Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 10. Aug. 2017 - 5 Sa 75/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0810.5Sa75.17.00
bei uns veröffentlicht am10.08.2017

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11. Januar 2017, Az. 11 Ca 614/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten, die Weiterbeschäftigung des Klägers sowie über Vergütung wegen Annahmeverzugs und Urlaub.

2

Der 1970 geborene, verheiratete Kläger ist bei der Beklagten seit dem 02.09.2013 als Produktionsmitarbeiter zu einem Stundenlohn von € 10,50 brutto im Schichtbetrieb in der 40-Stundenwoche beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt ca. 140 Arbeitnehmer.

3

Der Kläger arbeitete am 17./18.03.2014 in der Nachtschicht. Er stürzte am 18.03.2014 gegen 0:30 Uhr in der Produktionshalle und schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf. Die Arbeitskollegen alarmierten den Rettungsdienst, der den Kläger ins Krankenhaus brachte. Dort wurde er auf der Intensivstation versorgt. Der Kläger war wegen eines Schädel-Hirn-Traumas bis einschließlich 22.02.2015 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Durchgangsarzt erstattete der zuständigen Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) einen Bericht (Bl. 58 der Beiakte 12 Ca 3118/14). Ob der Kläger einen Arbeitsunfall erlitten hat, ist zwischen den Parteien streitig. Die BG RCI lehnte die vom Kläger begehrte Feststellung, dass es sich bei dem Ereignis vom 18.03.2014 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat, ab. Das Sozialgericht hat seine Klage abgewiesen. Das Berufungsverfahren des Klägers vor dem Landessozialgericht Rheinland-Pfalz ist noch nicht abgeschlossen.

4

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 07.08.2014 fristlos, hilfsweise ordentlich. In dem Kündigungsschreiben heißt es ua:

5

"Begründung:

6

In dem letzten gemeinsamen Gespräch wurden Sie darauf hingewiesen, dass Sie nicht weiterhin die falsche Behauptung aufrechterhalten dürfen, bei Ihrem Sturz in unserer Firma handele es sich um einen Arbeitsunfall. Bei der mündlich ausgesprochenen Abmahnung waren Zeugen zugegen. Sie selbst haben bekundet, es sei kein Arbeitsunfall gewesen. Ihr Rechtsanwalt hat sodann mit Schriftsatz vom 24.07.2014 bekundet, dass Sie Ansprüche gegenüber der BG geltend machen. Folglich wollen Sie zumindest versuchen, sich unberechtigterweise einen Vermögensvorteil zu Lasten Dritter zu verschaffen.

7

Sie schädigen durch Ihr Verhalten die Solidargemeinschaft der Versicherten und uns als Arbeitgeber zugleich, da wir bei entsprechender Belastungsanzeige der BG auch in den Beiträgen steigen. Selbst der Versuch - ob nämlich die BG auf Ihre unrichtigen und unwahren Behauptungen reinfällt und Leistungen zahlt bleibt abzuwarten - ist nach unserer Auffassung als Betrug zu würdigen.

8

Aus diesem Grund kündigen wir das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund.

9

Welche Rolle in diesem Zusammenhang Ihr Rechtsanwalt spielt, ist für uns nicht erkennbar- ist für uns aber auch ohne Belang.

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Wir sind zudem nicht bereit das Risiko zu tragen, dass offensichtlich körperlich in Ihnen innewohnt. Bekanntermaßen gibt es im Rahmen der auszuführenden Arbeiten von Ihnen in unserer Firma erhebliche Gefahrenquellen, die zu schlimmen Verletzungen führen könnten, sofern Sie weiterhin an diesen plötzlichen "Bewusstlosigkeitsanfällen" leiden. Da weder Sie noch Ihre Ärzte diese Dinge aufklären konnten und diese offensichtlich auch noch vorliegen, Sie andernfalls nicht weiterhin arbeitsunfähig erkrankt wären, ist die Kündigung auch personenbedingt notwendig, da wir nicht ständig Ersatzkräfte auf unabsehbare Zeit vorhalten können. ..."

11

Der Kläger erhob gegen diese Kündigung Klage. Im ersten Kündigungsschutzprozess (Az. 12 Ca 3118/14) nahm die Beklagte im Kammertermin vom 28.01.2015 die Kündigung zurück und bot dem Kläger an, wieder arbeiten zu kommen. Im Anschluss an diese Erklärungen schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht Koblenz folgenden

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"Vergleich:

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1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beklagte aus der streitgegenständlichen Kündigung vom 07.08.2014 keine Rechte herleitet und das Arbeitsverhältnis deshalb ungekündigt zu unveränderten Bedingungen über den 07.08.2014 hinaus fortbesteht.

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2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben."

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Am 16.02.2015 erschien der Kläger im Betrieb und bot der Beklagten eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses an. Laut Wiedereingliederungsplan sollte er in der Zeit bis zum 08.03.2015 seine tägliche Arbeitszeit von zunächst 2, auf 4, sodann auf 6 Stunden steigern. Die Beklagte lehnte eine Wiedereingliederung kategorisch ab. Seit dem 23.02.2015 ist der Kläger nicht mehr arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Beklagte bestreitet, dass er ihr an diesem Tag seine volle Arbeitskraft angeboten hat.

16

Mit Klageschrift vom 24.02.2015 verlangt der Kläger die Zahlung von Vergütung für die Zeit vom 23.02. bis 31.03.2015 wegen Annahmeverzugs sowie seine Beschäftigung. Außerdem begehrt er die Verurteilung der Beklagten, ihm 26 Tage Urlaub aus dem Kalenderjahr 2014 zu gewähren, hilfsweise abzugelten. Im Schriftsatz vom 26.03.2015 kündigte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten das Arbeitsverhältnis namens und in Vollmacht der Beklagten fristlos, hilfsweise ordentlich. Zur Begründung führte er aus, der Kläger wolle mit der vorliegenden Klage unter Vortäuschung falscher Tatsachen offensichtlich wieder unrechtmäßig Gelder beanspruchen. Außerdem habe er sich nach Ablauf des Krankengeldbezugs nicht gemeldet, um seine Arbeitskraft anzubieten. Vor dem Hintergrund, dass er dies schon nicht gewollt habe, als er sie im Vorprozess zum Abschluss des Vergleichs bewegt habe, stütze sie die Kündigung auch auf diesen Grund. Der Kläger erweiterte seine Klage am 14.04.2015 um einen Kündigungsschutz- und einen allgemeinen Feststellungsantrag.

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Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

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1. die Beklagte zu verurteilen, ihm für 2014 26 Tage Urlaub zu gewähren, hilfsweise diese abzugelten,

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2. die Beklagte zu verurteilen, ihm für Februar 2015 Vergütung iHv. € 499,99 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2015 zu zahlen,

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3. die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Monat März 2014 Vergütung iHv. € 2400,00 brutto zu zahlen,

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4. die Beklagte zu verurteilen, ihn als Produktionsmitarbeiter/ Granulierungsmitarbeiter zu beschäftigen,

22

5. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 26.03.2015 beendet worden ist,

23

6. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern unverändert zu den bisherigen Bedingungen fortbesteht.

24

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

26

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 11.01.2017 Bezug genommen.

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Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 11.01.2017 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 26.03.2015 aufgelöst worden ist (Ziff. 1). Außerdem hat es festgestellt, dass dem Kläger für das Kalenderjahr 2014 noch 26 Tage Urlaub zustehen (Ziff. 2). Es hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger für Februar 2015 Annahmeverzugslohn iHv. € 499,99 brutto nebst Zinsen (Ziff. 3) und für März 2015 iHv. € 2.400,00 brutto (Ziff. 4) zu zahlen sowie ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen (Ziff. 5). Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 11.01.2017 Bezug genommen.

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Die Beklagte hat gegen das am 31.01.2017 zugestellte Urteil mit am 23.02.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 02.05.2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 02.05.2017 eingegangenem Schriftsatz begründet.

29

Sie macht geltend, das Arbeitsgericht sei von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Sie habe bereits im Vorprozess (Az. 12 Ca 3118/14) ein betrügerisches Verhalten des Klägers angenommen. Der Kläger habe am 18.03.2014 im Betrieb einen Schwächeanfall erlitten, sei hierbei gestürzt und habe sich verletzt. Er sei ohne äußeren Einfluss gefallen, er habe sich allein durch den Schwächeanfall verletzt, weil er auf dem Boden aufgeschlagen sei. Das Ereignis habe niemand unmittelbar beobachtet, äußerliche Verletzungen seien nicht sichtbar gewesen. Diesen Geschehensablauf habe der Kläger auch zunächst seinen behandelnden Ärzten geschildert, denn sowohl in der Erstbescheinigung als auch in den ersten Folgebescheinigungen sei das Kästchen "Arbeitsunfall" nicht angekreuzt worden. Erst in der dritten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 03.04.2014 sei "Arbeitsunfall" angekreuzt worden, in der vom selben Arzt ausgestellten Folgebescheinigung vom 15.04.2014 jedoch wieder nicht. Sodann habe sich die zuständige BG RCI eingeschaltet und bei ihr nachgefragt. Sie habe der BG den Sachverhalt aus ihrer Sicht - kein Arbeitsunfall - geschildert. Gleichwohl habe der Kläger gegenüber der BG RCI seine Behauptung aufrechterhalten, dass er am 18.03.2014 einen Arbeitsunfall erlitten habe. Deshalb habe die BG um entsprechende Aufklärung gebeten. Zwischenzeitlich sei bei ihr eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingegangen, die keinen Arbeitsunfall ausgewiesen habe. Da der Kläger ihr bereits telefonisch mitgeteilt habe, dass er aus seiner Sicht keinen Arbeitsunfall erlitten habe, sei in einem Gesprächstermin am 01.07.2014 der Sachverhalt erörtert worden. Der Kläger habe in diesem Gespräch mehrfach bestätigt, er sei mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen, wodurch wahrscheinlich die Verletzung (Schädel-Hirn-Trauma) hervorgerufen worden sei. Der Kläger habe mehrfach bestätigt, dass er das Ereignis vom 18.03.2014 nicht als Arbeitsunfall ansehe, weil ein äußerer Einfluss nicht vorgelegen habe. In dem Schwächeanfall und den dadurch verursachten gesundheitlichen Folgen durch den Aufprall mit dem Kopf auf dem Boden habe sich lediglich ein allgemeines Lebensrisiko, jedoch keine arbeitsspezifische Gefahr verwirklicht. Folglich liege kein Arbeitsunfall vor. Der Kläger sei im Gespräch vom 01.07.2014 aufgefordert worden, nicht weiter zu behaupten, dass er einen Arbeitsunfall erlitten habe, weil sie [die Beklagte] dadurch geschädigt werde. Die bloße Behauptung eines Mitarbeiters, er habe einen Arbeitsunfall erlitten, führe dazu, dass ihr die BG RCI einen 30-prozentigen Beitragsnachlass iHv. € 6.871,77 nicht mehr gewähre. Bei der unzutreffenden Behauptung, er habe einen Arbeitsunfall erlitten, handele es sich nicht um ein "Kavaliersdelikt", sondern um einen Untreuetatbestand. Ihre bloße Vermögensgefährdung stelle bei strafrechtlicher Würdigung den Tatbestand der Untreue dar. Die Verletzungen, die sich der Kläger durch den Sturz zugezogen habe, seien augenscheinlich äußerlich schnell abgeklungen. Allein die unterstellte "Angst" des Klägers, er könne weitere Schwächeanfälle erleiden und hierbei stürzen, rechtfertige keine Arbeitsunfähigkeit über einen solch langen Zeitraum, zumal der Kläger stets erklärt habe, die Ärzte hätten keinerlei Befunde für den Schwächeanfall feststellen können. Ihre erste Kündigung vom 07.08.2014 sei gerechtfertigt gewesen, weil bereits der dringende Verdacht des Vortäuschens einer Erkrankung für die Begründung einer fristlosen Kündigung ausreiche. Einen im Vorprozess im Gütetermin vom 24.09.2014 geschlossenen Widerrufsvergleich habe der Kläger widerrufen; augenscheinlich sei ihm die Abfindung (€ 1.250,00) zu gering gewesen.

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Im Kammertermin vom 28.01.2015 habe der Kläger im Vorprozess bekundet, er wolle wieder arbeiten kommen, wenn er vollständig genesen sei. Auf Nachfrage ihres Prozessbevollmächtigten habe er erklärt, er sei noch bis zum 15.02.2015 krankgeschrieben, am 16.02.2015 könne er wieder zur Arbeit erscheinen. Aufgrund dieser Willenserklärung habe sie die Kündigung zurückgenommen und den Vergleich geschlossen. Allein dieser Umstand sei - gerade in Anbetracht der Vorgeschichte - für sie ausschlaggebend gewesen, einen Vergleich abzuschließen. Der Kläger sei am 16.02.2015 vorstellig geworden und habe ihr einen "Wiedereingliederungsplan (!!!)" vorgelegt. Auf die Nachfrage, wann mit einer Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit zu rechnen sei, habe der Kläger erklärt, dass er dies nicht wisse. Die Wiedereingliederung sei deshalb abgelehnt worden. In ihrem Produktionsbetrieb könne kein leidensgerechter Arbeitsplatz geschaffen werden. Dies sei wesentlicher Streitpunkt im Vorprozess gewesen. Folglich sei die vom Kläger gewählte und im vorliegenden Prozess offenkundig gewordene Vorgehensweise - Vorlage des Wiedereingliederungsplans trotz verbindlicher Zusage im Rahmen des zuvor geschlossenen Vergleichs ohne Änderung des gesundheitlichen Zustands oder anderer Gründe - bewusst mit betrügerischer Absicht erfolgt, auf Provokation gerichtet gewesen und habe lediglich den äußeren Anschein des "Arbeitenwollens" dokumentieren sollen. Die Vorgehensweise des Klägers stelle sich im Nachhinein betrachtet als stringente Fortsetzung der "klägerischen Mentalität" und dessen von Anfang an verfolgten Zielen heraus.

31

Das Arbeitsgericht sei ihrem Beweisangebot nicht nachgegangen, dass der Kläger im Kammertermin des Vorprozesses bekundet habe, er könne am 16.02.2015 wieder zur Arbeit erscheinen und seine volle Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Die unsubstantiierte und ohne Beweisangebot aufgestellte Behauptung des Klägers, er habe am 23.02.2015 seine volle Arbeitskraft angeboten, überrasche sie nicht, weil der Krankengeldbezug am 22.02.2015 geendet habe. Zuvor habe der Kläger gerade nicht, wie im Vergleich vereinbart, seine volle Arbeitskraft angeboten, sondern lediglich durch Vorlage des Wiedereingliederungsplans dokumentiert, dass er nicht arbeitsfähig sei. Das Angebot des Arbeitens im Rahmen einer Wiedereingliederung sei im Zuge der getroffenen Vereinbarung nicht ausreichend gewesen, so dass der Kläger auch keinen Verzugslohn beanspruchen könne. Sie habe erstinstanzlich substantiiert und unter Beweisantritt vorgetragen, dass der Kläger seine volle Arbeitskraft auch nicht am 23.02.2015 angeboten habe. Diesem Vortrag nebst Beweisangebot sei das Arbeitsgericht nicht nachgegangen. Hätte das Arbeitsgericht Beweis erhoben, hätte es festgestellt, dass der Kläger seine Arbeitsleistung am 23.02.2015 nicht angeboten habe, und ihm keinen Lohn für die Monate Februar (anteilig) und März 2015 zugesprochen.

32

Ihre fristlose Kündigung vom 26.03.2015 sei gerechtfertigt. Der Kläger habe augenscheinlich bereits bei Vergleichsabschluss im Vorprozess nicht vorgehabt, wieder bei ihr zu arbeiten, folglich sei also ein Eingehungsbetrug zu konstatieren, aufgrund dessen die Kündigung gerechtfertigt sei. Eine geänderte "Befundsituation" habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, eine solche habe auch nicht vorgelegen. Der Kläger habe im Gegenteil im Nachgang zum Kammertermin und im Widerspruch zu den Willenserklärungen, die dem Vergleichsabschluss zugrunde lagen - immer nur lapidar bekundet, er wisse nicht, wann er wieder genesen sei. Ein solches Verhalten sei ihr nicht zumutbar gewesen, es dokumentiere einzig die rechtsmissbräuchliche Intention des Verhaltens des Klägers. Im Nachgang zum erstinstanzlichen Urteil vom 11.01.2017 habe sie dem Kläger eine Prozessbeschäftigung angeboten, die er aufgrund einer anderweitigen Anstellung abgelehnt habe. Den Differenzlohn mache er in einem gesonderten Verfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz (Az. 12 Ca 767/17) geltend.

33

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

34

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.01.2017, Az. 11 Ca 614/15, abzuändern und die Klage abzuweisen.

35

Der Kläger beantragt,

36

die Berufung zurückzuweisen.

37

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

38

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Außerdem wird Bezug genommen auf den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akten 12 Ca 3118/14 und 12 Ca 767/17 (ArbG Koblenz).

Entscheidungsgründe

39

Die Berufung der Beklagten ist teilweise unzulässig, im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

40

In Bezug auf die im erstinstanzlichen Urteil getroffene Feststellung, dass der Kläger für das Kalenderjahr 2014 einen Urlaubsanspruch für 26 Tage hat (Ziff. 2 des Tenors), ist die Berufung mangels einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Berufungsbegründung unzulässig.

41

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen. Hat das Arbeitsgericht - wie hier - über mehrere Streitgegenstände iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO mit jeweils eigenständiger Begründung entschieden, muss für jeden eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Rechtsmittelbegründung gegeben werden; fehlen Ausführungen zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Eine eigenständige Begründung ist nur entbehrlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 21.04.2016 - 5 Sa 243/15 - Rn. 54 mwN).

42

2. Mit dem Anspruch des Klägers auf 26 Tage Urlaub für 2014 (Ziff. 2 des Tenors) befasst sich die Berufung überhaupt nicht. Das wäre indes erforderlich gewesen. Der Anspruch bestand nach der Begründungslinie des Arbeitsgerichts unabhängig vom Schicksal des Kündigungsschutzantrags. Das Arbeitsgericht hat den Antrag dahin ausgelegt, der Kläger begehre die Feststellung, dass ihm für das Jahr 2014 noch 26 Tage Urlaub zustehen und ein Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO bejaht. Es hat weiter ausgeführt, dass der Urlaubsanspruch nicht gem. § 7 Abs. 3 BUrlG mit Ende des Jahres 2014 verfallen sei, weil der Kläger unstreitig versucht habe, den Urlaub zu beantragen. Die Beklagte müsse sich zurechnen lassen, dass sie die Beantragung des Urlaubs durch Zutrittsverweigerung vereitelt habe. Auf diese Erwägungen geht die Beklagte mit keinem Wort ein. Ihre Berufung war daher teilweise als unzulässig zu verwerfen, ohne dass dies im Urteilstenor gesondert zum Ausdruck zu bringen war.

II.

43

Soweit die Berufung zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.03.2015 mit sofortiger Wirkung noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 30.04.2015 aufgelöst worden ist (Ziff. 1 des Tenors). Die Beklagte ist deshalb zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet (Ziff. 5 des Tenors). Auch die Zahlungsklage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger für den hier streitigen Zeitraum vom 23.02. bis zum 31.03.2015 Annahmeverzugslohn in rechnerisch unstreitiger Höhe von insgesamt € 2.899,99 brutto (Ziff. 3, 4 des Tenors) nebst der geltend gemachten Verzugszinsen zu zahlen.

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1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Schriftsatzkündigung der Beklagten vom 26.03.2015 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat.

45

a) Die fristlose Kündigung der Beklagten ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB. Außerdem ist die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt.

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aa) Gem. § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG 20.10.2016 - 6 AZR 471/15 - Rn. 14 mwN).

47

bb) Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass im Streitfall bereits ein "an sich" zur Kündigung geeigneter Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB fehlt. Der Kläger hat nicht gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Der Kündigungsvorwurf, der Kläger wolle unter Vortäuschung falscher Tatsachen, unrechtmäßig Gelder beanspruchen, ist nicht gerechtfertigt. Auch die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe bei Vergleichsabschluss im Vorprozess (Az. 12 Ca 3118/14) am 28.01.2015 nicht gewollt, ihr seine Arbeitskraft anzubieten, rechtfertigt keine Kündigung. Auf die strafrechtliche Bewertung der Beklagten, die nicht frei von Rechtsirrtum ist, kommt es kündigungsrechtlich nicht an.

48

Die Beklagte verkennt bereits im Ansatz, dass der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht verletzt hat, weil er das Ereignis vom 18.03.2014 bei der zuständigen Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall gemeldet hat. Entgegen der Ansicht der Berufung muss der Kläger (als gesetzlich versicherte Person) bei der Meldung eines Unfalls, den er unstreitig während der Arbeitszeit in der Produktionshalle erlitten hat, keine Rücksicht darauf nehmen, dass die BG RCI der Beklagten bereits bei einer bloßen Unfallanzeige keinen Beitragsnachlass von 30% iHv. € 6.871,77 mehr gewährt, wie die Berufung behauptet. Es ist unstreitig, dass der Kläger in der Nachtschicht am 18.03.2014 im Betrieb der Beklagten gestürzt und mit dem Kopf auf dem Hallenboden aufgeschlagen ist. Der Kläger wurde mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht und dort behandelt. Wegen eines Schädel-Hirn-Traumas, das er infolge des Sturzes erlitten hat, war er länger als drei Kalendertage arbeitsunfähig. Ob der Unfall als Arbeitsunfall anerkannt wird, entscheidet nicht die Beklagte, sondern die zuständige Berufsgenossenschaft und letztlich die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit. Dabei sind komplexe Kausalitätsfragen zu klären (vgl. unter vielen BSG 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R). Sowohl die Rechtsansicht der Beklagten als auch deren allenfalls laienhafte medizinische Einschätzung sind in diesem Zusammenhang unerheblich.

49

Auch wenn es nicht darauf ankommt, war die erste Kündigung der Beklagten vom 07.08.2014 offensichtlich rechtsunwirksam. Dass der Kläger gegenüber der BG RCI leichtfertig unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt hätte, ist nicht ersichtlich. Er war befugt, der zuständigen Berufsgenossenschaft einen Arbeitsunfall zu melden, den er nach seiner Auffassung am 18.03.2014 in der Nachtschicht erlitten hat. Sein Vorgehen stellt sich nicht als widerrechtlich dar. Das gilt selbst dann, wenn im sozialgerichtlichen Verfahren rechtskräftig entschieden werden sollte, dass der Unfall vom 18.03.2014 nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen ist. Wenn die Beklagte im Kammertermin vom 28.01.2015 im Vorprozess die Kündigung vom 07.08.2014 "zurückgenommen" und sich verpflichtet hat, aus dieser Kündigung keine Rechte herzuleiten, sondern das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu unveränderten Bedingungen fortzusetzen, hat sie so den drohenden Prozessverlust abgewendet. Die Beklagte übersieht bei ihrer Argumentation außerdem, dass sie sich im Vergleich verpflichtet hat, aus der Kündigung vom 07.08.2014 "keine Rechte herzuleiten". Durch den Vergleich hat sie zu erkennen gegeben, sie sehe das Arbeitsverhältnis noch nicht als so gestört an, dass sie es nicht mehr fortsetzen könne. Auf das dafür maßgebliche Motiv kommt es nicht an.

50

Die Annahme der Berufung, der Kläger habe bei Vergleichsabschluss im Vorprozess einen "Eingehungsbetrug" begangen, der sie zur Kündigung berechtige, geht fehl. Die Beklagte hat im Vorprozess ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 28.01.2015 die streitgegenständliche Kündigung "zurückgenommen" und dem Kläger angeboten, wieder arbeiten zu kommen. Als einseitiges Rechtsgeschäft konnte die Beklagte die Kündigung nach dem Zugang an den Kläger nicht mehr einseitig zurücknehmen. Die Gestaltungswirkung seiner Willenserklärung kann der kündigende Arbeitgeber nicht mehr allein beseitigen, eine einseitige Kündigungsrücknahme ist ihm verwehrt. Die Wirkungen einer Kündigung können nur durch eine Vereinbarung beseitigt werden, durch die der gekündigte Arbeitnehmer ein Fortsetzungsangebot des Arbeitgebers annimmt (vgl. BAG 17.10.2013 - 8 AZR 742/12 - Rn. 32 mwN). Das ist durch den Abschluss des Vergleichs im Vorprozess im Anschluss an die "Rücknahme" der Kündigung geschehen. Nicht mehr und nicht weniger. Es spricht nichts dafür, dass eine - nicht protokollierte - Erklärung des Klägers, er sei noch bis zum 15.02.2015 krankgeschrieben und könne am 16.02.2015 wieder zur Arbeit erscheinen, "Geschäftsgrundlage" des Vergleichsschlusses war, wie die Berufung behauptet.

51

Die Beklagte kann dem Kläger nicht als schuldhafte Pflichtverletzung vorwerfen, dass er ihr am 16.02.2015 nicht seine geschuldete Arbeitsleistung angeboten, sondern (nur) einen Wiedereingliederungsplan vorgelegt habe. Es ist nicht verwerflich und stellt deshalb keinen Kündigungsgrund dar, wenn der Kläger, der wegen eines Schädel-Hirn-Traumas elf Monate arbeitsunfähig erkrankt war, zum Ende der Arbeitsunfähigkeit der Beklagten seine Tätigkeit (zunächst) im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses angeboten hat. Die Vorstellungen, die die Berufung hierzu entwickelt hat, sind von einer Verkennung der Rechtslage geprägt. Zunächst ist festzuhalten, dass die Beklagte gem. § 84 Abs. 2 SGB IX verpflichtet war, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen, weil der Kläger länger als sechs Wochen arbeitsunfähig war. Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung des bEM zu ergreifen (vgl. BAG 20.11.2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 31). Hat er entgegen seiner gesetzlichen Pflicht - wie die Beklagte - überhaupt kein bEM durchgeführt, darf er sich dadurch keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile verschaffen können.

52

Selbst wenn der Kläger im Kammertermin vom 28.01.2015 im Vorprozess erklärt haben sollte, er sei bis zum 15.02.2015 krankgeschrieben und werde am 16.02.2015 wieder zur Arbeit erscheinen, stellt es keinen Kündigungsgrund dar, wenn er der Beklagten am 16.02.2015 (nur) einen Wiedereingliederungsplan vorgelegt hat. Die Ausführungen der Berufung zum Motiv des Klägers, ihr am 16.02.2015 zunächst eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses anzubieten, erschöpfen sich in bloßen Unterstellungen. Ohne Durchführung eines bEM - ggf. unter Inanspruchnahme des Sachverstands eines Betriebsarztes - kann die Beklagte dem Kläger schon nicht entgegenhalten, sie könne in ihrem Produktionsbetrieb den bisherigen Arbeitsplatz nicht an ihm zuträgliche Arbeitsbedingungen anpassen noch komme seine Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz in Betracht (vgl. BAG 13.05.2015 - 2 AZR 565/14 - Rn. 32 mwN). Wenn denkbares Ergebnis eines bEM sein kann, den Arbeitnehmer auf eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX zu verweisen (vgl. BAG 20.11.2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 49 ff), kann es dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, wenn er der Beklagten am 16.02.2015 eine Wiedereingliederung angeboten hat, damit seine tägliche Arbeitszeit nach monatelanger Krankheit wieder schrittweise auf eine volle Stundenzahl angehoben wird. Was an dieser Vorgehensweise - wie die Berufung behauptet - als Ausdruck der "klägerischen Mentalität" "betrügerisch" oder auf "Provokation gerichtet" sein soll, erschließt sich nicht.

53

Da für beide Seiten das Prinzip der Freiwilligkeit gilt, konnte die Beklagte den Wiedereingliederungsantrag des Klägers ablehnen, was sie getan hat. Eine wie auch immer geartete Pflichtverletzung des Klägers liegt in seinem Antrag auf Wiedereingliederung nicht. Es ist anerkannt, dass ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer trotz seiner Erkrankung oft in der Lage ist, unter geänderten Arbeitsbedingungen tätig zu sein und eine allmähliche Steigerung der beruflichen Belastung die Rückkehr des Arbeitnehmers in das aktive Erwerbsleben im Interesse beider Arbeitsvertragsparteien erleichtern kann. Krankenkassen (§ 74 SGB V) und die sonstigen Sozialversicherungsträger (§ 28 SGB IX) fördern deshalb die sog. stufenweise Wiedereingliederung des Arbeitnehmers in das Erwerbsleben. Während der beruflichen Rehabilitation erhält der weiterhin arbeitsunfähige Arbeitnehmer die ihm sozialrechtlich zustehenden Leistungen (zB. Krankengeld). Arbeitsrechtlich bedarf die Maßnahme wegen der vom Arbeitsvertrag abweichenden Beschäftigung grundsätzlich der Zustimmung des Arbeitgebers. Entgeltansprüche entstehen nicht (vgl. BAG 24.09.2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 32; BAG 13.06.2006 - 9 AZR 229/05 - Rn. 23).

54

Schließlich hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass die Beklagte die Kündigung nicht darauf stützen kann, dass der Kläger mit der vorliegenden Klage beabsichtige, "unrechtmäßig Gelder unter Vortäuschung falscher Tatsachen" zu beanspruchen. Der Vorwurf des Prozessbetrugs ist unberechtigt.

55

cc) Im Übrigen hat die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Nach dieser Vorschrift kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Schriftsatzkündigung vom 26.03.2015 ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht vor diesem Datum zugegangen. Alle Gründe, auf die die Beklagte die Kündigung stützt, waren ihr bereits länger als zwei Wochen bekannt. Selbst der zeitlich letzte Vorwurf des Prozessbetrugs war verfristet, denn die Klageschrift vom 24.02.2015 ist der Beklagten ausweislich der Postzustellungsurkunde am 04.03.2015 zugestellt worden.

56

b) Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG. Der Kläger hat - wie oben ausgeführt - seine Vertragspflichten nicht verletzt.

57

2. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt (Ziff. 5 des Tenors). Da der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage obsiegt hat, kann er nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27.02.1985 (GS 1/84) verlangen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterbeschäftigt zu werden. Besondere Interessen an einer Nichtbeschäftigung des Klägers, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen könnten, hat die Beklagte auch in zweiter Instanz nicht dargelegt.

58

Die Frage, weshalb der Kläger das Angebot der Prozessbeschäftigung nicht angenommen hat, ist im vorliegenden Rechtsstreit ohne Belang. Ob sich der Kläger auf die Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit nach Zugang des Angebots zur Weiterbeschäftigung den Wert desjenigen anrechnen lassen muss, was er in dieser Zeit bereits im Rahmen einer Prozessbeschäftigung bei der Beklagten hätte verdienen können, ist im Folgeprozess vor dem Arbeitsgericht Koblenz (Az. 12 Ca 767/17) zu klären.

59

3. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für die Zeit vom 23.02. bis 31.03.2015 Annahmeverzugslohn in rechnerisch unstreitiger Höhe zu zahlen (Ziff. 3, 4 des Tenors). Die Angriffe der Berufung greifen nicht durch.

60

a) Der Kläger kann gem. § 615 Satz 1, § 611 Abs. 1 iVm. §§ 293 ff. BGB Vergütung wegen Annahmeverzugs der Beklagten für den hier streitigen Zeitraum beanspruchen.

61

aa) Kommt der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Arbeitnehmer für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, § 615 Satz 1 BGB. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs richten sich nach den §§ 293 ff. BGB. Nach § 296 Satz 1 BGB obliegt es dem Arbeitgeber als Gläubiger der geschuldeten Arbeitsleistung, dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Die dem Arbeitgeber nach § 296 Satz 1 BGB obliegende Handlung besteht darin, die vom Arbeitnehmer geschuldete Leistung hinreichend zu bestimmen und durch Zuweisung eines bestimmten Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Dem ist die Beklagte ab dem 23.02.2015 nicht nachgekommen. Sie verweigerte dem Kläger die Zuweisung eines Arbeitsplatzes, obwohl sie die Kündigung vom 07.08.2014 im Kammertermin des Vorprozesses (Az. 2 Ca 3118/14) "zurückgenommen" und dem Kläger - ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 28.01.2015 - angeboten hat, wieder arbeiten zu kommen.

62

Zwar führt die unterlassene Zuweisung eines Arbeitsplatzes dann nicht zu einem Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers aus Annahmeverzug, wenn die Voraussetzungen des § 297 BGB vorliegen. Danach kommt der Arbeitgeber nicht in Verzug, wenn der Arbeitnehmer - ua. wegen Arbeitsunfähigkeit - außer Stande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Die Leistungsfähigkeit ist eine Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss (vgl. BAG 28.09.2016 - 5 AZR 224/16 - Rn. 23 mwN). Verweigert der Arbeitgeber - wie hier - nach dem Ende einer vom Arzt attestierten Arbeitsunfähigkeit die Wiederaufnahme der Arbeit, hat er darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer objektiv nicht in der Lage war, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (vgl. BAG 17.08.2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 17 mwN; BAG 23.01.2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 13 mwN).

63

bb) Die Beklagte hat auch zweitinstanzlich keinen ausreichend substantiierten Vortrag zum behaupteten Leistungsunvermögen des Klägers ab 23.02.2015 gehalten.

64

Der Kläger war ab 23.02.2015 nicht mehr arbeitsunfähig krankgeschrieben. Das Arbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, er habe der Beklagten seine Arbeitsleistung am 23.02.2015 uneingeschränkt angeboten. Der Kläger sei nach seinem Vortrag an diesem Tag im Betrieb der Beklagten erschienen, um seine Arbeitsleistung voll anzubieten; er habe keine Wiedereingliederung mehr beantragt, weil sie von der Beklagten am 16.02.2015 abgelehnt worden sei. Die Beklagte habe sein Arbeitsangebot nicht angenommen, sondern ihn nach einer dreistündigen Wartezeit mit dem Hinweis, er solle nicht mehr vorbeikommen, nach Hause geschickt. Auf diesen Vortrag habe die Beklagte nichts erwidert, so dass er gem. § 138 Abs. 2, 3 ZPO als zugestanden gelte.

65

Zu den Geschehnissen am 23.02.2015 hat die Beklagte in der Berufungsbegründungschrift (Seite 7) lediglich ausgeführt, sie habe in erster Instanz unter Beweisantritt im Schriftsatz vom 26.03.2015 (dort Seite 4) darauf hingewiesen, dass der Kläger "seine volle Arbeitskraft auch nicht am 23.02.2015 angeboten" habe. In dem zitierten erstinstanzlichen Schriftsatz findet sich lediglich der knappe Hinweis, der Kläger habe "gerade nicht am 23.02.2015 seine volle Arbeitskraft angeboten". Dieser Satz enthält keinen Tatsachenvortrag, der geeignet ist, eine solche Wertung zu rechtfertigen. Die Beklagte hat ihrer Darlegungslast damit jedenfalls nicht genügt. Unter diesen Umständen liefe die angebotene Vernehmung der Assistentin des Geschäftsführers als Zeugin auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus.

66

Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder der Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände. Die Beklagte hat keine dem Beweis zugänglichen Tatsachen nach Ort, Zeit und Gesprächsinhalten vorgetragen, zu denen die von ihr benannte Zeugin hätte befragt werden können. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, die Tatsachen zu erforschen, sondern die von der Partei behaupteten Tatsachen durch eine Beweisaufnahme zu überprüfen. Die Behauptung der Beklagten, die Assistentin des Geschäftsführers könne bezeugen, dass der Kläger "gerade nicht am 23.02.2015 seine volle Arbeitskraft angeboten" habe, stellt keinen substantiierten Tatsachenvortrag dar. Eine unsubstantiierte, nicht durch Einzeltatsachen belegte allgemeine Behauptung wird nicht durch einen Beweisantritt zu einem schlüssigen Vortrag (vgl. BAG 21.01.2014 - 3 AZR 362/11 - Rn. 47 mwN).

67

Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger am 23.02.2015 noch arbeitsunfähig erkrankt gewesen sein könnte. Die Unterstellung der Beklagten, der Kläger behaupte lediglich, ihr die Arbeit angeboten zu haben, weil der Krankengeldbezug am 22.02.2015 geendet habe, ist nicht berechtigt. Die Dauer des Krankengeldes beträgt für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit gem. § 48 SGB V längstens 78 Wochen. Der Anspruch auf Krankengeld hätte bei einer Erkrankung ab 18.03.2014 erst am 14.09.2015 geendet.

68

b) Die Höhe der geltend gemachten Forderung hat die Beklagte auch zweitinstanzlich nicht bestritten, so dass gem. § 138 Abs. 3 ZPO vom Vortrag des Klägers auszugehen ist. Der Kläger verlangt für den Monat Februar 2014 € 499,99 brutto (5/24 von € 2.400,00) und für den Monat März 2014 € 2.400,00 brutto. Nach seinem Vortrag betrug seine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung € 2.400,00. Diesen Vortrag hat er durch Vorlage einer DATEV-Entgeltbescheinigung vom 28.05.2014 untermauert, woraus hervorgeht, dass ihm die Beklagte für die Zeit vom 01.01.2015 bis zum Krankengeldbezug ab 29.04.2015 einen Gesamtbetrag iHv. € 9.810,95 brutto gezahlt hat.

69

Dass der Anspruch des Klägers gem. § 115 Abs. 1 SGB X (teilweise) auf gesetzliche Sozialversicherungsträger übergegangen sein könnte, lässt sich anhand der Gerichtsakte nicht feststellen. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass ihr eine Überleitungsanzeige zugegangen ist. Arbeitslosengeld I wurde dem Kläger laut vorgelegtem Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 29.05.2015 (Bl. 25 der Beiakte 12 Ca 767/17) erst ab 09.04.2015 gewährt.

70

c) Die geltend gemachten Zinsen, die der Kläger nur für den Verzugslohn aus Februar 2015 fordert, sind gem. §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

III.

71

Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

72

Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 10. Aug. 2017 - 5 Sa 75/17

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(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

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(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

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Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch de

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Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 115 Ansprüche gegen den Arbeitgeber


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 297 Unvermögen des Schuldners


Der Gläubiger kommt nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 48 Dauer des Krankengeldes


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Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 74 Stufenweise Wiedereingliederung


Können arbeitsunfähige Versicherte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten und können sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden,

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.

(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 6. Juli 2015 - 7 Sa 124/15 - aufgehoben.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden vom 4. Februar 2015 - 4 Ca 699/14 - teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch darüber, ob das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis durch arbeitgeberseitige Kündigung fristlos oder erst mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist beendet wurde.

2

Der Beklagte betreibt mit nicht mehr als zehn Arbeitnehmern ein Transportunternehmen. Sein einziger Kunde ist ein Automobilhersteller, für den er mit schweren Lastkraftwagen „Just-in-time“-Lieferungen durchführt. Der 1984 geborene Kläger wurde zum 5. November 2013 bei dem Beklagten als LKW-Fahrer eingestellt.

3

Außerhalb seiner Arbeitszeit nahm der Kläger am Samstag, dem 11. Oktober 2014, Amphetamin und Methamphetamin („Crystal Meth“) ein. Ab dem darauffolgenden Montag erbrachte er in der Frühschicht ab 04:00 Uhr morgens plangemäß seine Arbeitsleistung. Am Dienstag, dem 14. Oktober 2014, wurde er nach Beendigung seiner Tätigkeit für den Beklagten bei einer Fahrt mit seinem privaten PKW von der Polizei kontrolliert und einem Drogenwischtest unterzogen. Dessen Ergebnis war positiv. Die Blutuntersuchung ergab später, dass der Kläger Amphetamin und Methamphetamin konsumiert hatte.

4

Am Abend des 14. Oktober 2014 rief der Kläger den Beklagten an und teilte ihm mit, dass er seine um 04:00 Uhr des folgenden Tages beginnende Tour nicht fahren könne. Er finde seinen Führerschein nicht. Die Polizei habe ihn kontrolliert und ihm mitgeteilt, er dürfe deswegen nicht mehr fahren. Der Beklagte wies darauf hin, dass die rechtzeitige Belieferung des Kunden sehr wichtig sei und ein Ersatzfahrer nicht zur Verfügung stehe. Der Kläger erklärte sich schließlich dazu bereit, die Tour durchzuführen und nahm seine Tätigkeit dementsprechend am Morgen des 15. Oktober 2014 auf. Am 27. Oktober 2014 sprach der Beklagte den Kläger auf das Telefonat vom 14. Oktober 2014 an. Es könne nicht sein, dass die Polizei ein Fahrverbot ausspreche, nur weil man seinen Führerschein nicht vorlegen könne. Der Kläger räumte daraufhin den positiven Drogenwischtest am 14. Oktober 2014 ein.

5

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2014, welches dem Kläger am selben Tag zuging, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung. Das Kündigungsschreiben lautet auszugsweise wie folgt:

        

„Ihnen wurden bereits einige Gründe zu Ihrer Kündigung erläutert.

        

Diese sind insbesondere das laufende Verschlafen Ihrer Arbeitszeiten sowie der illegale Konsum von Betäubungsmitteln.

        

Dies wurde durch einen positiven Drogentest der Polizei am 14.10.2014 festgestellt.

