Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 01. Sept. 2016 - 5 Sa 83/16

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2016:0901.5SA83.16.0A
bei uns veröffentlicht am01.09.2016

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Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 15. Oktober 2015, Az. 1 Ca 617/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung der Beklagten und damit im Zusammenhang stehender Zahlungsansprüche.

2

Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, das mit Reis und Hülsenfrüchten handelt. Im Jahr 2013 stellte das im gleichen Bereich tätige Unternehmen des Vaters der Klägerin, die H.-Mühle GmbH & Co. KG, den Geschäftsbetrieb ein. Für einen Betrag von € 420.000 erwarb die Beklagte die Kundenbeziehungen/den Kundenstamm von dieser und erhielt außerdem deren Lieferantenliste. Die 1977 geborene Klägerin war bis zum 30.06.2013 im väterlichen Unternehmen angestellt; seit 2006 als Vertriebsleiterin. Sie wurde von der Beklagten, die regelmäßig ca. 40 Arbeitnehmer beschäftigt, mit Wirkung vom 01.09.2013 als Vertriebsleiterin für den Geschäftsbereich "Abpackgeschäft" eingestellt. Ihr wurde Prokura erteilt. Ihr Jahresgehalt betrug € 130.000 brutto. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 26.08.2013 ist auszugsweise folgendes geregelt:

3

"§ 9 Wettbewerbsverbot

4

Während des Beschäftigungsverhältnisses ist dem Arbeitnehmer aus allgemeinen rechtlichen Bestimmungen, insbesondere auch aus der vertraglichen Treuepflicht, jede Förderung der Wettbewerber des Arbeitgebers untersagt. Dies gilt auch für die Kontaktaufnahme zu Wettbewerbern während der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, mit denen eine nachvertragliche Förderung angebahnt werden könnte.

5

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wird nicht vereinbart. Es wird aber vertraglich vereinbart, dass der Arbeitnehmer auch nachvertraglich absolutes Stillschweigen über alle Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Arbeitgebers (§ 8) zu wahren hat, die er während des Beschäftigungsverhältnisses in Erfahrung gebracht hat. Ergänzend wird auf die § 17 ff. UWG ausdrücklich hingewiesen."

6

Am 11.04.2015 wurde die Beklagte von einem ihrer Reislieferanten aus Bangkok über eine Lieferanfrage der ihr bis dahin unbekannten N. GmbH informiert. Die Recherche der Beklagten ergab, dass diese GmbH am 22.12.2014 von der Klägerin als Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin mit dem Geschäftszweck "Abfüllen und Großhandel mit Speiseölen, -fetten & Reis und Hülsenfrüchten" gegründet worden ist. Die an die E-Mail-Adresse "[email protected]" gerichtete Anfrage vom 08.04.2015 an den Lieferanten aus Bangkok war vom Lebensgefährten der Klägerin unterzeichnet. Die verwendete E-Mail-Adresse ist im Internet nicht veröffentlicht. Die Adresse wurde von der Klägerin in eine von ihr angelegte Datenbank der Unternehmenskontakte mit ca. 1.400 Kontakten (Kontakte ...xls) eingepflegt.

7

Im Zuge ihrer Recherche entdeckte die Beklagte am 12.04.2015 auf ihrem Firmennetzwerk das Existenzgründungskonzept der N. GmbH (Anlage B2, Bl. 79-107 d.A.). Als "offizieller" Start ist der 01.06.2015 angegeben. In dem Konzept heißt es ua:

8

"3.1.2 Geschäftsbereich 2: Abpacken von Reis und Hülsenfrüchten

9

Bei Reis und Hülsenfrüchten gibt es nicht unerhebliche Qualitätsunterschiede. Daher ist es notwendig zu wissen, welche Rohwaren, aus welchen Herkunftsländern den Qualitäts- und Preisansprüchen der deutschen Kundschaft gerecht werden.

10

Da es sich bei Hülsenfrüchten um eine Randsortiment handelt und die Anzahl der Anbieter gering ist, sind die hierzu erzielenden Margen (zumindest für den Lebensmittelbereich gesehen) recht hoch. Höhere Margen sind zudem mit Reis und Hülsenfrüchten aus biologischer Landwirtschaft zu generieren. Insbesondere durch den Import von BIO Reis und Hülsenfrüchten aus Drittländern, wie z.B. Thailand, und dessen Abpackung in die entsprechend nachgefragten Gebindeeinheiten.

11

Fa. N. sind dabei sowohl die Bezugsquellen als auch die konkreten Absatzkanäle für Reis und Hülsenfrüchte bekannt. …

12

3.3 Geschäftsrisiken

13

… Für die beiden Geschäftsbereiche sind die vielen Kontakte und persönliche Kundenbeziehungen von [der Klägerin] aus ihrer früheren und ihrer jetzigen Tätigkeit von großem Vorteil und nicht zu unterschätzen. …

14

3.4.2 Vertrieb und Kundengewinnung

15

Für Akquise und Vertrieb ist allein [die Klägerin] zuständig. Durch ihre vorhergehende berufliche Tätigkeit hat sie beste Kontakte zu ihren Altkunden mit denen sie auch schon Kontakt aufgenommen hat. …

16

3.5.2 Kunden

17

… Nachfolgend eine Auflistung von Kunden der Fa. N..
- B. …

18

Die Beklagte stellte mit Hilfe eines IT-Dienstleisters weiterhin fest, dass die Klägerin am 09.04.2015 ein externes Speichermedium, mutmaßlich einen USB-Stick, an ihrem Arbeitsplatzrechner angeschlossen und 11.892 Datensätze übertragen hat. Bei Durchsicht der kopierten Dateien entdeckte die Beklagte, dass die Klägerin am 26.03.2015 bei einem ihrer Lieferanten für Hülsenfrüchte, der Fa. C., per E-Mail (Bl. 75 d.A.) angefragt hat, ob dieser eine bestimmte Menge Dark-Red-Kidney-Bohnen liefern könne; die Ware müsse ab Mitte Juni verfügbar sein. Die Beklagte war bis in den Herbst 2015 mit einer ausreichenden Menge dieser Bohnen eingedeckt.

19

Bei einer weiteren Recherche in der E-Mail-Korrespondenz der Klägerin, die sie im Anschluss an die Berufungsbegründung anstellte, entdeckte die Beklagte eine E-Mail-Antwort der Klägerin vom 28.01.2015 (Bl. 262 d.A.) an den Kunden B., die - auszugsweise - folgenden Inhalt hat:

20

"Betreff: AW: Linsen

21

… Aufgrund der Euro/Dollar-Kurs-Entwicklung ist eine Preissenkung seitens [der Beklagten] leider nicht möglich. Kann Ihnen aber einen Natural WKZ … anbieten. …

22

Wie Ihnen in unserem letzten Gespräch mitgeteilt, werde ich Ihnen ab ca. Juni dieses Jahres unter "alternativem" Label bei gleicher Qualität neu offerieren. …"

23

Am 13.04.2015 erstattete die Beklagte bei der Staatsanwaltschaft Mannheim gegen die Klägerin Strafanzeige. Das Ermittlungsverfahren (Az. 626 Js 11037/15) ist noch nicht abgeschlossen. Am 20.04.2015 führten die drei Geschäftsführer der Beklagten gemeinsam mit ihrem jetzigen Prozessbevollmächtigten ein Gespräch mit der Klägerin, um sie vor Ausspruch der Kündigung anzuhören. In einer Gesprächsnotiz (Anlage K 5, Bl. 153-156 d.A.) ist ua. festgehalten worden:

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"[Rechtsanwalt D.] hält [der Klägerin] vor, dass [die Beklagte] in Erfahrung gebracht hat, dass sie, [die Klägerin], während des ungekündigten Bestehens des Beschäftigungsverhältnisses, das mit der besonderen Vertrauensausstattung als Prokuristin versehen ist, am 22.12.2014 in Mannheim ein Unternehmen gegründet und sich darin zur Geschäftsführerin bestellt hat, dessen Gegenstand mit dem Geschäftsfeld des Arbeitgebers identisch ist. Dies sei bereits in förmlicher Hinsicht eine gravierende Verletzung des Arbeitsvertrages, aber in der Sache darüber hinaus eine Handlung, die mehr als nur Fragen aufwerfen, zumal zur Kenntnis gelangte, dass über diese Gesellschaft bereits Kunden und Lieferanten der [Beklagten] angesprochen worden sein sollen.

25

RA D. erklärt, dass [die Klägerin] insoweit zunächst angehört werde und daher jetzt Gelegenheit erhalten solle, sich hierzu zu äußern.

26

[Die Klägerin] bringt zum Ausdruck, dass Sie sich dazu nicht äußern wolle.

27

RA D. stellt fest, dass sie damit jedenfalls angehört wurde und sie erklärt habe, sich nicht hierzu äußern zu wollen. Für diesen Fall habe der Arbeitgeber eine schriftliche fristlose Kündigung und den Widerruf der Prokura vorbereitet, was ihr gegenüber hiermit ausgesprochen und als Schriftstück übergeben werde. …"

28

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin am 20.04.2015 im Anschluss an dieses Gespräch fristlos. Gegen diese Kündigung wehrt sich die Klägerin mit ihrer am 24.04.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Außerdem verlangte sie ein qualifiziertes Arbeitszeugnis und klageerweiternd die Vergütung für die Monate April und Mai 2015 iHv. € 20.000 nebst Zinsen. Nachdem die Beklagte den Zeugnisanspruch anerkannt hat, ist sie durch Teilanerkenntnisurteil vom 15.10.2015 zur Erteilung verurteilt worden.

29

Die Klägerin hat erstinstanzlich - zuletzt - beantragt,

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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 20.04.2015 aufgelöst worden ist,

31

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie € 6.666,66 brutto zzgl. Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.05.2015 zu zahlen,

32

3. hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu Ziff. 1) die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere € 13.333,34 brutto zzgl. Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2015 zu zahlen.

33

Die Beklagte hat - zuletzt - beantragt,

34

den Antrag zu Ziff. 1) abzuweisen.

35

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat die Kündigungsschutzklage mit Schlussurteil vom 15.10.2015 abgewiesen und der Klage auf Zahlung von Arbeitsentgelt für die Zeit vom 01. bis 20.04.2015 iHv. € 6.363,64 brutto (14/22 von € 10.000) - insoweit rechtskräftig - stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat zur Begründung der Entscheidung zusammengefasst ausgeführt, die fristlose Kündigung sei nach § 626 Abs. 1 BGB wirksam, weil der dringende Verdacht bestehe, dass die Klägerin im bestehenden Arbeitsverhältnis gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen habe. Sie habe am 26.03.2015 an einen Lieferanten der Beklagten eine Lieferanfrage für Bohnen gerichtet, die ab Mitte Juni 2015 verfügbar sein sollten, obwohl sie ursprünglich vorgehabt habe, zum 31.05.2015 bei der Beklagten auszuscheiden. Da der Einkauf von Bohnen nicht zum Aufgabenbereich der Klägerin als Vertriebsleiterin gehört und die Beklagte noch über genügend Vorräte verfügt habe, habe eine betriebliche Veranlassung für die Lieferanfrage nicht bestanden. Damit sei der dringende Verdacht begründet, dass die Anfrage erfolgt sei, um für die N. GmbH die für die Beklagte geltenden Konditionen in Erfahrung zu bringen. Hierdurch habe die Klägerin der von ihr gegründeten N. GmbH einen wesentlichen Vorteil verschafft. Durch das Speichern von insgesamt 11.892 Datensätzen auf einem USB-Stick habe sich die Klägerin einer weiteren schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig gemacht. Zu den kopierten Datensätzen gehörten ua. Preislisten, Kontakte der Beklagten sowie eine Kontraktübersicht, aus der sich der Warenbezug der Beklagten seit 2005 ergebe. Irrelevant sei, ob es sich um Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse gehandelt habe und ob die Daten bei der N. GmbH gespeichert worden seien, denn die Klägerin habe sich umfangreiches Datenmaterial angeeignet, das sie für eigene Zwecke oder Zwecke Dritter zu Lasten der Beklagten einsetzen könne. Die Anhörung der Klägerin vor Ausspruch der Verdachtskündigung begegne keinen Bedenken. Nachdem ihr von den Vertretern der Beklagten vorgehalten worden sei, im bestehenden Arbeitsverhältnis Kunden und Lieferanten ihrer Arbeitgeberin im Interesse der N. GmbH auf die Begründung von Geschäftsbeziehungen angesprochen zu haben, habe die Klägerin erwidert, sich nicht äußern zu wollen. Die Beklagte sei deshalb nicht verpflichtet gewesen, die Anhörung fortzusetzen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Schlussurteils vom 15.10.2015 Bezug genommen.

36

Gegen das am 04.02.2016 zugestellte Schlussurteil hat die Klägerin mit am 04.03.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 04.04.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet.

37

Sie macht geltend, die fristlose Kündigung vom 20.04.2015 sei mangels eines wichtigen Grundes unwirksam. Ein dringender Verdacht, dass sie im ungekündigten Arbeitsverhältnis gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen habe, bestehe nicht. Die Gründung der N. GmbH am 22.12.2014 gehöre zu den zulässigen Vorbereitungshandlungen. Sie habe über die N. GmbH bis zum 20.04.2015 keine Kunden der Beklagten angesprochen. Die Beklagte lege ihr Anfragen gegenüber ihren Lieferanten zur Last. Da die Beschaffung von Waren für eine spätere (konkurrierende) selbständige Tätigkeit zu den zulässigen vorbereitenden Maßnahmen gehöre, stelle die Anfrage bei Lieferanten des Arbeitgebers erst recht lediglich eine Vorbereitungshandlung dar. Zu der Lieferanfrage vom 26.03.2015 sei vorzutragen, dass sie im Rahmen ihrer Tätigkeit sowohl bei der H.-Mühle als auch bei der Beklagten für den Kunden B. ab und an einem Container Dark-Red-Kidney-Bohnen "durchgehandelt" habe. Die Lieferanfrage sei nicht für ihr eigenes Unternehmen, sondern für die Beklagte erfolgt. Es habe eine entsprechende Anfrage des Kunden B., die möglicherweise nur telefonisch erfolgt sei, vorgelegen. Die Behauptung, dass sie bei der Fa. C. Preise angefragt habe, um den Auftrag mit ihrer eigenen Firma abzuwickeln, sei eine reine Unterstellung. Sie hätte den Auftrag wegen der Lieferzeit unter ihrem eigenen Label nicht abwickeln können. Auch ihr sehr zurückhaltender Hinweis in der E-Mail vom 28.01.2015 an den Kunden B., dass sie - ohne Nennung der N. GmbH - ab ca. Juni unter "alternativem" Label bei gleichen Qualitäten neu offerieren werde, sei nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

38

Im Übrigen habe sie die Beklagte vor Ausspruch der Verdachtskündigung nicht ordnungsgemäß angehört. Weil die Beklagte anwaltlich vertreten gewesen sei, hätte sie ihr ungefragt anbieten müssen, zur Anhörung einen Rechtsanwalt ihrer Wahl hinzuzuziehen. Die Beklagte habe sie lediglich mit einem sehr allgemein gehaltenen Verdacht und mit einer Tatsache konfrontiert, die keinen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen darstelle. Sie habe deshalb erklären dürfen, dass sie sich dazu nicht äußern wolle. Das bedeute jedoch nicht, dass ihr die Beklagte keine weiteren konkreten Tatsachen hätte vorhalten müssen, die den dringenden Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung begründen. Die Kündigung könne jedenfalls nicht darauf gestützt werden, dass der dringende Verdacht bestehe, sie habe unbefugt Daten kopiert und Geschäftsgeheimnisse an sich genommen. Zu diesem Verdacht sei sie nicht angehört worden.

39

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

40

das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 15.10.2015, Az. 1 Ca 617/15, teilweise abzuändern und

41

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 20.04.2015 aufgelöst worden ist,

42

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie € 13.636,36 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 3.636,36 seit dem 04.05.2015 und aus weiteren € 10.000,00 seit 01.06.2015 zu zahlen.

43

Die Beklagte beantragt,

44

die Berufung zurückzuweisen.

45

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Außerdem wird Bezug genommen auf den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akten 5 Sa 139/16 und 5 SaGa 6/15.

Entscheidungsgründe

I.

46

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

II.

47

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 20.04.2015 mit ihrem Zugang aufgelöst worden. Die Voraussetzungen für eine Kündigung wegen des Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung liegen vor. Zahlungsansprüche der Klägerin für die Zeit vom 21.04. bis 31.05.2015 wegen Annahmeverzugs bestehen deshalb nicht.

48

1. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 20.04.2015 ist aus einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Die Voraussetzungen für eine Kündigung wegen des Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung liegen vor.

49

a) Ein Arbeitnehmer, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten entfaltet, verstößt gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB. Es handelt sich in der Regel um eine erhebliche Pflichtverletzung. Sie ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt. Allerdings darf er, wenn - wie hier - ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens vorbereiten. Verboten ist jedoch die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, etwa durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden (vgl. ausführlich BAG 23.10.2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 27, 28 mwN; LAG Rheinland-Pfalz 27.01.2015 - 6 Sa 402/14 - Rn. 57 mwN).

50

Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bilden. Eine auf einen solchen Verdacht gestützte Kündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich der Verdacht auf objektive Tatsachen gründet, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er in der Sache zutrifft (vgl. BAG 12.02.2015 - 6 AZR 845/13 - Rn. 29 mwN).

51

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 20.04.2015 berechtigt. Es besteht der dringende Verdacht, dass die Klägerin im bestehenden Arbeitsverhältnis sowohl in den Kunden- als auch in den Lieferantenkreis der Beklagten eingedrungen ist.

52

Zwar stellt es - worauf die Berufung zutreffend hinweist - eine erlaubte Vorbereitungshandlung dar, dass die Klägerin während des bestehenden Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten die N. GmbH bereits am 22.12.2014 gegründet hat, mit der sie laut ihres Existenzgründungskonzepts am 01.06.2015 "offiziell" starten wollte. Vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses war die Beklagte jedoch davor geschützt, dass die Klägerin bereits eine werbende Tätigkeit aufnimmt, insbesondere also in ihren Kundenkreis und/oder ihren Lieferantenkreis eindringt (vgl. BAG 15.01.2014 - 10 AZR 243/13 - Rn. 36 mwN).

53

Die Klägerin ist mit der E-Mail vom 08.04.2015, die ihr Lebensgefährte an den Reislieferanten U. Ltd. aus Bangkok gerichtet hat, in den Lieferantenkreis der Beklagten eingedrungen. Die Lieferanfrage der N. GmbH erfolgte unstreitig nicht für die Beklagte. Mit dem Argument, dass der Erwerb von Waren für eine spätere (konkurrierende) selbständige Tätigkeit nach ganz herrschender Meinung zu den zulässigen vorbereitenden Maßnahmen für ein eigenes Handelsgewerbe gehöre (vgl. ErfK/Oetker 16. Aufl. HGB § 60 Rn. 6), vermag sich die Klägerin nicht zu entlasten. Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist das aktive Eindringen in den Lieferantenkreis des Arbeitgebers nicht erlaubt (vgl. Küttner/Poeche Personalhandbuch 2014 Wettbewerb Rn. 7). Die Klägerin hat nicht nur für die N. GmbH "Waren beschafft" bzw. Preise und Angebote eingeholt, sie ist mit ihrer Anfrage in den Lieferantenkreis der Beklagten eingedrungen.

54

Entgegen der Darstellung der Berufung, sind zuverlässige Reislieferanten auf dem Weltmarkt nicht allgemeinbekannt. Wie die Klägerin in ihrem Existenzgründungskonzept für die N. GmbH selbst herausstellt hat, gibt es bei Reis nicht unerhebliche Qualitätsunterschiede, so dass es notwendig ist, zu wissen, welche Rohwaren, aus welchen Herkunftsländern den Qualitäts- und Preisansprüchen der deutschen Kundschaft gerecht werden. Die Kenntnis der Bezugsquellen gehört für eine Warenhandelsgesellschaft zu den wettbewerbserheblichen Faktoren. Die Beklagte war daher im bestehenden Arbeitsverhältnis davor geschützt, dass die Klägerin in ihren Lieferantenkreis eindringt und ihre Bezugsquellen für die N. GmbH ausnutzt.

55

Es besteht auch der dringende Verdacht, dass die Klägerin mit der E-Mail vom 26.03.2015 an die Fa. C., einen Lieferanten der Beklagten für Hülsenfrüchte, gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen hat. Die Berufungskammer ist - wie bereits das Arbeitsgericht - davon überzeugt, dass sich die Klägerin für die N. GmbH an den Lieferanten gewendet hat, um sich die im Laufe der Jahre durch die Beklagte erworbenen Konditionen und Lieferantenkontakte zu Nutze zu machen. Ausweislich der Lieferanfrage sollte C. eine bestimmte Menge Dark-Red-Kidney-Bohnen liefern; die Ware "müsse ab Mitte Juni" verfügbar sein. Da die Beklagte bis in den Herbst 2015 mit einer ausreichenden Menge dieser Bohnen eingedeckt war, spricht nichts dafür, dass die Lieferanfrage für die Beklagte erfolgt sein könnte, zumal die Klägerin als Vertriebsleiterin für den Einkauf der Bohnen nicht zuständig war. Das Berufungsvorbringen entlastet die Klägerin nicht. Ein Auftrag des Kunden B. in Textform, für den die Klägerin nach ihren Angaben die Bohnen "durchgehandelt" haben will, liegt nicht vor. Ein derartiger Auftrag ist für die Beklagte auch nicht abgewickelt worden. Die Klägerin hat die Beklagte auch zu keinem Zeitpunkt darüber informiert, dass eine (telefonische) Anfrage des Kunden zu dem behaupteten "Streckengeschäft" vorliege.

56

Außerdem besteht der dringende Verdacht, dass die Klägerin in den Kundenkreis der Beklagten eingedrungen ist, weil sie den Kunden B. in ihrer E-Mail vom 28.01.2015 darauf hingewiesen hat, dass sie ihm -"wie in unserem letzten Gespräch"- mitgeteilt, ab ca. Juni unter "alternativem" Label bei gleicher Qualität neu offerieren werde. Zu diesem Zeitpunkt stand sie noch in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten und hatte sich daher dieser gegenüber loyal zu verhalten. Auch wenn die Klägerin in dieser E-Mail nur indirekt auf ihre zukünftige Tätigkeit als Wettbewerberin hinweist, handelte sie pflichtwidrig (vgl. BGH 22.04.2004 - I ZR 303/01). Eine Arbeitnehmerin, die eine Konkurrenztätigkeit als Selbständige plant, darf während des (Noch)-bestehens des Arbeitsverhältnisses in Schreiben oder E-Mails an Kunden des Arbeitgebers keine wettbewerbsrelevanten Aussagen treffen, die als überwiegend werbende Aussage im Hinblick auf die neue Tätigkeit gewertet werden können. Den Verdacht, dass die Klägerin den Kunden bereits auf ihre zukünftige Tätigkeit angesprochen hat, erhärtet auch der Umstand, dass dieser Kunde im Existenzgründungskonzept ausdrücklich als Kunde der N. GmbH aufgeführt worden ist. In diesem Konzept werden nicht nur die "besten Kontakte" der Klägerin zu ihren "Altkunden" herausgestellt, sondern auch, dass sie mit diesen "schon Kontakt aufgenommen" hat.

57

c) Entgegen der Ansicht der Berufung hat die Beklagte die Klägerin vor Ausspruch der Verdachtskündigung zu den Kündigungsvorwürfen ordnungsgemäß angehört.

58

Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung Gelegenheit geben, zu den Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen, um dessen Einlassungen bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können. Der Umfang der Anhörung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Unterbleibt die Anhörung, weil der Arbeitnehmer von vornherein nicht bereit war, sich auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einzulassen und nach seinen Kräften an der Aufklärung mitzuwirken, steht dies der Wirksamkeit der Verdachtskündigung nicht entgegen. Erklärt der Arbeitnehmer, er werde sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwurf nicht äußern, und nennt er für seine Weigerung keine relevanten Gründe, muss der Arbeitgeber ihn über die Verdachtsmomente nicht näher informieren (vgl. ausführlich BAG 20.03.2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 23-25 mwN). Eine solche Anhörung wäre überflüssig. Sie könnte zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Willensbildung des Arbeitgebers nichts beitragen.

59

So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat die Klägerin ausweislich der Gesprächsnotiz vom 20.04.2015 nicht nur mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie im ungekündigten Arbeitsverhältnis ein Konkurrenzunternehmen gegründet hat. Die Beklagte hat der Klägerin vielmehr auch vorgehalten, dass sie über diese Gesellschaft bereits ihre Kunden und Lieferanten angesprochen habe. Damit hat sie die Klägerin über den Kern des Vorwurfs in Kenntnis gesetzt. Da die Klägerin erklärte, dass sie sich nicht äußern wolle, ohne hierfür erhebliche Gründe zu nennen, musste sie von der Beklagten - entgegen der Ansicht der Berufung - dann nicht näher über die Verdachtsmomente informiert werden.

60

Entgegen der Ansicht der Berufung erweist sich die Anhörung nicht als fehlerhaft, weil der Klägerin keine Gelegenheit zur Beiziehung eines Rechtsanwalts oder einer sonstigen Vertrauensperson gegeben wurde. Eine solche Beteiligung hat die Klägerin nicht verlangt (vgl. BAG 12.02.2015 - 6 AZR 845/13 - Rn. 62, 67). Selbst wenn der Arbeitgeber - wie hier - einen Rechtsanwalt zur Anhörung hinzuzieht, muss er den Arbeitnehmer nicht (ungefragt) auf die Möglichkeit hinweisen, dieser könne seinerseits eine Vertrauensperson hinzuziehen (näher Eylert NZA-RR 2014, 393, 403 mwN).

61

d) Schließlich ist auch die durch das Arbeitsgericht bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vorgenommene Interessenabwägung nicht zu beanstanden. Die abschließende Interessenabwägung fällt zu Lasten der Klägerin aus. Sie war im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs erst knapp 20 Monate bei der Beklagten beschäftigt, so dass sie keinen nennenswerten sozialen Besitzstand erworben hat. Die Beklagte musste die potentielle Beeinträchtigung ihrer geschäftlichen Interessen nicht hinnehmen, der sie bei einer Weiterbeschäftigung der Klägerin auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.05.2015 ausgesetzt gewesen wäre. Die ledige Klägerin, die keine Unterhaltspflichten hat, war nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohnehin durch ihre Selbstständigkeit wirtschaftlich gesichert.

62

Zugunsten der Beklagten fällt entscheidend ins Gewicht, dass die für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage unwiederbringlich zerstört war. Die Beklagte war nicht gehalten, die Klägerin zunächst abzumahnen. Das aktive Tätigwerden der Klägerin für das von ihr gegründete Konkurrenzunternehmen N. GmbH während des bestehenden Arbeitsverhältnisses stellt eine so schwere Pflichtverletzung dar, dass eine Hinnahme durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen war. Die Klägerin hatte als Vertriebsleiterin mit Prokura eine besondere Vertrauensstellung inne. Sie hatte sich nach dem Verkauf des elterlichen Unternehmens für eine Tätigkeit in einer herausgehobenen Position bei der Beklagten entschieden und dafür eine erhebliche Vergütung von € 10.000,00 brutto im Monat erhalten. Ihr musste klar sein, dass die Beklagte dafür auch eine uneingeschränkte Loyalität erwarten würde. Angesichts der beruflichen Stellung der Klägerin wäre die Beklagte - wenn sie die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten hätte - bis zum 31.05.2015 erheblichen weiteren Risiken ausgesetzt gewesen. Die Klägerin war als Vertriebsleiterin bei der Beklagten in der Lage, aus ihren geschäftlichen Aktivitäten für die Beklagte auch weiter eigenwirtschaftlichen Nutzen zu ziehen, etwa in der Form der Anbahnung von Geschäftskontakten oder dem unbefugten Kopieren von (weiteren) Dateien. Dies gilt umso mehr, als sich die Klägerin im Marktbereich der Beklagten mit der N. GmbH selbstständig betätigen wollte und betätigt.

63

2. Die Kündigung erfolge auch unter Wahrung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB. Die Beklagte hatte von den der Kündigung zugrunde liegenden Tatsachen zum Zeitpunkt ihres Zugangs am 20.04.2015 nicht länger als zwei Wochen Kenntnis. Sie ist erst durch die Information der Fa. U. Ltd. aus Bangkok vom 11.04.2015 darauf aufmerksam geworden, dass die von der Klägerin gegründete N. GmbH Kontakt mit ihrem Reislieferanten aufgenommen hat. Vor diesem Zeitpunkt hatte sie keine Anhaltspunkte für einen Sachverhalt, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte.

64

3. Da die außerordentliche Kündigung bereits wegen des Verdachts gerechtfertigt ist, dass die Klägerin in den Lieferanten- und Kundenkreis der Beklagten eingedrungen ist, kann dahinstehen, ob der Auffassung des Arbeitsgerichts zu folgen wäre, die Beklagte könne die Kündigung auch auf den Verdacht stützen, die Klägerin habe Firmendaten kopiert und auf einem Datenträger an sich gebracht, um sie für Wettbewerbszwecke zu nutzen. Die Klägerin, die sich erstinstanzlich auf eine "Sequestration eigener Art" berufen hat, will sich zweitinstanzlich wohl damit entlasten, dass sie dem Bundeskartellamt helfen wollte, illegale Preisabsprachen aufzudecken. Ob letzteres als Schutzbehauptung zu werten ist, kann hier offen bleiben.

65

4. Die Klägerin kann von der Beklagten nach § 615 BGB keine Vergütung wegen Annahmeverzugs iHv. € 13.636,36 brutto für die Zeit vom 21.04. bis 31.05.2015 beanspruchen, weil das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 20.04.2015 mit ihrem Zugang aufgelöst worden ist.

III.

66

Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

67

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 01. Sept. 2016 - 5 Sa 83/16

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 01. Sept. 2016 - 5 Sa 83/16 zitiert 14 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 615 Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko


Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch de

Handelsgesetzbuch - HGB | § 74


(1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbsverbot), bedarf der Schriftform und der Aushändigung

Referenzen - Urteile

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 01. Sept. 2016 - 5 Sa 83/16 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 01. Sept. 2016 - 5 Sa 83/16 zitiert 7 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Apr. 2004 - I ZR 303/01

bei uns veröffentlicht am 22.04.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 303/01 Verkündet am: 22. April 2004 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 01. Sept. 2016 - 5 SaGa 6/15

bei uns veröffentlicht am 01.09.2016

Tenor 1. Das Versäumnisurteil vom 17. Dezember 2015, Az. 5 SaGa 6/15, wird aufrechterhalten. 2. Die Verfügungsbeklagte hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand

Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Feb. 2015 - 6 AZR 845/13

bei uns veröffentlicht am 12.02.2015

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. April 2013 - 2 Sa 490/12 - wird zurückgewiesen.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Teilurteil, 27. Jan. 2015 - 6 Sa 402/14

bei uns veröffentlicht am 27.01.2015

Tenor I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 20. Mai 2014 - Az.: 6 Ca 990/13 - hinsichtlich der Entscheidung über die Klage teilweise wie folg

Bundesarbeitsgericht Urteil, 23. Okt. 2014 - 2 AZR 644/13

bei uns veröffentlicht am 23.10.2014

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. März 2013 - 6 Sa 617/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12

bei uns veröffentlicht am 20.03.2014

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 19. März 2012 - 2 Sa 1105/11 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 15. Jan. 2014 - 10 AZR 243/13

bei uns veröffentlicht am 15.01.2014

Tenor 1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 9. Januar 2013 - 16 Sa 563/12 - wird zurückgewiesen.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 01. Sept. 2016 - 5 Sa 83/16.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 01. Sept. 2016 - 5 Sa 139/16

bei uns veröffentlicht am 01.09.2016

Tenor 1. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 15. Oktober 2015, Az. 1 Ca 660/15, werden zurückgewiesen. 2. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin

Referenzen

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 17. Dezember 2015, Az. 5 SaGa 6/15, wird aufrechterhalten.

2. Die Verfügungsbeklagte hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten nach einseitiger Erledigungserklärung noch darüber, ob das einstweilige Verfügungsverfahren in der Hauptsache erledigt ist.

2

Die Verfügungsklägerin hat mit Schriftsatz vom 05.05.2015 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit folgendem Inhalt beantragt:

3

Der Verfügungsbeklagten aufzugeben, es bei Meidung einer Ordnungsstrafe bis zu € 250.000,00 […] zu unterlassen, zum Rückgriff zu Wettbewerbszwecken auf die ihr während des Bestehens des Beschäftigungsverhältnisses bei der Verfügungsklägerin als Prokuristin und Vertriebsleiterin zugänglich gemachten und anvertrauten Unternehmensdaten, namentlich Kunden- und Lieferantendaten, Konditionen und Kalkulationen, diese an Dritte zu überlassen oder durch Dritte verwerten zu lassen oder selbst zu verwerten.

4

Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Urteil vom 11.05.2015 (Az. 1 Ga 5/15) teilweise als unzulässig und im Übrigen als unbegründet abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfügungsklägerin.

5

Auf Antrag der Verfügungsklägerin hat das Landgericht Mannheim am 20.05.2015 (Az. 23 O 36/15) gegen die von der Verfügungsbeklagten gegründete N. GmbH sowie gegen die Verfügungsbeklagte als deren Geschäftsführerin folgende einstweilige Verfügung erlassen:

6

Den Antragsgegnerinnen wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu € 250.000 […] geboten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken auf die von [der Verfügungsbeklagten] in ihrer Eigenschaft als Vertriebsleiterin und Prokuristen der Antragstellerin während des Dienstverhältnisses angefertigten verkörperten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Aufzeichnungen hierüber und gefertigte Abschriften bzw. Kopien, namentlich die Kundenlisten, die Lieferantenlisten, die Konditionenlisten und das Kontraktverzeichnis, sowie Korrespondenz mit Kunden und Lieferanten der Antragstellerin zuzugreifen und diese zu verwerten.

