenden Hinweis der Beklagten - gezahlt, obwohl der Kläger unstreitig keine elektro- und informationstechnischen Tätigkeiten verrichtet hat.

75

Dass der Kläger einen Lohn vereinbart hätte, der unter der üblichen Vergütung für Hilfsarbeiter liegt, obwohl ihm Angebote mit höherer Vergütung vorgelegen hätten, hat die Beklagte nicht unter Benennung konkreter Stellen dargelegt. Das bloße Zurückgreifen auf allgemein von der Arbeitsverwaltung als offen gemeldete Stellen genügt nicht, um den Einwand des Rechtsmissbrauchs zu begründen (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 11.04.2016 - 3 Sa 310/15; 07.06.2016 - 6 Sa 328/15; 13.06.2016 - 3 Sa 71/16; 18.08.2016 - 2 Sa 91/16).

76

Der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Beklagte behauptet, der Kläger habe seine Schlosserei, die er erlaubtermaßen neben seinem Arbeitsverhältnis mit den US-Stationierungsstreitkräften geführt hat, nicht im März 2012 aus gesundheitlichen Gründen stillgelegt. Der bloße Hinweis auf Eintragungen und Bilder, die im Internet veröffentlicht und von der Beklagten über Suchmaschinen gefunden worden sind, spricht nicht gegen die vom Kläger behauptete Stilllegung. Da Einträge im Internet nicht von selbst verschwinden und nicht ohne weiteres getilgt werden können, lässt die bloße Netzpräsenz noch keinen Rückschluss darauf zu, dass der Kläger neben seinem Arbeitsverhältnis mit dem Zeugen E. im hier maßgeblichen Zeitraum vom 01.05. bis 31.10.2015 noch einem selbstständigen Nebenerwerb nachgegangen ist. Selbst wenn der Kläger den Schlüsseldienst als Nebenerwerb noch betreiben oder - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer thematisiert hat - seine Ehefrau in der Quelle-Agentur unterstützen sollte, sind dies keine Umstände, die den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers erlauben. Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit sind nicht auf die Überbrückungsbeihilfe anzurechnen (so ausdrücklich BAG 01.10.1998 - 6 AZR 228/97 - Rn. 50). Selbst wenn der Kläger einen selbständigen Nebenerwerb aufrechterhalten haben sollte, den er unstreitig bereits während des Arbeitsverhältnisses mit den US-Stationierungsstreitkräften ausgeübt hat, läge kein Rechtsmissbrauch vor. Typische Gefälligkeiten unter Ehegatten oder schlichte familiäre Hilfeleistungen sind der Privatsphäre zuzurechnen; von der Entgeltlichkeit derartiger Dienste kann regelmäßig nicht ausgegangen werden. Der Kläger verhält sich deshalb nicht treuwidrig, wenn er in seiner Freizeit seine Ehefrau unterstützt. Er muss sich nicht entgegenhalten lassen, er habe gegenüber seiner Ehefrau auf Arbeitsentgelt verzichtet (vgl. BSG 06.11.1997 - 11 RAr 39/97 - Rn. 16). Der Verzicht setzte einen Anspruch auf Arbeitsentgelt voraus, für den eine Grundlage nicht ersichtlich ist.

77

e) Ob das Verhalten der Beklagten rechtsmissbräuchlich ist, wie die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz in der Entscheidung vom 13.06.2016 (3 Sa 71/16 - Rn. 109) angenommen hat, kann hier dahinstehen. Jedenfalls lässt sich dem Vorbringen der Beklagten auch im Streitfall nicht entnehmen, dass sie - und zwar bezogen auf den Kläger - irgendwelche Aktivitäten iSd. § 3 Ziff. 3 TV SozSich entfaltet hätte, um ihm im Umland von W. eine Tätigkeit als Schlossermeister im Bundesdienst oder allgemein im öffentlichen Dienst zu einer Vergütung von knapp € 3.700,00 brutto zu besorgen.

III.

78

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

79

Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Tenor

1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. April 2016 - 3 Sa 310/15 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 34.929,60 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

I. Die Grundsatzbeschwerde (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) ist unbegründet.

3

1. Die von der Beschwerde unter C I 1 a, b, c, e, f, i, l, m, q und s aufgeworfenen Rechtsfragen haben bereits deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie geklärt sind.

4

a) Eine Frage ist nur dann klärungsbedürftig, wenn sie entweder noch nicht höchstrichterlich entschieden ist oder zwar entschieden ist, aber gewichtige Gesichtspunkte gegen diese Entscheidung vorgebracht werden. Klärungsbedürftigkeit setzt damit voraus, dass die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage zweifelhaft ist (BVerfG 4. November 2008 - 1 BvR 2587/06 - Rn. 19; BAG 13. Juni 2006 - 9 AZN 226/06 - Rn. 7, BAGE 118, 247).

5

b) Die Beantwortung der og., von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen ist nicht zweifelhaft.

6

aa) Die Rechtsfragen unter C I 1 a, b, i und s betreffen in unterschiedlicher Formulierung die Frage, welche Bedeutung die in § 3 Ziff. 2 TV SozSich normierte Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitsuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden, für einen nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich geforderten Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe hat. Durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist geklärt, dass Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich bereits dann zusteht, wenn der Arbeitnehmer eine Beschäftigung von mehr als 21 Stunden ausübt, sofern kein Scheinarbeitsverhältnis vorliegt. Weitere Voraussetzungen für diesen Anspruch sind tariflich nicht normiert. Damit ist zugleich geklärt, dass der Arbeitnehmer, der eine anspruchsauslösende Beschäftigung ausübt, sich nicht noch zusätzlich arbeitsuchend bzw. arbeitslos melden muss, um den Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich zu erlangen. Dies ist zudem offenkundig.

7

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Überbrückungsbeihilfe eine steuerfinanzierte soziale Sonderleistung. Mit ihr sollen Nachteile, die sich aus einem geringeren Arbeitsverdienst in einem neuen Arbeitsverhältnis außerhalb der Stationierungsstreitkräfte oder aufgrund von Arbeitslosigkeit ergeben, überbrückt werden. Zugleich soll ein Anreiz dafür geschaffen werden, dass der Arbeitnehmer durch die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte im Arbeitsprozess verbleibt (zuletzt BAG 22. September 2016 - 6 AZR 397/15 - Rn. 15). Der Senat hat weiter wiederholt und noch in jüngster Vergangenheit entschieden, dass sich die Anreizwirkung des § 4 TV SozSich vor allem durch die Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich entfaltet. Diese hält den Arbeitnehmer dazu an, im tariflich festgelegten Mindestbeschäftigungsumfang von mehr als 21 Stunden zu arbeiten. Der Senat hat dabei klargestellt, dass sich die Tarifvertragsparteien bewusst für eine Begrenzung auf eine Mindestarbeitszeit, nicht aber für eine Mindesthöhe des anderweitigen Entgelts entschieden haben. Ihnen kam es offenkundig nicht darauf an, sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer ein Mindestmaß an Einkommen erzielt, um so die Leistungen des Bundes zu mindern. Sie wollten lediglich erreichen, dass der Arbeitnehmer eine Erwerbstätigkeit in einem Umfang ausübte, mit dem er nicht mehr als arbeitslos galt, und sich so wieder in den Arbeitsmarkt eingliederte; zugleich wollten sie eine Abgrenzung von dem Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe als Aufstockung zu den Leistungen der Arbeitsverwaltung bei Arbeitslosigkeit gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich vornehmen. Der Senat hat außerdem ausdrücklich klargestellt, dass weitere Voraussetzungen für den Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich nicht bestehen und die Tarifvertragsparteien zwar das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs erkannt haben, sie gleichwohl aber die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur an eine Mindestarbeitszeit, nicht aber an einen Mindestlohn geknüpft haben. Schließlich hat er deutlich gemacht, dass die Gerichte an diese von der Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien geschützte Entscheidung gebunden sind (BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 21 f.; 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - zu II 1 und 2 der Gründe).

8

(2) Entgegen der auf S. 39 und S. 43 f. der Beschwerdebegründung geäußerten Ansicht der Beklagten beziehen sich vorstehend zusammengefasste Aussagen des Senats nicht nur auf die „Qualität der anderweitigen Tätigkeit“, ohne andere Anspruchsvoraussetzungen zu klären. Sie enthalten vielmehr fallübergreifende und nach wie vor gültige Aussagen zum Bedeutungsgehalt der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich und zu den sich daraus ergebenden Anforderungen an eine Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte, die einen Anspruch des früheren Arbeitnehmers der Stationierungsstreitkräfte auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich auslöst.

9

(3) Durch diese Rechtsprechung ist geklärt, jedenfalls aber offenkundig, dass die den zu C I 1 a, b, i und s formulierten Fragen zugrunde liegende Annahme der Beklagten nicht zutrifft, aus § 3 Ziff. 2 TV SozSich lasse sich als weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich die Verpflichtung des Arbeitnehmers entnehmen, sich arbeitsuchend zu melden.

10

(a) Die Beklagte nimmt dabei bereits den Wortlaut des § 3 Ziff. 2 TV SozSich nicht zur Kenntnis. Danach hat sich der Arbeitnehmer nach der Kündigung arbeitsuchend, nach der Entlassung aber arbeitslos zu melden. Die von der Beklagten der tariflichen Regelung entnommene Verpflichtung, sich noch nach der Entlassung, dh. nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG 15. Dezember 2016 - 6 AZR 478/15 -; 20. Mai 1999 - 6 AZR 601/97 - zu II 1 a der Gründe) „arbeitsuchend“ zu melden, besteht schon nach dem unzweideutigen Tarifwortlaut des § 3 Ziff. 2 TV SozSich nicht.

11

(b) Darüber hinaus ist durch die Rechtsprechung des Senats sowie des Bundessozialgerichts geklärt, dass ein Arbeitnehmer, der eine Beschäftigung im vom TV SozSich verlangten Mindestumfang von mehr als 21 Stunden ausübt, nicht arbeitslos ist und sich darum auch nicht mehr gemäß § 3 Ziff. 2 TV SozSich nach seiner Entlassung arbeitslos melden kann. Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer gemäß § 138 Abs. 1 SGB III nur dann, wenn er beschäftigungslos ist (Nr. 1), sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Nr. 2), und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Nr. 3). Aus § 138 Abs. 1 Nr. 1 iVm. Abs. 3 Satz 1 SGB III folgt im Umkehrschluss, dass eine Erwerbstätigkeit von 15 Stunden wöchentlich und mehr die Beschäftigungslosigkeit ausschließt (BSG 3. Dezember 2009 - B 11 AL 28/08 R - Rn. 11 zur Vorgängerbestimmung § 119 Abs. 3 Satz 1 SGB III aF; vgl. auch BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 24). Ein Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis mit einer vereinbarten Arbeitszeit von mehr als 21 Stunden ist darum nicht arbeitslos.

12

(c) Vor diesem höchstrichterlich entschiedenen sozialversicherungsrechtlichen Hintergrund ist geklärt, jedenfalls aber offenkundig, dass der Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich nicht davon abhängt, dass der Arbeitnehmer sich gemäß § 3 Ziff. 2 TV SozSich nach der Kündigung arbeitsuchend und nach seiner Entlassung arbeitslos meldet. Daraus folgt zugleich, dass das von der Beschwerde auf S. 109 der Beschwerdebegründung aufgeworfene Gleichheitsproblem nicht besteht. Entgegen den Ausführungen auf S. 58 f. der Beschwerdebegründung folgt aus dem weit gefassten Zumutbarkeitsbegriff des § 2 Ziff. 3 Satz 2 TV SozSich iVm. § 1 Ziff. 3 ff. KSch TV und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt 17. März 2016 - 6 AZR 92/15 - Rn. 18 f.) nichts anderes. Diese Bestimmungen sollen so weit als möglich sicherstellen, dass Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz gerade nicht verlieren. Darum sollen sie eher weiter entfernt tätig werden müssen, als aus dem Arbeitsprozess ausscheiden (BAG 17. März 2016 - 6 AZR 92/15 - Rn. 19). Dagegen soll der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe den Besitzstand der Arbeitnehmer sichern, die gleichwohl ihren Arbeitsplatz verloren haben. Dieser unterschiedliche Bedeutungsgehalt ist offenkundig und bedarf daher keiner Klärung durch die Zulassung der Revision.

13

(d) § 3 Ziff. 2 TV SozSich hat damit nur Bedeutung für den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich. Dies hat im Übrigen die Beklagte in der Ausgangsfassung ihrer Erläuterungen und Verfahrensrichtlinien zur Durchführung des TV SozSich als Anlage zum Schreiben des BMWF vom 31. August 1971 (- F/Z B 5 - P 2300 - 36/71 -) selbst so verstanden. Darin heißt es zu § 3 Ziff. 2:

        

„Die Meldung des entlassenen Arbeitnehmers beim Arbeitsamt und seine Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung sind Voraussetzung zur Erlangung der Leistungen nach dem AFG; sie sind insoweit auch Voraussetzung eines Anspruchs auf Überbrückungsbeihilfe zu diesen Leistungen.

        

…“    

14

bb) Auch die von der Beschwerde unter C I 1 c, f, l und m aufgeworfenen Rechtsfragen, die in unterschiedlich formulierter Weise die Frage betreffen, wann das außerhalb der Stationierungsstreitkräfte begründete Arbeitsverhältnis rechtsmissbräuchlich gestaltet ist, so dass kein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich besteht, sind geklärt.

15

(1) Durch die in Rn. 7 dieses Beschlusses genannten Entscheidungen ist geklärt, dass sich die Anreizwirkung des § 4 TV SozSich vor allem durch den Mindestbeschäftigungsumfang entfaltet, der sich aus der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich ergibt. Die Beklagte mag diese Anreizwirkung für zu schwach ausgeprägt halten, sie übersieht jedoch bei ihren Ausführungen, insbesondere auf S. 17 bis S. 23 der Beschwerdebegründung, dass der Tarifvertrag weitere Anreize unzweideutig nicht schafft. Die Gleichwertigkeit zwischen dem neuen Arbeitsplatz und dem bei den Stationierungsstreitkräften weggefallenen Arbeitsplatz steht entgegen der von der Beschwerde auf S. 19 vertretenen Auffassung gerade nicht im Vordergrund. Die Tarifvertragsparteien haben lediglich einen Mindestbeschäftigungsumfang festgelegt, ohne ein bestimmtes Entgelt oder ein bestimmtes Beschäftigungsniveau zu verlangen. Sie wollten nicht sicherstellen, dass der Arbeitnehmer ein Mindestmaß an Einkommen erzielt, um so die Leistungen des Bundes zu mindern (BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 22).

16

(2) Die von der Beschwerde auf S. 63 der Begründung zitierte Passage aus der Entscheidung des Senats vom 31. Juli 2014 (- 6 AZR 993/12 - Rn. 24) ist aus dem Zusammenhang gerissen. Ihr lässt sich, anders als die Beschwerde annimmt, keineswegs entnehmen, dass der Vorgang der Wiedereingliederung „verschiedene Ausbaustufen“ haben kann und es verschiedenartige Tätigkeiten gebe, die das Ziel der Wiedereingliederung in unterschiedlichen Maßen verwirklichten. Die von der Beschwerde herangezogene Passage bezieht sich vielmehr unzweideutig nur auf die Frage, ob die Differenzierung zwischen Teilzeitbeschäftigten, die mehr oder weniger als 21 Stunden wöchentlich arbeiten, im Hinblick auf die seit Abschluss des TV SozSich im Jahre 1971 eingetretenen Änderungen im Sozialversicherungsrecht weiterhin gerechtfertigt ist. Wäre das vom Senat verneint worden, hätte dies nicht „verschiedene Ausbaustufen der Wiedereingliederung“, sondern unter Umständen die Unwirksamkeit der von der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich geforderten Mindestbeschäftigungsdauer zur Folge gehabt, so dass jede noch so geringfügige Beschäftigung den Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich auslösen würde.

17

(3) Der Hinweis auf S. 20 der Beschwerdebegründung auf die „amtlichen Erläuterungen zum TV SozSich“ begründet ebenso wenig einen Klärungsbedarf wie der Hinweis auf das auf S. 40 f. der Beschwerdebegründung zitierte Bulletin sowie auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung, auf das sich die Beschwerde ua. auf S. 41 und S. 56 der Beschwerdebegründung stützt. Einseitige Auslegungen der Beklagten als Tarifvertragspartei sind wie die Rundschreiben einer Tarifvertragspartei kein Hilfsmittel der Auslegung für tarifliche Normen, wenn ihr Inhalt in diesen wie vorliegend keinen Ausdruck findet (vgl. BAG 23. September 2010 - 6 AZR 338/09 - Rn. 18, BAGE 135, 318). Das gilt erst recht, wenn sich der Hinweis, auf den sich die Beschwerde auf S. 20 der Beschwerdebegründung im zweiten Absatz stützt, lediglich aus einem von der Beklagten erstellten Merkblatt ergibt. Der in diesem Merkblatt zum Ausdruck kommende, von den wirtschaftlichen Interessen der Beklagten getragene Wunsch hat im Tarifvertrag keinen Niederschlag gefunden.

18

(4) Bei ihren Ausführungen auf S. 21 bis S. 23 der Beschwerdebegründung, dass die Tarifvertragsparteien bei der Festlegung der Mindestbeschäftigungsdauer von den Gegebenheiten und Auffassungen der frühen 70er Jahre ausgegangen seien, übersieht die Beklagte, dass die Tarifvertragsparteien die von der Klägerin in Anspruch genommene Gestaltungsmöglichkeit auch schon im Jahr 1971 bei Abschluss des Tarifvertrags hätten unterbinden können, aber nicht unterbunden haben, sondern nur einen Mindestbeschäftigungsumfang von mehr als 21 Stunden verlangt haben.

19

(5) Die von der Beschwerde auf S. 47 der Begründung herangezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Juni 2006 (- 9 AZR 229/05 - BAGE 118, 252) betrifft die gänzlich andersgelagerte Frage der Anforderungen an eine stufenweise Wiedereingliederung eines Arbeitnehmers in das Erwerbsleben nach § 28 SGB IX. Die Ausführungen aus der Entscheidung vom 13. Juni 2006 können für die Frage, ob eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt im Sinne des TV SozSich vorliegt, nicht herangezogen werden und deshalb einen Klärungsbedarf ebenfalls nicht begründen.