        

Sie teilten dies jedoch nicht unverzüglich uns mit, sondern versuchten die entsprechenden Umstände zu verheimlichen. …

        

Die Einnahme von Drogen gaben Sie nach mehrmaligen Nachfragen und Androhung auf eine Untersuchung über den ASD der BG - Verkehr zu.“

6

Mit seiner am 6. November 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt.

7

Nach seiner Auffassung liegt kein hinreichender Grund für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor. Der gesamte Geschehensablauf habe sich im privaten Bereich zugetragen. Es hätten keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit oder eine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs bestanden. Deswegen habe es auch kein Ermittlungsverfahren nach § 315c bzw. § 316 StGB gegeben. Das bloße Begehen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG rechtfertige keine außerordentliche Kündigung. Ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz sei nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Bei einem einmaligen Drogenkonsum hätte ohnehin eine Abmahnung ausgereicht.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 28. Oktober 2014, zugegangen am 28. Oktober 2014, nicht beendet worden ist.

9

Zur Begründung seines Klageabweisungsantrags hat der Beklagte vorgetragen, die fristlose Kündigung sei gerechtfertigt. Der Kläger habe jedenfalls vom 11. bis zum 14. Oktober 2014 unter Drogeneinfluss gestanden und in diesem Zustand ab dem 13. Oktober 2014 den ihm anvertrauten LKW gefahren. Zudem habe er in dem Gespräch am 14. Oktober 2014 den durchgeführten Drogenwischtest nicht erwähnt und dadurch die Möglichkeit einer am nächsten Tag noch bestehenden Fahruntüchtigkeit verschwiegen. Bei Kenntnis von dem positiven Ergebnis des Drogenwischtests wäre dem Kläger die Fahrt am 15. Oktober 2014 wegen des unvertretbaren Risikos einer erneuten Gefährdung des Straßenverkehrs untersagt worden. Erst am 27. Oktober 2014 sei der Sachverhalt aufgeklärt worden. Auf Nachfrage habe der Kläger in diesem Gespräch eingeräumt, dass ein Drogenkonsum evtl. noch festgestellt werden könnte. Der Beklagte habe ihm daraufhin erklärt, dass alle Fahrer sich jährlich beim Gesundheitsdienst der zuständigen Berufsgenossenschaft einer Untersuchung unterziehen müssten und bei dieser auch Blutuntersuchungen vorgenommen würden. Der Kläger habe gebeten, sich einer solchen Untersuchung nicht unterziehen zu müssen.

10

Eine weitere Beschäftigung des Klägers als LKW-Fahrer sei angesichts dessen potentieller Gefährdung des Straßenverkehrs durch Drogenkonsum und des Vertrauensverlusts auch nur für die Zeit der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen. Außerdem hätte der einzige Kunde den Einsatz eines wegen Drogenmissbrauchs unzuverlässigen Fahrers nicht geduldet. Die Geschäftsbeziehung zu diesem existentiell wichtigen Kunden wäre bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers insgesamt gefährdet gewesen. Andere Einsatzmöglichkeiten habe es für den Kläger nicht gegeben. Es würden nur LKW-Fahrer beschäftigt.

11

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung nicht fristlos beendet worden ist, sondern bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30. November 2014 fortbestanden hat. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Beklagte sein Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision ist begründet. Die streitgegenständliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis gemäß § 626 Abs. 1 BGB ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist mit ihrem Zugang am 28. Oktober 2014 beendet.

13

I. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts liegt ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vor.

14

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 17. März 2016 - 2 AZR 110/15 - Rn. 17 mwN).

15

2. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um bloße Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es anzuwendende Rechtsbegriffe in ihrer allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 22).

16

3. Dieser Überprüfung hält die angefochtene Entscheidung nicht stand.

17

a) Der Kläger hat in schwerwiegender Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, indem er am 11. Oktober 2014 Amphetamin und Methamphetamin eingenommen und dennoch ab dem 13. Oktober 2014 seine Tätigkeit als LKW-Fahrer verrichtet hat. Dies stellt einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB dar. Das Landesarbeitsgericht hat bei der vorzunehmenden Interessenabwägung die sich aus der Einnahme von Amphetamin und Methamphetamin für die Tätigkeit eines Berufskraftfahrers typischerweise ergebenden Gefahren nicht hinreichend gewürdigt.

18

aa) Die Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten kann „an sich“ einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Das betrifft sowohl auf die Hauptleistungspflicht bezogene Nebenleistungspflichten, die der Vorbereitung, der ordnungsgemäßen Durchführung und der Sicherung der Hauptleistung dienen und diese ergänzen, als auch sonstige, aus dem Gebot der Rücksichtnahme ( § 241 Abs. 2 BGB ) erwachsende Nebenpflichten (BAG 19. Januar 2016 - 2 AZR 449/15 - Rn. 29 mwN). Es besteht eine Nebenleistungspflicht des Arbeitnehmers, sich nicht in einen Zustand zu versetzen, in dem er seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht erfüllen oder bei Erbringung seiner Arbeitsleistung sich oder andere gefährden kann (vgl. BAG 26. Januar 1995 - 2 AZR 649/94 - zu B III 3 a der Gründe, BAGE 79, 176; ErfK/Müller-Glöge 16. Aufl. § 626 BGB Rn. 137; HWK/Sandmann 7. Aufl. § 626 BGB Rn. 260). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Fähigkeit zur (sicheren) Erbringung der Arbeitsleistung durch ein Verhalten während oder außerhalb der Arbeitszeit eingeschränkt wurde. So hat der Arbeitnehmer die Pflicht, seine Arbeitsfähigkeit auch nicht durch Alkoholgenuss in der Freizeit zu beeinträchtigen (vgl. BAG 26. Januar 1995 - 2 AZR 649/94 - aaO; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 22; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 310; Liebscher in Thüsing/Laux/Lembke KSchG 3. Aufl. § 1 Rn. 468; Löwisch in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. § 1 Rn. 213; ErfK/Müller-Glöge § 626 BGB Rn. 137). Ein Berufskraftfahrer hat aufgrund der besonderen Gefahren des öffentlichen Straßenverkehrs jeden die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Alkoholkonsum zu unterlassen (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 25; LAG Nürnberg 17. Dezember 2002 - 6 Sa 480/01 - zu II 1 der Gründe; KR/Fischermeier 11. Aufl. § 626 BGB Rn. 423; KR/Griebeling/Rachor § 1 KSchG Rn. 425; Krause in vHH/L 15. Aufl. § 1 Rn. 577; Staudinger/Preis (2016) § 626 Rn. 129 mwN; HaKo/Zimmermann 5. Aufl. § 1 Rn. 360).

19

bb) Nimmt ein Berufskraftfahrer Amphetamin und Methamphetamin ein und führt er dennoch im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung ein Fahrzeug des Arbeitgebers, kommt es wegen der sich aus diesem Drogenkonsum typischerweise ergebenden Gefahren nicht darauf an, ob seine Fahrtüchtigkeit konkret beeinträchtigt ist. Der Pflichtenverstoß liegt bereits in der massiven Gefährdung der Fahrtüchtigkeit.

20

(1) Dies entspricht den Wertungen des öffentlichen Rechts.

21

(a) Nach § 24a Abs. 2 Satz 1 StVG handelt ordnungswidrig, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Die Vorschrift erfasst Fahrten unter der Einwirkung bestimmter Rauschmittel, die allgemein geeignet sind, die Verkehrs- und Fahrsicherheit zu beeinträchtigen. Es handelt sich um einen abstrakten Gefährdungstatbestand, bei dem es auf eine tatsächliche Beeinträchtigung der Fahrsicherheit oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer im Einzelfall nicht ankommt (vgl. Janker/Hühnermann in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker Straßenverkehrsrecht 24. Aufl. § 24a StVG Rn. 5). Amphetamin und Methamphetamin sind in der Anlage zu § 24a StVG genannt. Die Einnahme dieser Substanzen bewirkt zB erhöhte Risikobereitschaft und Enthemmung (vgl. König in Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht 43. Aufl. § 24a StVG Rn. 19).

22

(b) Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) besteht bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) mit Ausnahme von Cannabis keine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen. Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 3, §§ 11 bis 14 FeV bereits dann gerechtfertigt, wenn der Fahrerlaubnisinhaber mindestens einmal sogenannte „harte Drogen“ konsumiert hat. Der Fahrerlaubnisbehörde ist insoweit kein Ermessen eingeräumt (BayVGH 15. Juni 2016 - 11 CS 16.879 - Rn. 13; vgl. auch OVG NRW 23. Juli 2015 - 16 B 656/15 - Rn. 5; VGH Baden-Württemberg 7. April 2014 - 10 S 404/14 - Rn. 5; OVG Berlin-Brandenburg 10. Juni 2009 - OVG 1 S 97.09 - Rn. 4; VGH Hessen 21. März 2012 - 2 B 1570/11 - Rn. 6; Sächsisches OVG 28. Oktober 2015 - 3 B 289/15 - Rn. 5; OVG Sachsen-Anhalt 13. April 2012 - 3 M 47/12 - Rn. 6; Thüringer OVG 9. Juli 2014 - 2 EO 589/13 - Rn. 14; Koehl ZfSch 2015, 369 unter B). Zu den „harten Drogen“ zählen auch Amphetamin und Methamphetamin (§ 1 Abs. 1 BtMG iVm. Anlagen II und III zu § 1 Abs. 1 BtMG). Die Anlage 4 zur FeV beruht maßgeblich auf den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung des Gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin bei den für Verkehr und Gesundheit zuständigen Bundesministerien, denen ein entsprechendes verkehrsmedizinisches Erfahrungswissen zugrunde liegt und die den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis auf diesem Gebiet wiedergeben (BVerwG 14. November 2013 - 3 C 32.12 - Rn. 19 mwN, BVerwGE 148, 230).

23

(2) Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass die Einnahme von Amphetamin und Methamphetamin die Fahrtüchtigkeit in einem solchen Maß gefährdet, dass dies für sich genommen bei einem Berufskraftfahrer eine Verletzung des Arbeitsvertrags darstellt, wenn er trotz des Drogenkonsums seine Tätigkeit verrichtet. Die drogenbedingte Gefährdung der Fahrtüchtigkeit bewirkt zumindest abstrakt auch eine Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs. Im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen ist der Berufskraftfahrer gehalten, eine solche Gefährdung zu verhindern. Er verletzt durch die Drogeneinnahme seine Verpflichtungen daher auch dann, wenn es trotz des Drogenkonsums nicht zu einer konkreten Einschränkung der Fahrtüchtigkeit oder zu kritischen Verkehrssituationen kommt. Es ist für die Prüfung eines Vertragsverstoßes auch unbeachtlich, ob der Berufskraftfahrer durch seine Fahrtätigkeit eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 Satz 1 StVG begeht oder ob die Substanz nicht mehr im Blut nachgewiesen werden kann(§ 24a Abs. 2 Satz 2 StVG).

24

cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt hier entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vor, welcher die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt.

25

(1) Der Kläger hat in schwerwiegender Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen.

26

(a) Er konsumierte unstreitig am 11. Oktober 2014 Amphetamin und Methamphetamin. Dennoch verrichtete er vom 13. bis zum 15. Oktober 2014 seine Tätigkeit als LKW-Fahrer. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts stand er dabei noch „unter Drogeneinfluss“. Es ist jedenfalls bzgl. der Fahrten am 13. und 14. Oktober 2014 nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht dies aus dem Ergebnis des am Nachmittag des 14. Oktober 2014 durchgeführten Drogenwischtests geschlossen hat. Der Kläger hat damit seine vertraglichen Pflichten verletzt, auch wenn ungeklärt ist, inwieweit seine Fahrtüchtigkeit (noch) konkret beeinträchtigt war. Die Pflichtverletzung besteht, wie ausgeführt, schon in der Aufnahme der Tätigkeit trotz des Drogenkonsums.

27

(b) Diese Pflichtverletzung hat der Kläger schuldhaft begangen. Er handelte mindestens fahrlässig iSd. § 276 Abs. 2 BGB, indem er seine Fahrt am 13. Oktober 2014 um 04:00 Uhr morgens antrat, obwohl er erst zwei Tage vorher Amphetamin und Methamphetamin zu sich genommen hatte. Ihm musste bewusst gewesen sein, dass eine Fahrt unter Drogeneinfluss angesichts dieser kurzen Zeitdauer noch möglich war. Zudem hat er den LKW auch noch am 15. Oktober 2014 geführt, obwohl ihm das drogenbedingt erhöhte Risiko durch den positiven Drogenwischtest am 14. Oktober 2014 vor Augen geführt wurde. Der Umstand, dass der Kläger den Beklagten unstreitig noch am Abend dieses Tages angerufen und fälschlicherweise behauptet hat, er könne die Fahrt am nächsten Morgen wegen eines verlorenen Führerscheins nicht durchführen, lässt darauf schließen, dass er dieses Risiko auch erkannt hatte. Dabei kommt es nicht darauf an, welche Aussagen die Polizei ihm gegenüber gemacht hatte.

28

(c) Deshalb kann hier dahinstehen, unter welchen Umständen ein Berufskraftfahrer bei einem länger zurückliegenden Drogenkonsum davon ausgehen darf, dass keine Auswirkungen mehr bestehen. Auch die Problematik einer suchtbedingt fehlenden Steuerbarkeit des Verhaltens stellt sich nicht (vgl. hierzu BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 14; HaKo/Zimmermann 5. Aufl. § 1 Rn. 354). Der Kläger hat nicht behauptet, im fraglichen Zeitraum drogensüchtig gewesen zu sein.

29

(2) Dem Beklagten war die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist auch bei Berücksichtigung der Interessen des Klägers nicht zumutbar. Die zu Gunsten des Klägers ausfallende Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts würdigt nicht alle in Betracht zu ziehenden Umstände. Da die für die Interessenabwägung relevanten Tatsachen sämtlich feststehen, kann der Senat die erforderliche Abwägung selbst vornehmen (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42).

30

(a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Zu berücksichtigen sind regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel - etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 46 mwN, BAGE 153, 111).

31

(b) Das Landesarbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung als unverhältnismäßig angesehen, weil „keine Umstände vorliegen, die den Schluss zulassen, der Kläger sei an den genannten Tagen gefahren, obwohl er fahruntüchtig gewesen sei“. Ein einmaliger Verstoß gegen § 24a Abs. 2 StVG ohne eine konkrete Gefahr für die Interessen des Arbeitgebers könne eine fristlose Kündigung nicht rechtfertigen. Es lägen keine Tatsachen vor, die auf einen regelmäßigen Drogenkonsum des Klägers, welcher seine persönliche Eignung für die Tätigkeit als Berufskraftfahrer in Frage stellen könnte, schließen ließen. Dies ergebe sich auch nicht aus der angeblichen Weigerung des Klägers, sich einer Untersuchung durch den medizinischen Dienst der Berufsgenossenschaft zu unterziehen. Es bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine generelle Weigerung.

32

(c) Diese Würdigung ist nicht frei von Rechtsfehlern.

33

(aa) Das Landesarbeitsgericht verkennt, dass schon die Einnahme von sogenannten „harten Drogen“ wie Amphetamin und Methamphetamin die Fahrtüchtigkeit in einem solchen Maß gefährdet, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen entfällt. Der kündigungsrelevante Pflichtenverstoß des Klägers ist schon die Gefährdung seiner Fahrtüchtigkeit durch den Drogenmissbrauch vor Fahrtantritt. Ob seine Fahrtüchtigkeit bei den ab dem 13. Oktober 2014 durchgeführten Fahrten konkret beeinträchtigt war und deshalb eine erhöhte Gefahr im Straßenverkehr bestand, ist ohne Bedeutung.

34

(bb) Die vom Landesarbeitsgericht angenommene Erfüllung des Tatbestands des § 24a Abs. 2 StVG mag für sich genommen nicht ausreichen, um die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist anzunehmen. Das Begehen einer solchen Ordnungswidrigkeit wäre aber zu Lasten des Klägers in die Gesamtabwägung einzustellen.

35

(cc) Das Landesarbeitsgericht hat die Bedeutung der Zuverlässigkeit des Klägers im Hinblick auf den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz nicht hinreichend gewürdigt. Nach § 7 Abs. 2 der von der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft (BG Verkehr) als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung erlassen Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ dürfen Unternehmer Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen. Eine Missachtung dieser Vorgaben kann zum Verlust des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Unfallversicherung führen (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 25). Dem Beklagten war seit dem 27. Oktober 2014 bekannt, dass der Kläger „harte Drogen“ konsumiert hatte. Er musste daher davon ausgehen, dass ein weiterer Einsatz des Klägers das Risiko weiterer Fahrten unter Drogeneinfluss und damit Gefährdungen des öffentlichen Straßenverkehrs in sich birgt. Aus Sicht des Beklagten bestanden damit auch unabsehbare Risiken bzgl. seiner Haftung und des Versicherungsschutzes. Dies spricht für die Unzumutbarkeit der weiteren Beschäftigung des Klägers für den Beklagten.

36

(dd) Gleiches gilt hinsichtlich des möglichen Auftragsverlusts bei einem weiteren Einsatz des Klägers. Der Beklagte hat vorgetragen, dass der einzige Kunde bei Einsatz eines drogenbedingt unzuverlässigen Fahrers die Zuverlässigkeit des gesamten Unternehmens in Frage gestellt und ggf. den Auftrag entzogen hätte. Dies hat der Kläger nicht substantiiert bestritten. Die sich daraus ergebende wirtschaftliche Bedrohung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht nicht thematisiert.

37

(d) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war dem Beklagten deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist auch bei Berücksichtigung der Interessen des Klägers nicht zumutbar.

38

(aa) Der Kläger hat eine Pflichtverletzung begangen, durch welche er nicht nur sich selbst, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer sowie Güter des Beklagten zumindest potentiell in Gefahr gebracht hat. An der Schwere dieser Pflichtverletzung ändert es nichts, wenn es sich um einen einmaligen Drogenkonsum gehandelt haben sollte. Hätte der Kläger damals regelmäßig Drogen dieser Art konsumiert, hätte eine gesteigerte Wiederholungsgefahr bestanden, die zu Lasten des Klägers gewürdigt werden müsste.

39

(bb) Zu Gunsten des Klägers kann nicht berücksichtigt werden, dass es zu keinem Unfall kam. Zum einen kann dies als ein mehr oder minder zufälliger Umstand bei der Abwägung außer Betracht bleiben (vgl. bereits BAG 22. August 1963 - 2 AZR 114/63 -). Zum anderen würde das durch den Pflichtenverstoß geschaffene Risiko im Nachhinein unangemessen relativiert.

40

(cc) Soziale Belange rechtfertigen kein Überwiegen des Interesses des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Das Arbeitsverhältnis bestand erst seit knapp einem Jahr. Die persönliche Situation des Klägers lässt keine besondere Schutzwürdigkeit erkennen.

41

(dd) Die außerordentliche Kündigung ist keine unverhältnismäßige Reaktion auf die Pflichtverletzung des Klägers. Eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz war nicht möglich. Der Beklagte beschäftigt nach seinem unbestrittenen Vortrag ausschließlich Fahrer. Eine Abmahnung war entbehrlich. Die Pflichtverletzung des Klägers war so schwerwiegend, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich ausgeschlossen war (vgl. BAG 19. November 2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 24; 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 22, BAGE 150, 109).

42

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht berücksichtigt, dass der Beklagte die außerordentliche Kündigung ausweislich des Kündigungsschreibens auch damit begründet hat, dass der Kläger ihn in dem Telefonat am 14. Oktober 2014 nicht über den durchgeführten Drogenwischtest informiert, sondern fälschlicherweise behauptet habe, er dürfe wegen eines verlorenen Führerscheins am nächsten Tag nicht fahren. Dieses Verhalten des Klägers rechtfertigt für sich genommen die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

43

aa) Eine Nebenpflicht des Arbeitnehmers besteht darin, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen ( § 241 Abs. 2 BGB ). Diese Pflicht dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks ( BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13  - Rn. 19 mwN). Aus ihr leitet sich die allgemeine Pflicht des Arbeitnehmers ab, den Arbeitgeber im Rahmen des Zumutbaren unaufgefordert und rechtzeitig über Umstände zu informieren, die einer Erfüllung der Arbeitspflicht entgegenstehen (BAG 26. März 2015 - 2 AZR 517/14 - Rn. 24). Deshalb hat ein Arbeitnehmer den Verlust seiner Fahrerlaubnis unverzüglich mitzuteilen, wenn er diese für die Erbringung seiner Arbeitsleistung benötigt (vgl. Künzl/Sinner NZA-RR 2013, 561, 565). Zu den Nebenpflichten gehört auch die Schadensabwendungspflicht, nach welcher der Arbeitnehmer gehalten ist, drohende Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden bzw. zu beseitigen, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist. In Zusammenhang damit steht die Verpflichtung des Arbeitnehmers, bemerkbare oder voraussehbare Schäden oder Gefahren dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen (BAG 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 21). Verstößt der Arbeitnehmer zumindest bedingt vorsätzlich gegen seine aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Pflicht, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren drohende Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden, liegt darin eine erhebliche Pflichtverletzung, die den Arbeitgeber grundsätzlich zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt(vgl. BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 25).

44

bb) Der Kläger hatte die Pflicht, den Beklagten unverzüglich über das Ergebnis des Drogenwischtests am 14. Oktober 2014 zu informieren. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass der Test auf die polizeiliche Kontrolle einer Privatfahrt zurückzuführen ist. Der Bezug zum Arbeitsverhältnis ergibt sich aus der Einteilung des Klägers in die am nächsten Morgen um 04:00 Uhr beginnende Frühschicht. Dem Kläger wurde durch das Ergebnis des Drogenwischtests unmissverständlich verdeutlicht, dass der Drogenkonsum am vorangegangenen Samstag seine Fahrtüchtigkeit noch immer erheblich in Frage stellt. Seine Fähigkeit zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Vertragspflichten als LKW-Fahrer war damit zumindest bezogen auf den nächsten Tag zweifelhaft. Angesichts der mit einem Einsatz des Klägers zumindest abstrakt verbundenen Gefahren für den Straßenverkehr und Güter des Beklagten musste der Beklagte offensichtlich über diese Situation unterrichtet werden, um ihm eine Entscheidung bzgl. der weiteren Vorgehensweise auf zutreffender Tatsachengrundlage zu ermöglichen.

45

cc) Diese Pflicht hat der Kläger nicht erfüllt. Er hat in dem Telefonat am Abend des 14. Oktober 2014 die Polizeikontrolle und deren Ergebnis vielmehr wahrheitswidrig dargestellt, indem er behauptet hat, er dürfe nach polizeilicher Auskunft am nächsten Tag den LKW nicht fahren, weil er seinen Führerschein verlegt habe. Über den wirklichen Sachverhalt hat er den Beklagten nicht informiert.

46

dd) Diese Pflichtverletzung stellt einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB dar.

47

(1) Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu Lasten des Klägers nicht nur die Schwere der Vertragsverletzung zu berücksichtigen, sondern auch die bewusste Täuschung des Beklagten über die Geschehnisse am 14. Oktober 2014. Der Beklagte hat im Kündigungsschreiben zu Recht angeführt, der Kläger habe versucht, „die entsprechenden Umstände zu verheimlichen“. Der Kläger hat mit seiner Vorgehensweise dem auch für die kurzfristige Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlichen Vertrauen des Beklagten die Grundlage entzogen. Der Beklagte konnte sich nicht mehr sicher sein, dass der Kläger ihn über sicherheitsrelevante Vorgänge pflichtgemäß unterrichtet. Da der Beklagte auf die Zuverlässigkeit der Mitteilungen seiner Fahrer angewiesen ist, war ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar.

48

(2) Eine Abmahnung war auch bzgl. dieses gravierenden Pflichtenverstoßes entbehrlich. Der Kläger konnte nicht erwarten, dass der Beklagte die irreführende Darstellung der Polizeikontrolle akzeptiert.

49

c) Selbst wenn die beiden angeführten Kündigungsgründe für sich genommen die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen würden, wäre die außerordentliche Kündigung jedenfalls bei einer Gesamtbetrachtung wirksam. Der Kläger hat durch die für einen Berufskraftfahrer unverantwortbare Gefährdung seiner Fahrtüchtigkeit in Verbindung mit dem Versuch einer Vertuschung des Drogenwischtests die für das Arbeitsverhältnis unabdingbare Vertrauensgrundlage zerstört.

50

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

51

1. Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB ist bzgl. beider Kündigungsgründe gewahrt. Sie beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 54 mwN). Der Beklagte hat hier nach seinem insoweit unbestrittenen Vortrag erst im Gespräch am 27. Oktober 2014 von den maßgeblichen Umständen Kenntnis erlangt. Der Zugang der Kündigung erfolgte bereits am 28. Oktober 2014.

52

2. Die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 28. Oktober 2014 ergibt sich auch nicht aus anderen Umständen. Solche sind weder behauptet noch ersichtlich.

53

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel     

        

        

        

    Wollensak    

        

    Döpfert     

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. Mai 2012 - 3 Sa 1420/11 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch, weil sich die Klägerin wegen ihres Geschlechts benachteiligt sieht.

2

Die 1981 geborene, verheiratete Klägerin nahm am 6. Juli 2010 eine bis 5. Juli 2012 befristete Beschäftigung bei der Beklagten als Personalsachbearbeiterin zu einem monatlichen Bruttogehalt von 2.750,00 Euro auf. Nach § 2 des zugrunde liegenden Arbeitsvertrages vom 17. Juni 2010 sollten die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit gelten, innerhalb derer das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von zwei Wochen ohne Nennung von Gründen gekündigt werden können sollte.

3

Ab dem 28. September 2010 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte zahlte nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit bis 9. November 2010 das Entgelt fort. Vom 10. November bis 21. November 2010 erhielt die Klägerin Krankengeld. Die Beklagte kündigte unter dem 18. November 2010 das Arbeitsverhältnis zum 3. Dezember 2010.

4

Durch Rechtsanwaltsschreiben vom 22. November 2010 ließ die Klägerin der Beklagten mitteilen, dass sie schwanger sei. Die Anwälte baten die Beklagte zur Vermeidung einer Klage bis zum 29. November 2010 mitzuteilen, dass sie an der Kündigung „nicht festhalte“. Mit weiterem Schreiben vom 25. November 2010 übersandten sie ein ärztliches Schwangerschaftsattest und teilten mit, dass ein ärztliches Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG ausgesprochen worden sei. Am 29. November 2010 forderte die Beklagte die Klägerin auf, sich betriebsärztlich untersuchen zu lassen. Daraufhin bestätigte der Betriebsarzt unter dem 22. Dezember 2010 sowohl die bestehende Schwangerschaft als auch das Beschäftigungsverbot.

5

Klage gegen die ihr ausgesprochene Kündigung erhob die Klägerin am 7. Dezember 2010, trug aber dem Arbeitsgericht die Tatsache ihrer Schwangerschaft erst im Gütetermin vom 27. Januar 2011 vor. Mit Eingang bei Gericht am 8. Februar 2011 erweiterte die Klägerin die Klage um Gehaltszahlungsansprüche und den streitgegenständlichen Entschädigungsanspruch. Vor Zustellung dieser Klageerweiterung „bestätigte“ die Beklagte mit Datum vom 9. Februar 2011 der Klägerin „hiermit die Rücknahme unserer vorgenannten Kündigung“.

6

Nachdem die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit dem 2. Februar 2011 ihr Mandat niedergelegt hatten, meldeten sich mit Schriftsatz vom 4. März 2011 ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten beim Arbeitsgericht. Sie verwiesen auf die bereits erfolgte „Rücknahme“ der Kündigung und stellten klar, dies sei als Angebot zu verstehen, das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortzusetzen. Diesbezüglich setzten sie der Klägerin eine Erklärungsfrist bis 25. März 2011. Soweit die Klägerin nunmehr wegen des Beschäftigungsverbotes weitere Entgeltzahlung verlange, müsse zunächst geklärt werden, ob das Beschäftigungsverbot seine Ursache allein in der Schwangerschaft habe. In diesem Fall werde die Beklagte selbstverständlich ihrer Verpflichtung aus § 11 MuSchG nachkommen, ihr sei das Erstattungsverfahren nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 Aufwendungsausgleichsgesetz(AAG) bekannt. Mit Schreiben vom 21. März 2011 machte die Klägerin geltend, von der Beklagten diskriminiert zu werden und forderte sie auf, die Unwirksamkeit der Kündigung durch Anerkenntnis der Klage zu bestätigen. Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 5. Mai 2011 gaben die Prozessvertreter der Beklagten ein Anerkenntnis hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags „vor dem Hintergrund der heutigen Versuche einer gütlichen Einigung im vorliegenden Rechtsstreit“ ab. Ein entsprechendes Teil-Anerkenntnisurteil wurde vom Arbeitsgericht erlassen.

7

Ihren Antrag auf Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts hat die Klägerin damit begründet, dass die Beklagte das Beschäftigungsverhältnis gekündigt und daran auch festgehalten habe, als sie positive Kenntnis von der Schwangerschaft erlangt habe. Die Beklagte habe ihre Schwangerschaft ignoriert, statt die in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Prozesshandlungen zu vollziehen. Schon bei der Mitteilung der Schwangerschaft sei die Beklagte aufgefordert worden, die Kündigung zurückzunehmen. Auch das ärztliche Schwangerschaftsattest habe nichts bewirkt. Obschon der Betriebsarzt das Beschäftigungsverbot bestätigt habe, habe die Beklagte Lohnzahlungen oder Ersatzleistungen nicht erbracht.

8

Soweit für die Revision von Bedeutung hat die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.250,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Klageerweiterung zu zahlen.

9

Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags hat die Beklagte zunächst darauf verwiesen, die Kündigung in Unkenntnis der Schwangerschaft ausgesprochen zu haben. Soweit sie wegen des Beschäftigungsverbotes in Anspruch genommen werden sollte, habe sie nur aufgefordert, Auskunft über die Gründe für das Beschäftigungsverbot zu geben. Außerdem habe sie die Kündigung „zurückgenommen“ und schließlich den Kündigungsschutzantrag anerkannt.

10

Durch Schlussurteil vom 5. Mai 2011 hat das Arbeitsgericht den Zahlungsansprüchen der Klägerin entsprochen, soweit sie durch das Beschäftigungsverbot nach § 11 Abs. 1 MuSchG begründet waren. Den Entschädigungsanspruch hat es abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb insoweit ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Entschädigungsanspruch iHv. drei Bruttomonatsgehältern weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Klägerin ist unbegründet, weil die Klage unbegründet ist. Ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG steht der Klägerin nicht zu, weil sie nicht wegen ihrer Schwangerschaft und damit auch nicht wegen ihres Geschlechts von der Beklagten benachteiligt worden ist, § 15 Abs. 2 in Verb. mit § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 2 AGG.

12

A. Seine Entscheidung zum Entschädigungsanspruch hat das Landesarbeitsgericht im Wesentlichen wie folgt begründet:

13

Die Klägerin habe keine Verhaltensweisen der Beklagten dargelegt, die für sich genommen oder im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ihre Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten ließen. Die Kündigung sei ausgesprochen worden, ohne dass der Beklagten zu diesem Zeitpunkt die Schwangerschaft der Klägerin bekannt gewesen sei. Dass Festhalten an der wegen der mutterschutzrechtlichen Bestimmungen unwirksamen Kündigung sei wertneutral und keinem verpönten Kriterium aus § 1 AGG zuzuordnen. Ebenso lasse auch die Nichtgewährung von Leistungen, die nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes zu erbringen waren, eine Benachteiligung wegen des Geschlechts nicht vermuten. Sofern darin die Verletzung allgemeiner arbeitsvertraglicher Verpflichtungen zu sehen sei, stelle dies nicht zugleich eine unzulässige Benachteiligung iSd. § 1 AGG dar. Die Klägerin habe ihre vertraglichen oder gesetzlichen Rechte gerichtlich geltend gemacht und durchgesetzt. Jedenfalls sei selbst im Falle einer Benachteiligung eine angemessene Entschädigung nicht festzusetzen. Es liege kein Wiederholungsfall vor, der Anlass für die Kündigung sei nicht schwangerschaftsbezogen. Die Dauer der Beeinträchtigung habe sich in Grenzen gehalten. Außerdem habe die Beklagte schon Anfang Februar 2011 zu erkennen gegeben, an der Kündigung nicht festhalten zu wollen und unwidersprochen hätten Versuche einer außergerichtlichen Einigung davor stattgefunden. Im Hinblick darauf sei es üblich, mit Zahlungen innezuhalten. Außerdem habe die Beklagte lediglich von ihrer rechtlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht überprüfen zu lassen, ob eine Nichtbeschäftigung der Klägerin wegen Arbeitsunfähigkeit oder wegen eines Beschäftigungsverbotes im Sinne des Mutterschutzgesetzes zu beachten gewesen sei.

14

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

15

I. Es kann dahinstehen, ob der sachliche Anwendungsbereich des Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG eröffnet ist.

16

1. Die Klägerin sieht in der Kündigung vom 18. November 2010 eine der sie benachteiligenden Maßnahmen. § 2 Abs. 4 AGG bestimmt seinem Wortlaut nach, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten. Es ist umstritten, welche Bedeutung § 2 Abs. 4 AGG im Einzelnen zukommt(vgl. zB Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz Rn. 103 ff.; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 55 ff.; Schleusener/Suckow/Voigt/Schleusener AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 29 ff.; Däubler/Bertzbach/ Däubler AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 256 ff.; ErfK/Schlachter 13. Aufl. § 2 AGG Rn. 17 f.). Jedenfalls sind die Diskriminierungsverbote des AGG einschließlich der im Gesetz vorgesehenen Rechtfertigungen für unterschiedliche Behandlungen bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Kündigungsschutzgesetzes in der Weise zu beachten, als sie Konkretisierungen des Sozialwidrigkeitsbegriffs darstellen. Verstößt eine ordentliche Kündigung gegen Benachteiligungsverbote des AGG (§§ 1 bis 10 AGG), so kann dies zur Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 1 KSchG führen. § 2 Abs. 4 AGG steht dem nicht entgegen(BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 28, BAGE 128, 238 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 82).

17

2. Ob die Ausschließlichkeitsanordnung des § 2 Abs. 4 AGG, unabhängig von der Erhebung einer Kündigungsschutzklage und ungeachtet der Unwirksamkeit einer diskriminierenden Kündigung, darüber hinaus den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG nicht „sperrt“(so zB KR/Treber 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 27; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 2 Rn. 50; Meinel/Heyn/Herms AGG § 2 Rn. 66 und § 15 Rn. 55; Schleusener/Suckow/Voigt/Schleusener AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 30; ebenso - im Hinblick auf das gemeinschaftsrechtliche Sanktionsgebot in der Form eines Schadensausgleichs - Jacobs RdA 2009, 193, 196 und Stoffels RdA 2009, 204, 211; aA zB Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 59; Sagan NZA 2006, 1257), kann der Senat im vorliegenden Fall dahinstehen lassen. Denn selbst bei unterstellter Anwendbarkeit des § 15 Abs. 2 AGG sind die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Entschädigungszahlung nicht erfüllt.

18

II. Die Klägerin hat einen Entschädigungsanspruch nicht für alle von ihr angeführten Diskriminierungssachverhalte rechtzeitig innerhalb der Fristen der § 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht.

19

1. Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch nach Abs. 1 oder Abs. 2 des § 15 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Im Falle einer Bewerbung beginnt die Frist grundsätzlich mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG), nicht jedoch vor dem Zeitpunkt, in dem der Bewerber von seiner Benachteiligung Kenntnis erlangt (vgl. BAG 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 55, BAGE 141, 48 = AP AGG § 15 Nr. 11 = EzA AGG § 15 Nr. 18).

20

2. Auch bei dem Erhalt einer Kündigung beginnt die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Gekündigte von seiner Benachteiligung Kenntnis erlangt hat. Dies muss nicht mit dem Zugang der Kündigung zusammenfallen, ist aber vorliegend jedenfalls für den 22. November 2010 anzunehmen, da unter diesem Datum die Anwälte der Klägerin die Mitteilung an die Beklagte verfassten, die Klägerin sei schwanger. Jedenfalls ab dem 22. November 2010 wusste die Klägerin zum einen um die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung, zum anderen, dass sie schwanger war und hatte damit Kenntnis von allen Umständen, die eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts ausmachen konnten. Den Entschädigungsanspruch hat die Klägerin jedoch nicht bis 22. Januar 2011 geltend gemacht, sondern erst durch die Klageerweiterung vom 8. Februar 2011, der Beklagten am 15. Februar 2011 zugestellt. Dies wahrt die Frist des § 15 Abs. 4 AGG nicht, soweit die Klägerin an den Ausspruch der Kündigung anknüpfen will. Die Klageerhebung wahrt aber hinsichtlich der Sachverhalte „Festhalten an der Kündigung“ und „Streit um den Mutterschutzlohn“ die Frist des § 15 Abs. 4 AGG.

21

III. Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die Klägerin nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden ist.

22

1. Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, wobei vorliegend die Klägerin eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts geltend macht. Der Kausalzusammenhang zwischen der benachteiligenden Handlung und dem Geschlecht der Klägerin ist dann gegeben, wenn die Benachteiligung an das Geschlecht der Klägerin anknüpft oder dadurch motiviert ist (BT-Drucks. 16/1780 S. 32). Ausreichend ist, dass ein in § 1 AGG genannter Grund Bestandteil eines Motivbündels ist, das die Entscheidung beeinflusst hat(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 37, BAGE 129, 181 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Nach der gesetzlichen Beweislastregelung des § 22 AGG genügt es, dass der Anspruchsteller im Streitfall Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Sodann trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat.

23

2. Als benachteiligende Handlung der Beklagten kommt unabhängig von der insoweit nicht gewahrten Frist des § 15 Abs. 4 AGG, aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung die der Klägerin unter dem 18. November 2010 ausgesprochene ordentliche, fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht.

24

a) Dass der Klägerin als Frau eine Kündigung ausgesprochen wurde, lässt für sich genommen keinen Schluss auf die Vermutung einer Ursächlichkeit zwischen der (zu ihren Gunsten als Benachteiligung gewerteten) Kündigungserklärung und ihrem Geschlecht als Diskriminierungsmerkmal zu. Ein in der Person des Anspruchstellers erfülltes Diskriminierungsmerkmal vermag eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine gesetzwidrige Motivation der Kündigungsentscheidung oder deren Verknüpfung mit einem pönalisierten Merkmal nach § 1 AGG nicht zu begründen(st. Rspr., vgl. BAG 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 28 f.; zuletzt 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - [Meister] Rn. 37). Der während der Probezeit erklärten Kündigung sind - sie wurde fristgemäß erklärt - keine Hinweise für eine Anknüpfung an ein Diskriminierungsmerkmal zu entnehmen. Die Beklagte hat die Kündigung auch erst ausgesprochen, nachdem der sechswöchige Zeitraum für die Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG abgelaufen war.

25

b) Die Klägerin war im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung schwanger. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte dies nicht wusste. Diese Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin nicht mit einer Revisionsrüge angegriffen. Die geschlechtsspezifische, nur Frauen betreffende Tatsache einer Schwangerschaft kann bei Ausspruch der Kündigung keine Rolle gespielt haben.

26

3. Die Benachteiligung ist auch nicht darin zu sehen, dass die Beklagte, nachdem ihr die Schwangerschaft der Klägerin bekannt gemacht wurde, an der Kündigung „festgehalten“ hat.

27

a) Die Missachtung der zugunsten der werdenden Mutter gesetzlich bestehenden Schutzpflichten durch den Arbeitgeber kann Indizwirkung für die Benachteiligung wegen des Geschlechts haben. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft auch dann unzulässig, wenn dem Arbeitgeber „zur Zeit der Kündigung“ die Schwangerschaft zwar unbekannt war, sie ihm aber innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird.

28

b) Die Klägerin hat durch Anwaltsschreiben vom 22. November 2010 und sodann durch weiteres Anwaltsschreiben vom 25. November 2010 unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung die Beklagte über ihre Schwangerschaft unterrichtet. Spätestens mit Zugang dieses zweiten Anwaltsschreibens musste die Beklagte damit rechnen, dass ihre Kündigung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG unzulässig war. Diese sich nach Ausspruch einer an sich diskriminierungsfreien Kündigung herausstellende Unzulässigkeit der Kündigung wegen bestehender Schwangerschaft entspricht der Europäischen Rechtslage, die in Art. 10 der Richtlinie 92/85 ebenfalls allein auf die Tatsache der Schwangerschaft und nicht auf die Kenntnis des Kündigenden von dieser abstellt(vgl. EuGH 29. Oktober 2009 - C-63/08 - [Pontin] Rn. 27, 37 bis 48, Slg. 2009, I-10467).

29

c) Die Klägerin hatte schon mit ihrem Schreiben vom 22. November 2010 die Beklagte gebeten, um keine Klage erheben zu müssen, bis zum 29. November 2010 zu erklären, dass „sie an der Kündigung nicht festhalte“. Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen, vielmehr hat sie in der Folgezeit die Klägerin aufgefordert, ihre Angaben durch eine betriebsärztliche Untersuchung bestätigen zu lassen.