7

Gegen die einstweilige Unterlassungsverfügung des Landgerichts Mannheim ist kein Widerspruch eingelegt worden.

8

In dem von der Verfügungsklägerin angestrengten Hauptsacheverfahren (Az. 1 Ca 660/15), hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen am 15.10.2016 (Ziff. 3 des Tenors) folgendes Urteil verkündet:

9

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu € 250.000 […] zu unterlassen, für Wettbewerbszwecke die von ihr während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses bei der Klägerin angefertigten textlichen oder auf Datenträgern enthaltenen Aufzeichnungen der zum Geschäftsgeheimnis der Klägerin gehörenden Kundenlisten, Lieferantenlisten, das Kontraktverzeichnis sowie Korrespondenz mit Kunden und Lieferanten zu verwerten oder an Dritte zu überlassen oder von diesen verwerten zu lassen.

10

Die Verfügungsklägerin hat im Hinblick auf die Verkündigung des vorläufig vollstreckbaren erstinstanzlichen Urteils im Hauptsacheverfahren, das von der Verfügungsbeklagten mit der Berufung angegriffen wird (Az. 5 Sa 139/16), das einstweilige Verfügungsverfahren im Termin vom 17.12.2015 vor der Berufungskammer in der Hauptsache für erledigt erklärt.

11

Weil im Termin vom 17.12.2015 für die Verfügungsbeklagte niemand erschienen ist, hat die Berufungskammer durch Versäumnisurteil festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist und der Verfügungsbeklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt. Gegen das am 21.12.2015 zugestellte Versäumnisurteil hat die Verfügungsbeklagte am 23.12.2015 Einspruch eingelegt. Sie widerspricht der Erledigungserklärung.

12

Das Landgericht Mannheim hat im dortigen Hauptsacheverfahren (Az. 23 O 79/15) gegen die N. GmbH und die Verfügungsbeklagte als deren Geschäftsführerin am 07.04.2016 folgendes Urteil verkündet:

13

Die Beklagten werden bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu € 250.000 […] verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken auf die von [der Verfügungsbeklagten] in ihrer Eigenschaft als Vertriebsleiterin und Prokuristen der Klägerin während des Dienstverhältnisses angefertigten verkörperten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Aufzeichnungen hierüber und gefertigte Abschriften bzw. Kopien in Form von Kundenlisten, Lieferantenlisten, Konditionenlisten und dem Kontraktverzeichnis, sowie Korrespondenz mit Kunden und Lieferanten der Klägerin zuzugreifen und diese zu verwerten.

14

Das Urteil wird vor dem OLG Karlsruhe mit der Berufung angegriffen (Az. 6 U 121/16).

15

Die Verfügungsbeklagte macht geltend, die Berufung sei von Anfang an unbegründet gewesen, so dass keine Erledigung eingetreten sei. Die Verfügungsklägerin habe nicht hinreichend dargelegt, dass und warum es sich bei den Daten, die sie kopiert haben soll, um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse iSd. § 17 UWG handele. Es sei weder ersichtlich noch von der Verfügungsklägerin dargetan, dass und warum sie die Daten, die sie kopiert haben soll, jemals für geschäftliche Zwecke oder für Zwecke des Wettbewerbs genutzt hätte oder nutzen würde. Die ursprüngliche Doppelung und inzwischen Vervierfachung der Anträge der Verfügungsklägerin erfolge rechtsmissbräuchlich.

16

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

17

das Versäumnisurteil vom 17.12.2015, Az. 5 SaGa 6/15, aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 11.05.2015, Az. 1 Ga 5/15, zurückzuweisen.

18

Die Verfügungsklägerin beantragt,

19

das Versäumnisurteil vom 17.12.2015 aufrechtzuerhalten.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Außerdem wird Bezug genommen auf den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akten 5 Sa 83/16 (Kündigungsschutzverfahren) und 5 Sa 139/16 (Hauptsacheverfahren).

Entscheidungsgründe

21

Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil der Berufungskammer vom 17.12.2015 ist zwar zulässig (§§ 64 Abs. 7, 59 ArbGG, § 338 ZPO), aber unbegründet. Das Versäumnisurteil der Berufungskammer ist aufrechtzuerhalten, § 343 Satz 1 ZPO. Die Berufung der Verfügungsklägerin ist begründet. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren hat sich erledigt.

22

Die Voraussetzungen der Erledigung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sind erfüllt. Schließt sich die Verfügungsbeklagte - wie hier - der Erledigungserklärung nicht an, erfordert die Feststellung der Erledigung nicht nur, dass der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz durch ein nach Rechtshängigkeit des Eilantrags eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden ist. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung muss darüber hinaus zum Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet gewesen sein. Dies war hier der Fall.

23

Das einstweilige Verfügungsverfahren hat sich erledigt, weil das Arbeitsgericht im Hauptsacheverfahren (Az. 1 Ca 139/16) am 15.10.2015 ein vorläufig vollstreckbares Urteil verkündet hat, aus dem die Verfügungsklägerin vollstrecken kann. Für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist damit der Verfügungsgrund entfallen (vgl. etwa Musielak/Voit/Huber ZPO 13. Aufl. § 916 Rn. 6; Zöller/Vollkommer 31. Aufl. ZPO § 91a Rn. 58 "Arrest und einstweilige Verfügung"; OLG Karlsruhe 24.01.1996 - 6 U 88/95).

24

Vor Verkündung des arbeitsgerichtlichen Urteils im Hauptsacheverfahren war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zulässig und begründet. Es bestand sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO). Der Verfügungsanspruch, dh. das dringende Eilbedürfnis für eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz, folgte bereits aus der Gefahr, dass die Verfügungsbeklagte die von ihr kopierten Daten nutzte, um Kunden und Lieferanten der Verfügungsklägerin zur Geschäftsanbahnung zu kontaktieren. Die Verfügungsklägerin hatte auch einen Verfügungsanspruch. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Berufungskammer insoweit Bezug auf die Entscheidungsgründe im Urteil vom 01.09.2016 im Hauptsacheverfahren zwischen den Parteien (Az. 5 Sa 139/16).

25

Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten kann der Verfügungsklägerin kein Rechtsmissbrauch (missbräuchliche Mehrfachverfolgung) vorgeworfen werden, weil sie Unterlassungsansprüche im einstweiligen Verfügungsverfahren und im Hauptsacheverfahren sowohl vor den Gerichten für Arbeitssachen als auch vor den Zivilgerichten verfolgt. Für dieses Vorgehen sind vernünftige Gründe ersichtlich, weil für die Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb, die auch gegen die von der Verfügungsbeklagten gegründete N. GmbH geltend gemacht werden, die Landgerichte - Kammern für Handelssachen - ausschließlich zuständig sind. Die Erhebung einer Zusammenhangsklage scheidet aus (BAG 10.06.2010 - 5 AZR 3/19).

III.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 344 ZPO.

27

Diese Entscheidung ist unanfechtbar, weil die Revision nicht zulässig ist (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbsverbot), bedarf der Schriftform und der Aushändigung einer vom Prinzipal unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Gehilfen.

(2) Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. März 2013 - 6 Sa 617/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen.

2

Die Beklagte ist tätig auf dem Gebiet der Bahnelektrifizierung und Bahnstromversorgung. Sie ist Marktführerin in Deutschland und beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Der Kläger war bei ihr und ihrer Rechtsvorgängerin seit Oktober 1975, zuletzt als Bereichsleiter Technologie, beschäftigt. Sein Arbeitsort war seit Anfang 2010 O. Der Kläger ist vom Eisenbahn-Bundesamt als Plan- und Abnahmeprüfer auf dem Gebiet der Oberleitungsanlagen mit Rückstromführung und Bahnerdung einschließlich der Statik anerkannt. Er erstellte für die Beklagte Gutachten über elektrische Anlagen. Diese rechnete die Beklagte gegenüber ihren Auftraggebern ab.

4

In einem Rechtsstreit über Vergütungsansprüche des Klägers erklärte dieser vor dem Arbeitsgericht am 3. August 2011 zu Protokoll:

        

„Im Zusammenhang mit dem Reiseantrag für den Zeitraum vom 17. Februar bis 18. Februar 2011 habe ich meinem Vorgesetzten Herrn Dr. Z mitgeteilt, dass ich am 18. Februar 2011 den Dienstwagen zu einem TÜV-Termin nach Ol bringen werde. Er erwiderte daraufhin,
dass er seinen Wagen auch zum TÜV bringen müsse und dies normal sei.“

5

Nach Auffassung der Beklagten war diese Aussage falsch. Die Beklagte sah in dem Verhalten des Klägers den Versuch eines Prozessbetrugs und kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 24. August 2011 außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 5. September 2011 hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 2012. Sie hatte zuvor sowohl ihren sog. Montagebetriebsrat als auch den Betriebsrat in O zu den beabsichtigten Kündigungen angehört.

6

Die außerordentliche Kündigung vom 24. August 2011 ging dem Kläger am 25. August 2011 zu. Mit einem weiteren Schreiben vom 24. August 2011 widerrief die Beklagte die dem Kläger erteilte Prokura und forderte ihn auf, Firmeneigentum herauszugeben. Nach Zugang beider Schreiben bearbeitete der Kläger eine Prüfanfrage der D GmbH (künftig: D) und leitete dieser den Prüfbericht am 29. August 2011 von seiner Privatadresse aus zu. Er hatte den Bericht mit einem Stempel als Gutachter der Beklagten gekennzeichnet. Die damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte der Beklagten mit Schreiben vom 19. September 2011 zu diesem Vorgang ua. mit:

        

„Der vorgenannten Schadensminderungspflicht ist unser Mandant nachgekommen, als er der … von Seiten der D GmbH an ihn persönlich gerichtete[n] Anfrage auf Erstellung eines Prüfberichts nachgekommen ist.

        

…       

        

Mit der Bearbeitung dieses Statik-Prüfberichts für die D GmbH ist unser Mandant daher eindeutig nicht für Ihr Unternehmen tätig geworden.

        

…       

        

Selbstverständlich also ist festzuhalten, dass unser Mandant diese Prüftätigkeit selbständig und auf eigene Rechnung vorgenommen hat.“

7

Nach Anhörung des Montagebetriebsrats und des Betriebsrats O kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 27. September 2011 erneut außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 4. Oktober 2011 hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 2012.

8

Ab dem 1. November 2011 war der Kläger auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 20. September 2011 für die S GmbH (künftig: S) als „Technischer Support/Gutachter im Fernverkehr“ tätig. Er nahm für diese Planprüfungen und damit verbundene Aufgaben wahr und beriet und unterstützte sie bei der Planerstellung. Nach erneuter Anhörung beider Betriebsräte kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 22. November 2011 ein weiteres Mal außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 24. November 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2012.

9

Da der Kläger außerdem einen Prüfauftrag der I GmbH (künftig: I) durchgeführt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - abermals nach Anhörung beider Betriebsräte - mit Schreiben vom 6. Dezember 2011 außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2012. Bei der I handelt es sich um eine Schwestergesellschaft der Beklagten.

10

Gegen sämtliche Kündigungen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat gemeint, es fehle an einem Grund sowohl für die außerordentlichen als auch für die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen. Der Versuch eines Prozessbetrugs habe nicht vorgelegen. Bei der Tätigkeit für die D habe er nicht auf eigene Rechnung gearbeitet. Es habe sich daher nicht um eine Konkurrenztätigkeit gehandelt. Die anders lautende Erklärung im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 19. September 2011 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 1. Februar 2012 korrigiert. Er hat vorgetragen, er habe den Auftrag nach Zugang der ersten außerordentlichen Kündigung nur deshalb durchgeführt, weil er sich hierzu gegenüber der D verpflichtet gefühlt habe, insbesondere weil den Auftrag kein anderer Prüfer der Beklagten habe ausführen können. Der Kläger hat weiter vorgebracht, auch mit seiner Tätigkeit für die S sei er nicht in Wettbewerb zu der Beklagten getreten. Zwischen den beiden Unternehmen bestehe keine Konkurrenz im klassischen Sinne. Das Verhältnis zwischen ihnen sei vielmehr in erheblichem Umfang von unternehmerischer Zusammenarbeit geprägt. Die Beklagte selbst habe ihn in Kenntnis seiner Tätigkeit für die S mit Prüfungen beauftragt. Jedenfalls habe er die Interessen der Beklagten durch seine Tätigkeit nicht beeinträchtigt. Außerdem habe es sich, nachdem die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zuvor gekündigt habe, um eine Übergangslösung gehandelt und nicht um eine auf Dauer angelegte Konkurrenztätigkeit. Auch für die I sei er nicht in Konkurrenz zur Beklagten tätig geworden. Die I sei bei dem betreffenden Projekt als Nachunternehmerin der Beklagten beauftragt gewesen. Er habe zudem bei einem Mitarbeiter der Beklagten nachgefragt, ob seine Beauftragung durch die I von der Beklagten freigegeben sei, was dieser bejaht habe. Der Kläger hat hinsichtlich aller außerordentlichen Kündigungen gerügt, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Zu der Kündigung vom 22. November 2011 sei überdies der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.

11

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. August 2011, noch durch die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 27. September 2011, 22. November 2011 und 6. Dezember 2011, noch durch die ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 5. September 2011, 4. Oktober 2011, 24. November 2011 und 12. Dezember 2011 beendet worden ist.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Kündigungen seien jeweils schon als außerordentliche gerechtfertigt. Der Kläger habe für den 18. Februar 2011 Dienstgeschäfte in E vorgetäuscht. Die von ihm in dem Vergütungsrechtsstreit zu Protokoll gegebene Erklärung, er habe seinen Vorgesetzten vorab über seinen Aufenthalt in Ol am 18. Februar 2011 unterrichtet, sei unwahr. Selbst wenn sie wahr wäre, hätte der Kläger sie, die Beklagte, im Zusammenwirken mit seinem Vorgesetzten doch darüber getäuscht, nicht in E, sondern in Ol gewesen zu sein. Mit Blick auf die Erledigung des Auftrags für die D habe sich aufgrund der Angaben im Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19. September 2011 zumindest im Kündigungszeitpunkt der dringende Verdacht einer Konkurrenztätigkeit ergeben. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Sie habe erst mit Eingang der Stellungnahme des Klägers zu laufen begonnen. Auch mit der Tätigkeit für die S habe sich der Kläger in unerlaubten Wettbewerb zu ihr begeben. Der Umstand, dass sie und die S Aufträge gelegentlich in Arbeitsgemeinschaften oder im Haupt- und Subunternehmerverhältnis erledigten, beseitige nicht ihrer beider Konkurrenzverhältnis. Die Prüftätigkeit für die I habe ebenso einer ihrer Arbeitnehmer erbringen können. Ihre Geschäftsführung sei erst am 28. November 2011 über den Sachverhalt informiert worden.

13

Das Arbeitsgericht hat die außerordentlichen Kündigungen vom 24. August 2011 und 27. September 2011 als unwirksam angesehen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers insgesamt stattgegeben und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt diese ihr Begehren weiter, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Für die außerordentlichen Kündigungen fehlt es an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB, die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen sind sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.

15

I. Die außerordentliche Kündigung vom 24. August 2011 ist nicht gerechtfertigt. In der Protokollerklärung des Klägers in dem vorausgegangenen Rechtsstreit liegt kein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

16

1. Bewusst wahrheitswidrige Erklärungen, die ein Arbeitnehmer in einem Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber abgibt, weil er befürchtet, mit wahrheitsgemäßen Angaben den Prozess nicht gewinnen zu können, können geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen (BAG 8. November 2007 - 2 AZR 528/06 - Rn. 17). Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Einordnung an; ein Arbeitnehmer, der bewusst falsch vorträgt, um sich einen Vorteil im Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber zu verschaffen, verletzt in erheblicher Weise seine nach § 241 Abs. 2 BGB bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers(vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 528/06 - aaO).

17

2. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, der Kläger habe die fragliche Protokollerklärung in dem Bewusstsein abgegeben, sich durch wahrheitswidrige Angaben einen Vorteil gegenüber der Beklagten im Rechtsstreit über seine Vergütungsansprüche zu verschaffen.

18

a) Es hat dies daraus abgeleitet, dass die Frage, wo der Kläger den Dienstwagen zum TÜV gebracht und seine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht habe, für seinen Vergütungsanspruch ohne Bedeutung gewesen sei. Aus dem weiteren Vorbringen des Klägers in dem Vorprozess ergebe sich, dass auch er selbst diese Frage in keiner Weise für entscheidungserheblich gehalten habe.

19

b) Die Beklagte hat demgegenüber geltend macht, in diesem Fall hätte der Kläger nichts befürchten müssen, wenn er wahrheitsgemäße Angaben gemacht hätte. Ein anderer Grund für seine unzutreffende Erklärung als die Absicht, sich dadurch einen Vorteil zu verschaffen, sei daher nicht ersichtlich. Damit zeigt die Beklagte keinen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts auf. Ein solcher ist auch objektiv nicht ersichtlich. Die Schlussfolgerungen der Beklagten aus dem Prozessverhalten des Klägers sind nicht zwingend. Sie setzen voraus, dass der Kläger bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht hat. Dies ist weder festgestellt noch gibt es dafür objektiv hinreichende Anhaltspunkte. Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, die Erklärung des Klägers habe nicht der Wahrheit entsprochen, muss das diesem nicht bewusst gewesen sein. Ebenso gut kann er sich in seiner Erinnerung darüber, ob er seinen Vorgesetzten vorab über den Aufenthalt in Ol am 18. Februar 2011 unterrichtet hatte, getäuscht haben. Die Beklagte trägt die Darlegungslast für den Kündigungsgrund und damit für eine Schädigungsabsicht des Klägers. Dieser ist sie nicht hinreichend nachgekommen. Das Landesarbeitsgericht musste deshalb keinen Beweis darüber erheben, ob die Erklärung des Klägers wahrheitswidrig war.

20

II. Ebenso fehlt es an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung vom 27. September 2011. Die Voraussetzungen für eine Kündigung wegen des Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung liegen nicht vor.

21

1. In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten Tatsachen von Bedeutung. Es sind auch solche später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 25; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 41). Dies gilt zumindest dann, wenn sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen. Der Arbeitgeber kann verdachtserhärtende Tatsachen in den Prozess einführen, die ihm erst nachträglich bekannt geworden sind, der Arbeitnehmer solche, die den Verdacht entkräften. Bei einer Verdachtskündigung muss der Besonderheit Rechnung getragen werden, dass für sie nicht der volle Nachweis einer Pflichtverletzung verlangt wird. Blieben den Arbeitnehmer entlastende Tatsachen, die erst im Prozess zutage getreten sind, außer Betracht, hätte der Arbeitgeber nur nachzuweisen, dass jedenfalls zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung bestehenden Gefahr, einen „Unschuldigen“ zu treffen, nicht gerecht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 42; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28). Die Berücksichtigung später bekannt gewordener Umstände steht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass sich die Wirksamkeit einer Kündigung nach den bei ihrem Zugang gegebenen - objektiven - Tatsachen richtet (vgl. dazu BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, BAGE 134, 349; 27. Februar 1997 - 2 AZR 160/96 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 85, 194). Diese erschöpfen sich auch im Fall der Verdachtskündigung nicht etwa notwendig in den dem Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt bekannten Verdachtsmomenten.

22

2. Selbst Umstände, die auch objektiv erst nachträglich eingetreten sind, können für die gerichtliche Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung ausnahmsweise von Bedeutung sein, falls sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 53, BAGE 134, 349; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO mwN). Von Bedeutung kann dies gerade für die Würdigung von verdachtsbegründenden Indiztatsachen sein.

23

3. Danach hat das Landesarbeitsgericht in dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19. September 2011 zu Recht keine hinreichenden Verdachtsmomente dafür gesehen, dass der Kläger einen der Beklagten erteilten Auftrag der D für eigene Rechnung bearbeitet habe.

24

a) Es durfte zum einen berücksichtigen, dass der Kläger die Angaben seiner Prozessbevollmächtigten im Schreiben vom 19. September 2011 nachträglich korrigiert hat. Damit hat er sich von ihnen distanziert. Sie können nicht mehr uneingeschränkt als sein eigenes Eingeständnis gewertet werden und erscheinen dadurch in einem anderen Licht.

25

b) Es durfte zum anderen annehmen, dass weitere Verdachtsmomente gegen den Kläger nicht bestünden. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe bei der D nicht nachgefragt, auf wen die Rechnung für den Auftrag gestellt worden sei. Der Inhalt der Prüfunterlagen spreche dafür, dass der Kläger durch die Verwendung des Stempels der Beklagten deutlich gemacht habe, für diese tätig geworden zu sein. Gegen diese Würdigung bringt die Beklagte keine beachtlichen Einwände vor. Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts sind auch objektiv nicht ersichtlich. Zwar hat es nicht festgestellt, aus welchem Grund es zu den zunächst falschen Angaben der Prozessbevollmächtigten des Klägers gekommen ist. Es hat aber, zumal die Prüfungsunterlagen die Version des Klägers stützten, ersichtlich einen bloßen Abstimmungsfehler für möglich gehalten. Soweit die Beklagte in der Revisionsinstanz geltend gemacht hat, der Kläger habe sehr wohl privat abrechnen wollen und dies nur deshalb nicht getan, weil er über keinen anderen als ihren Stempel verfügt habe, hat sie keine zulässige Verfahrensrüge erhoben. Sie hat nicht dargelegt, dass und an welcher Stelle sie die für diese Annahme sprechenden Umstände in den Vorinstanzen vorgetragen habe. Die Rüge ist zudem unbegründet. Es bliebe auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens dabei, dass es keine hinreichenden Verdachtsmomente dafür gibt, der Kläger sei auf eigene Rechnung tätig geworden.

26

III. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Tätigkeit des Klägers für die S ab dem 1. November 2011 stelle keinen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung vom 22. November 2011 dar. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

27

1. Ein Arbeitnehmer, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten entfaltet, verstößt gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB. Es handelt sich in der Regel um eine erhebliche Pflichtverletzung. Sie ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 20; 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN).

28

a) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt (BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 560/11 - Rn. 14; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22). Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB normiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - zu II 1 a der Gründe). Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - aaO). Allerdings darf er, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten(vgl. BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15). Verboten ist lediglich die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, etwa durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden. Bloße Vorbereitungshandlungen erfüllen diese Voraussetzungen regelmäßig nicht (BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - aaO).

29

b) Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Ein Arbeitnehmer darf deshalb grundsätzlich auch nach Zugang einer von ihm gerichtlich angegriffenen fristlosen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, falls sich die Kündigung später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des - für ihn erfolgreichen - Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 23; 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 a der Gründe). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO). Seine Obliegenheit aus § 615 Satz 2 BGB, nicht böswillig anderweitigen Erwerb zu unterlassen, rechtfertigt es nicht, eine Konkurrenztätigkeit im Geschäftsbereich des Arbeitgebers aufzunehmen(BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 a bb der Gründe).

30

2. Bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot nach Zugang einer - gerichtlich angegriffenen - außerordentlichen Kündigung die weitere Kündigung des Arbeitsverhältnisses - falls es auf sie noch ankommt - rechtfertigen kann, ist im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung (vgl. auch dazu BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26; 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 b der Gründe) zu berücksichtigen, dass sich in einer solchen Konstellation beide Parteien objektiv vertragswidrig verhalten.

31

a) Eine Fallgestaltung wie die vorliegende ist durch ein in sich widersprüchliches Verhalten beider Vertragsparteien gekennzeichnet. Der Arbeitgeber beruft sich vorrangig auf die Wirksamkeit einer schon zuvor erklärten Kündigung, erwartet aber vom Arbeitnehmer ein Verhalten, das dieser nur bei Unwirksamkeit der Kündigung schuldet. Hätte im Übrigen der Arbeitgeber - entsprechend der objektiven Rechtslage - keine Kündigung erklärt, hätte aller Voraussicht nach der Arbeitnehmer keinen Anlass für die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit gehabt. Der Arbeitnehmer wiederum erstrebt die Feststellung einer Unwirksamkeit der früheren Kündigung, verstößt aber mit der Aufnahme von Konkurrenztätigkeiten gegen gerade dann bestehende Unterlassungspflichten.

32

b) Auf diese Besonderheiten ist bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers zumutbar ist, Bedacht zu nehmen. Es spricht dabei zugunsten des Arbeitnehmers, wenn die Wettbewerbstätigkeit erst durch die frühere - unwirksame - Kündigung ausgelöst worden ist (vgl. für einen Handelsvertreter BGH 28. April 1960 - VII ZR 218/59 - zu 6 der Gründe). Dann rechtfertigt die objektiv gegebene Pflichtverletzung des Arbeitnehmers für die Zeit nach Prozessende in der Regel keine negative Verhaltensprognose. Auch ist zu berücksichtigen, ob der Wettbewerb auf eine dauerhafte Konkurrenz zum bisherigen Arbeitgeber angelegt ist oder zunächst nur eine Übergangslösung für den Schwebezustand bis zur Klärung der Rechtslage darstellt (BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 b bb der Gründe). Von Bedeutung ist ferner, ob dem Arbeitgeber aufgrund der Art und der Auswirkungen der Konkurrenztätigkeit unmittelbar ein Schaden zugefügt wird oder nur eine abstrakte Gefährdung von dessen geschäftlichen Interessen vorliegt (vgl. BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - aaO).

33

3. Zu Recht hat danach das Landesarbeitsgericht den Interessen des Klägers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses den Vorrang gegenüber den Interessen der Beklagten an dessen Beendigung eingeräumt.

34

a) Der Kläger hat den Arbeitsvertrag mit der S erst geschlossen und die Tätigkeit für sie erst aufgenommen, nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zuvor fristlos gekündigt hatte. Da keine Anhaltspunkte für das Gegenteil vorliegen, lässt dies nur den Schluss zu, dass seine Wettbewerbstätigkeit durch die Kündigung ausgelöst worden ist. Das spricht zudem dafür, dass der Kläger sie lediglich als Ersatz für seine bisherige Tätigkeit aufgenommen hat. Es sind keine Umstände festgestellt oder objektiv erkennbar, die die Annahme rechtfertigten, er hätte es auf eine dauerhafte Konkurrenz zur Beklagten angelegt. Der Kläger hat nicht etwa ein eigenes Unternehmen in Konkurrenz zur Beklagten aufgebaut. Aus dem neu eingegangenen Arbeitsverhältnis konnte er sich für den Fall, dass er mit der Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte obsiegen würde, jederzeit - etwa durch Kündigung - wieder lösen.

35

b) Das Landesarbeitsgericht durfte zugunsten des Klägers berücksichtigen, dass er durch seine Tätigkeit für die S der Beklagten keinen unmittelbaren Schaden zugefügt hat. Soweit die S für die Beklagte tätig geworden ist, hat er dieser sogar die zeitgerechte Auftragserfüllung gesichert. Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass ein Wettbewerbsverstoß auch ohne eine konkrete Schädigung vorliegen kann. Darum geht es jedoch nicht. Es geht darum, ob dieser Verstoß eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt.

36

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht nicht angenommen, möglicher Gewinn sei im gegebenen Zusammenhang schlechthin kein schützenswertes Interesse. Es hat lediglich gewürdigt, dass der Beklagten ein Gewinn aus den Prüfarbeiten des Klägers nicht deshalb entgangen ist, weil dieser für die S tätig war. Dies sei vielmehr die Folge davon gewesen, dass sie das Arbeitsverhältnis der Parteien zuvor fristlos gekündigt habe, ohne einen Ersatz für den Kläger einzustellen. Das Landesarbeitsgericht hat damit zu Recht eine Kausalität zwischen der Konkurrenztätigkeit des Klägers und einem Gewinnausfall der Beklagten verneint. Auch wenn der Kläger nicht für die S gearbeitet hätte, hätte die Beklagte die von ihm erbrachte Tätigkeit nicht selbst und mit eigenen Arbeitnehmern durchführen können.

37

d) Die von der Beklagten vermissten weiteren Gesichtspunkte hat das Landesarbeitsgericht bei der Interessenabwägung nicht unberücksichtigt gelassen. Es hat ihnen nur kein zugunsten der Beklagten ausschlaggebendes Gewicht beigemessen.

38

aa) Die mit der Tätigkeit des Klägers verbundene Möglichkeit einer Gewinnerhöhung bei der S hat das Landesarbeitsgericht - wie seine Ausführungen zum Fehlen einer unmittelbaren Schädigung der Beklagten erkennen lassen - zutreffend nicht als einen erschwerenden Umstand erachtet. Ein möglicher wirtschaftlicher Vorteil für das konkurrierende Unternehmen ist einer Konkurrenztätigkeit immanent.

39

bb) Das Landesarbeitsgericht hat auch den Grad des Schuldvorwurfs nicht unberücksichtigt gelassen. Es hat vielmehr auf die Besonderheiten einer Konkurrenztätigkeit nach fristloser Kündigung abgestellt. Danach ist dem Arbeitnehmer zwar kein Wettbewerb zu seinem bisherigen Arbeitgeber gestattet, wenn das Arbeitsverhältnis - objektiv - fortbesteht. Die Situation lässt eine gleichwohl aufgenommene Konkurrenztätigkeit aber in der Regel in einem milderen Licht erscheinen. Durch die fristlose Kündigung hatte der Arbeitgeber zu verstehen gegeben, sich seinerseits an vertragliche Pflichten nicht mehr gebunden zu fühlen.

40

cc) Auf der Basis der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in vollem Bewusstsein der Tatsache gehandelt hätte, die Beklagte werde seine Konkurrenztätigkeit nicht akzeptieren. Die Beklagte macht zwar geltend, der Kläger habe dies daran erkennen müssen, dass sie schon auf seine Konkurrenztätigkeit für die D mit einer außerordentlichen Kündigung reagiert habe. Aus dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Kündigungsschreiben vom 27. September 2011 ergibt sich ein solcher Kündigungsgrund aber nicht. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass und ggf. welche sonstigen Umstände die Annahme rechtfertigen sollten, der Kläger habe im Bewusstsein dessen gehandelt, sie werde seine Tätigkeit für die S keinesfalls akzeptieren. Es kann daher dahinstehen, ob dies anderenfalls zu ihren Gunsten zu werten wäre. Dagegen spricht, dass es nicht auf die subjektive Bereitschaft zur Akzeptanz auf Seiten des Arbeitgebers, sondern darauf ankommt, was diesem objektiv zuzumuten ist (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 47, BAGE 134, 349).

41

dd) Das Landesarbeitsgericht hat auch berücksichtigt, dass der Kläger nicht nur punktuell, sondern im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, dh. kontinuierlich für die S tätig geworden ist. Es hat diesen Umstand erkennbar deshalb nicht als erschwerend angesehen, weil damit keine unmittelbare Schädigung der Beklagten einhergegangen sei. Diese habe nicht vorgetragen, dass ihre eigenen Arbeitnehmer, die solche Prüftätigkeiten hätten ausführen können, nicht ausgelastet gewesen seien. Sie habe vielmehr nicht über ausreichende eigene Kapazitäten verfügt, um eine zeitnahe Prüfung sicherzustellen. Diese Würdigung lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

42

IV. Die außerordentliche Kündigung vom 6. Dezember 2011 ist mangels wichtigen Grundes ebenfalls unwirksam. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

43

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, auch die auf wettbewerbswidriges Verhalten des Klägers gestützte Kündigung vom 6. Dezember 2011 sei nach § 626 Abs. 1 BGB nicht gerechtfertigt. Bei der I handele es sich um ein Schwesterunternehmen der Beklagten, das für diese bei dem fraglichen Auftrag als Nachunternehmerin tätig geworden sei. Eine Verletzung der Interessen der Beklagten sei nicht ersichtlich.

44

2. Die Sachrügen, die die Beklagte gegen diese Würdigung vorbringt, entsprechen denen, die sie gegen die Auffassung des Landesarbeitsgerichts von der Unwirksamkeit der Kündigung vom 22. November 2011 erhoben hat. Sie greifen aus den dargelegten Gründen nicht durch. Hinzu kommt, dass sich die Tätigkeit des Klägers für die I in der Ausführung eines einzelnen Prüfauftrags erschöpfte, für den die I Nachunternehmerin der Beklagten war. Eine fortdauernde Tätigkeit lag nicht vor. Die Verfahrensrüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe nicht in Erwägung gezogen, dass sie vorgetragen habe, einer ihrer Arbeitnehmer habe den Auftrag erledigen können, ist unzulässig. Aus dem Tatbestand der angefochtenen Entscheidung ergibt sich lediglich, dass die Beklagte dies erstinstanzlich behauptet hat, nicht aber, was sie dazu im Einzelnen vorgebracht, ob sie für ihr Vorbringen Beweis angetreten und ob sie Vortrag und ggf. Beweisantritt im Berufungsverfahren aufrechterhalten hat. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass im Berufungsverfahren unstreitig wurde, die Beklagte sei an der Durchführung des Auftrags schon aus rechtlichen Gründen gehindert gewesen.

45

V. Gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen seien „aus den gleichen Gründen“ nicht sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG, erhebt die Beklagte keine gesonderten Rügen. Ein Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts ist auch objektiv nicht ersichtlich.