20

(6) Die Beschwerde übersieht bei ihrer auf die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit der arbeitsrechtlichen Ausgestaltung der Arbeitsverträge, die von den Stationierungsstreitkräften entlassene Arbeitnehmer schließen, zielenden Argumentation, dass in der Ausnutzung rechtlich eröffneter Gestaltungsmöglichkeiten keine unzulässige Umgehung von Rechtsnormen liegt (BAG 27. November 2008 - 6 AZR 632/08 - Rn. 28 f., BAGE 128, 317). Arbeitnehmer, die Arbeitsverträge mit einer Beschäftigungsdauer von mehr als 21 Stunden schließen, nutzen - anders als ein zuvor arbeitsloser Arbeitnehmer, der im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit seiner Rentenberechtigung ein Arbeitsverhältnis begründet, um sich weiterhin den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu sichern - lediglich tariflich eröffnete Gestaltungsmöglichkeiten, die ihnen von den Tarifvertragsparteien eingeräumt worden sind (vgl. zur nicht eröffneten Gestaltungsmöglichkeit bei Wegfall der Anspruchsgrundlage nach § 4 Ziff. 1 TV SozSich BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 383/12 - Rn. 14 f.). Ein Rechtsmissbrauch liegt darum entgegen der Ansicht der Beschwerdebegründung nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer weniger Wochenstunden arbeitet als zuvor bei den Stationierungsstreitkräften oder der Arbeitnehmer unterhalb seines Qualifikationsniveaus bzw. seiner Berufserfahrung arbeitet. Insbesondere liegt eine Rechtsmissbräuchlichkeit nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer „punktgenau“ die tarifliche Mindestbeschäftigungsdauer vereinbart.

21

cc) Die von der Beschwerde unter C I 1 e formulierte Frage zur Erreichung des Ziels der Eingliederung in den Arbeitsprozess iSv. § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich ist durch die Entscheidungen des Senats vom 31. Juli 2014 (- 6 AZR 993/12 - Rn. 22 f.) sowie vom 22. Dezember 1994 (- 6 AZR 337/94 -) aus vorstehend genannten Gründen geklärt.

22

dd) Auch die unter C I 1 q aufgeworfene Rechtsfrage zur Beweislast für ein rechtsmissbräuchliches Arbeitsverhältnis ist nicht klärungsbedürftig. Diese Beweislast richtet sich nach den allgemeinen Beweislastverteilungsgrundsätzen. Wer sich auf ein Scheingeschäft beruft, trägt dafür die Beweislast. Das gilt auch für die Behauptung, bei einem Arbeitsvertrag handele es sich um ein Scheingeschäft (BAG 18. September 2014 - 6 AZR 145/13 - Rn. 23). Nach dem allgemeinen Grundsatz, dass derjenige die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt, wer den Anspruch erhebt, ist derjenige, der sich auf einen Rechtsmissbrauch oder die Sittenwidrigkeit beruft, für das Vorliegen von Umständen, die eine solche Einschätzung rechtfertigen, darlegungs- und beweispflichtig (vgl. BAG 27. Juni 2012 - 5 AZR 496/11 - Rn. 13). Nichts anderes gilt für die Frage der Sittenwidrigkeit oder Rechtsmissbräuchlichkeit eines von einem ehemaligen Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte begründeten Arbeitsverhältnisses (BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - zu II 3 der Gründe).

23

c) Die Tatsache, dass die unter I 1 b dieses Beschlusses erörterten Rechtsfragen geklärt sind, wird dadurch bestätigt, dass die Erwägung der Beklagten zu der von ihr für richtig gehaltenen Auslegung des TV SozSich weit überwiegend dem tarifpolitischen Bereich oder anderen, mit dem TV SozSich nicht vergleichbaren Regelungen entnommen sind. Sie betreffen eine aus Sicht der Beklagten verfehlte Anreizwirkung, die den Arbeitnehmer, wie sie auf S. 48 der Beschwerdebegründung ausführt, „ermunterten“, sich auf ihre Kosten „auszuruhen“. Dass die vorstehend wiedergegebene Rechtsprechung außer von ihr noch von Gerichten oder im Schrifttum in Zweifel gezogen wird, legt sie dagegen nicht dar. Die Beklagte will lediglich ihre Interpretation vom Begriff der Überbrückungsbeihilfe, wie sie sie auf S. 66 ff. entwickelt, und den sich daraus ergebenden Anspruchsvoraussetzungen für eine solche Zahlung an die Stelle der tariflichen Ausgestaltung dieser steuerfinanzierten Sonderzahlung in ihrer Interpretation durch den Senat setzen. Ihr Ziel eines Tarifinhalts, der ihre wirtschaftlichen Interessen besser berücksichtigt, kann sie jedoch nicht durch den Einwand erreichen, der langjährige Bezug von Überbrückungsbeihilfe in Fällen wie denen der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich, sondern nur durch Tarifvertragsverhandlungen. Darum stellt sich die auf S. 30 der Beschwerdebegründung im dritten Absatz angesprochene Frage nicht.

24

2. Die unter C I 1 d, o und p aufgeworfenen Fragen, die die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auf S. 28 f., eher im Gegenteil sei davon auszugehen, dass das Verhalten der Beklagten widersprüchlich sei, betreffen, sind nicht entscheidungserheblich. Diese Überlegungen sind nicht tragend, sondern vom Landesarbeitsgericht lediglich ergänzend angestellt worden. Entgegen der auf S. 38 der Beschwerdebegründung geäußerten Auffassung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht dadurch nicht die an die Klägerin zu stellenden Anforderungen relativiert. Auf die auf S. 51 f. der Begründung angesprochene Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Tätigwerden der Beklagten zu verlangen ist, kommt es darum nicht an.

25

3. Auch die unter C I 1 g, h, j und k sowie r formulierten Rechtsfragen sind nicht entscheidungserheblich. Die Rechtsfragen zu C I 1 g, h, j und k können zudem nur abhängig von den Umständen des Einzelfalls beantwortet werden und sind bereits darum nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

26

a) Die unter C I 1 g und h formulierten Fragen sind nicht entscheidungserheblich. Das Landesarbeitsgericht hat es entgegen der auf S. 42 der Beschwerdebegründung dargelegten Annahme der Beklagten nicht für das Vorliegen der tariflich erforderlichen Stundenzahl bzw. arbeitsvertraglichen Leistungen ausreichen lassen, dass der Arbeitgeber vermute, dass derartige Leistungen erbracht werden. Das Landesarbeitsgericht hat lediglich nicht beanstandet, dass der Zeuge nicht minuziös angeben konnte, wie viele Stunden die Klägerin an welchen Tagen tatsächlich gearbeitet habe.

27

b) Den unter C I 1 j und k formulierten Rechtsfragen fehlt ebenfalls die Entscheidungserheblichkeit. Das Landesarbeitsgericht hat entgegen der auf S. 45 der Beschwerdebegründung geäußerten Annahme der Beklagten nicht die Prüfung eines Rechtsmissbrauchs immer dann abgelehnt, wenn Rechtsmissbrauch nicht tatbestandlich erwähnt wird. Es ist auf S. 27 der anzufechtenden Entscheidung, anders als die Beklagte auf S. 46 der Beschwerdebegründung annimmt, auch nicht davon ausgegangen, es liege eine bewusste Regelungslücke vor. Aus der Gesamtschau der Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auf S. 26 unten bis S. 28 oben ergibt sich vielmehr, dass es die Möglichkeit einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme der Überbrückungsbeihilfe nicht generell ausgeschlossen und auch keine diesbezügliche Regelungslücke im TV SozSich angenommen hat. Es hat lediglich einzelfallbezogen - und rechtlich zutreffend - ausgeführt, dass aufgrund der tarifvertraglichen Ausgestaltung des Anspruchs auf die Überbrückungsbeihilfe die von der Beklagten angeführten tatsächlichen Umstände, namentlich die „unterwertige“ Tätigkeit sowie die Nichtteilnahme an Lohnerhöhungen, eine Sittenwidrigkeit bzw. einen Rechtsmissbrauch nicht begründen könnten. Das zeigt der Schlusssatz auf S. 27 unten/S. 28 oben, wonach es „insgesamt“ nicht zu beanstanden sei, wenn ein Arbeitnehmer sich auf ein Teilzeitarbeitsverhältnis mit mehr als 21 Wochenarbeitsstunden einlasse, um die tarifvertraglichen Voraussetzungen für die Überbrückungsbeihilfe zu erfüllen, so dass der Klägerin „insoweit“ ein rechtlich erheblicher Vorwurf nicht gemacht werden könne.

28

c) Die unter C I 1 r formulierte Rechtsfrage ist nicht entscheidungserheblich. Mit der Frage, ob ein sittenwidriges bzw. rechtsmissbräuchliches Arbeitsverhältnis zum vollkommenen Wegfall der Überbrückungsbeihilfe führt, hat sich das Landesarbeitsgericht, wie die Beschwerde auf S. 54 der Begründung erkennt, nicht befasst. Ausgehend von seinem Lösungsansatz musste es auf diese Rechtsfrage nicht eingehen. Die Beschwerde legt nicht dar, inwieweit die aufgeworfene Frage gleichwohl entscheidungserheblich ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt zu dieser Frage keinen allgemeinen Rechtssatz aufgestellt, so dass das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Handhabung des Rechts nicht berührt ist und die Entscheidung insoweit auch deshalb keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. BVerfG 25. März 2010 - 1 BvR 882/09 - Rn. 19, BVerfGK 17, 196).

29

4. Unter C I 1 n zeigt die Beschwerde keine klärungsbedürftige Rechtsfrage auf, sondern bittet um eine Interpretation der Entscheidung des Senats vom 22. Dezember 1994 (- 6 AZR 337/94 -).

30

II. Auch die Divergenzbeschwerde (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG) ist unbegründet.

31

1. Die unter C II 1 a, 2 a und 3 a angenommene Divergenz zwischen der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und der Rechtsprechung des Senats hinsichtlich der Frage, ob weitere Anforderungen als die anderweitige Beschäftigung an den Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich zu stellen sind, liegt nicht vor.

32

a) Das Landesarbeitsgericht hat den von der Beschwerde auf S. 96 gebildeten und auf S. 99 modifizierten abstrakten Rechtssatz nicht aufgestellt. Die Beschwerde will aus den dort genannten Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ableiten, dass dieses den abstrakten Obersatz aufgestellt habe, dass alle übrigen Voraussetzungen des TV SozSich, insbesondere das in § 3 normierte Erfordernis der Arbeitsuchendmeldung, nicht mehr zu prüfen seien und allgemein anspruchseinschränkende Tatbestandsmerkmale für die Geltendmachung des tarifvertraglichen Anspruchs nicht möglich seien(S. 100 f. der Beschwerdebegründung). Ein derartiger Rechtssatz ist jedoch den zitierten Passagen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen. Vielmehr hat das Landesarbeitsgericht auf S. 24 unten in der anzufechtenden Entscheidung ausgeführt, dass die Klägerin weitere tatbestandliche Voraussetzungen „nach Maßgabe der hier anzuwendenden Tarifnorm“ nicht habe einhalten müssen. Daraus folgt, dass sich das Landesarbeitsgericht mit den von der Beschwerde zitierten Passagen lediglich an die von ihm zuvor ausführlich im Wortlaut wiedergegebene Entscheidung des Senats vom 22. Dezember 1994 (- 6 AZR 337/94 -) hat anschließen wollen. Deshalb wären nähere Darlegungen der Beschwerde dazu erforderlich gewesen, dass das Landesarbeitsgericht mit der zitierten Passage nicht lediglich die von ihm in der angeführten Weise verstandene Rechtsprechung des Senats zusammenfassen, sondern einen eigenen, davon abweichenden abstrakten Rechtssatz aufstellen wollte.

33

b) Darüber hinaus hat der Senat mit den auf S. 97 f. der Beschwerdebegründung zitierten Passagen keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, sondern im Tatbestand nur den Tarifwortlaut wiedergegeben sowie das Ergebnis der Entscheidung genannt.

34

2. Die von der Beschwerde unter C II 1 b, 2 b und 3 b angenommene Divergenz zwischen der anzufechtenden Entscheidung und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich der Frage des Rechtsmissbrauchs liegt ebenfalls nicht vor. Wie in Rn. 32 ausgeführt, hat das Landesarbeitsgericht den von der Beschwerde auf S. 97 der Begründung gebildeten Rechtssatz nicht aufgestellt, sondern lediglich einzelfallbezogen einen Rechtsmissbrauch verneint.

35

III. Es liegt auch keine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG).

36

1. Die unter C IV 1 a erhobene Rüge, das Landesarbeitsgericht habe die Klage zu Unrecht als schlüssig angesehen, obwohl die Klägerin nicht einmal behauptet habe, sich arbeitsuchend gemeldet zu haben, betrifft lediglich vermeintliche Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts. Soweit die Beschwerde auf S. 108 der Beschwerdebegründung rügt, das Landesarbeitsgericht habe insoweit keinen Hinweis erteilt, fehlt es am erforderlichen Vortrag, was die Beklagte bei Erteilung des vermissten Hinweises vorgetragen hätte (BAG 14. März 2005 - 1 AZN 1002/04 - BAGE 114, 67), und damit an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit.

37

2. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu den Pflichten der Beklagten sind, wie in Rn. 24 ausgeführt, nicht tragend. Deshalb liegt in der vermeintlichen Verletzung der Hinweispflicht, die die Beschwerde unter C IV 1 b der Beschwerdebegründung rügt, keine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör. Zudem fehlt auch insoweit die Darlegung, was die Beklagte bei Erteilung des vermissten Hinweises konkret vorgetragen hätte. Die pauschalen Ausführungen unter C IV 2 b der Beschwerdebegründung sind nicht ausreichend.

38

3. Auch die unter C IV 1 c der Beschwerdebegründung gerügte Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör durch die Verletzung der richterlichen Fragepflicht durch das Landesarbeitsgericht liegt nicht vor. Wie ausgeführt, trifft bereits die Grundannahme der Beschwerde, das Landesarbeitsgericht habe es ausreichen lassen, dass der Arbeitgeber der Klägerin deren Anwesenheit nur vermutet habe, nicht zu. Zum anderen hat die Beklagte ihrer Pflicht, sich selbst Gehör zu verschaffen, nicht genügt und kann darum einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht geltend machen(BVerfG 18. August 2010 - 1 BvR 3268/07 - Rn. 28, BVerfGK 17, 479; BAG 14. Dezember 2010 - 6 AZN 986/10 - Rn. 25). Die Beklagte behauptet nicht, dass sie die Fragen, die nach ihrer Auffassung das Landesarbeitsgericht an den Zeugen hätte richten müssen, nicht selbst hätte stellen können.

39

IV. Der unter C III der Beschwerdebegründung geltend gemachte absolute Revisionsgrund (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG, § 547 Nr. 1 ZPO) ist nicht ordnungsgemäß dargelegt. Es ist nicht nachvollziehbar, inwieweit die ehrenamtlichen Richter der Spruchkammer nicht ordnungsgemäß zugeordnet worden sein sollen. Gemäß Ziff. II.3.a des der Beschwerdebegründung beiliegenden Geschäftsverteilungsplans des Landesarbeitsgerichts vom 10. Dezember 2014 ergibt sich die Zuteilung der ehrenamtlichen Richter an die einzelnen Kammern „aus den anliegenden Listen“. Diese Listen waren jedoch weder der per Fax noch der per EGPV übermittelten Fassung der Beschwerdebegründung beigefügt. Eine Verletzung des gesetzlichen Richters ist nicht aufgezeigt.

40

V. Der Senat sieht nach § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG von einer weiteren Begründung ab.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel     

        

        

        

    M. Jostes    

        

    Augat     

                 

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 28. Januar 2014 - 2 Sa 50/13 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, an den Kläger eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG zu zahlen.

2

Der 1953 geborene Kläger ist promoviert und als Einzelanwalt in R schwerpunktmäßig in den Bereichen Arbeitsrecht, Arztrecht, Arzthaftungsrecht, Medizinrecht, Erbrecht, Familienrecht, Forderungsbeitreibung, Mietrecht, Strafrecht und Zivilrecht tätig. In den Jahren 1979 und 1983 absolvierte er die beiden juristischen Staatsprüfungen in Baden-Württemberg und erzielte dabei jeweils die Note befriedigend (7 Punkte).

3

Die Beklagte zu 1. ist eine im Jahr 2009 gegründete Partnerschaft von Rechtsanwälten in H, die Beklagten zu 2. bis 4. sind die hierin verbundenen Partner. Die Kanzlei ist auf das öffentliche Wirtschaftsrecht, das Bau- und Immobilienrecht, PPP-Projekte sowie das Vergaberecht spezialisiert. Alle bei den Beklagten angestellten Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen haben die beiden juristischen Staatsexamina mit Abschlussnoten von jeweils mindestens 9 Punkten (vollbefriedigend) bestanden.

4

Im November 2012 veröffentlichte die Beklagte zu 1. in der Neuen Juristischen Wochenschrift (im Folgenden NJW) eine Stellenanzeige, die auszugsweise den folgenden Inhalt hat:

        

„…      

        

Zur Verstärkung unseres Teams suchen wir einen Rechtsanwalt (m/w) mit 0 - 2 Jahren Berufserfahrung für die Bereiche

        

•       

Immobilienwirtschaftsrecht, Baurecht, Projektentwicklungen

        

•       

Öffentliches Wirtschaftsrecht, Vergaberecht, PPP

        

Wir bieten Ihnen erstklassige Arbeitsbedingungen in einem professionellen Umfeld und eine langfristige Perspektive in einem jungen und dynamischen Team. Sie werden in einem fundierten und praxisorientierten Aus-/Weiterbildungsprogramm weiter qualifiziert und spezialisiert. In die Bearbeitung bedeutender Mandate werden Sie von Anfang an verantwortlich einbezogen.

        

Wir erwarten von Ihnen Persönlichkeit, Teamgeist, Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen und eine erstklassige juristische Qualifikation. Bewerber(innen) mit Berufserfahrung haben idealerweise in einer wirtschaftsberatenden Sozietät in einem der Bereiche Öffentliches Recht oder Immobilienwirtschaftsrecht gearbeitet.

        

…“    

5

Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 9. November 2012 bei der Beklagten zu 1. auf die ausgeschriebene Stelle. In seinem Anschreiben, dem weitere Bewerbungsunterlagen beigefügt waren, heißt es:

        

„…      

        

ich bewerbe mich auf Ihre Stellenanzeige. Ich bin seit 1988 hier in R als Rechtsanwalt tätig, jedoch örtlich ungebunden. Ich habe, wie aus den beigefügten Bewerbungsunterlagen ersichtlich, zwei Prädikatsexamen und bin darüber hinaus promoviert. Das Wirtschaftsrecht und Immobilienwirtschaftsrecht kenne ich umfänglich aus meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt.

        

Sehr gute Englischkenntnisse sind selbstverständlich.

        

Ich freue mich, demnächst von Ihnen zu hören und bleibe

        

mit freundlichen kollegialen Grüßen

        

…“    

6

Mit Schreiben vom 19. November 2012 teilte die Beklagte zu 1. dem Kläger mit:

        

„…,     

        

vielen Dank für Ihre Bewerbung und das damit verbundene Interesse an einer Beschäftigung in unserer Kanzlei. Ihre Bewerbung zeigt viele gute Qualifikationen.

        

Auf unsere Anzeige haben wir eine Vielzahl von Bewerbungen erhalten. Leider können wir Ihre Bewerbung derzeit nicht berücksichtigen. Ihre Bewerbungsunterlagen übersenden wir Ihnen daher anliegend mit herzlichem Dank zurück.