30

Diesem „Festhalten“ an einer möglicherweise unzulässigen Kündigung kommt Indizwirkung iSd. § 22 AGG nicht zu. Dass die Beklagte nicht bis zum 29. November 2010 mitgeteilt hat, an der Kündigung nicht „festzuhalten“, „damit wir hier keine Klage erheben müssen“, wirkte sich im Gegenteil rechtswahrend für die Klägerin aus.

31

aa) Auch die schwangere Arbeitnehmerin ist gehalten, den gesetzlichen Unwirksamkeitsgrund des § 9 Abs. 1 MuSchG innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen. Die fehlende Zustimmung der obersten Landesbehörde nach § 9 Abs. 3 MuSchG führt nicht zur Nichtigkeit der Kündigung, außerdem müssten auch Unwirksamkeits- und Nichtigkeitsgründe innerhalb der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werden(vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 703/09 - Rn. 22). Die von der Klägerin verlangte Mitteilung, „an der Kündigung nicht festzuhalten“ hätte also, wäre sie erfolgt, eine Klageerhebung wegen der Frist des § 4 Satz 1 KSchG nicht überflüssig gemacht.

32

bb) Als einseitiges Rechtsgeschäft kann die zugangsbedürftige Willenserklärung der Kündigung nach dem Zugang an den Gekündigten vom Kündigenden grundsätzlich nicht mehr einseitig zurückgenommen werden (BAG 29. Januar 1981 - 2 AZR 1055/78 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 35, 30; vgl. 26. November 1981 - 2 AZR 509/79 - BAGE 37, 135; 19. August 1982 - 2 AZR 230/80 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 40, 56; Thüsing AuR 1996, 245; Fischer NZA 1999, 459; HaKo/Gallner 3. Aufl. § 4 KSchG Rn. 79). Die Gestaltungswirkung seiner Willenserklärung kann der kündigende Arbeitgeber nicht mehr allein beseitigen, eine einseitige Kündigungsrücknahme ist ihm verwehrt. Die Wirkungen einer Kündigung können nur durch eine Vereinbarung beseitigt werden, durch die der gekündigte Arbeitnehmer ein Fortsetzungsangebot des Arbeitgebers annimmt. Steht nicht endgültig fest, ob der Arbeitnehmer das Angebot des Arbeitgebers auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses annehmen will, muss er vorsorglich Kündigungsschutzklage erheben, um die Wirkung des § 7 KSchG zu vermeiden. Sogar bei einer offensichtlich rechtsunwirksamen Kündigung gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam, wenn der betroffene Arbeitnehmer sich nicht rechtzeitig mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung wendet und ihre Rechtsunwirksamkeit nicht rechtzeitig geltend macht.

33

cc) Sowohl dem Schreiben der Klägerin vom 22. November 2010 als auch ihrer Klageerweiterung vom 8. Februar 2011, mit der sie der Beklagten vorhält, an der Kündigung trotz positiver Kenntnis ihrer Schwangerschaft „festzuhalten“, lässt sich entnehmen, dass sie dies verstanden hatte. Auch nachdem die Beklagte, am 9. Februar 2011 gegenüber der Klägerin und in der Nachricht vom 10. Februar 2011 an das Arbeitsgericht, die „Rücknahme“ der Kündigung bestätigt hatte, blieb eine Reaktion der anwaltlich beratenen Klägerin aus. Dies setzte sich fort, nachdem die neuen Prozessbevollmächtigten der Beklagten unter dem 4. März 2011 die Rechtslage im Hinblick auf die ausgesprochene Kündigung im Grundsatz zutreffend erläuterten. Die Anwälte der Klägerin stellten weiter darauf ab, dass die Beklagte schon während des Gütetermins die Gelegenheit ausgelassen habe zu erklären, dass sie an der Kündigung nicht festhalte und verwiesen darauf, dass die Klägerin selbst keine weiteren Erklärungen abgeben müsse, da sie gegen die ungerechtfertigte Kündigung Klage erhoben habe. Dies stand der Klägerin frei. Sie kann jedoch, wenn sie zu einer außergerichtlichen Bereinigung selbst nicht beiträgt, der Beklagten keine Benachteiligung vorhalten, wenn diese ihrerseits an dem Prozessweg festhält, um den in Unkenntnis der Schwangerschaft der Klägerin geschaffenen Kündigungssachverhalt aus der Welt zu schaffen. Dies hat die Beklagte dann durch Anerkenntnis im Kammertermin vom 5. Mai 2011 getan. Indizwirkung iSd. § 22 AGG kommt ihrem Verhalten jedoch nicht zu.

34

4. In den Monaten November 2010 bis Februar 2011 hat die Beklagte zunächst Gehaltszahlungen nicht geleistet, obwohl unstreitig ab dem 22. November 2010 ein ärztliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen worden war.

35

a) Der Anspruch auf Mutterschutzlohn nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG besteht nur, wenn allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot dazu führt, dass die Schwangere mit der Arbeit aussetzt. Für die Zeit, in der die Schwangere arbeitsunfähig krank ist, ist dieser alleinige Ursachenzusammenhang nicht gegeben. Das Beschäftigungsverbot hat in diesem Fall zwar die Wirkungen der § 3 Abs. 1, §§ 21, 24 MuSchG, begründet aber keine Vergütungspflicht nach § 11 MuSchG. Insoweit verbleibt der Schwangeren dann nach § 3 Abs. 1 EFZG der auf sechs Wochen begrenzte Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Die Abgrenzung, ob eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt oder ob ohne eine aktuelle Arbeitsunfähigkeit das Leben oder die Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet sind, hat der behandelnde Arzt in seinem Ermessen vorzunehmen (vgl. BAG 9. Oktober 2002 - 5 AZR 443/01 - zu I 4 der Gründe, AP MuSchG 1968 § 11 Nr. 23 = EzA MuSchG § 11 nF Nr. 23).

36

Dabei kommt der schriftlichen Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 MuSchG ein hoher Beweiswert zu. Die Arbeitnehmerin genügt ihrer Darlegungslast zur Suspendierung der Arbeitspflicht und zur Begründung eines Anspruchs nach § 11 Abs. 1 MuSchG zunächst durch Vorlage dieser ärztlichen Bescheinigung über das Beschäftigungsverbot(BAG 21. März 2001 - 5 AZR 352/99 - zu II 3 der Gründe, BAGE 97, 215, 220). Der Arbeitgeber, der ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG anzweifelt, kann vom ausstellenden Arzt Auskunft über die Gründe verlangen, soweit diese nicht der Schweigepflicht unterliegen. Der Arzt hat dem Arbeitgeber sodann mitzuteilen, von welchen tatsächlichen Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerin er bei Erteilung seines Zeugnisses ausgegangen ist und ob krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat (BAG 9. Oktober 2002 - 5 AZR 443/01 - zu I 6 der Gründe). Legt die Arbeitnehmerin trotz Aufforderung des Arbeitgebers keine entsprechende ärztliche Bescheinigung vor, ist der Beweiswert eines zunächst nicht näher begründeten ärztlichen Beschäftigungsverbotes erschüttert. Nur wenn der Arbeitgeber die tatsächlichen Gründe des Beschäftigungsverbotes kennt, kann er prüfen, ob er der Arbeitnehmerin eine andere zumutbare Arbeit zuweisen kann, die dem Beschäftigungsverbot nicht entgegensteht. Das Mutterschutzgesetz hindert den Arbeitgeber auch nicht, Umstände darzulegen, die ungeachtet der medizinischen Bewertung den Schluss zulassen, dass ein Beschäftigungsverbot auf unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen beruht (BAG 7. November 2007 - 5 AZR 883/06 - Rn. 17 mwN, AP MuSchG 1968 § 3 Nr. 21 = EzA MuSchG § 3 Nr. 10).

37

b) Erstmalig wurde die Beklagte von den Anwälten der Klägerin mit Schreiben vom 25. November 2010 davon unterrichtet, dass für die Klägerin ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen und insoweit eine Tätigkeit ausgeschlossen ist. Eine ärztliche Bescheinigung ist dabei nicht überreicht worden, nur eine Bescheinigung des Arztes über die Schwangerschaft als solche. In der Folgezeit fand dann auf Verlangen der Beklagten eine betriebsärztliche Untersuchung der Klägerin statt. Der Betriebsarzt bestätigte aus arbeitsmedizinischer Sicht sowohl die bestehende Schwangerschaft als auch das Beschäftigungsverbot, das der behandelnde Frauenarzt bereits der Krankenkasse angezeigt hatte. Mit Schriftsatz vom 4. März 2011 hat die Beklagte dann durch ihren neuen Prozessbevollmächtigten anzweifeln lassen, dass das Beschäftigungsverbot seinen Grund allein in der Schwangerschaft hat. Gleichzeitig hat sie für den Fall, dass sich ergeben sollte, dass bei der Klägerin kein krankhafter, die Arbeitsunfähigkeit begründender Befund gegeben ist, die Beachtung von § 11 MuSchG zugesagt und dabei darauf verwiesen, dass ihr das U2-Verfahren zum Ausgleich des fortzuzahlenden Entgeltes bekannt sei. Auf diesen zutreffenden Hinweis hat die Klägerin nicht oder nicht rechtskonform reagiert, indem sie auf die bloße Tatsache eines Beschäftigungsverbotes weiterhin verwies. Dies hat das Arbeitsgericht für eine Verurteilung der Beklagten ausreichen lassen, die Beklagte hat von einer Berufung insoweit abgesehen.

38

c) In Anbetracht der Rechtslage ist dem Verhalten der Beklagten auch insoweit keine Indizwirkung im Sinne eines geschlechtsdiskriminierenden Verhaltens beizumessen. Ihre gesetzliche Pflicht zur Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG hatte die Beklagte bis 9. November 2010 in vollem Umfang, also für sechs Wochen, erfüllt. Wenn dann ohne Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung hierüber von einem ab dem 22. November 2010 greifenden Beschäftigungsverbot nach § 3 MuSchG unterrichtet wurde, setzte streng genommen ihre sofortige Pflicht zur Entrichtung des Arbeitsentgeltes nach § 11 Abs. 1 MuSchG noch nicht ein. Davon ist erst nach der Mitteilung des Betriebsarztes vom 22. Dezember 2010 auszugehen, nach der das Beschäftigungsverbot „nicht anzutasten“ sei. Der weitere Einwand der Beklagten vom 4. März 2011, in dem sie die Monokausalität des Beschäftigungsverbotes in der Schwangerschaft bezweifelte, ist nicht aufgeklärt worden. Der Beklagten hätte, um unzweifelhaft ihre Pflicht nach § 11 Abs. 1 MuSchG auszulösen, eine ärztliche Bescheinigung über das Beschäftigungsverbot und dass dies allein auf die Schwangerschaft zurückzuführen ist, vorgelegt werden müssen. Zwar hätte die Beklagte ihrerseits nicht ohne Weiteres eine betriebsärztliche Untersuchung der Klägerin verlangen dürfen, darauf jedoch hat sich die Klägerin eingelassen mit der Folge, dass danach zwischen den Parteien das Beschäftigungsverbot als solches unstreitig wurde. Die Pflicht zur Entgeltfortzahlung nach § 11 MuSchG ist indes rechtlich nicht endgültig geklärt worden.

39

IV. Hat die Beklagte somit weder durch die Erklärung der Kündigung, noch durch das „Festhalten“ an dieser und schließlich auch nicht beim Streit um die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes wegen des Beschäftigungsverbotes gegen Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes verstoßen, so lässt sich auch in einer Gesamtschau ihr Verhalten entgegen der mit der Revision vertretenen Auffassung nicht als Belästigung iSd. § 3 Abs. 3 AGG würdigen.

40

1. Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG liegt auch dann vor, wenn von einer Belästigung iSd. § 3 Abs. 3 AGG auszugehen ist. Dabei ist die Belästigung eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

41

Die Würdeverletzung und ein „feindliches Umfeld“ - als Synonym für „ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld“ - müssen für die Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 3 AGG kumulativ vorliegen. Soweit vertreten wird, dass „das feindliche Umfeld“ vorrangig eine Konkretisierung des Maßstabes für den bei einer Belästigung gem. § 3 Abs. 3 AGG vorauszusetzenden Schweregrad der unerwünschten Belästigung darstelle(in diesem Sinne: ErfK/Schlachter 13. Aufl. § 3 AGG Rn. 19; Meinel/Heyn/Herms AGG § 3 Rn. 36), ist dem nicht zu folgen. Zwar deutet die Begründung des Gesetzentwurfes vom 8. Juni 2006 darauf hin, dass mit dem Begriff „feindliches Umfeld“ kein zusätzliches Tatbestandsmerkmal aufgestellt werden sollte. In der BT-Drucks. heißt es: „insbesondere durch das Schaffen eines von Einschüchterungen ... gekennzeichneten Umfeldes“ (BT-Drucks. 16/1780 S. 33). Dafür, dass „die Schaffung eines feindlichen Umfeldes“ eine weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 3 Abs. 3 AGG ist, welche kumulativ vorliegen muss, spricht jedoch, dass der Gesetzgeber in § 3 Abs. 3 AGG von dem „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien“ vom 16. Dezember 2004 abgewichen ist. In diesem, letztlich nicht Gesetz gewordenen Entwurf waren die Würdeverletzung und das feindliche Umfeld noch mit „insbesondere“ (vgl. BT-Drucks. 15/4538 S. 5) und nicht mit „und“ wie im späteren Gesetzestext, dem geltenden § 3 Abs. 3 AGG, verbunden. Im Hinblick auf diesen eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 3 AGG ergibt sich die Klarstellung des Gesetzgebers, dass beide Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen(so auch Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 233; MüKoBGB/Thüsing 6. Aufl. § 3 AGG Rn. 56; v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 3 Rn. 367; Däubler/Bertzbach/Schrader/Schubert AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 66 ff.; Schiek AGG § 3 Rn. 73; Wendtland in Gaier/Wendtland AGG § 2 Rn. 92; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 45; Schaub/Linck ArbR-HdB 15. Aufl. § 36 Rn. 36). Durch die gegenüber dem Entwurf geänderte Wortwahl hat der Gesetzgeber auch der Kritik Rechnung getragen, dass der Entwurf den Begriff der Belästigung uferlos ausdehne und unnötigerweise über die Richtlinienvorgabe hinausgehe. Mit den vom Gesetzgeber vorgenommenen Änderungen entspricht § 3 Abs. 3 AGG auch dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (BAG 24. September 2009 - 8 AZR 705/08 - Rn. 29, AP AGG § 3 Nr. 2 = EzA AGG § 3 Nr. 1).

42

Im Ergebnis ist immer eine wertende Gesamtschau aller Faktoren bei der Beurteilung, ob ein feindliches Umfeld geschaffen wurde, vorzunehmen. Diese Gesamtschau unterliegt revisionsrechtlich nur einer eingeschränkten Überprüfung. Die tatrichterliche Würdigung darf dem Berufungsgericht nicht entzogen werden. Das Revisionsgericht kann nur überprüfen, ob das Landesarbeitsgericht Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls beachtet und hinreichend gewürdigt hat und ob es in die vorzunehmende Gesamtschau die wesentlichen Umstände des Einzelfalles in nachvollziehbarer Weise miteinbezogen hat sowie ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (BAG 24. September 2009 - 8 AZR 705/08 - Rn. 33).

43

2. Nach dem unstreitigen Sachverhalt, wie ihn das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, hat die Beklagte kein „feindliches Umfeld“ im Sinne eines frauen- oder mutterschaftsfeindlichen Verhaltens geschaffen. Die Kündigung erfolgte in Unkenntnis der Schwangerschaft, war somit geschlechtsneutral. Das „Festhalten“ an der Kündigung wirkte sich in Anbetracht der Rechtsunkenntnis der Klägerin interessengerechter aus, als es eine sofortige Erklärung, man leite aus der Kündigung keine Rechte mehr her, für die notwendige Erhebung der Klage innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG gewesen wäre. Ob die Beklagte tatsächlich nach § 11 MuSchG zur Fortzahlung des Arbeitsentgeltes gegenüber der Klägerin verpflichtet war, ist bzgl. der Voraussetzungen nicht aufgeklärt worden, allerdings rechtskräftig zuungunsten der Beklagten entschieden. Der Beklagten, die auf eine Berufung insoweit verzichtet hat, bei der Verfolgung von Rechtspositionen eine mutterschaftsfeindliche und frauendiskriminierende Einstellung zu unterstellen, ist ohne weitere Anhaltspunkte dafür entgegen der Rechtsauffassung der Revision nicht zulässig. Der Arbeitgeber ist gehalten, die besonderen Verpflichtungen zum Schutz der werdenden Mutter nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes einzuhalten. Dies bedeutet nicht, dass er bei begründeten Zweifeln in zulässiger Weise seine Rechte nicht ausüben dürfte. Das Beschäftigungsverbot für die Klägerin ab dem 22. November 2010 schloss sich nahtlos an die Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 28. September bis zum 21. November 2010 an. Dies lässt die geäußerten Zweifel der Beklagten, ob das Beschäftigungsverbot nicht auch krankheitsbedingte Ursachen haben könnte, jedenfalls nicht als frauenfeindliche und geschlechtsspezifische Belästigung einer schwangeren Arbeitnehmerin erscheinen.

44

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

  Breinlinger  

        

        

        

    v. Schuckmann    

        

   F. Avenarius  

                 

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juni 2013 - 21 Sa 1456/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte entwickelt und vertreibt Hygieneartikel. Der 1964 geborene Kläger ist bei ihr seit Juni 1991 als Maschinenführer tätig. Zuletzt war er - als einer von etwa 220 Arbeitnehmern - im Betrieb E im Dreischichtmodell beschäftigt. Sein monatlicher Bruttoverdienst belief sich auf ca. 2.700,00 Euro.

3

Der Kläger war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Im Jahr 2006 war er ab dem 27. Juli an wenigstens 59 Tagen wegen einer Handverletzung nicht arbeitsfähig. Im Jahr 2007 fehlte er wegen einer anderen Handverletzung 105 und aufgrund einer Kontaktallergie weitere 30 Tage. Im Jahr 2008 war er an 69 Tagen, im Jahr 2009 an 74 Tagen, im Jahr 2010 an 62 Tagen und im Jahr 2011 an 125 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Zwei Fehltage im Jahr 2008 und 21 Fehltage im Jahr 2009 waren auf Arbeitsunfälle zurückzuführen. Von den Krankheitstagen im Jahr 2011 entfielen 117 Tage auf ein Hüftleiden. Wegen dieser Erkrankung unterzog sich der Kläger am 28. März 2011 einer Operation.

4

Die Fehlzeiten verteilten sich auf unterschiedlich lange Zeiträume, jeweils unterbrochen durch Tage der Arbeitsfähigkeit.

5

Im Jahr 2004 stellte sich der Kläger auf Ersuchen der Beklagten beim arbeitsmedizinischen Dienst vor. Es folgten weitere Begutachtungen Ende 2009/Anfang 2010 und im September 2011. In den betriebsärztlichen Stellungnahmen hieß es jeweils, gegen eine Beschäftigung des Klägers bestünden keine gesundheitlichen Bedenken. Im Schreiben vom 2. Februar 2010 wurde außerdem berichtet, es hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass die gehäuften krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stehen könnten. Im September 2010 teilte die Berufsgenossenschaft der Beklagten mit, sie habe dem Kläger einseitig beschichtete Strickhandschuhe zur Verfügung gestellt, bei deren Verwendung sich arbeitsbedingte Kontaktallergien vermeiden ließen.

6

Mit Schreiben vom 29. November 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. Juni 2012.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die seit dem Jahr 2008 aufgetretenen Fehlzeiten seien - soweit nicht auf Arbeitsunfällen und den Hüftbeschwerden beruhend - im Wesentlichen auf eine Kontaktallergie, einen Fersensporn, Erkältungskrankheiten, in geringem Umfang auf eine Herz-/Kreislauferkrankung sowie zwei in der Freizeit erlittene Unfälle zurückzuführen. Die Fehlzeiten indizierten keine negative Zukunftsprognose. Mit dem Auftreten der Allergie sei nach den Maßnahmen der Berufsgenossenschaft und beim Tragen der empfohlenen Schutzhandschuhe nicht mehr zu rechnen. Sein Hüftleiden sei zwischenzeitlich ausgeheilt. Der Fersensporn sei gleichfalls erfolgreich therapiert. Seine Erkältungskrankheiten seien durch Zugluft am Arbeitsplatz ausgelöst oder begünstigt worden. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig. Die Beklagte habe ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nicht durchgeführt. Sie könne sich deshalb nicht darauf berufen, alternative Möglichkeiten zur Vermeidung oder doch erheblichen Verringerung künftiger Fehlzeiten hätten nicht bestanden. Das sei auch objektiv falsch. Neben Veränderungen am Arbeitsplatz, dessen bisheriger Zuschnitt ein kontinuierliches Treppensteigen erfordere, habe ein geeignetes „Gesundheitsmanagement“ zur Stabilisierung seines Abwehr- und Immunsystems beitragen können. Dies belege eine zwischenzeitlich durchgeführte Reha-Maßnahme, in deren Folge sich sein Gesundheitszustand deutlich gebessert habe. Unabhängig davon sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Maschinenführer weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Dieser sei bis einschließlich des 25. November 2011 an insgesamt 1061 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen. Davon habe sie für 803 Tage Entgeltfortzahlung geleistet. Die erheblichen Fehlzeiten sprächen für eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit des Klägers und begründeten eine negative Gesundheitsprognose. Dies wiederum beeinträchtige ihre betrieblichen Interessen erheblich. Sie habe damit rechnen müssen, an den Kläger weiterhin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für die Dauer von mehr als sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Ihre Verpflichtung zur Durchführung eines bEM habe sie mit den in Auftrag gegebenen arbeitsmedizinischen Untersuchungen erfüllt. Jedenfalls stehe aufgrund der betriebsärztlichen Stellungnahmen fest, dass die Krankheitsanfälligkeit des Klägers nicht durch organisatorische Änderungen habe überwunden werden können. Die Kündigung sei damit selbst dann verhältnismäßig, wenn es an einem regelkonformen bEM fehlen sollte. Auf die allgemeine Gesundheitsprävention im Rahmen außerbetrieblicher Maßnahmen sei der gesetzlich vorgegebene Klärungsprozess nicht angelegt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage im noch rechtshängigen Umfang stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet.

12

A. Die Revision ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Urteils zugelassen. Daran ist der Senat gemäß § 72 Abs. 3 ArbGG gebunden(vgl. BAG 16. April 1997 - 4 AZR 653/95 - zu I der Gründe). Eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung - wie sie der Kläger offenbar anstrebt - findet nicht statt.

13

B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden (I.). Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (II.).

14

I. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Sie ist nicht durch Gründe in der Person des Klägers bedingt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Sie erweist sich - ungeachtet der erheblichen Fehlzeiten - als unverhältnismäßig.

15

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen entwickelt hat (vgl. aus jüngerer Zeit BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335). Auch wenn sich einzelne Krankheitsphasen über mehrere Monate erstreckten, liegt angesichts der Vielzahl der in Rede stehenden Krankheitsbilder und des häufigen Wechsels von Krankheits- und Arbeitsphasen nicht der Tatbestand einer lang anhaltenden Erkrankung vor.

16

2. Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen (bspw. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung - dritte Stufe - ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - aaO; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335).

17

3. Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 17, BAGE 121, 335; 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 20). Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24; 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 92, 96). Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO mwN).

18

4. Entgegen der Auffassung des Klägers erweist sich danach die Kündigung nicht bereits im ersten Prüfungsschritt als unwirksam. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die bisherigen Fehlzeiten hätten im Kündigungszeitpunkt eine negative Gesundheitsprognose indiziert und der Kläger habe diese Indizwirkung nicht entkräftet, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

19

a) Die Beklagte hat die Krankheitszeiten des Klägers nach Zahl, Dauer und zeitlicher Folge im Einzelnen vorgetragen. Danach war der Kläger auch ohne die durch Arbeitsunfälle bedingten Ausfallzeiten seit Mitte des Jahres 2007 in erheblichem Umfang wegen Krankheit arbeitsunfähig. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts stiegen seine Fehlzeiten kontinuierlich an (vgl. zu diesem Kriterium BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 32 mwN). Lediglich im Jahr 2010 gingen sie gegenüber dem Vorjahr leicht zurück, verblieben aber auf hohem Niveau. Unschädlich ist, dass das Landesarbeitsgericht nicht starr auf den Zeitraum der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung abgestellt hat. Es konnte auch davor liegende Zeitspannen einbeziehen (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24).

20

b) Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten - den Angaben des Klägers zufolge - auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhten. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 26). Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen - etwa Erkältungen - ausgeheilt sind. Der Wegfall einzelner Erkrankungen stellt die generelle Anfälligkeit nicht infrage. Anders verhält es sich mit Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen. Sie lassen eine Prognose für die zukünftige Entwicklung ebenso wenig zu wie Erkrankungen, gegen die erfolgreich besondere Therapiemaßnahmen (zB eine Operation) ergriffen wurden (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO).

21

c) Danach hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, das künftige Auftreten von Krankheitszeiten im bisherigen Umfang sei aufgrund einer besonderen Krankheitsanfälligkeit indiziert. Zwar hat sich der Kläger bezüglich einzelner Erkrankungen darauf berufen, er habe besondere Therapiemaßnahmen durchgeführt. Seiner Schlussfolgerung, aufgrund dessen sei zumindest mit einer deutlichen Verringerung der Fehlzeiten zu rechnen gewesen, widerspricht aber der Umstand, dass er im Anschluss an die im März 2011 durchgeführte Operation noch bis Juli 2011 und erneut in der Zeit vom 8. bis 28. August 2011 wegen seines Hüftleidens krankgeschrieben war. Eine Rehabilitationsmaßnahme hat er erst nach Zugang der Kündigung begonnen und durchgeführt. Sie hat deshalb keinen Einfluss auf die Indizwirkung der vor dem Kündigungszeitpunkt aufgetretenen Fehlzeiten (vgl. BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 558/99 - Rn. 20 mwN). Gleiches gilt für mögliche - nach der Kündigung ergriffene - Maßnahmen zur Verbesserung der Immunabwehr. Damit verblieb es vor der Kündigung bei umfangreichen, eine negative Prognose stützenden Arbeitsunfähigkeitszeiten.

22

d) Der Kläger hat die Indizwirkung der Fehlzeiten nicht dadurch erschüttert, dass er sich auf das Zeugnis seiner ihn behandelnden Ärzte berufen und diese von der Schweigepflicht entbunden hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin nicht die Behauptung erblickt, die Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung bezüglich sämtlicher prognosetragender Erkrankungen im Kündigungszeitpunkt positiv beurteilt (zu dieser Anforderung vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96; 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zu B I 1 b der Gründe). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einen richterlichen Hinweis vermisst, ist seine Gegenrüge unzulässig, zumindest unbegründet.

23

5. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass sie - bei unveränderter Sachlage - damit zu rechnen hatte, an den Kläger auch zukünftig Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für mindestens sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Die Kündigung ist dennoch sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht „ultima ratio“ und deshalb unverhältnismäßig. Die Beklagte hat das gesetzlich vorgesehene bEM unterlassen, ohne dass sie dargelegt hätte, es habe im Kündigungszeitpunkt kein milderes Mittel als die Kündigung gegeben, um der in der Besorgnis weiterer Fehlzeiten bestehenden Vertragsstörung entgegenzuwirken.

24

a) Eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist. Eine Kündigung ist durch Krankheit nicht „bedingt“, wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt (vgl. BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel können insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz sein (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Darüber hinaus kann sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung die Chance zu bieten, ggf. spezifische Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, um dadurch die Wahrscheinlichkeit künftiger Fehlzeiten auszuschließen (vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 96; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 286; vHHL/Krause KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 324; jeweils mwN).

25

b) Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich - besteht keine Verpflichtung zur Durchführung eines bEM - zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16). Dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf seinerseits zu erwidern und ggf. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - aaO mwN). Entsprechend abgestuft ist die Darlegungslast des Arbeitgebers, wenn sich der Arbeitnehmer darauf beruft, die Kündigung sei deshalb unverhältnismäßig, weil eine dem Arbeitgeber bekannte, ihm gleichwohl nicht geboten erscheinende Therapiemöglichkeit bestanden habe.

26

c) Die Kündigung erweist sich nicht schon nach diesen allgemeinen Grundsätzen als unwirksam. Der Kläger hat geltend gemacht, sein bisheriger Arbeitsplatz erfordere regelmäßiges Treppensteigen und sei ferner deshalb nicht leidensgerecht, weil an ihm Zugluft herrsche. An Ausführungen dazu, welche organisatorischen Änderungen oder welcher andere Arbeitsbereich - aus seiner Sicht - eine Beschäftigung ohne gesundheitliche Probleme möglich gemacht hätten, fehlt es. Ebenso wenig ist seinem Vorbringen zu entnehmen, dass er sich bereits vor Zugang der Kündigung um eine Rehabilitationsmaßnahme und ein besseres Gesundheitsmanagement bemüht und die Beklagte Anhaltspunkte für die Annahme gehabt hätte, entsprechende Maßnahmen könnten erfolgversprechend sein.

27

d) Im Streitfall traf die Beklagte indes eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast. Sie hatte es versäumt, ein bEM durchzuführen. Ihrer Obliegenheit detailliert darzulegen, dass keine Möglichkeit bestanden habe, die Kündigung durch angemessene mildere Maßnahmen zu vermeiden, ist sie nicht nachgekommen.

28

aa) Die Beklagte war gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, ein bEM vorzunehmen. Der Kläger war in jedem der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung länger als sechs Wochen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Dafür kommt es auf die Gesamtheit der Fehltage und nicht darauf an, ob einzelne durchgehende Krankheitsperioden den Zeitraum von sechs Wochen überschritten (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 19). Die Durchführung eines bEM setzt nicht voraus, dass bei dem betroffenen Arbeitnehmer eine Behinderung vorliegt (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 27, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234).

29

bb) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein regelkonformes bEM habe nicht stattgefunden, ist berechtigt.

30

(1) Die Durchführung eines bEM ist auf verschiedene Weisen möglich. § 84 Abs. 2 SGB IX schreibt weder konkrete Maßnahmen noch ein bestimmtes Verfahren vor. Das bEM ist ein rechtlich regulierter verlaufs- und ergebnisoffener „Suchprozess“, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20). Allerdings lassen sich aus dem Gesetz gewisse Mindeststandards ableiten. Zu diesen gehört es, die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine an den Zielen des bEM orientierte Klärung ernsthaft zu versuchen. Ziel des bEM ist es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist, und herauszufinden, ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20).

31

(2) Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung des bEM zu ergreifen (BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 9, BAGE 140, 350; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Bei der Durchführung muss er eine bestehende betriebliche Interessenvertretung, das Einverständnis des Arbeitnehmers vorausgesetzt, hinzuziehen (vgl. BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 55, BVerwGE 137, 148).

32

(3) Kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber eine solche Initiative ergriffen hat, kann davon nur ausgegangen werden, wenn er den Arbeitnehmer zuvor nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat(BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht(BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 52, BVerwGE 137, 148). Zu diesen Zielen rechnet die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann (vgl. BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 19, BAGE 140, 350; dass das Gesetz hier vom „Arbeitsplatz“ spricht, dürfte auf einem Redaktionsversehen beruhen, vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 28). Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann (Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24). Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten - als sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG - erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein (Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 62).

33

(4) Kommt es stattdessen darauf an, ob bestimmte vom Arbeitgeber tatsächlich ergriffene Maßnahmen den Anforderungen eines bEM genügen, ist zu prüfen, ob sie sich als der vom Gesetz vorgesehene umfassende, offene und an den Zielen des bEM ausgerichtete Suchprozess erweisen.

34

(5) Danach kann in den betriebsärztlichen Untersuchungen des Klägers und den mit ihnen verbundenen Begutachtungen kein bEM erblickt werden.

35

(a) Der Betriebsarzt wird in § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB IX als ein Akteur erwähnt, der „bei Bedarf“ zum bEM hinzugezogen wird. Dies entspricht der Aufgabe des Arztes, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung zu unterstützen und in Fragen des Gesundheitsschutzes zu beraten (§ 1 Satz 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 ASiG). Die Nutzung seines Sachverstands kann der Klärung dienen, ob vom Arbeitsplatz Gefahren für die Gesundheit des Arbeitnehmers ausgehen und künftig durch geeignete Maßnahmen vermieden werden können (§ 3 Abs. 1 Satz 2 ASiG). Die Inanspruchnahme des betriebsärztlichen Sachverstands steht einem bEM als ganzem aber nicht gleich (vgl. Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24, 25).

36

(b) Es kann dahinstehen, ob der Arbeitgeber dem Betriebsarzt bei Bedarf die Durchführung und Leitung des bEM übertragen kann (befürwortend Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 152; zweifelnd Cramer/Ritz/Schian SGB IX 6. Aufl. § 84 Rn. 31). Die Behauptung der Beklagten, die betriebsärztlichen Untersuchungen seien „teilweise … unter dem Titel ‚betriebliches Eingliederungsmanagement‘ [gelaufen]“, macht nicht deutlich, dass sie dem arbeitsmedizinischen Dienst die regelgerechte Durchführung eines bEM überantwortet hätte. Jedenfalls ist nicht zu erkennen, dass die Betriebsärzte ihre Beauftragung in einem solch weitreichenden Sinne verstanden und entsprechend agiert hätten. Ihre Stellungnahmen beschränken sich auf die Einschätzung der Einsatzfähigkeit des Klägers auf der Grundlage arbeitsmedizinischer Untersuchungen. Auch fehlt es an substantiierten Darlegungen zu einer den Anforderungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX genügenden Unterrichtung und Belehrung des Klägers, aus der sich für diesen die Absicht, ein bEM durchzuführen, deutlich hätte erschließen können. Das Vorbringen der Beklagten, die Betriebsärztin habe aus Anlass der Ende 2009/Anfang 2010 vorgenommenen Untersuchung mit dem Kläger „die Fragestellung“ eines möglichen Zusammenhangs zwischen seiner Tätigkeit und den Erkrankungen „besprochen“ und ihn „über den Sinn und Zweck der Untersuchungen“ unterrichtet, reicht dafür nicht aus. Es kann deshalb offenbleiben, ob die fragliche Begutachtung, hätte es sich bei ihr um ein bEM gehandelt, dem Zweck des § 84 Abs. 2 SGB IX deshalb nicht genügen konnte, weil der Kläger innerhalb des der Kündigung vorausgegangenen Jahres erneut Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen aufwies(zur Problematik KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 16; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10).

37

cc) Das Unterlassen eines bEM führt hier dazu, dass die Kündigung unverhältnismäßig ist.

38

(1) Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist dennoch kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können möglicherweise mildere Mittel als die Kündigung erkannt und entwickelt werden (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

39

(2) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will sich der Arbeitgeber hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM im keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 25).

40

(3) Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau der Fehlzeiten also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt.

41

(4) Diesen Vorgaben wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis gerecht.

42

(a) Ein bEM ist nicht nur bei lang andauernden Krankheiten geboten. Es ist auch bei häufigen Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen oder von vorneherein überflüssig. Nach der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 2 SGB IX kommt es allein auf den Umfang, nicht auf die Ursache der Erkrankungen an. Auch aus Krankheiten, die auf unterschiedlichen Grundleiden beruhen, kann sich - zumal wenn sie auf eine generelle Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hindeuten - eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ergeben, der das bEM entgegenwirken soll (KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 17; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10; Deinert NZA 2010, 969, 971; aA Balders/Lepping NZA 2005, 854, 855).

43

(b) Dem Vorbringen der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass einem künftigen Auftreten erheblicher, über sechs Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Klägers durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen nicht hätte entgegengewirkt werden können. Dass ihr entsprechende Maßnahmen nicht möglich oder zumutbar gewesen wären, hat sie nicht aufgezeigt.

44

(aa) In diesem Zusammenhang waren nähere Darlegungen der Beklagten nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger vorgerichtlich geäußert haben mag, seine Erkrankungen seien nicht „betriebsbedingt“. Unabhängig davon, was genau er damit hat ausdrücken wollen, ist es nicht treuwidrig, wenn er sich gegenüber der ausgesprochenen Kündigung auf das Unterbleiben erfolgversprechender innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen beruft. Das Landesarbeitsgericht musste seine Behauptung, solche Maßnahmen hätten dem Auftreten neuerlicher Fehlzeiten vorbeugen oder diese zumindest verringern können, nicht etwa als Schutzbehauptung werten. Die Beklagte hat die vom Kläger aufgezeigten, einer günstigen Veränderung jedenfalls dem ersten Anschein nach nicht unzugänglichen Arbeitsbedingungen nicht in Abrede gestellt. Der Umstand, dass der Kläger während einer Prozessbeschäftigung trotz des Einsatzes am bisherigen Arbeitsplatz keine relevanten krankheitsbedingten Ausfallzeiten mehr gezeigt hat, spricht nicht notwendig gegen einen möglichen Zusammenhang zwischen den äußeren Arbeitsumständen und seinen bisherigen Fehlzeiten. Die Entwicklung kann ebenso gut durch die zwischenzeitlich durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme oder dadurch begünstigt worden sein, dass der Kläger - wie er behauptet hat - nunmehr ein effektiveres „Gesundheitsmanagement“ betreibt.

45

(bb) Die Beklagte hat die objektive Nutzlosigkeit innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen nicht dadurch aufgezeigt, dass sie auf den Gegenstand der arbeitsmedizinischen Untersuchungen verwiesen und sich die Stellungnahmen der Betriebsärzte - konkludent - zu Eigen gemacht hat. Zwar verpflichtet § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c) ASiG die Betriebsärzte, Ursachen von „arbeitsbedingten Erkrankungen“ zu untersuchen. Auch ist der Stellungnahme vom 2. Februar 2010 zu entnehmen, dass die Ärzte keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und seinen Fehlzeiten erkannt haben. Das schließt aber die Gewinnung anderer Erkenntnisse im Rahmen eines in alle Richtungen offenen bEM nicht aus. Bei diesem geht das Gesetz davon aus, dass sich neben dem Arbeitnehmer auch die anderen beteiligten Stellen, insbesondere die Rehabilitationsträger, aktiv in die Suche nach Möglichkeiten zur Vermeidung der Arbeitsunfähigkeit einbringen. Es kommt hinzu, dass die Berufsgenossenschaft im Jahr 2010 einen Zusammenhang zumindest zwischen den Arbeitsbedingungen und der Kontaktallergie gesehen und ein Hilfsmittel empfohlen hat. Soweit die Beklagte anführt, die im Jahr 2011 erfolgte betriebsärztliche Untersuchung sei „unter Berücksichtigung der arbeitsplatztypischen Belastungsfaktoren Lärm, Hautkontakt mit Stoffen, Schichttätigkeit“ erfolgt und „negativ“ verlaufen, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung finden kann. Im Übrigen ergibt sich aus ihm nicht, dass der Arbeitsplatz des Klägers auf besondere Belastungen durch Zugluft und Treppensteigen, dh. auf Umstände und deren mögliche Änderung hin untersucht worden wäre, in denen der Kläger eine Ursache seiner Krankheitsanfälligkeit erblickt.

46

(cc) Soweit die Beklagte gemeint hat, die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zu der Möglichkeit, im Rahmen eines bEM zu einer von den arbeitsmedizinischen Gutachten abweichenden Beurteilung zu gelangen, bewegten sich im Bereich der Spekulation, liegt darin kein beachtliches Vorbringen. Es handelt sich weder um eine zulässige Verfahrens-, noch um eine begründete Sachrüge. Es hat nicht das Landesarbeitsgericht Spekulationen angestellt, sondern die Beklagte ist ihrer Obliegenheit nicht nachgekommen, im Einzelnen darzulegen, weshalb eine abweichende Beurteilung objektiv ausgeschlossen sein soll.

47

(c) Die Kündigung wäre selbst dann unverhältnismäßig, wenn feststünde, dass die tatsächlichen betrieblichen Bedingungen, zu denen der Kläger arbeitete, nicht hätten geändert werden können. Es ist nicht auszuschließen, dass bei Durchführung eines bEM Rehabilitationsbedarfe in der Person des Klägers hätten erkannt und durch entsprechende Maßnahmen künftige Fehlzeiten spürbar hätten reduziert werden können.

48

(aa) Nach der Konzeption des Gesetzes lässt das bEM den Beteiligten bei der Prüfung, mit welchen Maßnahmen, Leistungen oder Hilfen eine künftige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers möglichst vermieden werden und das Arbeitsverhältnis erhalten bleiben kann, jeden denkbaren Spielraum. Es soll erreicht werden, dass keine vernünftigerweise in Betracht kommende, zielführende Möglichkeit ausgeschlossen wird (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1783 S. 16) soll durch eine derartige Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft gesichert werden. Zugleich sollen auf diese Weise medizinzische Rehabilitationsbedarfe frühzeitig, ggf. präventiv erkannt und auf die beruflichen Anforderungen abgestimmt werden. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, hat der Arbeitgeber deshalb gemäß § 84 Abs. 2 Satz 4 SGB IX auch bei nicht behinderten Arbeitnehmern die örtlichen gemeinsamen Servicestellen hinzuzuziehen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Hilfen und Leistungen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX erbracht werden. Als Hilfen zur Beseitigung und möglichst längerfristigen Überwindung der Arbeitsunfähigkeit kommen dabei - neben Maßnahmen zur kurativen Behandlung - insbesondere Leistungen zur medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX in Betracht(vgl. Knittel SGB IX 7. Aufl. § 84 Rn. 207; KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 9; Nebe in MünchAnwHdb Sozialrecht 4. Aufl. § 21 Rn. 22; Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 190).