46

1. Das Landesarbeitsgericht hat offenbar angenommen, die ordentlichen Kündigungen seien aus eben den Gründen sozial ungerechtfertigt, aus denen die außerordentlichen Kündigungen unwirksam seien. Bei deren Prüfung hat es die Folgen der (teilweise unterstellten) Pflichtverletzungen und den Grad des Verschuldens des Klägers als nicht so schwerwiegend angesehen, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar gewesen sei.

47

2. Wenn das Landesarbeitsgericht auf diese Gründe mit Blick auf die ordentlichen Kündigungen Bezug nimmt, bedeutet das, dass es zu dem Ergebnis gelangt ist, der Beklagten sei eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zuzumuten. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

48

VI. Die Kosten ihrer erfolglosen Revision hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Frey     

        

    Torsten Falke    

                 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 20. Mai 2014 - Az.: 6 Ca 990/13 - hinsichtlich der Entscheidung über die Klage teilweise wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Vergütung für den Zeitraum vom 01. bis 27. Oktober 2009 in Höhe von 4.354,84 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. November 2009 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Arbeitgeber-Zuschüsse zur PV und KV für den Zeitraum vom 01. bis 27. Oktober 2009 in Höhe von 232,82 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. November 2009 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz vom 20. Mai 2014 - Az.: 6 Ca 990/13 - über die Klage zurückgewiesen.

III. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 20. Mai 2014 - Az.: 6 Ca 990/13 - hinsichtlich der Entscheidung über die Widerklage teilweise wie folgt abgeändert.

1. Der Kläger wird verurteilt, Auskunft zu erteilen, welche Angebote er im Zeitraum vom 24. September 2008 bis 26. Oktober 2009 vorgenommen hat und wann, wo er welche Aufträge eigenen Namens oder namens der neu gegründeten Firma V entgegengenommen oder an Vertragsverhandlungen mitgewirkt hat.

2. Die Widerklage wird hinsichtlich der Anträge zu 1a), 1b) im Übrigen, 3) und 4) abgewiesen.

IV. Die Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz vom 20. Mai 2014 - Az.: 6 Ca 990/13 - wird hinsichtlich der Widerklageanträge zu 1a), 1b) im Übrigen, 3) und 4) zurückgewiesen.

V. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen unerlaubten Wettbewerbs, um restliche Vergütungsansprüche des Klägers und um Auskunfts- und Schadensersatzansprüche, die die Beklagte im Wege der Widerklage verfolgt.

2

Der Kläger, der Geschäftsführer der Beklagten, die Zeugen T, O und E waren gemeinsam in der Entwicklungsabteilung der E E- und L GmbH beschäftigt. Ab 01. April 2005 begründete der Kläger (verheiratet und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet) mit der neu gegründeten Beklagten ein Arbeitsverhältnis als Leiter Systemadministration zu einer Bruttovergütung von 5.000,00 Euro zuzüglich eines Arbeitgeberzuschusses zur Pflege- und Krankenversicherung in Höhe von 267,31 Euro monatlich. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 14. Februar 2005 (im Folgenden: AV), hinsichtlich dessen Inhaltes im Einzelnen auf Bl. 5 f. d. A. verwiesen wird. Der Kläger hatte seine Arbeitsleistung in einem von der Beklagten ausschließlich für ihn angemieteten Projektbüro in München zu erbringen. In diesem Zusammenhang stand ihm unmittelbarer Zugriff auf die Datenverarbeitungssysteme der Beklagten zu. Auch die Zeugen T, O und E nahmen eine Tätigkeit für die Beklagte auf.

3

Während seiner Beschäftigung entwickelte der Kläger das Produkt der Beklagten, den Datenlogger X, bei dem es sich um einen sog. Multibus-Logger handelt, der in der Lage ist, den gesamten Bordnetz-Datenverkehr eines der modernsten Oberklasse-Fahrzeuge in Echtzeit aufzuzeichnen und mit sehr hoher Genauigkeit von 100 Nano-Sekunden zu speichern. Ende 2009/ Anfang 2010 waren mehr als 300 der Geräte bei der Firma B AG, dem Schlüsselkunden der Beklagten, im Einsatz. Bei der Beklagten war seit Ende 2008 dem Zeugen T die Entwicklung der Hardware-Seite eines sog. Datenloggers der „3. Generation“ übertragen. Ob der Kläger auf die Entwicklungsergebnisse Zugriff hatte, ist zwischen den Parteien umstritten.

4

Der Kläger erwog im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses, sich zusammen mit seinen Kollegen T, E und O selbstständig zu machen. Gespräche über eine mögliche Beteiligung bei der Beklagten scheiterten aus zwischen den Parteien streitigen Gründen. Im Zuge der Überlegungen zur Selbstständigkeit kam es unter Teilnahme des Klägers am 24. September 2008 in F und am 10. November 2008 in S zu Gesprächen mit dem ehemaligen Vorgesetzten des Klägers und seiner Kollegen bei der E E- und L GmbH, dem dortigen Leiter des Geschäftsbereichs Automotive und Mitglied der Geschäftsführung S, deren Inhalt im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist, die aber jedenfalls auch einen - weiterentwickelten bzw. noch zu entwickelnden - Datenlogger und eine eventuelle Kooperation mit der E Elektroniksystem- und L GmbH zum Gegenstand hatten.

5

Das Arbeitsverhältnis des Zeugen E zur Beklagten endete zum 31. August 2008. Der Zeuge T schied aus dem Beschäftigungsverhältnis zur Beklagten - nach zunächst von der Beklagten ausgesprochener ordentlicher Kündigung zum 30. Juni 2009 - durch Aufhebungsvereinbarung Ende März 2009 bei Zahlung einer Abfindung in Höhe von 26.500,00 Euro aus. Personalverantwortlich, auch hinsichtlich der Vereinbarung der Abfindung, war bei der Beklagten zum damaligen Zeitpunkt der Zeuge B.

6

Am 26. Mai 2009 fand ein „Kick-off Meeting Kooperationsgespräche“ zwischen der Firma R und S I O GmbH und dem Kläger und den Zeugen T und E als Vertreter der von ihnen geplanten Firma V GmbH statt, hinsichtlich dessen Agenda auf Bl. 263 d. A. verwiesen wird. Zu einem weiteren Gespräch kam es am 30. Juni 2009. Die Beklagte stand zum damaligen Zeitpunkt nicht in Kooperation zur Firma R und S I O GmbH. Diese war allerdings in der Vergangenheit Auftragnehmer der Beklagten im Segment Messtechnik für die Lieferung eines zu verwendenden Teils. Der Kläger hatte für die Teilnahme an den beiden Gesprächen keinen Urlaub beantragt. Es ist zwischen den Parteien streitig, ob dies zum damaligen Zeitpunkt aufgrund einer Arbeitsanweisung der Beklagten erforderlich war oder - wie unstreitig jedenfalls vor Februar 2009 - aufgrund flexibler Handhabung der Arbeitszeiten nicht nötig gewesen ist. Ebenso ist umstritten, was im Einzelnen Inhalt der Gespräche war.

7

Am 02. Juni 2009 gründete der Kläger mit seinen Kollegen T und O die V GmbH, deren Geschäftsführer der Zeuge T ist und an der der Kläger zu 25 % beteiligt ist. Die V GmbH hatte sich zum Ziel gesetzt, einen Datenlogger mit der Bezeichnung M 2011+ zu entwickeln und die Markteinführung vorzubereiten. Ob dieser Datenlogger bereits entwickelt war, insbesondere ob dies während des Beschäftigungsverhältnisses mit der Beklagten geschehen ist, und ob er eine Weiterentwicklung des Datenloggers der Beklagten X unter Verwendung von Betriebsgeheimnissen der Beklagten darstellt, ist zwischen den Parteien streitig.

8

Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten fristgerecht zum 31. Oktober 2009. Im Vorfeld wurde der Geschäftsführer der Beklagten in einem Gespräch mit dem Kläger und den Zeugen B und O am 07. Juli 2009 über die Neugründung der V GmbH in Kenntnis gesetzt, und darüber, dass der Kläger und die vorgenannten Mitarbeiter in diese Firma wechseln wollten. Dem Zeugen B wurde von der Beklagten am 14. Juli 2009 fristlos gekündigt, der Zeuge O war noch bis 31. Dezember 2009 bei der Beklagten beschäftigt.

9

Am 21. Oktober 2009 erhielt der Geschäftsführer der Beklagten ein Schreiben des Zeugen S (Bl. 46 d. A.), in dem dieser mitteilte, der Kläger und die Zeugen T, E und B hätten ihn in verschiedener Zusammensetzung und an unterschiedlichen Orten am 24. September 2008, 10. Januar, 04. Februar, 09. April und 08. Mai 2009 aufgesucht und mit ihm unterschiedliche Themen besprochen, die ihm im Einzelnen nicht mehr erinnerlich seien, bei denen die Herren aber generell einen nach ihrer Aussage bereits entwickelten und noch weiter zu entwickelnden Datenlogger vorgestellt und ihm zur gemeinsamen Vermarktung und Weiterentwicklung angeboten hätten unter der Bedingung, dass die E E- und L GmbH das angedachte, aber noch nicht fertig gestellte Geschäftsmodell finanziell unterstütze. Weiter heißt es im Schreiben, wegen dessen Inhalt im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen wird:

10

„Auf meine Frage, dass das Produkt doch der Firma X gehöre, wurde mir erklärt, dass es von einer neuen Organisation weiter entwickelt werden soll und es diesbezüglich mit Herrn Dr. W, dem Inhaber und Geschäftsführer der X, eine Absprache gebe. …“

11

Mit Schreiben vom 26. Oktober 2009, dem Kläger zugegangen am 27. Oktober 2009, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos.

12

Der Kläger hat am 16. November 2009 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - Kündigungsschutzklage erhoben und zugleich die von der Beklagten nicht an ihn ausgekehrte Vergütung für Oktober 2009 einschließlich der Arbeitgeberzuschüsse zu Pflege- und Krankenversicherung geltend gemacht. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 22. Januar 2010, bei Gericht eingehend am gleichen Tag und dem Kläger zugestellt am 27. Januar 2010, im Wege der Stufenklage widerklagend Auskunft ua. über vom Kläger im Namen der V GmbH entgegengenommene Aufträge oder Mitwirkung an Vertragsverhandlungen verlangt, sowie Versicherung an Eides Statt und Schadensersatz in zu beziffernder Höhe.

13

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, ein wichtiger Kündigungsgrund sei nicht ersichtlich. Er habe die Interessen der Beklagten stets in dem ihm obliegenden Maß gewahrt und bis zum Ausspruch der fristlosen Kündigung seine Arbeitskraft gewissenhaft und im vereinbarten Umfang zur Verfügung gestellt, insbesondere die Bearbeitung eines im Frühjahr 2009 beim Datenlogger X aufgetretenen Fehlers entgegen der Behauptung der Beklagten nicht absichtlich verzögert. Die von der Beklagten behauptete Fehlerbehebung durch den Zeugen G und den Geschäftsführer der Beklagten werde mit Nichtwissen und als unsubstantiiert bestritten. Es habe sich insoweit um eine seltene schwer lokalisierbare Fehlfunktion gehandelt, für die es keine banale Lösung gegeben habe, zumal er noch mit anderen Projekten und mit einem vom Kunden als wesentlich schwer wiegender eingeschätzten Fehlers befasst gewesen sei. Die - von der Beklagten unsubstantiiert behauptet: während der Arbeitszeit geführten - Gespräche mit seinem früheren Vorgesetzten bei der E E- und L GmbH S, der als eine Art Mentor fungiert habe und die Beklagte im Übrigen bereits am 28. September 2009 über sein angebliches Fehlverhalten informiert habe, hätten nur eine unverbindliche Diskussion über mögliche künftige Kooperationen, Joint Ventures und eine etwaige finanzielle Unterstützung bei einer potentiellen Selbstständigkeit bezweckt, was letztlich jedoch nicht zum Tragen gekommen sei. Er habe den Datenlogger X bzw. dessen unmittelbare Weiterentwicklung nicht Dritten angeboten und zu keinem Zeitpunkt Datenblätter des Datenloggers der Beklagten unbefugten Dritten gezeigt oder sich Dritten gegenüber geschäftsschädigend geäußert. Die unsubstantiierten Anschuldigungen der Beklagten seien auch Gegenstand des gegen ihn und die Kollegen geführten, zuletzt rechtskräftig eingestellten Strafverfahrens gewesen und hätten sich in keinem einzigen Fall als wahr erwiesen. Er habe zu keinem Zeitpunkt unentschuldigt gefehlt und jeweils vor dem 24. September 2008 und 10. November 2008 Urlaub genommen. Es sei nicht zu beanstanden, wenn er - nachdem die Gespräche über eine Beteiligung bei der Beklagten gescheitert gewesen seien - neue Beschäftigungsmöglichkeiten ausgelotet habe. Er habe zu keinem Zeitpunkt geheime Informationen weitergegeben oder Entwicklungen der Beklagten preisgegeben. Eine Diskussion über die technischen Anforderungen an zukünftige Datenlogger sei rechtlich nicht zu beanstanden. Er habe auch nicht an der Entwicklung einer neuen Generation des Datenloggers auf Basis Intel-Atom-Technologie mitgewirkt und auf die entsprechenden Entwicklungsergebnisse der Beklagten zugreifen können. Die außerordentliche Kündigung sei zudem verfristet, da der Geschäftsführer der Beklagten seit 07. Juli 2009 von der Firmengründung gewusst habe. Er habe weder während seiner Beschäftigungszeit bei der Beklagten für die Firma L C GmbH gearbeitet (Gegenteiliges habe er entgegen dem beklagtenseitigen Vortrag auch nicht gegenüber dem Zeugen W behauptet), noch insoweit Stundenkontingente der Beklagten unterschlagen. Die L C GmbH habe der Beklagten in 2006 zwei konkrete Aufträge erteilt, hinsichtlich derer die Stundenkontinente nicht verbraucht worden seien, so dass der Zeuge T und er sich im Auftrag des Geschäftsführers der Beklagten zur Vermeidung des Verfalls - letztlich mangels geeigneten Projektes ergebnislos - um eine Übertragung in die Folgejahre bemüht hätten. Eine Umbudgetierung habe es gerade nicht gegeben. Er habe aufgrund des Angebots der V GmbH vom 24. September 2009 (Bl. 516 d. A.) erst nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten vom 02. November bis 31. Dezember 2009 ca. 300 Stunden für die L C GmbH gearbeitet. Bei der Rechnung vom 21. Dezember 2009 (Bl. 512 d. A.) habe es sich um eine Abschlagsrechnung und Vorschussrechnung gehandelt, die ausweislich des Lieferscheins vom 29. April 2010 (Bl. 293 d. A.) erst in 2010 abgearbeitet worden sei, was man auch daran erkennen könne, dass ein Lieferdatum am 21. Dezember 2009 noch nicht vereinbart gewesen sei. Am 16. Dezember 2009 seien 300 gelieferten Stunden mit Lieferschein (Bl. 511 d. A.) in Rechnung gestellt worden (vgl. Bl. 510 d. A.).

14

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

15

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2009, zugegangen am 27. Oktober 2009, nicht aufgelöst worden ist, sondern bis 31. Oktober 2009 fortbestanden hat.

16

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Vergütung für Oktober 2009 in Höhe von 5.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. November 2009 zu zahlen.

17

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die AG-Zuschüsse zur PV und KV für Oktober 2009 in Höhe von 267,31 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit 01. November 2009 zu zahlen.

18

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Widerklagend hat sie erstinstanzlich zuletzt beantragt,

21

1. Der Kläger und Widerbeklagte wird verurteilt, der Beklagten und Widerklägerin Auskunft über die im Zeitraum vom 24. September 2008 bis zum 26. Oktober 2009 getätigten Arbeiten zu erteilen, insbesondere mitzuteilen, welche Entwicklungen, Konzepte und Angebote er alleine oder gemeinsam mit anderen Personen vorgenommen hat. Wann, wo, welche Aufträge von wem er eigenen Namens oder namens der neu gegründeten Firma V entgegen genommen oder an Vertragsverhandlungen mitgewirkt hat.

22

Die Auskunft ist aufzuschlüsseln nach Datum, Ort und Zeitaufwand des Klägers.

23

2. Nach erteilter Auskunft hat der Kläger die Vollständigkeit und Richtigkeit der erteilten Auskunft an Eides statt zu versichern.

24

3. Der Kläger und Widerbeklagte wird als Gesamtschuldner mit Herrn S B verurteilt, an die Beklagte und Widerklägerin 26.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus seit 01. Mai 2009 zu zahlen.

25

4. Es wird festgestellt, dass der Kläger und Widerbeklagte verpflichtet ist, der Beklagten und Widerklägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der der Beklagten noch dadurch entstehen wird, dass der Kläger sich die Technologie der Beklagten zu Erstellung eines M-B-Datenloggers unbefugt verschafft hat.

26

5. Den Kläger zu verurteilen, die Rechte an den getätigten Entwicklungen, Konzepten und Arbeitsergebnissen zu übertragen und den Kläger zu verurteilen, Schadensersatz in einer nach Auskunftserteilung zu berechnenden Höhe zu leisten.

27

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

28

die Widerklage abzuweisen.

29

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der Kläger habe mindestens beginnend mit dem 24. September 2008 während der Arbeitszeit eigene Interessen verfolgt. Er habe - wie aus dem bei ihr am 21. Oktober 2009 eingegangenen Schreiben des Zeugen ersichtlich - zusammen mit seinen Kollegen ihren Datenlogger in Weiterentwicklung und zur Weiterentwicklung für 1.000.000,00 Euro dem Zeugen S von der E E- und L GmbH angeboten und wahrheitswidrig behauptet, sich in Abstimmung mit ihrem Geschäftsführer selbstständig machen zu wollen. Der Kläger habe ab Mai 2009 seine Aufgaben bei der Beklagten nicht mehr bearbeitet, va. einen Fehler im X-System nicht behoben. Der Fehler habe letztlich erst durch den Zeugen T G mit 100 Stunden Arbeitsaufwand à 35 Euro Kosten und den Geschäftsführer der Beklagten mit 30 Stunden Arbeitsaufwand à 100,00 Euro Zeit beseitigt werden können. Insoweit hat die Beklagte (Bl. 35 d. A.) die Aufrechnung erklärt. Der Kläger habe bei den Besuchen der Firma E E- und L GmbH Dritten Leistungen angeboten, die gemäß seinem Arbeitsvertrag ihr gehörten. Bei der Firma R und S I O GmbH sei ausweislich einer Email des dortigen Product Managers R vom 27. November 2009 (Bl. 78 f. d. A.) behauptet worden, man wolle den Datenlogger auf der Basis der Intel-Atom-Technologie weiterentwickeln. Diese Weiterentwicklung habe die Beklagte selbst seit 2009 durchgeführt und der Kläger habe auf die Entwicklungsergebnisse Zugriff gehabt. Dem Zeugen R sei ein offizielles Datenblatt des X 6810 gezeigt worden und man habe ihm - wie aus der Mitschrift zum Protokoll (Bl. 264 ff. d. A.) erkennbar - erklärt, dass vom bisherigen Datenlogger 200 Stück an B geliefert und im Einsatz seien. Im Übrigen habe der Kläger anlässlich der Gespräche - und zwar auch an weiteren im Einzelnen genannten Terminen als den vom Kläger eingeräumten - unentschuldigt gefehlt, was die fristlose Kündigung bereits rechtfertige. Am 29. Januar 2010 habe sie von einem Mitarbeiter der H-T-G Management GmbH Dr. D erfahren, dass die Zeugen T, E, B und der Kläger für die Firma V GmbH das Ventrue Kapital von 1.000.000,00 Euro beantragt hätten mit dem Ziel der Entwicklung eines Datenloggers für Automotive Anwendungen und das die diesbezüglichen Gespräche schon seit vielen, vielen Monaten begonnen hätten. Spätestens ab August 2009 habe der Kläger für die Firma V GmbH unter Nutzung von Software und Werkzeugen der Beklagten für Projekte der Firma L C GmbH gearbeitet. So habe er dem Werkstudenten W im August 2009 erklärt, es sei ihm gelungen, ein Entwicklungsprojekt dieser Firma zu gewinnen. Da die Firma V GmbH der L C GmbH am 16. Dezember 2009 22.500,00 Euro basierend auf einem Angebot über ein Arbeitspaket von Softwareentwicklung in Höhe von 300 Stunden vom 24. September 2009 bei Leistungserfüllung laut Bestellauftrag ab 31. Oktober 2009 in Rechnung gestellt habe und am 21. Dezember 2009 24.000,00 Euro netto basierend auf einem Auftrag vom 21. Dezember 2009 mit 320 Arbeitsstunden, sei ersichtlich, dass es eine Umbudgetierung von Projektvolumen für die Beklagte zugunsten der Firma V GmbH gegeben habe. Der Kläger müsse noch während seiner Beschäftigung für die Beklagte mindestens seit Anfang August 2009 in Vollzeit und in der bezahlten Arbeitszeit an diesem Gateway-Entwicklungsauftrag gearbeitet habe. Die vom Kläger behauptete Vorkasse sei bei der Firma L C GmbH aufgrund interner Vorgänge nicht möglich. Im Übrigen habe man auf den Arbeitsplatzrechnern des Zeugen T und des Klägers einen Projektplan M.pdf betreffend den Datenlogger der V GmbH vom 02. März 2009 gefunden, den der Zeuge T während seiner Arbeitszeit und ihm Rahmen seiner Dienstaufgabe zum Projekt M erstellt und auf einem USB-Stick I gespeichert habe. Da der Kläger das Dokument A-M.pdf erarbeitet und der Beklagten vorenthalten, indiziere dies sein wettbewerbsschädigendes Verhalten. Da die Firma V GmbH in ihrem Businessplan vom 30. November 2009 (vgl. Asservatenauswertung Polizeipräsidium Rheinpfalz vom 17. August 2010, Bl. 71 (Bl. 277 d. A.)) behauptet habe, dass das technische Know-How bei der Beklagten ausgeschieden sei und in Zukunft bei ihr angesiedelt sei, weil aufgrund der veränderten Personalstruktur in den letzten 12 Monaten davon ausgegangen werde, dass die Beklagte im Bereich hochleistungsfähiger Test- und Analysesysteme die Anforderungen nicht mehr erfüllen könne, sei der Tatbestand der üblen Nachrede zu Lasten der Beklagten erfüllt.

30

Zur Widerklage hat die Beklagte ausgeführt, wegen seiner Wettbewerbsverstöße schulde der Kläger eine weitgehende Aufklärungs- und Auskunftspflicht, auch weil sie Urheberrechtsverstößen nachgehen müsse und der Kläger Geschäftsgeheimnisse verraten habe. Da der Kläger als leitender Angestellter verpflichtet gewesen sei, sie über die Missstände zu informieren, dies jedoch nicht getan habe, hafte er gemeinsam mit dem damals personalverantwortlichen Zeugen B für die an den Zeugen T gezahlte Abfindung. Sie habe den Zeugen T wegen seines Versagens im Aufgabenfeld Weiterentwicklung des Datenloggers entlassen und wegen eigenmächtiger Absprachen mit Kunden und Verletzungen der Arbeitszeitregelung und mit ihm zur Vermeidung einer langwierigen Auseinandersetzung einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung geschlossen, was sie nie und nimmer getan hätte, wenn der Kläger sie über die illegalen Machenschaften des Zeugen T informiert hätte.

31

Der Kläger hat erstinstanzlich hinsichtlich der Widerklage im Wesentlichen vorgetragen, er schulde mangels vertraglicher Pflichtverletzungen keine Auskunft und sei auch nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Er habe während seiner Beschäftigung bei der Beklagten weder für die L C GmbH Entwicklungsarbeiten erbracht, noch sei er einer anderen Nebentätigkeit nachgegangen. Auch habe er keine Veranlassung gehabt, von der Beklagten behauptete „illegale Machenschaften“ des Zeugen T offen zu legen. Ein Schadensersatzanspruch wegen der an diesen gezahlten Abfindung bestehe nicht, zumal sie weit überwiegend Gehaltsansprüche im Hinblick auf den durch die Aufhebungsvereinbarung abgekürzte Kündigungsfrist habe ausgleichen sollen.

32

Anlässlich des ua. gegen den Kläger wegen Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 17 UWG) geführten Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern - 6…. Js ... - hat das Arbeitsgericht im Einvernehmen mit den Parteien vom 02. März 2010 bis 21. November 2011 und vom 13. Dezember 2011 bis 14. November 2013 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Das Ermittlungsverfahren wurde letztlich rechtskräftig eingestellt (§ 153a StPO). Die Beklagte hat bei der Staatsanwaltschaft Landau - 7…. Js 7…. - gegen den Kläger ein Verfahren wegen behaupteten Prozessbetruges anhängig gemacht.

33

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 20. Mai 2014 stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die fristlose Kündigung sei unwirksam, da die Beklagte zur ihrer Rechtfertigung keine Tatsachen vorgetragen habe, die eine außerordentliche Tatkündigung rechtfertigten, sondern sich zur Rechtfertigung ihrer fristlosen Kündigung vielmehr auf bloße Vermutungen und subjektive Einschätzungen stütze. Die Beklagte habe nicht substantiiert dargelegt, dass der Kläger dem Zeugen S ein in seiner Arbeitszeit bereits entwickeltes konkurrenzgeeignetes Produkt zum Datenlogger der Beklagten X angeboten habe. Dem Schreiben des Zeugen sei nicht klar zu entnehmen, dass ihm bereits entwickelte Datensätze nebst Hardware zur Weiterentwicklung angeboten worden sei. Allein die Tatsache, dass auf dem Rechner des Arbeitskollegen T auf einem mobilen Datenträger I ein Projektplan „M…..pdf“ gespeichert gewesen und auf den Firmenrechnern der bloße Unternehmensplan „A-.pdf“ gefunden worden sei, belege dies nicht und gehe über eine reine Vorbereitungshandlung nicht hinaus, zumal der Datenlogger M+ zu diesem Zeitpunkt nach Überzeugung des Gerichts noch gar nicht existent gewesen sei. Auch habe der Kläger die Firma R & S am 26. Mai und 30. Juni 2009 lediglich zur vorbereitenden Geschäftsanbahnung außerhalb seiner Arbeitszeit besucht. Der Themenkomplex L C GmbH biete keinen fristlosen Kündigungsgrund, da der Kläger substantiiert dargelegt habe, warum der pauschale Schluss der Beklagten aus den Rechnungen und Lieferscheinen, der Kläger habe noch während seines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten für diese Firma gearbeitet nicht zwingend sei. Der weitere Kündigungsgrund, der Kläger habe geheime firmeninterne Informationen weitergegeben und Investoren getäuscht, sei unsubstantiiert und gehe über eine bloße Vorbereitungshandlung nicht hinaus. Auch eine üble Nachrede zu Lasten der Beklagten sei nicht schlüssig dargelegt worden. Daher stünden die geltend gemachten Zahlungsansprüche dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zu. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Kläger seine Arbeitsleistung für die Beklagte ab Mai 2009 eingestellt habe. Das Arbeitsgericht hat zur Widerklage die Auffassung vertreten, der Kläger sei nicht zur Auskunftserteilung verpflichtet, da kein begründeter Anlass für eine Konkurrenztätigkeit des Klägers bestehe. Die Gründung eines Unternehmens während des bestehenden Arbeitsverhältnisses genüge hierzu nicht. Ihre Behauptung, der Kläger habe den Datenlogger der Beklagten X Dritten zur Weiterentwicklung angeboten oder ein Konkurrenzprodukt entwickelt, habe die Beklagte trotz Bestreitens des Klägers nicht näher substantiiert. Das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden. Da ein Wettbewerbsverbot nicht vereinbart sei, sei es dem Kläger nicht nach §§ 74 ff. HGB und §§ 1, 17 ff. UWG verwehrt, als früherer Arbeitnehmer Betriebsgeheimnisse zu nutzen, die er während seiner Tätigkeit redlich erlangt habe. Deren rechtswidrige Erlangung habe die Beklagte nicht schlüssig dargelegt. Die Kontaktaufnahme mit potentiellen Geldgebern während des bestehenden Arbeitsverhältnisses, um einen Datenlogger zu schaffen, stelle eine reine Vorbereitungshandlung dar. Auch das bloße Speichern eines Anforderungsprofils oder einer Datei über die beabsichtigte Entwicklung eines neuen Datenloggers sei noch keine unerlaubte Wettbewerbshandlung. Mangels Auskunftsanspruchs sei auch der auf der 2. Stufe geltend gemachte Schadensersatzanspruch unbegründet. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch über 26.500,00 Euro scheide mangels bereits dargestellter Pflichtverletzung des Klägers aus. Es sei auch nicht ersichtlich, welche wettbewerbswidrige Handlungen des Mitarbeiters T der Kläger der Beklagten hätte anzeigen müssen. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 362 bis 374 d. A. verwiesen.

34

Die Beklagte hat gegen das ihr am 13. Juni 2014 zugestellte Urteil mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 04. Juli 2014 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis 13. September 2014 mit Schriftsatz vom 12. September 2014, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, begründet.

35

Die Beklagte macht zur Begründung ihrer Berufung nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 12. September 2014 und ihres Schriftsatzes vom 19. Januar 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 414 ff. d. A. und Bl. 548 ff. d. A.), zweitinstanzlich im Wesentlichen geltend,
der Projektplan M+, Stand 02. März 2009, bei dem der Kläger eigenhändig während des Arbeitsverhältnisses mitgewirkt habe, decke das gesamte von der Beklagten entwickelte Know-How und ihr Arbeitsgebiet ab und habe dem Zeugen S dies offengelegt, was ihr Geschäftsführer am 21. Oktober 2009 erfahren habe. Auch dass das Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei, belege nicht den fehlenden wichtigen Grund, zumal sie erst nach einem Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Kaiserslautern und dann auch keine vollständige Akteneinsicht erhalten habe. Aus dem ihr nunmehr dank Akteneinsicht vom 30. Juli 2014 zur Verfügung stehenden Business-Plan der V GmbH in Kurzfassung (Stand 21. Dezember 2009, Bl. 446 ff. d. A., vgl. Bl. 462 f. d. A) ergebe sich, dass mit dem Zeugen S während der Arbeitszeit das Anwendungsfeld eines komplett neuen Datenloggers besprochen worden sei, womit spätestens eine vom Arbeitsgericht verkannte Konkurrenzsituation vorgelegen habe. Gleiches sei in den Terminen mit der Firma R und S geschehen, die auch als ihr potentieller Auftragnehmer im Bereich Datenlogger in Betracht gekommen sei. Mit dem Verhalten des Klägers sei einhergegangen, dass er seine Entwicklungsaufgaben bei der Beklagten, zB die Fehlerbehebung am X-Datenlogger, nicht mehr bearbeitet habe, weshalb dem Kunden B, dem mitgeteilt worden sei, die Beklagte sei zur Weiterentwicklung des Datenloggers nicht mehr in der Lage, zunehmend vom Zeugen T durch Support-Angebote ausgenutzte Probleme bekommen habe. Der Kläger und seine Mitgesellschafter T, B und O hätten kollusiv zusammengewirkt und - indem sie wahrheitswidrig behauptet hätten, die Beklagte gebe das Geschäftsfeld Datenlogger auf - erwirkt, dass B zunächst einen Auftragsstopp für Juli bis September 2009 verhängt habe, während mit der Firma V GmbH über den Support und die Weiterentwicklung des Datenloggers der Beklagten gesprochen worden sei. Zudem sei beim Kläger am 16. November 2011 ein Laptop beschlagnahmt worden, auf dem der Projektplan M-...pdf gefunden worden sei, der im Februar 2009 vom Zeugen T, der das Dokument in seiner Arbeitszeit erstellt habe, zum Kläger gegangen sei, und dessen Spuren sich auch auf dem Arbeitsplatzrechner des Klägers gefunden hätten. Der Kläger habe dann in seiner Arbeitszeit und auf dem Rechner der Beklagten das elektronische Dokument A-2011.pdf mit Erstellungsdatum 02. Juli 2009 kreiert. Der Datenlogger sei bereits entwickelt gewesen. Zum Vorgang L werde auf den erstinstanzlichen Vortrag verwiesen, die Behauptungen des Klägers seien anlässlich der üblichen Handhabung in einem Großkonzern wenig glaubhaft. Der damals bei der Firma L mit der Angelegenheit befasste Zeuge K sei mittlerweile ausgeschieden und sein zurückhaltendes Aussageverhalten bei der Staatsanwaltschaft sei auffällig. Da der Kläger für Dritte Leistungen erbracht habe, stehe ihr ein Auskunftsrecht diesbezüglich zu. Den ihr entstandenen erheblichen Schaden durch den kurzzeitigen Lieferstopp von B, die befürchtete Aufsaugung und den Schutz ihrer Entwicklungsergebnisse durch die Firma V. Schließlich stünden ihr alle Rechte an den getätigten Entwicklungen zu. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts komme es nicht auf den konkreten Datenlogger an, sondern auf ihr gesamtes Arbeitsfeld, in dem der Kläger handfeste, planmäßige und zielgerichtete Konkurrenztätigkeit betrieben habe. Es werde angeregt, das vorliegende Verfahren vorläufig für ruhend zu erklären, bis das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Landau - 7 Js 7…. - abgeschlossen sei. Der Kläger schulde infolge kollusiver Ausnutzung seiner leitenden Position mit dem Personalverantwortlichen B und den Zeugen T und O, den Abfindungsbetrag, der nie gezahlt worden wäre, wie auch die Übertragung des Teilbereichs der Firma der Beklagten (an den Zeugen T) nie zustande gekommen wäre, wenn der Kläger seiner Aufklärungspflicht über die bereits damals bestehende Konkurrenztätigkeit nachgekommen wäre. Da Dateien der Firma V GmbH den Namen K K als Suchbegriff vielfach enthalten hätten, der bei ihr von 2005 bis 2007 als Student in der Abteilung „Leiterplatte“ gearbeitet habe, sei nachgewiesen, dass die V sich fremdes Know-How angeeignet habe. Auch sei der X Datenlogger häufig genannt und der Name des aktuellen Mitarbeiters der Firma der Beklagten „H K“. Unzweifelhaft liege ein Verstoß gen § 17 UWG vor. Nach § 69 b UrheberrechtsG stünden die Computerprogramme, die von Arbeitnehmern in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach Anweisung des Arbeitsgebers geschaffen würden, ausschließlich dem Arbeitgeber, also ihr, zu. Das Gericht erster Instanz habe sich nicht ansatzweise mit dem Inhalt der Strafakten auseinandergesetzt.