        

Für Ihre Zukunft und die weitere Suche nach einer beruflichen Herausforderung wünschen wir Ihnen viel Erfolg.

        

…“    

7

Der Kläger machte daraufhin mit einem an die Beklagte zu 1. gerichteten Schreiben vom 26. November 2012 Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz geltend. In diesem Schreiben heißt es:

        

„…,    

        

ich hatte mich mit Schreiben vom 9. November 2012 unter Beifügung von Bewerbungsunterlagen auf die von Ihnen in der NJW 2012 ausgeschriebene Stelle als Rechtsanwalt beworben. Mit Schreiben vom 19. November 2012 haben Sie die Bewerbungsunterlagen an mich zurückgesendet und mitgeteilt, daß Sie meine Bewerbung derzeit nicht berücksichtigen können.

        

Die Behandlung meiner Bewerbung erfolgte ganz offensichtlich unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 AGG. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Arbeitgeber Beschäftigte nicht wegen ihres Alters oder wegen eines anderen in § 1 genannten Grundes benachteiligen. Das gilt auch für Stellenbewerber (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AGG). Daß Sie gegen diese Vorschrift verstoßen haben, belegt bereits ein Blick in die Stellenanzeige, wo ganz offen gesagt wird, man suche einen Rechtsanwalt (m/w) mit ‚0-2 Jahren Berufserfahrung‘ mithin jüngeren Alters.

        

Sie schulden demnach eine Entschädigung und Schadensersatz nach § 15 AGG. Mangels genauer Kenntnis der näheren Umstände und der von Ihnen gezahlten Gehälter etc. können diese Forderungen derzeit nur geschätzt werden. Insoweit fordere ich eine angemessene Entschädigung in Höhe von 10.000,00 EUR und Schadensersatz in Höhe von 50.000,00 EUR. Hinzu kommen meine unten berechneten Rechtsanwaltsgebühren, so daß bis spätestens

        

Montag, den 10. Dezember 2012

        

insgesamt (10.000,00 EUR+50.000,00 EUR

        

+1.761,08 EUR)

        

61.761,08 EUR

        

auf mein Konto bei der S zu zahlen sind andernfalls ich ohne Weiteres Klage erheben werde.

        

Sollte der oben genannte Betrag pünktlich gezahlt werden, werde ich keine weiteren Forderungen mehr geltend machen, was hiermit ausdrücklich versichert wird.

        

Für den Fall der Fristversäumung fordere ich Sie bereits jetzt auf, Auskunft über die eingestellten Bewerber und deren Qualifikation sowie deren Bezahlung zu erteilen.

        

…“    

8

Mit Schreiben vom 6. Dezember 2012 wies die Beklagte zu 1. die Ansprüche des Klägers zurück. Die ausgeschriebene Stelle wurde letztlich nicht besetzt, weil sich das auf dieser Stelle zu bearbeitende Projekt verschob.

9

Mit seiner am 13. Dezember 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst Auskunft über die Jahresvergütung der in der NJW ausgeschriebenen Stelle sowie Entschädigung und Schadensersatz in Höhe der erteilten Auskunft nebst Zinsen begehrt. Seit der Berufungsinstanz verfolgt der Kläger ausschließlich den Antrag auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG weiter. Die auf der ausgeschriebenen Stelle erzielbare Jahresvergütung hat er mit 60.000,00 Euro beziffert.

10

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Ablehnung seiner Bewerbung beruhe auf einer Benachteiligung wegen seines Alters. Mit der Stellenanzeige in der NJW hätten die Beklagten ausdrücklich eine Berufserfahrung von nur „0 - 2 Jahren“ erwartet und die Mitarbeit in einem „jungen und dynamischen Team“ angekündigt. Dieser Umstand begründe die Vermutung, dass er wegen seines Alters benachteiligt worden sei. Die Beklagten hätten weder dargelegt noch bewiesen, dass eine nach dem AGG unzulässige Benachteiligung nicht vorliege. Er sei auch objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet, die er bei diskriminierungsfreier Auswahl hätte erhalten müssen. Seine juristische Qualifikation sei als erstklassig iSd. Stellenanzeige anzusehen. Vor dem Hintergrund seiner Promotion und seiner Berufserfahrung von 30 Berufsjahren komme es nicht in erster Linie auf die von ihm erzielten Examensnoten an, mit denen er sich im Übrigen sogar im oberen Fünftel (1. Staatsexamen) bzw. im oberen Drittel (2. Staatsexamen) aller Absolventen befunden habe. Seinem Entschädigungsanspruch stehe auch nicht der durchgreifende Rechtsmissbrauchseinwand entgegen. Eine Vielzahl erhobener Entschädigungsklagen reiche nicht aus, um den Einwand des Rechtsmissbrauchs zu begründen. Er habe auch zu keinem Zeitpunkt geäußert, dass er sich nur beworben habe, um einen Entschädigungsanspruch geltend machen zu können. In dem Telefonat mit dem Beklagten zu 3. am 27. November 2012 habe er lediglich gesagt, dass es, nachdem seine Bewerbung abgelehnt worden sei, nicht um eine Heilung des Verstoßes gegen das AGG gehen könne.

11

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihm eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

12

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Sie haben die Auffassung vertreten, der Kläger sei schon kein Bewerber iSd. AGG, da er sich nicht ernsthaft auf die ausgeschriebene Stelle beworben habe. Die mangelnde Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung ergebe sich ua. aus einem Bericht in der Zeitschrift J, wonach der Kläger sich in zahlreichen Fällen auf ihm diskriminierend erscheinende Stellenanzeigen beworben und anschließend Entschädigung und Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG eingeklagt habe. Auch habe er im Rahmen eines Telefongesprächs am 27. November 2012 mit dem Beklagten zu 3. geäußert, er habe kein Interesse an einer Mitarbeit in der Kanzlei der Beklagten zu 1., sondern wolle lediglich eine Zahlung. Zudem wirke sich aus, dass der Kläger die ausgeschriebene Stelle auch überhaupt nicht habe antreten können, weil er als Einzelanwalt ein laufendes Dezernat mit laufenden Mandatsverhältnissen nicht kurzfristig habe aufgeben können. Jedenfalls sei die Bewerbung des Klägers rechtsmissbräuchlich erfolgt. Der Kläger sei für die ausgeschriebene Stelle auch objektiv nicht geeignet gewesen. Seine Examensergebnisse belegten nicht die in der Stellenausschreibung geforderte „erstklassige juristische Qualifikation“. Im Übrigen sei die von der Beklagten zu 1. in der NJW veröffentlichte Stellenausschreibung auch nicht diskriminierend. Sie beziehe sich nicht auf das Alter potentieller Bewerber. „0 - 2 Jahre Berufserfahrung“ könnten auch ältere Berufswechsler aufweisen; die Formulierung „in einem jungen und dynamischen Team“ sei ausschließlich im Zusammenhang mit einer Selbstdarstellung der Kanzlei zu sehen.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger hat hiergegen teilweise Berufung eingelegt, soweit das Arbeitsgericht seinen Antrag auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG abgewiesen hat. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Entschädigungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Berufung des Klägers nicht zurückgewiesen werden. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als im Ergebnis zutreffend (§ 561 ZPO). Ob und ggf. in welchem Umfang die zulässige Klage begründet ist, kann vom Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden; den Parteien ist zudem Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

15

A. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden.

16

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG. Zum einen sei der Kläger wegen der nur mit „befriedigend“ bestandenen zwei Staatsexamina für die ausgeschriebene Stelle objektiv nicht geeignet, weshalb es an dem Erfordernis der „vergleichbaren Situation“ iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG fehle. Vergleichbar seien nur Bewerber/innen, die das Anforderungsmerkmal der Stellenausschreibung „erstklassige juristische Qualifikation“ erfüllten. Zudem stehe dem Entschädigungsanspruch des Klägers der durchgreifende Rechtsmissbrauchseinwand entgegen. Der Kläger sei nicht ernsthaft an der Stelle interessiert gewesen, sondern habe sich nur beworben, um eine Entschädigung verlangen zu können. Bereits der Inhalt seines Bewerbungsschreibens spreche für die mangelnde Ernsthaftigkeit der Bewerbung. Das Schreiben enthalte überwiegend formelhafte, nichtssagende Wendungen, mit denen der Kläger nur scheinbar konkret auf die Stellenanzeige und die in Aussicht gestellte Tätigkeit nebst deren Anforderungsprofil eingehe. Zudem lasse sich dem Bewerbungsschreiben nicht entnehmen, was den Kläger gerade an der ausgeschriebenen Tätigkeit interessiere und weshalb er, nachdem er bereits lange Jahre als selbstständiger Rechtsanwalt in R tätig sei, Interesse an einer Berufsausübung in H habe. Gegen die Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung spreche zudem der in dem Artikel der Zeitschrift „J“ geschilderte Sachverhalt, wonach der Kläger sich unabhängig vom Rechtsgebiet, der Kanzlei oder dem Einsatzort stets auf Stellenanzeigen bewerbe, in denen Berufseinsteiger und Berufseinsteigerinnen oder Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen mit erster Berufserfahrung gesucht würden und im Fall der Ablehnung 60.000,00 Euro fordere. Nach den Recherchen der Zeitschrift habe der Kläger allein im Jahr 2013 sechzehn derartige Entschädigungsklagen anhängig gemacht, wobei er in noch weiteren Fällen die Anforderungen an die ausgeschriebene Stelle offensichtlich nicht erfüllt habe. Auch wenn allein eine Vielzahl von Entschädigungsklagen kein Indiz für einen Rechtsmissbrauch darstelle, stelle sich dies anders dar, wenn sich jemand ausschließlich auf Stellen bewerbe, die unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben worden seien. Davon sei im vorliegenden Fall auszugehen, da der Kläger auch nicht dargetan habe, dass er sich entgegen den Angaben in dem in der Zeitschrift „J“ erschienenen Artikel auch noch auf weitere, keinen Anlass für die Annahme einer Diskriminierung bietende Stellenanzeigen beworben habe.

17

II. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

18

1. Das Landesarbeitsgericht durfte die Klage nicht mit der Begründung abweisen, der Kläger sei für die ausgeschriebene Stelle objektiv nicht geeignet, weshalb es an dem Erfordernis der „vergleichbaren Situation“ iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG fehle. Vielmehr befinden sich, soweit es um eine - insbesondere bei einer Einstellung und Beförderung - zu treffende Auswahlentscheidung des Arbeitgebers geht, Personen grundsätzlich bereits dann in einer vergleichbaren Situation, wenn sie sich für dieselbe Stelle beworben haben (vgl. auch BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 29).

19

a) Zwar ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass das Vorliegen einer „vergleichbaren Situation“ bzw. „vergleichbaren Lage“ nicht nur im Rahmen von § 3 Abs. 1 AGG, der die unmittelbare Benachteiligung zum Gegenstand hat, sondern auch im Rahmen von § 3 Abs. 2 AGG, der die mittelbare Benachteiligung definiert, von Bedeutung ist.

20

aa) Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen des Alters. Dabei verbietet § 7 Abs. 1 AGG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen des Alters, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

21

bb) § 3 Abs. 2 AGG enthält nach seinem Wortlaut - anders als dies bei § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG der Fall ist - nicht ausdrücklich das Erfordernis „in einer vergleichbaren Situation“. Da allerdings das Diskriminierungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG der spezifische Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes ist und die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung generell verlangen, dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine derartige Behandlung objektiv gerechtfertigt ist(vgl. ua. EuGH 20. September 2007 - C-116/06 - [Kiiski] Rn. 54, Slg. 2007, I-7643; 26. Juni 2001 - C-381/99 - [Brunnhofer] Rn. 28, Slg. 2001, I-4961), ist auch bei einer mittelbaren Diskriminierung die Frage nach einer „vergleichbaren Situation“ bzw. einer „vergleichbaren Lage“ von Bedeutung (vgl. ua. EuGH 28. Juni 2012 - C-172/11 - [Erny] Rn. 39 - 41; 16. Juli 2009 - C-537/07 - [Gómez-Limón] Rn. 54 - 56, Slg. 2009, I-6525; 12. Oktober 2004 - C-313/02 - [Wippel] Rn. 56 f., Slg. 2004, I-9483).

22

b) Soweit das Landesarbeitsgericht allerdings angenommen hat, vergleichbar sei die Auswahlsituation nur für Bewerber/innen, die gleichermaßen für die zu besetzende Stelle objektiv geeignet seien, was beim Kläger nicht der Fall sei, da dieser wegen der nur mit „befriedigend“ bestandenen Staatsexamina das Anforderungsmerkmal der Stellenausschreibung „erstklassige juristische Qualifikation“ nicht erfülle, hält dies einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

23

aa) Zwar befindet sich eine Person nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats nur dann in einer vergleichbaren Situation, wenn sie für die ausgeschriebene Stelle „objektiv geeignet“ ist (vgl. etwa BAG 23. Januar 2014 - 8 AZR 118/13 - Rn. 18; 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 - Rn. 29; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 20 ff.; 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 28, BAGE 144, 275; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 35; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 26; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 37; ausdrücklich offengelassen neuerdings von BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 21; 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 29). Dies hat der Senat im Wesentlichen damit begründet, dass eine Benachteiligung nur angenommen werden könne, wenn eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet sei, nicht ausgewählt oder nicht in Betracht gezogen worden sei. Könne hingegen auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stehe dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG, das nur vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht aber eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren wolle.

24

bb) An dieser Rechtsprechung hält der Senat allerdings nicht fest.

25

(1) Wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 20. Januar 2016 (- 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.) sowie vom 22. Oktober 2015 (- 8 AZR 384/14 - Rn. 21 ff.) ausgeführt hat, spricht gegen das Erfordernis der „objektiven Eignung“ bereits der Umstand, dass § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG den Entschädigungsanspruch für Personen, die „bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden“ wären, nicht ausschließt, sondern lediglich der Höhe nach begrenzt. Denn auch bei „benachteiligungsfreier Auswahl“ würden die Bewerber nicht eingestellt, denen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle fehlt.

26

(2) Könnte nur ein „objektiv geeigneter“ Bewerber eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG beanspruchen, würde dies auch dazu führen, dass ihm die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung - hier: durch die Richtlinie 2000/78/EG - verliehenen Rechte entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union(ua. EuGH 16. Januar 2014 - C-429/12 - [Pohl] Rn. 23; vgl. auch BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 28) durch einen zu eng gefassten Vergleichsmaßstab praktisch unmöglich gemacht, jedenfalls aber übermäßig erschwert würde.

27

(a) Das Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Anspruchstellers als Kriterium der vergleichbaren Situation bzw. vergleichbaren Lage iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG würde den Entschädigungsprozess mit der schwierigen Abgrenzung der „objektiven Eignung“ von der „individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation“ belasten und dadurch die Wahrnehmung der durch das AGG und die Richtlinie 2000/78/EG verliehenen Rechte erschweren.

28

Insoweit hat der Senat in seiner Rechtsprechung stets ausgeführt, dass maßgeblich für die objektive Eignung nicht allein das formelle Anforderungsprofil sei, welches der Arbeitgeber erstellt habe, sondern dass es insoweit auf die Anforderungen ankomme, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber zulässigerweise stellen dürfe. Der Arbeitgeber dürfe an den/die Bewerber/in keine Anforderungen stellen, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt seien (vgl. etwa BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 21 mwN; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 38; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08  - Rn. 55). Die objektive Eignung sei allerdings zu unterscheiden von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers, die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und Grund iSv. § 1 AGG eine Rolle spiele. Damit werde gewährleistet, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich frei entscheiden könne, wie Art. 12 Abs. 1 GG es gebiete, aber nicht durch das Stellen hierfür nicht erforderlicher Anforderungen an Bewerber die Vergleichbarkeit der Situation selbst gestalten und den Schutz des AGG de facto beseitigen könne. Denn auch Bewerber, welche die auf der zu besetzenden Stelle auszuübenden Tätigkeiten grundsätzlich verrichten könnten, ohne aber jede Voraussetzung des Anforderungsprofils zu erfüllen, bedürften des Schutzes vor Diskriminierung, weil gerade Anforderungsprofile in Stellenanzeigen häufig Qualifikationen benennen, deren Vorhandensein der Arbeitgeber sich für den Idealfall zwar wünsche, die aber keinesfalls zwingende Voraussetzung einer erfolgreichen Bewerbung seien (vgl. etwa BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 39; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 55).

29

(b) Das Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Anspruchstellers als Kriterium der vergleichbaren Situation bzw. vergleichbaren Lage iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG würde die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs aus § 15 Abs. 2 AGG aber auch aus einem anderen Grund übermäßig erschweren.

30

Wie der Senat in seinen Urteilen vom 20. Januar 2016 (- 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.) sowie vom 22. Oktober 2015 (- 8 AZR 384/14 - Rn. 21 ff.) ebenfalls ausgeführt hat, kann die Frage, ob eine „vergleichbare Situation“ bzw. eine „vergleichbare Lage“ iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG vorliegt, nicht ohne Vergleichsbetrachtung beantwortet werden. Denn an einer „vergleichbaren Situation“ oder „vergleichbaren Lage“ würde es - soweit es um die „objektive Eignung“ der/des Bewerberin/Bewerbers geht - nur dann fehlen, wenn diese/r die geforderte „objektive Eignung“ nicht aufweist, während andere Bewerber/innen, jedenfalls aber der/die ausgewählte Bewerber/in objektiv geeignet sind. Das aus dem Merkmal der vergleichbaren Situation abgeleitete Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Bewerbers würde mithin zu einer Verengung des Vergleichsmaßstabs führen. Hierdurch würde die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs aus § 15 Abs. 2 AGG übermäßig erschwert. Dies gilt zunächst, soweit den/die Bewerber/in für das Vorliegen einer vergleichbaren Situation oder vergleichbaren Lage iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG die volle Darlegungs- und Beweislast treffen sollte. Dies gilt aber auch dann, wenn vor dem Hintergrund, dass dem/der Bewerber/in in der Regel nicht bekannt ist, wer sich außer ihm/ihr mit welcher Qualifikation/Eignung auf die ausgeschriebene Stelle beworben hat und für welchen Bewerber/welche Bewerberin der potentielle Arbeitgeber sich entschieden hat und er/sie gegen diesen auch keinen dahingehenden Auskunftsanspruch hat (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 56 unter Hinweis auf EuGH 19. April 2012C-415/10  - [Meister]), von einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast auszugehen wäre, wonach es ausreichen würde, wenn der/die Bewerber/in die objektive Eignung anderer Bewerber/innen oder des/der letztlich eingestellten Bewerbers/Bewerberin bestreitet mit der Folge, dass der Arbeitgeber dann jedenfalls zur objektiven Eignung dieser Personen substantiiert vorzutragen hätte. In diesem Fall würde der Prozess in der Regel mit einer aufwändigen Tatsachenfeststellung und Klärung der Eignung oder Nichteignung der anderen Bewerber/innen, jedenfalls aber des/der ausgewählten Bewerbers/Bewerberin belastet, ohne dass sich in den Bestimmungen des AGG und den unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere in denen der Richtlinie 2000/78/EG für die Zulässigkeit einer solchen Verengung des Vergleichsmaßstabs hinreichende Anhaltspunkte finden (vgl. BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 21; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 23).