49

(bb) Denkbares Ergebnis eines bEM kann es damit sein, den Arbeitnehmer auf eine Maßnahme der Rehabilitation zu verweisen. Dem steht nicht entgegen, dass deren Durchführung von seiner Mitwirkung abhängt und nicht in der alleinigen Macht des Arbeitgebers steht. Ggf. muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine angemessene Frist zur Inanspruchnahme der Leistung setzen. Eine Kündigung kann er dann wirksam erst erklären, wenn die Frist trotz Kündigungsandrohung ergebnislos verstrichen ist (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 29). Durch die Berücksichtigung entsprechender, aus dem bEM entwickelter Empfehlungen wird der „ultima-ratio-Grundsatz“ nicht, wie die Beklagte meint, über die gesetzlichen Grenzen hinaus ausgedehnt. Die aus ihm resultierende Verpflichtung des Arbeitgebers, ggf. mildere Mittel zu ergreifen, ist nicht auf arbeitsplatzbezogene Maßnahmen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG beschränkt. Diese Vorschrift dient der Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich mit Blick auf ihren eigenen Regelungsbereich. Sie schließt die Berücksichtigung sonstiger Umstände, die eine Kündigung entbehrlich machen könnten, nicht aus. Eine Kündigung muss, damit sie durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt“ ist, unter allen Gesichtspunkten verhältnismäßig, dh. unvermeidbar sein. Daraus kann sich die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, auf bestehende Therapiemöglichkeiten Bedacht zu nehmen. Wenn er ein bEM unterlassen hat, kann er gegen eine solche Verpflichtung nicht einwenden, ihm seien im Kündigungszeitpunkt - etwa schon mangels Kenntnis der Krankheitsursachen - entsprechende Möglichkeiten weder bekannt gewesen, noch hätten sie ihm bekannt sein können.

50

(cc) Das bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber bei Unterlassen eines bEM, um die Verhältnismäßigkeit der Kündigung aufzuzeigen, für jede nur erdenkliche Maßnahme der Gesundheitsprävention - etwa bis zu möglichen Änderungen in der privaten Lebensführung des Arbeitnehmers - von sich aus darzulegen hätte, dass und weshalb sie zur nachhaltigen Verminderung der Fehlzeiten nicht geeignet gewesen sei. Es reicht aus, wenn er dartut, dass jedenfalls durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger künftige Fehlzeiten nicht in relevantem Umfang hätten vermieden werden können. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt lediglich die Berücksichtigung solcher Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen, deren Beachtung dem Arbeitgeber zumutbar ist. Zumutbar wiederum ist nur eine Beachtung solcher Maßnahmen, deren Zweckmäßigkeit hinreichend gesichert ist. Auch muss deren tatsächliche Durchführung objektiv überprüft werden können. Beides trifft auf gesetzlich vorgesehene Leistungen und Hilfen, die der Prävention und/oder Rehabilitation dienen, typischerweise zu. Solche Maßnahmen muss der Arbeitgeber deshalb grundsätzlich in Erwägung ziehen. Hat er ein bEM unterlassen, muss er von sich aus ihre objektive Nutzlosigkeit aufzeigen und ggf. beweisen. Dabei kommt eine Abstufung seiner Darlegungslast in Betracht, falls ihm die Krankheitsursachen unbekannt sind. Für eine Maßnahme außerhalb des Leistungskatalogs der Rehabilitationsträger - und sei es ein fachkundig entwickeltes Konzept zur privaten Gesundheitsprävention - gilt dies dagegen in aller Regel nicht. Deren objektive Nutzlosigkeit braucht der Arbeitgeber nicht darzutun.

51

(dd) Danach durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung zwar nicht deshalb für unwirksam erachten, weil im Rahmen eines bEM die Möglichkeit bestanden hätte, ein - wie auch immer geartetes - Konzept für ein konsequentes Gesundheitsmanagement des Klägers zu entwickeln. Die angefochtene Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Beklagte hat nicht dargetan, dass auch bei regelkonformer Durchführung eines bEM keine geeigneten Leistungen oder Hilfen für den Kläger hätten erkannt werden können, zu deren Erbringung die Rehabilitationsträger verpflichtet gewesen wären. Das gilt umso mehr, als sich der Kläger ausdrücklich auf eine nach Zugang der Kündigung erfolgreich durchgeführte Reha-Behandlung berufen hat. Die Beklagte hätte aufzeigen müssen, warum Maßnahmen zur kurativen Behandlung und/oder der medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX - zu denen im Übrigen nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift auch die „Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln“ zählt - nicht in Betracht gekommen wären oder doch zu einer erheblichen Verringerung der Fehlzeiten nicht hätten beitragen können. An solchen Darlegungen fehlt es.

52

II. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses gerichtet. Dieser Rechtsstreit ist abgeschlossen.

53

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 7. Februar 2014 - 10 Sa 576/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte betreibt ein Omnibusunternehmen. In ihrem Betrieb waren regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger war bei ihr seit Februar 2007 als Busfahrer tätig.

3

Seit dem 28. November 2010 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Mit Bescheid vom 26. Juni 2012 wurde ihm rückwirkend ab dem 1. Juni 2011 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt. In dem Bescheid heißt es auszugsweise:

        

„Sie haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit. Der Rentenanspruch ist zeitlich begrenzt, weil es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.“

und

        

„Die Rente endet mit dem 30.06.2014, ohne dass wir einen weiteren Bescheid erteilen.

        

Die Rente kann auf Antrag weitergezahlt werden, wenn eine Minderung der Erwerbsfähigkeit weiterhin vorliegt. …“

4

Mit Schreiben vom 19. Juli 2012 wurde dem Kläger mitgeteilt, er werde die ersten Rentenzahlungen im August 2012 erhalten. Der Kläger informierte daraufhin den Geschäftsführer der Beklagten über die Rentenbewilligung. Er lehnte es ab, dessen Frage nach der Art seiner Erkrankung zu beantworten.

5

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 27. Juli 2012 zum 30. September 2012.

6

Gegen die Kündigung hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Ansicht vertreten, für eine krankheitsbedingte Kündigung fehle es an einer negativen Gesundheitsprognose. Durch den Rentenbescheid werde nicht dokumentiert, dass er als Omnibusfahrer dauerhaft arbeitsunfähig sei. Es sei vielmehr nicht ausgeschlossen, dass er ab Juli 2014 seine geschuldete Tätigkeit wieder aufnehmen könne. Auch ausweislich von drei im Rentenverfahren eingeholten Gutachten sei es medizinisch nicht unwahrscheinlich, dass seine volle Erwerbsminderung behoben werden könne. Zudem sei keine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen gegeben. Seine Krankheit führe nicht zu Betriebsablaufstörungen oder beachtlichen wirtschaftlichen Belastungen. Die Beklagte stelle schon seit Jahren Arbeitnehmer nur noch befristet ein. Es sei nicht erkennbar, weshalb es ihr nicht zumutbar sein solle, ihm einen Arbeitsplatz zumindest bis zum Auslaufen der Rentenbewilligung am 30. Juni 2014 freizuhalten. Im Übrigen habe die Beklagte entgegen den gesetzlichen Verpflichtungen kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27. Juli 2012 nicht beendet worden ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei aus Gründen in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt. Aus dem Bezug der Rente wegen Erwerbsminderung habe sich eine negative Gesundheitsprognose für die auf die Kündigung folgenden 23 Monate ergeben. Es habe festgestanden, dass der Kläger zumindest für weitere fast zwei Jahre überhaupt keiner Erwerbstätigkeit werde nachgehen können, und es sei ungewiss gewesen, ob er danach jemals wieder arbeitsfähig werde. Zudem entstünden weiterhin Urlaubsansprüche des Klägers. Aus der Befristung der Rentenbewilligung könne nicht geschlossen werden, der Kläger werde nach ihrem Ablauf seine Fähigkeit zur vollschichtigen Tätigkeit als Busfahrer wieder erlangen. Renten wegen Erwerbsminderung seien von Gesetzes wegen grundsätzlich auf Zeit zu gewähren. Eine unbefristete Rente werde erst bewilligt, wenn unwahrscheinlich sei, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne. Hiervon sei erst nach einer Gesamtdauer der befristeten Gewährung von neun Jahren auszugehen. Ein für den Kläger leidensgerechter Arbeitsplatz habe ebenso wenig zur Verfügung gestanden wie überhaupt ein freier Arbeitsplatz. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement sei entbehrlich gewesen. Angesichts der feststehenden Tatsache, dass der Kläger mindestens weitere 23 Monate vollständig erwerbsunfähig wäre, seien Maßnahmen, die auf den Erhalt des Arbeitsplatzes, die Vermeidung weiterer Arbeitsunfähigkeitszeiten oder eine innerbetriebliche Umsetzung abzielten, von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Klage nicht abweisen (I.). Ob die Kündigung der Beklagten vom 27. Juli 2012 wirksam ist, steht noch nicht fest (II.).

11

I. Das Landesarbeitsgericht hat auf der Basis der bisherigen Feststellungen zu Unrecht angenommen, die Kündigung sei aus Gründen in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

12

1. Die soziale Rechtfertigung von Kündigungen, die aus Anlass von Krankheiten ausgesprochen werden, ist in drei Stufen zu prüfen. Eine Kündigung ist im Falle einer lang anhaltenden Krankheit sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt - erste Stufe -, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist - zweite Stufe - und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen - dritte Stufe -(BAG 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 13; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11 mwN, BAGE 135, 361).

13

2. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Zeitpunkt der Kündigung habe eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers vorgelegen.

14

a) Der Kläger war im Kündigungszeitpunkt seit dem 23. November 2010 und damit seit über 20 Monaten durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Eine lang andauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in der unmittelbaren Vergangenheit stellt ein gewisses Indiz für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit in der Zukunft dar (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234; 12. April 2002 - 2 AZR 148/01 - zu II 5 d aa der Gründe, BAGE 101, 39). Der Arbeitgeber genügt deshalb seiner Darlegungslast für eine negative Prognose zunächst, wenn er die bisherige Dauer der Erkrankung und die ihm bekannten Krankheitsursachen vorträgt (BAG 12. April 2002 - 2 AZR 148/01 - aaO; für den Fall häufiger [Kurz-]Erkrankungen BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 17). Dies hat die Beklagte bezüglich der Dauer der Erkrankung des Klägers in der Vergangenheit getan. Diese ist überdies unstreitig. Krankheitsursachen waren der Beklagten nach ihrem Vorbringen nicht bekannt.

15

b) Der durch die lange Arbeitsunfähigkeit in der Vergangenheit begründeten Indizwirkung ist der Kläger nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Er hat zwar von der Beklagten gefordert abzuwarten, ob nach Auslaufen der befristeten Rentenbewilligung eine Änderung eintreten werde. Zudem hat er auf die Möglichkeit einer Genesung binnen der auf die Kündigung folgenden 24 Monate verwiesen. Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, dass und unter welchen Bedingungen innerhalb dieses Zeitraums eine Besserung wahrscheinlich gewesen sei. Er hat weder konkrete Erkenntnisse aus den Gutachten mitgeteilt, die im Rahmen des Verfahrens zur Rentenbewilligung eingeholt wurden, noch hat er - etwa indem er sich auf entsprechende Aussagen seiner behandelnden Ärzte berufen hätte - behauptet, es sei in absehbarer Zeit die Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit zu erwarten gewesen (vgl. dazu BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 22; 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96).

16

c) Darauf, ob die Rentenbewilligung etwas über die voraussichtliche Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers aussagt, kommt es für die negative Gesundheitsprognose nicht an.

17

3. Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen nicht seine Annahme, die im Kündigungszeitpunkt zu erwartende weitere Arbeitsunfähigkeit des Klägers habe zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geführt.

18

a) Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne Weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 18). Die Beklagte hat allerdings nicht behauptet, im Kündigungszeitpunkt habe eine krankheitsbedingte dauernde Leistungsunfähigkeit des Klägers festgestanden. Hiervon ist auch das Landesarbeitsgericht nicht ausgegangen. Die Beklagte hat sich darauf berufen, die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei im Kündigungszeitpunkt völlig ungewiss gewesen. Eine solche Ungewissheit steht - so sie tatsächlich vorliegt - einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn jedenfalls in den nächsten 24 Monaten mit einer Genesung nicht gerechnet werden kann (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 14; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - aaO). Einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten kann der Arbeitgeber dagegen typischerweise ohne Schwierigkeiten durch Einstellung einer Ersatzkraft mit einem zeitbefristeten Arbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG überbrücken(noch zu § 1 Abs. 1 BeschFG vgl. BAG 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 91, 271).

19

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, allein aufgrund der lang anhaltenden Erkrankung des Klägers in der Vergangenheit und der Ungewissheit seiner Genesung in der Zukunft seien die betrieblichen Interessen der Beklagten erheblich beeinträchtigt gewesen. Dies wird den an die soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung auf der zweiten Prüfungsstufe zu stellenden Anforderungen nicht gerecht.

20

aa) Die bisherigen Feststellungen tragen nicht die Annahme, die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei im Kündigungszeitpunkt völlig ungewiss - also für mindestens weitere 24 Monate nicht zu erwarten - gewesen. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung lediglich darauf gestützt, unter Berücksichtigung des Rentenbescheids sei eine positive Entwicklung für mehr als 23 Monate auszuschließen und darüber hinaus ungewiss gewesen. Dies steht einem Sachverhalt, bei dem eine Gesundung des Arbeitnehmers für die nächsten 24 Monate nicht erwartet werden kann, nicht gleich. Die bloße Ungewissheit der Wiedergenesung, von der das Landesarbeitsgericht für die Zeit nach Ablauf der Rentenbewilligung ausgegangen ist, bedeutet nicht zugleich, dass mit einer Gesundung nach medizinischen Erkenntnissen nicht gerechnet werden kann. Dies gilt auch schon für den 24. Monat nach Kündigungszugang. Der Umstand, dass der Kläger bereits im Kündigungszeitpunkt seit mehr als 20 Monaten arbeitsunfähig war, spricht lediglich dafür, dass mit einem Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit auch in der Zukunft zu rechnen war. Er lässt für sich genommen nicht den Schluss auf eine bestimmte (Mindest-)Dauer der zu erwartenden Arbeitsunfähigkeit zu.

21

bb) Im Übrigen ergibt sich aus einer Rentenbewilligung wegen Erwerbsminderung nicht ohne Weiteres, dass der Leistungsempfänger arbeitsunfähig ist. Insbesondere begründet der Rentenbezug keine - widerlegbare - Vermutung oder Indizwirkung für das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit während der Dauer der Bewilligung (vgl. P. Feichtinger in Feichtinger/Malkmus Entgeltfortzahlungsrecht 2. Aufl. § 3 EFZG Rn. 42; Schmitt EFZG 7. Aufl. § 3 Rn. 74; HWK/Schliemann 6. Aufl. § 3 EFZG Rn. 44; Treber EFZG 2. Aufl. § 3 Rn. 23). Die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und die sozialrechtlichen Voraussetzungen einer Erwerbsminderung sind nicht die gleichen (vgl. BAG 29. September 2004 - 5 AZR 558/03 - zu I 1 der Gründe; vgl. P. Feichtinger aaO; Schmitt aaO; ErfK/Reinhard 15. Aufl. § 3 EFZG Rn. 9; Vossen Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen Rn. 93). Der Erwerbsgeminderte kann durchaus arbeitsfähig sein (Kreikebohm/v. Koch SGB VI 4. Aufl. § 43 Rn. 5; ErfK/Reinhard aaO). Auch eine Rente wegen voller Erwerbsminderung setzt gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI nicht zwingend voraus, dass der Arbeitnehmer seine bisher vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben kann(vgl. auch LAG Hamm 9. Juli 2003 - 18 Sa 215/03 - zu A I 1 der Gründe, Vorinstanz zu BAG 29. September 2004 - 5 AZR 558/03 - aaO; aA ErfK/Reinhard aaO unter Hinweis auf MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 3 EFZG Rn. 7). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Bedingungen am bisherigen Arbeitsplatz können jedoch von denen des allgemeinen Arbeitsmarkts abweichen. So steht einer Erwerbsminderung eine vom Regelfall abweichendegünstige Arbeitsgelegenheit nicht entgegen ( KassKomm/Gürtner Stand April 2015 § 43 SGB VI Rn. 29 ). Dies mag bei der bisherigen Tätigkeit des Klägers als Busfahrer für die Beklagte nicht der Fall gewesen sein. Feststellungen dazu hat das Landesarbeitsgericht jedoch nicht getroffen.

22

cc) Sonstige Umstände, die eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten begründen könnten, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Allein die weiterhin entstehenden Urlaubsansprüche des Klägers vermögen - soweit ersichtlich - nicht zu einer nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten zu führen. Gesetzliche und regelmäßig auch tarifvertragliche Urlaubsansprüche erlöschen bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit jeweils 15 Monate nach Ablauf des betreffenden Urlaubsjahres und wachsen daher nach Ablauf von zwei Jahren und drei Monaten typischerweise nicht weiter an (vgl. BAG 15. Oktober 2013 - 9 AZR 302/12 - Rn. 11; 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 32 ff., BAGE 142, 371).

23

4. Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht überdies zu Unrecht angenommen, ein milderes Mittel als eine Beendigungskündigung habe der Beklagten nicht zur Verfügung gestanden, um den betrieblichen Beeinträchtigungen zu begegnen. Ihrer mangels Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX erhöhten Darlegungslast im Hinblick auf alternative, leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten ist die Beklagte entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bislang nicht nachgekommen.

24

a) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, ist der Arbeitgeber nach § 84 Abs. 2 SGB IX gehalten, ein bEM durchzuführen. Er hat dazu nach Zustimmung und unter Beteiligung der betroffenen Person mit der zuständigen Interessenvertretung iSd. § 93 SGB IX, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, die Möglichkeiten zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des bEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen.

25

b) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, ist die Beklagte ihrer Pflicht zur Durchführung eines bEM im Falle des Klägers nicht nachgekommen. Hierzu war sie vor Ausspruch einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet. Die Durchführung des bEM soll einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses aus gesundheitlichen Gründen gerade begegnen (BT-Drs. 14/5074 S. 113; ErfK/Rolfs 15. Aufl. § 84 SGB IX Rn. 4) und „den Arbeitsplatz“ - dh. das Arbeitsverhältnis (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32 mwN) - erhalten. Im Kündigungszeitpunkt lag eine mehr als sechswöchige Arbeitsunfähigkeit des Klägers vor. Die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM trifft den Arbeitgeber nicht nur bei Erkrankungen behinderter Arbeitnehmer, sondern bei allen Arbeitnehmern (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 19; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 27, BAGE 135, 361) und unabhängig davon, ob im Beschäftigungsbetrieb ein Betriebsrat gewählt ist oder nicht (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 32; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 28 ff., aaO). Zu einem regelkonformen Ersuchen des Arbeitgebers um Zustimmung des Arbeitnehmers zur Durchführung eines bEM gehört die Belehrung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX über die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten(BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

26

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten war ein bEM nicht deshalb entbehrlich, weil die Durchführung angesichts der Weigerung des Klägers, Angaben zu seinem Krankheitsbild zu machen, ohne Aussicht auf Erfolg gewesen wäre. Erst wenn dem Arbeitnehmer ein bEM ordnungsgemäß nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX angeboten worden ist und er daraufhin seine Teilnahme bzw. Auskünfte zur Art der bestehenden Beeinträchtigungen verweigert, kann von der Aussichtslosigkeit des bEM ausgegangen und von seiner Durchführung abgesehen werden. Das Unterlassen des bEM ist dann „kündigungsneutral“ (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 24).

27

d) Da sie ein bEM pflichtwidrig unterlassen hat, trifft die Beklagte eine erhöhte Darlegungslast im Hinblick auf denkbare, gegenüber dem Ausspruch einer Beendigungskündigung mildere Mittel. Dieser ist sie bislang nicht nachgekommen.

28

aa) Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. Das bEM ist auch nicht selbst ein milderes Mittel gegenüber der Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist aber kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert vielmehr den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe eines bEM können mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wie zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. durch Umsetzungen „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34). Nur wenn auch die Durchführung des bEM keine positiven Ergebnisse hätte zeitigen können, ist sein Fehlen unschädlich. Um darzutun, dass die Kündigung dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügt und ihm keine milderen Mittel zur Überwindung der krankheitsbedingten Störung des Arbeitsverhältnisses als die Beendigungskündigung offenstanden, muss der Arbeitgeber die objektive Nutzlosigkeit des bEM darlegen. Hierzu hat er umfassend und detailliert vorzutragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen wären und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten bzw. der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34). Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau von Fehlzeiten bzw. zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt (zum Ganzen BAG 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 22 mwN; 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 40).

29

bb) Danach durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, die Beklagte habe allein durch den Hinweis darauf, dem Kläger sei eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt worden, ihrer Darlegungslast im Hinblick auf das Fehlen jeglicher leidensgerechter Beschäftigungsalternativen und damit auf die objektive Nutzlosigkeit eines bEM genügt.

30

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Auffassung angeführt, die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung setze voraus, dass der Versicherte unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts nicht einmal für drei Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Eine Beschäftigung des Klägers sei damit nicht nur in seiner früheren Tätigkeit als Busfahrer, sondern auch auf anderen Arbeitsplätzen ausgeschlossen gewesen. Die Durchführung eines bEM habe in dieser Situation kein positives Ergebnis bringen können.

31

(2) Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

32

(a) Aus dem bisherigen Vorbringen der Beklagten in den Tatsacheninstanzen ergibt sich zum einen nicht, ob ihr nicht auch eine Beschäftigung des Klägers von bis zu drei Arbeitsstunden täglich, entweder als Busfahrer oder auch mit veränderten Arbeitsaufgaben zumutbar gewesen wäre. Eine entsprechende Änderungskündigung wäre als milderes Mittel vorrangig gewesen. Zwar hat sich der Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht konkret auf eine solche Beschäftigungsalternative berufen. Infolge des Unterlassens eines bEM hätte die Beklagte aber zum Fehlen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten von sich aus vortragen müssen. Ist ein eigentlich erforderliches bEM unterblieben, trägt der Arbeitgeber die primäre Darlegungslast für dessen Nutzlosigkeit. Er hat von sich aus alle denkbaren oder vom Arbeitnehmer ggf. außergerichtlich genannten Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kommt (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 19). Die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung besagt nur etwas über den zeitlichen Umfang der verbliebenen Leistungsfähigkeit des Versicherten unter den üblichen Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Sie schließt weder eine bis zu dreistündige tägliche Tätigkeit noch eine längere tägliche Beschäftigung zu vom Regelfall abweichenden, günstigeren Arbeitsbedingungen aus. Eine Rente wegen voller Erwerbsminderung kann überdies auch dann bewilligt werden, wenn dem Versicherten eine Teilzeitarbeit von bis zu sechs Stunden täglich möglich, der übliche Arbeitsmarkt für eine solche aber verschlossen ist (sog. „Arbeitsmarktrente“ - vgl. nur Kreikebohm/v. Koch SGB VI 4. Aufl. § 43 Rn. 27; BeckOK SozR/Kreikebohm/Jassat SGB VI Stand 1. März 2015 § 43 Rn. 38; KassKomm/Gürtner Stand April 2015 § 43 SGB VI Rn. 31). Unter Berücksichtigung der nach § 96a SGB VI - auch bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung - in bestimmten Grenzen bestehenden Möglichkeit eines Hinzuverdienstes hat der Arbeitgeber selbst dann, wenn er dem Arbeitnehmer nur noch eine Tätigkeit in zeitlich geringem Umfang anbieten kann, keine Veranlassung anzunehmen, dem Arbeitnehmer sei eine solche Weiterbeschäftigung von vornherein unzumutbar. Im Übrigen muss es dem Arbeitnehmer überlassen bleiben zu entscheiden, ob er nicht auch dann die Chance auf eine leidensgerechte Weiterbeschäftigung ergreifen will, wenn ein Hinzuverdienst den Rentenanspruch zu Fall brächte.

33

(b) Der Einwand der Beklagten, die geforderte Darlegung sei ihr unmöglich, solange der Kläger nicht näher zu den Krankheitsursachen vortrage, berücksichtigt nicht, dass sie sich darauf beschränkt hat, auf die dem Kläger bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung zu verweisen. Der Rentenbezug schließt - wie gezeigt - eine Arbeitstätigkeit des Klägers nicht unter allen Umständen aus. Es hätte ihr deshalb oblegen vorzutragen, dass ihr eine anderweitige - leidensgerechte - Beschäftigung des Klägers, ggf. auch in Teilzeit oder auch nur im Umfang von bis zu drei Stunden täglich aus betrieblichen Gründen nicht möglich oder zumutbar gewesen sei. Erst daraufhin wäre es Sache des Klägers gewesen, unter Offenlegung der Art seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen näher darzulegen, weshalb dies unzutreffend und der Beklagten seine leidensgerechte Beschäftigung sehr wohl möglich und zumutbar gewesen sei.

34

(c) Die Beklagte hat zudem nur behauptet, es hätten keine anderen freien leidensgerechten Arbeitsplätze zur Verfügung gestanden. Dies genügt nicht, um darzulegen, dass ein bEM keine leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit hätte aufzeigen können. Der Arbeitgeber ist gegenüber einem von einer krankheitsbedingten Kündigung bedrohten Arbeitnehmer verpflichtet, als mildere Maßnahme den Personaleinsatz umzuorganisieren, wenn er durch Ausübung seines Direktionsrechts einen leidensgerechten Arbeitsplatz freimachen kann (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Mit Hilfe eines bEM sollen mögliche mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34). Die Verpflichtung zur Umsetzung oder Versetzung anderer Arbeitnehmer ist jedenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn dies für den Arbeitgeber und die Betroffenen im Einzelfall nicht von vornherein unzumutbar ist. Aus dem Sachvortrag der Beklagten geht bislang nicht hervor, welche - auch mit anderen Arbeitnehmern besetzten - Arbeitsplätze im Betrieb tatsächlich vorhanden waren und weshalb diese - auch nach ggf. zumutbaren Umorganisationsmaßnahmen - dem Kläger nicht zumindest in Teilzeit oder jedenfalls mit einer Arbeitszeit von bis zu drei Stunden täglich hätten angeboten werden können. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt gewesen wäre, dem Kläger eine solche Tätigkeit auf einem leidensgerechten anderen Arbeitsplatz zuzuweisen. Die Beklagte hätte dem Kläger zur Vermeidung einer Beendigungskündigung eine nach zumutbarer Umorganisation bestehende Beschäftigungsmöglichkeit zu geänderten Arbeitsbedingungen notfalls im Wege der Änderungskündigung anbieten müssen (vgl. BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 1001/12 - Rn. 12; 9. September 2010 - 2 AZR 937/08 - Rn. 39; 5. Juni 2008 - 2 AZR 107/07 - Rn. 15).

35

II. Der Senat kann nicht selbst abschließend beurteilen, ob die Kündigung vom 27. Juli 2012 wirksam ist. Dazu bedarf es weiterer Feststellungen. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache war an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Der Beklagten wird Gelegenheit zu geben sein, ihr Vorbringen zur Beeinträchtigung ihrer betrieblichen Interessen und zur objektiven Nutzlosigkeit eines bEM zu ergänzen. Hierauf hat der Kläger im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast ggf. zu erwidern. Die Beweislast für die die Kündigung bedingenden Tatsachen trägt nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Beklagte. Sollte sie sich zum Beweis entscheidungserheblicher Behauptungen auf ein medizinisches Sachverständigengutachten berufen, wird der Kläger ggf. mitzuwirken und den Gutachter und ggf. seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden haben.

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Brossardt    

                 

(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren zur Sicherung der Zusammenarbeit nach § 25 Absatz 1 gemeinsame Empfehlungen.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren darüber hinaus gemeinsame Empfehlungen,

1.
welche Maßnahmen nach § 3 geeignet sind, um den Eintritt einer Behinderung zu vermeiden,
2.
in welchen Fällen und in welcher Weise rehabilitationsbedürftigen Menschen notwendige Leistungen zur Teilhabe angeboten werden, insbesondere, um eine durch eine Chronifizierung von Erkrankungen bedingte Behinderung zu verhindern,
3.
über die einheitliche Ausgestaltung des Teilhabeplanverfahrens,
4.
in welcher Weise die Bundesagentur für Arbeit nach § 54 zu beteiligen ist,
5.
wie Leistungen zur Teilhabe nach den §§ 14 und 15 koordiniert werden,
6.
in welcher Weise und in welchem Umfang Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, gefördert werden,
7.
für Grundsätze der Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs nach § 13,
8.
in welchen Fällen und in welcher Weise der behandelnde Hausarzt oder Facharzt und der Betriebs- oder Werksarzt in die Einleitung und Ausführung von Leistungen zur Teilhabe einzubinden sind,
9.
zu einem Informationsaustausch mit Beschäftigten mit Behinderungen, Arbeitgebern und den in § 166 genannten Vertretungen zur möglichst frühzeitigen Erkennung des individuellen Bedarfs voraussichtlich erforderlicher Leistungen zur Teilhabe sowie
10.
über ihre Zusammenarbeit mit Sozialdiensten und vergleichbaren Stellen.

(3) Bestehen für einen Rehabilitationsträger Rahmenempfehlungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften und soll bei den gemeinsamen Empfehlungen von diesen abgewichen werden oder sollen die gemeinsamen Empfehlungen Gegenstände betreffen, die nach den gesetzlichen Vorschriften Gegenstand solcher Rahmenempfehlungen werden sollen, stellt der Rehabilitationsträger das Einvernehmen mit den jeweiligen Partnern der Rahmenempfehlungen sicher.

(4) Die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung können sich bei der Vereinbarung der gemeinsamen Empfehlungen durch ihre Spitzenverbände vertreten lassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen schließt die gemeinsamen Empfehlungen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen ab, soweit die Aufgaben der Pflegekassen von den gemeinsamen Empfehlungen berührt sind.

(5) An der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen werden die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe über die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter sowie die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 3 über die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen beteiligt. Die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe orientieren sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch an den vereinbarten Empfehlungen oder können diesen beitreten.

(6) Die Verbände von Menschen mit Behinderungen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen von Frauen mit Behinderungen sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände werden an der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen beteiligt. Ihren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen. Die Empfehlungen berücksichtigen auch die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder.

(7) Die beteiligten Rehabilitationsträger vereinbaren die gemeinsamen Empfehlungen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern auf der Grundlage eines von ihnen innerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft vorbereiteten Vorschlags. Der oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wird beteiligt. Hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu einem Vorschlag aufgefordert, legt die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation den Vorschlag innerhalb von sechs Monaten vor. Dem Vorschlag wird gefolgt, wenn ihm berechtigte Interessen eines Rehabilitationsträgers nicht entgegenstehen. Einwände nach Satz 4 sind innerhalb von vier Wochen nach Vorlage des Vorschlags auszuräumen.

(8) Die Rehabilitationsträger teilen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation alle zwei Jahre ihre Erfahrungen mit den gemeinsamen Empfehlungen mit, die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung über ihre Spitzenverbände. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation stellt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern eine Zusammenfassung zur Verfügung.

(9) Die gemeinsamen Empfehlungen können durch die regional zuständigen Rehabilitationsträger konkretisiert werden.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juni 2013 - 21 Sa 1456/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte entwickelt und vertreibt Hygieneartikel. Der 1964 geborene Kläger ist bei ihr seit Juni 1991 als Maschinenführer tätig. Zuletzt war er - als einer von etwa 220 Arbeitnehmern - im Betrieb E im Dreischichtmodell beschäftigt. Sein monatlicher Bruttoverdienst belief sich auf ca. 2.700,00 Euro.

3

Der Kläger war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Im Jahr 2006 war er ab dem 27. Juli an wenigstens 59 Tagen wegen einer Handverletzung nicht arbeitsfähig. Im Jahr 2007 fehlte er wegen einer anderen Handverletzung 105 und aufgrund einer Kontaktallergie weitere 30 Tage. Im Jahr 2008 war er an 69 Tagen, im Jahr 2009 an 74 Tagen, im Jahr 2010 an 62 Tagen und im Jahr 2011 an 125 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Zwei Fehltage im Jahr 2008 und 21 Fehltage im Jahr 2009 waren auf Arbeitsunfälle zurückzuführen. Von den Krankheitstagen im Jahr 2011 entfielen 117 Tage auf ein Hüftleiden. Wegen dieser Erkrankung unterzog sich der Kläger am 28. März 2011 einer Operation.

4

Die Fehlzeiten verteilten sich auf unterschiedlich lange Zeiträume, jeweils unterbrochen durch Tage der Arbeitsfähigkeit.

5

Im Jahr 2004 stellte sich der Kläger auf Ersuchen der Beklagten beim arbeitsmedizinischen Dienst vor. Es folgten weitere Begutachtungen Ende 2009/Anfang 2010 und im September 2011. In den betriebsärztlichen Stellungnahmen hieß es jeweils, gegen eine Beschäftigung des Klägers bestünden keine gesundheitlichen Bedenken. Im Schreiben vom 2. Februar 2010 wurde außerdem berichtet, es hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass die gehäuften krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stehen könnten. Im September 2010 teilte die Berufsgenossenschaft der Beklagten mit, sie habe dem Kläger einseitig beschichtete Strickhandschuhe zur Verfügung gestellt, bei deren Verwendung sich arbeitsbedingte Kontaktallergien vermeiden ließen.

6

Mit Schreiben vom 29. November 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. Juni 2012.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die seit dem Jahr 2008 aufgetretenen Fehlzeiten seien - soweit nicht auf Arbeitsunfällen und den Hüftbeschwerden beruhend - im Wesentlichen auf eine Kontaktallergie, einen Fersensporn, Erkältungskrankheiten, in geringem Umfang auf eine Herz-/Kreislauferkrankung sowie zwei in der Freizeit erlittene Unfälle zurückzuführen. Die Fehlzeiten indizierten keine negative Zukunftsprognose. Mit dem Auftreten der Allergie sei nach den Maßnahmen der Berufsgenossenschaft und beim Tragen der empfohlenen Schutzhandschuhe nicht mehr zu rechnen. Sein Hüftleiden sei zwischenzeitlich ausgeheilt. Der Fersensporn sei gleichfalls erfolgreich therapiert. Seine Erkältungskrankheiten seien durch Zugluft am Arbeitsplatz ausgelöst oder begünstigt worden. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig. Die Beklagte habe ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nicht durchgeführt. Sie könne sich deshalb nicht darauf berufen, alternative Möglichkeiten zur Vermeidung oder doch erheblichen Verringerung künftiger Fehlzeiten hätten nicht bestanden. Das sei auch objektiv falsch. Neben Veränderungen am Arbeitsplatz, dessen bisheriger Zuschnitt ein kontinuierliches Treppensteigen erfordere, habe ein geeignetes „Gesundheitsmanagement“ zur Stabilisierung seines Abwehr- und Immunsystems beitragen können. Dies belege eine zwischenzeitlich durchgeführte Reha-Maßnahme, in deren Folge sich sein Gesundheitszustand deutlich gebessert habe. Unabhängig davon sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Maschinenführer weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Dieser sei bis einschließlich des 25. November 2011 an insgesamt 1061 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen. Davon habe sie für 803 Tage Entgeltfortzahlung geleistet. Die erheblichen Fehlzeiten sprächen für eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit des Klägers und begründeten eine negative Gesundheitsprognose. Dies wiederum beeinträchtige ihre betrieblichen Interessen erheblich. Sie habe damit rechnen müssen, an den Kläger weiterhin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für die Dauer von mehr als sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Ihre Verpflichtung zur Durchführung eines bEM habe sie mit den in Auftrag gegebenen arbeitsmedizinischen Untersuchungen erfüllt. Jedenfalls stehe aufgrund der betriebsärztlichen Stellungnahmen fest, dass die Krankheitsanfälligkeit des Klägers nicht durch organisatorische Änderungen habe überwunden werden können. Die Kündigung sei damit selbst dann verhältnismäßig, wenn es an einem regelkonformen bEM fehlen sollte. Auf die allgemeine Gesundheitsprävention im Rahmen außerbetrieblicher Maßnahmen sei der gesetzlich vorgegebene Klärungsprozess nicht angelegt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage im noch rechtshängigen Umfang stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet.

12

A. Die Revision ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Urteils zugelassen. Daran ist der Senat gemäß § 72 Abs. 3 ArbGG gebunden(vgl. BAG 16. April 1997 - 4 AZR 653/95 - zu I der Gründe). Eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung - wie sie der Kläger offenbar anstrebt - findet nicht statt.

13

B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden (I.). Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (II.).

14

I. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Sie ist nicht durch Gründe in der Person des Klägers bedingt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Sie erweist sich - ungeachtet der erheblichen Fehlzeiten - als unverhältnismäßig.

15

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen entwickelt hat (vgl. aus jüngerer Zeit BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335). Auch wenn sich einzelne Krankheitsphasen über mehrere Monate erstreckten, liegt angesichts der Vielzahl der in Rede stehenden Krankheitsbilder und des häufigen Wechsels von Krankheits- und Arbeitsphasen nicht der Tatbestand einer lang anhaltenden Erkrankung vor.

16

2. Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen (bspw. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung - dritte Stufe - ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - aaO; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335).

17

3. Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 17, BAGE 121, 335; 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 20). Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24; 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 92, 96). Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO mwN).

18

4. Entgegen der Auffassung des Klägers erweist sich danach die Kündigung nicht bereits im ersten Prüfungsschritt als unwirksam. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die bisherigen Fehlzeiten hätten im Kündigungszeitpunkt eine negative Gesundheitsprognose indiziert und der Kläger habe diese Indizwirkung nicht entkräftet, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

19

a) Die Beklagte hat die Krankheitszeiten des Klägers nach Zahl, Dauer und zeitlicher Folge im Einzelnen vorgetragen. Danach war der Kläger auch ohne die durch Arbeitsunfälle bedingten Ausfallzeiten seit Mitte des Jahres 2007 in erheblichem Umfang wegen Krankheit arbeitsunfähig. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts stiegen seine Fehlzeiten kontinuierlich an (vgl. zu diesem Kriterium BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 32 mwN). Lediglich im Jahr 2010 gingen sie gegenüber dem Vorjahr leicht zurück, verblieben aber auf hohem Niveau. Unschädlich ist, dass das Landesarbeitsgericht nicht starr auf den Zeitraum der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung abgestellt hat. Es konnte auch davor liegende Zeitspannen einbeziehen (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24).

20

b) Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten - den Angaben des Klägers zufolge - auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhten. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 26). Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen - etwa Erkältungen - ausgeheilt sind. Der Wegfall einzelner Erkrankungen stellt die generelle Anfälligkeit nicht infrage. Anders verhält es sich mit Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen. Sie lassen eine Prognose für die zukünftige Entwicklung ebenso wenig zu wie Erkrankungen, gegen die erfolgreich besondere Therapiemaßnahmen (zB eine Operation) ergriffen wurden (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO).

21

c) Danach hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, das künftige Auftreten von Krankheitszeiten im bisherigen Umfang sei aufgrund einer besonderen Krankheitsanfälligkeit indiziert. Zwar hat sich der Kläger bezüglich einzelner Erkrankungen darauf berufen, er habe besondere Therapiemaßnahmen durchgeführt. Seiner Schlussfolgerung, aufgrund dessen sei zumindest mit einer deutlichen Verringerung der Fehlzeiten zu rechnen gewesen, widerspricht aber der Umstand, dass er im Anschluss an die im März 2011 durchgeführte Operation noch bis Juli 2011 und erneut in der Zeit vom 8. bis 28. August 2011 wegen seines Hüftleidens krankgeschrieben war. Eine Rehabilitationsmaßnahme hat er erst nach Zugang der Kündigung begonnen und durchgeführt. Sie hat deshalb keinen Einfluss auf die Indizwirkung der vor dem Kündigungszeitpunkt aufgetretenen Fehlzeiten (vgl. BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 558/99 - Rn. 20 mwN). Gleiches gilt für mögliche - nach der Kündigung ergriffene - Maßnahmen zur Verbesserung der Immunabwehr. Damit verblieb es vor der Kündigung bei umfangreichen, eine negative Prognose stützenden Arbeitsunfähigkeitszeiten.

22

d) Der Kläger hat die Indizwirkung der Fehlzeiten nicht dadurch erschüttert, dass er sich auf das Zeugnis seiner ihn behandelnden Ärzte berufen und diese von der Schweigepflicht entbunden hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin nicht die Behauptung erblickt, die Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung bezüglich sämtlicher prognosetragender Erkrankungen im Kündigungszeitpunkt positiv beurteilt (zu dieser Anforderung vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96; 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zu B I 1 b der Gründe). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einen richterlichen Hinweis vermisst, ist seine Gegenrüge unzulässig, zumindest unbegründet.