36

Die Beklagte beantragt zuletzt,

37

Das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - 6 Ca 990/13 - vom 20. Mai 2014 wird abgeändert:

38

I. Die Klage wird abgewiesen.

39

II. 1a. Der Kläger wird verurteilt, Auskunft über die im Zeitraum vom 24. September 2008 bis zum 26. Oktober 2009 getätigten Arbeiten zu erteilen, insbesondere mitzuteilen, welche Entwicklungen und Konzepte er allein oder gemeinsam mit anderen Personen vorgenommen hat.

40

1b. Der Kläger wird verurteilt, Auskunft zu erteilen, welche Angebote er im Zeitraum vom 24. September 2008 bis zum 26. Oktober 2009 vorgenommen hat und wann, wo, er welche Aufträge eigenen Namens oder namens der neu gegründeten Firma V entgegengenommen oder an Vertragsverhandlungen mitgewirkt hat; die Auskunft ist detailliert aufzuschlüsseln nach Datum, Ort und Zeitaufwand des Klägers.

41

2. Nach erteilter Auskunft hat der Kläger die Richtigkeit der erteilten Auskunft an Eides statt zu versichern,

42

3. Der Kläger wird als Gesamtschuldner mit Herrn S B verurteilt, an die Beklagte 26.500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus seit 01. Mai 2009 zu bezahlen.

43

4. Es wird festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten sämtlichen Schaden zu ersetzen, der der Beklagten noch dadurch entstehen wird, dass der Kläger sich die Technologie der Beklagten zur Erstellung eines Multibusdatenloggers unbefugt verschafft hat.

44

5a. Der Kläger wird nach erteilter Auskunft zu Ziffer 1 a verurteilt, die Rechte an den getätigten Entwicklungen Konzepten und Arbeitsergebnissen an die Beklagte zu übertragen.

45

5b. Der Kläger wird verurteilt, Schadenersatz in einer nach Auskunftserteilung zu berechnenden Höhe zu leisten.

46

Der Kläger beantragt,

47

die Berufung zurückzuweisen.

48

Der Kläger verteidigt das von der Beklagten angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 10. November 2014 (Bl. 536 ff. d. A.) und seines Schriftsatzes vom 21. Januar 2015 (Bl. 625 ff. d. A.), auf die ergänzend Bezug genommen wird, zweitinstanzlich im Wesentlichen wie folgt,
eine Rechtsverletzung sei nach dem auf vagen Vermutungen und Verdächtigungen beruhenden Vortrag der Beklagten nach wie vor nicht zu erkennen. Der von ihr nunmehr angeführte Projektplan M+ vom 02. März 2009, der bereits dem Arbeitsgericht vorgelegen habe, enthalte keine einzige vertrauliche Information, sondern beschreibe das potentielle Projekt „Neuentwicklung eines Datenloggers“ im Sinne einer zulässigen Vorbereitungshandlung. Der vorgelegte Businessplan datiere aus einer Zeit, als er längst bei der Beklagten ausgeschieden gewesen sei und zu der zudem immer noch nicht mehr als die Idee existiert habe, für die man habe Investoren habe gewinnen wollen. Die Beklagte bestätige überdies den Vortrag des Klägers, dass man stets einen komplett neuen Datenlogger habe vertreiben wollen. Mit Gesprächen über eine mögliche Neuentwicklung und den Bau eines Datenloggers trete man noch nicht in Wettbewerb zu seinem Arbeitgeber. Die Beklagte behaupte wahrheitswidrig, er oder der Zeuge T hätten während der Arbeitszeit auf den Rechnern der Beklagten den Projektplan erstellt. Dieser habe sich - was sich aus der Email des (bei der Beklagten mit der Überprüfung der konkreten Arbeitsplatzrechner befassten) Zeugen K vom 24. Oktober 2011 ergebe (Bl. 545 d. A.), immer nur auf einem USB-Stick gespeichert befunden, der Eigentum des Zeugen T sei. Zu den Vorgängen im Komplex „L“ belasse es die Beklagten bei Mutmaßungen, ihre Behauptungen, insbesondere, er habe zwingend auf eine Software der Beklagten zurückgreifen müssen, bleibe bestritten. Was er konkret wann wem mitgeteilt haben soll, lasse sich auch der Berufungsbegründungsschrift nicht entnehmen. Ein konkretes Gespräch des Klägers mit dem Kunden über die Zukunft des Datenloggers mit B trage die Beklagte nicht vor. Das Schreiben der Firma V GmbH vom 24. September 2009 habe er nicht verfasst. Er sei zu keinem Zeitpunkt während seiner Beschäftigungszeit an Kunden der Beklagten zum Abschluss eigener Geschäfte herangetreten. Dass er nach seinem durch die berufliche Unzufriedenheit verursachten Ausscheiden bei der Beklagten mit einem eigenen Datenlogger habe in Konkurrenz treten wollen, habe er nie bestritten. Mit dem Ausscheiden des Zeugen T habe er nicht zu tun gehabt und auch nie - wie nunmehr von der Beklagten erfunden - die Zahlung einer Abfindung empfohlen. Mit dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wegen im Hinblick auf das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Landau wolle die Beklagte offenbar die Amtsermittlung in das Zivilverfahren einführen. Dieser werde widersprochen, zumal eine Vorgreiflichkeit nicht erkennbar sei. Die Beklagte habe in alle Ermittlungsakten Einsicht nehmen können, mit Ausnahme einiger Asservate, bei denen die V GmbH zum Schutz eigenen Firmenwissens selbst ein überragendes Interesse am Unterbleiben der Einsicht habe. Der Kläger habe zu Zeiten seiner Beschäftigung keinen Kunden der Beklagten die Neuentwicklung des Datenloggers angeboten und B keine Supportleistungen angeboten. Nachdem der verantwortliche Mitarbeiter bei B W sich angesichts des Mitarbeiterverlusts bei der Beklagten Sorgen wegen seines Datenloggers gemacht habe, habe der Zeuge T für die V GmbH ein - pauschales - Angebot auf technische Unterstützung gemacht, mit dem er nichts zu tun gehabt habe. Soweit die Beklagte einen Schriftsatz aus dem Strafverfahren zur Akte gereicht habe, ersetze dies eigenen Sachvortrag nicht.

49

Im Übrigen wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

50

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch - soweit entscheidungsreif - nur teilweise begründet.

I.

51

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe b und c ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 13. Juni 2014 mit am 04. Juli 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und nach Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 12. September 2014, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO).

II.

52

Die Berufung der Beklagten ist - soweit entscheidungsreif - teilweise begründet.

53

1. Die insgesamt zur Entscheidung reife Berufung der Beklagten hinsichtlich der Klage ist in der Sache teilweise erfolgreich.

54

1.1. Die vom Kläger fristgerecht nach §§ 4 Satz 1, 13 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage, hinsichtlich deren Zulässigkeit Bedenken nicht bestehen, ist nicht begründet. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2009 hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt ihres Zugangs am 27. Oktober 2009 mit sofortiger Wirkung beendet, weil der Beklagten ein nicht verfristeter fristloser Kündigungsgrund iSd. § 626 BGB zur Seite stand. Da die Klage entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags der Abweisung unterlag, war das erstinstanzliche Urteil insoweit auf die Berufung der Beklagten teilweise abzuändern.

55

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/1310 - Rn. 13, 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 39; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15, jeweils zitiert nach juris). Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen.

56

b) Nach diesen Grundsätzen ist dem Kläger ein an sich zur Begründung einer fristlosen Kündigung geeignetes Verhalten vorzuwerfen, weil er einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit während des bestehenden Arbeitsverhältnisses nachgegangen ist.

57

aa) Ein Arbeitnehmer, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten entfaltet, verstößt gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB. Es handelt sich in der Regel um eine erhebliche Pflichtverletzung. Sie ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 27, 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 20; 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN; jeweils zitiert nach juris). Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 28, 16. Januar 2013 - 10 AZR 560/11 - Rn. 14; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22, zitiert nach juris). Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB normiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO). Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - aaO). Allerdings darf er, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB - wie vorliegend - nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten (vgl. BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15; zitiert nach juris). Verboten ist lediglich die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, etwa durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden. Bloße Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht unmittelbar eingreifen, erfüllen diese Voraussetzungen regelmäßig nicht (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - aaO, 16. Januar 2013 - 10 A10 AZR 560/11 - Rn. 17, zitiert nach juris; vgl. 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - aaO).

58

bb) Die Beklagte wirft dem Kläger zu Recht die Verletzung des Wettbewerbsverbots während des bestehenden Arbeitsverhältnisses vor. Hierbei war vom Gericht - worauf das Arbeitsgericht zutreffend abgehoben hat - zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Tatkündigung vorliegen, da die Beklagte sich nicht auf den Ausspruch einer Verdachtskündigung berufen hat. Dass einer solchen - soweit ersichtlich - mangels Anhörung des Klägers vor Kündigungsausspruch ohnehin der Erfolg versagt geblieben wäre, konnte dahinstehen.

59

(1) Mit dem Arbeitsgericht ist allerdings davon auszugehen, dass es der Beklagten nicht gelungen ist, substantiiert darzulegen, dass der Kläger durch sein Verhalten im Zusammenhang mit den Gesprächen mit dem Zeugen S, durch die Geschehnisse um die Gateway-Anwendungen für die Firma L C GmbH oder durch die bloße Entwicklung eines Multibus-Datenloggers während des Bestands des Arbeitsverhältnisses der Beklagten unerlaubt Konkurrenz gemacht hätte. Die Berufungskammer macht sich insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen die zutreffenden und sorgfältig begründeten Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I 1, I 3 und I 4 der Entscheidungsgründe (Seite 11 bis 17 des Urteils = Bl. 363 bis 369 d. A.) zu eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Auch die Angriffe der Berufung führen insoweit zu keiner anderen Betrachtung.

60

(1.1.) Soweit die Beklagte darauf abhebt, der Projektplan M2011+, Stand 02. März 2009, habe dem Zeugen S ihr gesamtes Know-How und ihr Arbeitsgebiet offen gelegt, verkennt sie, dass der Projektplan nicht geeignet ist, diese Behauptung zu untermauern. Der Kläger hat lediglich eingeräumt, an Gesprächen mit dem Zeugen S am 24. September 2008 und 10. November 2008 beteiligt gewesen zu sein, ohne dass die Beklagte seine Teilnahme an weiteren Gesprächen substantiiert behauptet hätte. Auch der Zeuge S hat im Schreiben eingehend bei der Beklagten am 21. Oktober 2009 (Bl. 46 d. A.) hierzu keinerlei Angaben gemacht. Die Offenlegung eines Projektplans aus März 2009 bereits in 2008 scheidet jedoch denknotwendig aus. Ungeachtet dessen enthält der von der Beklagten als Anlage 4 - B2 (Bl. 253R d. A.) - auszugsweise - vorgelegte Projektplan keinen Bezug auf konkrete Daten der Beklagten. Ohne dass dies für eine eventuelle Konkurrenztätigkeit erforderlich gewesen wäre, bestehen im Übrigen aufgrund des Dokuments auch keine Anhaltspunkte, dass und wann der Kläger den Projektplan während der Arbeitszeit erstellt haben soll. Vielmehr ergibt sich aus dem ebenfalls von der Beklagten zur Akte gereichten Dokument A-M2011.pdf, Stand 02. Juli 2009 (Anlage 4 - B2, Bl. 254 d. A.), dass noch im Juli 2009, dh. ca. ein Jahr nach den Gesprächen mit dem Zeugen S, an denen der Kläger teilgenommen hat, für die Entwicklung des von der V GmbH geplanten Analyse- und Diagnosetools ein Entwicklungszeitraum von 21 Monaten angesetzt wurde und der Verkauf einer Basisvariante erst nach 12 Monaten geplant war. Inwiefern der Kläger vor diesem Hintergrund bereits in 2008 einen bereits marktfähig weiterentwickelten Datenlogger hätte anbieten sollen, erschließt sich nicht, zumal auch der Zeuge S in seinem Schreiben aus Oktober 2009 - insoweit in Übereinstimmung mit dem klägerischen Vortrag - von einem zwar bereits entwickelten, jedoch noch weiterzuentwickelnden Datenlogger spricht und von einem angedachten, aber noch nicht fertig gestellten Geschäftsmodell, dass die E E- und L GmbH finanziell habe unterstützen sollen. Allein die Planung und Konzeption eines Konkurrenzunternehmens sind keine Handlungen, die schon selbst als Teil der werbenden Tätigkeit aufzufassen wären (vgl. LAG Köln 25. Februar 2004 - 4 Sa 1311/03 - Rn. 17, zitiert nach juris). Dass der Kläger während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten an Terminen mit dem Zeugen S teilgenommen hätte, in denen angesichts des frühen Stadiums der Absicht, eine eigene Firma zu gründen, mehr als erlaubte Vorbereitungshandlungen darstellende Sondierung und Planspiele stattgefunden hätten, hat die Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht schlüssig dargetan. Der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegte Business-Plan der V GmbH in Kurzfassung vom 21. Dezember 2009 (Bl. 446 ff. d. A.) belegt dies - unabhängig davon, dass er von einem Zeitpunkt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses datiert - ebenso wenig wie die „Kontakthistorie zur Fa. E GmbH“ aus dem von ihr in Bezug genommenen Zeitplan der Firma V GmbH (Bl. 462 f. d. A.).

61

(1.2.) Es ist der Beklagten auch zweitinstanzlich nicht gelungen, schlüssig darzulegen, dass der Kläger vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten unerlaubt Konkurrenz betrieben hätte, indem er - während der Arbeitszeit - für den Kunden der Beklagten L C GmbH gearbeitet hätte. Bereits das Arbeitsgericht hat zutreffend dargelegt, dass die von der Beklagten auch zweitinstanzlich herangezogenen Lieferscheine und Rechnungen für die Gateway-Anwendungen angesichts der einleuchtenden Erläuterungen des Klägers, es habe sich teilweise um Abschlags- und Vorschussrechnungen für später in konkret benannten Zeiträumen erbrachte Leistungen gehandelt, nicht geeignet sind zu belegen, dass der Kläger entgegen seiner Behauptung bereits vor dem 02. November 2009 für die L C GmbH tätig geworden ist. Dass die Beklagte zweitinstanzlich erneut betont, der nunmehr bei der Kundin verantwortliche Zeuge W halte Vorschussleistungen angesichts der Handhabung bei der Firma L C GmbH für unerklärlich, schließt die vom Kläger behaupteten Geschehensabläufe, die von der V GmbH mit dem zwischenzeitlich offenbar ausgeschiedenen damaligen Mitarbeiter der L C GmbH K abgewickelt worden sind, jedenfalls nicht aus. Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren darauf abgehoben hat, dass das entsprechende Angebot der Firma V GmbH über eine (spätere) Tätigkeit des Klägers bereits aus September 2009 stammt, kommt es darauf ebenso wenig an, wie auf die Behauptung, dass der Kläger dem Zeugen W gegenüber erklärt habe, der Auftrag sei bereits im August 2009 erteilt worden. Auch hieraus lässt sich nicht schlussfolgern, dass der Kläger bereits vor dem 27. Oktober 2009 für die L C GmbH gearbeitet hat. Der Auftrag erfolgte seitens der Firma V GmbH. Es ist nicht zu beanstanden, wenn diese bereits vorab Aufträge geriert, bei denen der Kläger nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten eingesetzt werden sollte. Dass, wann, wo und in welcher Art und Weise der Kläger persönlich Auftragsakquise betrieben haben soll, hat die Beklagte bis zuletzt nicht substantiiert dargetan. Gleiches gilt für die pauschale Behauptung, der Kläger habe bereits vor dem 02. November 2009 konkret für die Firma L C GmbH Arbeitsleistungen erbracht. Die Erhebung der von der Beklagten angebotenen Beweise durch Vernehmung der Zeugen (W, T, F) bzw. die Parteivernehmung des Klägers hätten zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis geführt und kam nicht in Betracht.

62

(2) Der Kläger hat das bestehende Wettbewerbsverbot jedoch - anders als vom Arbeitsgericht angenommen - im Zusammenhang mit den Gesprächen vom 26. Mai 2009 und 30. Juni 2009 mit der Firma R und S International Operations GmbH verletzt, an denen er unstreitig für die Firma V GmbH teilgenommen hat. Hierbei kann dahinstehen, ob die Gespräche, die nach der von der Beklagten vorgelegten E-Mail des bei der R und S International Operations GmbH tätigen Zeugen R vom 27. November 2009 (Bl. 78 f. d. A.) jeweils in M stattgefunden haben, während der Arbeitszeit des Klägers lagen oder ob dies - wie vom Kläger behauptet - angesichts der flexiblen Arbeitszeithandhabung der Beklagten ihm gegenüber nicht der Fall gewesen ist. Auch kann dahinstehen, ob der Kläger und seine Kollegen in den Gesprächen einen eigenen neu entwickelten Datenlogger zur Weiterentwicklung angeboten haben oder ob die Weiterentwicklung unter Verletzung von Rechten der Beklagten auf der Basis von deren Datenlogger erfolgen sollte. Selbst wenn der Kläger in seiner Freizeit an den Gesprächen teilgenommen haben sollte und die Verhandlungen einen eigenen Datenlogger betroffen haben sollten, ist dem Kläger unerlaubte Konkurrenztätigkeit vorzuwerfen. Ausweislich der Agenda des Termins vom 26. Mai 2009 (Bl. 263 d. A.) haben die für die Firma V GmbH auftretenden Zeugen T und E und der Kläger an einem sog. „Kick-off-Meeting“ mit der Firma R und S I O GmbH teilgenommen. Bei einem solchen Gespräch handelt es sich regelmäßig um eine Zusammenkunft aller Beteiligten zu Beginn eines Projektes (vgl. auch http://www.duden.de/ rechtschreibung/Kick_off_Meeting). Bereits die Bezeichnung der Veranstaltung legt daher den Schluss nahe, dass sie nicht lediglich der zwanglosen Auslotung von Möglichkeiten einer eventuellen Zusammenarbeit dienen sollte, sondern der konkreten Planung eines beabsichtigten Projektes. Dies ergibt sich folgerichtig auch aus dem in der Agenda für 12:00 Uhr vorgesehenen Programmpunkt, nach dem neben einer Diskussion über die Frage der Entstehung eines neuen Marktsegmentes und potentieller zukünftiger Kundenbedarfe im Bereich Datalogger insbesondere auch vorgesehen war, nach Ansätzen einer gemeinsamen Lösungsentwicklung zu suchen. Dass die weitere Zusammenarbeit unzweifelhaft geplant war, zeigt der für 13:00 Uhr vorgesehene Punkt: Festlegung der weiteren Schritte. In der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer vom 27. Januar 2015 war zwischen den Parteien nicht streitig, dass die Firma R und S I GmbH zumindest in der Vergangenheit Kooperationspartner der Beklagten gewesen ist. Auch ist der Kläger den Ausführungen des Geschäftsführers der Beklagten, die R und S I O GmbH wäre grundsätzlich im Bereich Datenlogger als Vertragspartner auch für die Beklagte in Betracht gekommen, nicht entgegengetreten, so dass diese für die Berufungskammer als zugestanden galten (§ 138 Abs. 2 und 3 ZPO). Auch wenn die R und S I O GmbH kein Kunde der Beklagten im klassischen Sinne gewesen sein mag, handelt es sich doch um einen für die Beklagte relevanten potentiellen Partner für die weitere Entwicklung ihres Datenloggers. Vor diesem Hintergrund überschreiten die Gespräche mit der Firma R und S I O GmbH die Grenze der erlaubten Vorbereitungshandlung für eine geplante Selbstständigkeit des Klägers. Der Kläger hat zusammen mit seinen Kollegen für die Firma V GmbH bei einem potentiell auch für die Beklagte in Frage kommenden Partner Verhandlungen über die konkrete Ausgestaltung einer Zusammenarbeit aufgenommen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer selbst eingeräumt, dass Gegenstand der Gespräche eine Stellung der R und S I O GmbH als Geld- oder Auftraggeber gewesen sei. Dass er dabei in den Marktbereich und die unmittelbaren Interessen der Beklagten eingegriffen hat, zeigt sich daran, dass dem handschriftlichen Protokoll der Veranstaltung vom 26. Mai 2009 (Bl. 264 d. A.), dessen Berechtigung der Kläger nicht entgegen getreten ist, die Mitteilung zu entnehmen ist, dass vom bisherigen Datenlogger 200 Stück an B geliefert sind. Diese Information betrifft zweifellos den Datenlogger der Beklagten und deren Schlüsselkunden B. Ob der Kläger oder einer seiner Kollegen die konkrete Information weitergegeben hat, kann vor dem Hintergrund des gemeinsamen Auftretens aller Beteiligten für die Firma V GmbH dahinstehen. Ebenso ist es unerheblich, dass das Strafverfahren gegen den Kläger wegen Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 17 UWG) zuletzt rechtskräftig eingestellt worden ist (§ 153 a StGB). Unabhängig davon, dass die Frage wettbewerbswidrigen Handelns als Kündigungsgrund nicht zwingend gleichzusetzen ist mit dem Vorwurf des Verrats von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen, ist die Beurteilung im Strafverfahren weder für den Zivilrichter (§ 14 EG ZPO) noch für die Gerichte für Arbeitssachen bindend(vgl. BAG 23. April 1998 - 2 AZR 442/97 - Rn. 19, zitiert nach juris). Von einer erlaubten bloßen Vorbereitungshandlung ist angesichts der erfolgten Gespräche nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass zu deren Zeitpunkt die Gründung der V GmbH unmittelbar bevorstand bzw. bereits erfolgt war, nach Auffassung der Berufungskammer nicht mehr auszugehen.

63

c) Die Kündigung ist bei Beachtung der Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt.

64

aa) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 -, Rn. 34, 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 17; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, jeweils zitiert nach juris). Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend und für alle Fälle einheitlich festlegen. Geht es um die Beurteilung rechtswidrigen schuldhaften Verhaltens des Arbeitnehmers, sind aber stets die beanstandungsfreie Dauer des Arbeitsverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (vgl. BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 28; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38, jeweils zitiert nach juris).

65

bb) Gemessen hieran überwiegt das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Weiterbeschäftigungsinteresse des Klägers. Zwar ist zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass ihn Unterhaltspflichten gegenüber seiner Ehefrau und seinem Kind treffen und die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch eine außerordentliche Kündigung zwangsläufig mit einem Makel behaftet ist. Auch war zu bedenken, dass das - unterstellt bis dahin beanstandungsfreie - Arbeitsverhältnis, aufgrund der ordentlichen Eigenkündigung des Klägers ohnehin nur noch bis zum 31. Oktober 2009 fortbestehen sollte. Dennoch erweist sich der Kündigungsvorwurf nach Auffassung der Berufungskammer als so gravierend, dass der Beklagten eine Beschäftigung auch nur für wenige weitere Tage nicht zuzumuten war. Der Kläger hat das Vertrauen der Beklagten in seine Redlichkeit in schwerwiegender Weise verletzt, indem er in deren Geschäftsbereich Wettbewerb betrieben hat. Er hat durch die Verhandlungen mit der R und S I O GmbH in Kauf genommen, der Beklagten Nachteile zuzufügen, um seine eigene Selbstständigkeit zu fördern, auch wenn die Beklagte selbst konkrete Vertragsverhandlungen mit ihrer früheren Kooperationspartnerin nicht aufgenommen hatte. Dass insoweit keinesfalls ein finanzieller Schaden entstehen würde, konnte der Kläger nicht mit Sicherheit annehmen. Da keinerlei Anhaltspunkte für ein Unrechtsbewusstsein des Klägers bestehen, war nicht damit zu rechnen, dass die berechtigten Zweifel der Beklagten im Hinblick auf die Loyalität des Klägers etwa durch den Ausspruch einer Abmahnung hätten beseitigt werden können. Dies gilt umso mehr, als der Kläger sich unstreitig jedenfalls nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses im Marktbereich der Beklagten mit der in Konkurrenz zur Beklagten stehenden Firma V GmbH selbstständig betätigen wollte und betätigt hat. Die potentielle Beeinträchtigung ihrer geschäftlichen Interessen bei entgeltpflichtiger Weiterbeschäftigung des ohnehin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch seine Selbstständigkeit gesicherten Klägers musste die Beklagte auch nicht kurzfristig mehr hinnehmen.

66

d) Die Beklagte hat die außerordentliche, fristlose Kündigung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt.

67

aa) Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Bestimmung mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die sachgerechte Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn. 3921. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, jeweils zitiert nach juris).

68

bb) Danach hat die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die E-Mail des Zeugen R der Firma R und S I O GmbH die Informationen zu den streitigen Gesprächen vom 26. Mai 2009 und 30. Juni 2009 enthält, ist dem Geschäftsführer der Beklagten am 27. November 2009 übersandt worden. Selbst wenn im Text der E-Mail auf ein zuvor stattgefundenes Gespräch an einem Messestand Bezug genommen wird, sind auch dem Vortrag des Klägers keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass die Beklagte bereits länger als zwei Wochen vor Kündigungszugang (am 27. Oktober 2009) Kenntnis von den Geschehnissen im Zusammenhang mit der Firma R und S I O GmbH hatte. Soweit der Kläger die Ansicht vertreten hat, die Kündigung sei verfristet, weil der Geschäftsführer der Beklagten bereits am 07. Juli 2009 - offenbar im Zusammenhang mit der Eigenkündigung des Klägers - über die geplante Selbstständigkeit des Klägers und seiner Kollegen informiert worden sei, vermochte sich die Berufungskammer dem nicht anzuschließen. Auch der Kläger hat nicht behauptet, dem Geschäftsführer der Beklagten die konkreten Vorgänge um die Gespräche vom 26. Mai 2009 und 30. Juni 2009 offenbart zu haben. Allein die bloße Mitteilung der (beabsichtigen) Gründung der V GmbH und deren Tätigkeit im Geschäftsbereich der Beklagten stellt keine Mitteilung der vorliegend relevanten Kündigungsvorwürfe da. Die Beklagte hat dem Kläger nicht gekündigt, weil er sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbstständig machen wollte, sondern weil er unerlaubt Wettbewerb im bestehenden Arbeitsverhältnis betrieben hat.

69

1.2. Die zulässige Zahlungsklage des Klägers ist teilweise begründet. Der Kläger kann von der Beklagten infolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die außerordentliche, fristlose Kündigung gemäß § 611 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag Arbeitsentgelt im Zeitraum vom 01. bis 27. Oktober 2009 in anteiliger Höhe von 4.354,84 Euro brutto nebst anteiliger Arbeitgeberzuschüsse zur PV und KV in Höhe von 232,82 Euro verlangen. Soweit bezüglich letztgenannten Anspruchs im Tenor zur Ziff. I 2 ein - vom Kläger nicht geltend gemachter und der Sache nach auch nicht gerechtfertigter - Bruttobetrag zuerkannt wurde, liegt ein offensichtliches Schreibversehen vor. Der weitergehenden Zahlungsklage blieb der Erfolg versagt. Das erstinstanzliche Urteil unterlag auch insoweit der teilweisen Abänderung.

70

1.2.1. Für den Zeitraum vom 1. bis 27. Oktober 2009 steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung von 4.354,84 Euro brutto und Arbeitgeberzuschüssen zur PV und KV in Höhe von 232,82 Euro infolge geleisteter Tätigkeit aus § 611 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag zu (5.000,00 Euro bzw. 267,31 Euro : 31 x 27).

71

a) Verlangt der Arbeitnehmer gemäß § 611 BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt. Da die konkret zu leistende Arbeit idR vom Arbeitgeber durch Weisungen zu bestimmen ist (§ 106 GewO), genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Deshalb hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und ob der Arbeitnehmer den Weisungen nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden (vgl. insgesamt BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14, mwN; zitiert nach juris).

72

b) Dem Kläger steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch bis 27. Oktober 2009 zu. Er hat behauptet, seine Arbeitsleistung auch nach Mai 2009 wie vereinbart im eigens für ihn angemieteten Projektbüro in München erbracht zu haben. Dem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegen getreten. Insbesondere kann sie sich seinem Anspruch nicht mit der pauschalen Behauptung entziehen, der Kläger habe „spätestens ab Mai 2009“ seine Arbeitsleistung bei der Beklagten eingestellt. Bereits das Arbeitsgerichts hat zutreffend darauf hingewiesen, dass allein die Tatsache, dass dem Kläger in diesem Zeitraum die Fehlerbehebung am Datenlogger X nicht gelungen sein mag, mangels im Arbeitsverhältnis geschuldeten Erfolgs keinen Grund für den Einbehalt der Vergütung darstellt. Auch im Berufungsverfahren ist die die Beklagte schlüssigen Vortrag schuldig geblieben. Soweit sie darauf abhebt, der Kläger habe Entwicklungsarbeiten für das eigene Projekt M vorgenommen bzw. nachfolgend für die Firma L gearbeitet, beschränkt sich ihr Vortrag auf bloße Vermutungen, ohne dass zu konkreten Tagen und Tätigkeiten des Klägers substantiierte Behauptungen erfolgt wären. Die von der Beklagten erstinstanzlich erklärte Aufrechnung mit einer behaupteten Gegenforderung wegen der ihr entstandenen Kosten durch die Fehlerbehebung am Datenlogger X durch den Zeugen G und den Geschäftsführer der Beklagten hat den Anspruch nicht gemäß §§ 387, 389 BGB zum Erlöschen gebracht. Die Aufrechnung erweist sich - soweit Bruttoforderungen des Klägers betroffen sind - zum einen bereits mangels Gegenseitigkeit der Forderungen als unzulässig. Der Arbeitgeber kann gegen Bruttolohnforderungen des Arbeitnehmers nicht mit Gegenansprüchen aufrechnen, es sei denn, die Höhe der Abzüge ist bekannt; aufgerechnet werden kann nur gegen Nettolohnforderungen des Arbeitnehmers (LAG Rheinland-Pfalz 11. November 2014 - 6 Sa 243/14 -, Rn. 55 mwN, zitiert nach juris). Darüber hinaus steht der Beklagten der geltend gemachte Schadensersatzanspruch bereits deshalb nicht zu, da sie - nachdem der Kläger ein Tätigwerden des Zeugen G und den Geschäftsführers der Beklagten mit Nichtwissen und als unsubstantiiert bestritte hatte - nicht im Einzelnen dargelegt und unter Beweis gestellt hat, wann und wie die pauschal behauptete Fehlerbehebung stattgefunden hat.

73

c) Der Zinsausspruch ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges (§§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 2 BGB).

74

1.2.2. Ein über den 27. Oktober 2009 hinausgehender Zahlungsanspruch besteht infolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten nicht.

75

2. Die Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Widerklage, ist teilweise entscheidungsreif und - soweit entscheidungsreif - nur teilweise begründet. Das erstinstanzliche Urteil war im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise abzuändern.

76

2.1. Die von der Beklagten zuletzt mit den Anträgen zu 1a), 1b), 2, 5a) und 5b) verfolgte Stufenklage ist nur teilweise zur Entscheidung reif. Die Beklagte kann lediglich die mit dem Antrag zu 1b) in der ersten Stufe verfolgte Auskunft und diese auch nur im tenorierten Umfang verlangen (2.1.1.). Der mit dem Antrag zu 1a) verfolgte Auskunftsanspruch ist als Stufenklage nicht zulässig; als im Wege zulässiger objektiver Klagehäufung verfolgter Auskunftsanspruch nicht begründet (2.1.2.). Die Entscheidung über die Anträge zu 2, 5a) und 5b) bleibt vorbehalten.

77

2.1.1. Die Beklagte kann vom Kläger gemäß ihres Antrags zu 1b) in der 1. Stufe der - diesbezüglich wegen festgestellter Wettbewerbsverletzung des Klägers zulässigen - Stufenklage verlangen, Auskunft zu erteilen, welche Angebote er im Zeitraum vom 24. September 2008 bis zum 26. Oktober 2009 vorgenommen hat und wann, wo er welche Aufträge eigenen Namens oder namens der neu gegründeten Firma V GmbH entgegengenommen oder an Vertragsverhandlungen mitgewirkt hat. Der weitergehende Antrag zu 1b) ist nicht begründet.

78

a) Die von der Beklagten mit dem Antrag zu 1b) geltend gemachte Auskunftsklage ist in der ersten Stufe zur Endentscheidung reif, so dass ein Teilurteil ergehen kann, § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Berufungskammer legt den Antrag zu 1b) hierbei dahingehend aus, dass der Kläger ausschließlich zu Auskünften hinsichtlich eines Tätigwerdens im Datenlogger betreffenden Geschäftsbereich der Beklagten verpflichtet werden soll, da die Beklagte den Antrag auf unerlaubten Wettbewerb des Klägers stützt. Gleichermaßen hat die Berufungskammer den Antrag der Beklagten dahingehend ausgelegt, dass dem Begehren der Beklagten, der Kläger möge seine Auskunft nach Datum und Ort aufschlüsseln, bereits damit Rechnung getragen ist, dass der Kläger über bestimmte Angebote und den Zeitpunkt („wann“) und Ort („wo“) bestimmter Aufträge bzw. Vertragsverhandlungen Auskunft erteilen soll. Es ist nicht anzunehmen, dass die Beklagte die Angaben von Datum und Ort zweifach verlangen wollte, weshalb der Antrag insoweit wegen doppelter Rechtshängigkeit als unzulässig betrachtet werden müsste.