31

(c) Es kommt hinzu, dass das Erfordernis der „objektiven Eignung“ der/des Bewerberin/Bewerbers als Kriterium der vergleichbaren Situation bzw. vergleichbaren Lage iSv. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs aus § 15 Abs. 2 AGG dann nahezu praktisch unmöglich machen würde, wenn diese/r die/der einzige Bewerber/in um die Stelle war. In diesem Fall existiert nämlich keine konkrete Vergleichsperson; vielmehr würde es nach § 3 Abs. 1 AGG auf eine hypothetische Vergleichsperson ankommen, deren objektive Eignung oder Nichteignung sich nicht feststellen ließe.

32

2. Das Landesarbeitsgericht durfte die Klage aber auch nicht mit der Begründung abweisen, der vom Kläger geltend gemachte Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG sei dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand(§ 242 BGB)ausgesetzt. Dabei kann offenbleiben, ob dem Entschädigungsverlangen des Klägers - entgegen dessen Rechtsauffassung - überhaupt der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB entgegengehalten werden kann. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Voraussetzungen des durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwands seien im vorliegenden Verfahren erfüllt, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Aus diesem Grund kommt es auf die Antwort des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache - C-423/15 - [Kratzer] auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 18. Juni 2015 (- 8 AZR 848/13 (A) -) nicht an.

33

a) Nach Auffassung des Senats spricht alles dafür, dass der vom Kläger geltend gemachte Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand(§ 242 BGB)ausgesetzt wäre, sofern dieser sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen.

34

aa) Nach § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (vgl. etwa BAG 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - Rn. 44; 21. Oktober 2014 - 3 AZR 866/12 - Rn. 48; 23. November 2006 - 8 AZR 349/06 - Rn. 33; BGH 6. Februar 2002 - X ZR 215/00 - zu I 2 c der Gründe; 6. Oktober 1971 - VIII ZR 165/69 - zu I der Gründe, BGHZ 57, 108). Allerdings führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der Anspruchsteller sich die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB vor(etwa BGH 28. Oktober 2009 - IV ZR 140/08 - Rn. 21).

35

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den - rechtshindernden - Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (vgl. ua. BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 26; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 37; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 54).

36

bb) Danach hätte der Kläger die Rechtsstellung als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG treuwidrig erworben mit der Folge, dass die Ausnutzung dieser Rechtsposition rechtsmissbräuchlich wäre, wenn er sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen(vgl. etwa BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 53 mwN; vgl. auch BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 33, BVerwGE 139, 135).

37

Nach § 1 AGG ist es das Ziel des AGG, in seinem Anwendungsbereich Benachteiligungen aus den in dieser Bestimmung genannten Gründen zu verhindern oder zu beseitigen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG wird auch der Zugang zur Beschäftigung vom sachlichen Anwendungsbereich des AGG erfasst. Nach dieser Bestimmung sind Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund nach Maßgabe des Gesetzes ua. unzulässig in Bezug auf die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit. Aus diesem Grund fallen nicht nur Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG, sondern auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG unter den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes, sie gelten danach als Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG.

38

Bereits mit diesen Bestimmungen des AGG hat der nationale Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass nur derjenige den Schutz des AGG vor Diskriminierung einschließlich der in § 15 AGG geregelten Ersatzleistungen für sich beanspruchen kann, der auch tatsächlich Schutz vor Diskriminierung beim Zugang zur Erwerbstätigkeit sucht und dass hingegen eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen, sich nicht auf den durch das AGG vermittelten Schutz berufen kann; sie kann nicht Opfer einer verbotenen Diskriminierung sein mit der Folge, dass ihr die in § 15 AGG vorgesehenen Sanktionen mit abschreckender Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber(vgl. etwa EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63) zugutekommen müssten. Eine Person, die ihre Position als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG treuwidrig herbeiführt, missbraucht vielmehr den vom AGG gewährten Schutz vor Diskriminierung.

39

cc) Nach Auffassung des Senats begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB unter diesen engen Voraussetzungen auch keinen unionsrechtlichen Bedenken.

40

(1) Das Verbot des Rechtsmissbrauchs ist ein anerkannter Grundsatz des Unionsrechts (vgl. ua. EuGH 28. Januar 2016 - C-50/14 - [CASTA ua.] Rn. 65). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht gestattet (etwa EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 55 mwN; 9. März 1999 - C-212/97 - [Centros] Rn. 24, Slg. 1999, I-1459; 2. Mai 1996 - C-206/94 - [Paletta] Rn. 24, Slg. 1996, I-2357).

41

(2) Dabei ergeben sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den Voraussetzungen, unter denen Rechtsmissbrauch angenommen werden kann, vergleichbar strenge Anforderungen wie nach deutschem Recht.

42

Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis verlangt das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements. Hinsichtlich des objektiven Elements muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der in der betreffenden Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde. In Bezug auf das subjektive Element muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte (ua. EuGH 17. Dezember 2015 - C-419/14 - [WebMindLicenses] Rn. 36 mwN) die Absicht ersichtlich sein, sich einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Unionsregelung dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden (zu der hier einschlägigen Richtlinie 2000/78/EG vgl. EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 56 mwN; vgl. iÜ. etwa EuGH 13. März 2014 - C-155/13 - [SICES ua.] Rn. 31 ff.; 16. Oktober 2012 - C-364/10 - [Ungarn/Slowakei] Rn. 58; 21. Februar 2006 - C-255/02 - [Halifax ua.] Rn. 74 ff., Slg. 2006, I-1609; 21. Juli 2005 - C-515/03 - [Eichsfelder Schlachtbetrieb] Rn. 39, Slg. 2005, I-7355; 14. Dezember 2000 - C-110/99 - [Emsland-Stärke] Rn. 52 und 53, Slg. 2000, I-11569). Das Missbrauchsverbot ist allerdings nicht relevant, wenn das fragliche Verhalten eine andere Erklärung haben kann als nur die Erlangung eines Vorteils (etwa EuGH 13. März 2014 - C-155/13 - [SICES ua.] Rn. 33; 21. Februar 2006 - C-255/02 - [Halifax ua.] Rn. 75). Die Prüfung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer missbräuchlichen Praxis erfüllt sind, hat gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts zu erfolgen. Diese Regeln dürfen jedoch die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen (ua. EuGH 17. Dezember 2015 - C-419/14 - [WebMindLicenses] Rn. 65 mwN).

43

(3) Sowohl aus dem Titel, als auch aus den Erwägungsgründen und dem Inhalt und der Zielsetzung der Richtlinie 2000/78/EG folgt, dass diese einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder „in Beschäftigung und Beruf“ gleichbehandelt wird, indem dem Betroffenen ein wirksamer Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe - darunter das Alter - geboten wird(ua. EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 23; 8. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - [Hennigs und Mai] Rn. 49, Slg. 2011, I-7965). Ferner ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - ebenso wie aus Art. 1 Satz 2 Buchst. a und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/54/EG -, dass diese Richtlinie für eine Person gilt, die eine Beschäftigung sucht und dies auch in Bezug auf die Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen für diese Beschäftigung (vgl. EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 33).

44

Damit spricht alles dafür, dass eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen, auch nach Unionsrecht rechtsmissbräuchlich handelt.

45

b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Voraussetzungen des durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwands seien im vorliegenden Verfahren erfüllt, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

46

aa) Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob bei einer bestimmten Sachlage ein Verstoß gegen § 242 BGB und damit eine unzulässige Rechtsausübung vorliegt, ist in der Revisionsinstanz als Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs nur eingeschränkt überprüfbar(vgl. etwa BAG 16. Oktober 2012 - 9 AZR 183/11 - Rn. 25, BAGE 143, 194; 19. August 2010 - 8 AZR 645/09 - Rn. 66; 9. Dezember 2009 - 10 AZR 850/08 - Rn. 34 mwN; 15. Juli 2009 - 5 AZR 867/08 - Rn. 31, BAGE 131, 215; BGH 7. Oktober 2015 - VIII ZR 247/14 - Rn. 25 mwN). Die revisionsrechtliche Kontrolle beschränkt sich darauf zu prüfen, ob das Landesarbeitsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es sich bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die maßgebliche Rechtsnorm den Vorgaben von § 286 Abs. 1 ZPO entsprechend mit dem Prozessstoff umfassend auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und des Weiteren rechtlich möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt.

47

bb) Das Berufungsurteil hält einer solchen eingeschränkten Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsbegriff des Rechtsmissbrauchs iSv. § 242 BGB verkannt und diese Bestimmung in einer Weise ausgelegt und angewandt, die das Benachteiligungsverbot des AGG und der Richtlinie 2000/78/EG zu unterlaufen geeignet ist. Die vom Landesarbeitsgericht seiner Würdigung zugrunde gelegten Umstände lassen weder jeweils für sich betrachtet noch in der Gesamtschau den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers zu.

48

(1) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts lassen sich dem Bewerbungsschreiben des Klägers vom 9. November 2012 bereits keine objektiven Umstände entnehmen, die den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers erlauben würden. Soweit das Landesarbeitsgericht ausführt, dieses Schreiben enthalte überwiegend formelhafte, nichtssagende Wendungen, mit denen der Kläger nur scheinbar konkret auf die Stellenanzeige und die in Aussicht gestellte Tätigkeit nebst deren Anforderungsprofil eingehe, es lasse sich dem Bewerbungsschreiben auch nicht entnehmen, was den Kläger gerade an der ausgeschriebenen Tätigkeit interessiere und weshalb er, nachdem er bereits lange Jahre als selbstständiger Rechtsanwalt in R tätig sei, Interesse an einer Berufsausübung in H habe, legt es seiner Würdigung seine Vorstellungen darüber zugrunde, wodurch sich ein gutes, ansprechendes und erfolgversprechendes Bewerbungsschreiben auszeichnet. Wie viel „Mühe“ ein Bewerber sich mit seinem Bewerbungsschreiben gegeben hat, wie ansprechend seine Präsentation ist und wie eindringlich und überzeugend er ein Interesse an der ausgeschriebenen Stelle bekundet hat, mag zwar ein Umstand sein, der für die konkrete Auswahlentscheidung des Arbeitgebers den Ausschlag geben kann. Es existiert hingegen weder ein Erfahrungssatz des Inhalts, dass nur derjenige, der ein solches Bewerbungsschreiben verfasst, an der Stelle interessiert ist, noch der gegenteilige Erfahrungssatz, dass derjenige, dessen Bewerbungsschreiben diesen Vorgaben nicht entspricht, sich nur mit dem Ziel bewirbt, die formale Position des Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG geltend machen zu können.

49

(2) Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Entschädigungsanspruch des Klägers sei deshalb dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt, weil dieser sich unabhängig vom Rechtsgebiet, der Kanzlei oder dem Einsatzort stets auf Stellen bewerbe, in denen Berufseinsteiger und Berufseinsteigerinnen oder Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen mit erster Berufserfahrung gesucht würden, er im Fall der Ablehnung stets 60.000,00 Euro fordere, im Jahr 2013 16 Entschädigungsklagen erhoben habe und auch nicht dargetan habe, sich auch noch auf weitere, keinen Anlass für die Annahme einer Diskriminierung bietende Stellenanzeigen beworben zu haben, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die vom Landesarbeitsgericht seiner Würdigung zugrunde gelegten Umstände lassen nicht den Schluss auf ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen des Klägers zu, das auf der Annahme beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben, weil die Beklagten - sei es bereits unter dem Druck des Geltendmachungsschreibens oder im Verlauf des Entschädigungsprozesses - freiwillig die Forderung erfüllen oder sich vergleichsweise auf eine Entschädigungszahlung einlassen.

50

(a) Auf Rechtsmissbrauch kann nicht bereits daraus geschlossen werden, dass eine Person eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen versandt und mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat oder führt (vgl. etwa BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 24; 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 63; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 56 mwN; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 52, BAGE 131, 232). Ein solches Verhalten für sich betrachtet lässt sich ebenso damit erklären, dass ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der jeweiligen Stelle bestand und dass der/die Bewerber/in, weil er/sie sich entgegen den Vorgaben des AGG bei der Auswahl- und Besetzungsentscheidung diskriminiert sieht, mit der Entschädigungsklage zulässigerweise seine/ihre Rechte nach dem AGG wahrnimmt.

51

(b) Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Person sich stets auf solche Stellenausschreibungen beworben hat, die Formulierungen, insb. Anforderungen enthalten, die mittelbar oder unmittelbar an einen der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpfen und deshalb „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe die Stelle entgegen § 11 AGG, wonach ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden darf, ausgeschrieben. Dies folgt bereits daraus, dass der/die Bewerber/in auch in einem solchen Fall mit einer Entschädigungsklage grundsätzlich ein nicht unerhebliches Risiko eingeht, den Prozess zu verlieren und damit nicht nur keine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu erlangen, sondern auch mit den Kosten des Rechtsstreits belastet zu werden.

52

(aa) Der Arbeitgeber schuldet einem/einer abgelehnten Bewerber/in eine Entschädigung nicht bereits deshalb, weil die Stelle unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde und damit erst recht nicht allein deshalb, weil die Stellenausschreibung Formulierungen, insb. Anforderungen enthält, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben. Das Gesetz knüpft an einen Verstoß gegen § 11 AGG keine unmittelbaren Rechtsfolgen.

53

(bb) Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist vielmehr, dass der/die abgelehnte Bewerber/in entgegen § 7 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wurde. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; es muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund iSv. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt(vgl. etwa BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34 mwN). Zudem darf die mit einer negativen Auswahlentscheidung des Arbeitgebers verbundene unmittelbare Benachteiligung des/der Bewerbers/Bewerberin iSv. § 3 Abs. 1 AGG nicht nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG zulässig sein. Obgleich nicht zu verkennen ist, dass eine erfolglose Bewerbung auf eine Stellenausschreibung, die Formulierungen, insb. Anforderungen enthält, die mittelbar oder unmittelbar an einen der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpfen und deshalb „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben, die Erfolgsaussichten einer späteren Entschädigungsklage erhöht, ist es keinesfalls ausgeschlossen, dass die Klage abgewiesen wird, weil der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Grund iSv. § 1 AGG und der benachteiligenden Handlung nicht gegeben ist oder weil sich die mit der Ablehnung der Bewerbung verbundene unmittelbare Benachteiligung des Bewerbers/der Bewerberin iSv. § 3 Abs. 1 AGG nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG als zulässig erweist.

54

(aaa) § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist(vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158; 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 65, BAGE 141, 48). Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12  - [Asociatia ACCEPT] Rn. 55 mwN; 10. Juli 2008 -  C-54/07  - [Feryn] Rn. 32 , Slg. 2008, I-5187; BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12  - Rn. 27 ). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises (vgl. etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 33). Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben(vgl. etwa BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 58; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 45).

55

(bbb) Auch wenn eine Stellenausschreibung Formulierungen, insb. Anforderungen enthält, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben, begründet dies nicht ohne Weiteres die Vermutung, der/die Bewerber/in sei im Auswahl- und Stellenbesetzungsverfahren wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt worden. Eine solche Vermutung besteht vielmehr nur dann, wenn die Stellenausschreibung gegen § 11 AGG verstößt. Dies ist indes selbst bei Formulierungen, insb. Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine unmittelbare Benachteiligung wegen eines § 1 AGG genannten Grundes bewirken, dann nicht der Fall, wenn die Diskriminierung nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG zulässig ist. Und bei Formulierungen, insb. Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine mittelbare Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bewirken können, scheidet nach § 3 Abs. 2 AGG ein Verstoß gegen § 11 AGG dann aus, wenn die Anforderung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Obwohl § 11 AGG nach seinem Wortlaut nur auf § 7 Abs. 1 AGG verweist, muss die Bestimmung so ausgelegt werden, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG nicht vorliegt, wenn die mögliche mittelbare oder die unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG oder §§ 8, 9 oder § 10 AGG gerechtfertigt ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum Stellenausschreibungen strengeren Anforderungen unterliegen sollten als dies bei allen anderen benachteiligenden Handlungen iSd. AGG der Fall ist.

56

(ccc) Aber auch dann, wenn die Stelle unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde und deshalb die Vermutung besteht, dass der/die erfolglose Bewerber/in wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wurde, genügt dies nicht ohne Weiteres für eine erfolgreiche Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs. Dem Arbeitgeber bleibt es nämlich unbenommen, Tatsachen vorzutragen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben.

57

(ddd) Zudem ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich die mit der Ablehnung der Bewerbung verbundene unmittelbare Benachteiligung des/der Bewerbers/Bewerberin im Einzelfall nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG als zulässig erweist.

58

(c) Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstands, dass selbst dann, wenn die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen aufgrund anderer erfolgloser Bewerbungen rechtsmissbräuchlich (gewesen) sein sollte, dies nicht ohne Weiteres auch für die jeweils streitgegenständliche gelten muss, sind an die Annahme des durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwands hohe Anforderungen zu stellen. Es müssen im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten rechtfertigen. Dies kann in diesem Zusammenhang nur angenommen werden, wenn sich ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen der Person feststellen lässt, das auf der Erwägung beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben, weil der Arbeitgeber - sei es bereits unter dem Druck einer angekündigten Entschädigungsklage oder im Verlaufe eines Entschädigungsprozesses - freiwillig die Forderung erfüllt oder sich vergleichsweise auf eine Entschädigungszahlung einlässt.

59

(d) Danach hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht angenommen, der vom Kläger geltend gemachte Entschädigungsanspruch sei dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt. Es kann dahinstehen, ob der Umstand, dass der Kläger im Falle der Ablehnung seiner Bewerbung vom Arbeitgeber stets Schadensersatz und Entschädigung iHv. 60.000,00 Euro gefordert hat, im Rahmen der Würdigung, ob im vorliegenden Fall Rechtsmissbrauch anzunehmen ist, überhaupt von Bedeutung ist. Die bislang vom Landesarbeitsgericht festgestellten Umstände rechtfertigen - auch unter Berücksichtigung dieses Umstands - nicht den Schluss, auch die Bewerbung des Klägers auf die von der Beklagten zu 1. ausgeschriebene Stelle und die sich an die Ablehnung anschließende Entschädigungsklage seien Teil eines systematischen und zielgerichteten Vorgehens des Klägers im Rahmen des unter Rn. 58 dargestellten „Geschäftsmodells“. Vielmehr verbleibt die „gute Möglichkeit“, dass der Kläger ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der Stelle hatte, und dass er mit der Erhebung der Entschädigungsklage zulässigerweise seine Rechte nach dem AGG wahrgenommen hat. Umstände, die ggf. eine andere Beurteilung gebieten könnten, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Es gibt weder Feststellungen dazu, wie häufig der Kläger sich insgesamt auf Stellenausschreibungen beworben hat, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erweckten, die Stelle sei unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben worden, noch, wie arbeitgeberseitig auf ein Geltendmachungsschreiben des Klägers reagiert wurde, noch, wie der Kläger sich in den 16 vom Landesarbeitsgericht festgestellten Entschädigungsprozessen prozessual verhalten hat und ob und ggf. wann die Verfahren in welcher Instanz mit welchem Ergebnis beendet wurden. Bereits deshalb kommt es auf die Frage, ob der Kläger sich auch auf Stellenausschreibungen beworben hat, deren Inhalt keinen Anlass für die Annahme einer Diskriminierung bot, nicht an.