23

5. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass sie - bei unveränderter Sachlage - damit zu rechnen hatte, an den Kläger auch zukünftig Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für mindestens sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Die Kündigung ist dennoch sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht „ultima ratio“ und deshalb unverhältnismäßig. Die Beklagte hat das gesetzlich vorgesehene bEM unterlassen, ohne dass sie dargelegt hätte, es habe im Kündigungszeitpunkt kein milderes Mittel als die Kündigung gegeben, um der in der Besorgnis weiterer Fehlzeiten bestehenden Vertragsstörung entgegenzuwirken.

24

a) Eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist. Eine Kündigung ist durch Krankheit nicht „bedingt“, wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt (vgl. BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel können insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz sein (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Darüber hinaus kann sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung die Chance zu bieten, ggf. spezifische Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, um dadurch die Wahrscheinlichkeit künftiger Fehlzeiten auszuschließen (vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 96; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 286; vHHL/Krause KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 324; jeweils mwN).

25

b) Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich - besteht keine Verpflichtung zur Durchführung eines bEM - zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16). Dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf seinerseits zu erwidern und ggf. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - aaO mwN). Entsprechend abgestuft ist die Darlegungslast des Arbeitgebers, wenn sich der Arbeitnehmer darauf beruft, die Kündigung sei deshalb unverhältnismäßig, weil eine dem Arbeitgeber bekannte, ihm gleichwohl nicht geboten erscheinende Therapiemöglichkeit bestanden habe.

26

c) Die Kündigung erweist sich nicht schon nach diesen allgemeinen Grundsätzen als unwirksam. Der Kläger hat geltend gemacht, sein bisheriger Arbeitsplatz erfordere regelmäßiges Treppensteigen und sei ferner deshalb nicht leidensgerecht, weil an ihm Zugluft herrsche. An Ausführungen dazu, welche organisatorischen Änderungen oder welcher andere Arbeitsbereich - aus seiner Sicht - eine Beschäftigung ohne gesundheitliche Probleme möglich gemacht hätten, fehlt es. Ebenso wenig ist seinem Vorbringen zu entnehmen, dass er sich bereits vor Zugang der Kündigung um eine Rehabilitationsmaßnahme und ein besseres Gesundheitsmanagement bemüht und die Beklagte Anhaltspunkte für die Annahme gehabt hätte, entsprechende Maßnahmen könnten erfolgversprechend sein.

27

d) Im Streitfall traf die Beklagte indes eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast. Sie hatte es versäumt, ein bEM durchzuführen. Ihrer Obliegenheit detailliert darzulegen, dass keine Möglichkeit bestanden habe, die Kündigung durch angemessene mildere Maßnahmen zu vermeiden, ist sie nicht nachgekommen.

28

aa) Die Beklagte war gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, ein bEM vorzunehmen. Der Kläger war in jedem der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung länger als sechs Wochen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Dafür kommt es auf die Gesamtheit der Fehltage und nicht darauf an, ob einzelne durchgehende Krankheitsperioden den Zeitraum von sechs Wochen überschritten (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 19). Die Durchführung eines bEM setzt nicht voraus, dass bei dem betroffenen Arbeitnehmer eine Behinderung vorliegt (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 27, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234).

29

bb) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein regelkonformes bEM habe nicht stattgefunden, ist berechtigt.

30

(1) Die Durchführung eines bEM ist auf verschiedene Weisen möglich. § 84 Abs. 2 SGB IX schreibt weder konkrete Maßnahmen noch ein bestimmtes Verfahren vor. Das bEM ist ein rechtlich regulierter verlaufs- und ergebnisoffener „Suchprozess“, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20). Allerdings lassen sich aus dem Gesetz gewisse Mindeststandards ableiten. Zu diesen gehört es, die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine an den Zielen des bEM orientierte Klärung ernsthaft zu versuchen. Ziel des bEM ist es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist, und herauszufinden, ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20).

31

(2) Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung des bEM zu ergreifen (BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 9, BAGE 140, 350; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Bei der Durchführung muss er eine bestehende betriebliche Interessenvertretung, das Einverständnis des Arbeitnehmers vorausgesetzt, hinzuziehen (vgl. BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 55, BVerwGE 137, 148).

32

(3) Kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber eine solche Initiative ergriffen hat, kann davon nur ausgegangen werden, wenn er den Arbeitnehmer zuvor nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat(BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht(BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 52, BVerwGE 137, 148). Zu diesen Zielen rechnet die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann (vgl. BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 19, BAGE 140, 350; dass das Gesetz hier vom „Arbeitsplatz“ spricht, dürfte auf einem Redaktionsversehen beruhen, vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 28). Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann (Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24). Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten - als sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG - erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein (Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 62).

33

(4) Kommt es stattdessen darauf an, ob bestimmte vom Arbeitgeber tatsächlich ergriffene Maßnahmen den Anforderungen eines bEM genügen, ist zu prüfen, ob sie sich als der vom Gesetz vorgesehene umfassende, offene und an den Zielen des bEM ausgerichtete Suchprozess erweisen.

34

(5) Danach kann in den betriebsärztlichen Untersuchungen des Klägers und den mit ihnen verbundenen Begutachtungen kein bEM erblickt werden.

35

(a) Der Betriebsarzt wird in § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB IX als ein Akteur erwähnt, der „bei Bedarf“ zum bEM hinzugezogen wird. Dies entspricht der Aufgabe des Arztes, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung zu unterstützen und in Fragen des Gesundheitsschutzes zu beraten (§ 1 Satz 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 ASiG). Die Nutzung seines Sachverstands kann der Klärung dienen, ob vom Arbeitsplatz Gefahren für die Gesundheit des Arbeitnehmers ausgehen und künftig durch geeignete Maßnahmen vermieden werden können (§ 3 Abs. 1 Satz 2 ASiG). Die Inanspruchnahme des betriebsärztlichen Sachverstands steht einem bEM als ganzem aber nicht gleich (vgl. Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24, 25).

36

(b) Es kann dahinstehen, ob der Arbeitgeber dem Betriebsarzt bei Bedarf die Durchführung und Leitung des bEM übertragen kann (befürwortend Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 152; zweifelnd Cramer/Ritz/Schian SGB IX 6. Aufl. § 84 Rn. 31). Die Behauptung der Beklagten, die betriebsärztlichen Untersuchungen seien „teilweise … unter dem Titel ‚betriebliches Eingliederungsmanagement‘ [gelaufen]“, macht nicht deutlich, dass sie dem arbeitsmedizinischen Dienst die regelgerechte Durchführung eines bEM überantwortet hätte. Jedenfalls ist nicht zu erkennen, dass die Betriebsärzte ihre Beauftragung in einem solch weitreichenden Sinne verstanden und entsprechend agiert hätten. Ihre Stellungnahmen beschränken sich auf die Einschätzung der Einsatzfähigkeit des Klägers auf der Grundlage arbeitsmedizinischer Untersuchungen. Auch fehlt es an substantiierten Darlegungen zu einer den Anforderungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX genügenden Unterrichtung und Belehrung des Klägers, aus der sich für diesen die Absicht, ein bEM durchzuführen, deutlich hätte erschließen können. Das Vorbringen der Beklagten, die Betriebsärztin habe aus Anlass der Ende 2009/Anfang 2010 vorgenommenen Untersuchung mit dem Kläger „die Fragestellung“ eines möglichen Zusammenhangs zwischen seiner Tätigkeit und den Erkrankungen „besprochen“ und ihn „über den Sinn und Zweck der Untersuchungen“ unterrichtet, reicht dafür nicht aus. Es kann deshalb offenbleiben, ob die fragliche Begutachtung, hätte es sich bei ihr um ein bEM gehandelt, dem Zweck des § 84 Abs. 2 SGB IX deshalb nicht genügen konnte, weil der Kläger innerhalb des der Kündigung vorausgegangenen Jahres erneut Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen aufwies(zur Problematik KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 16; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10).

37

cc) Das Unterlassen eines bEM führt hier dazu, dass die Kündigung unverhältnismäßig ist.

38

(1) Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist dennoch kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können möglicherweise mildere Mittel als die Kündigung erkannt und entwickelt werden (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

39

(2) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will sich der Arbeitgeber hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM im keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 25).

40

(3) Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau der Fehlzeiten also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt.

41

(4) Diesen Vorgaben wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis gerecht.

42

(a) Ein bEM ist nicht nur bei lang andauernden Krankheiten geboten. Es ist auch bei häufigen Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen oder von vorneherein überflüssig. Nach der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 2 SGB IX kommt es allein auf den Umfang, nicht auf die Ursache der Erkrankungen an. Auch aus Krankheiten, die auf unterschiedlichen Grundleiden beruhen, kann sich - zumal wenn sie auf eine generelle Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hindeuten - eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ergeben, der das bEM entgegenwirken soll (KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 17; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10; Deinert NZA 2010, 969, 971; aA Balders/Lepping NZA 2005, 854, 855).

43

(b) Dem Vorbringen der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass einem künftigen Auftreten erheblicher, über sechs Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Klägers durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen nicht hätte entgegengewirkt werden können. Dass ihr entsprechende Maßnahmen nicht möglich oder zumutbar gewesen wären, hat sie nicht aufgezeigt.

44

(aa) In diesem Zusammenhang waren nähere Darlegungen der Beklagten nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger vorgerichtlich geäußert haben mag, seine Erkrankungen seien nicht „betriebsbedingt“. Unabhängig davon, was genau er damit hat ausdrücken wollen, ist es nicht treuwidrig, wenn er sich gegenüber der ausgesprochenen Kündigung auf das Unterbleiben erfolgversprechender innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen beruft. Das Landesarbeitsgericht musste seine Behauptung, solche Maßnahmen hätten dem Auftreten neuerlicher Fehlzeiten vorbeugen oder diese zumindest verringern können, nicht etwa als Schutzbehauptung werten. Die Beklagte hat die vom Kläger aufgezeigten, einer günstigen Veränderung jedenfalls dem ersten Anschein nach nicht unzugänglichen Arbeitsbedingungen nicht in Abrede gestellt. Der Umstand, dass der Kläger während einer Prozessbeschäftigung trotz des Einsatzes am bisherigen Arbeitsplatz keine relevanten krankheitsbedingten Ausfallzeiten mehr gezeigt hat, spricht nicht notwendig gegen einen möglichen Zusammenhang zwischen den äußeren Arbeitsumständen und seinen bisherigen Fehlzeiten. Die Entwicklung kann ebenso gut durch die zwischenzeitlich durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme oder dadurch begünstigt worden sein, dass der Kläger - wie er behauptet hat - nunmehr ein effektiveres „Gesundheitsmanagement“ betreibt.

45

(bb) Die Beklagte hat die objektive Nutzlosigkeit innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen nicht dadurch aufgezeigt, dass sie auf den Gegenstand der arbeitsmedizinischen Untersuchungen verwiesen und sich die Stellungnahmen der Betriebsärzte - konkludent - zu Eigen gemacht hat. Zwar verpflichtet § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c) ASiG die Betriebsärzte, Ursachen von „arbeitsbedingten Erkrankungen“ zu untersuchen. Auch ist der Stellungnahme vom 2. Februar 2010 zu entnehmen, dass die Ärzte keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und seinen Fehlzeiten erkannt haben. Das schließt aber die Gewinnung anderer Erkenntnisse im Rahmen eines in alle Richtungen offenen bEM nicht aus. Bei diesem geht das Gesetz davon aus, dass sich neben dem Arbeitnehmer auch die anderen beteiligten Stellen, insbesondere die Rehabilitationsträger, aktiv in die Suche nach Möglichkeiten zur Vermeidung der Arbeitsunfähigkeit einbringen. Es kommt hinzu, dass die Berufsgenossenschaft im Jahr 2010 einen Zusammenhang zumindest zwischen den Arbeitsbedingungen und der Kontaktallergie gesehen und ein Hilfsmittel empfohlen hat. Soweit die Beklagte anführt, die im Jahr 2011 erfolgte betriebsärztliche Untersuchung sei „unter Berücksichtigung der arbeitsplatztypischen Belastungsfaktoren Lärm, Hautkontakt mit Stoffen, Schichttätigkeit“ erfolgt und „negativ“ verlaufen, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung finden kann. Im Übrigen ergibt sich aus ihm nicht, dass der Arbeitsplatz des Klägers auf besondere Belastungen durch Zugluft und Treppensteigen, dh. auf Umstände und deren mögliche Änderung hin untersucht worden wäre, in denen der Kläger eine Ursache seiner Krankheitsanfälligkeit erblickt.

46

(cc) Soweit die Beklagte gemeint hat, die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zu der Möglichkeit, im Rahmen eines bEM zu einer von den arbeitsmedizinischen Gutachten abweichenden Beurteilung zu gelangen, bewegten sich im Bereich der Spekulation, liegt darin kein beachtliches Vorbringen. Es handelt sich weder um eine zulässige Verfahrens-, noch um eine begründete Sachrüge. Es hat nicht das Landesarbeitsgericht Spekulationen angestellt, sondern die Beklagte ist ihrer Obliegenheit nicht nachgekommen, im Einzelnen darzulegen, weshalb eine abweichende Beurteilung objektiv ausgeschlossen sein soll.

47

(c) Die Kündigung wäre selbst dann unverhältnismäßig, wenn feststünde, dass die tatsächlichen betrieblichen Bedingungen, zu denen der Kläger arbeitete, nicht hätten geändert werden können. Es ist nicht auszuschließen, dass bei Durchführung eines bEM Rehabilitationsbedarfe in der Person des Klägers hätten erkannt und durch entsprechende Maßnahmen künftige Fehlzeiten spürbar hätten reduziert werden können.

48

(aa) Nach der Konzeption des Gesetzes lässt das bEM den Beteiligten bei der Prüfung, mit welchen Maßnahmen, Leistungen oder Hilfen eine künftige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers möglichst vermieden werden und das Arbeitsverhältnis erhalten bleiben kann, jeden denkbaren Spielraum. Es soll erreicht werden, dass keine vernünftigerweise in Betracht kommende, zielführende Möglichkeit ausgeschlossen wird (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1783 S. 16) soll durch eine derartige Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft gesichert werden. Zugleich sollen auf diese Weise medizinzische Rehabilitationsbedarfe frühzeitig, ggf. präventiv erkannt und auf die beruflichen Anforderungen abgestimmt werden. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, hat der Arbeitgeber deshalb gemäß § 84 Abs. 2 Satz 4 SGB IX auch bei nicht behinderten Arbeitnehmern die örtlichen gemeinsamen Servicestellen hinzuzuziehen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Hilfen und Leistungen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX erbracht werden. Als Hilfen zur Beseitigung und möglichst längerfristigen Überwindung der Arbeitsunfähigkeit kommen dabei - neben Maßnahmen zur kurativen Behandlung - insbesondere Leistungen zur medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX in Betracht(vgl. Knittel SGB IX 7. Aufl. § 84 Rn. 207; KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 9; Nebe in MünchAnwHdb Sozialrecht 4. Aufl. § 21 Rn. 22; Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 190).

49

(bb) Denkbares Ergebnis eines bEM kann es damit sein, den Arbeitnehmer auf eine Maßnahme der Rehabilitation zu verweisen. Dem steht nicht entgegen, dass deren Durchführung von seiner Mitwirkung abhängt und nicht in der alleinigen Macht des Arbeitgebers steht. Ggf. muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine angemessene Frist zur Inanspruchnahme der Leistung setzen. Eine Kündigung kann er dann wirksam erst erklären, wenn die Frist trotz Kündigungsandrohung ergebnislos verstrichen ist (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 29). Durch die Berücksichtigung entsprechender, aus dem bEM entwickelter Empfehlungen wird der „ultima-ratio-Grundsatz“ nicht, wie die Beklagte meint, über die gesetzlichen Grenzen hinaus ausgedehnt. Die aus ihm resultierende Verpflichtung des Arbeitgebers, ggf. mildere Mittel zu ergreifen, ist nicht auf arbeitsplatzbezogene Maßnahmen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG beschränkt. Diese Vorschrift dient der Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich mit Blick auf ihren eigenen Regelungsbereich. Sie schließt die Berücksichtigung sonstiger Umstände, die eine Kündigung entbehrlich machen könnten, nicht aus. Eine Kündigung muss, damit sie durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt“ ist, unter allen Gesichtspunkten verhältnismäßig, dh. unvermeidbar sein. Daraus kann sich die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, auf bestehende Therapiemöglichkeiten Bedacht zu nehmen. Wenn er ein bEM unterlassen hat, kann er gegen eine solche Verpflichtung nicht einwenden, ihm seien im Kündigungszeitpunkt - etwa schon mangels Kenntnis der Krankheitsursachen - entsprechende Möglichkeiten weder bekannt gewesen, noch hätten sie ihm bekannt sein können.

50

(cc) Das bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber bei Unterlassen eines bEM, um die Verhältnismäßigkeit der Kündigung aufzuzeigen, für jede nur erdenkliche Maßnahme der Gesundheitsprävention - etwa bis zu möglichen Änderungen in der privaten Lebensführung des Arbeitnehmers - von sich aus darzulegen hätte, dass und weshalb sie zur nachhaltigen Verminderung der Fehlzeiten nicht geeignet gewesen sei. Es reicht aus, wenn er dartut, dass jedenfalls durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger künftige Fehlzeiten nicht in relevantem Umfang hätten vermieden werden können. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt lediglich die Berücksichtigung solcher Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen, deren Beachtung dem Arbeitgeber zumutbar ist. Zumutbar wiederum ist nur eine Beachtung solcher Maßnahmen, deren Zweckmäßigkeit hinreichend gesichert ist. Auch muss deren tatsächliche Durchführung objektiv überprüft werden können. Beides trifft auf gesetzlich vorgesehene Leistungen und Hilfen, die der Prävention und/oder Rehabilitation dienen, typischerweise zu. Solche Maßnahmen muss der Arbeitgeber deshalb grundsätzlich in Erwägung ziehen. Hat er ein bEM unterlassen, muss er von sich aus ihre objektive Nutzlosigkeit aufzeigen und ggf. beweisen. Dabei kommt eine Abstufung seiner Darlegungslast in Betracht, falls ihm die Krankheitsursachen unbekannt sind. Für eine Maßnahme außerhalb des Leistungskatalogs der Rehabilitationsträger - und sei es ein fachkundig entwickeltes Konzept zur privaten Gesundheitsprävention - gilt dies dagegen in aller Regel nicht. Deren objektive Nutzlosigkeit braucht der Arbeitgeber nicht darzutun.

51

(dd) Danach durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung zwar nicht deshalb für unwirksam erachten, weil im Rahmen eines bEM die Möglichkeit bestanden hätte, ein - wie auch immer geartetes - Konzept für ein konsequentes Gesundheitsmanagement des Klägers zu entwickeln. Die angefochtene Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Beklagte hat nicht dargetan, dass auch bei regelkonformer Durchführung eines bEM keine geeigneten Leistungen oder Hilfen für den Kläger hätten erkannt werden können, zu deren Erbringung die Rehabilitationsträger verpflichtet gewesen wären. Das gilt umso mehr, als sich der Kläger ausdrücklich auf eine nach Zugang der Kündigung erfolgreich durchgeführte Reha-Behandlung berufen hat. Die Beklagte hätte aufzeigen müssen, warum Maßnahmen zur kurativen Behandlung und/oder der medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX - zu denen im Übrigen nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift auch die „Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln“ zählt - nicht in Betracht gekommen wären oder doch zu einer erheblichen Verringerung der Fehlzeiten nicht hätten beitragen können. An solchen Darlegungen fehlt es.

52

II. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses gerichtet. Dieser Rechtsstreit ist abgeschlossen.

53

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

Können arbeitsunfähige Versicherte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten und können sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden, soll der Arzt auf der Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit Art und Umfang der möglichen Tätigkeiten angeben und dabei in geeigneten Fällen die Stellungnahme des Betriebsarztes oder mit Zustimmung der Krankenkasse die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes (§ 275) einholen. Spätestens ab einer Dauer der Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen hat die ärztliche Feststellung nach Satz 1 regelmäßig mit der Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seinen Richtlinien nach § 92 bis zum 30. November 2019 das Verfahren zur regelmäßigen Feststellung über eine stufenweise Wiedereingliederung nach Satz 2 fest.

(1) Der zuständige Rehabilitationsträger kann Leistungen zur Teilhabe

1.
allein oder gemeinsam mit anderen Leistungsträgern,
2.
durch andere Leistungsträger oder
3.
unter Inanspruchnahme von geeigneten, insbesondere auch freien und gemeinnützigen oder privaten Rehabilitationsdiensten und -einrichtungen nach § 36
ausführen. Der zuständige Rehabilitationsträger bleibt für die Ausführung der Leistungen verantwortlich. Satz 1 gilt insbesondere dann, wenn der Rehabilitationsträger die Leistung dadurch wirksamer oder wirtschaftlicher erbringen kann.

(2) Die Leistungen werden dem Verlauf der Rehabilitation angepasst und sind darauf ausgerichtet, den Leistungsberechtigten unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles zügig, wirksam, wirtschaftlich und auf Dauer eine den Zielen der §§ 1 und 4 Absatz 1 entsprechende umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Februar 2012 - 18 Sa 867/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.

2

Die Beklagte, eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreibt ein Krankenhaus. Die 1978 geborene Klägerin gehört dem islamischen Glauben an. Sie wurde von der Beklagten, bei der sie zunächst seit 1996 eine Ausbildung absolviert hatte, in ein Arbeitsverhältnis übernommen.

3

Im Arbeitsvertrag vom 22. Dezember 2000 heißt es ua.:

        

㤠1

        

Frau T … wird mit Wirkung vom 01.02.2001 als Krankenschwester weiterbeschäftigt.

        

§ 2

        

Vertragsinhalt sind

        

1.    

die Bestimmungen des Bundes-Angestellten-tarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT-KF),

        

2.    

die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen,

        

wie sie aufgrund des Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechtsregelungsgesetz - ARRG) und seinen Änderungen geregelt sind.“

4

Die Präambel des Bundes-Angestelltentarifvertrags in kirchlicher Fassung (im Folgenden: BAT-KF) lautet:

        

„Präambel

        

Der kirchliche Dienst ist durch den Auftrag der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat bestimmt. Nach ihren Gaben, Aufgaben und Verantwortungsbereichen tragen die kirchlichen Mitarbeitenden, wie es in der ‚Richtlinie des Rates der EKD nach § 9 Buchstabe b Grundordnung über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der EKD und des Diakonischen Werkes der EKD‘ in der Fassung vom 1. Juli 2005 bestimmt ist, zur Erfüllung dieses Auftrags bei. Ihr gesamtes Verhalten im Dienst und außerhalb des Dienstes muss der Verantwortung entsprechen, die sie als Mitarbeitende im Dienst der Kirche übernommen haben. Es wird von ihnen erwartet, dass sie die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bejahen.“

5

In der „Richtlinie des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland nach Art. 9 Buchst. b Grundordnung über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und des diakonischen Werkes der EKD“ (im Folgenden: RL-EKD) heißt es auszugsweise:

        

㤠2

        

Grundlagen des kirchlichen Dienstes

        

(1) Der Dienst der Kirche ist durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Alle Frauen und Männer, die in Anstellungsverhältnissen in Kirche und Diakonie tätig sind, tragen in unterschiedlicher Weise dazu bei, dass dieser Auftrag erfüllt werden kann. Dieser Auftrag ist Grundlage der Rechte und Pflichten von Anstellungsträgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

        

…       

        

§ 4

        

Berufliche Anforderungen während des Arbeitsverhältnisses

        

(1) Je nach Aufgabenbereich übernehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung kirchlicher und diakonischer Aufgaben. Sie haben sich daher loyal gegenüber der evangelischen Kirche zu verhalten.

        

(2) Von evangelischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie Schrift und Bekenntnis anerkennen. Sofern sie in der Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung oder Leitung tätig sind, wird eine inner- und außerdienstliche Lebensführung erwartet, die der übernommenen Verantwortung entspricht.

        

(3) Von christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie Schrift und Bekenntnis achten und für die christliche Prägung ihrer Einrichtung eintreten.

        

(4) Nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.“

6

In einer zwischen der Beklagten und der Mitarbeitervertretung geschlossenen „Dienstvereinbarung zur Personalhygiene …“ vom 24. August 2009 ist ua. geregelt:

        

„Vorwort

        

Die A gGmbH stellt den Mitarbeitern unentgeltlich Berufs- und Schutzkleidung zur Verfügung, soweit dies nach den gesetzlichen oder anerkannten Regeln der Krankenhaushygiene und des Arbeitsschutzes erforderlich ist.

        

…       

        

Die Bereitstellung der Dienstkleidung durch den Arbeitgeber hat zum Ziel, ein einheitliches Erscheinungsbild nach außen zu dokumentieren und damit die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften (UVV) und Hygienevorschriften zu erleichtern.

        

…       

        

Die Umsetzung dieser Dienstanweisung ist für alle Mitarbeiter verbindlich.

        

…       

        

1.    

Berufskleidung

        

…       

        
                 

●       

In den Abteilungen und Bereichen des Krankenhauses, in denen Berufs- und Schutzkleidung zu tragen ist, ist das Tragen von sonstiger Privatkleidung (z.B. Jeans, Pullover, Halstuch, Kopftuch) untersagt. Bei Dienstwegen außerhalb des Krankenhauses (Personalabteilung) kann eine Strickjacke, Pullover über der Berufskleidung getragen werden, ebenso bei Zeiten außerhalb der direkten Patientenbetreuung kann eine Strickjacke, Pullover über der Berufskleidung getragen werden.

                 

●       

Die Berufskleidung ist regelmäßig der Aufbereitung der Krankenhauswäscherei zuzuführen. Die Berufskleidung darf auf keinen Fall zu Hause gewaschen werden.

        

…       

                 
        

12.     

Allgemeine Hinweise

                 

●       

Vor Betreten der Cafeteria ist der Dienstkittel in der Garderobe abzulegen.

                 

●       

Das Tragen von Kopftüchern ist während der Arbeitszeit nicht gestattet.

                 

●       

Das Tragen von Stethoskopen in der Cafeteria ist untersagt.

        

…“    

                 
7

Die Klägerin befand sich vom 27. März 2006 bis zum 28. Januar 2009 in Elternzeit. Anschließend war sie arbeitsunfähig krank. Mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 26. April 2010 wandte sich die Klägerin wegen einer von ihr gewünschten Wiedereingliederung an die Beklagte und teilte gleichzeitig mit, sie wolle aus religiösen Gründen während ihrer Tätigkeit ein Kopftuch tragen. In einem weiteren Schreiben ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 18. Mai 2010 heißt es ua.:

        

„…    

        

Frau T teilte uns mit, dass Sie sich bei ihr noch nicht bezüglich der gewünschten Wiedereingliederung gemeldet haben.

        

Wir bitten Sie, mit Frau T Kontakt aufzunehmen und Ihr Zeit und Ort für die Wiederaufnahme der Tätigkeit bis zum 21.05.2010 mitzuteilen.

        

Mit diesem Schreiben bieten wir offiziell die Arbeitskraft unseres Mitgliedes an und werden, sollte eine Reaktion Ihrerseits nicht erfolgen, arbeitsrechtliche Schritte zur Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs einleiten.

        

…“    

8

Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 25. Mai 2010, in dem ua. ausgeführt wird:

        

„…    

        

Ihre Mandantin hatte darum gebeten, ein Wiedereingliederungsverfahren durchzuführen. Wie Ihnen bekannt ist, besteht auf die Durchführung eines solchen Verfahrens kein Rechtsanspruch. Unsere Mandantin hatte sich gleichwohl dazu bereit erklärt unter der Voraussetzung, dass die Kleiderordnung eingehalten wird. Gem. Ziffer 12 ist das Tragen von Kopftüchern während der Arbeitszeit nicht gestattet. Die Kleiderordnung ist seinerzeit gemeinsam mit der Mitarbeitervertretung beschlossen worden.

        

Wie Sie in Ihrem Schreiben vom 26.4.2010 mitteilen, trägt Frau T das Kopftuch aufgrund ihrer religiösen Ausrichtung. Bei unserer Mandantin handelt es sich um ein konfessionelles Krankenhaus. In konfessionellen Krankenhäusern hat der Arbeitgeber ein Direktionsrecht dahingehend, dass er das Tragen von Kopftüchern verbieten kann.

        

…       

        

Unsere Mandantin besteht nach wie vor darauf, dass das Kopftuchverbot eingehalten wird. Sobald die entsprechende Zustimmung Ihrer Mandantin vorliegt, kann ein Wiedereingliederungsverfahren durchgeführt werden.

        

…“    

9

Mit Schreiben ihrer jetzigen Bevollmächtigten vom 25. August 2010 wandte sich die Klägerin wie folgt erneut an die Beklagte:

        

„…    

        

Unsere Mandantin befindet sich seit Beginn ihrer Ausbildung im Kalenderjahr 1996 bis heute bei Ihnen in einem Arbeitsverhältnis als Krankenschwester. Aufgrund einer längeren Erkrankung nach Beendigung ihrer Elternzeit im Januar 2009 sollte sie ab dem 23.08.2010 ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. In Absprache mit Ihnen und ihrem Hausarzt wurde ein Wiedereingliederungsplan erarbeitet.

        

Als unsere Mandantin Ihnen am 23.08.2010 Ihre Arbeitsleistung anbot, erklärten Sie unserer Mandantin, dass sie ihr Kopftuch während der Arbeitszeit ablegen müsse. Mit einem Kopftuch tragend brauche sie nicht zu erscheinen. Sie drohten Ihr an, dass sofern Sie dies nicht täte, ihr gegenüber eine Kündigung ausgesprochen werden würde. Unsere Mandantin ist aus tief religiösen Gründen nicht geneigt, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen.

        

Hiermit bieten wir Ihnen namens und im Auftrage unserer Mandantin nochmals ihre

        

Arbeitsleistung

        

an.    

        

Unsere Mandantin ist bereit, unverzüglich die Arbeit in Ihrem Hause aufzunehmen.

        

Bitte teilen Sie uns mit, wann unsere Mandantin zum Dienst erscheinen soll.

        

…“    

10

Die Beklagte erklärte hierauf mit Schreiben vom 30. August 2010 ua.:

        

„…    

        

Auf das in Kopie beigefügte Schreiben der Gewerkschaft ver.di vom 18.5.2010 haben wir bereits am 25.5.2010 geantwortet. Auch von diesem Schreiben fügen wir eine Kopie bei, auf das wir vollinhaltlich Bezug nehmen. Daher ist das ‚Angebot‘ Ihrer Mandantin zur Arbeitsaufnahme nicht ordnungsgemäß erfolgt.

        

…“    

11

Mit ihrer am 4. November 2010 eingereichten, mehrfach erweiterten Klage hat die Klägerin Vergütungsansprüche für den Zeitraum 23. August 2010 bis 31. Januar 2011 geltend gemacht. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei mit der Annahme ihrer Arbeitsleistung in Verzug geraten. Durch ein kleines, farblich an die Dienstkleidung angepasstes, im Nacken gebundenes Kopftuch, wie sie es schon zwischen dem 19. September und Ende Dezember 2005 getragen habe, werde sie nicht daran gehindert, ihre Arbeitsleistung als Krankenschwester zu erbringen. Der Betriebsablauf werde hierdurch nicht beeinträchtigt. Das Verbot, ein Kopftuch, das ihre weiblichen Reize verdecke, oder eine - wie von der Beklagten in Gesprächen ebenfalls untersagt - vergleichbare Kopfbedeckung zu tragen, schränke sie unzulässig in ihrer Glaubensfreiheit und in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein. Sie werde dadurch wegen ihrer Religion benachteiligt. Im Koran fänden sich Aussagen zur Bedeckungspflicht der Frau. Ihr ganzer Körper, ausgenommen das Gesicht und die Hände, sei Aura. Diese Aussagen würden zwar von den islamischen Religionslehrern nicht einheitlich ausgelegt, es bleibe aber zumindest die Aufforderung zu anständiger Bekleidung, Bedeckung der Haare oder Verhüllung bestimmter Teile des Körpers aus Gründen der Scham. Das in der Dienstvereinbarung zur Personalhygiene geregelte Verbot sei nicht wirksam. Das Kopftuch werde als religiöses Symbol getragen und könne nicht wie ein normales Kleidungsstück behandelt werden. Die Regelungen in der Präambel des BAT-KF und der Richtlinie des Rates der EKD seien unbestimmt. Aus dem Gebot eines loyalen Verhaltens könne allenfalls eine Neutralitätspflicht abgeleitet werden, die sie durch das Tragen eines Kopftuchs nicht verletze. Das Sichtbarmachen der eigenen Religion stelle keinen Loyalitätsverstoß iSv. § 4 RL-EKD dar. Das Kopftuch werde von der Allgemeinheit nicht mehr nur als Zeichen islamischer Religionszugehörigkeit, sondern auch als modisches Accessoire verstanden. Sie genieße zudem Vertrauensschutz, weil die Beklagte sie in Kenntnis ihrer islamischen Religionszugehörigkeit eingestellt und die Pflegedienstleitung früher das Tragen eines Kopftuchs nicht beanstandet habe. Die Reaktionen von Kollegen und Patienten, von denen viele zuvor keinen Kontakt zum Islam gehabt hätten, seien damals positiv gewesen.

12

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.313,54 Euro brutto nebst Zinsen nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und geltend gemacht, die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß angeboten. Die Berechtigung es der Klägerin zu untersagen, während der Arbeitszeit ein Kopftuch zu tragen, ergebe sich aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die Präambel des BAT-KF und die RL-EKD. Die Klägerin sei nach § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD verpflichtet, sich ihr gegenüber loyal zu verhalten, den kirchlichen Auftrag, wie er sich aus § 2 RL-EKD ergebe, zu beachten und ihre Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen. Hieraus resultiere - auch ohne konkretisierende Weisung oder Dienstvereinbarung - eine Neutralitätspflicht. Die Klägerin müsse demzufolge alles unterlassen, was als gegen die Evangelische Kirche gerichtete Meinungsbekundung angesehen werden könne und die Glaubwürdigkeit der Kirche in Frage stelle. Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, die Kirche lasse eine Relativierung ihrer Glaubensüberzeugungen zu und halte ihre Glaubenswahrheiten für beliebig austauschbar. Die unterschiedlichen Religionen stünden sich als „Konkurrenten“ gegenüber, auch wenn sie sich gegenseitig respektieren und anerkennen würden. Als konfessionelles Krankenhaus könne sie sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV berufen. Die Glaubensfreiheit der Klägerin, der die konfessionelle Bindung der Einrichtung bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses bekannt gewesen sei, müsse demgegenüber zurücktreten. Das Kopftuchverbot entspreche billigem Ermessen. Außerdem sei das Tragen von Privatkleidung nach der bestehenden Kleiderordnung untersagt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Klägerin ist begründet. Auf Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist. Dazu bedarf es weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Das führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

16

A. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn aus § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB bisher nicht dargelegt. Die Klage ist unschlüssig, auch wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, sie sei nicht verpflichtet gewesen, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen. Aus dem Vorbringen der Klägerin selbst ergeben sich gewichtige Indizien, die dafür sprechen, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum nicht leistungsfähig war, § 297 BGB.

17

I. Unbeschadet der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Die objektive Leistungsfähigkeit ist eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss. Grundsätzlich hat bei Streit über die Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande war. Er muss hierfür Indizien vortragen, aus denen darauf geschlossen werden kann (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 16 f. mwN, BAGE 141, 34). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass sich bereits aus dem Sachvortrag des Arbeitnehmers selbst Indizien ergeben, aus denen auf eine fehlende Leistungsfähigkeit in dem Zeitraum, für den Vergütung wegen Annahmeverzugs begehrt wird, geschlossen werden kann. In einem solchen Falle ist die Klage unschlüssig, wenn der Arbeitnehmer die selbst geschaffene Indizwirkung nicht ausräumt und substantiiert seine Arbeitsfähigkeit darlegt (BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 27).

18

II. Die von der Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs vorgelegten Schreiben vom 18. Mai und 25. August 2010 beziehen sich auf eine Arbeitsaufnahme im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses. Nach § 74 SGB V kommt eine stufenweise Wiedereingliederung in Betracht, wenn arbeitsunfähige Versicherte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten können und sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich wieder besser in das Erwerbsleben eingegliedert werden können. Die Erstellung eines Wiedereingliederungsplans mit einem zum 23. August 2010 vorgesehenen Beginn der Wiedereingliederung ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass der behandelnde Arzt von einer über den 23. August 2010 hinaus fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ausging. Die Klägerin hätte vor diesem Hintergrund erläutern müssen, aufgrund welcher Tatsachen sie dennoch für die vertraglich geschuldete Tätigkeit arbeitsfähig gewesen oder im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsfähig geworden sei und dies der Beklagten - verbunden mit einem Angebot der Arbeitsleistung - mitgeteilt hätte. Dies ist nicht geschehen.

19

B. Nachdem die Vorinstanzen die Klägerin im Hinblick auf die im Schriftwechsel der Parteien in Rede stehende Wiedereingliederung nicht auf die fehlende Schlüssigkeit der Klage hingewiesen haben, ist ihr Gelegenheit zu geben, ihren Vortrag zu ergänzen.

20

I. Der Klägerin obliegt es, die Indizwirkung des vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans zu erschüttern und ihre Leistungsfähigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum darzulegen.

21

II. Sie hat darüber hinaus - unabhängig davon, ob sie verpflichtet gewesen wäre, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen - darzulegen, dass sie der Beklagten die Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und nicht eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses angeboten hat. Dies ist den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen.

22

1. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen, § 295 BGB. Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich(zuletzt BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14, BAGE 141, 34; 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 28, BAGE 143, 119; 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 22). Ein Angebot der Arbeitsleistung kann ausnahmsweise auch dann entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt (BAG 16. April 2013 - 9 AZR 554/11 - Rn. 17; BGH 9. Oktober 2000 - II ZR 75/99 - zu 1 der Gründe).

23

2. Ob die Klägerin eine Arbeitsleistung iSv. § 611 BGB angeboten hat, kann der Senat nicht entscheiden.

24

a) Ein tatsächliches Angebot iSv. § 294 BGB hat die Klägerin nicht dargelegt. Ihr von der Beklagten bestrittener Vortrag ist - wie bereits vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellt - unsubstantiiert. Wann und wem gegenüber sie ihre Leistung tatsächlich angeboten haben will, hat die Klägerin nicht angegeben.

25

b) Ob ein tatsächliches Angebot entbehrlich war und die Klägerin die Arbeitsleistung iSv. § 295 BGB wörtlich angeboten hat, ist durch Auslegung des Schriftwechsels der Parteien zu ermitteln.

26

aa) Ein tatsächliches Angebot wäre nach § 295 BGB entbehrlich gewesen, wenn die an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 18. Mai und 25. August 2010 - eine Berechtigung der Klägerin unterstellt, die Arbeit kopftuchtragend zu verrichten - als Angebot der geschuldeten Arbeitsleistung und das Antwortschreiben der Beklagten vom 25. Mai 2010 oder jedenfalls das vom 30. August 2010 als ernsthafte und endgültige Weigerung, diese wie angeboten anzunehmen, zu verstehen wären.

27

bb) Die Schreiben der Parteien enthalten nichttypische Erklärungen. Die Auslegung atypischer Verträge und Willenserklärungen ist grundsätzlich den Tatsachengerichten vorbehalten. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (st. Rspr., vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 23; 15. April 2014 - 3 AZR 435/12 - Rn. 18).

28

(1) Verträge und Willenserklärungen sind nach dem Empfängerhorizont auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Auslegungsziel ist bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht der innere Wille des Erklärenden, sondern das, was der Adressat nach seinem Empfängerhorizont als Willen des Erklärenden verstehen konnte (BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 36). Zu würdigen sind neben dem Wortlaut der Erklärung auch alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte (BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 805/11 - Rn. 14, BAGE 145, 249).

29

(2) Das Landesarbeitsgericht ist von einem „Angebot“ der Klägerin und einer „Ablehnung“ durch die Beklagte ausgegangen, ohne den Bedeutungsgehalt der von den Parteien unstreitig abgegebenen Erklärungen durch Auslegung ihres Schriftwechsels zu ermitteln. Doch spricht der Wortlaut des zwischen den Parteien geführten Schriftwechsels gegen die Annahme, die Klägerin habe die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung wörtlich angeboten. Ihre Schreiben beziehen sich auf eine Aufnahme der Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung, auch wenn die Klägerin darin abschließend erklärte, sie böte ihre „Arbeitskraft“ bzw. „Arbeitsleistung“ an. Dass die Beklagte in ihrem Antwortschreiben vom 25. Mai 2010 ausdrücklich auf ein von der Klägerin gewünschtes Wiedereingliederungsverfahren abstellt, spricht für ein Verständnis in diesem Sinne. Die Klägerin hat einer derartigen Auslegung nicht widersprochen, sondern diese bestätigt, indem sie mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. August 2010 auf einen in Absprache mit ihrem Hausarzt und der Beklagten erarbeiteten Wiedereingliederungsplan Bezug nimmt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 30. August 2010. Darin weist die Beklagte lediglich auf die zuvor gewechselten Schreiben hin.