79

b) Der Beklagten steht der mit dem Antrag zu 1b) im ausgelegten Umfang verfolgte Auskunftsanspruch überwiegend zu.

80

aa) Verstößt ein Arbeitnehmer gegen das während des Arbeitsverhältnisses bestehende Wettbewerbsverbot, stehen dem Arbeitgeber eine Reihe von Rechten zu, insbesondere ua. der Anspruch auf Schadenersatz wegen Vertragsverletzung und der Anspruch auf Herausgabe des durch die vertragswidrige Handlungsweise Erlangten; entsprechende Rechte räumen dem Arbeitgeber §§ 60, 61 HGB ein(vgl. BAG 21. Oktober 1970 - 3 AZR 479/69- Rn. 9, zitiert nach juris). Derjenige, der einem anderen gegenüber vertraglich verpflichtet ist, Wettbewerb zu unterlassen, schuldet diesem Auskunft, sobald er ihm erheblichen Anlass gegeben hat, zu vermuten, er habe seine Vertragspflicht verletzt; in ähnlicher Weise wird auch sonst eine Auskunftspflicht anerkannt, wenn aufgrund eines bestehenden Rechtsverhältnisses einem Beteiligten Ansprüche erwachsen können, die er ohne vorherige Auskunft nicht geltend zu machen vermag; Voraussetzung der Auskunftspflicht ist lediglich, dass der Berechtigte die Wahrscheinlichkeit seines Anspruchs darlegt (BAG 12. Mai 1972 - 3 AZR 401/71 - Rn. 24, vgl. auch 17. Dezember 2012 - 10 AZR 809/11 - Rn. 25; jeweils zitiert nach juris). Für den Auskunftsanspruch kommt es nicht darauf an, dass nachgewiesen ist, dass der Arbeitnehmer in weiteren Fällen Wettbewerb betrieben hat; ob dies der Fall ist, soll gerade durch seine Auskunft geklärt werden, der Auskunftsanspruch setzt deshalb nur voraus, dass der Arbeitgeber ernsthaften Anlass hat, vertragswidrigen Wettbewerb zu befürchten; dazu reicht es aus, dass ein einziger Versuch des Arbeitnehmers feststeht, gleichviel, ob er erfolgreich war oder nicht (vgl. BAG 12. Mai 1972 - 3 AZR 401/71 - Rn. 33, aaO).

81

bb) Ausgehend hiervon hat der Kläger der Beklagten Auskunft zu erteilen, welche Angebote er im Zeitraum vom 24. September 2008 bis zum 26. Oktober 2009 vorbenommen hat und wann, wo er welche Aufträge eigenen Namens oder namens der neu gegründeten Firma V GmbH entgegengenommen oder an Vertragsverhandlungen mitgewirkt hat.

82

(1) Aus den unter A II 1 1.1. b bb (2) dargestellten Gründen steht für die Berufungskammer zur Überzeugung fest, dass der Kläger sich zumindest im Falle der Verhandlungen mit der Firma R und S I O GmbH im bestehenden Arbeitsverhältnis des unerlaubten Wettbewerbs schuldig gemacht hat.

83

Der Kläger hat seine Auskunftsverpflichtung bislang nicht erfüllt. Das Bestreiten einer vertragswidrigen Konkurrenztätigkeit reicht dann als Auskunft nicht aus, wenn die Parteien noch darüber streiten, wie weit die Unterlassungspflicht reicht; solange hierüber noch Streit besteht, fehlt der Erklärung des Klägers, er habe sich nicht vertragswidrig verhalten, die für eine Auskunft zu fordernde Eindeutigkeit; der Umfang der Auskunftspflicht muss so bestimmt sein, dass auch eine negative Auskunft die Grundlage einer eidesstattlichen Versicherung abgeben kann (BAG 12. Mai 1972 - 3 AZR 401/71 - Rn. 45, zitiert nach juris).

84

Dem Auskunftsbegehren der Beklagten stünde nicht entgegen, dass der Kläger sich möglicherweise einer strafbaren Handlung bezichtigen müsste. Die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung befreit den Schuldner nicht von der Verpflichtung zur Auskunft und Rechnungslegung. Wer ein fremdes Rechtsgut verletzt, hat grundsätzlich dafür einzustehen und für die Wiedergutmachung zu sorgen. Ist dies nicht anders möglich als durch das Eingeständnis strafbarer Handlungen, so hat der Schädiger dies auf sich zu nehmen (BAG 11. Dezember 1990 - 3 AZR 407/89 - Rn. 16, zitiert nach juris). Ungeachtet dessen greift dieser Gesichtspunkt vorliegend im Übrigen bereits deshalb nicht ein, da das gegen den Kläger wegen Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 17 UWG) geführte Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist(vgl. Hessisches Landesarbeitsgericht 17. August 2012 - 10 Sa 1160/11 -, Rn. 70, zitiert nach juris).

85

(2) Die Auskunftsklage zu 1b) unterlag allerdings der Abweisung, soweit die Beklagte die detaillierte Aufschlüsselung des Zeitaufwands des Klägers verlangt hat. Die Auskunftspflicht erstreckt sich auf alle Angaben, die Voraussetzung einer etwaigen Schadensersatzforderung sein können (BAG 12. Mai 1972 - 3 AZR 401/71 - Rn. 36, zitiert nach juris). Es ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit der zeitliche Umfang des Tätigwerdens des Klägers für einen wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzanspruch der Beklagten relevant sein könnte. Soweit das Begehren der Beklagten darauf gerichtet sein sollte, zu ermitteln, in welchem Umfang der Kläger möglicherweise durch wettbewerbswidrige Handlungen zugleich seine Arbeitspflicht verletzt hat, ist dies vom Auskunftsanspruch nicht gedeckt. Außerhalb der gesetzlich oder vertraglich geregelten Auskunftsansprüche besteht ein Auskunftsrecht nur dann, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang eines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderlichen tatsächlichen Angaben unschwer machen kann (BAG 19. April 2005 - 9 AZR 188/04 - Rn. 21 mwN; 12. Juli 2006 - 5 AZR 646/05 - Rn. 15, jeweils zitiert nach juris). Da es der Beklagten unbenommen war, die Kontrolle der Arbeitsleistung des Klägers - auch wenn diese im Projektbüro in M zu erbringen war - durch geeignete Instrumentarien (zB. feste Anwesenheitszeiten, Vorgabe bestimmter Abgabetermine und Rückmeldefristen) sicherzustellen, ist sie jedenfalls nicht in entschuldbarer Weise in Unkenntnis.

86

2.1.2. Die Beklagte kann nicht - wie zuletzt mit dem Antrag zu 1a) begehrt - vom Kläger Auskunft verlangen über die im Zeitraum vom 24. September 2008 bis zum 26. Oktober 2009 getätigten Arbeiten, insbesondere, welche Entwicklungen und Konzepte er allein oder gemeinsam mit anderen Personen vorgenommen hat.

87

a) Der von der Beklagten verfolgte Antrag zu 1a) ist als Stufenklage gemäß § 254 ZPO nicht zulässig.

88

aa) Nach § 254 ZPO kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, wenn mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden wird, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet(BGH 29. März 2011 - VI ZR 117/10 - Rn. 8, zitiert nach juris). Die begehrte Auskunft muss für die Erhebung eines bestimmten Antrages erforderlich sein (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 527/10 - Rn. 53 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - Rn. 15; jeweils zitiert nach juris). Die Besonderheit der Stufenklage liegt nicht in der Zulassung einer Anspruchsverbindung in einer Klage, sondern in erster Linie in der Zulassung eines unbestimmten Antrags entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Stufenklage soll dem Kläger die Prozessführung nicht allgemein erleichtern. Vielmehr muss sein Unvermögen zur bestimmten Angabe der von ihm auf der letzten Stufe seiner Klage beanspruchten Leistung gerade auf den Umständen beruhen, über die er auf der ersten Stufe Auskunft begehrt, bzw. muss das Auskunftsbegehren gerade der Vorbereitung der auf der letzten Stufe noch nachzuholenden bestimmten Angabe dienen. Daraus folgt, dass im Rahmen der Stufenklage die Auskunft lediglich ein Hilfsmittel ist, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen. Die der Stufenklage eigentümliche Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch steht dagegen nicht zur Verfügung, wenn die Auskunft überhaupt nicht dem Zwecke einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dienen, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll (BGH 29. März 2011 - VI ZR 117/10 - Rn. 8 mwN, 18. April 2002 - VII ZR 260/01 - Rn. 16; 02. März 2000 - III ZR 65/99 - Rn. 18; jeweils zitiert nach juris).

89

bb) Ausgehend hiervon kann von einer Zulässigkeit des Auskunftsantrags zu 1a) im Wege der Stufenklage nicht ausgegangen werden. Die von der Beklagten verlangte Auskunft dient nicht dazu, einen ihr zustehenden Schadensersatzanspruch (Antrag zu 5b) lediglich zu beziffern oder einen Leistungsanspruch - hier: Übertragung von Rechten (Antrag zu 5a) - bestimmbar zu machen, sondern hat allein den Zweck, zu ermitteln, ob der Beklagten solche Ansprüche überhaupt zustehen. Nach dem Wortlaut des Antrags zu 1a) soll der Kläger Auskunft erteilen über die von ihm - allein oder mit anderen - im Antragszeitraum getätigten Arbeiten, insbesondere in Form von Entwicklungen und Konzepten. Damit soll der Klägers Auskunft erteilen über sämtliche von ihm verrichtete Arbeiten, unabhängig davon, ob er sie im Rahmen des Arbeitsverhältnisses der Parteien oder privat, rechtmäßig oder unter Verletzung von Rechten der Beklagten oder Dritter erbracht hat. Auf welcher Rechtsgrundlage der Beklagten ein Schadensersatz- oder sonstiger Leistungsanspruch zustehen sollte, für den es einer derart weitgehenden Auskunft bedarf, erschließt sich nicht. Damit ergibt sich zweifellos, dass das Auskunftsbegehren gerade nicht dazu dient, der Beklagten die Bezifferung eines ihr auf der letzten Stufe zustehenden Anspruchs zu ermöglichen, sondern es vielmehr im Rahmen der Rechtsverfolgung um die Sachverhaltsermittlung geht, ob der Beklagten Ansprüche zustehen könnten.

90

b) Die als solche unzulässige Stufenklage ist jedoch in eine - zulässige - Klagehäufung im Sinne des § 260 ZPO umzudeuten. Auch wenn das Auskunftsbegehren der Beklagten nicht der Bestimmbarkeit bzw. Bezifferbarkeit des Leistungsantrags dient und daher als erste Stufe einer Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO unzulässig ist, ist ihr ein - zumindest für die Rechtsschutzgewährung ausreichendes - berechtigtes Interesse an der begehrten Auskunft nicht abzusprechen. Die Frage, ob ihr gegen den Kläger ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft tatsächlich zusteht, ist dementsprechend nicht eine solche der Zulässigkeit des Auskunftsanspruchs, sondern der Begründetheit (vgl. BGH 23. März 2011 - VI ZR 117/10 - Rn. 13, 2. März 2000 - III ZR 65/99 - Rn. 22, jeweils zitiert nach juris). Werden im Wege objektiver Klagehäufung in zulässiger Weise sowohl (zur Vorbereitung eines Schadensersatzbegehrens) ein Auskunftsanspruch als auch der Anspruch auf Schadensersatz geltend gemacht, darf über den Auskunftsantrag vorab durch Teilurteil entschieden werden (vgl. zu §§ 84a, 84 AMG: BGH 29. März 2011 - VI ZR 117/10 - Rn. 14, zitiert nach juris)

91

c) Der Beklagten steht der mit dem Antrag zu 1a) geltend gemachte Auskunftsanspruch in der Sache nicht zu.

92

aa) Der Umstand allein, dass jemand Kenntnis von Tatsachen hat oder haben könnte, die für einen anderen von Bedeutung sein mögen, verpflichtet ihn nicht zur Auskunftserteilung; denn eine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Auskunftspflicht ist dem bürgerlichen Recht unbekannt (BGH 18. Januar 1978 - VIII ZR 262/76 - Rn. 17, zitiert nach juris). Gewohnheitsrechtlich ist jedoch anerkannt, dass Auskunftsansprüche nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) bestehen können, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (vgl. BAG 19. April 2005 - 9 AZR 188/04 - Rn. 21, 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - Rn. 21 f.; jeweils zitiert nach juris). Im Regelfall setzt das einen dem Grunde nach feststehenden Leistungsanspruch voraus (BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - Rn. 22; 27. Juni 1990 - 5 AZR 334/89 - Rn. 17 ff.; BGH 7. Dezember 1988 - IVa ZR 290/87 - Rn. 11; vgl. auch BAG 21. November 2000 - 9 AZR 665/99 -Rn. 44; BGH 18. Januar 1978 - VIII ZR 262/76 - Rn. 18, jeweils zitiert nach juris). Besteht zwischen den Parteien eine Sonderverbindung, insbesondere ein Vertragsverhältnis, dann reicht es aus, dass mit der Auskunftsklage auch der Bestand eines Leistungsanspruchs geklärt werden soll, sofern der Berechtigte die Wahrscheinlichkeit seines Anspruchs dargelegt hat (BAG 21. November 2000 - 9 AZR 665/99 - mwN Rn. 44 aaO). Innerhalb vertraglicher Beziehungen, insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen wie dem Arbeitsverhältnis, kann der Auskunftsanspruch darüber hinaus die Funktion haben, dem Berechtigten Informationen auch schon über das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach zu verschaffen (vgl. BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - Rn. 22, aaO). Allerdings sind die gesetzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess und gesetzliche Beweislastregeln zu berücksichtigen; die Darlegungs- und Beweissituation darf nicht durch die Gewährung materiell-rechtlicher Auskunftsansprüche unzulässig verändert werden (BAG 01. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - Rn. 23; 07. September 1998 - 8 AZR 828/93 - Rn. 30; LAG Rheinland-Pfalz 17. September 2008 - 9 Ta 169/08 - Rn. 11, jeweils zitiert nach juris).

93

bb) Ausgehend hiervon steht der Beklagten der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu. Es ist der Beklagten nicht gelungen, darzulegen, dass ihr ein als Basis für den verfolgten - unselbstständigen - Auskunftsanspruch dienender Hauptanspruch zustehen könnte. Die Zuerkennung eines Auskunftsanspruchs würde die im Zivilprozess bestehende Darlegungs- und Beweislastsituation, nach der die Beklagte die Anspruchsvoraussetzungen darlegen und beweisen muss, durch die Gewährung eines materiell-rechtlichen Auskunftsanspruchs unzulässig zu Gunsten der Beklagten verändern.

94

(1) Die Beklagte hat zivilprozessual nicht schlüssig dargelegt, dass die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280 BGB, 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB iVm. § 17 Abs. 1 und Abs. 2 UWG, § 1 UWG vorliegen könnten, weil der Kläger Betriebsgeheimnisse der Beklagten unbefugt verwertet hat. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass es sich beim Datenlogger X der Beklagten um ein Betriebsgeheimnis iSd. § 17 UWG handelt, hat sie nicht substantiiert dargetan, dass der Kläger sich dieses Betriebsgeheimnis während des bestehenden Arbeitsverhältnisses unbefugt verschafft und verwertet hat. Der Kläger hat stets bestritten, dass der Datenlogger M+ der V GmbH während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses bereits fertig entwickelt gewesen sei und hat vorgetragen, dass es sich bei diesem geplanten Datenlogger um eine Neuentwicklung gehandelt habe. Auch in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer hat der Kläger in diesem Sinne erneut dargelegt, der letztlich von der Firma V GmbH entwickelte Datenlogger habe eine andere Hard- und Softwarearchitektur und basiere auf Soft- und Hardwarekomponenten, die entweder selbst entwickelt, zugekauft worden seien oder bei denen man O S Software verwendet habe. Das Arbeitsgericht hat in der erstinstanzlichen Entscheidung (A III S. 20 f. = Bl. 372 f. d. A.) zutreffend darauf hingewiesen, die Beklagte habe weder substantiiert dargelegt, inwieweit der Kläger rechtswidrig Betriebsgeheimnisse benutzt haben soll, noch konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für ihre pauschale Behauptung, der Kläger habe sich in unredlicher Weise unter Verstoß gegen §§ 1, 17 UWG Betriebsgeheimnisse angeeignet, benannt. Auch die Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren haben hieran nichts geändert. Die Beklagte hat für die Berufungskammer nicht in erkennbarer Weise dargetan, dass und aus welchen Gründen der Datenlogger M+ der Firma V GmbH nur unter Verwendung von Betriebsgeheimnissen der Beklagten in Form von deren Datenlogger X durch den Kläger während des bestehenden Arbeitsverhältnisses entwickelt worden sein kann. Es war nicht - etwa durch vergleichende Betrachtung - ersichtlich, dass der Datenlogger M+ entgegen der Behauptung des Klägers nicht aus käuflich zu erwerbenden oder vom Kläger und seinen Kollegen selbst entwickelten Bauteilen zusammengesetzt ist, sondern aus geschützten, anspruchsvollen und technisch nicht trivialen Programmsequenzen des Datenloggers der Beklagten in erheblichem Umfang. Auch ausreichende Indizien, die nur diesen Schluss zulassen würden, hat die Beklagte nicht dargetan. Soweit sie sich darauf berufen hat, dass bei der Auswertung der dienstlichen Rechner des Klägers und seiner Kollegen in Dokumenten der Firma V GmbH Schlüsselwörter wie beispielsweise die Namen früherer Mitarbeiter der Beklagten oder der Name X gefunden worden seien, erlaubt allein dies nicht die Schlussfolgerung, dass als Betriebsgeheimnis zu wertende Programme oder Dateien der Beklagten vom Kläger unerlaubt für den Datenlogger M verwendet worden sind. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte dem Zeugen T bei dessen Ausscheiden im Hinblick auf ein von diesem betreutes Projekt die weitere Nutzung zugestanden und einen Teilbereich der Firma der Beklagten an diesen übertragen hat. Soweit die Beklagte beanstandet hat, das Arbeitsgericht habe sich nicht mit dem Inhalt der Akten aus dem - zwischenzeitlich eingestellten - Strafverfahren gegen den Kläger wegen unlauteren Wettbewerbs (§ 17 UWG) im Einzelnen auseinandergesetzt, verkennt sie die ihr obliegende Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess. Gleiches gilt, soweit sie - vom Kläger beanstandet - zur Untermauerung ihrer pauschalen Behauptungen Schriftsätze aus dem Strafverfahren zur Akte gereicht hat. Anlagen können lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 29; BGH 2. Juli 2007 - II ZR 111/05 - Rn. 25 mwN; zitiert nach juris).

95

(2) Auch die von der Beklagten angeführte Ansprüche aus Urheberrechtsverletzung, hinsichtlich derer der Berufungskammer die Prüfung der Rechtwegeröffnung gemäß § 65 ArbGG iVm. § 17a Abs. 5 GVG versagt ist, kommen als Grundlage für deren Auskunftsanspruch nach dem Vorbringen der Beklagten in vorliegendem Rechtsstreit nicht in Betracht. Gemäß § 69b Abs. 1 UrhG ist ausschließlich der Arbeitgeber zur Ausübung aller vermögensrechtlichen Befugnisse an dem Computerprogramm berechtigt, sofern nichts anderes vereinbart ist, wenn ein Computerprogramm von einem Arbeitnehmer in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach den Anweisungen seines Arbeitgebers geschaffen wird. Vorliegend ist es der Beklagten bereits nicht gelungen darzulegen, dass der Kläger in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach Anweisungen der Beklagten ein Computerprogramm geschaffen hat. § 69b UrhG differenziert insoweit zwischen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses geschaffenen Pflichtwerken und privaten (sog. freien) Werken (Wandtke/Bullinger UrheberR - Grützmacher UrhG § 69 b Rn. 5). § 69 b UrhG unterfällt nicht ein sogenanntes freiwilliges Werk, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass es vom Arbeitnehmer oder Bediensteten ohne einen inneren Zusammenhang mit seinen arbeitsvertraglichen bzw. dienstrechtlichen Pflichten geschaffen worden ist, jedoch im Arbeitsbereich des Betriebes verwendbar ist oder ihm Konkurrenz machen könnte (OLG Düsseldorf - 27. Mai 2004 - I-2 U 67/95, 2 U 67/2 U 67/95 - Rn. 24; zitiert nach juris). Der Geschäftsführer der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer bestätigt, dass die Entwicklung der Hardwareseite des Datenloggers der „3. G“ bei der Beklagten ab ca. Ende 2008 dem Zeugen T übertragen war. Auch wenn der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger zugleich als „wichtigen Tippgeber“ für den Zeugen T hinsichtlich der - bei richtiger Konzipierung der Hardware nach seinen Angaben regelmäßig zu 90 % übertragbaren - Softwareseite bezeichnete, stand damit für die Berufungskammer fest, dass der Kläger zwar für die Wartung und Betreuung des Datenloggers X zuständig war, - anders als der Zeuge T – aber die Erstellung eines Datenloggers der 3. G als Ergebnis seiner Arbeitstätigkeit gerade nicht arbeitsvertraglich geschuldet hat. Unabhängig davon setzt das Vorliegen einer Rechtsverletzung bezüglich urheberrechtlich geschützter Software bei Übereinstimmungen der Software in Teilbereichen voraus, dass urheberrechtlich geschützte Programmteile übernommen werden (LG Düsseldorf 12. Januar 2007 - 12 O 345/02 - Rn. 69; OLG Hamburg, CR 2001, 434, 435). Dass dies vorliegend bei der Erstellung des Datenloggers M+ im Hinblick auf den Datenlogger X der Beklagten der Fall gewesen ist, hat die Beklagte nicht substantiiert dargelegt. Auf die Ausführungen zu § 17 UWG unter A II 2.1.2. c) bb) (1) wird Bezug genommen.

96

2.2. Der Beklagten steht kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 BGB iVm. § 241 Abs. 2BGB in Höhe von 26.500,00 Euro zu, was dem Abfindungsbetrag entspricht, den die Beklagte an den Zeugen T ausgekehrt hat. Die Berufungskammer nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts (IV der Entscheidungsgründe, S. 21 des Urteils = Bl. 373 f. d. A.) Bezug, macht sie sich zur Vermeidung von Wiederholungen zu Eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Auch die Einwendungen der Beklagten in der Berufung geben keinen Anlass zu einer anderen Betrachtung. Ungeachtet der Tatsache, dass es der Beklagten auch zweitinstanzlich bereits nicht gelungen ist, darzulegen, inwieweit der Zeuge T sich im Rahmen seines Beschäftigungsverhältnisses arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen schuldig gemacht hat, hinsichtlich derer der Kläger eine Aufklärungspflicht gehabt hätte, hat die Beklagte auch nicht weiter dargelegt, inwieweit ein Verhalten des Klägers kausal für die Abfindungszahlung gewesen sein sollte. Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte selbst vorgetragen hat, sie habe den Zeugen T wegen seines Versagens im Aufgabenfeld Weiterentwicklung des Datenloggers, wegen eigenmächtiger Absprachen mit Kunden und wegen Verletzungen der Arbeitszeitregelung entlassen und mit ihm zur Vermeidung einer langwierigen Auseinandersetzung einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung geschlossen, bestehen hieran jedenfalls erhebliche Zweifel. Ob - wie vom Kläger behauptet - die Abfindung im Hinblick auf die im Vergleich zum ursprünglichen Kündigungszeitpunkt frühere Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Zeugen T gezahlt worden ist, kann dahinstehen.

97

2.3. Der von der Beklagten im Rahmen der Widerklage zur Entscheidung gestellte Antrag zu 4), mit dem sie die Feststellung begehrt, dass der Kläger verpflichtet ist, ihr sämtlichen Schadens zu ersetzen, der ihr noch dadurch entstehen wird, dass der Kläger sich die Technologie der Beklagten zur Erstellung eines Multibusdatenloggers unbefugt verschafft hat, ist weder zulässig, noch - seine Zulässigkeit zu Gunsten der Beklagten unterstellt - begründet.

98

2.3.1. Der Antrag erweist sich bereits mangels hinreichender Bestimmtheit als nicht zulässig.

99

a) § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verlangt (u. a.) einen „bestimmten Antrag“. Der Klageantrag bestimmt Art und Umfang des Rechtsschutzbegehrens. Er bindet das Gericht (§ 308 ZPO) und bestimmt durch Erfolg und Nichterfolg die Kostenfolge (§ 92 ZPO). Daher muss er, obwohl der Auslegung (§ 133 BGB) zugänglich, eindeutig sein. Es genügt nicht, dass sich aus der Klagebegründung oder einer Anlage der Gegenstand des Rechtsstreits erschließen lässt. Grundsätzlich ist ein Klageantrag hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret (beziffert oder gegenständlich) bezeichnet, den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) erkennbar abgrenzt, den Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt und das Risiko des (eventuell teilweisen) Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt(LAG Hessen 05. August 2014 - 13 Sa 795/13 -, Rn. 21, zitiert nach juris unter Verweis auf Zöller/Greger ZPO 30. Auflage 2014 § 253 Rn. 13 mwN.). Auch eine Feststellungsklage muss nach § 253 Abs 2 Nr. 2 ZPO die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Der Streitgegenstand und der Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis müssen klar umrissen sein (BAG 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 11; 19. Februar 2008 - 9 AZR 70/07 - Rn. 16; jeweils zitiert nach juris), so dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann. Bei einer stattgebenden Entscheidung darf keine Unklarheit über den Umfang der Rechtskraft bestehen. Bei einer Feststellungsklage sind dabei grundsätzlich keine geringeren Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen als bei einer Leistungsklage (BAG 14. Dezember 2011 - 4 AZR 242/10 - Rn. 19 mwN, zitiert nach juris).

100

b) Gemessen hieran ist der Antrag zu 4) nicht zulässig. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass bereits nicht klar umrissen ist, was unter dem Begriff der „Technologie der Beklagten zur Erstellung eines Multibusdatenloggers“ zu verstehen sein soll. Hierunter könnten Hard- und/oder Softwarekomponenten fallen, sowie einzelne Programme und zwar von Mitarbeitern der Beklagten selbst erstellte Programme oder aber auf dem allgemeinen Markt erhältliche zugekaufte Programme. Gleichermaßen ist nicht ersichtlich, welcher Multibusdatenlogger vom Antrag umfasst sein soll, da -wie dem Streit der Parteien zu entnehmen - Multibusdatenlogger verschiedener Generationen existieren. Ebenso bleibt unklar, auf welches konkrete schadensersatzbegründende Ereignis und Verhalten des Klägers sich der Antrag beziehen soll. Es erfolgt weder eine zeitliche, noch eine sächliche Eingrenzung.

101

2.3.2. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten davon ausgehen wollte, dass der Klageantrag die Bestimmtheitserfordernisse des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfüllt, steht der Beklagten die begehrte Feststellung in der Sache nicht zu. Die Beklagte hat weder schlüssig dargetan, dass ihr ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 BGB, 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB iVm. § 17 Abs. 1 und Abs. 2 UWG, § 1 UWG zusteht, weil der Kläger Betriebsgeheimnisse der Beklagten unbefugt verwertet hat, noch dass sie Ansprüche wegen Verletzung von Urheberrechten hat. Auf die diesbezüglichen Ausführungen unter A II 2.1.2. c) bb) wird Bezug genommen.

102

3. Soweit die Anregung der Beklagten, vorliegendes Verfahren bis zum Abschluss des gegen den Kläger wegen Prozessbetrugs bei der Staatsanwaltschaft Landau - 7... - geführten Verfahrens vorläufig ruhend zu stellen, als Aussetzungsantrag nach § 149 ZPO zu verstehen sein sollte, konnte dem Antrag nach alledem nicht stattgegeben werden. Unabhängig davon, dass die Beklagte bereits nicht im Einzelnen dargelegt hat, inwieweit nach dem rechtskräftigem Abschluss des ua. gegen den Kläger gerichteten Verfahrens wegen Wettbewerbsverletzung (§ 17 UWG) das Verfahren wegen Prozessbetruges vorliegend vorgreiflich sein soll, war jedenfalls nicht ersichtlich, dass ein zu erwartender Erkenntnisgewinn die weitere Verzögerung des bereits seit Ende 2009 anhängigen Zivilprozesses rechtfertigen würde, nachdem der Rechtsstreit bereits im Hinblick auf das frühere Strafverfahren vom 02. März 2010 bis 21. November 2011 und vom 13. Dezember 2011 bis 14. November 2013 im Einvernehmen mit den Parteien geruht hat.

B.

103

Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten.

104

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. April 2013 - 2 Sa 490/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses sowie über davon abhängige Vergütungsansprüche des Klägers.

2

Der 1989 geborene Kläger nahm zum 1. August 2010 eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der beklagten Bank auf. Die Ausbildungszeit sollte zum 31. Januar 2013 enden.

3

Am 11. Februar 2011 und am 30. März 2011 meldete sich der Kläger arbeitsunfähig und nahm am Berufsschulunterricht nicht teil. Er besuchte an diesen Tagen eine Spielhalle, wo er mehrere Zahlungen mit seiner EC-Karte vornahm und dabei sein Konto überzog.

4

Am 20. Juni 2011 war er mit dem Bankkaufmann S in der Filiale der Beklagten in G tätig. Der Kläger zählte an diesem Tag das sich in den Nachttresor-Kassetten befindliche Geld mit einer Zählmaschine. Dabei war Herr S nicht anwesend. Es ist ungeklärt, ob die Bündelung der Geldscheine nach der Zählung durch den Kläger oder Herrn S erfolgte. Im späteren Verlauf des Tages schweißte Herr S die Geldbündel zur Weiterleitung an die Landeszentralbank ein. Die Zentralbank stellte einen Kassenfehlbestand von 500,00 Euro in Form von zehn fehlenden 50-Euro-Scheinen fest. Hiervon erlangte die Beklagte am 28. Juni 2011 Kenntnis.

5

Die Beklagte bat den Kläger zu einem Personalgespräch am 30. Juni 2011. Diesen Termin nahm der Kläger aus persönlichen Gründen nicht wahr. Es wurde daraufhin eine Verlegung auf den 4. Juli 2011 vereinbart, obwohl dem Kläger ab diesem Tag für zwei Wochen Urlaub bewilligt worden war. Am 3. Juli 2011 sagte der Kläger den Termin ab, weil er kurzfristig am nächsten Tag noch in den Urlaub fliege. Das Gespräch fand schließlich am 21. Juli 2011 statt. Dem Kläger wurden die beabsichtigten Gesprächsthemen vorher nicht mitgeteilt. An dem Treffen nahmen das Vorstandsmitglied Si, der Ausbildungsleiter K sowie der Kläger teil.

6

Der Kläger räumte bei der Unterredung ein, dass er den Termin am 4. Juli 2011 nicht wegen einer Flugreise abgesagt habe. Er habe vielmehr zwei Wochen in einer Gießerei gearbeitet. Es wurden sodann die Fehlzeiten des Klägers im Berufsschulunterricht sowie seine Spielhallenbesuche besprochen. Der Kläger teilte mit, dass er wegen des Glückspiels Therapiestunden bei einer Beratungsstelle besuche. Über deren Inhalt und Zielsetzung ist nichts Näheres bekannt. Die Vertreter der Beklagten sprachen den Kläger auf Kassenfehlbeträge in Filialen, in denen der Kläger eingesetzt wurde, an. Dies betraf eine Differenz iHv. 50,00 Euro am 3. Juni 2011 in der Filiale D sowie die fehlenden 500,00 Euro am 20. Juni 2011 in G. Der diesbezügliche Gesprächsverlauf ist zwischen den Parteien streitig geblieben.

7

Mit Schreiben vom 22. Juli 2011 teilte die Beklagte dem bei ihr gebildeten Betriebsrat unter Nennung der Sozialdaten des Klägers mit, dass sie beabsichtige das Ausbildungsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß zu kündigen. Dem Betriebsrat wurde der Kassenfehlbetrag von 500,00 Euro am 20. Juni 2011 genannt. Da der Kläger alleine gebündelt habe und dies nicht nachkontrolliert worden sei, müsse die Beklagte „davon ausgehen, dass er die Differenz ‚verursacht‘ habe“. Im Gespräch mit Herrn Si und Herrn K habe der Kläger selbst die Höhe des Fehlbetrags genannt. Ferner habe er zugegeben, dass die Differenz in D am 3. Juni 2011 von ihm verursacht worden sei. Der Kläger habe weiterhin ausgeführt, dass er spielsüchtig sei. Zudem enthält die Betriebsratsanhörung Angaben zu den Fehlzeiten in der Berufsschule und zu der nicht genehmigten Arbeit in einer Gießerei während des Erholungsurlaubs. Insgesamt sei der Kläger für die Bank nicht mehr tragbar. Die Fortführung des Ausbildungsverhältnisses mit ihm stelle ein erhöhtes Risiko dar.

8

Der Betriebsrat stimmte der Kündigung noch mit Vermerk vom 22. Juli 2011 zu. Daraufhin kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis mit Schreiben vom 22. Juli 2011 außerordentlich fristlos zum 25. Juli 2011 und hilfsweise ordentlich zum 30. September 2011. Darin wurde die Kündigung entsprechend der Unterrichtung des Betriebsrats begründet. Die für das Ausbildungsverhältnis unverzichtbare Vertrauensbasis sei nicht mehr gegeben und könne auch nicht wieder hergestellt werden. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 25. Juli 2011 zu.