60

B. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klage sei unbegründet, stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

61

I. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Für den Kläger ergibt sich dies aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG.

62

Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter iSd. AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG). Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass er eine Bewerbung eingereicht hat. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG enthält einen formalen Bewerberbegriff. Soweit teilweise in der Rechtsprechung des Senats zusätzlich die „subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung“ gefordert wurde (ua. BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 24; 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - Rn. 28; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 50, BAGE 131, 232; vgl. jedoch offenlassend oder entgegengesetzt ua.: BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 18; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 51 bis 56; 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 32), hält der Senat hieran nicht fest. Eine solche Voraussetzung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn noch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung oder ihrem Sinn und Zweck. Die Frage, ob eine Bewerbung „nicht ernsthaft“ war, weil eine Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern um eine Entschädigung geltend zu machen, betrifft vielmehr die Frage, ob diese sich unter Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB)den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG verschafft und damit für sich den persönlichen Anwendungsbereich des AGG treuwidrig eröffnet hat, weshalb der Ausnutzung dieser Rechtsposition der durchgreifende Rechtsmissbrauchseinwand entgegenstehen könnte (vgl. auch BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 25; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 18; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24).

63

II. Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch auch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (§ 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG).

64

III. Der Entschädigungsanspruch des Klägers ist auch nicht aufgrund anderer als der vom Landesarbeitsgericht seiner Würdigung zugrunde gelegten Umstände dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB)ausgesetzt. Die von den Beklagten insoweit vorgetragenen Umstände lassen weder für sich betrachtet noch in einer Gesamtschau den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers zu.

65

1. Soweit die Beklagten geltend machen, der Kläger habe die ausgeschriebene Stelle nicht antreten können, weil er als Einzelanwalt ein Dezernat mit laufenden Mandatsverhältnissen nicht kurzfristig habe aufgeben können, lässt dies nicht auf einen Rechtsmissbrauch schließen. Dass ein bisher als Einzelanwalt tätiger Rechtsanwalt vor der Aufnahme einer anderen Tätigkeit ggf. Zeit benötigt, die bisherige Kanzlei zu übergeben oder abzuwickeln, mag zwar ein tatsächliches Hindernis für eine sofortige Arbeitsaufnahme sein; es ist jedoch fernliegend, daraus zu schließen, der Kläger habe sich auf die ausgeschriebene Stelle nur beworben, um die formale Position als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Gleiches gilt, soweit die Beklagten anführen, im Hinblick auf die fachliche Ausrichtung und Spezialisierung der Kanzlei hätte der Kläger erläutern müssen, weshalb er gerade an einer Tätigkeit bei ihnen interessiert sei, insoweit sei die Bewerbung des Klägers nicht nachvollziehbar, und sie mutmaßen, der Kläger habe seine Bewerbung mit einem sog. Anwaltsprogramm angefertigt. Auch der Umstand, dass der Kläger im Internet damit wirbt, als Einzelanwalt immer für seine Mandanten als persönlicher Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen und dass er jedenfalls zeitweise als Rechtsanwalt im Bereich von Abmahnungen tätig war, lässt nicht auf einen Rechtsmissbrauch schließen. Letztlich kann der Rechtsmissbrauchseinwand auch nicht erfolgreich darauf gestützt werden, dass der Kläger weiterhin seine Kanzlei betrieben und nicht abgewickelt hat. Im Gegenteil liegt ein solches Verhalten bei einer Erfolglosigkeit von Bewerbungsbemühungen auf der Hand.

66

2. Soweit die Beklagten sich darauf berufen, dass der Kläger am Ende seines Geltendmachungsschreibens vom 26. November 2012 neben Schadensersatz und Entschädigung eine Erstattung anwaltlicher Gebühren und Auslagen gefordert hat, liegt darin allein kein Umstand, der den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers zuließe. Es gibt keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass ein Rechtsanwalt, der sich erfolglos auf eine ausgeschriebene Stelle (als Rechtsanwalt) beworben hat und bereits in seinem Geltendmachungsschreiben nicht nur Entschädigung und Schadensersatz, sondern auch die Zahlung anwaltlicher Gebühren und Auslagen fordert, von vornherein nur die Absicht hatte, sich die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu verschaffen mit dem alleinigen Ziel, Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Es kann dahinstehen, ob und ggf. welche Bedeutung diesem Umstand im Rahmen der Prüfung zukommt, ob das Entschädigungsverlangen ausnahmsweise dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt ist, weil sich ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen der Person feststellen lässt, das auf der Erwägung beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem potentieller Arbeitgeber eine Rechtsanwaltskanzlei ist, ist die Annahme fernliegend, der Kläger habe darauf spekuliert, den Beklagten sei die in § 12a ArbGG zur Kostentragungspflicht getroffene Bestimmung unbekannt und diese seien nicht in der Lage, die Risiken eines Entschädigungsprozesses einzuschätzen, und würden sich deshalb bereits durch das Geltendmachungsschreiben so sehr beeindrucken lassen, dass sie allein zur Vermeidung weiterer Kosten frühzeitig „klein beigeben“.

67

3. Soweit die Beklagten schließlich behaupten, der Kläger habe im Rahmen eines Telefonats mit dem Beklagten zu 3. am 27. November 2012 geäußert, seinerseits bestehe kein Interesse an einer Mitarbeit in der Kanzlei der Beklagten, er wolle lediglich eine Zahlung, ist dieses Vorbringen unbeachtlich. Die Beklagten haben schon nicht substantiiert zum Verlauf des Gesprächs vorgetragen, was vor dem Hintergrund, dass der Kläger sich gegenüber der Behauptung der Beklagten dahin verteidigt hatte, er habe kein fehlendes Interesse an einer Mitarbeit in der Kanzlei der Beklagten geäußert, sondern vielmehr gesagt, dass nach Ablehnung seiner Bewerbung durch die Gegenseite eine „Heilung“ des Verstoßes gegen das AGG nicht infrage komme, aber erforderlich gewesen wäre.

68

C. Aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob und ggf. in welcher Höhe die zulässige Klage begründet ist. Zudem ist den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

69

I. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - nicht geprüft, ob der Kläger entgegen den Bestimmungen des AGG im Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde und hierzu keine Feststellungen getroffen. Dies wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben.

70

1. Dabei wird das Landesarbeitsgericht zunächst zu beachten haben, dass die Vermutung iSv. § 22 AGG, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, dann bestünde, wenn die Beklagte zu 1. die Stelle, auf die sich der Kläger bei dieser beworben hat, entgegen den Vorgaben von § 11 AGG unter Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters(§ 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG)ausgeschrieben hat.

71

Das Landesarbeitsgericht wird dabei zu beachten haben, dass das in der Stellenausschreibung enthaltene Anforderungskriterium, mit dem ein Rechtsanwalt (m/w) „mit 0 - 2 Jahren Berufserfahrung“ gesucht wird, Personen wegen des in § 1 AGG genannten Grundes „Alter“ gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen kann iSv. § 3 Abs. 2 AGG und dass die Formulierung in der Stellenausschreibung, wonach dem/der Bewerber/in eine langfristige Perspektive in einem „jungen und dynamischen Team“ geboten wird, eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters bewirkt, sodass es im Hinblick auf die Frage, ob die Stelle entgegen den Anforderungen des § 11 AGG ausgeschrieben wurde und deshalb die Vermutung besteht, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, nur noch darauf ankommt, ob die unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters nach § 8 Abs. 1 oder § 10 AGG zulässig ist. Sollte dies der Fall sein, wäre auch eine mittelbare Diskriminierung gerechtfertigt, da die Anforderungen an die Rechtfertigung einer mittelbaren Benachteiligung nicht höher als diejenigen an die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung sind (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 62, 65, 66, Slg. 2009, I-1569; BAG 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 35 mwN, BAGE 131, 298).

72

a) Die in der Stellenausschreibung enthaltene Anforderung „mit 0 - 2 Jahren Berufserfahrung“ kann Personen wegen des in § 1 AGG genannten Grundes „Alter“ gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen.

73

Bei der Berufserfahrung handelt es sich um ein Kriterium, das dem Anschein nach neutral ist iSv. § 3 Abs. 2 AGG. Unmittelbar wird damit nicht auf ein bestimmtes Alter Bezug genommen. Jedoch ist das Kriterium der Berufserfahrung mittelbar mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verknüpft. Bewerber/innen mit einer längeren Berufserfahrung weisen gegenüber Berufsanfänger/innen und gegenüber Bewerber/innen mit erster oder kurzer Berufserfahrung typischerweise ein höheres Lebensalter auf (vgl. nur BAG 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 33, BAGE 131, 342). Da die Beklagte zu 1. mit der in der Stellenausschreibung enthaltenen Anforderung „mit 0 - 2 Jahren Berufserfahrung“ signalisiert, lediglich Interesse an der Gewinnung jüngerer Mitarbeiter/innen zu haben, ist diese Anforderung geeignet, ältere gegenüber jüngeren Personen wegen des Alters in besonderer Weise zu benachteiligen. Typischerweise werden ältere Personen allein wegen dieser Anforderung häufig von vornherein von einer Bewerbung absehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass berufliche Lebensläufe heutzutage vielfältiger sind als früher und ein Wechsel von einer juristischen Tätigkeit in eine andere juristische Tätigkeit auch nach längeren Berufsjahren, ggf. auch erst nach dem Erreichen des regulären Pensionsalters erfolgen kann. Der Befund, dass Berufsanfänger/innen und Personen mit kurzer Berufserfahrung typischerweise junge Menschen sind, besteht jedoch nach wie vor.

74

b) Die Formulierung in der Stellenausschreibung, wonach dem/der Bewerber/in eine langfristige Perspektive in einem „jungen und dynamischen Team“ geboten wird, bewirkt eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

75

Mit dem Begriff „jung“ wird unmittelbar an das Lebensalter angeknüpft. Verstärkt wird diese Bezugnahme auf das Lebensalter durch die Verbindung mit dem Begriff „dynamisch“, der eine Eigenschaft beschreibt, die im Allgemeinen eher jüngeren als älteren Menschen zugeschrieben wird. Wird in einer Stellenausschreibung - wie hier - darauf hingewiesen, dass eine langfristige Perspektive in einem „jungen und dynamischen Team“ geboten wird, enthält dieser Hinweis regelmäßig nicht nur die Botschaft an potentielle Stellenbewerber/innen, dass die Mitglieder des Teams jung und deshalb dynamisch sind. Eine solche Angabe in einer Stellenanzeige kann aus der Sicht eines objektiven Empfängers zudem regelmäßig nur so verstanden werden, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin sucht, der/die in das Team passt, weil er/sie ebenso jung und dynamisch ist wie die Mitglieder des vorhandenen Teams. Die Annahme, dass mit der Beschreibung des Teams als „jung“ und „dynamisch“ der Zweck verfolgt wird, den potentiellen Bewerber/die potentielle Bewerberin darüber zu informieren, dass das Team selbst noch nicht lange Zeit besteht, ist demgegenüber fernliegend, wenn dieser Umstand nicht zugleich in der Stellenausschreibung erläutert wird. Sofern dies - wie hier - nicht der Fall ist, kann der Zweck einer solchen Stellenbeschreibung nur darin bestehen, einen zum vorhandenen Team passenden neuen Beschäftigten zu gewinnen. Andernfalls wäre die so formulierte Stellenbeschreibung ohne Aussagegehalt und damit überflüssig.

76

c) Das Landesarbeitsgericht wird demnach ggf. zu prüfen haben, ob die mit der Formulierung „in einem jungen und dynamischen Team“ bewirkte unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters nach § 8 AGG oder nach § 10 AGG zulässig ist. Dabei wird es zu beachten haben, dass sich sowohl § 8 AGG als auch § 10 AGG als für den Arbeitgeber günstige Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Diskriminierung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, hier des Alters, darstellen(vgl. hierzu etwa EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 72 und 81, Slg. 2011, I-8003; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569), weshalb den Arbeitgeber - hier die Beklagten - bereits nach den allgemeinen Regeln des nationalen Rechts die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der in den Bestimmungen enthaltenen Voraussetzungen trifft (zur Darlegungs- und Beweislast nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG vgl. etwa EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 83, Slg. 2011, I-6919).

77

aa) Nach § 8 Abs. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

78

§ 8 Abs. 1 AGG dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht. § 8 Abs. 1 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eng auszulegen. Eine Ungleichbehandlung wegen des Alters ist nach § 8 Abs. 1 AGG nur gerechtfertigt, wenn sämtliche in der Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Stellt ein Merkmal, das insbesondere mit dem Alter zusammenhängt, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dar, kann eine unterschiedliche Behandlung zudem nur unter sehr begrenzten Bedingungen gerechtfertigt sein (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 71, Slg. 2011, I-8003).

79

Das Landesarbeitsgericht wird bei der Anwendung von § 8 Abs. 1 AGG zudem zu beachten haben, dass nicht der Grund, auf den die Ungleichbehandlung gestützt ist, sondern nur ein mit diesem Grund im Zusammenhang stehendes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen kann und dass ein solches Merkmal - oder sein Fehlen - nur dann eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSd. § 8 Abs. 1 AGG ist, wenn davon die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit abhängt(vgl. etwa EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 66, Slg. 2011, I-8003; 12. Januar 2010 - C-229/08 - [Wolf] Rn. 35, Slg. 2010, I-1; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 34, BAGE 148, 158).

80

bb) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Nach § 10 Satz 2 AGG müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Tatbeständen, nach denen unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG insbesondere gerechtfertigt sein können(vgl. etwa BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 45; 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 35, BAGE 133, 265; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 40 , BAGE 129, 181 ).

81

Bei der Anwendung von § 10 AGG wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:

82

(1) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht(dazu auch BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21, BAGE 147, 279), wobei die Richtlinie ihrerseits das primärrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 75, Slg. 2005, I-9981; BVerfG 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 2 BvR 1989/12 - Rn. 63, BVerfGE 139, 19) sowie das in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters konkretisiert(EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 38, Slg. 2011, I-8003; BVerfG 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 - aaO). § 10 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen(dazu auch BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - Rn. 17, BAGE 149, 315; 12. Juni 2013 - 7 AZR 917/11 - Rn. 32; 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 40).

83

(2) § 10 Satz 1 AGG definiert nicht, was unter einem legitimen Ziel zu verstehen ist. Für die Konkretisierung des Begriffs des legitimen Ziels ist deshalb auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG zurückzugreifen. Legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, dh. Ziele, die als geeignet angesehen werden können, eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters zu rechtfertigen, sind - obgleich die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG enthaltene Aufzählung nicht erschöpfend ist (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 80, Slg. 2011, I-8003) - wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung nur solche, die mit der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung im Zusammenhang stehen, und damit nur rechtmäßige Ziele aus dem Bereich „Sozialpolitik“ (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 81, aaO; dazu auch BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - Rn. 36, BAGE 152, 134; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 26 mwN, BAGE 147, 89). Ziele, die als legitim iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden können, stehen als „sozialpolitische Ziele“ im Allgemeininteresse. Dadurch unterscheiden sie sich von Zielen, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Dabei ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass eine nationale Vorschrift den Arbeitgebern bei der Verfolgung der sozialpolitischen Ziele einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 52, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569). Ein unabhängig von Allgemeininteressen verfolgtes Ziel eines Arbeitgebers kann eine Ungleichbehandlung jedoch nicht rechtfertigen (vgl. BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - aaO).

84

(3) Nach § 10 Satz 1 AGG reicht es - ebenso wie nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG - für die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters nicht aus, dass der Arbeitgeber mit der unterschiedlichen Behandlung ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG verfolgt; hinzukommen muss nach § 10 Satz 2 AGG, dass die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Beides ist im Hinblick auf das konkret angestrebte Ziel zu beurteilen (vgl. etwa EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] Rn. 43; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 55 f.). Dabei sind in unionsrechtskonformer Auslegung von § 10 Satz 2 AGG die Mittel nur dann angemessen und erforderlich, wenn sie es erlauben, das mit der unterschiedlichen Behandlung verfolgte Ziel zu erreichen, ohne zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Personen zu führen, die wegen ihres Alters benachteiligt werden(vgl. etwa EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] aaO; 26. Februar 2015 - C-515/13 - [Ingeniørforeningen i Danmark] Rn. 25; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 56) und die Maßnahme nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist (vgl. EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] aaO; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 59; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65 mwN, Slg. 2005, I-9981).

85

(4) Um darzutun, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nach § 10 AGG gerechtfertigt ist, reicht es nicht aus, wenn der Arbeitgeber allgemein behauptet, dass die die unterschiedliche Behandlung bewirkende Maßnahme oder Regelung geeignet sei, der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung zu dienen. Derartige allgemeine Behauptungen lassen nämlich nicht den Schluss zu, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 77, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 51, Slg. 2009, I-1569; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65, Slg. 2005, I-9981; vgl. auch BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 35, BAGE 131, 61). Der Arbeitgeber hat hierzu vielmehr substantiierten Sachvortrag zu leisten (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 82, aaO).

86

2. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Stelle, auf die der Kläger sich beworben hat, von der Beklagten zu 1. unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde und deshalb die Vermutung iSv. § 22 AGG besteht, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, wird es zu prüfen haben, ob die Beklagten Tatsachen vorgetragen und im Bestreitensfall bewiesen haben, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe, hier: das Alter, zu einer ungünstigeren Behandlung des Klägers geführt haben.

87

a) Solche Gründe können zwar idR nicht darin liegen, dass der Arbeitgeber - wie hier - später von einer Einstellung oder Beschäftigung eines anderen Bewerbers absieht, die Stelle also nach Beginn der eigentlichen Bewerberauswahl unbesetzt bleibt (vgl. im Einzelnen BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 23 mwN). Die Auslegung und Anwendung von § 22 AGG darf nicht dazu führen, dass es der Arbeitgeber in der Hand hat, durch eine geeignete Verfahrensgestaltung die Chancen von Bewerbern und Bewerberinnen wegen der in § 1 AGG genannten Gründe so zu mindern, dass seine Entscheidung praktisch unangreifbar wird(vgl. BVerfG 21. September 2006 - 1 BvR 308/03 - Rn. 13 mwN, BVerfGK 9, 218). Eine andere Bewertung ist aber dann geboten, wenn der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und ggf. beweist, dass das Auswahlverfahren aus sachlichen und nachvollziehbaren Gründen, zB weil zwischenzeitlich das Erfordernis, die Stelle überhaupt (neu) zu besetzen, entfallen ist, abgebrochen wurde, bevor die Bewerbung der klagenden Partei bei ihm eingegangen ist. In einem solchen Fall hat es kein Auswahlverfahren mehr gegeben, in dessen Verlauf die klagende Partei hätte diskriminiert werden können.