30

c) Das Revisionsgericht darf bei einer unterlassenen oder fehlerhaften Auslegung atypischer Verträge und Willenserklärungen nur dann selbst auslegen, wenn das Landesarbeitsgericht den erforderlichen Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (st. Rspr. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 24, BAGE 135, 255; 14. Mai 2013 - 9 AZR 844/11 - Rn. 11, BAGE 145, 107). Danach kann der Senat die gebotene Auslegung nicht selbst vornehmen. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen zu den Begleitumständen des Schriftwechsels der Parteien und zum Inhalt des vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans getroffen.

31

III. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung wegen Annahmeverzugs nach §§ 611, 615 BGB käme nicht in Betracht, wenn die Klägerin lediglich eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses angeboten hätte.

32

1. Ein Wiedereingliederungsverhältnis ist nicht als Teil des Arbeitsverhältnisses zu werten, sondern stellt neben diesem ein Vertragsverhältnis eigener Art (sui generis) dar (st. Rspr. BAG 29. Januar 1992 - 5 AZR 37/91 - zu II 3 der Gründe, BAGE 69, 272; 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - BAGE 92, 140). Anders als das Arbeitsverhältnis ist das Wiedereingliederungsverhältnis nicht durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung gekennzeichnet, sondern durch den Rehabilitationszweck. Die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und nicht auf die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gerichtet (BAG 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - zu 1 a aa der Gründe, aaO; Schmidt NZA 2007, 893). Zur Begründung des Wiedereingliederungsverhältnisses bedarf es einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es gilt für beide Seiten das Prinzip der Freiwilligkeit (BAG 13. Juni 2006 - 9 AZR 229/05 - Rn. 23, 33, BAGE 118, 252). Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind, weil die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers andauert, während des Wiedereingliederungsverhältnisses weiterhin von den Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses gemäß § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB befreit(BAG 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - zu 1 a bb der Gründe, aaO). Der Arbeitnehmer erbringt nicht die geschuldete Arbeitsleistung. Es besteht deshalb kein Anspruch auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung, es sei denn, der Arbeitgeber hat sich bei Abschluss der Wiedereingliederungsvereinbarung ausdrücklich oder stillschweigend zu einer Zahlung verpflichtet. Auch ein gesetzlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung einer angemessenen Vergütung nach § 612 Abs. 1 BGB besteht nicht.

33

2. Ergäbe die Auslegung des Schriftwechsels der Parteien, die Klägerin habe lediglich eine Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung angeboten, würde ein Annahmeverzugsanspruch - unabhängig von der Frage, ob sie berechtigt gewesen wäre, hierbei ein Kopftuch zu tragen - ausscheiden.

34

C. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.

35

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es könne offenbleiben, ob ein Verbot, während der Arbeit ein religiös motiviertes Kopftuch zu tragen, bereits aus der Dienstvereinbarung vom 24. August 2009 folge. Es sei jedenfalls vom Weisungsrecht der Beklagten gedeckt. Eine - unterstellte - Weisung habe billigem Ermessen nach § 106 Satz 1 GewO entsprochen. Die Beklagte habe sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG, Art. 137 WRV berufen können. Das Interesse der Beklagten, ihr Selbstbestimmungsrecht zu wahren, überwiege die durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte Glaubensfreiheit der Klägerin. Die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht in der rechten Weise angeboten, indem sie es abgelehnt habe, ihre Arbeit ohne Kopftuch zu verrichten.

36

II. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob die Einrichtung der Beklagten - wie es deren Berufung auf Art. 140 GG, Art. 137 WRV voraussetzte - der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin und ein Angebot der Arbeitsleistung unterstellt, hätte die Klägerin nur in diesem Fall die Leistung entgegen §§ 294, 295 BGB nicht so angeboten, wie sie zu bewirken war. Sie wäre arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen, das Tragen eines islamischen Kopftuchs oder einer vergleichbaren, ihrem Verständnis der Glaubensgebote des Islam entsprechenden Kopfbedeckung während der Arbeitszeit zu unterlassen. In Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen der Parteien und unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls müsste die durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin gegenüber dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zurücktreten. Könnte sich die Beklagte nicht auf Art. 140 GG, Art. 137 WRV berufen, wäre der Glaubensfreiheit der Klägerin gegenüber den Interessen der Beklagten der Vorrang einzuräumen.

37

1. Annahmeverzug setzt voraus, dass der Gläubiger die ihm angebotene Leistung nicht annimmt, § 293 BGB. Die Leistung muss ihm - nach § 294 BGB tatsächlich oder unter den Voraussetzungen von § 295 BGB wörtlich - so angeboten werden, wie sie zu bewirken ist, dh. am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend dem Inhalt des Schuldverhältnisses (MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 294 Rn. 4).

38

a) Das Tragen einer bestimmten Kleidung kann zur vertragsgemäßen Erfüllung der Arbeitsleistung geboten sein (BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - Rn. 9 und 11, BAGE 121, 147). Ebenso kann es hierzu geboten sein, es zu unterlassen, sich in einer bestimmten Art zu kleiden. Eine bestimmte Bekleidung kann - ohne besondere vertragliche Vereinbarung - eine arbeitsleistungsbezogene Nebenpflicht des Arbeitnehmers darstellen, die der Arbeitspflicht nahekommt. Bekleidungsobliegenheiten können sich auch aus der Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag ergeben. In diesem Fall sind sie Teil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht (vgl. Brose/Greiner/Preis NZA 2011, 369, 371 ff.). Bei der Bestimmung sich aus dem Arbeitsvertrag ergebender Handlungs- bzw. Unterlassungspflichten in Bezug auf die Kleidung während der Arbeitszeit gebietet der Schutz des Arbeitnehmers vor Überforderung eine Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien unter Berücksichtigung der widerstreitenden Grundrechtspositionen und der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls.

39

b) Die Klägerin wäre - die Zuordnung der Beklagten zur Evangelischen Kirche unterstellt - gehalten gewesen, während der Arbeitszeit das Tragen eines Kopftuchs zu unterlassen. Dies ergibt sich unmittelbar, ohne dass es einer konkretisierenden Weisung oder Dienstvereinbarung bedurft hätte, aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag. Dabei kann offenbleiben, ob als Bestandteil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht oder als arbeitsleistungsbezogene Nebenpflicht.

40

aa) Die von der Klägerin zu bewirkende Leistung wird nach dem Arbeitsvertrag der Parteien nicht allein durch die in § 1 Arbeitsvertrag vereinbarte Tätigkeit einer Krankenschwester bestimmt, sondern auch durch die Eigenart des kirchlichen Dienstes. Dies resultiert aus § 2 Nr. 1 Arbeitsvertrag iVm. der Präambel des BAT-KF und den darin in Bezug genommenen Bestimmungen der RL-EKD.

41

bb) Die Klägerin hat sich im Arbeitsvertrag nicht nur verpflichtet, sich gegenüber der Evangelischen Kirche loyal zu verhalten (§ 4 Abs. 1 RL-EKD), sondern darüber hinaus den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihr übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen (§ 4 Abs. 4 RL-EKD). Aus diesen Regelungen ergibt sich unmittelbar - als Mindestanforderung an die Aufgabenerfüllung im kirchlichen Dienst - eine Verpflichtung nichtchristlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einem neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche.

42

(1) Die den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im kirchlichen Dienst in § 4 Abs. 1 Satz 2 RL-EKD auferlegte Pflicht, sich gegenüber der Evangelischen Kirche loyal zu verhalten, ist zunächst Ausdruck sich bereits aus § 241 Abs. 2 BGB ergebender allgemeiner vertraglicher Rücksichtnahmepflichten. Nach § 241 Abs. 2 BGB erwächst einer Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis auch die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils. Dies dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Die Arbeitsvertragsparteien sind danach verpflichtet, den Vertrag so zu erfüllen, ihre Rechte so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann. Welche konkreten Folgen sich aus der Rücksichtnahmepflicht ergeben, hängt von der Art des Schuldverhältnisses und den Umständen des Einzelfalls ab (BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 11, 12 mwN, BAGE 141, 1).

43

(2) § 4 Abs. 1 Satz 2 RL-EKD leitet die vertragliche Loyalitätspflicht, wie der durch das Wort „daher“ vermittelten Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD zu entnehmen ist, aus der je nach Aufgabenbereich von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übernommenen Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung kirchlicher und diakonischer Aufgaben ab. Die RL-EKD beschränkt sich damit schon in § 4 Abs. 1 nicht nur auf die Wiedergabe allgemeiner Loyalitätspflichten als vertragliche Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis iSv. § 241 Abs. 2 BGB, sondern verknüpft die Loyalitätspflichten in besonderer Weise mit der Wahrnehmung der vertraglichen Aufgaben selbst.

44

(3) Diese Verknüpfung wird durch § 4 Abs. 4 RL-EKD verstärkt, wonach - als Bestandteil abgestufter Loyalitätspflichten kirchlicher Arbeitnehmer - auch die nichtchristlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen haben. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD ist der Dienst der Kirche durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Dies entspricht dem Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft, die alle am kirchlichen Auftrag Teilnehmenden verbindet, unabhängig davon, auf welcher vertraglichen Grundlage und in welcher Einrichtung sie tätig sind (Joussen RdA 2007, 328, 333). Nach diesem theologisch geprägten Selbstverständnis verwirklicht die Arbeitsleistung in der Kirche und den ihr zugeordneten Einrichtungen ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 98 mwN, BAGE 143, 354). Hieran wirken alle Beschäftigten durch ihre Tätigkeit und ungeachtet ihres individuellen Glaubens oder ihrer weltanschaulichen Überzeugungen mit (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 99 mwN, aaO). Die in einem Anstellungsverhältnis in Kirche und Diakonie stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 RL-EKD in unterschiedlicher Weise zur Erfüllung dieses Auftrags bei. Er ist die Grundlage der Rechte und Pflichten von kirchlichen Anstellungsträgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

45

2. Bei der Ermittlung der Reichweite der sich aus der Bezugnahme auf die RL-EKD ergebenden Pflichten bei der Erfüllung der arbeitsvertraglichen Aufgaben - als Voraussetzung für die Bestimmung der nach §§ 294, 295 BGB zu bewirkenden Leistung - sind unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls die Grundrechte der kirchlichen Arbeitgeberin und die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere mit Blick auf deren Tätigkeit und Stellung in der kirchlichen Einrichtung, gegeneinander abzuwägen.

46

a) Die Gerichte für Arbeitssachen sind wegen ihrer durch Art. 1 Abs. 3 GG angeordneten Grundrechtsbindung gehindert, bei der Auslegung und Anwendung zivilrechtlicher Normen das völlige Zurückweichen eines Grundrechts zugunsten eines anderen hinzunehmen. Sie sind gehalten, im Wege einer Güterabwägung nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz einen Ausgleich der jeweils widerstreitenden grundrechtlichen Gewährleistungen herbeizuführen (vgl. BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - Rn. 147, BVerfGE 128, 1; BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 113 mwN, BAGE 143, 354). Diese Pflicht entfällt nicht schon deswegen, weil es sich bei Art. 4 GG um ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht handelt. Das hindert ein Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung zum Schutz einer anderen - wie des hier fraglichen kirchlichen Selbstbestimmungsrechts - nicht. Auch vorbehaltlos gewährte Grundrechte können zum Schutz anderer Grundrechte oder grundrechtlicher Gewährleistungen eingeschränkt werden (vgl. BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - Rn. 147, aaO; BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 113 mwN, aaO).

47

Die durch die Rücksichtnahme auf kollidierende Verfassungswerte notwendig werdende Annäherung kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall durch Güterabwägung vorgenommen werden. Eine damit einhergehende Begrenzung verfassungsrechtlich geschützter Interessen darf dabei nicht weiter gehen, als es notwendig ist, um die Konkordanz widerstreitender Rechtsgüter herzustellen. Das Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung muss zum Schutz der anderen geboten sein. Für die erforderliche Abwägung gibt die Verfassung kein bestimmtes Ergebnis vor. Die hiernach vorzunehmende Güterabwägung betrifft nicht den gesamten Bereich der jeweiligen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen, sondern ist auf den Ausgleich der konkreten Kollisionslage beschränkt (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 114, 115 mwN, BAGE 143, 354).

48

b) Die Interessen der Beklagten könnten danach nur dann vorrangig sein, wenn sich diese als Einrichtung der Evangelischen Kirche auf das durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht als Konkretisierung kollektiver Glaubensfreiheit(vgl. ErfK/Schmidt 14. Aufl. Art. 4 GG Rn. 28 mwN) berufen könnte. In diesem Fall wäre das Tragen eines Kopftuchs oder einer entsprechenden anderen Kopfbedeckung als nach außen hin sichtbarem Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer anderen Religionszugehörigkeit, angesichts der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit einer Krankenschwester, mit der Verpflichtung zu neutralem Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche nicht in Einklang zu bringen. Die Klägerin hätte auch unter Berücksichtigung ihrer Glaubensfreiheit die Arbeitsleistung nicht so angeboten, wie sie zu bewirken ist (§§ 294, 295 BGB), weil sie nicht bereit war, auf das Tragen eines Kopftuchs oder einer vergleichbaren Kopfbedeckung zu verzichten.

49

aa) Die Klägerin betrachtet nach den in der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts das Tragen eines Kopftuchs als für sich verbindlich von den Regeln ihrer Religion vorgegeben. Das Befolgen dieser Bekleidungsregel ist für sie Ausdruck ihres religiösen Bekenntnisses. Die der Klägerin auferlegte Pflicht, das Bekenntnis zu ihrem Glauben nicht durch das Befolgen von religiös begründeten Bekleidungsregeln sichtbar werden zu lassen, greift in ihre durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verbürgte individuelle Glaubensfreiheit ein(vgl. BVerfG 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 108, 282). Art. 4 GG garantiert in Abs. 1 die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, in Abs. 2 das Recht der ungestörten Religionsausübung. Beide Absätze des Art. 4 GG enthalten ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten. Dazu gehört auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln (BVerfG 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - zu B II 2 der Gründe, aaO). Eine Verpflichtung, während der Arbeitszeit auf das Tragen eines Kopftuchs oder einer diesem entsprechenden Kopfbedeckung zu verzichten, führt für die Klägerin zu einem ernsthaften Glaubenskonflikt, indem sie die Klägerin vor die Wahl stellt, entweder ihre Tätigkeit bei der Beklagten auszuüben oder dem von ihr als verbindlich angesehenen religiösen Bekleidungsgebot Folge zu leisten.

50

bb) Eine Obliegenheit, das Tragen der von der Klägerin gewünschten Kopfbedeckung zu tolerieren, schränkte die Beklagte - vorausgesetzt, es handelte sich bei ihr um eine kirchliche Einrichtung - in ihrem durch Art. 140 GG, Art. 137 WRV garantierten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht ein, indem aus der Eigenart des kirchlichen Dienstes resultierende, vertraglich vereinbarte Anforderungen an die Aufgabenerfüllung durch die Klägerin gegenüber deren Glaubensfreiheit zurücktreten müssten. Werden - wie hier - Loyalitätsanforderungen in einem Arbeitsvertrag festgelegt, nimmt der kirchliche Arbeitgeber nicht nur die allgemeine Vertragsfreiheit für sich in Anspruch, er macht zugleich von seinem verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - BVerfGE 70, 138; BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 23, BAGE 139, 144; 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90).

51

(1) Der Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts erfasst die individualrechtliche wie die kollektivrechtliche Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen der in kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer. Nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die in Verfolgung der vom kirchlichen Grundauftrag her bestimmten Aufgaben unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstverständnisses zu treffen sind (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 94, 95 mwN, BAGE 143, 354). Zu den eigenen Angelegenheiten der Religionsgesellschaften gehört, dass diese der Gestaltung des kirchlichen Dienstes auch dann, wenn sie ihn auf der Grundlage von Arbeitsverträgen regeln, das Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft ihrer Mitarbeiter zugrunde legen können (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt deren Zugehörigkeit zu den „eigenen Angelegenheiten“ der Kirche nicht auf. Sie darf deshalb die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes nicht in Frage stellen. Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts bleibt daher für die Gestaltung dieser Arbeitsverhältnisse wesentlich (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 94, 95 mwN, BAGE 143, 354).

52

(2) Im Streitfall haben die Gerichte für Arbeitssachen die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten zugrunde zu legen, soweit die Verfassung das Recht der Kirchen anerkennt, hierüber selbst zu befinden.

53

(a) Es kommt weder auf die Auffassung der einzelnen betroffenen kirchlichen Einrichtungen, bei denen die Meinungsbildung von verschiedensten Motiven beeinflusst sein kann, noch auf diejenige breiter Kreise unter den Kirchengliedern oder etwa einzelner bestimmten Tendenzen verbundener Mitarbeiter an (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138).

54

(b) Es bleibt grundsätzlich den verfassten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was „die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert“, was „spezifisch kirchliche Aufgaben“ sind, was „Nähe“ zu ihnen bedeutet, welches die „wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre“ sind und was als Verstoß gegen diese anzusehen ist. Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine „Abstufung“ der Loyalitätspflichten eingreifen soll, ist grundsätzlich eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die staatlichen Gerichte sind an die kirchliche Einschätzung arbeitsvertraglicher Loyalitätspflichten gebunden, es sei denn, sie begäben sich dadurch in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), im Begriff der „guten Sitten“ (§ 138 Abs. 1 BGB) und im ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben. Die Gerichte haben jedoch sicherzustellen, dass die kirchlichen Einrichtungen nicht in Einzelfällen unannehmbare Anforderungen an die Loyalität ihrer Arbeitnehmer stellen (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90).

55

(3) Die Beklagte hat sich an den nach den Maßstäben der verfassten Kirche den nichtchristlichen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung auferlegten Neutralitäts- und Loyalitätspflichten orientiert. Sie leitet die Berechtigung, die von der Klägerin unter dem Vorbehalt des Tragens eines Kopftuchs angebotene Leistung ablehnen zu dürfen, aus dem für nichtchristliche Mitarbeiter nach § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD iVm. § 2 Abs. 1 RL-EKD geltenden Neutralitätsgebot ab.

56

cc) Unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls wäre den Interessen der Beklagten - handelte es sich um eine kirchliche Einrichtung - gegenüber denen der Klägerin Vorrang einzuräumen. Der Senat folgt insoweit der zutreffenden Begründung des Landesarbeitsgerichts:

57

(1) Bei der Abwägung der Grundrechte der Klägerin mit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht der Beklagten - unterstellt es handelt sich bei ihr um eine der Evangelischen Kirche zugeordnete Einrichtung - ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in die Obliegenheit, die an sie gestellten Loyalitätserwartungen im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung zu erfüllen, bei Begründung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten eingewilligt hat (vgl. dazu EGMR 23. September 2010 - 1620/03 - [Schüth] Rn. 71; 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 46; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 32, BAGE 145, 90). Sie hat diesen Erwartungen bei Vertragsschluss zugestimmt und sich ihnen in diesem Sinne freiwillig unterworfen. Zwar liegt darin kein Verzicht auf eine zukünftig andere Ausübung ihrer Glaubensfreiheit. Religiöse Überzeugungen und Gewissenseinstellungen können sich ändern. Auch dies ist von der verfassungsrechtlich gewährleisteten Glaubensfreiheit umfasst. Die arbeitsvertragliche Anerkennung der Loyalitäts- und Neutralitätserwartungen der Beklagten durch die Klägerin, führt aber dazu, dass der nunmehr anderen Ausübung ihrer Glaubensfreiheit in Gestalt des jetzt - anders als zu Beginn des Arbeitsverhältnisses - von ihr als verbindlich angesehenen religiösen Gebots, ein Kopftuch zu tragen, zumindest kein höheres Gewicht als dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zukommt (vgl. BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 32, BAGE 145, 90). Während die Loyalitätserwartungen der Beklagten unverändert geblieben sind, hat sich die Bereitschaft der Klägerin, ihnen zu entsprechen, gewandelt. Der Konflikt zwischen den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen ist deshalb in ihrer Sphäre begründet.

58

(2) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass sie durch den ihr abverlangten Verzicht auf eine ihren Glaubensregeln entsprechende Kopfbedeckung in einen ernsten Glaubenskonflikt gebracht wird. Andererseits ist zu beachten, wird der Kernbereich der Glaubensfreiheit der Klägerin hierdurch nicht betroffen: Ihre Glaubensfreiheit ist nur funktional, zeitlich und räumlich, nämlich bei der Ausübung ihrer beruflichen Aufgaben eingeschränkt. Die Klägerin wird während ihrer Arbeitszeit als eine Muslima, die kein Kopftuch trägt, nur von einem eingeschränkten Personenkreis wahrgenommen. Sie verrichtet ihre Tätigkeit als Krankenschwester nicht vor den Augen einer breiten Öffentlichkeit und muss sich ohne Kopftuch nur den Arbeitskollegen und Patienten und ggf. auch Besuchern zeigen. Sie kann außerhalb der Arbeitszeit in ihrem privaten Umfeld und auch auf dem Hin- und Rückweg zur Arbeitsstelle uneingeschränkt den Bekleidungsgeboten ihres Glaubens folgen und ein Kopftuch tragen. Indem ihr dies nur während der Arbeitszeit untersagt ist, werden ihr keine unannehmbaren Loyalitätspflichten auferlegt.

59

(3) Unterstellt, das von der Beklagten betriebene Krankenhaus sei der Evangelischen Kirche zugeordnet, ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie, dürfte die Klägerin bei der Arbeit eine religiös motivierte Kopfbedeckung tragen, innerhalb ihrer Einrichtung Glaubensäußerungen zugunsten einer anderer Religion hinnehmen müsste. Zugleich hätte sie eine Verletzung der Pflicht zu einem neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche, als sich aus § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD ergebender Mindestanforderung an die Aufgabenerfüllung durch nichtchristliche Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst, zu akzeptieren.

60

(a) Dabei fiele besonders ins Gewicht, dass die Klägerin in ihrer Funktion als Krankenschwester in direktem und ständigem Kontakt zu den in der Einrichtung der Beklagten behandelten Patienten und zu anderen Arbeitnehmern steht. Die Glaubensbekundung der Klägerin für den Islam würde von diesen unmittelbar als solche wahrgenommen.

61

(b) Die Beklagte müsste, würde sie Glaubensbekundungen der Klägerin tolerieren, zudem damit rechnen, dass andere nichtchristliche Mitarbeiter ebenso während der Arbeitszeit Glaubensbekundungen zugunsten der Religionsgemeinschaft, der sie jeweils angehören, tätigen würden. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Verkündigungsauftrag der Kirche und deren Glaubwürdigkeit könnten hierdurch ernsthaft gefährdet werden. Außenstehende könnten den Eindruck gewinnen, die Kirche halte Glaubenswahrheiten für beliebig austauschbar. Zwänge man der Beklagten auf, dies innerhalb ihrer Einrichtung hinzunehmen, wäre das kirchliche Selbstbestimmungsrecht im Kernbereich beeinträchtigt.

62

(c) Die Beklagte muss sich nicht entgegenhalten lassen, ein kirchlicher Arbeitgeber habe sich mit der Entscheidung, auch nichtchristliche Mitarbeiter einzustellen, bereits für eine Form von religiösem Pluralismus geöffnet. Durch die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Präambel des BAT-KF und die RL-EKD hat die Beklagte vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass auch von nichtchristlichen Mitarbeitern erwartet werde, den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen, wie es § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD entspricht.

63

(d) Zu einer anderen Beurteilung führt nicht, dass die Klägerin an sich in der Lage wäre, die dem allgemeinen Berufsbild einer Krankenschwester entsprechenden Tätigkeiten ohne Beeinträchtigungen des Arbeitsablaufs auch kopftuchtragend zu verrichten. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung kann die Eigenart der Aufgabenerfüllung durch nichtchristliche Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, nach dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD zum Ausdruck kommenden theologischen Selbstverständnis, mit der Arbeitsleistung werde ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt verwirklicht, nicht außer Acht gelassen werden.

64

(e) Für das Ergebnis der Interessenabwägung kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin Ende 2005, während eines kurzen Zeitraums vor ihrem Erziehungsurlaub, die Arbeit kopftuchtragend verrichtet hat. Selbst wenn dies von der Pflegedienstleitung der Beklagten hingenommen worden sein sollte, könnte hieraus nicht geschlossen werden, die Beklagte bzw. insoweit vertretungsberechtigte Personen hätten dauerhaft auf die Einhaltung des Neutralitätsgebots verzichtet.

65

(4) Die der Klägerin auferlegte Pflicht, das Tragen eines Kopftuchs oder einer vergleichbaren, ihren Glaubensgeboten entsprechenden Kopfbedeckung während der Arbeitszeit zu unterlassen, wäre nicht unverhältnismäßig. Die Unterlassungspflicht wäre zur Gewährleistung des aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht resultierenden Neutralitätsgebots geeignet, erforderlich und angemessen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, wie sie dem Neutralitätsgebot in einer anderen, sie weniger belastenden Art und Weise entsprechen könnte.

66

3. Dem Abwägungsergebnis stünden die Vorschriften des AGG (§ 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Abs. 1 und Abs. 2) nicht entgegen.

67

Nach § 7 Abs. 2 AGG führt ein Verstoß von Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG verstoßen, zur Unwirksamkeit der betreffenden Regelung. Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, dass es anderen Arbeitnehmern der Beklagten gestattet sei, Kopfbedeckungen während der Arbeitszeit zu tragen, soweit dies nicht in besonderen Bereichen aus Gründen des Arbeitsschutzes und der Krankenhaushygiene geboten ist. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Klägerin durch die aus dem Arbeitsvertrag der Parteien resultierende Verpflichtung, das Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen und auch keine entsprechende andere Kopfbedeckung zu tragen, wegen ihrer Religion benachteiligt würde, denn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot schiede nach § 9 Abs. 2 AGG aus. Nach dieser Vorschrift berührt das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion nicht das Recht der Religionsgemeinschaften, von ihren Beschäftigten ein loyales Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können. Weitergehende Verpflichtungen werden der Klägerin mit dem aus § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD resultierenden Neutralitätsgebot nicht auferlegt.

68

4. Auch das Grundrecht der Klägerin auf Religionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 EMRK wäre nicht verletzt.

69

a) Art. 9 EMRK gewährleistet die Religionsfreiheit nicht schrankenlos, vielmehr sind ausdrücklich Einschränkungen in Abs. 2 der Vorschrift vorgesehen. Eine Einschränkung der Religionsfreiheit kommt insbesondere im Hinblick auf die Rechte und Freiheiten anderer in Betracht (EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 38 f.). Insoweit hat eine Abwägung zwischen den Rechten des Arbeitnehmers und denen des kirchlichen Arbeitgebers unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts stattzufinden (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 43). Nach der Rechtsprechung des EGMR, deren Beachtung verfassungsrechtlich geboten ist, soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist (BVerfG 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307; 4. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08 ua. - Rn. 93 f. mwN, BVerfGE 128, 326; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 27, BAGE 145, 90), ist zu berücksichtigen, dass die Religionsgemeinschaften traditionell und weltweit in Form organisierter Strukturen existieren (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 44 und - 1620/03 - [Schüth] Rn. 58; 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 41). Vor diesem Hintergrund ist, wenn die Organisation einer solchen Gemeinschaft in Rede steht, Art. 9 EMRK im Lichte von Art. 11 EMRK auszulegen, der die Vereinigungsfreiheit vor jeglichem ungerechtfertigten staatlichen Eingriff schützt. Ihre für den Pluralismus in einer demokratischen Gesellschaft unverzichtbare Autonomie gehört zum Kernbestand des Schutzes, den Art. 9 EMRK vermittelt. Das Recht auf Religionsfreiheit im Sinne der Konvention ist - außer in extremen Ausnahmefällen - jeglicher Beurteilung seitens des Staates im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des religiösen Bekenntnisses oder der Art und Weise, in der es zum Ausdruck gebracht wird, entzogen (EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 41). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist es nicht zu beanstanden, wenn der Kirche das Recht zuerkannt wird, ihren Beschäftigen Loyalitätspflichten aufzuerlegen, sofern diese nicht unannehmbar sind (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 49; 23. September 2010 - 1620/03 - [Schüth] Rn. 69).

70

b) Hiervon ausgehend wären - unterstellt, es handelte sich bei der Beklagten um eine kirchliche Einrichtung - das arbeitsvertragliche Neutralitätsgebot und hieraus resultierend, das Verbot während der Arbeitszeit ein islamisches Kopftuch oder eine vergleichbare Kopfbedeckung zu tragen, mit Art. 9 Abs. 1 EMRK vereinbar. Der Klägerin werden hierdurch keine unannehmbaren Loyalitätspflichten auferlegt. Das Verbot ist nicht unverhältnismäßig. Unter Berücksichtigung der Tätigkeit der Klägerin könnte auf andere Weise das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, von dem der kirchliche Arbeitgeber mit der Festlegung von Loyalitätspflichten im Arbeitsverhältnis Gebrauch macht (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - BVerfGE 70, 138; BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 23, BAGE 139, 144; 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90), nicht gewahrt werden.

71

5. Etwas anderes würde gelten, gelänge es der Beklagten nicht, nachzuweisen, dass sie dem Schutzbereich von Art. 140 GG, Art. 137 WRV unterfällt. In diesem Fall würden die Interessen der Klägerin überwiegen. Die Beklagte könnte sich dann gegenüber der durch Art. 4 GG gewährleisteten Glaubensfreiheit der Klägerin, trotz der Verweisung auf die RL-EKD im Arbeitsvertrag, nur auf Art. 12 GG stützen(vgl. BAG 10. Oktober 2002 2 AZR 472/01 - BAGE 103, 111; 24. Februar 2011 2 AZR 636/09 - BAGE 137, 164; vgl. hierzu auch den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 30. Juli 2003 - 1 BvR 792/03 - Rn. 17, 18, 24). Das Tragen eines Kopftuchs wäre in diesem Fall von der Beklagten hinzunehmen, denn sie hat nicht dargelegt, dass ein Verzicht auf eine Kopfbedeckung, wie sie von der Klägerin gewünscht wird, aus betrieblichen - zB hygienischen - Gründen geboten wäre und andernfalls betriebliche Störungen zu befürchten seien. Die Voraussetzungen für eine wirksame Dienstvereinbarung lägen nicht vor, handelte es sich bei der Beklagten nicht um eine kirchliche Einrichtung. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob mit der Dienstvereinbarung, soweit sie das Tragen eines Kopftuchs untersagt, Arbeitsverhalten oder Ordnungsverhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter iSv. § 40k MVG.EKD geregelt wird (zur Abgrenzung im Bereich des BetrVG, vgl. BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - Rn. 9, 11, BAGE 121, 147; 17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10 - Rn. 22, BAGE 140, 223) und, ob die Dienstvereinbarung überhaupt gegenüber der Klägerin zwingende Wirkung entfalten kann (vgl. hierzu BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 19; Schaub/Linck Arbeitsrechtshandbuch 15. Aufl. § 185 Rn. 17).

72

6. Ob die Einrichtung der Beklagten der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist, vermag der Senat auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entscheiden.

73

a) Unmittelbare Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts sind die Religionsgemeinschaften iSd. Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV. Die diesen zugeordneten Einrichtungen leiten dieses Recht von ihnen ab, sie sind selbst Teil der Kirche (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 22 mwN, BAGE 125, 100; 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 57, BAGE 143, 354).

74

aa) Der Anwendungsbereich von Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV erstreckt sich auf alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn die Einrichtung nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihren Aufgaben entsprechend berufen ist, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen. Die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Kirche im Staat erlaubt es ihr, sich zur Erfüllung ihres Auftrags auch der Organisationsformen des staatlichen Rechts zu bedienen. Die Zugehörigkeit der auf dieser Rechtsgrundlage begründeten Einrichtungen zur Kirche wird hierdurch nicht aufgehoben (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 30, BAGE 125, 100).

75

(1) Für die Zuordnung einer rechtlich selbständigen Einrichtung zur Kirche ist es allerdings nicht ausreichend, wenn die Einrichtung ihrem Zweck nach auf die Verwirklichung eines kirchlichen Auftrags gerichtet ist. Sie setzt eine institutionelle Verbindung zwischen der Kirche und der Einrichtung voraus, aufgrund derer die Kirche über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit kirchlichen Vorstellungen gewährleisten zu können. Dabei bedarf der ordnende Einfluss der Kirche zwar keiner satzungsmäßigen Absicherung. Die Kirche muss aber in der Lage sein, einen etwaigen Dissens in religiösen Angelegenheiten zwischen ihr und der Einrichtung zu unterbinden (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 31 f., BAGE 125, 100; 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 48, BAGE 143, 354).

76

(2) Die den Religionsgemeinschaften durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV verliehene Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsgarantie hat nicht zur Folge, dass die Zuordnung einer Einrichtung zu einer Religionsgemeinschaft einer Kontrolle durch die Gerichte für Arbeitssachen entzogen ist. Diese haben in einer zweistufigen Prüfung darüber zu befinden, ob überhaupt eine verwaltungsmäßige Verflechtung zwischen der Kirche und der Einrichtung besteht und ob die Kirche aufgrund dieser Verbindung über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit ihren Vorstellungen gewährleisten zu können. Grundlage für die Beurteilung der Zuordnung ist die in den Statuten festgeschriebene Zweckbestimmung und die Struktur der Einrichtung (vgl. BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 33 f., BAGE 125, 100).

77

b) Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen ermöglichen es nicht, anhand der genannten Kriterien zu beurteilen, ob die Beklagte eine kirchliche Einrichtung ist. Dem Tatbestand der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist lediglich zu entnehmen, bei der Beklagten handele es sich um eine Krankenanstalt unter konfessioneller Trägerschaft der Evangelischen Kirche. Nach dem Vortrag der Parteien ist „Trägerin“ der Beklagten die „Evangelische Stiftung A“. Tatsachen, die es ermöglichten zu beurteilen, ob zwischen der Kirche und der Beklagten - unmittelbar oder vermittelt durch die Stiftung - eine institutionelle Verbindung im oben genannten Sinne besteht, sind nicht festgestellt und können dem unstreitigen Parteivorbringen nicht entnommen werden. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen über den Inhalt des Gesellschaftsvertrags der Beklagten, die Bestellung, Abberufung und Entlastung ihrer Geschäftsführung sowie ggf. deren Überwachung durch die Evangelische Stiftung A als (wohl) einziger Gesellschafterin getroffen und - gemessen an den oben dargelegten Kriterien - zur Zuordnung der Stiftung zur Evangelischen Kirche. Als der Partei, die sich zu ihren Gunsten auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht beruft, obliegt es der Beklagten, dies darzulegen und ggf. zu beweisen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Dittrich     

        

    Dombrowsky     

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt. Das Gleiche gilt, wenn der Handlung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Handlung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt.

Der Gläubiger kommt nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 12. Februar 2016 - 12 Sa 2/15 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 6. Mai 2011 bis zum 30. September 2014.

2

Der 1966 geborene Kläger ist verheiratet und als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er war seit dem 1. August 2008 bei der Beklagten, einem Unternehmen des Gebäudereiniger-Handwerks, als Wagenschieber im Objekt METRO M beschäftigt. Bei einer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 26 Stunden verdiente er 1.000,00 Euro brutto monatlich.

3

Grundlage des Arbeitsverhältnisses war zuletzt der Formulararbeitsvertrag vom 3. Januar 2011, in dem es ua. heißt:

        

„1. Beginn, Ende und Inhalt des befristeten Arbeitsverhältnisses

        

1.1 Der/die Arbeitnehmer/in wird ab dem 01.01.2011 (Vertragsbeginn) befristet bis zum 30.06.2011 (Vertragsende) als Wagenschieber ausschließlich für eine Tätigkeit im Objekt METRO M eingestellt. Eine Versetzung in ein anderes Objekt ist ausgeschlossen. (…)

        

…       

        

9. Sonstige Bestimmungen

        

…       

        

9.3 Auf das Beschäftigungsverhältnis findet der Rahmentarifvertrag für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung in der jeweiligen Fassung Anwendung. Im Übrigen gelten die Tarifverträge in der Gebäudereinigung nur und solange sie für allgemeinverbindlich erklärt sind.“

4

Der Vorarbeiter C teilte dem Kläger am 5. Mai 2011 mündlich mit, die Beklagte werde das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen, er brauche am nächsten Tag nicht mehr zur Arbeit erscheinen. Gleichwohl trat der Kläger am frühen Morgen des Folgetags die Arbeit an, wobei es zu einer - im Einzelnen zwischen den Parteien streitig gebliebenen - lautstarken Auseinandersetzung zwischen dem Betriebsleiter der METRO M und dem Kläger kam. Im Verlaufe dieser Auseinandersetzung soll der Kläger den Betriebsleiter beleidigt und dieser dem Kläger ein Hausverbot erteilt haben. Dieses soll noch am selben Tag von der METRO schriftlich an den Kläger wie folgt gefasst worden sein:

        

„…    

        

HAUSVERBOT

                 

Sehr geehrter Herr A,

                 

anlässlich des heutigen Vorfalls, sehen wir uns veranlasst, Ihnen mit sofortiger Wirkung ein Hausverbot bezogen auf sämtliche Gebäude sowie Gelände (inklusive Parkplätze) aller Standorte der Vertriebsmarken Metro zu erteilen.

                 

Bei Zuwiderhandlung behalten wir uns vor, ohne weitere Vorankündigung Strafantrag gemäß § 123 StGB (Hausfriedensbruch) zu stellen.

        

…“    

        
5

Ebenfalls am 6. Mai 2011 erhielt der Kläger ein Kündigungsschreiben der Beklagten vom 5. Mai 2011, mit dem das Arbeitsverhältnis - mit Zustimmung des Integrationsamts - fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin gekündigt wurde. Am 7. Mai 2011 bot der Kläger im Objekt seine Arbeitsleistung an, wurde jedoch nicht beschäftigt.

6

Gegen die Kündigung erhob der Kläger erfolgreich Kündigungsschutz- und Befristungskontrollklage.

7

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut fristlos. Die dagegen vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage war erfolgreich. Zugleich verurteilte das Arbeitsgericht die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Wagenschieber im Objekt METRO M. Der Versuch des Klägers, den Weiterbeschäftigungstitel zu vollstrecken, blieb vor dem Landesarbeitsgericht erfolglos. Ein Zwangsgeld könne nicht verhängt werden, weil die ausgeurteilte Beschäftigung nicht allein vom Willen der Beklagten abhänge.

8

Wie schon zuvor erhielt der Kläger auch im Streitzeitraum in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Unter dem 6. Februar 2015 schlossen der Kläger und das Jobcenter M einen „Rückübertragungs- und Abtretungsvertrag“, in dem es ua. heißt:

        

㤠1

        

Wegen der bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sind die Lohnansprüche des Leistungsempfängers gegen Firma R, vertr. d. d. Alleingeschäftsführer D, auf die Leistungsträger in Höhe der bewilligten Leistungen gesetzlich übergegangen. Die Höhe der Leistungen ist den entsprechenden Leistungsbescheiden zu entnehmen. Hiermit werden ab 06.05.2011 bis 31.05.2015 übergegangene und noch eingehende Lohnansprüche zur gerichtlichen Geltendmachung einvernehmlich zurück übertragen (§ 33 Abs. 4 SGB II).

        

§ 2

        

Der Leistungsempfänger hat den Anspruch in eigenem Namen zu verfolgen. Die in dem Rechtsstreit erwirkten vollstreckbaren Titel sind sodann von ihm durchzusetzen. Darauf geleistete Lohnzahlungen sind unverzüglich anzuzeigen.

        

§ 3

        

Die aus dem Rechtsstreit erhaltenen Zahlungen außerhalb eines Zwangsvollstreckungsverfahrens sind in Höhe des nach § 1 rückübertragenen Anspruches an die Leistungsträger weiterzuleiten.

        

Lässt sich der Leistungsempfänger bei der Wahrnehmung seiner Interessen vertreten, hat er den Vertreter (Rechtsanwalt) zu bevollmächtigen, diese Zahlungen einzubehalten und unmittelbar an die Leistungsträger weiterzuleiten.

        

Betreibt der Leistungsempfänger die Zwangsvollstreckung, tritt er hiermit seinen Auszahlungsanspruch gegenüber dem Gerichtsvollzieher an die Leistungsträger ab.

        

…       

        

§ 5

        

Für die gerichtliche Geltendmachung ist Prozesskostenhilfe zu beantragen. Kosten, mit denen der Leistungsempfänger durch die Rückübertragung selbst belastet wird und die nicht durch Prozesskostenhilfe abgedeckt sind, werden von den Leistungsträgern übernommen.“

9

Mit mehreren Klageerweiterungen im Kündigungsschutzprozess hat der Kläger zuletzt Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 6. Mai 2011 bis zum 30. September 2014 verlangt. Er hat geltend gemacht, die Beklagte habe sich aufgrund ihrer unwirksamen Kündigungen im Annahmeverzug befunden. Ein Hausverbot sei ihm nicht erteilt worden.