9

Mit seiner am 1. August 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage vom 29. Juli 2011 hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt. Das von ihm mit weiterem Schreiben vom 29. Juli 2011 beantragte Verfahren vor dem Schlichtungsausschuss der Industrie- und Handelskammer (IHK) T endete am 12. September 2011 ohne Einigung. Der Ausschuss fällte allerdings keinen Spruch. Er stellte lediglich das Scheitern der Verhandlungen fest. Damit sei der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet.

10

Nach Ansicht des Klägers ist die streitgegenständliche Kündigung unwirksam. Eine Verdachtskündigung sei im Ausbildungsverhältnis nicht zulässig. Eine solche widerspreche dem Zweck und Charakter der Berufsausbildung. Sie sei auch mit der besonderen Fürsorgepflicht des Ausbildenden nicht zu vereinbaren. Zudem bestehe kein hinreichender Tatverdacht. Er habe zwar entgegen der Anweisung, dass ein Auszubildender bei einem Zählvorgang durch einen Bankkaufmann kontrolliert werden müsse („Vier-Augen-Prinzip“), die Zählungen am 20. Juni 2011 in G alleine vorgenommen. Die Bündelung und das Einschweißen der Geldscheine sei jedoch durch Herrn S erfolgt. Dieser habe somit ebenso Zugriff auf das Geld gehabt wie andere Beschäftigte der Beklagten in dieser Filiale. Die Geldbestände seien nicht durchgehend gesichert gewesen. Die Beklagte habe sich auch nicht durch eine entsprechende Befragung von Herrn S einen vollständigen Überblick über die Geschehnisse verschafft.

11

Die Besprechung am 21. Juli 2011 sei keine ordnungsgemäße Anhörung gewesen. Dazu wäre die vorherige Mitteilung des beabsichtigten Gesprächsinhalts erforderlich gewesen. Die Beklagte hätte ihn darauf hinweisen müssen, dass er einen Rechtsanwalt oder eine sonstige Person seines Vertrauens hinzuziehen könne. Sie stelle zudem den Gesprächsverlauf falsch dar. Er habe nicht von sich aus den Fehlbetrag von 500,00 Euro genannt. Vielmehr hätten die Vertreter der Beklagten vorher erwähnt, dass zehn 50-Euro-Scheine gefehlt hätten. Daher sei ihm der Gesamtbetrag bekannt gewesen. Im Übrigen wäre die Anhörung auch fehlerhaft, wenn er erstmals die Summe von 500,00 Euro genannt hätte, denn dann hätte die Beklagte ihn anlässlich der Begründung eines Verdachts wegen Offenbarung von Täterwissen zu einer erneuten Anhörung einladen müssen. Die bloße Fortsetzung des Gesprächs stelle keine ordnungsgemäße Anhörung bezüglich dieser neuen Verdachtstatsachen dar. Zudem habe die Beklagte bei der Anhörung gegen datenschutzrechtliche Vorgaben (§§ 4, 32 BDSG) verstoßen.

12

Die Kündigung scheitere auch an dem Fehlen einer einschlägigen Abmahnung sowie an der vorzunehmenden Interessenabwägung. Bei dieser sei zu berücksichtigen, dass er kurz vor Vollendung seines ersten Ausbildungsjahres gestanden habe und das Berufsausbildungsverhältnis für ihn von existenzieller Bedeutung sei. Der in Frage stehende wirtschaftliche Schaden der Beklagten sei „überschaubar“. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte das Entstehen einer solch unklaren Situation bei einem Fehlbetrag maßgeblich zu verantworten habe. Wären die Vorgaben hinsichtlich des „Vier-Augen-Prinzips“ bei einem Zählvorgang und einer stringenten Kontrolle der Auszubildenden beachtet worden, wäre der Verdacht gegen ihn nicht entstanden. Durch eine konsequente Anwendung der Sicherheitsvorschriften könne die Beklagte künftig die Entstehung einer solchen Problematik ausschließen.

13

Weiterhin sei die Zwei-Wochen-Frist des § 22 Abs. 4 BBiG versäumt. Angesichts einer Kenntniserlangung von dem Fehlbetrag am 28. Juni 2011 und einem bewilligten Erholungsurlaub vom 4. Juli bis zum 18. Juli 2011 hätte die Beklagte ihn entweder noch in der Woche bis zum 1. Juli 2011 oder schriftlich anhören müssen.

14

Die Kündigung sei außerdem mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam. Der Anhörung sei nicht zu entnehmen, welche konkrete Handlung ihm vorgeworfen werde. Es werde nicht deutlich, dass es sich um eine Verdachtskündigung handeln solle. Zudem sei der Betriebsrat inhaltlich falsch unterrichtet worden. Er, der Kläger, habe nie erklärt, den Fehlbetrag von 50,00 Euro in D verursacht zu haben und spielsüchtig zu sein.

15

Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei unwirksam, da ein Berufsausbildungsverhältnis nach Ablauf der Probezeit nur außerordentlich gekündigt werden könne. Die Beklagte sei zur Nachzahlung der Ausbildungsvergütung iHv. monatlich 907,00 Euro für die Zeit von August 2011 bis einschließlich November 2011 sowie des anteiligen dreizehnten Monatseinkommens iHv. 1.360,50 Euro brutto verpflichtet.

16

Der Kläger hat daher zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 22. Juli 2011, zugegangen am 25. Juli 2011, nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 30. September 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 907,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. September 2011 zu zahlen;

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 907,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. Oktober 2011 zu zahlen;

        

5.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 907,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. November 2011 zu zahlen;

        

6.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 1.360,50 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. Dezember 2011 zu zahlen.

17

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag mit der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 22. Juli 2011 begründet. Die Verdachtskündigung eines Ausbildungsverhältnisses sei jedenfalls dann möglich, wenn dessen besonderer Charakter eine vertiefte Vertrauensbasis erfordere. Dies sei bei der Ausbildung zum Bankkaufmann der Fall. Die Voraussetzungen einer wirksamen Verdachtskündigung seien hier erfüllt. Die Anhörung des Klägers am 21. Juli 2011 sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Themen der Besprechung hätten dem Kläger vorher nicht bekannt gegeben werden müssen. Zudem habe sich der Verdacht eines Vermögensdeliktes erst im Verlauf des Gesprächs ergeben. Der Kläger habe von sich aus einen Fehlbetrag von 500,00 Euro genannt, ohne dass diese Summe oder fehlende Einzelbeträge zuvor erwähnt worden seien.

18

Es seien alle möglichen und erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen durchgeführt worden. Nachdem der Kläger im Gespräch am 21. Juli 2011 durch Preisgabe seines Täterwissens den Verdacht begründet habe, wäre eine weitere Anhörung bloße Förmelei gewesen. Der Ausbildungsleiter K habe auch Herrn S telefonisch befragt. Dieser habe mit einer E-Mail noch am 21. Juli 2011 mitgeteilt, dass der Kläger das Geld am 20. Juni 2011 sowohl gezählt als auch gebündelt habe.

19

Der begründete Verdacht der Unterschlagung von 500,00 Euro habe das erforderliche Vertrauen zu dem Kläger zerstört. Dabei sei auch die Spielsucht zu berücksichtigten, welche der Kläger am 21. Juli 2011 ausdrücklich eingeräumt habe. Deshalb habe er sich in Therapie befunden. Der Betriebsrat sei auch in diesem Punkt ordnungsgemäß unterrichtet worden.

20

Die Vorinstanzen haben die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageziele weiter.

Entscheidungsgründe

21

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Das Berufsausbildungsverhältnis wurde durch die Kündigung der Beklagten vom 22. Juli 2011 gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG mit ihrem Zugang am 25. Juli 2011 beendet. Mangels eines darüber hinausgehenden Bestands des Ausbildungsverhältnisses ist die Klage auch unbegründet, soweit sie sich gegen die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 30. September 2011 richtet und Vergütungsansprüche für die Zeit ab dem 1. August 2011 zum Gegenstand hat.

22

I. Die Klage ist zulässig.

23

1. Die nach § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG erforderliche Verhandlung vor dem bei der IHK T gebildeten Schlichtungsausschuss ist erfolgt.

24

a) Die nach § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG erforderliche Anrufung eines bestehenden Schlichtungsausschusses ist eine von Amts wegen zu beachtende Prozessvoraussetzung für arbeitsgerichtliche Klagen in Ausbildungsstreitigkeiten. Nach § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG muss der Klage in allen Fällen die Verhandlung vor dem Ausschuss vorangegangen sein. Der Mangel der Nichtanrufung des Schlichtungsausschusses kann jedoch nach Klageeinreichung noch geheilt werden, wenn das Schlichtungsverfahren gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG nachgeholt wird. Die Klage wird dann nachträglich zulässig (vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 494/06 - Rn. 10).

25

b) Die Parteien verhandelten vor dem Schlichtungsausschuss der IHK T am 5. September 2011. Ausweislich des Protokolls erging jedoch entgegen § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG kein Spruch. Es fand nur eine mündliche Verhandlung statt (§ 111 Abs. 2 Satz 2 ArbGG). Dies ist grundsätzlich unzureichend für die Erfüllung der Prozessvoraussetzung (vgl. GMP/Prütting ArbGG 8. Aufl. § 111 Rn. 19; GK-ArbGG/Mikosch Stand Juni 2014 § 111 Rn. 24). Ausweislich des Protokolls wurde allerdings festgestellt, dass mangels einer Einigungsmöglichkeit die Verhandlung gescheitert und den Parteien der Weg zum Arbeitsgericht eröffnet sei. Hierdurch hat der Ausschuss den Abschluss des Verfahrens zum Ausdruck gebracht. Der Prozessvoraussetzung des § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG ist damit Genüge getan. Verweigert der Ausschuss den ordnungsgemäßen Abschluss des Schlichtungsverfahrens, ist der betroffene Antragsteller prozessual nicht schlechter zu stellen, als wenn der Ausschuss die Durchführung des Verfahrens gänzlich verweigert oder mitgeteilt hätte, dass ein Spruch nicht möglich sei. Auch in diesen Fällen kann die Klage erhoben werden (vgl. Zimmermann in Natter/Gross ArbGG 2. Aufl. § 111 Rn. 28; HWK/Kalb 6. Aufl. § 111 ArbGG Rn. 22; GK-ArbGG/Mikosch Stand Juni 2014 § 111 Rn. 21). Das Unterbleiben einer Entscheidung kann dem Antragsteller nicht angelastet werden (BAG 27. November 1991 - 2 AZR 263/91 - zu B I der Gründe).

26

2. Für die beiden Feststellungsanträge ist das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben, obwohl die Ausbildungszeit und damit das Berufsausbildungsverhältnis mangels Erfüllung eines Verlängerungstatbestands spätestens zum 31. Januar 2013 geendet hat (§ 21 Abs. 1 Satz 1 BBiG). Wäre die streitgegenständliche Kündigung unwirksam, so hätte dies Konsequenzen für den Inhalt des nach § 16 BBiG zu erteilenden Zeugnisses. Der Kläger könnte zudem ggf. weitere Vergütung sowie Schadensersatz nach § 23 BBiG verlangen(vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 494/06 - Rn. 12; 17. Juli 2007 - 9 AZR 103/07 - Rn. 11, BAGE 123, 247 zu § 16 Abs. 1 BBiG aF).

27

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat das Ausbildungsverhältnis wegen des dringenden Verdachts der rechtswidrigen Zueignung von 500,00 Euro Bargeld wirksam zum 25. Juli 2011 gekündigt.

28

1. Entgegen der Auffassung der Revision kann der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden einen wichtigen Grund iSd. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG darstellen.

29

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bilden(BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 14, BAGE 145, 278; vgl. auch 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 16, BAGE 146, 303). Eine auf einen solchen Verdacht gestützte Kündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich der Verdacht auf objektive Tatsachen gründet, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13, BAGE 143, 244). Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er in der Sache zutrifft (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 14, aaO; 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16).

30

b) Die in Art. 6 Abs. 2 MRK verankerte Unschuldsvermutung steht der Verdachtskündigung entgegen der Auffassung der Revision nicht entgegen. Die Unschuldsvermutung bindet unmittelbar nur den Richter, der über die Begründetheit der Anklage zu entscheiden hat (BAG 14. September 1994 - 2 AZR 164/94 - zu II 3 c der Gründe, BAGE 78, 18). Bei der Verdachtskündigung geht es nicht um die Verhängung einer Strafe, sondern um die Beendigung eines privatrechtlichen Dauerschuldverhältnisses (vgl. Krause in vHH/L 15. Aufl. § 1 Rn. 466; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 1 Rn. 633; Hoefs Die Verdachtskündigung S. 92, 93).

31

c) Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden kann auch die außerordentliche Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG rechtfertigen.

32

aa) Dies ist allerdings umstritten.

33

(1) Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 19. September 2006 (- 9 Sa 1555/05 - Rn. 26) entschieden, dass Verdachtskündigungen im Berufsausbildungsverhältnis grundsätzlich nicht zuzulassen seien. Eine nur in einem sehr engen Rahmen denkbare Ausnahme sei möglich, wenn der besondere Charakter des Ausbildungsverhältnisses eine vertiefte Vertrauensbasis zwischen den Vertragsparteien erfordere. In einem normalen Ausbildungsverhältnis ohne besondere Vertrauenssituation stünden dem Ausbildenden nach erfolgtem Aufklärungsversuch die Möglichkeiten der Abmahnung, ggf. der Versetzung, weit eher zur Verfügung als bei einem Arbeitnehmer, dessen Leistung an einem bestimmten Arbeitsplatz bereits bei der Einstellung fest eingeplant worden sei (zum Erfordernis besonderen Vertrauens vgl. bereits Heinze ArbuR 1984, 237, 243).

34

(2) In der Literatur wird diese Auffassung geteilt (KR/Weigand 10. Aufl. §§ 21 - 23 BBiG Rn. 48; ErfK/Schlachter 15. Aufl. § 22 BBiG Rn. 3; APS/Biebl 4. Aufl. § 22 BBiG Rn. 16; HWK/Hergenröder 6. Aufl. § 22 BBiG Rn. 6; Benecke in Benecke/Hergenröder BBiG § 22 Rn. 22; Schieckel/Oestreicher/Decker/Grüner BBiG Bd. 1 Stand 1. September 2013 § 22 Rn. 8; Schulien in Hurlebaus/Baumstümmler/Schulien Berufsbildungsrecht Stand Mai 2014 § 22 Rn. 50c; Lakies in Lakies/Malottke BBiG 4. Aufl. § 22 Rn. 48; Lakies/Nehls BBiG 3. Aufl. § 22 Rn. 47a). Es sei zu beachten, dass es sich beim Ausbildungsverhältnis nicht um ein Arbeitsverhältnis, sondern um ein besonderes Rechtsverhältnis handle, bei dem die charakterliche Förderung nach § 14 Abs. 1 Nr. 5 BBiG eine besondere Rolle spiele(Pepping in Wohlgemuth BBiG § 22 Rn. 23).

35

(3) Nach anderer Ansicht ist die Verdachtskündigung wegen ihrer erhöhten Anforderungen auch im Berufsausbildungsverhältnis zulässig (Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 15. Aufl. § 174 Rn. 95; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 228; Hoefs Die Verdachtskündigung S. 318; Stück in Braun/Mühlhausen/Munk/Stück BBiG § 15 Rn. 113; Herkert/Töltl BBiG Bd. 1 Stand Dezember 2014 § 22 Rn. 95 ff.; differenzierend Leinemann/Taubert BBiG 2. Aufl. § 22 Rn. 62). Die besondere Bedeutung des Ausbildungsverhältnisses könne im konkreten Einzelfall allerdings weiter gehende Einschränkungen erfordern (HK-ArbR/Herrmann 3. Aufl. § 22 BBiG Rn. 14).

36

bb) Der letztgenannten Auffassung ist zuzustimmen. Der dringende Tatverdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden kann dem Ausbildenden die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses unzumutbar machen und daher einen wichtigen Grund zur Kündigung nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG darstellen. Dem besonderen Charakter des Berufsausbildungsverhältnisses ist jedoch bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Verdachtskündigung Rechnung zu tragen.

37

(1) Berufsausbildungsverhältnisse und Arbeitsverhältnisse sind nicht generell gleichzusetzen, weil beide Vertragsverhältnisse unterschiedliche Pflichtenbindungen aufweisen (BAG 10. Juli 2003 - 6 AZR 348/02 - zu 2 a bb der Gründe, BAGE 107, 72; 16. Juli 2013 - 9 AZR 784/11 - Rn. 37, BAGE 145, 371). Inhalt eines Arbeitsverhältnisses ist nach § 611 BGB die Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung gegen Zahlung eines Entgelts. Demgegenüber schuldet der Auszubildende, sich ausbilden zu lassen, während die Hauptpflicht des Ausbildenden nach § 14 BBiG darin besteht, dem Auszubildenden die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Der Auszubildende schuldet im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung gegen Zahlung eines Entgelts, sondern hat sich nach § 13 Satz 1 BBiG zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist(BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 360/10 - Rn. 13 mwN).

38

(2) An den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes ist erkennbar, dass der Gesetzgeber es zur Erreichung des Ausbildungsziels für erforderlich gehalten hat, auf einen möglichst lange dauernden Bestand des Ausbildungsverhältnisses hinzuwirken und Kündigungen zu erschweren (BAG 16. Juli 2013 - 9 AZR 784/11 - Rn. 38, BAGE 145, 371). Die Erfüllung der Berufsausbildungsaufgabe verlangt eine besonders starke Bindung der Vertragsparteien (BT-Drs. V/4260 S. 11 zu § 15 BBiG aF). Konsequenterweise ist eine ordentliche Kündigung nach Ablauf der Probezeit durch den Ausbildenden nicht möglich. Es bedarf eines wichtigen Grundes iSv. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG. Dies entspricht dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jedes Dauerrechtsverhältnis aus einem wichtigen Grund fristlos gekündigt werden kann. Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Berufsausbildungsverhältnissesbis zum Ablauf der Ausbildungszeit nicht zugemutet werden kann (BT-Drs. V/4260 aaO). Das Verständnis des wichtigen Grundes iSv. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG entspricht somit dem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB(vgl. hierzu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16 mwN). Diese Parallelität spricht für die grundsätzliche Zulässigkeit der Verdachtskündigung auch im Berufsausbildungsverhältnis.

39

(3) § 10 Abs. 2 BBiG steht dem nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift sind auf den Berufsausbildungsvertrag die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden, soweit sich aus dem Wesen und Zweck des Berufsausbildungsvertrags und aus dem Berufsbildungsgesetz nichts anderes ergibt. Dies ist bezogen auf die grundsätzliche Anerkennung eines Tatverdachts als wichtiger Grund iSv. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nicht der Fall. Auch bei Berücksichtigung der besonderen Verpflichtungen des Ausbildenden, welche nach § 14 Abs. 1 Nr. 5 BBiG auch die charakterliche Förderung des Auszubildenden umfassen, bedarf es zur zumutbaren Durchführung des Ausbildungsverhältnisses einer tragfähigen Vertrauensbasis. Insbesondere muss der Ausbildende darauf vertrauen können, dass der Auszubildende ihn nicht vorsätzlich schädigt.

40

(4) Die vom Landesarbeitsgericht Köln und Teilen der Literatur geforderte besondere Vertrauensstellung bzw. vertiefte Vertrauensbasis ist keine Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verdachtskündigung. Die Revision führt insoweit zutreffend aus, dass ein solches Kriterium zu unbestimmt wäre. Es lässt sich nicht hinreichend eingrenzen, bei welchen Ausbildungen eine solche vertiefte Vertrauensbasis gegeben sein muss. Dieses Erfordernis kann aus unterschiedlichen Gründen gegeben sein. Es gibt Ausbildungsberufe, bei denen ein hohes Maß an Vertrauen wegen der Erlangung der Kenntnis von Betriebsgeheimnissen erforderlich ist (vgl. § 13 Satz 2 Nr. 6 BBiG). Ferner existieren Ausbildungsberufe, bei denen ein besonderes Risiko daraus resultiert, dass der Auszubildende Umgang mit gefährlichen Maschinen hat, welche auch Dritte gefährden können. Auch hier muss die entsprechende Vertrauensbasis bestehen. Eine solche Grundlage muss auch gegeben sein, wenn der Auszubildende Zugang zu Bargeldbeständen hat. Dies hängt allerdings nicht von der Ausbildung ab, sondern von den Verhältnissen im Ausbildungsbetrieb. Alle Ausbildungen in Betrieben mit nicht hinreichend gesicherten Barkassen wären erfasst. Unabhängig von dem Ausbildungsgang wäre die besondere Vertrauensstellung deshalb in einer Vielzahl von Fällen bezogen auf die Umstände im Betrieb zu prüfen. Dies gilt auch bei Zugang zu anderen Wertgegenständen. Zudem hat schon Heinze (ArbuR 1984, 237, 243) darauf hingewiesen, dass in größeren Betrieben der Auszubildende den Einsatzort öfter wechselt. Hierbei mag es Bereiche geben, in denen eine vertiefte Vertrauensbasis erforderlich ist, in anderen nicht. In der Gesamtschau ist die Unterscheidung zwischen einem „normalen Ausbildungsverhältnis“ und einem mit besonderer Vertrauensstellung kein taugliches Kriterium für die grundsätzliche Zulässigkeit der Verdachtskündigung. Eine besondere Vertrauensstellung ist vielmehr bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses in die Interessenabwägung einzustellen.

41

(5) Die enge Bindung der Parteien des Berufsausbildungsvertrags ist bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Verdachtskündigung im Einzelfall zu berücksichtigen. Dabei ist dem Umstand Sorge zu tragen, dass es sich bei Auszubildenden typischerweise um Personen mit geringer Lebens- und Berufserfahrung handelt und den Ausbildenden besondere Fürsorgepflichten sowohl in charakterlicher als auch körperlicher Hinsicht treffen (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 BBiG). Ein Tatverdacht kann nur dann einen wichtigen Grund iSd. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG zur Kündigung darstellen, wenn der Verdacht auch bei Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses dem Ausbildenden die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar macht. Dies bedarf einer Würdigung der Umstände im Einzelfall.

42

(6) Vor diesem Hintergrund dringen die weiteren Einwände der Revision nicht durch.

43

(a) Es ist zwar zutreffend, dass der mit der Kündigung verbundene faktische Abbruch der Ausbildung und das Verstreichen einer ggf. erheblichen Zeitspanne bis zur Wiederaufnahme der Ausbildung für den Auszubildenden besonders schwerwiegend ist. Dies gilt jedoch auch im Falle einer Tatkündigung, bei der nach dem Unterliegen im Kündigungsschutzverfahren zudem kein Wiedereinstellungsanspruch in Betracht kommt (zu einem solchen Anspruch bei einer Verdachtskündigung vgl. ErfK/Müller-Glöge 15. Aufl. § 626 BGB Rn. 184; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 234). Bei der Verdachtskündigung ist außerdem ein strenger Maßstab anzulegen. Die besondere Schutzwürdigkeit des Auszubildenden ist dabei im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Die grundsätzliche Unzulässigkeit der Verdachtskündigung ist zur Gewährleistung des Schutzniveaus nicht erforderlich.

44

(b) Auch der Hinweis auf die Möglichkeit einer verstärkten Überwachung eines in Verdacht geratenen Auszubildenden trägt nicht. Die Realisierbarkeit und Zumutbarkeit einer verstärkten Anleitung und Kontrolle muss einzelfallbezogen beurteilt werden. Eine gleichsam permanente Überwachung des Auszubildenden zur Verhinderung von Vermögensdelikten ist dem Ausbildenden in der Regel nicht zumutbar. Dies stünde auch im Widerspruch zum Charakter des Ausbildungsverhältnisses, welches dem Auszubildenden nach § 13 BBiG Pflichten auferlegt und dabei die Beachtung materieller Interessen des Ausbildenden vorschreibt(vgl. § 13 Satz 2 Nr. 5, Nr. 6 BBiG).

45

(c) Schließlich ist die Verdachtskündigung auch nicht wegen der Befristung des Ausbildungsverhältnisses auszuschließen. Dies berücksichtigt § 22 Abs. 2 BBiG bereits mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündigung nach der Probezeit. Zudem besteht insoweit kein Unterschied zum befristeten Arbeitsverhältnis.

46

2. Die streitgegenständliche Kündigung vom 22. Juli 2011 hat das zwischen den Parteien bestehende Berufsausbildungsverhältnis mit ihrem Zugang am 25. Juli 2011 gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG wegen des dringenden Verdachts des Diebstahls bzw. der Unterschlagung von 500,00 Euro beendet.

47

a) Die Würdigung, ob dem Auszubildenden ein Vermögensdelikt zum Nachteil seines Ausbildenden oder eine ähnlich schwerwiegende Pflichtverletzung anzulasten ist oder ob zumindest ein dahingehender dringender Verdacht besteht, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung iSd. § 286 ZPO. Diese ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Berufungsgericht den Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob eine Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei, ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt und ob sie rechtlich möglich ist (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 16, BAGE 145, 278; 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29).

48

b) Bei Berücksichtigung dieses revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs hat das Landesarbeitsgericht die Wirksamkeit der streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung rechtsfehlerfrei bejaht.

49

aa) Es ist der dringende Tatverdacht der Begehung eines Vermögensdelikts zulasten der Beklagten gegeben. Dieser Verdacht ist geeignet, das für die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören.

50

(1) Das Landesarbeitsgericht ist nach Vernehmung des Zeugen K zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger in dem Gespräch am 21. Juli 2011 von sich aus den Betrag von 500,00 Euro genannt hat, welcher als Kassendifferenz der Filiale G am 20. Juni 2011 festgestellt wurde. Dies habe der Zeuge K widerspruchsfrei im Rahmen seiner Darstellung des Gesprächsverlaufs in jeder Hinsicht glaubhaft ausgesagt. Durch diese Offenbarung von Täterwissen könne mit großer Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden, dass sich der Kläger und kein anderer Mitarbeiter den fehlenden Geldbetrag zugeeignet habe. Diese Beweiswürdigung ist sowohl hinsichtlich der Bewertung der Glaubwürdigkeit des Zeugen als auch seiner inhaltlichen Aussage nicht zu beanstanden. Die Preisgabe fundamentalen Täterwissens ist ohne Hinzutreten weiterer Umstände geeignet, einen dringenden Tatverdacht zu begründen.

51

(2) Entgegen der Auffassung der Revision musste das Landesarbeitsgericht Herrn S nicht zu der Frage vernehmen, ob er oder der Kläger das Geld gebündelt hatte. Das Landesarbeitsgericht konnte die Bündelung durch Herrn S am 20. Juni 2011 zugunsten des Klägers unterstellen, ebenso wie Zugriffsmöglichkeiten anderer Mitarbeiter. In jedem Fall hätte auch Herr S die Gelegenheit zur Unterschlagung von Bargeld gehabt, weil er unstreitig am Ende des Arbeitstags die Geldbündel zum Versand an die Zentralbank eingeschweißt hat. Entscheidend war aber, dass sich der Kreis der Verdächtigen wegen der Nennung des Geldbetrags durch den Kläger auf diesen eingegrenzt hatte. Ein weiteres „Bild von den Geschehensabläufen“ durch Vernehmung des Zeugen S musste sich das Gericht entgegen der Revision nicht machen.

52

(3) Dieser Verdacht ist geeignet, das für die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören.

53

(a) Begeht der Auszubildende eine rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlung unmittelbar gegen das Vermögen seines Ausbildenden, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 10 Abs. 2 BBiG iVm. § 241 Abs. 2 BGB und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen(vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 26, BAGE 134, 349). Dies gilt auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Gegenstände von geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat. Maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn. 27; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 13, BAGE 145, 278).

54

(b) Ein Diebstahl bzw. eine Unterschlagung von 500,00 Euro wäre demnach eine schwerwiegende Pflichtverletzung, auch wenn es sich mit den Worten der Revision aus Sicht einer Bank um einen „überschaubaren Betrag“ handeln mag.

55

bb) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Beklagte dem Kläger ordnungsgemäß Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe. Die von der Revision wegen einer rechtswidrigen Anhörung des Klägers angenommenen Beweisverwertungsverbote bestehen deshalb nicht.

56

(1) Der Ausbildende hat erst dann alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, wenn er dem Auszubildenden Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Die Notwendigkeit der Anhörung vor Erklärung einer Verdachtskündigung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Die Anhörung soll den Ausbildenden vor voreiligen Entscheidungen bewahren und der Gefahr begegnen, dass ein Unschuldiger von der Kündigung betroffen wird (vgl. zu § 626 Abs. 1 BGB BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 31). Der Umfang der Nachforschungspflichten und damit auch die Ausgestaltung der Anhörung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17; 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 24). Die Anhörung muss sich aber immer auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Auszubildende muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Ausbildenden im Dunkeln liegende Geschehnisse beizutragen (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 33).

57

(2) Sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Durchführung der Anhörung hat der Ausbildende auf die typischerweise bestehende Unerfahrenheit des Auszubildenden und die daraus resultierende Gefahr einer Überforderung gemäß § 10 Abs. 2 BBiG iVm. § 241 Abs. 2 BGB Rücksicht zu nehmen. Die Anhörung eines psychisch blockierten Auszubildenden kann ihren Zweck nicht erreichen. Zudem besteht bei einem Auszubildenden eher als bei einem berufserfahrenen Arbeitnehmer das Risiko der Einräumung einer nicht begangenen Tat, um sich damit der Situation zu entziehen. Auch mag ein Auszubildender sensibler auf eine Überzahl an Vertretern des Ausbildungsbetriebs reagieren als ein lebens- und berufserfahrener Arbeitnehmer mit größerem Selbstbewusstsein. Maßgeblich sind jedoch durchweg die Umstände des Einzelfalls. Dabei ist ein objektiver Maßstab aus Sicht eines verständigen Ausbildenden zugrunde zu legen.

58

(3) Hiervon ausgehend ist es entgegen der Revision grundsätzlich nicht erforderlich, den Auszubildenden vor Durchführung einer Anhörung über den beabsichtigten Gesprächsinhalt zu unterrichten.

59

(a) Die Auffassung der Revision, wonach Art. 103 Abs. 1 GG dies im Wege der mittelbaren Drittwirkung verlange, ist unzutreffend. Nach Art. 103 Abs. 1 GG hat jedermann vor Gericht Anspruch auf rechtliches Gehör. Diese Garantie gilt ausschließlich vor Gericht, das heißt bei allen staatlichen Gerichten iSd. Art. 92 GG(BeckOK GG/Radtke/Hagemeier Stand 1. Dezember 2014 GG Art. 103 Rn. 3; Kunig in v. Münch/Kunig GG 6. Aufl. Art. 103 Rn. 4; Nolte in v. Mangoldt/Klein/Starck GG 6. Aufl. Art. 103 Abs. 1 Rn. 16; aA Lembke RdA 2013, 82, 85).

60

(b) In Rechtsprechung und Literatur wird die Themenbekanntgabe vor der Anhörung gefordert (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 16. Dezember 2010 - 2 Sa 2022/10 - Rn. 31; HaKo/Gieseler 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 52; Lange/Vogel DB 2010, 1066, 1069; Klenter AiB 2012, 616, 619; vgl. auch Sasse/Freihube ArbRB 2006, 15, 16). Hierfür spricht, dass eine solche Information dem Arbeitnehmer bzw. Auszubildenden die inhaltliche und „mentale“ Vorbereitung auf das Gespräch ermöglicht (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 30. März 2012 - 10 Sa 2272/11 - Rn. 75; Eylert NZA-RR 2014, 393, 402; BeckOK BGB/Fuchs Stand 1. November 2014 BGB § 626 Rn. 43). Der Betroffene wird dadurch in die Lage versetzt, schon im Vorfeld der Anhörung zu entscheiden, ob er sich einlassen will oder nicht (Fischer BB 2003, 522, 523; Eylert/Friedrichs DB 2007, 2203, 2205). Bei umfangreichen und komplexen Sachverhalten ermöglicht eine entsprechende Vorbereitung eine substantiierte Einlassung in der Anhörung (vgl. Lücke BB 1998, 2259, 2261). Auch wird dem Arbeitnehmer Gelegenheit gegeben, sich schon vor der persönlichen Konfrontation mit Verdachtsmomenten an den Betriebsrat zu wenden oder sich Rat bei einem Rechtsanwalt einzuholen. Im Falle der Anhörung eines Auszubildenden kommt die mögliche Einschaltung der Jugend- und Auszubildendenvertretung hinzu.

61

(c) Andererseits besteht jedoch in Fällen des begründeten Verdachts die Gefahr einer Verdunkelung der Tat (Lembke RdA 2013, 82, 88; Dzida NZA 2013, 412, 415; Eylert/Friedrichs DB 2007, 2203, 2205; Gaul/Schmidt-Lauber ArbRB 2012, 18, 19; Lücke BB 1998, 2259, 2261), welcher nicht immer mit Mitteln der Beweissicherung zu begegnen sein wird (so aber wohl Lange/Vogel DB 2010, 1066, 1069). Zudem wird dem Anzuhörenden die Gelegenheit entzogen, sich möglichst unbefangen mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen und möglicherweise schon mit seiner spontanen Reaktion eine Entlastung herbeizuführen (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 35).