88

b) Entsprechendes kann gelten, sofern der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und ggf. beweist, dass das Auswahlverfahren bereits abgeschlossen war, bevor die Bewerbung der klagenden Partei bei ihm eingegangen ist. Allerdings schließt der Umstand, dass eine ausgeschriebene Stelle bereits vor Eingang der Bewerbung der klagenden Partei besetzt wurde, nicht generell deren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG aus(BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 42). Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an, beispielsweise darauf, ob ggf. eine vom Arbeitgeber gesetzte Bewerbungsfrist unterlaufen wird und/oder ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine bereits vor Eingang einer Bewerbung erfolgte Stellenbesetzung gleichwohl zu einer Benachteiligung des nicht berücksichtigten Bewerbers führt (vgl. dazu BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 30; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - aaO).

89

c) Der Arbeitgeber kann die Vermutung, er habe die klagende Partei wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt, aber auch dadurch widerlegen, dass er substantiiert dazu vorträgt und im Bestreitensfall beweist, dass er bei der Behandlung aller Bewerbungen nach einem bestimmten Verfahren vorgegangen ist, das eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes ausschließt. Dies kann zum Beispiel anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber ausnahmslos alle Bewerbungen in einem ersten Schritt darauf hin sichtet, ob die Bewerber/innen eine zulässigerweise gestellte Anforderung erfüllen und er all die Bewerbungen von vornherein aus dem weiteren Auswahlverfahren ausscheidet, bei denen dies nicht der Fall ist. Der Arbeitgeber, der sich hierauf beruft, muss dann allerdings nicht nur darlegen und ggf. beweisen, dass ein solches Verfahren praktiziert wurde, sondern auch, dass er das Verfahren konsequent zu Ende geführt hat. Deshalb muss er auch substantiiert dartun und im Bestreitensfall beweisen, wie viele Bewerbungen eingegangen sind, welche Bewerber/innen aus demselben Grund ebenso aus dem Auswahlverfahren ausgenommen wurden, welche Bewerber/innen, weil sie die Anforderung erfüllten, im weiteren Auswahlverfahren verblieben sind und dass der/die letztlich ausgewählte Bewerber/in die Anforderung, wegen deren Fehlens die klagende Partei aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen wurde, erfüllt.

90

Dabei muss sich die Anforderung, wegen deren Nichterfüllung die klagende Partei und ggf. andere Bewerber/innen aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen werden, nicht ausdrücklich aus der Stellenausschreibung ergeben. Insoweit reicht es in jedem Fall aus, wenn die Anforderung in der Stellenausschreibung „Anklang“ gefunden hat oder sich aus dem in der Stellenausschreibung formulierten Anforderungsprofil ableiten lässt. Wird beispielsweise mit einer Stellenausschreibung eine Person gesucht, die über eine „herausragende“, „hervorragende“ oder „erstklassige“ (hier: juristische) Qualifikation verfügt, ist es jedenfalls dem privaten Arbeitgeber unbenommen, all die Bewerber/innen, die eine bestimmte Examensnote nicht erzielt haben, aus dem weiteren Auswahlverfahren auszunehmen. Jede/r Bewerber/in muss in einem solchen Fall bereits aufgrund der Stellenausschreibung damit rechnen, dass in einem Stellenbesetzungsverfahren, insbesondere wenn viele Bewerbungen eingehen, womöglich nur die Bewerbungen mit bestimmten Examensnoten eine Vorsichtung erfolgreich durchlaufen. Allerdings ist zu beachten, dass Anforderungen, die in der Stellenausschreibung keinen „Anklang“ gefunden haben und sich auch nicht aus dem in der Stellenausschreibung formulierten Anforderungsprofil ableiten lassen, vom Arbeitgeber seiner Vorauswahl nicht ohne Weiteres zugrunde gelegt werden dürfen. Insoweit muss der Arbeitgeber dartun und im Bestreitensfall beweisen, dass diese Anforderungen nicht nur vorgeschoben wurden (BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - Rn. 43 mwN, BAGE 131, 86).

91

d) Soweit der Arbeitgeber darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass die klagende Partei eine formale Qualifikation nicht aufweist oder eine formale Anforderung nicht erfüllt, die unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit/des Berufs an sich ist, kann idR davon ausgegangen werden, dass die Bewerbung ausschließlich aus diesem Grund ohne Erfolg blieb; in einem solchen Fall besteht demzufolge idR kein Kausalzusammenhang zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund.

92

II. Sollte sich ergeben, dass nicht ausschließlich andere Gründe als das Alter zu einer ungünstigeren Behandlung des Klägers geführt haben, wird das Landesarbeitsgericht auf ein entsprechendes Vorbringen der Beklagten, das im Bestreitensfall zu beweisen wäre, auch der Frage nachzugehen haben, ob die unmittelbare Benachteiligung, die der Kläger durch die Nichtberücksichtigung im Auswahlverfahren wegen seines Alters erfahren hat, ausnahmsweise gerechtfertigt ist.

93

III. Sofern das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen sollte, das Benachteiligungsverbot des AGG sei verletzt und dem Kläger stehe nach § 15 Abs. 2 AGG dem Grunde nach eine Entschädigung zu, wird es zu beachten haben, dass auch bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der festzusetzenden Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG alle Umstände des Einzelfalls, wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen sind(vgl. ua. BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 44, BAGE 148, 158; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 38; 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 38; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, BAGE 129, 181). Die Entschädigung muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz gewährleisten (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63; 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - aaO). Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63 mwN; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - aaO).

94

D. Im Hinblick auf die vom Landesarbeitsgericht zu treffende Kostenentscheidung weist der Senat darauf hin, dass sich diese - entgegen der Rechtsauffassung des Klägers - nach § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 91 ff. ZPO richtet, wobei bei einem nur teilweisen Obsiegen/Unterliegen des Klägers Veranlassung bestehen kann, von der in § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen. Zwar trifft es zu, dass Verfahren, die Klagen wegen Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des AGG zum Gegenstand haben, nicht weniger günstig gestaltet sein dürfen als Klageverfahren, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz) und dass die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden darf (Grundsatz der Effektivität) (st. Rspr. des EuGH, vgl. nur 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 61 mwN). Dies ist aber bei Anwendung der §§ 91 ff. ZPO, nach denen sich der gerichtliche Kostenausspruch generell und einheitlich nach Obsiegen und Unterliegen richtet, ohne nach der „Herkunft“ des geltend gemachten Klageanspruchs zu differenzieren, nicht der Fall.

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Vogelsang    

        

        

        

    Der ehrenamtliche Richter Dr. Volz ist
an der Unterschriftsleistung verhindert.
Schlewing    

        

    B. Stahl    

                 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 9. März 2012 - 4 Sa 1184/11 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 31. Dezember 2010 geendet hat.

2

Die Klägerin schloss am 26. Juli 2007 mit der Bundesagentur für Arbeit einen für die Zeit vom 1. August 2007 bis 31. Juli 2008 befristeten Arbeitsvertrag, wonach sie mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden teilzeitbeschäftigt war. Nach § 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit(TV-BA) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung. In § 4 Satz 1 des Arbeitsvertrags war eine Eingruppierung in „der Tätigkeitsebene V … (§ 14 Abs. 1 TV-BA)“ dokumentiert. Die Klägerin war in der ARGE K im Telefon-Servicecenter eingesetzt. Bei der ARGE K (nunmehr: Jobcenter K) handelt es sich um eine von der Stadt K und der Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit K - gebildete gemeinsame Einrichtung iSv. § 44b SGB II zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

3

Im Mai 2008 vereinbarten die Bundesagentur für Arbeit und die Klägerin einen (neuen) Arbeitsvertrag, wonach die Klägerin ab 1. August 2008 als Teilzeitbeschäftigte mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden eingestellt und das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Juli 2009 befristet worden ist. Nach § 2 Satz 1 dieses Arbeitsvertrags bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach den Regelungen des TV-BA; § 4 Satz 1 des Vertrags weist eine Eingruppierung der Klägerin in der Tätigkeitsebene V(§ 14 Abs. 1 TV-BA) aus. Etwa fünf Wochen vor Ende dieses Vertrags fand in den Räumen des Servicecenters eine Betriebsversammlung statt. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, die damalige Standortleiterin Frau C habe sämtlichen befristet beschäftigten Mitarbeitern der Bundesagentur für Arbeit neue Arbeitsverträge mit der beklagten Stadt in Aussicht gestellt. Die beklagte Stadt hat behauptet, in der Betriebsversammlung sei allenfalls bekannt gegeben worden, dass eine Weiterbeschäftigung bei der Bundesagentur für Arbeit wegen einer Erschöpfung des Stellenkontingents nicht möglich sei, allerdings eine von der Eignung des jeweiligen Mitarbeiters abhängig zu machende „Übernahme“ der befristet Beschäftigten durch die Beklagte erfolgen könne.

4

Mit Arbeitsvertrag vom 14./27. Juli 2009 wurde die Klägerin bei der Beklagten eingestellt. Der Arbeitsvertrag hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

        

„§ 1   

        

Frau K wird ab 01.08.2009 in der Tätigkeit als Verwaltungsangestellte in der ARGE (Arbeitsgemeinschaft gem. § 44 b SGB II zwischen der Agentur für Arbeit in K und der Stadt K) unter Eingruppierung in die Entgeltgruppe 6 (§ 17 TVÜ-VKA) eingestellt, und zwar ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1966) in der jeweils geltenden Fassung bis zum 31.12.2010.

        

Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt 51,28 % der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Kraft, zurzeit 20,00 Stunden.

        

§ 2     

        

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) für die Verwaltung und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung einschließlich des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVÖD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA). Außerdem finden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.

        

…       

        

§ 4     

        

Die Beschäftigung erfolgt in K.

        

Die tariflichen Vorschriften über die Versetzung, Abordnung, Zuweisung und Personalgestellung bleiben unberührt. Insbesondere ist der Arbeitgeberin unbenommen, der Beschäftigten aus dienstlichen bzw. betrieblichen Gründen eine andere Tätigkeit im Rahmen der Entgeltgruppe zuzuweisen.“

5

Der Arbeitsplatz und das Aufgabengebiet der Klägerin änderten sich nicht; sie war weiterhin im Servicecenter im selben Büro und am selben PC tätig. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde in weiteren Fällen „umgekehrt“ verfahren: Arbeitnehmer erhielten zunächst einen befristeten Vertrag mit der Beklagten und wechselten später zur Bundesagentur für Arbeit, wo sie wiederum befristet angestellt wurden.

6

Mit ihrer am 20. Januar 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 2. Februar 2011 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund der Befristung zum 31. Dezember 2010 gewandt. Sie hat die Auffassung vertreten, die mit der Beklagten vereinbarte sachgrundlose Befristung sei unwirksam. Bei dem die Zulässigkeit einer sachgrundlosen Befristung ausschließenden Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei es im Falle rechtlich und tatsächlich verbundener Arbeitgeber bereits aus unionsrechtlichen Gründen geboten, als „denselben Arbeitgeber“ nicht nur den Vertragsarbeitgeber zu verstehen. Im Übrigen sei die Befristung rechtsmissbräuchlich.

7

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten nicht aufgrund der Befristung zum 31. Dezember 2010 geendet hat, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 31. Dezember 2010 hinaus fortbesteht.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Befristung bedürfe nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG keiner sachlichen Rechtfertigung und sei damit zulässig. Die Befristung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich verabredet worden. Sie - die Beklagte - greife selbstverständlich bei der Einstellung neuer Mitarbeiter für eine Tätigkeit im Jobcenter auf Personen zurück, die dort zuvor schon tätig gewesen seien und demnach über hinreichende Berufserfahrung verfügten. Die Vertragsgestaltung sei im Übrigen den gesetzlichen Rahmenbedingungen des SGB II geschuldet. Die nur befristete Einstellung der Klägerin finde ihre Erklärung darin, dass die Entwicklung der Fallzahlen und des damit einhergehenden Bearbeitungsaufwandes nicht sicher habe prognostiziert werden können. Damit bestünden Gründe, die belegten, dass die Beklagte nicht zum Nachteil der Klägerin mit der Bundesagentur für Arbeit planmäßig zusammengewirkt habe.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden. Aufgrund der getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Befristung zum 31. Dezember 2010 geendet hat.

11

I. Der Antrag ist zulässig. Mit ihm verfolgt die Klägerin ausschließlich eine Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG. Dem Antragswortlaut „… sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 31.12.2010 hinaus fortbesteht“ (dessen Formulierung im Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils übernommen ist) kommt keine eigenständige Bedeutung im Sinn einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zu. Dies ergibt die Auslegung des Klageantrags unter Hinzuziehung der Klagebegründung. Streitgegenstand ist (allein) die Kontrolle der im Arbeitsvertrag vom 14./27. Juli 2009 vereinbarten fristbestimmten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2010. Andere Beendigungstatbestände sind zwischen den Parteien nicht im Streit. Der Befristungskontrollantrag nach § 17 Satz 1 TzBfG ist ferner hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die angegriffene Befristung ist konkret bezeichnet.

12

II. Ob die kalendermäßige Befristung (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, § 15 Abs. 1 TzBfG) wirksam oder unwirksam ist, kann aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

13

1. Die Befristung gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam, denn die Klägerin hat deren Rechtsunwirksamkeit rechtzeitig geltend gemacht. Mit ihrer am 20. Januar 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten alsbald zugestellten Klage hat sie die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG eingehalten.

14

2. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass der Zulässigkeit der streitbefangenen Befristung das sog. Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegensteht.

15

a) Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Diese Voraussetzungen sind bei der im Arbeitsvertrag vom 14./27. Juli 2009 vereinbarten Befristung eingehalten. Die Klägerin und die Beklagte haben ein befristetes Arbeitsverhältnis für die Zeit vom 1. August 2009 bis zum 31. Dezember 2010 vereinbart.

16

b) Die sachgrundlose Befristung ist nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG unzulässig. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts steht die Vorbeschäftigung der Klägerin bei der Bundesagentur für Arbeit der Zulässigkeit der streitbefangenen Befristung nicht entgegen.

17

aa) Eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

18

(1) „Arbeitgeber“ iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist der Vertragsarbeitgeber. Das ist die natürliche oder juristische Person, die mit dem Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag geschlossen hat. Ein vorhergehender Arbeitsvertrag hat deshalb nur dann mit demselben Arbeitgeber bestanden, wenn Vertragspartner des Arbeitnehmers bei beiden Verträgen dieselbe natürliche oder juristische Person ist (st. Rspr. des Senats vgl. zuletzt BAG 4. Dezember 2013 - 7 AZR 290/12 - Rn. 17 f.; 9. März 2011 - 7 AZR 657/09 - Rn. 18 mwN; 18. Oktober 2006 - 7 AZR 145/06 - Rn. 13 mwN, BAGE 120, 34). Das Anschlussverbot ist nicht mit dem Beschäftigungsbetrieb oder dem Arbeitsplatz verknüpft (vgl. hierzu BAG 16. Juli 2008 - 7 AZR 278/07 - Rn. 13, BAGE 127, 140; 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 30, BAGE 121, 18). Der Gesetzgeber hat für die Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung auf den rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit dem Vertragsarbeitgeber abgestellt, nicht auf eine Beschäftigung für den Betriebsinhaber oder -träger (ausf. BAG 18. Oktober 2006 - 7 AZR 145/06 - Rn. 26, aaO). Anders als von der Klägerin in der Revisionserwiderung ausgeführt, gebietet auch der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TzBfG kein anderes Verständnis. Es ist richtig, dass der bei dem Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verwandte Ausdruck „Arbeitsverhältnis“ ein anderer ist als der bei der Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG verwandte Begriff eines „Arbeitsvertrages“. Bei dem Anschlussverbot ist aber auch der sprachliche Ausdruck „mit demselben Arbeitgeber“ verwandt. In der Wortbedeutung drückt diese Formulierung („demselben“) gerade aus, dass ein zuvor bestandenes „Arbeitsverhältnis“ mit einem anderen Arbeitgeber der Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung nicht entgegenstehen soll.

19

(2) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist der Senat nicht aus unionsrechtlichen Gründen gehindert, an dieser Rechtsprechung festzuhalten.

20

(a) Die Zulässigkeit und die Voraussetzungen der Befristung von Arbeitsverträgen sind in der Bundesrepublik Deutschland insbesondere im Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge geregelt, das der Umsetzung des § 5 Nr. 1 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge(Rahmenvereinbarung) im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 (Richtlinie 1999/70) dient. Nach § 5 der Rahmenvereinbarung ergreifen die Mitgliedstaaten, um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu vermeiden, eine oder mehrere der in § 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen. Entschließt sich ein Mitgliedstaat zu einer dieser Maßnahmen oder zu mehreren, hat er das unionsrechtlich vorgegebene Ziel der Verhinderung des Missbrauchs von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen zu gewährleisten (vgl. EuGH 23. April 2009 - C-378/07 ua. - [Angelidaki] Rn. 94, 95 mwN, Slg. 2009, I-3071). Wie der Gerichtshof der Europäischen Union - Gerichtshof (EuGH) - in mehreren Entscheidungen ausgeführt und geklärt hat, ist es Aufgabe der nationalen Gerichte, im Rahmen ihrer Zuständigkeit diesem Ziel bei der Auslegung der nationalen Vorschriften Rechnung zu tragen (vgl. EuGH 23. April 2009 - C-378/07 ua. - [Angelidaki] Rn. 106, aaO; 7. September 2006 - C-53/04 - [Marrosu und Sardino] Rn. 56, Slg. 2006, I-7213; 7. September 2006 - C-180/04 - [Vassallo] Rn. 41, Slg. 2006, I-7251). Es obliegt den Stellen des Mitgliedstaates, stets alle Umstände des Einzelfalls zu prüfen (EuGH 26. Januar 2012 - C-586/10 - [Kücük] Rn. 40 mwN).

21

(b) Der unionsrechtlich vorgegebenen Missbrauchskontrolle ist mit der - bereits nach nationalem Recht gebotenen - Rechtsmissbrauchs-, Vertragsgestaltungs- oder Umgehungskontrolle (§ 242 BGB) Rechnung getragen (BAG 4. Dezember 2013 - 7 AZR 290/12 - Rn. 21; vgl. zur Missbrauchskontrolle einer sachgrundlosen Befristung - ohne unionsrechtlichen Bezug - BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 525/11 -; vgl. zum institutionellen Rechtsmissbrauch bei Kettenbefristungen BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 38 ff., BAGE 142, 308). Bei der Prüfung, ob die Ausnutzung der durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten rechtsmissbräuchlich ist, sind die unionsrechtlichen Vorgaben zu beachten (vgl. BAG 9. März 2011 - 7 AZR 657/09 - Rn. 21). Unter Berücksichtigung dieser Möglichkeit, missbräuchliche Gestaltungen zu prüfen und zu verhindern, widerspricht es nicht dem Ziel der Rahmenvereinbarung im Anhang zur Richtlinie 1999/70 - den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse zu verhindern (vgl. ua. den 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/70) -, unter „demselben Arbeitgeber“ iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nur den Vertragsarbeitgeber zu verstehen(vgl. BAG 4. Dezember 2013 - 7 AZR 290/12 - Rn. 21).