10

Der Kläger hat - nachdem er erstinstanzlich erfolgreich Zahlung an sich verlangt hatte - in der Berufungsverhandlung sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, 40.833,37 Euro brutto an das Jobcenter M nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter Staffelung zu zahlen.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, sie habe sich nicht im Annahmeverzug befunden, weil der Kläger aufgrund des Hausverbots des Kunden die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht hätte erbringen können.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten - mit der vom Kläger beantragten Maßgabe einer Zahlung an das Jobcenter M - im Wesentlichen zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision mit der Maßgabe, die ausgeurteilte Bruttovergütung an ihn zu zahlen.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Vergütung wegen Annahmeverzugs nicht. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht.

14

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO(vgl. BAG 23. März 2016 - 5 AZR 758/13 - Rn. 21). Streitgegenstand ist ein bestimmter Eurobetrag, den der Kläger als Bruttovergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs für die Zeit vom 6. Mai 2011 bis zum 30. September 2014 begehrt.

15

II. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Klage begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.

16

1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger dem Grunde nach Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB hat, wenn ihm - wie er behauptet - vom Kunden, bei dem er vor Ausspruch der Kündigungen eingesetzt war, ein Hausverbot nicht erteilt wurde.

17

a) Die Beklagte befand sich am 6. Mai 2011 aufgrund der vom Vorarbeiter am Vortag erklärten Freistellung für diesen Tag, im übrigen Streitzeitraum in Folge ihrer unwirksamen Kündigungen vom 5. Mai und 11. Oktober 2011 im Annahmeverzug, ohne dass es eines tatsächlichen Angebots der Arbeitsleistung bedurft hätte (st. Rspr., vgl. BAG 21. Oktober 2015 - 5 AZR 843/14 - Rn. 19, BAGE 153, 85; 18. November 2015 - 5 AZR 814/14 - Rn. 50, jeweils mwN). Darüber hinaus hat der Kläger nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts am 6. Mai 2011 trotz Freistellung die Arbeit angetreten und am 7. Mai 2011 seine Arbeitskraft tatsächlich angeboten.

18

b) Die Höhe der für den Streitzeitraum errechneten Vergütung wegen Annahmeverzugs hat die Beklagte außer Streit gestellt. Gegen die Annahmen des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe mit den Kündigungsschutzklagen die in § 22 Rahmentarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk (RTV) vorgesehene Frist zur gerichtlichen Geltendmachung gewahrt(sh. BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 14 ff., BAGE 143, 119, seither st. Rspr.), und die Forderung sei nicht verjährt, hat die Revision ausdrücklich keine Angriffe erhoben.

19

2. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht offengelassen, ob dem Kläger - wie von der Beklagten unter Beweisantritt vorgetragen - vom Kunden am 6. Mai 2011 Hausverbot erteilt wurde und gemeint, in einem solchen Falle folge ein Anspruch des Klägers auf Vergütung wegen Annahmeverzugs aus der entsprechenden Anwendung des § 615 Satz 3 BGB.

20

a) Das Hausverbot eines Kunden ist keiner der Fälle, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls nach § 615 Satz 3 BGB zu tragen hat. Die Norm meint das von der Rechtsprechung entwickelte Betriebsrisiko (ErfK/Preis 16. Aufl. § 615 BGB Rn. 122; HWK/Krause 7. Aufl. § 615 BGB Rn. 115; MüKoBGB/Henssler 6. Aufl. § 615 Rn. 90; BT-Drs. 14/6857 S. 48). Dies ist das Risiko des Arbeitgebers, seinen Betrieb betreiben zu können (dazu im Einzelnen BAG 23. September 2015 - 5 AZR 146/14 - Rn. 22, BAGE 152, 327; 18. November 2015 - 5 AZR 814/14 - Rn. 52, jeweils mwN). Kann ein Arbeitnehmer wegen des Hausverbots eines Kunden die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen, beruht dies nicht auf betriebstechnischen Umständen, wie etwa dem Ausfall von Produktionsmitteln oder einem von außen auf den Betrieb einwirkenden Geschehen („höhere Gewalt“), das die Beschäftigung der Belegschaft oder Teile davon unmöglich macht (aA Schmiegel/Robrecht FS Löwisch S. 355, 363).

21

b) § 615 Satz 3 BGB ist eine gesetzlich angeordnete Analogie, mit der - abweichend von §§ 275, 326 Abs. 1 BGB - bei einem Umstand, der dem Betriebsrisiko unterfällt, § 615 Satz 1 und Satz 2 BGB entsprechende Anwendung finden. Für die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene weitere entsprechende Anwendung der Norm fehlt es an einer Regelungslücke. Nimmt der Arbeitgeber, ohne dass ihn betriebstechnische Umstände daran hindern, die vom Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung nicht an, bestimmt sich die Rechtsfolge nach § 615 Satz 1 iVm. §§ 293 ff. BGB. Liegt ein Fall des Unvermögens des Arbeitnehmers iSd. § 297 BGB vor, regelt § 326 BGB, ob der Vergütungsanspruch entfällt(Abs. 1) oder aufrechterhalten bleibt (Abs. 2 Satz 1).

22

3. Annahmeverzug der Beklagten scheidet aus, wenn der Kunde, bei dem der Kläger eingesetzt war (und bei dem er nach Ziff. 1.1 Arbeitsvertrag allein eingesetzt werden durfte) am 6. Mai 2011 dem Kläger für das Einsatzobjekt ein durch sein Verhalten veranlasstes Hausverbot erteilt hat.

23

a) Unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen kommt der Arbeitgeber nach § 297 BGB nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Die Leistungsfähigkeit ist - neben dem Leistungswillen - eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss. Unerheblich ist dabei die Ursache für die Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Das Unvermögen kann auf tatsächlichen Umständen (wie zB Arbeitsunfähigkeit) beruhen oder ihre Ursache im Rechtlichen haben, etwa wenn ein gesetzliches Beschäftigungsverbot besteht oder eine erforderliche Erlaubnis für das Ausüben der geschuldeten Tätigkeit fehlt (st. Rspr., vgl. nur BAG 21. Oktober 2015 - 5 AZR 843/14 - Rn. 27 f. mwN, BAGE 153, 85).

24

Kann dagegen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nur deshalb nicht einsetzen, weil er dem Kunden vertraglich ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Arbeitnehmer eingeräumt hat, und widersetzt sich der Kunde dem Einsatz eines bestimmten Arbeitnehmers, begründet das grundsätzlich kein Unvermögen dieses Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Bei einem solchen „Einsatzverbot“ scheidet Annahmeverzug des Arbeitgebers erst aus, wenn ihm nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Arbeitslebens die Annahme der Arbeitsleistung unzumutbar ist (BAG 21. Oktober 2015 - 5 AZR 843/14 - Rn. 33 f., BAGE 153, 85).

25

b) Nach diesen Grundsätzen bedingte ein an den Kläger gerichtetes, aus seiner Sphäre resultierendes Hausverbot des Kunden Unvermögen iSd. § 297 BGB(vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1060/06 - Rn. 18; HWK/Krause 7. Aufl. § 615 BGB Rn. 55; Schaub/Linck ArbR-Hdb 16. Aufl. § 95 Rn. 44). Ein solches wäre nicht lediglich eine Aufforderung an die Beklagte, den Kläger nicht mehr wie bisher einzusetzen. Ein Hausverbot bringt vielmehr den einem Betreten des geschützten Raums entgegenstehenden Willen des Hausrechtsinhabers zum Ausdruck (Fischer StGB 63. Aufl. § 123 Rn. 19 f.). Damit wäre der Kläger, wollte er sich nicht strafbar machen (zur strafrechtlichen Beachtlichkeit auch des mit Rechtsmitteln angegriffenen Hausverbots sh. BGH 8. Oktober 1981 - 3 StR 449/80 -, - 3 StR 450/80 - zu II 4 a aa der Gründe; Fischer aaO Rn. 21 mwN), aufgrund des ihm erteilten Hausverbots wenn nicht tatsächlich, so doch rechtlich gehindert, an die Arbeitsstelle zu gelangen und die dort geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Weil nach § 294 BGB die Leistung so angeboten werden muss, wie sie zu bewirken ist, also am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend dem Inhalt des Schuldverhältnisses(BAG 24. September 2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 37, BAGE 149, 144), liegt Unvermögen iSd. § 297 BGB auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer an sich arbeitsfähig ist, aber nicht an den Arbeitsplatz gelangen kann.

26

c) Ob Unvermögen ausscheidet, wenn es dem Arbeitgeber möglich und zumutbar ist, den Arbeitnehmer auf einem anderen zur Verfügung stehenden Arbeitsplatz einzusetzen (so BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1060/06 - Rn. 18 mwN) oder in einem solchen Falle nur ein Schadensersatzanspruch in Betracht käme, wenn der Arbeitgeber schuldhaft sein Direktionsrecht nicht neu ausübt (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 25 ff., BAGE 134, 296), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn eine andere Tätigkeit als im Objekt METRO M ist arbeitsvertraglich nicht vereinbart, noch hat sich der Kläger auf eine andere Beschäftigungsmöglichkeit berufen.

27

d) Das durch ein Hausverbot begründete Unvermögen des betroffenen Arbeitnehmers entsteht unabhängig davon, ob der Kunde dabei vertragliche Rücksichtnahmepflichten verletzt.

28

aa) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jeder Teil eines Schuldverhältnisses zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet. Dies dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, BAGE 132, 72). Deshalb kann eine Pflicht zu leistungssichernden Maßnahmen bestehen, insbesondere wenn anderenfalls in Dauerschuldverhältnissen Unvermögen des Schuldners droht (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 26 mwN, BAGE 134, 296). Dabei können die Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB gemäß § 311 Abs. 3 Satz 1 BGB auch Personen treffen, die nicht selbst Vertragspartei sind.

29

bb) Daraus folgt:

30

Ein Unternehmer, der in seinem Betrieb anfallende Arbeiten an einen Dritten vergibt, hat - wie dies für die Leiharbeit ausdrücklich in § 11 Abs. 6 AÜG geregelt ist - nicht nur dafür Sorge zu tragen, dass die zu ihm entsandten Arbeitnehmer den Vorschriften des Arbeitsschutzrechts entsprechende Bedingungen vorfinden(vgl. dazu MüKoBGB/Henssler 6. Aufl. § 618 Rn. 25; HWK/Krause 7. Aufl. § 618 BGB Rn. 9 mwN). Er muss, behält er sich kein Mitspracherecht über die Auswahl der bei ihm eingesetzten Beschäftigten vor, deren Anwesenheit im Betrieb dulden und darf ihnen nicht ohne triftigen Grund durch Maßnahmen des Hausrechts die Erledigung der zugewiesenen Arbeiten unmöglich machen. Dabei wird ein Hausverbot die Rücksichtnahmepflicht regelmäßig nicht verletzen, wenn sich ein Arbeitnehmer gegenüber dem Kunden in einer Art und Weise fehl verhält, bei der im Arbeitsverhältnis ein verständiger Arbeitgeber ernsthaft eine Kündigung in Erwägung ziehen dürfte.

31

Verletzt der Kunde durch ein Hausverbot die ihm gegenüber einem in seinen Betrieb eingesetzten Arbeitnehmer des beauftragten Drittunternehmers obliegende Rücksichtnahmepflicht schuldhaft, hat dieser nach § 280 Abs. 1 BGB einen auf die entgangene Vergütung(§ 252 BGB) gerichteten Schadensersatzanspruch, der - gegebenenfalls hilfsweise - mit der Inanspruchnahme des Arbeitgebers gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG bei den Gerichten für Arbeitssachen anhängig gemacht werden kann.

32

4. Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts rechtfertigen nicht die Annahme, bei einem Hausverbot des Kunden hätte der Kläger den Vergütungsanspruch jedenfalls nach § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB behalten.

33

a) Fehlt es an den Voraussetzungen des Annahmeverzugs, weil ein Fall des § 297 BGB gegeben war, steht § 615 BGB der Anwendung von § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht entgegen (BAG 23. September 2015 - 5 AZR 146/14 - Rn. 26, BAGE 152, 327). Danach bleibt der Vergütungsanspruch erhalten, wenn der Arbeitgeber für die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers allein oder weit überwiegend verantwortlich ist, sie also iSd. §§ 276, 278 BGB allein oder weit überwiegend zu vertreten hat(BAG 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 - Rn. 29, BAGE 152, 213; 23. September 2015 - 5 AZR 146/14 - Rn. 28, aaO).

34

b) Für die Annahme, die Beklagte könne für ein Unvermögen des Klägers begründendes Hausverbot des Kunden allein oder weit überwiegend verantwortlich sein, hat der Kläger nichts vorgetragen.

35

Soweit das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang annimmt, die Beklagte habe mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags das Risiko übernommen, „dass die Auftraggeberin die Arbeitsleistung des Klägers nicht zulässt“, fehlen dafür ausreichende Anhaltspunkte. Eine vertragliche Übernahme des bei subjektiven Leistungshindernissen an sich den Arbeitnehmer treffenden Vergütungsrisikos durch den Arbeitgeber ist zwar möglich und besonders dann naheliegend, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Kenntnis des Leistungshindernisses einstellt (BAG 23. September 2015 - 5 AZR 146/14 - Rn. 32, BAGE 152, 327). Der Umstand, dass der Arbeitnehmer (nur) für eine bestimmte Tätigkeit in einem bestimmten Objekt an einem bestimmten Ort eingestellt wurde, kann vielfältige Gründe haben und auch im Interesse des Arbeitnehmers liegen. Er rechtfertigt allein nicht die Annahme, der Arbeitgeber wolle damit vertraglich das Vergütungsrisiko übernehmen für den Fall, dass der Kunde dem Arbeitnehmer ein aus dessen Sphäre resultierendes Hausverbot erteilt.

36

5. Auch für die Erwägung, bei einem Hausverbot könne die eingeklagte Vergütung dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zustehen, fehlt jeder Anhaltspunkt.

37

Zwar ist nach § 241 Abs. 2 BGB jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet, wozu auch leistungssichernde Maßnahmen gehören können (vgl. oben Rn. 28). Erteilt ein Kunde einem Arbeitnehmer Hausverbot, kann es im Rahmen der Mitwirkungspflicht geboten sein, dass der Arbeitgeber auf den Kunden einwirkt und - im Rahmen des im Einzelfall Zumutbaren - versucht, eine Aufhebung der Maßnahme zu erwirken. Dass die Beklagte eine solche Pflicht verletzt hätte, ergibt sich jedoch weder aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch dem Vorbringen des Klägers.

38

III. Kommt das Landesarbeitsgericht im erneuten Berufungsverfahren zu dem Ergebnis, der Kläger könne für den streitgegenständlichen Zeitraum Vergütung wegen Annahmeverzugs beanspruchen, wird es der Frage nachgehen müssen, in welcher Höhe der Kläger für die streitgegenständliche Forderung aktivlegitimiert ist.

39

1. Der Kläger hat im Streitzeitraum - wie auch zuvor - in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erhalten. Nach § 115 SGB X, der gemäß § 33 Abs. 5 SGB II der Regelung des Übergangs von Ansprüchen nach § 33 Abs. 1 SGB II vorgeht, hat ein Anspruchsübergang auf das Jobcenter M stattgefunden, soweit dieses wegen der Nichterfüllung des Anspruchs auf Arbeitsentgelt(zum Erfordernis der Kausalität, vgl. BAG 29. April 2015 - 5 AZR 756/13 - Rn. 8 ff., BAGE 151, 281) Grundsicherungsleistungen an die Bedarfsgemeinschaft (zum Anspruchsübergang nach § 115 SGB X bei Bedarfsgemeinschaften, vgl. BAG 21. März 2012 - 5 AZR 61/11 - BAGE 141, 95) erbracht hat. Es ist zwar bislang nicht ausdrücklich festgestellt, aber anzunehmen, dass sich infolge des Wegfalls des Arbeitseinkommens des Klägers die Grundsicherungsleistungen an die Bedarfsgemeinschaft im Streitzeitraum erhöhten.

40

Aufgrund des Rückübertragungs- und Abtretungsvertrags vom 6. Februar 2015, den der Kläger und das Jobcenter M gemäß § 33 Abs. 4 SGB II geschlossen haben, sind die übergegangenen Ansprüche im Wege einer privatrechtlichen Abtretung nach § 398 BGB auf den Kläger zurückübertragen worden, so dass er insoweit wieder Inhaber der streitgegenständlichen Forderung ist.

41

2. Der Kläger hat aber, wie sich aus den im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen und seiner Einlassung im Revisionsverfahren ergibt, nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte und Ablauf einer Sperrzeit auch Arbeitslosengeld I bezogen mit der Folge, dass in Höhe der bezogenen Leistung ein Anspruchsübergang nach § 115 SGB X auf die Bundesagentur für Arbeit erfolgt und der Kläger insoweit nicht aktivlegitimiert ist.

42

3. Sofern sich die Klage im erneuten Berufungsverfahren als begründet erweisen sollte, stehen dem Kläger auf den Hauptanspruch Zinsen zu, § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Soweit der Kläger zum Anspruchsübergang nach § 115 SGB X führende öffentlich-rechtliche Leistungen erhalten hat, sind diese ab dem Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses auszunehmen(BAG 19. März 2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 16, BAGE 126, 198; 29. April 2015 - 5 AZR 756/13 - Rn. 19, BAGE 151, 281).

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl     

        

    Volk     

        

        

        

    Buschmann     

        

    Feldmeier    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Februar 2010 - 8 Sa 1395/09 - aufgehoben, soweit es der Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 13. Mai 2009 - 6 Ca 2276/07 - stattgegeben hat, und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Annahmeverzugsansprüche für die Zeit vom 11. August bis zum 31. Dezember 2007.

2

Der Kläger war seit 1996 als Verpackungsentwickler bei der Beklagten zu einer Monatsvergütung von zuletzt 5.200,00 Euro brutto beschäftigt. Dem Kläger war ein Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen.

3

Mit Schreiben vom 15. Mai 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2006 wegen der Alkoholerkrankung des Klägers. Das Arbeitsgericht stellte mit Urteil vom 5. Juni 2007 die Unwirksamkeit der Kündigung fest und verurteilte die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers als Verpackungsentwickler zu unveränderten Bedingungen.

4

Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 24. Juli 2007 die Zwangsvollstreckung aus dem Weiterbeschäftigungstitel beantragt hatte, teilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 2. August 2007 mit:

        

„Sehr geehrter Herr H,

        

das Arbeitsgericht Bielefeld hat mit Urteil vom 5.6.2007 festgestellt, dass die von uns ausgesprochene Kündigung unwirksam ist. Gleichzeitig wurden wir verurteilt, Sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.

        

Sie haben inzwischen durch ihren Anwalt Vollstreckungsmaßnahmen angedroht.

        

Ausschließlich zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung sind wir bereit, Sie urteilsgemäß tatsächlich weiterzubeschäftigen. Die Weiterbeschäftigung erfolgt nur bis zum Tage der Entscheidung des LAG, da wir davon ausgehen, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bielefeld aufgehoben wird.

        

Die Vergütung erfolgt ausschließlich nach den arbeitsrechtlichen Regeln der erzwungenen Weiterbeschäftigung.

        

Wir fordern Sie hiermit auf, am 07.08.2007 um 10:00 Uhr bei Herrn Dr. S zu erscheinen. Er wird ihnen dann Ihren Arbeitsplatz zuweisen.“

5

Daraufhin erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom 6. August 2007 den Zwangsgeldantrag für erledigt. Mit Faxschreiben vom 7. August 2007 teilte er der Beklagten mit, er werde an diesem Tag nicht um 10:00 Uhr erscheinen, um sich seinen Arbeitsplatz zuweisen zu lassen. Mit Schriftsatz vom 20. August 2007 ließ er vortragen, er sei zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses arbeitswillig, aber - unstreitig - vom 2. bis zum 10. August 2007 arbeitsunfähig krank gewesen. Die Arbeit nahm er nicht auf.

6

Mit Schreiben vom 28. August 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich krankheitsbedingt zum 31. Dezember 2007. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage.

7

Das Landesarbeitsgericht wies durch Urteil vom 29. Januar 2008 die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags betreffend die Kündigung vom 15. Mai 2006 zurück und gab ihr hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags statt.

8

Das Arbeitsgericht stellte mit Teilurteil vom 21. Mai 2008 die Unwirksamkeit der Kündigung vom 28. August 2007 fest und verurteilte die Beklagte erneut zur vorläufigen Weiterbeschäftigung und zur Zahlung restlicher Vergütung. Am Ende des Kammertermins vor dem Arbeitsgericht am 21. Mai 2008 forderte die Beklagte den Kläger zur Weiterarbeit auf. Daraufhin berief sich der Kläger erstmals auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen rückständiger Vergütung. Die Beklagte legte nur hinsichtlich der Zahlungsansprüche Berufung ein. Der Kläger nahm die Arbeit wiederum nicht auf und kündigte selbst das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2010.

9

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sich im Annahmeverzug befunden. Die Wiederaufnahme der Arbeit sei nicht zumutbar gewesen.

10

Der Kläger hat - soweit in der Revision von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.327,22 Euro brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengelds iHv. 9.909,58 Euro nebst Zinsen zu zahlen.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und Leistungsunwilligkeit des Klägers eingewandt. Im Übrigen habe er durch die Nichtaufnahme der Arbeit böswillig seine Erwerbsobliegenheit verletzt.

12

Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage für den noch streitigen Zeitraum abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Zurückweisung der Berufung des Klägers.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Klägers zu Unrecht stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger für die Zeit vom 11. August bis zum 31. Dezember 2007 keine Zahlungen beanspruchen kann.

14

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung gemäß § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich nicht im Annahmeverzug, denn der Kläger war in der streitbefangenen Zeit nicht leistungswillig, § 297 BGB.

15

1. Die in § 297 BGB nicht ausdrücklich genannte Voraussetzung der Leistungswilligkeit folgt daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst außer Stande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Der subjektive Leistungswille ist eine von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Verzugszeitraums vorliegen muss (vgl. BAG 24. September 2003 - 5 AZR 591/02 - zu B I der Gründe, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 5; 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6).

16

2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Anwendungsbereich des § 297 BGB nicht auf den Fall beschränkt, in dem der Arbeitnehmer bereits vor einer Kündigung leistungsunwillig war. Die Nichtaufnahme einer vom Arbeitgeber angebotenen Beschäftigung kann nicht nur zur Anrechnung böswillig nicht erzielten Verdienstes gemäß § 615 Satz 2 BGB, § 11 Nr. 1 und Nr. 2 KSchG führen. Vielmehr kann sie den Annahmeverzug des Arbeitgebers gänzlich entfallen lassen (BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - BAGE 115, 216; MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 615 Rn. 42; ErfK/Preis 11. Aufl. § 615 BGB Rn. 47; aA Boemke JuS 2006, 287, 288; KR/Spilger 9. Aufl. § 11 KSchG Rn. 24). Die vom Landesarbeitsgericht angenommene Eingrenzung lässt sich weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 297 BGB entnehmen. § 297 BGB bestimmt schlicht, dass der Gläubiger dann nicht in Verzug kommt, wenn der Schuldner außerstande ist (oder sich außerstande gesetzt hat), die Leistung zu bewirken. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Kündigung seitens des Gläubigers ausgesprochen worden ist oder nicht. § 297 BGB lässt den Annahmeverzug im Fall der Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers entfallen und ist auch in diesem Anwendungsbereich nicht auf die Leistungsunfähigkeit vor einer Kündigung beschränkt. Der Rückschluss auf einen fehlenden Leistungswillen anlässlich der Nichtaufnahme einer vom Arbeitgeber angebotenen Arbeit lässt den Anwendungsbereich der § 615 Satz 2 BGB, § 11 Nr. 2 KSchG nicht entfallen. Er ist nur dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer ein Angebot des Arbeitgebers ablehnt, das trotz Aufrechterhaltung der Kündigung auf eine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen gerichtet und dessen Annahme auch sonst zumutbar ist. Bei einer reinen Anrechnung bleibt es hingegen, wenn entweder das böswillige Unterlassen eines Zwischenerwerbs bei einem anderen Arbeitgeber oder als Selbständiger in Rede steht oder die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber besteht, der sich mit der Annahme der Dienste in Verzug befindet (BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 108, 27; 16. Juni 2004 - 5 AZR 508/03 - BAGE 111, 123) und dieser eine zwar nicht vertragsgemäße, jedoch gleichwohl zumutbare Beschäftigung (vgl. BAG 7. Februar 2007 - 5 AZR 422/06 - Rn. 16, BAGE 121, 133) angeboten hat.

17

3. Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außerstande oder subjektiv nicht zur Leistung bereit ist. Dies ergibt sich aus der Fassung des § 297 BGB(zum fehlenden Leistungswillen, BAG 6. November 1986 - 2 AZR 744/85 - zu II 3 a der Gründe, RzK I 13b Nr. 4; zum Unvermögen, 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 13, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 22; 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2). Der Leistungswille ist eine innere Tatsache. Dass eine Partei eine innere Tatsache zu beweisen hat und die Führung dieses Beweises Schwierigkeiten bereitet, führt nicht zur Beweislastumkehr, sondern zur Modifizierung der Darlegungslast. Wendet der Arbeitgeber fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum ein, reicht es aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen hierauf geschlossen werden kann. In Betracht kommt insbesondere die Nichtaufnahme der Arbeit nach erfolgreichem Betreiben der Zwangsvollstreckung aus einem Weiterbeschäftigungstitel. Hat der Arbeitgeber solche Indizien vorgetragen oder sind sie unstreitig, ist es Sache des Arbeitnehmers, diese Indizwirkung zu erschüttern. Trägt er dazu nichts vor, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunwillig gewesen, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden(vgl. BAG 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - aaO).

18

4. Das Landesarbeitsgericht hat offen gelassen, ob der Kläger im Klagezeitraum leistungswillig war. Doch belegen bereits die unstreitigen Tatsachen, dass der Leistungswille des Klägers fehlte.

19

a) Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 5. Juni 2007 die Unwirksamkeit der Kündigung vom 15. Mai 2006 festgestellt und auf Antrag des Klägers die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers als Verpackungsentwickler zu unveränderten Bedingungen verurteilt. Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 24. Juli 2007 die Zwangsvollstreckung aus dem Weiterbeschäftigungstitel beantragt hatte, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 2. August 2007 ihre Bereitschaft, den Kläger „urteilsgemäß“ zu beschäftigen, und forderte ihn zur Arbeitsaufnahme auf. Mit Faxschreiben vom 7. August 2007 teilte der Kläger der Beklagten jedoch ohne nähere Begründung mit, er werde an diesem Tag nicht erscheinen, um sich seinen Arbeitsplatz zuweisen zu lassen.

20

Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, beinhaltete das Angebot der Beklagten eine tatsächliche Weiterbeschäftigung als Verpackungsentwickler bei unveränderten Bedingungen. Dieses Angebot war dem Kläger schon deshalb zumutbar, weil er durch die Erwirkung des Titels sowie die eingeleitete Zwangsvollstreckung selbst die Zumutbarkeit einer „urteilsgemäßen“ Weiterbeschäftigung zu erkennen gegeben hatte. Angesichts der eingeleiteten Zwangsvollstreckung aus dem erstrittenen Weiterbeschäftigungstitel hätte der Kläger konkret begründen müssen, warum ihm die Weiterbeschäftigung nicht mehr zumutbar war (vgl. BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu II 3 b cc der Gründe, BAGE 108, 27). An der Bereitschaft der Beklagten zur urteilsgemäßen Beschäftigung hatte - seinerzeit - offenbar auch der Kläger keine Zweifel. Ansonsten hätte er nicht erklärt, dass sich der Zwangsgeldantrag durch das Schreiben der Beklagten vom 2. August 2007 „erledigt“ habe und der zunächst zulässige und begründete Vollstreckungsantrag unbegründet geworden sei, weil die Beklagte begonnen habe, das Weiterbeschäftigungsurteil „zu achten“. Der Kläger ist dem Angebot nicht nachgekommen.

21

b) Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die die Indizwirkung der genannten Tatsachen erschüttern.

22

aa) Der Kläger war zwar am 7. August 2007 arbeitsunfähig. Jedoch hat er diesen vorübergehenden Hinderungsgrund zunächst gar nicht benannt und auch mit Schriftsatz vom 20. August 2007 nur erklären lassen, dass er zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses arbeitswillig, vom 2. bis zum 10. August 2007 arbeitsunfähig gewesen sei. Anstalten zu einer Arbeitsaufnahme hat er trotz zwischenzeitlicher Genesung weiterhin nicht gemacht, obwohl das Angebot der Beklagten zeitlich unbefristet war.

23

bb) Der Leistungswille ist nicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder eingetreten. Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, welche den Schluss zuließen, dass er nach Ablehnung des Weiterbeschäftigungsangebots seinen Leistungswillen zu einem späteren Zeitpunkt vor Ablauf des 31. Dezember 2007 wiederhergestellt habe (vgl. BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - BAGE 115, 216). Es ist nicht erkennbar, dass die im Laufe des Rechtsstreits zur Unzumutbarkeit der Tätigkeit nachgeschobenen Gründe im Zusammenhang mit seinem Leistungswillen im Klagezeitraum standen.

24

(1) Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er die angebotene Beschäftigung wegen der Einstellung eines weiteren Verpackungsentwicklers nicht aufgenommen habe. Der Kläger hat weder dargelegt, wann er von der „Doppelbesetzung“ Kenntnis erlangte, noch dass er im Klagezeitraum überhaupt von seiner Versetzung iSd. § 95 Abs. 3 BetrVG ausgehen musste und die Weiterbeschäftigung ohne Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG für unzumutbar erachtet hatte. Zwar handelt der Arbeitnehmer nicht böswillig iSv. § 11 Nr. 2 KSchG, wenn er einer ohne Beteiligung des Betriebsrats ausgesprochenen Versetzung keine Folge leistet(vgl. BAG 7. November 2002 - 2 AZR 650/00 - zu B I 2 c cc der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 98 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 1). Jedoch hat der Kläger diesen angeblichen Unzumutbarkeitsgrund erst im Verlauf des Rechtsstreits über die Annahmeverzugsvergütung nachgeschoben. Von einer fehlenden Zustimmung des Betriebsrats zu einer geplanten Versetzung ist in keinem bis zum 31. Dezember 2007 eingereichten Schriftsatz des Klägers die Rede. Hätte der Kläger damals angenommen, dass seiner Weiterbeschäftigung irgendwelche Hinderungsgründe „aus der Sphäre der Beklagten“ entgegenstünden, wäre auch kein Raum für eine Erledigungserklärung gewesen. Zudem konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass er überhaupt versetzt oder vertragswidrig habe beschäftigt werden sollen.

25

(2) Der Ausspruch der Folgekündigung vom 28. August 2007 belegt keine Wiederherstellung des Leistungswillens des Klägers. Im Übrigen galt das Angebot der Beklagten trotz des Ausspruchs der Folgekündigung für den Streitzeitraum, dh. bis zum 31. Dezember 2007, fort. Der Leistungswille des Klägers wurde auch nicht durch die Kündigungsschutzklage ersetzt. Ohne den ernstlichen Willen des Arbeitnehmers, die angebotene Leistung zu erbringen, sind tatsächliche und wörtliche Angebote unbeachtlich (vgl. BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6).

26

II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigung für die entgangene private Nutzung eines Dienstfahrzeugs. Ohne Vergütungsanspruch bestand auch kein Anspruch auf Überlassung des Dienstfahrzeugs zur privaten Nutzung (vgl. BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 240/99 - zu A II 1 b der Gründe, BAGE 96, 34; 14. Dezember 2010 - 9 AZR 631/09 - Rn. 14, NZA 2011, 569).

27

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 und § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Zoller    

        

    S. Röth-Ehrmann    

                 

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 8. April 2011 - 10 Sa 930/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechnung der künftigen Bankrente des Klägers sowie über die Rückzahlung von Mehraufwendungen für die Sonderausstattung eines Dienstwagens.

2

Der im Februar 1963 geborene Kläger stand vom 1. April 1990 bis zum 31. Dezember 2008 mit der Beklagten, einer Leasinggesellschaft und Spezialbank für Objektfinanzierung, und ihrer Rechtsvorgängerin - der D AG - in einem Arbeitsverhältnis. Nach Ziff. 4 seines Arbeitsvertrags vom 29. März/5. April 1990 sind ua. die Versorgungsordnung und die Betriebsvereinbarungen der Bank in ihren jeweils geltenden Fassungen Bestandteile dieses Vertrags.

3

Bei der D AG galt seit dem 1. Januar 1989 eine im Januar 1990 geschlossene Betriebsvereinbarung über die Einführung einer Versorgungsordnung (BV Versorgung). In dieser war ua. Folgendes geregelt:

        

1.1   

Geltungsbereich

        

1.1.1 

Die D AG gibt ihren Betriebsangehörigen sowie deren Hinterbliebenen Versorgungszusagen gemäß den Bestimmungen dieser Versorgungsordnung.

        

…       

        
        

1.3     

Leistungsvoraussetzungen

        

1.3.1 

Die/der Betriebszugehörige erhält mit Versetzung in den Ruhestand eine Bankrente; …

        

…       

        
                          
        

1.4     

Pensionsfähiges Jahresgehalt

        

1.4.1 

Grundlage für die Berechnung der Bankrenten ist das 12-fache des durchschnittlich in den letzten 12 Monaten vor Eintritt des Versorgungsfalles bezogenen tariflichen oder außertariflichen Bruttomonatsgehaltes einschließlich Funktions- und übertariflicher Zulagen, nachstehend pensionsfähiges Jahresgehalt genannt. Kinderzulagen und sonstige Zulagen/Vergütungen bleiben unberücksichtigt.

        

…       

        
        

1.7.   

Limitierung und Mindestbankrente

        

1.7.1 

Bankrenten … werden nur insoweit gewährt, als die Bruttogesamtversorgung bei Eintritt des Versorgungsfalles bei 10 anrechnungsfähigen Dienstjahren 85 % des fiktiven jährlichen Nettoarbeitseinkommens nicht übersteigt. Dieser Satz erhöht sich mit jedem weiteren anrechnungsfähigen Dienstjahr um 0,5 % auf maximal 100 %.

        

…       

        
        

1.7.3 

Die Bruttogesamtversorgung setzt sich zusammen aus nachstehenden jährlichen Ansprüchen aus eigenen Anwartschaften:

                 

a)    

Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung. …

                 

b)    

Versorgungsleistungen des BVV aus der Pflichtversicherung.

                 

…       

        
                 

e)    

Bankrente nach dieser Versorgungsordnung.

        

…       

                 
        

1.7.7 

Für die Berechnung des fiktiven jährlichen Nettoarbeitseinkommens wird das pensionsfähige Jahresgehalt gemäß Ziffer 1.4 sowie die zuletzt vor Eintritt des Versorgungsfalles bezogene tarifliche Sonderzahlung (bei Tarifgehältern) bzw. die von der Bank garantierte Abschluß- und Weihnachtsgratifikation (bei außertariflichen Gehältern) zugrunde gelegt.

        

…“    

        
4

Der Kläger wurde ab dem Jahr 1995 von der D AG außertariflich vergütet. Er erhielt - wie sämtliche Vertriebsmitarbeiter - jährlich eine Abschluss- und eine Weihnachtsgratifikation. Die Abschlussgratifikation bestand aus einem garantierten Betrag in Höhe eines Monatsgehalts und einer zusätzlichen Vergütung, die unter Berücksichtigung der Ertragslage der Bank individuell nach Leistungsgesichtspunkten jährlich neu festgesetzt wurde. Die Weihnachtsgratifikation betrug ein Monatsgehalt.

5

Die D AG schloss am 30. Oktober 1998 mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über ein neues Vergütungssystem für die Mitarbeiter im Vertrieb (BV Vergütung). In dieser heißt es auszugsweise:

        

Persönlicher/räumlicher Geltungsbereich

        

Das neue Vergütungssystem findet ab 01. Januar 1998 Anwendung auf die Mitarbeiter im Vertrieb (Betreuer und Filialleiter), …

        

1.    

Funktionen und Zielgrößen

        

1.1     

Für Mitarbeiter im Vertrieb mit gleichem Anforderungsprofil werden Zielgehälter gebildet. …

        

1.2     

Das Zielgehalt setzt sich aus einem fixen und einem variablen Bestandteil zusammen. Das fixe Grundgehalt beträgt 80 % des Zielgehalts, der variable Zielbonus (Bonus bei Erreichen der Zielvereinbarung …) 20 % des Zielgehalts.

        

…       

        
        

7.    

Berichtswesen und Auszahlungsmodus

        

…       

        
        

7.3     

Ein nach dem neuen System entlohnter Mitarbeiter erhält das Grundgehalt in 12 Teilbeträgen. Zusätzlich zum Grundgehalt werden im gleichen Auszahlungsmodus 50 % des Zielbonus über das Jahr verteilt als monatliche Abschlagszahlung geleistet. …

        

7.4     

Die Endabrechnung erfolgt einmal jährlich im April des Folgejahres.“

6

Der Kläger schloss mit der D AG am 26. März/29. April 2008 einen neuen Arbeitsvertrag sowie eine Vereinbarung „Incentive 2008“. Der Arbeitsvertrag hat ua. folgenden Inhalt:

        

1.    

Vertragsbeginn/Tätigkeit

                 

Der Mitarbeiter wird mit Wirkung vom 1. Januar 2008 als Filialleiter weiterbeschäftigt.

                 

…       

        

2.    

Bezüge

                 

a.)     

Gehalt

                 

Der Mitarbeiter erhält für seine Tätigkeit ein Bruttojahresgrundgehalt in Höhe von

                 

75.000,00 Euro.

                 

Darüber hinaus wird dem Mitarbeiter derzeit ein Zuschlag für die jeweils gültige Filialstruktur gezahlt (Anlage A). …

                 

Das Bruttojahresgrundgehalt zzgl. Zuschlag wird in zwölf gleichen monatlichen Zahlungen jeweils zum 15. eines Monats bargeldlos gezahlt.

                 

…       

                 

b.)     

Variable Vergütung

                 

Der Mitarbeiter nimmt darüber hinaus am variablen Vergütungssystem teil. …

                 

c.)     

Vermögensbildende Leistung

                 

Eine vermögensbildende Leistung, die in ihrer Höhe den vermögenswirksamen Leistungen des für das private Bankgewerbe geltenden Tarifvertrages entspricht.“

7

In der Vereinbarung „Incentive 2008“ ist ua. Folgendes bestimmt:

        

2.    

Senior 3 Incentive 2008

                 

Um die Einführung der neuen Karrierestufe Senior 3 zu unterstützen, wird dem Filialleiter in 2008 ein Zuschlag in Höhe von 4.000,00 € Brutto p.a. pro Senior 3 gezahlt.

                 

Der Zuschlag ist ein Bruttozuschlag und wird in zwölf gleichen monatlichen Zahlungen jeweils zum 15. eines Monats bargeldlos gezahlt. Der Zuschlag wird spätestens im März des Geschäftsjahres in dem der Incentive gültig ist errechnet und rückwirkend zum 1. Januar des Geschäftsjahres umgesetzt.“

8

Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin stellte Mitarbeitern in Führungspositionen oder solchen Mitarbeitern, die zur Ausübung ihrer Tätigkeit ein Fahrzeug benötigten, auf der Grundlage einer „Autoordnung“ einen Dienstwagen zur Verfügung, den sie auch privat nutzen durften. Die Leasingkosten für den Dienstwagen wurden bis zur Höhe einer festgelegten Referenzrate von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin übernommen. Überstiegen die monatlichen Leasingraten aufgrund der zusätzlichen Sonderausstattung des von den Mitarbeitern bestellten Wagens die festgelegte Referenzrate, hatten die Mitarbeiter die sich ergebende Kostendifferenz durch Zahlung eines Einmalbetrags zu Beginn der Überlassung zu tragen.

9

Dem Kläger stand ab Januar 2008 ein - auch privat nutzbarer - Dienstwagen zur Verfügung. Der Leasingvertrag für den vom Kläger bestellten Dienstwagen hatte eine Laufzeit von drei Jahren und sah die Zahlung von insgesamt 36 Monatsraten vor. Aufgrund der zusätzlichen Sonderausstattung des Wagens überstiegen die monatlichen Leasingraten die festgelegte Referenzrate. Der Kläger zahlte der D AG am 1. Februar 2008 die sich ergebende Gesamtdifferenz zwischen den monatlichen Leasingraten und den Referenzraten iHv. 5.591,05 Euro.

10

Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 19. Mai 2008 zum 31. Dezember 2008. Mit Schreiben vom 27. August 2008 kündigte die D AG das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich. Im Rahmen der hiergegen vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage schlossen der Kläger und die D AG einen Vergleich, der durch Beschluss des Arbeitsgerichts nach § 278 Abs. 6 ZPO am 10. Februar 2009 festgestellt wurde. Der Vergleich lautet auszugsweise:

        

„1.     