62

(d) Eine Mitteilung des beabsichtigten Gesprächsthemas ist gegenüber dem Auszubildenden deshalb grundsätzlich nicht erforderlich (ebenso zur Anhörung eines Arbeitnehmers ErfK/Müller-Glöge 15. Aufl. § 626 BGB Rn. 178b). Die Revision weist allerdings zutreffend darauf hin, dass die Gesprächssituation den Auszubildenden erkennbar überfordern kann, sei es in psychischer Hinsicht oder wegen der Komplexität des Sachverhalts. Es entspricht dann der Rücksichtnahmepflicht des Ausbildenden, das Gespräch von sich aus oder auf Wunsch des Auszubildenden abzubrechen und eine erneute Anhörung anzuberaumen, wenn der Auszubildende grundsätzlich zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Verdachtsmomenten bereit ist. Damit erhält der Auszubildende die ggf. erforderliche Vorbereitungszeit (vgl. Dzida NZA 2013, 412, 414; ders. NZA 2014, 809, 814). Diese muss abhängig von den Umständen des Einzelfalls eine angemessene Dauer aufweisen (vgl. KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 230). Die Unterbrechung der Anhörung ist auch geboten, wenn der Auszubildende die Beratung mit einer Vertrauensperson verlangt. Der Ausbildende ist jedoch nicht verpflichtet, den Auszubildenden auf die Möglichkeit der Kontaktierung eines Rechtsanwalts hinzuweisen (vgl. Lange/Vogel DB 2010, 1066, 1069; Eylert/Friedrichs DB 2007, 2203, 2205; Lembke RdA 2013, 82, 89; Hunold Anm. NZA-RR 2010, 184). Dies gilt auch bezüglich sonstiger Vertrauenspersonen.

63

(4) Die Beklagte war demnach nicht verpflichtet, den Kläger vor der Anhörung am 21. Juli 2011 über den beabsichtigten Inhalt dieses Gesprächs zu informieren. Von einem 21-jährigen Auszubildenden darf ohnehin erwartet werden, dass er sich zu einem Kassenfehlbestand äußern kann und sei es auch nur mit der Aussage, dass er ihm nicht erklärlich sei. Für die Beklagte war eine Überforderung des Klägers während der Anhörung nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts objektiv nicht erkennbar. Der Kläger hat zur Frage der Kassendifferenz Stellung genommen, ohne einen Abbruch des Gesprächs zu verlangen.

64

(5) Die Durchführung der Anhörung ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden.

65

(a) Die Beklagte musste den Kläger nicht weiter über ihren Kenntnisstand bezüglich der Geschehnisse am 20. Juni 2011 in der Filiale G unterrichten oder den Kläger mit einem Bericht der Revisionsabteilung konfrontieren. Es war ausreichend, ihm mitzuteilen, dass an dem bestimmten Tag in der bestimmten Filiale ein Fehlbetrag zu verzeichnen war, und ihn zu fragen, ob er sich dies erklären könne. Dies war der maßgebliche Sachverhalt.

66

(b) Soweit der Kläger im Revisionsverfahren erstmals vorbringt, dass er durch weitere Recherchen in Erfahrung gebracht habe, dass sich der Fehlbetrag entgegen der Darstellung der Beklagtenvertreter in der Anhörung nicht nur auf die von ihm gezählten Gelder aus dem Nachttresor, sondern auch auf von ihm nicht gezähltes Geld aus dem Tresor und dem Schalterbereich beziehe, handelt es sich zum einen um neues Tatsachenvorbringen, welches in der Revisionsinstanz nicht mehr zulässig ist. Zum anderen würde die Vermengung der beiden Geldmengen nichts an dem Fehlbetrag und an der Begründung des Verdachts durch die klägerseitige Nennung der genauen Summe ändern.

67

(c) Die Anhörung erweist sich auch nicht als fehlerhaft, weil dem Kläger keine Gelegenheit zur Beiziehung eines Rechtsanwalts oder einer sonstigen Vertrauensperson gegeben wurde. Eine solche Beteiligung hat der Kläger nicht verlangt. Er kann daher mit der Revision auch nicht einwenden, dass ihm ein nahestehender Zeuge für den Gesprächsverlauf fehle.

68

(6) Entgegen der Revision handelt es sich bei der Anhörung nicht um eine nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG unzulässige Datenerhebung. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist hier nicht eröffnet.

69

(a) Die gesetzlichen Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung im Bundesdatenschutzgesetz konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts und regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe in dieses Recht zulässig sind(vgl. für das Datenschutzgesetz NRW BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16, BAGE 143, 343). Dies stellt § 1 Abs. 1 BDSG ausdrücklich klar. Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung nach dem Gesamtkonzept des Bundesdatenschutzgesetzes nur zulässig, wenn eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift diese erlaubt. Fehlt es an der danach erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder liegen deren Voraussetzungen nicht vor, ist die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten. Dieser das deutsche Datenschutzrecht prägende Grundsatz ist in § 4 Abs. 1 BDSG kodifiziert(BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 22, BAGE 145, 278).

70

(b) Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Begründung für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Auch Auszubildende sind gemäß § 3 Abs. 11 Nr. 2 BDSG Beschäftigte. Nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG dürfen zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

71

(c) Bei der zur Aufklärung von Verdachtsmomenten vorgenommenen Anhörung eines Arbeitnehmers bzw. Auszubildenden handelt es sich um eine Datenerhebung iSv. § 32 Abs. 1 BDSG.

72

(aa) Nach der Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 1 BDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Persönliche und sachliche Verhältnisse sind Informationen über die Person des Betroffenen oder über einen auf diesen bezogenen Sachverhalt (Weichert in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert BDSG 4. Aufl. § 3 Rn. 19; Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 3 Rn. 6, 7). Die Anhörung bezieht sich auf eine bestimmte Person und deren Angaben zu einem Sachverhalt, der wegen des Aufklärungszwecks sie selbst betrifft. Die Angaben werden über die betroffene Person iSd. § 3 Abs. 3 BDSG beschafft und damit erhoben.

73

(bb) § 32 BDSG setzt nicht voraus, dass die Datenerhebung zum Zwecke ihrer Nutzung und Verarbeitung in automatisierten Dateien erfolgt. Durch § 32 Abs. 2 BDSG wird die grundsätzliche Beschränkung der Anwendung des dritten Abschnitts des Bundesdatenschutzgesetzes auf dateigebundene bzw. automatisierte Verarbeitungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 3, § 27 Abs. 1 BDSG) ausdrücklich aufgehoben. Die Vorschrift erfasst damit sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrem Regelungsgehalt die Datenerhebung durch rein tatsächliche Handlungen (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 24, BAGE 145, 278). Damit sind auch Befragungen eines Beschäftigten erfasst (ErfK/Franzen 15. Aufl. § 32 BDSG Rn. 2; Stamer/Kuhnke in Plath BDSG § 32 Rn. 7; Riesenhuber NZA 2012, 771, 774).

74

(d) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Anhörung des Klägers am 21. Juli 2011 nicht unter Verletzung des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG erfolgt. Zwar stellt sie eine Datenerhebung dar, welche zur Aufdeckung einer Straftat vorgenommen wurde. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass tatsächliche Anhaltspunkte dokumentiert wurden, die den Verdacht gegen den Kläger im Vorfeld der Anhörung begründet und seine Anhörung veranlasst hätten. Die Anhörung ist aber keine Überwachungsmaßnahme. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG bezieht sich nicht auf jede Aufklärungshandlung, sondern nur auf Kontroll- bzw. Überwachungsmaßnahmen zur Aufdeckung einer Straftat.

75

(aa) Nach der Gesetzesbegründung sollte die Regelung des § 32 BDSG die bislang von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze des Datenschutzes im Beschäftigungsverhältnis nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 52, BAGE 146, 303; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 26, BAGE 145, 278; vgl. auch Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 32 Rn. 2; HWK/Lembke 6. Aufl. § 32 BDSG Rn. 2; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 1). § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG orientiert sich im Wortlaut an § 100 Abs. 3 Satz 1 TKG und inhaltlich an den Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht ua. in seinem Urteil vom 27. März 2003 (- 2 AZR 51/02 - BAGE 105, 356) zur verdeckten Überwachung von Beschäftigten aufgestellt hat (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Der Tatbestand des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ist daher auf diese oder vergleichbare Fälle von Kontrollmaßnahmen zu beschränken(ErfK/Franzen 15. Aufl. § 32 BDSG Rn. 31). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass Maßnahmen zur Aufdeckung einer Straftat in der Regel besonders intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreifen (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Dies ist bei (verdeckter) Überwachung von Beschäftigten der Fall, weshalb die - von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen - restriktiven Grundsätze der hierzu ergangenen Rechtsprechung mit § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG kodifiziert wurden. Die Vorschrift soll hinsichtlich der Eingriffsintensität vergleichbare Maßnahmen erfassen (vgl. Taeger/Gabel/Zöll § 32 BDSG Rn. 41). Die Gesetzesbegründung lässt umgekehrt darauf schließen, dass die erhöhten datenschutzrechtlichen Anforderungen des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG bei weniger belastenden Aufklärungsmaßnahmen, durch welche die Beschäftigten weder kontrolliert noch überwacht werden, keine Geltung beanspruchen sollen.

76

(bb) Demnach unterfällt die Anhörung eines Beschäftigten nicht den Anforderungen des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG(aA wohl Lembke RdA 2013, 82, 87; ders. in HWK 6. Aufl. § 32 BDSG Rn. 21). Die Anhörung ist weder Kontrolle noch Überwachung. Der Beschäftigte wird in offener Weise mit Verdachtsmomenten konfrontiert und erhält die Gelegenheit zu deren Entkräftung. Er kann sich der Anhörung - im Gegensatz zu einer Überwachungsmaßnahme - entziehen, indem er eine Einlassung verweigert. Dementsprechend hat die Rechtsprechung auch keinen einer Überwachungsmaßnahme vergleichbaren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht erkannt. Die in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG vorgesehenen Anforderungen sind daher nicht veranlasst. Wie dargelegt wollte der Gesetzgeber mit § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG nur Aufklärungsmaßnahmen erfassen, die wegen der Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht solch erhöhte Anforderungen verlangen.

77

(cc) Die Anhörung des Klägers musste auch nicht nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG dokumentiert werden. Im Rahmen der Anhörung entstand zwar die verdachtsbegründende Tatsache der Offenbarung von Täterwissen. Die Beklagte nahm aber nach der Anhörung deswegen keine weiteren Überwachungsmaßnahmen vor. Die Ermittlungen gegen den Kläger waren mit der Anhörung abgeschlossen.

78

(7) Die Anhörung des Klägers war gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig. Die damit verbundene Datenerhebung und -nutzung erfolgte für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses und war für die Entscheidung über dessen weitere Durchführung oder Beendigung erforderlich. Die Erforderlichkeit ergibt sich schon aus den Vorgaben der Rechtsprechung zur Wirksamkeit einer etwaigen Verdachtskündigung.

79

(8) Es kann hier unentschieden bleiben, ob § 32 Abs. 1 BDSG auch § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG verdrängt(vgl. zum Streitstand BeckOK DatenSR/Riesenhuber Stand 1. November 2014 BDSG § 32 Rn. 25 f.). Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG sind erfüllt. Das berechtigte Interesse der Beklagten folgt aus ihrer Verpflichtung zur Durchführung einer Anhörung im Rahmen der gebotenen Aufklärungsbemühungen. Das Interesse des Klägers an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung der durch die Anhörung gewonnenen Daten überwiegt demgegenüber nicht. Die Durchführung der Anhörung diente ursprünglich gerade seinem Interesse an einer Stellungnahme, welche die Möglichkeit zur Klärung des Sachverhalts in seinem Sinne gab. Der Umstand, dass sich erst durch die Anhörung der kündigungsbegründende Tatverdacht ergab, ändert daran nichts. Das Interesse des Klägers an der Nichtverwertung der belastenden Aussagen ist nicht schutzwürdig. Anderenfalls könnten nur entlastende Erkenntnisgewinne iSd. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG genutzt werden, während verdachtsbegründende oder -verstärkende Umstände unberücksichtigt bleiben müssten.

80

(9) Offenbleiben kann auch, ob § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG neben § 32 Abs. 1 BDSG zur Anwendung kommt. Dies wird trotz der eindeutigen Gesetzesbegründung, wonach § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG verdrängt wird(BT-Drs. 16/13657 S. 20), wegen der damit verbundenen und gesetzlich nicht beabsichtigten Absenkung des Schutzniveaus vertreten (vgl. Däubler in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert BDSG 4. Aufl. § 32 Rn. 9; Thüsing NZA 2009, 865; ErfK/Franzen 15. Aufl. § 28 BDSG Rn. 4). Im vorliegenden Fall diente die Anhörung nach der unbestrittenen Darstellung der Beklagten der Aufklärung des Sachverhalts, indem der Kläger zu der Kassendifferenz befragt wurde. Damit wurde der Zweck festgelegt. Anderes behauptet auch der Kläger nicht. Eine schriftliche Festlegung des Zwecks verlangt § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG nicht(Plath in Plath BDSG § 28 Rn. 90; Simitis in Simitis BDSG 8. Aufl. § 28 Rn. 43; Taeger/Gabel/Taeger § 28 BDSG Rn. 111). Eine generelle Verpflichtung zur schriftlichen Fixierung der Zweckfestlegung lässt sich auch der allgemeinen Vorschrift des § 9 BDSG nicht entnehmen(aA jedenfalls bei Anwendbarkeit der Anlage zu § 9 Satz 1 BDSG Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 28 Rn. 35). Eine schriftliche Dokumentation der mit einer Anhörung verbundenen Zwecksetzung wäre iSd. § 9 BDSG nicht erforderlich, da der Aufklärungszweck evident ist. Die Unterrichtungspflicht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BDSG kann auch ohne eine solche schriftliche Dokumentation erfüllt werden.

81

(10) Soweit der Kläger in der Verhandlung vor dem Senat einen Verstoß gegen § 4 Abs. 3 BDSG wegen der fehlenden Themenbekanntgabe vor der Anhörung behauptet hat, greift diese Rüge nicht durch. Etwaige Unterrichtungs- und Hinweispflichten nach § 4 Abs. 3 BDSG müssen nur vor der Datenerhebung erfüllt werden(BeckOK DatenSR/Bäcker Stand 1. November 2014 BDSG § 4 Rn. 76). Dies kann auch unmittelbar vor der Anhörung erfolgen. Weder der im Revisionsverfahren verwertbare Tatsachenvortrag des Klägers noch die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen auf entsprechende Pflichtverletzungen schließen.

82

(11) Die Anhörung des Klägers hat folglich weder datenschutzrechtliche Vorgaben noch in sonstiger Weise das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt. Ein auf die Erkenntnisse der Anhörung bezogenes prozessuales Beweisverwertungsverbot (vgl. hierzu BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 48 f., BAGE 146, 303) besteht daher nicht.

83

(12) Nach der Begründung des Verdachts im Verlauf des Gesprächs am 21. Juli 2011 war entgegen der Ansicht der Revision keine erneute Anhörung erforderlich. Die Verdachtsbegründung war mit der Nennung des Fehlbetrags durch den Kläger abgeschlossen. Der Kläger war am 21. Juli 2011 sogleich damit konfrontiert worden. Weiter gehende Ermittlungen, die neue verdachtsbegründende Tatsachen ergeben hätten, wurden von der Beklagten nicht durchgeführt (vgl. zu einem solchen Fall BAG 13. September 1995 - 2 AZR 587/94 - zu II 4 a der Gründe, BAGE 81, 27). Dies gilt auch, wenn die Beklagte sich erst nach der Anhörung des Klägers mit Herrn S am 21. Juli 2011 in Verbindung gesetzt haben sollte. Die Stellungnahme von Herrn S mit seiner E-Mail vom selben Tag hat keine neuen Erkenntnisse gebracht, welche eine erneute Anhörung erforderlich gemacht hätten. Herr S hat lediglich angeführt, dass der Kläger auch die Bündelung vorgenommen habe. Wie dargestellt, ist dies jedoch wegen der Verdachtsbegründung aufgrund der Nennung des Fehlbetrags nicht ausschlaggebend.

84

cc) Schließlich ist auch die durch das Landesarbeitsgericht bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses vorgenommene Interessenabwägung nicht zu beanstanden.

85

(1) Das Landesarbeitsgericht hat die mit dem Verlust des Ausbildungsplatzes verbundenen erheblichen Nachteile für die künftige berufliche Entwicklung des Klägers ebenso wie die im Herbst 2011 erfolgreich abgelegte Zwischenprüfung berücksichtigt. Es hat zugunsten des Klägers angeführt, dass er kurz vor Vollendung seines ersten Ausbildungsjahres stand, obwohl diese relativ kurze Dauer des Ausbildungsverhältnisses eher zu seinen Lasten hätte gewertet werden können. Ferner hat das Landesarbeitsgericht die fehlende Einhaltung der Kontrollvorschriften („Vier-Augen-Prinzip“) berücksichtigt.

86

(2) Es überschreitet den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum nicht, wenn es dennoch zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Interessen der Beklagten an der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses wegen des irreparablen, dh. auch durch eine Abmahnung nicht mehr auszugleichenden, Vertrauensverlustes überwiegen.

87

(a) Dabei hat das Landesarbeitsgericht den Kontakt des Klägers mit hohen Geldbeträgen angeführt. Die Beklagte könne nicht darauf verwiesen werden, den Kläger künftig in gesteigertem Maße zu überwachen. Dies ist nachvollziehbar, denn eine solche Kontrolldichte würde angesichts der Zugriffsmöglichkeiten auf Bargeld in einem Bankbetrieb eine unverhältnismäßige Belastung darstellen. Gelegenheiten des Diebstahls oder der Unterschlagung können bei entsprechendem Willen eines Beschäftigten potentiell auch bei der von der Revision angemahnten konsequenten Umsetzung von Anforderungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht an das Risikomanagement und Vorgaben der berufsgenossenschaftlichen Vorschriften (UVV Kassen) geschaffen werden.

88

(b) Nicht zu beanstanden ist auch das Abstellen auf die Fehltage in der Berufsschule am 11. Februar 2011 und 30. März 2011. Hierdurch hat der Kläger seine Verpflichtung aus § 13 Satz 2 Nr. 2 iVm. § 15 Satz 1 BBiG verletzt und damit das Ausbildungsverhältnis belastet. Dies steht entgegen der Revision nicht im Widerspruch zu der erfolgreich abgelegten Zwischenprüfung. Diese bezieht sich auf die fachlichen Inhalte der Ausbildung und nicht auf das Verhalten im Ausbildungsverhältnis.

89

(c) Das Landesarbeitsgericht hat ferner in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die „Spielproblematik“ abgestellt. Der Revision ist insoweit zwar zuzugestehen, dass mangels Feststellung einer Spielsucht ein Rückschluss auf das künftige Verhalten des Klägers insoweit schwierig ist. Das Landesarbeitsgericht durfte allerdings auf die unstreitigen Therapiestunden bei der Caritas und auf die spielbedingten Fehlzeiten im Berufsschulunterricht hinweisen. Vor diesem Hintergrund musste das Landesarbeitsgericht keinen unbeanstandeten Verlauf des Ausbildungsverhältnisses hervorheben.

90

3. Die nach § 22 Abs. 3 BBiG zu wahrenden Formerfordernisse wurden beachtet. Die Kündigung erfolgte schriftlich und gab den Kündigungsgrund an.

91

a) Nach § 22 Abs. 3 BBiG muss die Kündigung schriftlich und in den Fällen des § 22 Abs. 2 BBiG unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen. Der Kündigende muss dabei die Tatsachen mitteilen, die für die Kündigung maßgebend sind (vgl. zu § 15 Abs. 3 BBiG aF BAG 25. November 1976 - 2 AZR 751/75 - zu A III 1 a der Gründe). Pauschale Schlagworte und Werturteile genügen nicht (BAG 10. Februar 1999 - 2 AZR 176/98 - zu II 1 der Gründe). Der Ausbildende darf sich im Kündigungsschutzprozess nicht auf Gründe stützen, die er im Kündigungsschreiben nicht genannt hat (vgl. ErfK/Schlachter 15. Aufl. § 22 BBiG Rn. 7).

92

b) Diesen Anforderungen genügt das Kündigungsschreiben vom 22. Juli 2011. Dort wird sowohl der Kassenfehlbestand als auch die Begründung des Verdachts gegen den Kläger mitgeteilt. Es bleibt nicht unklar, auf welche Pflichtverletzung sich der Verdacht richtet. Die Beklagte hat deutlich gemacht, dass sie den Kläger verdächtigt, sich den Fehlbestand iHv. 500,00 Euro „angeeignet zu haben“. Deutlich wird auch, dass die Beklagte die für die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses „unverzichtbare Vertrauensbasis“ als nicht mehr gegeben und nicht wiederherstellbar ansieht. Die Beklagte offenbart auch ihre Annahme einer Spielsucht des Klägers aufgrund der Aussagen des Klägers in dem Gespräch am 21. Juli 2011. Damit begründet sie die aus ihrer Sicht bestehende Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Ausbildung. Soweit in dem Kündigungsschreiben weitere Pflichtverstöße angeführt werden (Fehlzeiten im Berufsschulunterricht; Arbeit in einer Gießerei während des Erholungsurlaubs), wird deutlich, dass die Beklagte das Ausbildungsverhältnis insgesamt als belastet ansieht. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Vertragsverstöße für sich genommen das Gewicht eines Kündigungsgrundes zum Ausdruck bringen. Die Beklagte hat sich im Prozess als Kündigungsgrund nur auf den - mitgeteilten - Verdacht eines Vermögensdelikts berufen.

93

4. Die Kündigung erfolgte auch unter Wahrung der Frist des § 22 Abs. 4 Satz 1 BBiG.

94

a) Nach § 22 Abs. 4 Satz 1 BBiG ist eine Kündigung aus wichtigem Grund unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als zwei Wochen bekannt sind. Die Vorschrift entspricht nach Inhalt und Zweck § 626 Abs. 2 BGB. Dementsprechend beginnt auch die Frist des § 22 Abs. 4 Satz 1 BBiG mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Ausbildungsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur so lange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen. Bei Vorliegen besonderer Umstände darf sie auch überschritten werden (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14 mwN; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54).

95

b) Demnach hatte die Beklagte von den der Kündigung zugrunde liegenden Tatsachen zum Zeitpunkt ihres Zugangs am 25. Juli 2011 nicht länger als zwei Wochen Kenntnis. Sie wusste zwar bereits seit dem 28. Juni 2011 von dem Kassenfehlbestand in G. Die Begründung des der Kündigung zugrunde liegenden Verdachts gegen den Kläger erfolgte jedoch erst in dessen Anhörung am 21. Juli 2011. Die Beklagte betrieb die Sachverhaltsaufklärung mit der gebotenen Eile, auch wenn die Anhörung nicht innerhalb einer Woche ab Kenntnis von der Kassendifferenz stattfand. Eine schriftliche Aufforderung zur Stellungnahme war nicht veranlasst. Durch die Anberaumung des Gesprächstermins zunächst auf den 30. Juni 2011 und dann auf den 4. Juli 2011 versuchte die Beklagte eine zeitnahe Anhörung durchzuführen. Am 30. Juni 2011 war der Kläger jedoch aus persönlichen Gründen verhindert. Den Termin am 4. Juli 2011 sagte er wegen einer angeblichen Flugreise ab. Nach dem Urlaubsende hat die Beklagte die Anhörung sodann zügig durchgeführt. Sie fand noch in der ersten Woche nach dem Urlaub statt. Nach der Verdachtsbegründung am 21. Juli 2011 hat die Beklagte die Kündigung innerhalb von zwei Wochen, nämlich bereits am 25. Juli 2011, erklärt.

96

5. Die Kündigung ist auch nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

97

a) Will der Arbeitgeber seine Kündigung auf den dringenden Verdacht einer erheblichen Pflichtverletzung stützen, muss er dies dem Betriebsrat mitteilen und die Umstände angeben, aus denen sich der konkrete Verdacht ergeben soll (BAG 23. April 2008 - 2 ABR 71/07 - Rn. 24). Nach dem Grundsatz der subjektiven Determination ist der Betriebsrat dabei ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die Gründe mitgeteilt hat, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen Kündigungsentschluss hat er regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 121/12 - Rn. 21).

98

b) Bei der Betriebsratsanhörung handelt es sich um eine atypische Willenserklärung, deren Auslegung grundsätzlich Sache der Tatsacheninstanz ist (BAG 22. September 2005 - 6 AZR 607/04 - zu II 4 b bb (1) der Gründe). Die Auslegung atypischer Willenserklärungen durch das Landesarbeitsgericht kann in der Revisionsinstanz nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (vgl. BAG 15. April 2014 - 3 AZR 435/12 - Rn. 18; 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 23).

99

c) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 22. Juli 2011 genüge inhaltlich den Anforderungen des § 102 BetrVG, hält den Angriffen der Revision stand.

100

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend auf den Grundsatz der subjektiven Determination abgestellt und ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Schluss gelangt, dass bei Berücksichtigung der Gesamtumstände die beabsichtigte Erklärung einer Verdachtskündigung für den Betriebsrat erkennbar gewesen sei. Dem Betriebsrat wurde der Geschehensablauf aus Sicht der Beklagten und die wesentliche verdachtsbegründende Tatsache (Nennung des Fehlbetrags durch den Kläger) mitgeteilt. Der Formulierung „müssen wir davon ausgehen, dass er die Differenz ‚verursacht‘ hat“, kann mit dem Landesarbeitsgericht die beabsichtigte Erklärung einer Verdachtskündigung entnommen werden. Jedenfalls lässt diese Wortlautinterpretation keine Tatsachen unberücksichtigt und verstößt nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze. Durch die Beschreibung der Gesamtumstände wird dem Betriebsrat hinreichend verdeutlicht, dass die Beklagte im Sinne eines Verdachts von einem Vermögensdelikt „ausgeht“. Die Dringlichkeit des Verdachts wird mit „müssen wir“ zum Ausdruck gebracht.

101

bb) Es ist mit dem Landesarbeitsgericht auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte den Betriebsrat bewusst falsch über die Verursachung des Fehlbetrags von 50,00 Euro in D und über eine Spielsucht des Klägers informiert hat. Die Beklagte ging hiervon aus. Wegen des Grundsatzes der subjektiven Determinierung der Betriebsratsanhörung ist daher unbeachtlich, ob diese Vorwürfe objektiv gerechtfertigt sind.

102

cc) Der Betriebsrat wurde auch nicht fehlerhaft über den Kündigungsgrund des Verdachts eines Vermögensdelikts unterrichtet, weil in der Anhörung noch weiteres Fehlverhalten des Klägers angeführt wurde (Fehlzeiten in der Berufsschule; Arbeit in der Gießerei während des Erholungsurlaubs). Es handelt sich ersichtlich um eine für die Interessenabwägung bedeutsame Darstellung der aus Sicht der Beklagten bestehenden Belastungen des Ausbildungsverhältnisses.

103

6. Die Klage ist auch im Übrigen unbegründet. Wegen der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses am 25. Juli 2011 bestand zum Zeitpunkt der beabsichtigten Beendigung durch die ordentliche Kündigung am 30. September 2011 kein Ausbildungsverhältnis mehr. Aus demselben Grund kann der Kläger die eingeklagte Ausbildungsvergütung für die Zeit ab dem 1. August 2011 nicht beanspruchen.

104

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    M. Jostes    

        

    M. Geyer    

                 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 9. Januar 2013 - 16 Sa 563/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Streithelfer trägt die Kosten der Streithilfe. Der Beklagte hat die übrigen Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Karenzentschädigung für die Monate September und Oktober 2010.

2

Der Beklagte produziert und vertreibt Futter- und Pflegemittel für Pferde. Der Kläger war bei ihm seit dem 1. Januar 2008 als Exportvertriebsmitarbeiter angestellt. Er bezog ein Monatsgehalt von 7.500,00 Euro brutto; die private Pkw-Nutzung wurde iHv. 1.089,20 Euro brutto als geldwerter Vorteil bewertet.

3

Der Arbeitsvertrag vom 24. September 2007 enthält ua. folgende Regelung:

        

§ 15 Wettbewerbsvereinbarung          

        

(1) Der Mitarbeiter verpflichtet sich, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer von 2 Jahren für kein Konkurrenzunternehmen selbstständig oder unselbstständig tätig zu werden.

        

(2) Die Firma verpflichtet sich, dem Mitarbeiter für die Dauer des Wettbewerbsverbotes eine Entschädigung zu zahlen, die in ihr Ermessen gestellt wird. Die Karenzentschädigung ist fällig am Ende eines jeden Monats.

        

(3) Auf die Karenzentschädigung wird alles angerechnet, was der Mitarbeiter durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

        

(4) Der Mitarbeiter ist verpflichtet, während der Dauer des Wettbewerbsverbotes auf Verlangen Auskunft über die Höhe seiner Bezüge zu geben und die Anschriften seines jeweiligen Arbeitgebers mitzuteilen. Am Schluss eines Kalenderjahres ist er verpflichtet, seine Lohnsteuerbescheinigung vorzulegen.“

                 
4

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich „aus betriebswirtschaftlichen Gründen“ zum 31. August 2010. Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 31. August 2010, er werde sich an das vertragliche Wettbewerbsverbot halten und erwarte bis zum 15. September 2010 eine Bestätigung, in welcher Höhe der Beklagte die monatliche Karenzentschädigung zahlen werde, mindestens sei sie jedoch in der gesetzlichen Höhe zu leisten.

5

Der Beklagte focht daraufhin mit Schreiben vom 8. September 2010 den Arbeitsvertrag an. Zur Begründung führte er aus, dass er von dem Kläger über die von ihm erzielbaren Umsätze arglistig getäuscht worden sei. Das Wettbewerbsverbot sei unbestimmt und nichtig. In jedem Fall sei es für ihn unverbindlich. Nur hilfsweise nehme er eine Ermessensausübung vor. Wegen der geringen Umsätze des Klägers sei eine Karenzentschädigung von allenfalls 20 % des letzten Entgelts angemessen.

6

Der Kläger bezog vom 1. September bis 7. November 2010 Arbeitslosengeld iHv. 74,75 Euro täglich. Den entsprechenden Leistungsbescheid hat er dem Beklagten ebenso übermittelt wie eine Lohnsteuerbescheinigung seines neuen Arbeitgebers für den Zeitraum von 8. November bis 31. Dezember 2010.

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das zwischen den Parteien schriftlich vereinbarte Wettbewerbsverbot enthalte eine Entschädigungsregelung und sei deshalb nicht nichtig. Sei die Höhe der Karenzentschädigung zu niedrig, sei das Wettbewerbsverbot lediglich unverbindlich; er habe sich für dessen Einhaltung entschieden. Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung sei der Beklagte nicht völlig frei, sondern müsse sich an die gesetzliche Mindesthöhe halten. Ein Recht auf Lossagung vom Wettbewerbsverbot in entsprechender Anwendung des § 75 Abs. 1 HGB habe dem Beklagten nicht zugestanden. Jedenfalls habe er ein solches Recht nicht wirksam ausgeübt, da ein Anfechtungsgrund nicht bestehe und die Monatsfrist des § 75 Abs. 1 HGB nicht gewahrt sei.

8

Der Kläger hat beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn als Karenzentschädigung 4.294,50 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Oktober 2010 und weitere 4.294,50 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2010 zu zahlen.

9

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, das Wettbewerbsverbot sei nichtig. Eine Karenzentschädigung, die in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt werde, genüge dem Schriftformerfordernis des § 74 Abs. 1 HGB nicht, da sie nicht hinreichend bestimmt sei. Auf das Gesetz verweise das Verbot gerade nicht. Eine ergänzende Auslegung, die zu einer Entschädigung in gesetzlicher Höhe führe, finde nicht statt. Aus diesem Grund verbiete sich auch im Rahmen der Ermessensausübung nach § 315 BGB ein Rückgriff auf die Wertung des § 74 Abs. 2 HGB. Die vorsorglich getroffene Ermessensausübung sei rechtsfehlerfrei; aufgrund der schlechten Leistung des Klägers sei eine Karenzentschädigung in Höhe von 20 % des bisherigen Verdienstes angemessen. Im Übrigen habe sich der Beklagte wirksam von dem Wettbewerbsverbot losgesagt; die Gesamtumstände der Anfechtung des Arbeitsvertrags seien ihm erstmals durch das Schreiben des Klägers vom 31. August 2010 bekannt geworden. Letztlich stehe ihm ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB iVm. § 74c HGB zu. Der Kläger habe weder seinen aktuellen Arbeitsvertrag noch eine Steuerbescheinigung am Schluss des Vierteljahres vorgelegt.

10

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin deren Abweisung. Der Streithelfer ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beigetreten.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat aus § 15 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags vom 24. September 2007 iVm. § 315 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 BGB einen Anspruch auf die begehrte Karenzentschädigung iHv. je 4.294,50 Euro brutto für die Monate September und Oktober 2010 nebst Zinsen.

12

I. § 15 des Arbeitsvertrags enthält ein wirksames, aber für den Kläger unverbindliches Wettbewerbsverbot iSd. § 74 ff. HGB, für dessen Einhaltung er sich entschieden hat.

13

1. Das Wettbewerbsverbot sieht in § 15 Abs. 2 des Arbeitsvertrags eine Entschädigung vor(§ 74 Abs. 2 HGB) und ist deshalb nicht nichtig; das gesetzliche Schriftformerfordernis (§ 74 Abs. 1 HGB) ist eingehalten.