22

(c) Anders als es das Landesarbeitsgericht angenommen hat, zwingt der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Gerichtshof) verankerte Effektivitätsgrundsatz - Gebot des effet utile - zu keiner anderen Interpretation des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG.

23

(aa) Die Mitgliedstaaten sind für den wirksamen Schutz der aus dem Unionsrecht folgenden Rechte in jedem Einzelfall verantwortlich. Dabei dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende innerstaatliche Klagen (Grundsatz der Gleichwertigkeit, auch: Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität, vgl. - mit Bezug auf die Rahmenvereinbarung im Anhang der Befristungsrichtlinie - EuGH 15. April 2008 - C-268/06 - [Impact] Rn. 46 mwN, Slg. 2008, I-2483). Hinsichtlich des Effektivitätsgrundsatzes hat der Gerichtshof mehrfach ausgeführt, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie zB der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (EuGH 5. Dezember 2013 - C-413/12 - [Asociación de Consumidores Independientes de Castilla y León] Rn. 34 mwN; 15. April 2008 - C-268/06 - [Impact] Rn. 46, aaO; 13. März 2007 - C-432/05 - [Unibet] Rn. 43, Slg. 2007, I-2271; 16. Dezember 1976 - 33/76 - [Rewe-Zentralfinanz und Rewe-Zentral] Rn. 5; vgl. zur Auslegung von § 3 Abs. 2 AGG entsprechend dem unionsrechtlichen Gebot des effet utile BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 27, BAGE 137, 80).

24

(bb) Dem Gebot des effet utile ist bei der Verhinderung eines missbräuchlichen Einsatzes aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge im nationalen Recht durch die Möglichkeit, abusive, also missbräuchliche Gestaltungen zu prüfen und zu verhindern, genügt. Im Zusammenhang mit dieser Prüfung gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast (hierzu BAG 4. Dezember 2013 - 7 AZR 290/12 - Rn. 26).

25

(aaa) Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beschränkt als Gebot der Redlichkeit und allgemeine Schranke der Rechtsausübung sowohl subjektive Rechte als auch die Inanspruchnahme von Rechtsinstituten und Normen. Die sich aus einem Rechtsinstitut oder einer Rechtsnorm an sich ergebenden Rechtsfolgen müssen zurücktreten, wenn sie zu einem mit Treu und Glauben unvereinbaren Ergebnis führen. Dies ist ua. der Fall, wenn ein Vertragspartner eine an sich rechtlich mögliche Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm und des Rechtsinstituts nicht vorgesehen sind. Auch die Ausnutzung der durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten kann unter bestimmten Voraussetzungen rechtsmissbräuchlich sein, etwa wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge mit einem Arbeitnehmer ausschließlich deshalb schließen, um auf diese Weise über die nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können(vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 525/11 - Rn. 17 mwN; zum Beschäftigungsförderungsgesetz vgl. BAG 25. April 2001 - 7 AZR 376/00 - zu IV 1 a der Gründe, BAGE 97, 317). Bei einer rechtsmissbräuchlichen Ausnutzung der Zulässigkeit sachgrundloser Befristungsmöglichkeiten nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG - konkret: bei einer Umgehung des Anschlussverbots nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG - besteht die mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende Rechtsfolge nicht in dem Vertragsschluss „an sich“, sondern in der Rechtfertigung der in dem Vertrag vereinbarten Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG. Der unredliche Vertragspartner kann sich auf eine solche Befristung nicht berufen (ausf. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 525/11 - Rn. 26 mwN).

26

(bbb) Nach allgemeinen Grundsätzen ist darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen einer missbräuchlichen Vertragsgestaltung derjenige, der eine solche geltend macht, bei einer Befristungsabrede also regelmäßig der Arbeitnehmer. Allerdings ist insoweit den Schwierigkeiten, die sich aus den fehlenden Kenntnismöglichkeiten des Arbeitnehmers ergeben, durch die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen. Es genügt zunächst, dass der Arbeitnehmer - soweit er die Überlegungen des Arbeitgebers, die zu der Befristung geführt haben, nicht kennt - einen Sachverhalt vorträgt, der die Missbräuchlichkeit der Befristung nach § 242 BGB indiziert. Entsprechende Indizien sind neben den Umständen, aus denen sich die rechtliche und tatsächliche Verbundenheit zwischen dem vormaligen und dem letzten Vertragsarbeitgeber ergibt, insbesondere der nahtlose Anschluss des mit dem neuen Vertragsarbeitgeber geschlossenen befristeten Arbeitsvertrags an den befristeten Vertrag mit dem vormaligen Vertragsarbeitgeber, eine ununterbrochene Beschäftigung auf demselben Arbeitsplatz oder in demselben Arbeitsbereich (vor allem, wenn sie vertraglich zugesichert ist) zu auch im Übrigen - im Wesentlichen - unveränderten oder gleichen Arbeitsbedingungen, die weitere Ausübung des Weisungsrechts durch den bisherigen Vertragsarbeitgeber oder eine ohnehin gemeinsame Ausübung des Weisungsrechts, die „Vermittlung“ des Arbeitnehmers an den letzten Vertragsarbeitgeber durch den vormaligen Vertragsarbeitgeber und ein erkennbar systematisches Zusammenwirken von bisherigem und neuem Arbeitgeber. Der Arbeitgeber muss sich sodann nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen auf diesen Vortrag einlassen. Er kann einzelne Tatsachen konkret bestreiten oder Umstände vortragen, welche den Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen. Insbesondere kann er dabei auch die - für den Arbeitnehmer häufig nicht ohne weiteres erkennbaren - Gründe für den Arbeitgeberwechsel darlegen. Trägt der Arbeitgeber nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der schlüssige Sachvortrag des Arbeitnehmers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Gelingt es dem Arbeitgeber, die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Indizien für ein missbräuchliches Vorgehen zu erschüttern, bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Arbeitnehmer darlegen und beweisen muss, der letzte Vertragsarbeitgeber habe die Befristung in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit dem vormaligen Vertragsarbeitgeber nur deshalb vereinbart, um auf diese Weise über die nach § 14 Abs. 2 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können(BAG 4. Dezember 2013 - 7 AZR 290/12 - Rn. 26). Diese abgestufte Darlegungs- und Beweislast trägt (auch) dem Gebot des effet utile Rechnung. Angesichts der Darlegungserleichterungen für den Arbeitnehmer ist die Ausübung des durch die Rahmenvereinbarung im Anhang zur Richtlinie 1999/70 vorgegebenen Rechtsziels nicht praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert.

27

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Landesarbeitsgericht unzutreffend davon ausgegangen, dass im Streitfall eine Zuvorbeschäftigung iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG vorliegt. Die Klägerin war vom 1. August 2007 bis zum 31. Juli 2009 bei der Bundesagentur für Arbeit beschäftigt. Die Beklagte ist eine andere juristische Person und nicht iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG derselbe Arbeitgeber.

28

c) Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts bedingt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat - von seinem Standpunkt aus konsequent - nicht geprüft, ob es der Beklagten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist, sich auf die Befristungsmöglichkeit des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG zu berufen. Demzufolge hat es auch die einer Missbrauchsprüfung zugrunde liegenden Tatsachen zumindest nicht abschließend festgestellt. Dies wird es - unter Berücksichtigung vor allem der in der Entscheidung des Senats vom 4. Dezember 2013 (- 7 AZR 290/12 -) aufgestellten Grundsätze - nachzuholen haben.

        

    Zwanziger    

        

    Kiel    

        

    Schmidt    

        

        

        

    Glock    

        

    Peter Klenter    

                 

Tenor

1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. April 2016 - 3 Sa 310/15 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 34.929,60 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

I. Die Grundsatzbeschwerde (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) ist unbegründet.

3

1. Die von der Beschwerde unter C I 1 a, b, c, e, f, i, l, m, q und s aufgeworfenen Rechtsfragen haben bereits deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie geklärt sind.

4

a) Eine Frage ist nur dann klärungsbedürftig, wenn sie entweder noch nicht höchstrichterlich entschieden ist oder zwar entschieden ist, aber gewichtige Gesichtspunkte gegen diese Entscheidung vorgebracht werden. Klärungsbedürftigkeit setzt damit voraus, dass die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage zweifelhaft ist (BVerfG 4. November 2008 - 1 BvR 2587/06 - Rn. 19; BAG 13. Juni 2006 - 9 AZN 226/06 - Rn. 7, BAGE 118, 247).

5

b) Die Beantwortung der og., von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen ist nicht zweifelhaft.

6

aa) Die Rechtsfragen unter C I 1 a, b, i und s betreffen in unterschiedlicher Formulierung die Frage, welche Bedeutung die in § 3 Ziff. 2 TV SozSich normierte Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich nach der Kündigung beim Arbeitsamt arbeitsuchend und nach der Entlassung arbeitslos zu melden, für einen nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich geforderten Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe hat. Durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist geklärt, dass Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich bereits dann zusteht, wenn der Arbeitnehmer eine Beschäftigung von mehr als 21 Stunden ausübt, sofern kein Scheinarbeitsverhältnis vorliegt. Weitere Voraussetzungen für diesen Anspruch sind tariflich nicht normiert. Damit ist zugleich geklärt, dass der Arbeitnehmer, der eine anspruchsauslösende Beschäftigung ausübt, sich nicht noch zusätzlich arbeitsuchend bzw. arbeitslos melden muss, um den Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich zu erlangen. Dies ist zudem offenkundig.

7

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Überbrückungsbeihilfe eine steuerfinanzierte soziale Sonderleistung. Mit ihr sollen Nachteile, die sich aus einem geringeren Arbeitsverdienst in einem neuen Arbeitsverhältnis außerhalb der Stationierungsstreitkräfte oder aufgrund von Arbeitslosigkeit ergeben, überbrückt werden. Zugleich soll ein Anreiz dafür geschaffen werden, dass der Arbeitnehmer durch die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte im Arbeitsprozess verbleibt (zuletzt BAG 22. September 2016 - 6 AZR 397/15 - Rn. 15). Der Senat hat weiter wiederholt und noch in jüngster Vergangenheit entschieden, dass sich die Anreizwirkung des § 4 TV SozSich vor allem durch die Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich entfaltet. Diese hält den Arbeitnehmer dazu an, im tariflich festgelegten Mindestbeschäftigungsumfang von mehr als 21 Stunden zu arbeiten. Der Senat hat dabei klargestellt, dass sich die Tarifvertragsparteien bewusst für eine Begrenzung auf eine Mindestarbeitszeit, nicht aber für eine Mindesthöhe des anderweitigen Entgelts entschieden haben. Ihnen kam es offenkundig nicht darauf an, sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer ein Mindestmaß an Einkommen erzielt, um so die Leistungen des Bundes zu mindern. Sie wollten lediglich erreichen, dass der Arbeitnehmer eine Erwerbstätigkeit in einem Umfang ausübte, mit dem er nicht mehr als arbeitslos galt, und sich so wieder in den Arbeitsmarkt eingliederte; zugleich wollten sie eine Abgrenzung von dem Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe als Aufstockung zu den Leistungen der Arbeitsverwaltung bei Arbeitslosigkeit gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich vornehmen. Der Senat hat außerdem ausdrücklich klargestellt, dass weitere Voraussetzungen für den Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich nicht bestehen und die Tarifvertragsparteien zwar das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs erkannt haben, sie gleichwohl aber die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur an eine Mindestarbeitszeit, nicht aber an einen Mindestlohn geknüpft haben. Schließlich hat er deutlich gemacht, dass die Gerichte an diese von der Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien geschützte Entscheidung gebunden sind (BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 21 f.; 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - zu II 1 und 2 der Gründe).

8

(2) Entgegen der auf S. 39 und S. 43 f. der Beschwerdebegründung geäußerten Ansicht der Beklagten beziehen sich vorstehend zusammengefasste Aussagen des Senats nicht nur auf die „Qualität der anderweitigen Tätigkeit“, ohne andere Anspruchsvoraussetzungen zu klären. Sie enthalten vielmehr fallübergreifende und nach wie vor gültige Aussagen zum Bedeutungsgehalt der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich und zu den sich daraus ergebenden Anforderungen an eine Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte, die einen Anspruch des früheren Arbeitnehmers der Stationierungsstreitkräfte auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich auslöst.

9

(3) Durch diese Rechtsprechung ist geklärt, jedenfalls aber offenkundig, dass die den zu C I 1 a, b, i und s formulierten Fragen zugrunde liegende Annahme der Beklagten nicht zutrifft, aus § 3 Ziff. 2 TV SozSich lasse sich als weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich die Verpflichtung des Arbeitnehmers entnehmen, sich arbeitsuchend zu melden.

10

(a) Die Beklagte nimmt dabei bereits den Wortlaut des § 3 Ziff. 2 TV SozSich nicht zur Kenntnis. Danach hat sich der Arbeitnehmer nach der Kündigung arbeitsuchend, nach der Entlassung aber arbeitslos zu melden. Die von der Beklagten der tariflichen Regelung entnommene Verpflichtung, sich noch nach der Entlassung, dh. nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG 15. Dezember 2016 - 6 AZR 478/15 -; 20. Mai 1999 - 6 AZR 601/97 - zu II 1 a der Gründe) „arbeitsuchend“ zu melden, besteht schon nach dem unzweideutigen Tarifwortlaut des § 3 Ziff. 2 TV SozSich nicht.

11

(b) Darüber hinaus ist durch die Rechtsprechung des Senats sowie des Bundessozialgerichts geklärt, dass ein Arbeitnehmer, der eine Beschäftigung im vom TV SozSich verlangten Mindestumfang von mehr als 21 Stunden ausübt, nicht arbeitslos ist und sich darum auch nicht mehr gemäß § 3 Ziff. 2 TV SozSich nach seiner Entlassung arbeitslos melden kann. Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer gemäß § 138 Abs. 1 SGB III nur dann, wenn er beschäftigungslos ist (Nr. 1), sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Nr. 2), und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Nr. 3). Aus § 138 Abs. 1 Nr. 1 iVm. Abs. 3 Satz 1 SGB III folgt im Umkehrschluss, dass eine Erwerbstätigkeit von 15 Stunden wöchentlich und mehr die Beschäftigungslosigkeit ausschließt (BSG 3. Dezember 2009 - B 11 AL 28/08 R - Rn. 11 zur Vorgängerbestimmung § 119 Abs. 3 Satz 1 SGB III aF; vgl. auch BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 24). Ein Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis mit einer vereinbarten Arbeitszeit von mehr als 21 Stunden ist darum nicht arbeitslos.

12

(c) Vor diesem höchstrichterlich entschiedenen sozialversicherungsrechtlichen Hintergrund ist geklärt, jedenfalls aber offenkundig, dass der Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich nicht davon abhängt, dass der Arbeitnehmer sich gemäß § 3 Ziff. 2 TV SozSich nach der Kündigung arbeitsuchend und nach seiner Entlassung arbeitslos meldet. Daraus folgt zugleich, dass das von der Beschwerde auf S. 109 der Beschwerdebegründung aufgeworfene Gleichheitsproblem nicht besteht. Entgegen den Ausführungen auf S. 58 f. der Beschwerdebegründung folgt aus dem weit gefassten Zumutbarkeitsbegriff des § 2 Ziff. 3 Satz 2 TV SozSich iVm. § 1 Ziff. 3 ff. KSch TV und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt 17. März 2016 - 6 AZR 92/15 - Rn. 18 f.) nichts anderes. Diese Bestimmungen sollen so weit als möglich sicherstellen, dass Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz gerade nicht verlieren. Darum sollen sie eher weiter entfernt tätig werden müssen, als aus dem Arbeitsprozess ausscheiden (BAG 17. März 2016 - 6 AZR 92/15 - Rn. 19). Dagegen soll der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe den Besitzstand der Arbeitnehmer sichern, die gleichwohl ihren Arbeitsplatz verloren haben. Dieser unterschiedliche Bedeutungsgehalt ist offenkundig und bedarf daher keiner Klärung durch die Zulassung der Revision.

13

(d) § 3 Ziff. 2 TV SozSich hat damit nur Bedeutung für den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich. Dies hat im Übrigen die Beklagte in der Ausgangsfassung ihrer Erläuterungen und Verfahrensrichtlinien zur Durchführung des TV SozSich als Anlage zum Schreiben des BMWF vom 31. August 1971 (- F/Z B 5 - P 2300 - 36/71 -) selbst so verstanden. Darin heißt es zu § 3 Ziff. 2:

        

„Die Meldung des entlassenen Arbeitnehmers beim Arbeitsamt und seine Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung sind Voraussetzung zur Erlangung der Leistungen nach dem AFG; sie sind insoweit auch Voraussetzung eines Anspruchs auf Überbrückungsbeihilfe zu diesen Leistungen.

        

…“    

14

bb) Auch die von der Beschwerde unter C I 1 c, f, l und m aufgeworfenen Rechtsfragen, die in unterschiedlich formulierter Weise die Frage betreffen, wann das außerhalb der Stationierungsstreitkräfte begründete Arbeitsverhältnis rechtsmissbräuchlich gestaltet ist, so dass kein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich besteht, sind geklärt.

15

(1) Durch die in Rn. 7 dieses Beschlusses genannten Entscheidungen ist geklärt, dass sich die Anreizwirkung des § 4 TV SozSich vor allem durch den Mindestbeschäftigungsumfang entfaltet, der sich aus der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich ergibt. Die Beklagte mag diese Anreizwirkung für zu schwach ausgeprägt halten, sie übersieht jedoch bei ihren Ausführungen, insbesondere auf S. 17 bis S. 23 der Beschwerdebegründung, dass der Tarifvertrag weitere Anreize unzweideutig nicht schafft. Die Gleichwertigkeit zwischen dem neuen Arbeitsplatz und dem bei den Stationierungsstreitkräften weggefallenen Arbeitsplatz steht entgegen der von der Beschwerde auf S. 19 vertretenen Auffassung gerade nicht im Vordergrund. Die Tarifvertragsparteien haben lediglich einen Mindestbeschäftigungsumfang festgelegt, ohne ein bestimmtes Entgelt oder ein bestimmtes Beschäftigungsniveau zu verlangen. Sie wollten nicht sicherstellen, dass der Arbeitnehmer ein Mindestmaß an Einkommen erzielt, um so die Leistungen des Bundes zu mindern (BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 993/12 - Rn. 22).