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien hat am 31.12.2008 (‚Rechtlicher Beendigungszeitpunkt‘) aufgrund arbeitnehmerseitiger Kündigung geendet. ...

        

2.    

Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis vorbehaltlich abweichender Regelungen in diesem Vergleich, soweit noch nicht geschehen, bis zum 17.11.2008, 24:00 Uhr (‚Tatsächlicher Beendigungszeitpunkt‘), ab. Weitere Vergütungsansprüche bestehen mit Ausnahme des in Ziffer 4 dieses Vergleiches geregelten Anspruchs auf variable Vergütung nicht.

                 

...     

        

3.    

Der Kläger hat für die Nutzung eines Dienstwagens entsprechend der einschlägigen Dienstwagenregelung der Beklagten und zur Abgeltung eines durch die Nutzung über seine vertraglichen Rechte hinaus entstandenen Mehraufwandes eine Einmalzahlung an die Beklagte in Höhe von 5.591,05 EUR (…) geleistet. Der Kläger hat den Dienstwagen am 17.11.2008 zurückgegeben. Die Beklagte erstattet an den Kläger den anteiligen seitens des Klägers gezahlten Mehrbetrag für den Zeitraum zwischen tatsächlicher Rückgabe des Dienstwagens und dem Rechtlichen Beendigungszeitpunkt.

        

...     

        
        

5.    

Für die Zwecke der betrieblichen Altersversorgung ist der Rechtliche Beendigungszeitpunkt maßgeblich.

        

…“    

        
11

Das Arbeitsverhältnis des Klägers war aufgrund eines Betriebsübergangs zum 31. August 2008 auf die Beklagte übergegangen. Diese zahlte auf der Grundlage von Nr. 3 Satz 3 des Vergleichs an den Kläger 698,88 Euro.

12

Der Kläger erhielt von der Beklagten neben seinem Grundgehalt zuletzt monatlich einen Abschlag auf den Zielbonus nach der BV Vergütung iHv. 830,00 Euro brutto, einen Zuschlag für die gültige Filialstruktur 2008 iHv. 1.250,00 Euro brutto, einen Zuschlag „Senior 3 Incentive 2008“ iHv. 1.000,00 Euro brutto sowie vermögenswirksame Leistungen iHv. 39,88 Euro. Für die Versteuerung des geldwerten Vorteils der privaten Nutzung des Dienstwagens setzte die Beklagte monatlich 915,20 Euro brutto an. Darüber hinaus gewährte die Beklagte dem Kläger für das Kalenderjahr 2008 - zuzüglich zu den schon erfolgten Abschlagszahlungen - einen Zielbonus iHv. 73.758,88 Euro.

13

Im März 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich seine Bankrente bei einem Rentenbeginn mit Vollendung des 65. Lebensjahres auf 438,00 Euro belaufe. Der Berechnung legte die Beklagte lediglich das Bruttojahresgrundgehalt des Klägers iHv. 75.000,00 Euro zugrunde.

14

Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass bei dem für die Berechnung seiner künftigen Bankrente maßgeblichen pensionsfähigen Jahresgehalt weitere Vergütungsbestandteile sowie Sachbezüge zu berücksichtigen sind. Zudem hat er von der Beklagten eine weitergehende Rückzahlung des vom ihm getragenen Mehraufwands für die Sonderausstattung seines Dienstwagens verlangt.

15

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, zu dem pensionsfähigen Jahresgehalt zählten nicht nur sein Grundgehalt, sondern auch der Zuschlag für die gültige Filialstruktur, die Abschlagszahlungen auf den Zielbonus, der Zielbonus, der Zuschlag „Senior 3 Incentive 2008“, der geldwerte Vorteil der privaten Nutzung des Dienstwagens sowie die vermögenswirksamen Leistungen. Der Begriff „Bruttomonatsgehalt“ iSd. BV Versorgung erfasse alle innerhalb des letzten Jahres vor dem Ausscheiden bezogenen Entgeltbestandteile. Nach einer Auskunft des ehemaligen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden G seien bis zur Einführung des neuen Vergütungssystems bei der Berechnung der Betriebsrenten das als garantierter Teil der Abschlussgratifikation gezahlte 13. Monatsgehalt und das als Weihnachtsgratifikation geleistete 14. Monatsgehalt sowie die Sachbezüge und die vermögenswirksamen Leistungen von der Beklagten stets berücksichtigt worden. Durch die vorbehaltlose Auszahlung des Abschlags auf den Zielbonus seit der Einführung des neuen Vergütungssystems im Jahr 1998 sei für ihn ein Anspruch auf diesen Vergütungsbestandteil aus betrieblicher Übung entstanden. Bereits deshalb zähle dieser zum Bruttomonatsgehalt iSd. BV Versorgung. Bei dem Zuschlag „Senior 3 Incentive 2008“ und dem geldwerten Vorteil für die private Nutzung des Dienstwagens handle es sich um Funktionszulagen iSv. Nr. 1.4.1 BV Versorgung. Ein Anspruch auf Berücksichtigung aller Vergütungsbestandteile ergebe sich zudem aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte berücksichtige bei der Berechnung der Betriebsrenten der ehemaligen Arbeitnehmer T und G auch die variablen Vergütungsbestandteile und die Sachbezüge. Es bestehe kein sachlicher Grund, in seinem Fall eine andere Berechnung vorzunehmen. Die Beklagte habe nicht in ausreichendem Maße dargelegt, dass mit den Arbeitnehmern T und G individuelle Sondervereinbarungen getroffen wurden.

16

Die Beklagte sei verpflichtet, den von ihm geleisteten Mehraufwand für die Sonderausstattung seines Dienstwagens für die gesamte Laufzeit des Leasingvertrags, in der er den Dienstwagen nicht habe nutzen können, zurückzuzahlen. Die Beklagte sei insoweit ungerechtfertigt bereichert. Der Vergleich vom 10. Februar 2009 stehe dem nicht entgegen. Dieser beziehe sich nur auf die Zeit bis zu seinem Ausscheiden am 31. Dezember 2008.

17

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das entsprechend Ziff. 1.4.1 der bei der Beklagten geltenden Versorgungsordnung für die Betriebsangehörigen der D AG in der Fassung von Januar 1990 (rückwirkend in Kraft getreten am 1. Januar 1989) als Grundlage für die Berechnung der Bankrente des Klägers dienende „pensionsfähige Jahresgehalt“ insgesamt 197.179,84 Euro beträgt und neben dem „Grundgehalt“ in Höhe von 75.000,00 Euro auch den Zuschlag für die Einordnung seiner Filiale in die Filialstufe Premiumfiliale in Höhe von 15.000,00 Euro, den geldwerten Vorteil der privaten Nutzung des Dienstwagens in Höhe von 10.982,40 Euro, vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 478,56 Euro, Abschlagszahlungen auf den Zielbonus in Höhe von 9.960,00 Euro, den variablen Bonus im Sinne der Betriebsvereinbarung „Vergütungssystem des Vertriebs der D“ vom 30. Oktober 1998 in Höhe von 73.758,88 Euro sowie die vom Kläger erhaltene „Senior 3 Incentive Zulage“ in Höhe von 12.000,00 Euro einschließt,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.183,89 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. April 2009 zu zahlen.

18

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

19

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das als Grundlage für die Berechnung der Bankrente des Klägers dienende „pensionsfähige Jahresgehalt“ neben dem „Grundgehalt“ den Zuschlag für die Einordnung seiner Filiale in die Filialstufe „Premiumfiliale“ einschließt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger hat hiergegen Berufung eingelegt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht haben die Parteien am 11. Februar 2011 folgenden Teilvergleich geschlossen:

        

I.    

        

Die Parteien sind sich einig, dass in das entsprechend Ziffer 1.4.1 der bei der Beklagten geltenden Versorgungsordnung für die Betriebsangehörigen der D AG in der Fassung von Januar 1990 (rückwirkend in Kraft getreten am 01.01.1989) als Grundlage für die Berechnung der Bankrente des Klägers dienende ‚pensionsfähige Jahresgehalt‘ das ‚Grundgehalt‘ mit € 75.000,-- (…) und der Zuschlag für die Einordnung der Filiale des Klägers in die Filialstufe ‚Premiumfiliale‘ mit einem Betrag von € 13.125,-- (...) einfließt.

        

…“    

20

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Klageanträge weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

21

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage - soweit sie in die Revision gelangt ist - zu Recht abgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, bei der Berechnung der künftigen Bankrente des Klägers ein pensionsfähiges Jahresgehalt von mehr als 88.125,00 Euro zugrunde zu legen. Der Kläger kann von der Beklagten auch keine weitere Rückzahlung des von ihm geleisteten Mehraufwands für die Sonderausstattung seines Dienstwagens iHv. 3.183,89 Euro verlangen.

22

I. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Feststellungsantrag.

23

1. Der Feststellungsantrag bedarf allerdings der Auslegung. Diese ergibt, dass der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, bei der Berechnung der Höhe seiner Bankrente nicht lediglich ein pensionsfähiges Jahresgehalt iHv. 88.125,00 Euro, sondern in Höhe weiterer 109.054,84 Euro, mithin insgesamt 197.179,84 Euro zugrunde zu legen. Die Parteien haben in dem am 11. Februar 2011 vor dem Landesarbeitsgericht geschlossenen Teilvergleich Einigkeit erzielt, dass jedenfalls das Grundgehalt des Klägers iHv. 75.000,00 Euro und der Zuschlag für die Filialstruktur 2008 iHv. 13.125,00 Euro in die Berechnung des pensionsfähigen Jahresgehalts einfließen. Damit steht zwischen den Parteien außer Streit, dass das für die Berechnung der Höhe der Bankrente des Klägers maßgebliche pensionsfähige Jahresgehalt zumindest 88.125,00 Euro beträgt. Der Antrag zu 1. zielt daher ersichtlich nur noch auf die Feststellung ab, dass als pensionsfähiges Jahresgehalt des Klägers nicht lediglich ein Betrag iHv. 88.125,00 Euro, sondern ein weiterer Betrag iHv. 109.054,84 Euro, mithin insgesamt ein Betrag iHv. 197.179,84 Euro zugrunde zu legen ist.

24

2. Der so verstandene Feststellungsantrag ist zulässig.

25

a) Der Antrag richtet sich auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 ZPO. Zwar können nach § 256 Abs. 1 ZPO bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Eine Feststellungsklage muss sich allerdings nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich vielmehr auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auch auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - Rn. 17; 19. Juni 2012 - 3 AZR 289/10 - Rn. 19). Dies ist vorliegend gegeben. Der Feststellungsantrag betrifft die Berechnung der Bankrente des Klägers. Damit geht es um die Klärung des Umfangs der Leistungspflicht der Beklagten.

26

b) An der Feststellung besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse. Es ist unerheblich, dass der Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist. Da die Beklagte die vom Kläger geltend gemachte Berechnungsgrundlage für die Bankrente bestreitet, ist das betriebsrentenrechtliche Rechtsverhältnis durch eine tatsächliche Unsicherheit gefährdet. Der Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, erst nach Eintritt des Versorgungsfalls einen Rechtsstreit gegen seinen Arbeitgeber über Inhalt und Umfang seiner Versorgungsrechte zu führen. Die Parteien haben ein rechtliches Interesse daran, Meinungsverschiedenheiten über den Bestand und die Ausgestaltung der Versorgungsrechte möglichst vor Eintritt des Versorgungsfalls klären zu lassen (vgl. etwa BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - Rn. 18).

27

II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte bei der Berechnung seiner Bankrente nicht lediglich ein pensionsfähiges Jahresgehalt iHv. 88.125,00 Euro, sondern in Höhe weiterer 109.054,84 Euro, mithin insgesamt 197.179,84 Euro zugrunde legt. Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, an den Kläger eine weitere Rückzahlung des von ihm getragenen Mehraufwands für die Sonderausstattung seines Dienstwagens iHv. 3.183,89 Euro zu leisten.

28

1. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte bei der Berechnung seiner künftigen Bankrente ein pensionsfähiges Jahresgehalt von mehr als 88.125,00 Euro zugrunde legt. Nach Nr. 1.4.1 BV Versorgung fließen der variable Bonus - Zielbonus - iSd. BV Vergütung, die Abschlagszahlungen auf den Zielbonus, der Zuschlag „Senior 3 Incentive 2008“ sowie die vermögenswirksamen Leistungen und der geldwerte Vorteil der Privatnutzung des Dienstwagens nicht in die Berechnung des pensionsfähigen Jahresgehalts ein. Die Beklagte ist auch nicht gehalten, den Zuschlag Filialstruktur 2008 bei der Berechnung des pensionsfähigen Jahresgehalts mit einem über den im Teilvergleich vom 11. Februar 2011 vereinbarten Betrag hinausgehenden Wert zu berücksichtigen.

29

a) Die Auslegung von Nr. 1.4.1 BV Versorgung ergibt, dass der Zielbonus einschließlich der darauf geleisteten Abschläge, der Zuschlag „Senior 3 Incentive 2008“, die vermögenswirksamen Leistungen und der geldwerte Vorteil der Privatnutzung des Dienstwagens bei der Berechnung des pensionsfähigen Jahresgehalts außer Ansatz bleiben.

30

aa) Die BV Versorgung ist als Betriebsvereinbarung nach den für Gesetze und für Tarifverträge geltenden Grundsätzen auszulegen. Dabei ist vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn auszugehen. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebsparteien geben kann. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (vgl. etwa BAG 9. Oktober 2012 - 3 AZR 539/10 - Rn. 21; 14. Dezember 2010 - 3 AZR 939/08 - Rn. 18 mwN).

31

bb) Bereits der Wortlaut von Nr. 1.4.1 BV Versorgung spricht dafür, dass nicht alle innerhalb der letzten zwölf Monate vor dem Ausscheiden vom Kläger bezogenen Vergütungsbestandteile in die Berechnung des pensionsfähigen Jahresgehalts einfließen.

32

Nach Nr. 1.4.1 BV Versorgung dient als Grundlage für die Berechnung der Bankrente das Zwölffache des durchschnittlich in den letzten zwölf Monaten vor Eintritt des Versorgungsfalls bezogenen tariflichen oder außertariflichen Bruttomonatsgehalts einschließlich etwaiger Funktions- und übertariflicher Zulagen. Die BV Versorgung definiert nicht ausdrücklich, was unter dem „Bruttomonatsgehalt“ zu verstehen ist. Sie bestimmt lediglich, dass zum Bruttomonatsgehalt Funktions- und übertarifliche Zulagen gehören, während Kinderzulagen sowie „sonstige Zulagen/Vergütungen“ nicht zu berücksichtigen sind. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch umfasst das Bruttomonatsgehalt nur Geldleistungen, nicht aber geldwerte Vorteile und Sachleistungen (BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - Rn. 22; 14. August 1990 - 3 AZR 321/89 - zu 5 a der Gründe). Auch aus dem Wortbestandteil „Brutto“ folgt nicht, dass alle zu versteuernden Vergütungsbestandteile zu berücksichtigen sind. Damit wird vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass beim ruhegeldfähigen Monatsgehalt die Steuern und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht abgezogen werden (BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - Rn. 22 mwN). Die Verknüpfung des Wortbestandteils „Brutto“ mit dem weiteren Wortbestandteil „Monatsgehalt“ lässt zudem den Schluss darauf zu, dass mit Bruttomonatsgehalt nicht alle Einnahmen des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis gemeint sind. Der Begriff Bruttomonatsgehalt bezieht sich auf die Zahlungsweise und den Abrechnungszeitraum (vgl. BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - Rn. 23; 19. November 2002 - 3 AZR 561/01 - zu I 1 der Gründe). Zwar ist für die Berechnung der Bankrente nicht das zuletzt vor Eintritt des Versorgungsfalls bezogene Monatsgehalt maßgeblich; vielmehr kommt es nach Nr. 1.4.1 BV Versorgung auf das durchschnittlich in den letzten zwölf Monaten vor Eintritt des Versorgungsfalls erzielte Bruttomonatsgehalt einschließlich bestimmter Zulagen an. Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich aus der erforderlichen Durchschnittsberechnung allerdings nicht ableiten, dass damit auch alle im Referenzzeitraum gezahlten sonstigen Entgeltbestandteile vom Begriff des Bruttomonatsgehalts erfasst werden. Hätte dies geregelt werden sollen, hätte es nahegelegen, nicht auf den zwölffachen Betrag des durchschnittlichen Bruttomonatsgehalts in den letzten zwölf Monaten abzustellen, sondern auf das in den letzten zwölf Monaten erzielte Entgelt. Mit der Anknüpfung an das Bruttomonatsgehalt haben die Betriebspartner daher zum Ausdruck gebracht, dass lediglich die monatsbezogenen Vergütungsbestandteile zu berücksichtigen sind.

33

cc) Auch aus dem Regelungszusammenhang und der Systematik der Versorgungsbestimmungen ergibt sich, dass das „Bruttomonatsgehalt“ nicht dasjenige Arbeitsentgelt meint, das dem Mitarbeiter im Durchschnitt monatlich im Referenzzeitraum gezahlt wurde. Vielmehr muss es sich um Arbeitsentgelt handeln, das der Mitarbeiter für einen Monat und damit bezogen auf den Abrechnungszeitraum eines Monats erhalten hat.

34

(1) Die Betriebsparteien haben in der BV Versorgung zwischen dem pensionsfähigen Jahresgehalt (Nr. 1.4.1) und dem fiktiven jährlichen Nettoarbeitseinkommen (Nr. 1.7.1) unterschieden. Aus dem fiktiven jährlichen Nettoarbeitseinkommen leitet sich die Versorgungsobergrenze ab. Für die Berechnung des fiktiven jährlichen Nettoarbeitseinkommens sind nach Nr. 1.7.7 BV Versorgung das pensionsfähige Jahresgehalt gemäß Nr. 1.4 und die zuletzt vor Eintritt des Versorgungsfalls bezogene tarifliche Sonderzahlung (bei Tarifgehältern) bzw. die von der Bank garantierte Abschluss- und Weihnachtsgratifikation (bei außertariflichen Gehältern) zugrunde zu legen. Hieraus folgt, dass die Vergütungsbestandteile Sonderzahlung sowie garantierte Abschluss- und Weihnachtsgratifikation nicht zum pensionsfähigen Jahresgehalt und damit auch nicht zum Bruttomonatsgehalt iSd. Nr. 1.4.1 BV Versorgung gehören. Bei der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten vor Inkrafttreten der BV Vergütung gezahlten Abschluss- und Weihnachtsgratifikation handelte es sich um Einmalzahlungen, die nicht auf den Monat, sondern auf das Jahr bezogen zu zahlen waren. Gleiches galt für die tarifliche Sonderzahlung. Nach § 10 Abs. 1 des bei Abschluss der BV Versorgung geltenden Manteltarifvertrags für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken vom 24. August 1978 (idF des am 15. November 1989 in Kraft getretenen Änderungstarifvertrags vom 15. November 1989) hatten die Arbeitnehmer Anspruch darauf, dass die betrieblichen Sonderzahlungen in einem Kalenderjahr 100 % des monatlichen Tarifgehalts zuzüglich aller tariflichen Zulagen und Wechselschichtzulagen nicht unterschreiten. Auch diese Vorgaben bezogen sich damit auf das gesamte Jahr und nicht auf den Monat. Nach der Regelungssystematik der BV Versorgung sind die Betriebsparteien daher ersichtlich davon ausgegangen, dass diese jahresbezogenen Vergütungsbestandteile nicht unter den Begriff des Bruttomonatsgehalts iSv. Nr. 1.4.1 BV Versorgung fallen, sondern dass es sich beim Bruttomonatsgehalt nur um solche Zahlungen handelt, die der Arbeitnehmer bezogen auf den Abrechnungszeitraum eines Monats erhält. Die BV Versorgung geht damit nicht von einem Jahresgesamtverdienst aus, um einen Durchschnittsverdienst im Monat zu berechnen. Dadurch unterscheidet sich die vorliegende Versorgungsordnung von den Versorgungsbestimmungen, die den vom Kläger angezogenen Entscheidungen des Senats vom 19. Januar 2011 (- 3 AZR 6/09 -) und vom 21. August 2001 (- 3 AZR 746/00 -) zugrunde lagen. Dort stellten die Versorgungsregelungen für die Berechnung der Betriebsrenten auf das im Durchschnitt innerhalb eines festgelegten Referenzzeitraums monatlich verdiente Entgelt ab. Deshalb waren alle in den Referenzzeitraum fallenden Entgeltbestandteile zu berücksichtigen.

35

(2) Auch die Regelung in Nr. 1.4.1 Satz 2 BV Versorgung zeigt, dass nicht alle Vergütungsbestandteile zum pensionsfähigen Jahresgehalt zählen. Nach dieser Bestimmung bleiben mit Ausnahme der Funktionszulagen und der übertariflichen Zulagen „sonstige Zulagen/Vergütungen“ bei der Bemessung des pensionsfähigen Jahresgehalts unberücksichtigt. Die mit dem weiten Begriff der „sonstigen Vergütungen“ zum Ausdruck gebrachte ausdrückliche Herausnahme aller nicht in Nr. 1.4.1 Satz 1 BV Versorgung aufgeführten Entgeltbestandteile verdeutlicht, dass trotz des Abstellens auf einen Referenzzeitraum nach den Vorstellungen der Betriebsparteien gerade nicht alle während dieses Zeitraums anfallenden variablen oder einmalig gezahlten Vergütungsbestandteile unter den Begriff des „Bruttomonatsgehalts“ fallen.

36

dd) Entgegen der Ansicht des Klägers rechtfertigt auch der Zweck der mit der BV Versorgung zugesagten betrieblichen Altersversorgung kein weitergehendes Verständnis des „Bruttomonatsgehalts“. Die Frage, inwieweit eine Versorgungszusage den bisherigen Lebensstandard sichern will, hängt vor allem davon ab, welche Vergütungsbestandteile nach der konkreten Versorgungsordnung als versorgungsfähig bezeichnet werden. Das Versorgungsziel ist keine vorgegebene Größe, sondern ergibt sich erst durch Auslegung, bei der Wortlaut und Systematik im Vordergrund stehen (BAG 19. November 2002 - 3 AZR 561/01 - zu I 3 a der Gründe).

37

b) Danach bleiben der Zielbonus einschließlich der darauf geleisteten Abschläge sowie der Zuschlag „Senior 3 Incentive 2008“ außer Ansatz. Auch die monatlichen vermögenswirksamen Leistungen und der geldwerte Vorteil für die Privatnutzung des Dienstwagens zählen nicht zum Bruttomonatsgehalt iSd. BV Versorgung.

38

aa) Der variable Zielbonus nach Nr. 1.2 BV Vergütung ist kein monatlich zu zahlender Gehaltsbestandteil. Er wird vielmehr auf das Jahr bezogen ermittelt (vgl. Nr. 7.4 BV Vergütung). Entgegen der Auffassung des Klägers ist wegen des Inkrafttretens der BV Vergütung keine andere Beurteilung geboten. Auch die früher von der Rechtsvorgängerin der Beklagten gewährten Gratifikationen, die durch den Zielbonus ersetzt wurden, waren - wie Nr. 1.7.7 BV Versorgung zeigt - nicht Teil des Bruttomonatsgehalts iSd. Nr. 1.4.1 BV Versorgung, da sie nicht auf den Monat, sondern auf das Jahr bezogen zu zahlen waren (vgl. BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - Rn. 27).

39

bb) Die auf den Zielbonus gewährte monatliche Abschlagszahlung ist ebenfalls nicht Teil des Bruttomonatsgehalts. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte berechtigt ist, ggf. zu viel geleistete Abschlagszahlungen zurückzufordern. Die Abschlagszahlungen erfolgen zwar monatlich. Es handelt sich aber um Abschläge auf den Zielbonus, der jahresbezogen gewährt wird. Damit sind auch die Abschlagszahlungen Teil einer jahresbezogenen Leistung (vgl. BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - Rn. 27). Die Zahlung der Abschläge auf den Zielbonus wurde auch durch die wiederholte monatliche Gewährung nicht im Wege der betrieblichen Übung zum Teil des Bruttomonatsgehalts iSd. Versorgungsordnung. Die Zahlung der Abschläge erfolgte auf der Grundlage von Nr. 7.3 Satz 2 BV Vergütung. Dies steht der Entstehung eines Anspruchs aus betrieblicher Übung entgegen. Eine betriebliche Übung scheidet als Anspruchsgrundlage aus, wenn für den Anspruch eine andere kollektiv- oder individualrechtliche Anspruchsgrundlage besteht (vgl. etwa BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - aaO; 15. Mai 2012 - 3 AZR 610/11 - Rn. 62; 24. November 2004 - 10 AZR 202/04 - zu II 3 c bb (3) der Gründe, BAGE 113, 29).

40

cc) Der Zuschlag „Senior 3 Incentive 2008“ bleibt gleichfalls außer Ansatz. Nach Nr. 2 der Vereinbarung „Incentive 2008“ wird der Zuschlag auf das Jahr bezogen ermittelt. Damit zählt er nicht zum Bruttomonatsgehalt iSd. Nr. 1.4.1 BV Versorgung. Dass der Zuschlag in zwölf gleichen monatlichen Beträgen gezahlt wird, ist unerheblich. Der Zuschlag ist damit kein monatlich zu zahlender Gehaltsbestandteil. Es handelt sich lediglich um Teilbeträge, die auf den jahresbezogen gewährten Zuschlag geleistet werden.

41

Der Zuschlag „Senior 3 Incentive 2008“ ist entgegen der Ansicht des Klägers auch keine Funktionszulage iSv. Nr. 1.4.1 BV Versorgung. Eine Funktionszulage ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Arbeitsentgelt für die Verrichtung einer Arbeit in einer bestimmten Funktion (BAG 17. April 1996 - 10 AZR 617/95 - zu II 1 der Gründe; 18. März 2009 - 10 AZR 338/08 - Rn. 15 für die tarifliche Funktionszulage). Der Zuschlag knüpft nicht an die Funktion des Klägers, sondern an den Umstand an, dass in seiner Filiale Mitarbeiter der Hierarchiestufe Senior 3 beschäftigt waren. Nach Nr. 2 der Vereinbarung „Incentive 2008“ sollte die Beschäftigung solcher Mitarbeiter gefördert werden. Dies zeigt auch das englische Wort „Incentive“ (deutsch: Anreiz, Ansporn, vgl. Wörterbuch für Recht, Wirtschaft und Politik 6. Aufl. Teil I S. 391). Der Zuschlag sollte daher einen Anreiz dafür bieten, Mitarbeiter der Hierarchiestufe Senior 3 in der Filiale zu beschäftigen.

42

dd) Auch die „vermögensbildenden Leistungen“ nach Nr. 2 Buchst. c des Arbeitsvertrags vom 26. März/29. April 2008 zählen nicht zum Bruttomonatsgehalt iSd. BV Versorgung. Zwar werden solche Leistungen typischerweise monatlich gewährt. Vermögenswirksame Leistungen werden jedoch nicht als Bestandteil des Monatsgehalts verstanden, sondern stellen einen weiteren Vergütungsbestandteil dar, der durch das Fünfte Vermögensbildungsgesetz Einschränkungen in seiner konkreten Verwendung unterliegt (vgl. BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - Rn. 28), insbesondere muss die Anlage der Beträge durch den Arbeitgeber erfolgen (vgl. § 2 Fünftes Vermögensbildungsgesetz).

43

ee) Der geldwerte Vorteil für die Privatnutzung des Dienstwagens bleibt bei der Berechnung der Bankrente ebenfalls außer Ansatz. Der geldwerte Vorteil ist nicht Bestandteil des Bruttomonatsgehalts iSd. BV Versorgung. Die Überlassung eines Kraftfahrzeugs zur Privatnutzung ist ein Sachbezug und wird deshalb nicht vom Begriff des Bruttomonatsgehalts umfasst (BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - Rn. 29 mwN).

44

Die Überlassung des Dienstwagens zur Privatnutzung ist auch keine Funktionszulage iSv. Nr. 1.4.1 BV Versorgung. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird unter einer Zulage eine Geldzahlung verstanden, die zweckgebunden zum Ausgleich besonderer Belastungen oder Leistungen dient (BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - Rn. 30). Die Überlassung des Dienstwagens zur Privatnutzung fällt hierunter nicht.

45

c) Die Beklagte ist auch nicht aufgrund betrieblicher Übung verpflichtet, über den im Teilvergleich vom 11. Februar 2011 vereinbarten Betrag iHv. 88.125,00 Euro hinaus weitere Vergütungsbestandteile bei der Berechnung der künftigen Bankrente zu berücksichtigen. Der Kläger hat die Voraussetzungen für eine betriebliche Übung nicht hinreichend dargetan; er hätte dazu eine diese Vergütungsbestandteile einbeziehende Handhabung konkret darlegen müssen. Das Landesarbeitsgericht war nicht verpflichtet, zur Behauptung des Klägers, es habe eine entsprechende betriebliche Übung gegeben, wonach auch jährlich gezahlte Vergütungsbestandteile sowie Sachbezüge und vermögenswirksame Leistungen bei der Berechnung der Bankrente berücksichtigt wurden, Beweis zu erheben. Die insoweit von der Revision erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch.

46

aa) Eine Verfahrensrüge muss nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO im Einzelnen die Bezeichnung des Mangels enthalten, den die Revision geltend macht. Bei der Rüge einer unterlassenen Beweiserhebung muss bestimmt angegeben werden, über welches Thema Beweis hätte erhoben werden müssen, in welchem Schriftsatz das entsprechende Beweisangebot gemacht worden ist, welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und weshalb das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensfehler beruhen kann (BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - Rn. 32 mwN). Der angeblich übergangene Beweisantritt muss zudem zulässig sein. Wird ein Beweis angeboten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen fehlt, und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, ist der Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich (BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - aaO). Gegenüber einem vom Landesarbeitsgericht als unschlüssig oder als nicht hinreichend konkretisiert gewerteten Sachvortrag kann nicht schlicht gerügt werden, es habe einen angebotenen Beweis für diesen nicht erhoben. Ein Beweisantritt kann nicht den Vortrag von Tatsachen ersetzen oder ergänzen (BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - aaO). Gemäß § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder der Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die Beweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben (BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - aaO).

47

bb) Danach hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, dass die unter Beweis gestellten Behauptungen des Klägers nicht ausreichend konkretisiert sind. Der Kläger hat keine dem Beweis zugänglichen Tatsachen nach Ort, Zeit und Gesprächsinhalten vorgetragen, zu denen der von ihm benannte Zeuge G hätte befragt werden können. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, die Tatsachen zu erforschen, sondern die von der Partei behaupteten Tatsachen durch eine Beweisaufnahme zu überprüfen. Die Behauptung des Klägers, der Zeuge G könne bezeugen, dass bis zur Einführung des neuen Vergütungssystems bei der Berechnung der Betriebsrenten das - als garantierter Teil der Abschlussgratifikation gezahlte - 13. Monatsgehalt und das als Weihnachtsgratifikation geleistete 14. Monatsgehalt sowie die Sachbezüge und die vermögenswirksamen Leistungen stets zur Berechnung der Betriebsrente herangezogen wurden, stellt keinen substantiierten Tatsachenvortrag dar. Der Kläger hätte vielmehr darlegen müssen, bei welchem namentlich bezeichneten Versorgungsempfänger so verfahren worden sein soll. Daran fehlt es. Eine unsubstantiierte, nicht durch Einzeltatsachen belegte allgemeine Behauptung einer Verfahrensweise wird nicht durch einen Beweisantritt zu einem schlüssigen Vortrag (vgl. BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - Rn. 33).

48

Soweit der Kläger vorträgt, der Betriebsrat sei - ohne es jedoch besser zu wissen - davon ausgegangen, dass auch nach der Umstellung des Vergütungssystems im Jahre 1998 die Abschlagszahlungen auf den Zielbonus sowie sämtliche Sachbezüge und vermögenswirksamen Leistungen bei der Berechnung der Betriebsrenten berücksichtigt werden würden, ergibt sich aus dieser Behauptung nicht, dass die Beklagte tatsächlich so verfahren ist, sondern nur, dass der Betriebsrat hiervon ausgegangen ist, ohne von dieser Vorgehensweise genaue Kenntnis zu haben. Eine Spekulation des Betriebsrats ist nicht geeignet, die Entstehung einer betrieblichen Übung unter Beweis zu stellen. Deshalb hat das Landesarbeitsgericht zu Recht auch insoweit von einer Beweisaufnahme abgesehen.

49

d) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit den ehemaligen Arbeitnehmern G und T.

50

aa) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist die privatrechtliche Ausprägung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. Gemäß § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG können Versorgungsverpflichtungen nicht nur auf einer Versorgungszusage, sondern auch auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung beruhen. Im Bereich des Betriebsrentenrechts hat der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz damit kraft Gesetzes anspruchsbegründende Wirkung (BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - Rn. 36 mwN). Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage als auch eine sachfremde Gruppenbildung (BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - aaO).

51

Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (st. Rspr., vgl. etwa BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - Rn. 37 mwN). Stellt der Arbeitgeber hingegen nur einzelne Arbeitnehmer unabhängig von abstrakten Differenzierungsmerkmalen in Einzelfällen besser, können sich andere Arbeitnehmer hierauf zur Begründung gleichartiger Ansprüche nicht berufen (vgl. BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - aaO).

52

bb) Danach liegt ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vor. Die Beklagte hat lediglich hinsichtlich der Mitarbeiter G und T eine von der BV Versorgung abweichende Berechnung der Ruhestandsbezüge vorgenommen. Nach der Darstellung der Beklagten beruht dies auf individuellen Vereinbarungen, die anlässlich des Ausscheidens mit diesen Arbeitnehmern getroffen wurden. Danach hat die Beklagte lediglich zwei einzelne Arbeitnehmer besser gestellt als die Versorgungsordnung dies vorsieht. Der Kläger hat die Darstellung der Beklagten zwar bestritten. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch rechtsfehlerfrei von einer Beweisaufnahme abgesehen. Der Kläger hat einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht hinreichend dargelegt. Nach dem Vortrag der Beklagten erfolgt die Berechnung der Bankrente für nahezu 250 Arbeitnehmer, die entweder aktiv beschäftigt oder mit unverfallbaren Anwartschaften ausgeschieden sind oder sich bereits im Ruhestand befinden, auf der Grundlage des Grundgehalts und etwaig gewährter Funktions- und übertariflicher Zulagen. Der Kläger hat aus dieser Gesamtgruppe von Arbeitnehmern lediglich zwei Personen benannt, mit denen andere Regelungen getroffen wurden. Dabei hat der Kläger bereits keinen Vortrag dazu gehalten, dass die Beklagte eine selbst gegebene Regel umgesetzt hat. Er hat letztlich nur darauf abgestellt, dass bei zwei Mitarbeitern eine abweichende Berechnungsweise vorgenommen wurde. Ein abstraktes Differenzierungsmerkmal ist damit nicht erkennbar (vgl. BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - Rn. 38 mwN).

53

e) Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, den Zuschlag Filialstruktur 2008 über den im Teilvergleich vom 11. Februar 2011 vereinbarten Betrag von 13.125,00 Euro hinaus iHv. weiteren 1.875,00 Euro bei der Bemessung des pensionsfähigen Jahresgehalts zu berücksichtigen. Aufgrund der materiellrechtlichen Folgen des Vergleichs iSv. § 779 BGB ist es dem Kläger verwehrt, eine über den vereinbarten Betrag hinausgehende Einbeziehung des Zuschlags bei der Berechnung des pensionsfähigen Jahresgehalts von der Beklagten zu verlangen. Bedenken an der Wirksamkeit des Teilvergleichs vom 11. Februar 2011 sind weder ersichtlich noch von der Revision geltend gemacht. Nach Nr. 1.4.1 BV Versorgung ist für die Berechnung des pensionsfähigen Jahresgehalts auf das in den letzten zwölf Monaten vor Eintritt des Versorgungsfalls „bezogene“ Bruttomonatsgehalt einschließlich der Funktions- und übertariflichen Zulagen abzustellen. Angesichts der Regelungen in Nr. 2 Satz 2 und Nr. 5 des Vergleichs vom 10. Februar 2009, wonach Vergütungsansprüche des Klägers trotz des bis zum 31. Dezember 2008 fortbestehenden Arbeitsverhältnisses lediglich bis zum 17. November 2008 bestanden, haben die Parteien damit in zulässiger Weise den Streit über die Frage, in welcher Höhe der Zuschlag bei der Berechnung des pensionsfähigen Jahresgehalts in Ansatz zu bringen ist, beigelegt. Ob der Zuschlag Filialstruktur 2008 eine Funktionszulage iSd. Nr. 1.4.1 BV Versorgung ist, kann daher dahinstehen.

54

2. Die Beklagte schuldet dem Kläger auch nicht die weitere Rückzahlung des vom ihm geleisteten Mehraufwands für die Sonderausstattung des ihm überlassenen Dienstwagens iHv. 3.183,89 Euro. Nach Nr. 3 Satz 3 des Vergleichs vom 10. Februar 2009 war die Rechtsvorgängerin der Beklagten verpflichtet, dem Kläger den anteilig gezahlten Mehrbetrag für den Zeitraum zwischen der Rückgabe seines Dienstwagens am 17. November 2008 und dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 2008 zu erstatten. Diesen Anspruch hat die Beklagte durch die Zahlung von 698,88 Euro an den Kläger unstreitig erfüllt. Ein weitergehender Rückzahlungsanspruch steht dem Kläger nicht zu. Das Landesarbeitsgericht hat Nr. 3 des Vergleichs vom 10. Februar 2009 rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten in Satz 3 der Regelung etwaige sich aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2008 ergebende Rückzahlungsansprüche des Klägers wegen des Mehraufwands für die Sonderausstattung des Dienstwagens abschließend geregelt haben. Da das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB mit seinen Rechten und Pflichten auf die Beklagte übergegangen ist, gilt diese Regelung auch zugunsten der Beklagten.

55

a) Dem Vergleich vom 10. Februar 2009 liegen atypische, individuelle Willenserklärungen zugrunde, deren Auslegung durch das Landesarbeitsgericht vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 23; 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 18; 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - Rn. 14; 9. Dezember 2008 - 3 AZR 112/07 - Rn. 18). Das gilt auch für die Auslegung des materiellrechtlichen Inhalts eines als Prozessvergleich geschlossenen Vergleichs (vgl. BAG 15. September 2004 - 4 AZR 9/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 112, 50).

56

b) Danach ist die Auslegung von Nr. 3 des Vergleichs vom 10. Februar 2009 durch das Landesarbeitsgericht revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

57

aa) Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt (BAG 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 22; 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - Rn. 15; 9. Dezember 2008 - 3 AZR 112/07 - Rn. 19).

58

bb) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, in Nr. 3 des Vergleichs vom 10. Februar 2009 sei der Komplex „Einmalzahlung des Klägers für Sonderausstattungen“ vollständig und abschließend geregelt. Dies ergebe sich eindeutig daraus, dass Nr. 3 des Vergleichs ausdrücklich die volle Summe des seinerzeit vom Kläger wegen der von ihm gewünschten Sonderausstattung geleisteten Betrags von 5.591,05 Euro nenne und für diesen Betrag eine in sich abschließende Erstattungsregelung treffe, so dass kein Raum für weitergehende Erstattungsansprüche des Klägers bleibe.

59

cc) Diese Auslegung des Landesarbeitsgerichts hält einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle stand. Es ist weder ersichtlich noch macht die Revision geltend, dass das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat. Das Landesarbeitsgericht hat auch keine wesentlichen Tatsachen unberücksichtigt gelassen. Soweit der Kläger eingewendet hat, der Vergleich beinhalte keinen Verzicht auf die Rückerstattung weitergehender Beträge, liegt dieser rechtlichen Schlussfolgerung kein Tatsachenvortrag zugrunde, den das Landesarbeitsgericht hätte berücksichtigen können. Das Landesarbeitsgericht war deshalb nicht verpflichtet, hierüber Beweis zu erheben. Die insoweit von der Revision erhobene Verfahrensrüge greift daher nicht durch.

60

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    Schmalz    

        

    Schultz    

                 

(1) Versicherte erhalten Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert.

(2) Für Versicherte, die im letzten Dreijahreszeitraum wegen derselben Krankheit für achtundsiebzig Wochen Krankengeld bezogen haben, besteht nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums ein neuer Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit, wenn sie bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind und in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate

1.
nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig waren und
2.
erwerbstätig waren oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung standen.

(3) Bei der Feststellung der Leistungsdauer des Krankengeldes werden Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld ruht oder für die das Krankengeld versagt wird, wie Zeiten des Bezugs von Krankengeld berücksichtigt. Zeiten, für die kein Anspruch auf Krankengeld besteht, bleiben unberücksichtigt. Satz 2 gilt nicht für Zeiten des Bezuges von Verletztengeld nach dem Siebten Buch.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über.

(2) Der Übergang wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann.

(3) An Stelle der Ansprüche des Arbeitnehmers auf Sachbezüge tritt im Fall des Absatzes 1 der Anspruch auf Geld; die Höhe bestimmt sich nach den nach § 17 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Vierten Buches festgelegten Werten der Sachbezüge.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.