16

(2) Die von der Beschwerde auf S. 63 der Begründung zitierte Passage aus der Entscheidung des Senats vom 31. Juli 2014 (- 6 AZR 993/12 - Rn. 24) ist aus dem Zusammenhang gerissen. Ihr lässt sich, anders als die Beschwerde annimmt, keineswegs entnehmen, dass der Vorgang der Wiedereingliederung „verschiedene Ausbaustufen“ haben kann und es verschiedenartige Tätigkeiten gebe, die das Ziel der Wiedereingliederung in unterschiedlichen Maßen verwirklichten. Die von der Beschwerde herangezogene Passage bezieht sich vielmehr unzweideutig nur auf die Frage, ob die Differenzierung zwischen Teilzeitbeschäftigten, die mehr oder weniger als 21 Stunden wöchentlich arbeiten, im Hinblick auf die seit Abschluss des TV SozSich im Jahre 1971 eingetretenen Änderungen im Sozialversicherungsrecht weiterhin gerechtfertigt ist. Wäre das vom Senat verneint worden, hätte dies nicht „verschiedene Ausbaustufen der Wiedereingliederung“, sondern unter Umständen die Unwirksamkeit der von der Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich geforderten Mindestbeschäftigungsdauer zur Folge gehabt, so dass jede noch so geringfügige Beschäftigung den Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich auslösen würde.

17

(3) Der Hinweis auf S. 20 der Beschwerdebegründung auf die „amtlichen Erläuterungen zum TV SozSich“ begründet ebenso wenig einen Klärungsbedarf wie der Hinweis auf das auf S. 40 f. der Beschwerdebegründung zitierte Bulletin sowie auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung, auf das sich die Beschwerde ua. auf S. 41 und S. 56 der Beschwerdebegründung stützt. Einseitige Auslegungen der Beklagten als Tarifvertragspartei sind wie die Rundschreiben einer Tarifvertragspartei kein Hilfsmittel der Auslegung für tarifliche Normen, wenn ihr Inhalt in diesen wie vorliegend keinen Ausdruck findet (vgl. BAG 23. September 2010 - 6 AZR 338/09 - Rn. 18, BAGE 135, 318). Das gilt erst recht, wenn sich der Hinweis, auf den sich die Beschwerde auf S. 20 der Beschwerdebegründung im zweiten Absatz stützt, lediglich aus einem von der Beklagten erstellten Merkblatt ergibt. Der in diesem Merkblatt zum Ausdruck kommende, von den wirtschaftlichen Interessen der Beklagten getragene Wunsch hat im Tarifvertrag keinen Niederschlag gefunden.

18

(4) Bei ihren Ausführungen auf S. 21 bis S. 23 der Beschwerdebegründung, dass die Tarifvertragsparteien bei der Festlegung der Mindestbeschäftigungsdauer von den Gegebenheiten und Auffassungen der frühen 70er Jahre ausgegangen seien, übersieht die Beklagte, dass die Tarifvertragsparteien die von der Klägerin in Anspruch genommene Gestaltungsmöglichkeit auch schon im Jahr 1971 bei Abschluss des Tarifvertrags hätten unterbinden können, aber nicht unterbunden haben, sondern nur einen Mindestbeschäftigungsumfang von mehr als 21 Stunden verlangt haben.

19

(5) Die von der Beschwerde auf S. 47 der Begründung herangezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Juni 2006 (- 9 AZR 229/05 - BAGE 118, 252) betrifft die gänzlich andersgelagerte Frage der Anforderungen an eine stufenweise Wiedereingliederung eines Arbeitnehmers in das Erwerbsleben nach § 28 SGB IX. Die Ausführungen aus der Entscheidung vom 13. Juni 2006 können für die Frage, ob eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt im Sinne des TV SozSich vorliegt, nicht herangezogen werden und deshalb einen Klärungsbedarf ebenfalls nicht begründen.

20

(6) Die Beschwerde übersieht bei ihrer auf die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit der arbeitsrechtlichen Ausgestaltung der Arbeitsverträge, die von den Stationierungsstreitkräften entlassene Arbeitnehmer schließen, zielenden Argumentation, dass in der Ausnutzung rechtlich eröffneter Gestaltungsmöglichkeiten keine unzulässige Umgehung von Rechtsnormen liegt (BAG 27. November 2008 - 6 AZR 632/08 - Rn. 28 f., BAGE 128, 317). Arbeitnehmer, die Arbeitsverträge mit einer Beschäftigungsdauer von mehr als 21 Stunden schließen, nutzen - anders als ein zuvor arbeitsloser Arbeitnehmer, der im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit seiner Rentenberechtigung ein Arbeitsverhältnis begründet, um sich weiterhin den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zu sichern - lediglich tariflich eröffnete Gestaltungsmöglichkeiten, die ihnen von den Tarifvertragsparteien eingeräumt worden sind (vgl. zur nicht eröffneten Gestaltungsmöglichkeit bei Wegfall der Anspruchsgrundlage nach § 4 Ziff. 1 TV SozSich BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 383/12 - Rn. 14 f.). Ein Rechtsmissbrauch liegt darum entgegen der Ansicht der Beschwerdebegründung nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer weniger Wochenstunden arbeitet als zuvor bei den Stationierungsstreitkräften oder der Arbeitnehmer unterhalb seines Qualifikationsniveaus bzw. seiner Berufserfahrung arbeitet. Insbesondere liegt eine Rechtsmissbräuchlichkeit nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer „punktgenau“ die tarifliche Mindestbeschäftigungsdauer vereinbart.

21

cc) Die von der Beschwerde unter C I 1 e formulierte Frage zur Erreichung des Ziels der Eingliederung in den Arbeitsprozess iSv. § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich ist durch die Entscheidungen des Senats vom 31. Juli 2014 (- 6 AZR 993/12 - Rn. 22 f.) sowie vom 22. Dezember 1994 (- 6 AZR 337/94 -) aus vorstehend genannten Gründen geklärt.

22

dd) Auch die unter C I 1 q aufgeworfene Rechtsfrage zur Beweislast für ein rechtsmissbräuchliches Arbeitsverhältnis ist nicht klärungsbedürftig. Diese Beweislast richtet sich nach den allgemeinen Beweislastverteilungsgrundsätzen. Wer sich auf ein Scheingeschäft beruft, trägt dafür die Beweislast. Das gilt auch für die Behauptung, bei einem Arbeitsvertrag handele es sich um ein Scheingeschäft (BAG 18. September 2014 - 6 AZR 145/13 - Rn. 23). Nach dem allgemeinen Grundsatz, dass derjenige die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt, wer den Anspruch erhebt, ist derjenige, der sich auf einen Rechtsmissbrauch oder die Sittenwidrigkeit beruft, für das Vorliegen von Umständen, die eine solche Einschätzung rechtfertigen, darlegungs- und beweispflichtig (vgl. BAG 27. Juni 2012 - 5 AZR 496/11 - Rn. 13). Nichts anderes gilt für die Frage der Sittenwidrigkeit oder Rechtsmissbräuchlichkeit eines von einem ehemaligen Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte begründeten Arbeitsverhältnisses (BAG 22. Dezember 1994 - 6 AZR 337/94 - zu II 3 der Gründe).

23

c) Die Tatsache, dass die unter I 1 b dieses Beschlusses erörterten Rechtsfragen geklärt sind, wird dadurch bestätigt, dass die Erwägung der Beklagten zu der von ihr für richtig gehaltenen Auslegung des TV SozSich weit überwiegend dem tarifpolitischen Bereich oder anderen, mit dem TV SozSich nicht vergleichbaren Regelungen entnommen sind. Sie betreffen eine aus Sicht der Beklagten verfehlte Anreizwirkung, die den Arbeitnehmer, wie sie auf S. 48 der Beschwerdebegründung ausführt, „ermunterten“, sich auf ihre Kosten „auszuruhen“. Dass die vorstehend wiedergegebene Rechtsprechung außer von ihr noch von Gerichten oder im Schrifttum in Zweifel gezogen wird, legt sie dagegen nicht dar. Die Beklagte will lediglich ihre Interpretation vom Begriff der Überbrückungsbeihilfe, wie sie sie auf S. 66 ff. entwickelt, und den sich daraus ergebenden Anspruchsvoraussetzungen für eine solche Zahlung an die Stelle der tariflichen Ausgestaltung dieser steuerfinanzierten Sonderzahlung in ihrer Interpretation durch den Senat setzen. Ihr Ziel eines Tarifinhalts, der ihre wirtschaftlichen Interessen besser berücksichtigt, kann sie jedoch nicht durch den Einwand erreichen, der langjährige Bezug von Überbrückungsbeihilfe in Fällen wie denen der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich, sondern nur durch Tarifvertragsverhandlungen. Darum stellt sich die auf S. 30 der Beschwerdebegründung im dritten Absatz angesprochene Frage nicht.

24

2. Die unter C I 1 d, o und p aufgeworfenen Fragen, die die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auf S. 28 f., eher im Gegenteil sei davon auszugehen, dass das Verhalten der Beklagten widersprüchlich sei, betreffen, sind nicht entscheidungserheblich. Diese Überlegungen sind nicht tragend, sondern vom Landesarbeitsgericht lediglich ergänzend angestellt worden. Entgegen der auf S. 38 der Beschwerdebegründung geäußerten Auffassung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht dadurch nicht die an die Klägerin zu stellenden Anforderungen relativiert. Auf die auf S. 51 f. der Begründung angesprochene Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Tätigwerden der Beklagten zu verlangen ist, kommt es darum nicht an.

25

3. Auch die unter C I 1 g, h, j und k sowie r formulierten Rechtsfragen sind nicht entscheidungserheblich. Die Rechtsfragen zu C I 1 g, h, j und k können zudem nur abhängig von den Umständen des Einzelfalls beantwortet werden und sind bereits darum nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

26

a) Die unter C I 1 g und h formulierten Fragen sind nicht entscheidungserheblich. Das Landesarbeitsgericht hat es entgegen der auf S. 42 der Beschwerdebegründung dargelegten Annahme der Beklagten nicht für das Vorliegen der tariflich erforderlichen Stundenzahl bzw. arbeitsvertraglichen Leistungen ausreichen lassen, dass der Arbeitgeber vermute, dass derartige Leistungen erbracht werden. Das Landesarbeitsgericht hat lediglich nicht beanstandet, dass der Zeuge nicht minuziös angeben konnte, wie viele Stunden die Klägerin an welchen Tagen tatsächlich gearbeitet habe.

27

b) Den unter C I 1 j und k formulierten Rechtsfragen fehlt ebenfalls die Entscheidungserheblichkeit. Das Landesarbeitsgericht hat entgegen der auf S. 45 der Beschwerdebegründung geäußerten Annahme der Beklagten nicht die Prüfung eines Rechtsmissbrauchs immer dann abgelehnt, wenn Rechtsmissbrauch nicht tatbestandlich erwähnt wird. Es ist auf S. 27 der anzufechtenden Entscheidung, anders als die Beklagte auf S. 46 der Beschwerdebegründung annimmt, auch nicht davon ausgegangen, es liege eine bewusste Regelungslücke vor. Aus der Gesamtschau der Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auf S. 26 unten bis S. 28 oben ergibt sich vielmehr, dass es die Möglichkeit einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme der Überbrückungsbeihilfe nicht generell ausgeschlossen und auch keine diesbezügliche Regelungslücke im TV SozSich angenommen hat. Es hat lediglich einzelfallbezogen - und rechtlich zutreffend - ausgeführt, dass aufgrund der tarifvertraglichen Ausgestaltung des Anspruchs auf die Überbrückungsbeihilfe die von der Beklagten angeführten tatsächlichen Umstände, namentlich die „unterwertige“ Tätigkeit sowie die Nichtteilnahme an Lohnerhöhungen, eine Sittenwidrigkeit bzw. einen Rechtsmissbrauch nicht begründen könnten. Das zeigt der Schlusssatz auf S. 27 unten/S. 28 oben, wonach es „insgesamt“ nicht zu beanstanden sei, wenn ein Arbeitnehmer sich auf ein Teilzeitarbeitsverhältnis mit mehr als 21 Wochenarbeitsstunden einlasse, um die tarifvertraglichen Voraussetzungen für die Überbrückungsbeihilfe zu erfüllen, so dass der Klägerin „insoweit“ ein rechtlich erheblicher Vorwurf nicht gemacht werden könne.

28

c) Die unter C I 1 r formulierte Rechtsfrage ist nicht entscheidungserheblich. Mit der Frage, ob ein sittenwidriges bzw. rechtsmissbräuchliches Arbeitsverhältnis zum vollkommenen Wegfall der Überbrückungsbeihilfe führt, hat sich das Landesarbeitsgericht, wie die Beschwerde auf S. 54 der Begründung erkennt, nicht befasst. Ausgehend von seinem Lösungsansatz musste es auf diese Rechtsfrage nicht eingehen. Die Beschwerde legt nicht dar, inwieweit die aufgeworfene Frage gleichwohl entscheidungserheblich ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt zu dieser Frage keinen allgemeinen Rechtssatz aufgestellt, so dass das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Handhabung des Rechts nicht berührt ist und die Entscheidung insoweit auch deshalb keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. BVerfG 25. März 2010 - 1 BvR 882/09 - Rn. 19, BVerfGK 17, 196).

29

4. Unter C I 1 n zeigt die Beschwerde keine klärungsbedürftige Rechtsfrage auf, sondern bittet um eine Interpretation der Entscheidung des Senats vom 22. Dezember 1994 (- 6 AZR 337/94 -).

30

II. Auch die Divergenzbeschwerde (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG) ist unbegründet.

31

1. Die unter C II 1 a, 2 a und 3 a angenommene Divergenz zwischen der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und der Rechtsprechung des Senats hinsichtlich der Frage, ob weitere Anforderungen als die anderweitige Beschäftigung an den Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich zu stellen sind, liegt nicht vor.

32

a) Das Landesarbeitsgericht hat den von der Beschwerde auf S. 96 gebildeten und auf S. 99 modifizierten abstrakten Rechtssatz nicht aufgestellt. Die Beschwerde will aus den dort genannten Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ableiten, dass dieses den abstrakten Obersatz aufgestellt habe, dass alle übrigen Voraussetzungen des TV SozSich, insbesondere das in § 3 normierte Erfordernis der Arbeitsuchendmeldung, nicht mehr zu prüfen seien und allgemein anspruchseinschränkende Tatbestandsmerkmale für die Geltendmachung des tarifvertraglichen Anspruchs nicht möglich seien(S. 100 f. der Beschwerdebegründung). Ein derartiger Rechtssatz ist jedoch den zitierten Passagen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen. Vielmehr hat das Landesarbeitsgericht auf S. 24 unten in der anzufechtenden Entscheidung ausgeführt, dass die Klägerin weitere tatbestandliche Voraussetzungen „nach Maßgabe der hier anzuwendenden Tarifnorm“ nicht habe einhalten müssen. Daraus folgt, dass sich das Landesarbeitsgericht mit den von der Beschwerde zitierten Passagen lediglich an die von ihm zuvor ausführlich im Wortlaut wiedergegebene Entscheidung des Senats vom 22. Dezember 1994 (- 6 AZR 337/94 -) hat anschließen wollen. Deshalb wären nähere Darlegungen der Beschwerde dazu erforderlich gewesen, dass das Landesarbeitsgericht mit der zitierten Passage nicht lediglich die von ihm in der angeführten Weise verstandene Rechtsprechung des Senats zusammenfassen, sondern einen eigenen, davon abweichenden abstrakten Rechtssatz aufstellen wollte.

33

b) Darüber hinaus hat der Senat mit den auf S. 97 f. der Beschwerdebegründung zitierten Passagen keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, sondern im Tatbestand nur den Tarifwortlaut wiedergegeben sowie das Ergebnis der Entscheidung genannt.

34

2. Die von der Beschwerde unter C II 1 b, 2 b und 3 b angenommene Divergenz zwischen der anzufechtenden Entscheidung und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich der Frage des Rechtsmissbrauchs liegt ebenfalls nicht vor. Wie in Rn. 32 ausgeführt, hat das Landesarbeitsgericht den von der Beschwerde auf S. 97 der Begründung gebildeten Rechtssatz nicht aufgestellt, sondern lediglich einzelfallbezogen einen Rechtsmissbrauch verneint.

35

III. Es liegt auch keine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG).

36

1. Die unter C IV 1 a erhobene Rüge, das Landesarbeitsgericht habe die Klage zu Unrecht als schlüssig angesehen, obwohl die Klägerin nicht einmal behauptet habe, sich arbeitsuchend gemeldet zu haben, betrifft lediglich vermeintliche Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts. Soweit die Beschwerde auf S. 108 der Beschwerdebegründung rügt, das Landesarbeitsgericht habe insoweit keinen Hinweis erteilt, fehlt es am erforderlichen Vortrag, was die Beklagte bei Erteilung des vermissten Hinweises vorgetragen hätte (BAG 14. März 2005 - 1 AZN 1002/04 - BAGE 114, 67), und damit an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit.

37

2. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu den Pflichten der Beklagten sind, wie in Rn. 24 ausgeführt, nicht tragend. Deshalb liegt in der vermeintlichen Verletzung der Hinweispflicht, die die Beschwerde unter C IV 1 b der Beschwerdebegründung rügt, keine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör. Zudem fehlt auch insoweit die Darlegung, was die Beklagte bei Erteilung des vermissten Hinweises konkret vorgetragen hätte. Die pauschalen Ausführungen unter C IV 2 b der Beschwerdebegründung sind nicht ausreichend.

38

3. Auch die unter C IV 1 c der Beschwerdebegründung gerügte Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör durch die Verletzung der richterlichen Fragepflicht durch das Landesarbeitsgericht liegt nicht vor. Wie ausgeführt, trifft bereits die Grundannahme der Beschwerde, das Landesarbeitsgericht habe es ausreichen lassen, dass der Arbeitgeber der Klägerin deren Anwesenheit nur vermutet habe, nicht zu. Zum anderen hat die Beklagte ihrer Pflicht, sich selbst Gehör zu verschaffen, nicht genügt und kann darum einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht geltend machen(BVerfG 18. August 2010 - 1 BvR 3268/07 - Rn. 28, BVerfGK 17, 479; BAG 14. Dezember 2010 - 6 AZN 986/10 - Rn. 25). Die Beklagte behauptet nicht, dass sie die Fragen, die nach ihrer Auffassung das Landesarbeitsgericht an den Zeugen hätte richten müssen, nicht selbst hätte stellen können.

39

IV. Der unter C III der Beschwerdebegründung geltend gemachte absolute Revisionsgrund (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG, § 547 Nr. 1 ZPO) ist nicht ordnungsgemäß dargelegt. Es ist nicht nachvollziehbar, inwieweit die ehrenamtlichen Richter der Spruchkammer nicht ordnungsgemäß zugeordnet worden sein sollen. Gemäß Ziff. II.3.a des der Beschwerdebegründung beiliegenden Geschäftsverteilungsplans des Landesarbeitsgerichts vom 10. Dezember 2014 ergibt sich die Zuteilung der ehrenamtlichen Richter an die einzelnen Kammern „aus den anliegenden Listen“. Diese Listen waren jedoch weder der per Fax noch der per EGPV übermittelten Fassung der Beschwerdebegründung beigefügt. Eine Verletzung des gesetzlichen Richters ist nicht aufgezeigt.

40

V. Der Senat sieht nach § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG von einer weiteren Begründung ab.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel     

        

        

        

    M. Jostes    

        

    Augat     

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.