14

a) Wettbewerbsverbote, die entgegen § 74 Abs. 2 HGB keine Karenzentschädigung vorsehen, sind nichtig(st. Rspr., zuletzt zB BAG 28. Juni 2006 - 10 AZR 407/05 - Rn. 11 mwN). Weder der Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber können aus einer solchen Abrede Rechte herleiten. Zwar sieht § 74 Abs. 2 HGB vor, das Wettbewerbsverbot sei ohne eine der Höhe nach ausreichende Entschädigungszusage „unverbindlich“. Wird überhaupt keine Karenzentschädigung vereinbart, sind Unverbindlichkeit und Nichtigkeit aber identisch, weil der Arbeitnehmer auch dann, wenn er das Wettbewerbsverbot einhalten würde, keine Zahlungsansprüche daraus herleiten könnte (BAG 13. September 1969 - 3 AZR 138/68 - Teil I: III 3 der Gründe, BAGE 22, 125).

15

b) Die Parteien haben einen Anspruch des Klägers auf eine Entschädigung vereinbart. Dass ihre Höhe in das Ermessen des Beklagten gestellt wurde, bedeutet nicht, dass keine Entschädigung zugesagt wurde. Dies ergibt eine Auslegung von § 15 Abs. 2 des Arbeitsvertrags.

16

aa) Bei der Regelung in § 15 Abs. 2 des Arbeitsvertrags handelt es sich um eine typische Vertragsregelung, deren Auslegung durch das Revisionsgericht uneingeschränkt kontrollierbar ist(vgl. dazu zuletzt zB BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 313/11 - Rn. 24 mwN).

17

bb) Durch § 15 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags hat sich der Beklagte - wie schon der eindeutige Wortlaut ergibt - verpflichtet, dem Kläger für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Entschädigung zu zahlen. Damit wird ein Anspruch des Klägers begründet, wenn er seine Verpflichtungen aus dem Wettbewerbsverbot einhält. Daran ändert sich durch den Relativsatz, wonach die Entschädigung in das Ermessen der Firma gestellt wird, nichts. Diese Formulierung betrifft die Höhe des Entschädigungsanspruchs, nicht den Anspruch selbst. Einen übereinstimmenden anderslautenden Willen beider Vertragsparteien oder sonstige Umstände, die darauf hindeuten würden, dass die Parteien entgegen § 74 Abs. 2 HGB ein entschädigungsloses Wettbewerbsverbot vereinbaren wollten(vgl. dazu auch BAG 28. Juni 2006 - 10 AZR 407/05 - Rn. 14), behauptet auch der Beklagte nicht. Entgegen dessen Annahme ergibt sich eine Nichtigkeit der Vereinbarung auch nicht daraus, dass er - wie er meint - die Karenzentschädigung auf „Null“ festsetzen könnte. Eine solche Festsetzung wäre schon wegen § 74 Abs. 2 HGB unbillig iSv. § 315 Abs. 1 und Abs. 3 BGB, sodass durch Urteil ein angemessener Entschädigungsanspruch zu bestimmen wäre, der auf § 15 Abs. 2 des Arbeitsvertrags beruht(vgl. im Einzelnen unten zu III). Dem Kläger wird daher in jedem Fall - im Rahmen des § 74c HGB - eine Karenzentschädigung gewährt, wenn er seine aus dem Wettbewerbsverbot folgenden Verpflichtungen einhält.

18

c) Die Parteien haben das gesetzliche Schriftformerfordernis (§ 74 Abs. 1 HGB) eingehalten.

19

aa) Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot bedarf der Schriftform (§ 74 Abs. 1 HGB iVm. § 126 Abs. 2 BGB). Das Schriftformerfordernis hat neben der Klarstellungs- und Beweisfunktion vor allem eine Warnfunktion. Es sollen nicht nur Streitigkeiten darüber vermieden werden, ob und mit welchem Inhalt eine Wettbewerbsvereinbarung geschlossen wurde. Vielmehr soll der Arbeitnehmer vor übereilten Entschlüssen im Hinblick auf sein künftiges berufliches Fortkommen möglichst bewahrt werden (BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 291/09 - Rn. 29, BAGE 135, 116; 24. Oktober 1972 - 3 AZR 102/72 - zu I 3 der Gründe). Ein unter Verstoß gegen die gesetzliche Schriftform vereinbartes Wettbewerbsverbot ist gemäß § 125 BGB nichtig(BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 291/09 - Rn. 28 mwN, aaO). Auf eine nichtige Vereinbarung können sich beide Vertragsparteien nicht berufen.

20

bb) Ist durch Gesetz Schriftform vorgeschrieben, muss die Urkunde eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden (§ 126 Abs. 1 BGB). Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen (§ 126 Abs. 2 Satz 1 BGB). Nach § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB genügt es, dass jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet, wenn über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen werden.

21

cc) Der von beiden Parteien unterzeichnete Arbeitsvertrag vom 24. September 2007 erfüllt die genannten Voraussetzungen. Er enthält in seinem § 15 die vollständige Wettbewerbsvereinbarung einschließlich des Anspruchs des Klägers auf eine Karenzentschädigung. Entgegen der Auffassung des Beklagten verlangt das Schriftformgebot nicht, dass die Karenzentschädigung der Höhe nach bereits festgelegt wäre (BAG 28. Juni 2006 - 10 AZR 407/05 - Rn. 16; 14. August 1975 - 3 AZR 333/74 - zu 1 d der Gründe). Entscheidend ist vielmehr, dass der wesentliche Inhalt des der Schriftform unterliegenden Rechtsgeschäfts sich aus der Urkunde ergibt (BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 291/09 - Rn. 33, BAGE 135, 116 [zu einer zusammengesetzten Urkunde]). Dies ist der Fall.

22

2. Das vereinbarte Wettbewerbsverbot war für den Kläger unverbindlich, da aus ihm nicht klar erkennbar war, dass die Höhe der Entschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB erreicht wird.

23

a) Ist in einem Wettbewerbsverbot eine gegenüber der Vorgabe des § 74 Abs. 2 HGB zu niedrige Karenzentschädigung vereinbart, ist dieses nicht nichtig, sondern lediglich unverbindlich. In der Konsequenz kann sich der Arbeitnehmer entscheiden, ob er sich an das Wettbewerbsverbot hält (st. Rspr., zB BAG 18. Januar 2000 - 9 AZR 929/98 - zu II a der Gründe; 13. September 1969 - 3 AZR 138/68 - zu Teil I: III 3 der Gründe, BAGE 22, 125; vgl. auch für den Fall des unzulässig bedingten Wettbewerbsverbots oder des unverbindlichen Vorvertrags: 14. Juli 2010 - 10 AZR 291/09 - Rn. 18 ff. mwN, BAGE 135, 116). Über den Fall einer konkret zu niedrigen Karenzentschädigung hinaus tritt die Unverbindlichkeit aber auch ein, wenn aus dem Wettbewerbsverbot selbst unklar bleibt, ob die gesetzliche Entschädigungshöhe erreicht wird (Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 6. Aufl. Rn. 454 [„angemessene Entschädigung“]; Oetker/Kotzian-Marggraf HGB 3. Aufl. § 74 Rn. 27; vgl. zur Gefahr der Unklarheit bei der Zusage fester Entschädigungssummen: Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II W 10 Rn. 59). In diesem Fall kann der Arbeitnehmer nämlich nicht bereits bei Abschluss des Wettbewerbsverbots beurteilen, ob ihm eine Karenzentschädigung in der gesetzlich vorgesehenen Höhe zugesagt ist (BAG 14. Juli 1981 - 3 AZR 414/80 - zu I 1 b der Gründe) und er sich des Wettbewerbs zwingend enthalten muss (vgl. zu diesem Gedanken BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 291/09 - Rn. 14, aaO).

24

b) Ein solcher Fall der Ungewissheit über die Höhe der Entschädigung liegt hier vor. § 15 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags sieht zwar einen Anspruch auf Entschädigung vor. Weder wird jedoch in der Vereinbarung eine konkrete Summe genannt, noch wird durch eine Verweisung auf die gesetzlichen Vorschriften (vgl. zu einer solchen Fallgestaltung: BAG 28. Juni 2006 - 10 AZR 407/05 -; 14. August 1975 - 3 AZR 333/74 -) für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich gemacht, dass eine Karenzentschädigung mindestens in der gesetzlich geforderten Höhe geschuldet wird.

25

3. Der Anspruch auf Karenzentschädigung aus einem unverbindlichen Wettbewerbsverbot setzt voraus, dass der Arbeitnehmer sich zu Beginn der Karenzzeit für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots entscheidet. Mit Schreiben vom 31. August 2010 hat der Kläger ausdrücklich gegenüber dem Beklagten erklärt, sich an das Wettbewerbsverbot halten zu wollen, und damit sein Wahlrecht ausgeübt. Mit der Wettbewerbsenthaltung entsteht der Anspruch auf Entschädigung (BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 291/09 - Rn. 22, BAGE 135, 116).

26

II. Der Beklagte hat sich nicht wirksam in entsprechender Anwendung des § 75 Abs. 1 HGB vom Wettbewerbsverbot losgesagt.

27

1. Der Arbeitgeber kann sich nach § 75 Abs. 1 HGB analog binnen eines Monats von dem Wettbewerbsverbot lossagen, wenn er das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt hat(BAG 23. November 2004 - 9 AZR 595/03 - zu A I 3 der Gründe, BAGE 112, 376; 19. Mai 1998 - 9 AZR 327/96 -) oder die Parteien aus gleichem Grund das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst haben (BAG 26. Januar 1973 - 3 AZR 233/72 -). Gleiches gilt, wenn zwar nur eine ordentliche Kündigung erklärt wurde, aber für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass diese nur das mildere Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung darstellt (BAG 18. November 1967 - 3 AZR 471/66 - BAGE 20, 162). Eine Erklärung nach § 75 Abs. 1 HGB verfolgt das Ziel, dass alle beiderseitigen Rechte und Pflichten aus einer Wettbewerbsvereinbarung wegfallen sollen. Will sich ein Arbeitgeber in dieser Weise von der vereinbarten Konkurrenzklausel lossagen, muss er klar zum Ausdruck bringen, dass er nicht nur selbst keine Karenzentschädigung zahlen, sondern auch den Arbeitnehmer von dessen Unterlassungspflicht entbinden will (BAG 13. April 1978 - 3 AZR 822/76 - zu II 2 der Gründe). Die Lossagung muss eindeutig erfolgen (ErfK/Oetker 14. Aufl. § 75 HGB Rn. 5).

28

2. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Eine Kündigung aus wichtigem Grund hat der Beklagte mit Schreiben vom 30. Juli 2010 nicht ausgesprochen, sondern eine ordentliche Kündigung aus „betriebswirtschaftlichen Gründen“. Im Übrigen ist im Hinblick auf diese Kündigung innerhalb der Monatsfrist des § 75 Abs. 1 HGB keine Erklärung zum Wettbewerbsverbot abgegeben worden.

29

Ob eine erfolgreiche Anfechtung des Arbeitsvertrags nach § 123 BGB den Beklagten in entsprechender Anwendung des § 75 Abs. 1 HGB ebenfalls zur Lossagung berechtigt hätte(so LAG München 19. Dezember 2007 - 11 Sa 294/07 -; zustimmend Bauer/Diller Rn. 653), kann dahinstehen. Das Landesarbeitsgericht hat rechtskräftig festgestellt, dass der Arbeitsvertrag durch den Beklagten mangels Anfechtungsgrund nicht wirksam angefochten wurde. Im Übrigen dürfte das Schreiben vom 8. September 2010 nicht die Anforderungen an eine Lossagungserklärung erfüllen; im Wesentlichen hat der Beklagte sich dort nur auf die vermeintliche Nichtigkeit des Wettbewerbsverbots berufen.

30

III. Der Kläger hat aus § 15 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags iVm. § 74 Abs. 2 HGB, § 315 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 BGB einen Anspruch auf eine Karenzentschädigung iHv. 50 % seiner zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen. Für die streitgegenständlichen Monate ergibt dies den von ihm beanspruchten Betrag von jeweils 4.294,50 Euro brutto.

31

1. Entschließt sich der Arbeitnehmer zur Einhaltung eines für ihn unverbindlichen Wettbewerbsverbots, hat er Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Entschädigung, nicht hingegen auf die Mindestentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB(vgl. BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 291/09 - Rn. 38, BAGE 135, 116; 18. Januar 2000 - 9 AZR 929/98 - zu II a der Gründe).

32

2. Vertraglich vereinbart haben die Parteien eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Beklagten gestellt wurde. Stellen die Parteien eine Leistung in das Ermessen einer Vertragspartei, hat die Leistungsbestimmung mangels abweichender Anhaltspunkte gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen(BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 25, BAGE 139, 283 [zur Höhe eines Bonus]).

33

a) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Welche Umstände dies im Einzelnen sind, hängt auch von der Art der Leistungsbestimmung ab, die der Berechtigte zu treffen hat (BAG 10. Juli 2013 - 10 AZR 915/12 - Rn. 28). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Bestimmungsberechtigte zu tragen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 679/12 - Rn. 34 mwN).

34

b) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB(vgl. BAG 23. Januar 2007 - 9 AZR 624/06 - Rn. 29). Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten (BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 679/12 - Rn. 35 mwN). Welche Folgen hieraus für die Reichweite der Überprüfung durch das Revisionsgericht zu ziehen sind, kann dahinstehen (vgl. dazu BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 92 mwN, BAGE 135, 128). Die landesarbeitsgerichtliche Entscheidung hält auch einer uneingeschränkten Überprüfung stand.

35

3. Die durch den Beklagten mit Schreiben vom 8. September 2010 getroffene Bestimmung der Karenzentschädigung auf 20 % der vom Kläger zuletzt bezogenen Entgelte entspricht nicht billigem Ermessen iSd. § 315 Abs. 1 BGB.

36

a) Durch die Karenzentschädigung sollen die Nachteile ausgeglichen werden, die dem Arbeitnehmer durch die Einschränkung seines Erwerbslebens infolge der Karenz entstehen (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 198/10 - Rn. 11; 22. Oktober 2008 - 10 AZR 360/08 - Rn. 14). Umgekehrt soll das Wettbewerbsverbot den Arbeitgeber davor schützen, dass Betriebsgeheimnisse bekannt werden oder der Arbeitnehmer sein Wissen um betriebliche Abläufe und Geschäftsverbindungen für eine Konkurrenztätigkeit ausnutzt (vgl. BAG 26. Mai 1992 - 9 AZR 27/91 - zu 3 der Gründe; 19. Mai 1983 - 2 AZR 171/81 - zu B II 2 der Gründe) und in den Kunden- und Lieferantenkreis des Arbeitgebers einbricht (BAG 21. April 2010 - 10 AZR 288/09 - Rn. 15, BAGE 134, 147). Dementsprechend können grundsätzlich alle Umstände Berücksichtigung finden, die mit dem Schutz berechtigter geschäftlicher Interessen des Arbeitgebers einerseits und der Erschwerung des beruflichen Fortkommens des Arbeitnehmers andererseits in Zusammenhang stehen.

37

b) Darüber hinaus ist aber die gesetzgeberische Entscheidung des § 74 Abs. 2 HGB zu beachten, wonach die Entschädigung mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen erreichen muss. Der Gesetzgeber hat den dort bestimmten Mindestbetrag als angemessen angesehen, um die gegenseitigen Interessen im Regelfall in Einklang zu bringen. Dieses Mindestmaß an Entschädigung muss gewahrt bleiben, auch wenn die Wettbewerbsbeschränkung nur ein geringes Maß erreicht (BAG 18. November 1967 - 3 AZR 471/66 - zu III der Gründe, BAGE 20, 162; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene 3. Aufl. § 74 Rn. 43). In Fällen, in denen das berufliche Fortkommen besonders stark beeinträchtigt wird, kann eine höhere Karenzentschädigung erforderlich sein, damit das Wettbewerbsverbot nicht als unverbindlich iSv. § 74a Abs. 1 Satz 2 HGB anzusehen ist(vgl. zum Verhältnis von § 74a Abs. 1 Satz 1 zu Satz 2 und zu den Rechtsfolgen: BAG 21. April 2010 - 10 AZR 288/09 - BAGE 134, 147; Bauer/Diller Rn. 346). Die Festlegung einer geringeren Entschädigung scheidet hingegen aus. Anders als die Revision annimmt, bedeutet dies nicht, dass im Fall eines unverbindlichen Wettbewerbsverbots eine Karenzentschädigung, die unterhalb der von § 74 Abs. 2 HGB vorgeschriebenen Höhe liegt, stets auf diesen Betrag zu erhöhen wäre. Der Arbeitnehmer weiß in diesem Fall, welche Entschädigung ihm zusteht, wenn er sein Wahlrecht zugunsten einer Einhaltung des für ihn unverbindlichen Wettbewerbsverbots ausübt und ist dadurch geschützt. Ist aber eine Ermessensentscheidung nach § 315 BGB zu treffen, kann diese nicht ohne Beachtung des vom Gesetzgeber festgelegten Mindestwertes erfolgen.

38

c) Danach ist die vom Beklagten vorgenommene Leistungsbestimmung schon deshalb unbillig, weil sie den in § 74 Abs. 2 HGB festgelegten Wert unterschreitet.

39

4. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Bestimmung der Höhe der Karenzentschädigung gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB auf die Hälfte der zuletzt bezogenen Vergütung ist danach nicht zu beanstanden. Sie berücksichtigt die Vorgabe des § 74 Abs. 2 HGB. Eine höhere Entschädigung begehrt der Kläger nicht, sodass dahinstehen kann, welche berechtigten Interessen beider Parteien darüber hinaus Berücksichtigung finden müssten.

40

5. Die Karenzentschädigung ist auch der Höhe nach zutreffend berechnet. Der Kläger erhielt ein Festgehalt von 7.500,00 Euro brutto monatlich; die private Nutzung des ihm überlassenen Kfz wurde als geldwerter Vorteil iHv. 1.089,20 Euro brutto angesetzt (zur Berücksichtigung dieses Sachbezugs bei der Ermittlung der Karenzentschädigung: BAG 17. Juni 1997 - 9 AZR 801/95 - zu II 2 der Gründe). Hieraus folgt grundsätzlich ein Anspruch auf eine Karenzentschädigung iHv. 4.294,60 Euro brutto.

41

Ob eine Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung im Wege der Auslegung oder analogen Anwendung des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB überhaupt in Betracht kommt, kann dahinstehen (kritisch BAG 14. September 2011 - 10 AZR 198/10 - Rn. 20 f.). Selbst wenn man zugunsten des Beklagten eine Anrechnungsmöglichkeit unterstellt, kann nur der tatsächliche Auszahlungsbetrag, nicht jedoch ein fiktiv aus dem Arbeitslosengeld hochgerechneter Bruttobetrag angerechnet werden (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 198/10 - Rn. 22 ff. mwN). Das Arbeitslosengeld iHv. 2.242,50 Euro monatlich überschreitet zusammen mit der Karenzentschädigung iHv. 4.294,60 Euro die in den streitgegenständlichen Monaten relevante Grenze von 110 % des vorhergehenden Bruttoentgelts nicht.

42

Gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ergibt sich für die Monate September und Oktober 2010 jeweils ein Anspruch in Höhe von 4.294,50 Euro brutto. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 74b Abs. 1 HGB.

43

IV. Dem Beklagten steht kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB iVm. § 74c Abs. 2 HGB zu(vgl. dazu BAG 23. November 2004 - 9 AZR 595/03 - zu A II der Gründe, BAGE 112, 376; 12. Januar 1978 - 3 AZR 57/76 -). Der Kläger hat dessen Auskunftsanspruch durch Vorlage der Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2010 und des Leistungsbescheids der Agentur für Arbeit erfüllt. Aus diesen Unterlagen ergeben sich alle erforderlichen Angaben zur Berechnung der Höhe der Karenzentschädigung im Streitzeitraum. Die vom Beklagten behauptete Verpflichtung zur Vorlage einer Lohnsteuerbescheinigung am Schluss eines jeden Kalendervierteljahres ergibt sich weder aus § 15 des Arbeitsvertrags noch aus § 74c HGB. Im Übrigen sah § 41b Abs. 1 EStG in der im Streitzeitraum anwendbaren Fassung eine solche Bescheinigung nicht vor.

44

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch     

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    D. Kiel    

        

    W. Guthier    

                 

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 303/01 Verkündet am:
22. April 2004
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Verabschiedungsschreiben
Ein Beschäftigter, der vor dem Ausscheiden aus einem Arbeitsverhältnis unter
Verwendung des Adressenmaterials seines Arbeitgebers ein Verabschiedungsschreiben
an die bislang von ihm betreuten und ihm dabei durch ein Vertrauensverhältnis
verbundenen Kunden richtet, handelt wettbewerbswidrig, wenn er
direkt oder indirekt (hier u.a. durch die Angabe seiner privaten Adresse und Telefonnummer
) auf seine zukünftige Tätigkeit als Wettbewerber oder für einen
Wettbewerber hinweist.
BGH, Urt. v. 22. April 2004 - I ZR 303/01 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. April 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 2. Oktober 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14. Februar 2001 hinsichtlich des Klageantrags zu Ziffer I 1 und der darauf bezogenen Anträge auf Auskunftserteilung (Klageantrag zu Ziffer II) sowie auf Schadensersatzleistung (Klageantrag zu Ziffer III) zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger und der Beklagte zu 1 sind Lohnsteuerhilfevereine und unterhalten beide in N. Beratungsstellen. Der Beklagte zu 2 war seit 1991 in der Beratungsstelle des Klägers als Steuersachbearbeiter angestellt. Er kündigte sein Arbeitsverhältnis am 30. November 1998 fristgerecht zum 31. Dezember 1998. Am 19. Dezember 1998 verabschiedete er sich mit dem nachstehend wiedergegebenen Schreiben von den damals durch ihn betreuten Mitgliedern des Klägers:
Gegenstand des Revisionsverfahrens sind, nachdem der Senat die weitergehende Revision des in beiden Vorinstanzen unterlegenen Klägers teilweise nicht angenommen hat, noch dessen Anträge,
es dem Beklagten zu 1 unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen , im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Mitglieder des Klägers durch ehemalige Mitarbeiter des Klägers unter Nennung des Vor- und Zunamens, der Adresse und Telefonnummer des Mitarbeiters unter Verwendung des Briefpapiers des Klägers anzuschreiben und/oder anschreiben zu lassen, insbesondere wie mit dem Schreiben des Beklagten zu 2 vom 19. Dezember 1998 geschehen; die Beklagten zu verurteilen, dem Kläger unter Nennung von Vor- und Zunamen und der Adresse mitzuteilen, welche Mitglieder des Klägers der Beklagte zu 2 mit dem Schreiben vom 19. Dezember 1998 angeschrieben hat, die 1998, 1999 und 2000 beim Beklagten zu 1 als Mitglieder eingetreten sind; die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, einen Betrag, dessen Höhe nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmen ist, mindestens jedoch 100.000 DM zuzüglich Zinsen seit Klagezustellung an den Kläger zu bezahlen. Der Kläger hat insoweit geltend gemacht, der Beklagte zu 2 habe zusammen mit seinem späteren Arbeitgeber, dem Beklagten zu 1, im Oktober und November 1998 ein Modell zur systematischen Abwerbung von Mitgliedern des Klägers entwickelt. Der Beklagte zu 2 sollte danach im Anschluß an die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses den bislang von ihm betreuten Mitgliedern des Klägers in einem Rundschreiben auf einem Briefpapier des Klägers unter Angabe seiner Privatanschrift und seiner privaten Telefonnummer sein Ausscheiden mitteilen. Der Schaden des Klägers durch den infolge des Schreibens des Beklagten zu 2 vom 19. Dezember 1998 eingetretenen Verlust von Mitgliedsbeiträgen habe allein im Jahr 2000 50.730 DM betragen.
Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Nach der Auffassung des Berufungsgerichts erfüllen die im Unterlassungsantrag aufgeführten Verhaltensweisen den Tatbestand des § 1 UWG nicht. Aus der Sicht der Empfänger sei der Kläger auch dann Absender des Schreibens vom 19. Dezember 1998 gewesen, wenn seine Versendung zwischen den beiden Beklagten abgesprochen gewesen sei. Damit fehle es, wenn man den Vortrag des Klägers zu der zwischen den Beklagten im Oktober und November 1998 getroffenen Vereinbarung als richtig unterstelle, zwar nicht an der für eine Störerhaftung des Beklagten zu 1 erforderlichen Wiederholungsgefahr. Das Versenden des Rundschreibens sei aber nicht als wettbewerbswidriges Abwerben von Mitgliedern des Klägers zu werten. Das Schreiben fordere nicht dazu auf, die Mitgliedschaft beim Kläger zu beenden und in Zukunft mit dem Beklagten zu 2 oder dessen neuem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten. Der Umstand, daß der Beklagte zu 2 das Briefpapier des Klägers verwendet habe und seinerzeit noch bei diesem angestellt gewesen sei, sei unerheblich. Ebensowenig führe die Angabe der privaten Anschrift und Telefonnummer des Beklagten zu 2 in dem Schreiben zu einer unzulässigen Abwerbung von Mitgliedern des Klägers. Die Angaben in dem Schreiben signalisierten dem Empfänger weder, daß er sich mit dem Beklagten zu 2 nach dessen Ausscheiden beim Kläger in Verbindung setzen solle, um zu erfahren, ob und wie sich dieser weiter betätige, noch erst recht, daß der Empfänger den Kläger verlassen solle.
Der Kläger könne den Unterlassungsanspruch auch nicht auf den bestrittenen Sachvortrag stützen, der Beklagte zu 2 habe die Namen und Adressen der Empfänger des Schreibens unter Verletzung seiner Pflichten als Mitarbeiter aus dem Rechner des Klägers übernommen. Zum einen komme dieser Gesichtspunkt im Unterlassungsantrag nicht zum Ausdruck, und zum anderen ha-
be der Beklagte zu 2 im Rahmen seines Aufgabenkreises gehandelt, wenn er sich der Üblichkeit entsprechend namens des Klägers von dessen durch ihn betreuten Mitgliedern verabschiedet habe. Die Annahme des Klägers, die Verwendung seines Briefpapiers erwecke bei einem nicht unbeträchtlichen Teil der angeschriebenen Mitglieder den Eindruck, der Beklagte zu 2 scheide beim Kläger im Einvernehmen aus, liege ebenso fern wie diejenige, der Beklagte zu 2 habe in dem Schreiben eine persönliche Steuerberatungsbefugnis in Anspruch genommen. Zudem sei nicht ersichtlich, inwiefern im ersteren Fall ein solcher falscher Eindruck Mitglieder des Klägers dazu hätte veranlassen können, sich einem Konkurrenzunternehmen zuzuwenden, und wäre im letzteren Fall allenfalls ein - nicht streitgegenständlicher - Unterlassungsanspruch gemäß § 3 UWG gegenüber dem Beklagten zu 2 gegeben. Fehl gehe schließlich der Hinweis des Klägers, Lohnsteuerhilfevereinen sei es gemäß § 6 der inzwischen aufgehobenen Werbeverordnung zum Steuerberatungsgesetz verwehrt, unter Nennung der Namen von Mitarbeitern zu werben.
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung und zur Zurückverweisung.
1. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht besteht grundsätzlich kein Anspruch auf den Fortbestand des Kundenstamms. Das Abwerben von Kunden gehört zum Wesen des Wettbewerbs, auch wenn die Kunden noch an den Mitbewerber gebunden sind (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.1965 - Ib ZR 122/63, GRUR 1966, 263, 264 - Bau-Chemie; Urt. v. 5.10.1966 - Ib ZR 136/64, GRUR 1967, 104, 106 - Stubenhändler; Urt. v. 8.11.2001 - I ZR 124/99, GRUR 2002, 548, 549 = WRP 2002, 524 - Mietwagenkostenersatz). Das Bestimmen zur ordnungsgemäßen Vertragsauflösung unter Beachtung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen ist daher wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Wettbewerbswidrig wird ein Einbrechen in fremde Vertragsbeziehungen erst
dann, wenn besondere Unlauterkeitsumstände hinzutreten (BGH, Urt. v. 27.2.1986 - I ZR 210/83, GRUR 1986, 547, 548 = WRP 1986, 379 - Handzettelwerbung ; BGHZ 110, 156, 170 - HBV-Familien- und Wohnungsrechtsschutz; BGH GRUR 2002, 548, 549 - Mietwagenkostenersatz).
2. Das Versenden des beanstandeten Rundschreibens durch den Beklagten zu 2 ist wettbewerbswidrig. Bei der für das Revisionsverfahren als richtig zu unterstellenden Absprache der beiden Beklagten kann ein wettbewerbswidriges Verhalten auch des Beklagten zu 1 nicht verneint werden.

a) Das vom Beklagten zu 2 an die von ihm betreuten Mitglieder des Klägers versandte Schreiben vom 19. Dezember 1998 zielte auf deren Abwerbung. Der Beurteilung des Berufungsgerichts, das Schreiben erschöpfe sich in einer höflichen Verabschiedung, kann nicht zugestimmt werden. Gegen diese beschränkte Sicht spricht die Angabe der privaten Anschrift und der Telefonnummer des Beklagten zu 2. Es kommt hinzu, daß sich der Beklagte zu 2 in dem Schreiben für das "bisherige ... Vertrauen" bedankt. Diese Formulierung sollte es den Adressaten ersichtlich nahelegen zu erwägen, mit dem Beklagten zu 2 auch nach dessen Ausscheiden beim Kläger weiterhin vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Ein ernstlich gemeintes und als solches dann auch im Interesse des Klägers liegendes Verabschiedungsschreiben hätte zudem Angaben zu der die Adressaten insbesondere interessierenden Frage enthalten, wie und, falls dies schon feststand, durch wen deren weitere steuerliche Beratung beim Kläger erfolgen würde. Alles in allem genommen war das Schreiben vom 19. Dezember 1998 daher darauf ausgerichtet, die vom Beklagten zu 2 seinerzeit betreuten Mitglieder zu veranlassen, sich auch weiterhin von diesem beraten zu lassen und sich hinsichtlich eines Wechsels der Mitgliedschaft in einem Lohnsteuerhilfeverein an den Beklagten zu 2 zu wenden.
Der Beklagte zu 2 verhielt sich schon deshalb unlauter i.S. des § 1 UWG, weil er zu dem Zeitpunkt, zu dem er das Rundschreiben versandte, noch in einem Arbeitsverhältnis zum Kläger stand und sich daher diesem gegenüber loyal zu verhalten hatte (vgl. RG GRUR 1939, 728, 731; BAG AP Nr. 5 zu § 60 HGB = BB 1970, 1095; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 1 UWG Rdn. 601; Großkomm.HGB/Konzen/Weber, 4. Aufl., § 60 Rdn. 17). Das galt zumal im Hinblick darauf, daß er als - teilweise langjähriger - steuerlicher Betreuer der Mitglieder des Klägers diesen gegenüber eine Vertrauensstellung innehatte und deshalb auch noch nach seinem Ausscheiden beim Kläger immerhin in einem gewissen Umfang auf dessen Interessen Rücksicht nehmen mußte (vgl. Großkomm.UWG/Brandner/Bergmann, § 1 Rdn. A 240). Die Wettbewerbswidrigkeit der Verhaltensweise des Beklagten zu 2 folgt zudem daraus, daß dieser das ihm vom Kläger anvertraute wertvolle Adressenmaterial zweckwidrig und zielgerichtet für sein Unternehmen, beim Kläger noch während des dort bestehenden Beschäftigungsverhältnisses eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern abzuwerben, zum Einsatz brachte.

b) Der Beklagte zu 1 hätte danach mit der im Oktober und November 1998 mit dem Beklagten zu 2 getroffenen Vereinbarung, von deren Vorliegen das Berufungsgericht zugunsten des Klägers ausgegangen ist, unter dem Gesichtspunkt der Anstiftung, zumindest aber der (psychischen) Beihilfe zu dem von dem Beklagten zu 2 begangenen Verstoß wettbewerbswidrig gehandelt (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1956 - I ZR 57/54, GRUR 1956, 273, 274 f. - Drahtverschluß ; Urt. v. 20.5.1960 - I ZR 93/59, GRUR 1960, 558, 559 - Eintritt in Kundenbestellung ; Urt. v. 15.1.1987 - I ZR 215/84, GRUR 1987, 532, 533 = WRP 1987, 606 - Zollabfertigung; Großkomm.UWG/Brandner/Bergmann, § 1 Rdn. A 227).
3. Die Schadensersatzhaftung des Beklagten zu 2 wie auch des Beklagten zu 1 - die behauptete Abrede unterstellt - folgt aus § 1 UWG. Die beiden Beklagten sind danach zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Kläger durch den infolge des wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beklagten bewirkten Wegfall von Mitgliedsbeiträgen entstanden ist. Der Umstand, daß ein Störer vom Betroffenen zwar auf Unterlassung, nicht aber auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann (BGH, Urt. v. 6.4.2000 - I ZR 67/98, GRUR 2001, 82, 83 = WRP 2000, 1263 - Neu in Bielefeld I; Urt. v. 18.10.2001 - I ZR 22/99, GRUR 2002, 618, 619 = WRP 2002, 532 - Meißner Dekor), steht der Haftung des Beklagten zu 1 nicht entgegen. Denn dieser betätigte sich, soweit er die vom Kläger behauptete Vereinbarung mit dem Beklagten zu 2 geschlossen hat, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht lediglich als - ohne eigene Wettbewerbsabsicht handelnder - Störer, sondern, wie vorstehend unter 2. b) dargestellt, als Teilnehmer an einer i.S. des § 1 UWG wettbewerbswidrigen Verhaltensweise.
4. Zur Durchsetzung seiner Schadensersatzansprüche benötigt der Kläger zudem die Auskunft, welche der bei ihm ausgetretenen 256 Mitglieder, die in der Anlage K 11 aufgeführt sind, als Adressaten des Schreibens vom 19. Dezember 1998 im zeitlichen Zusammenhang mit diesem beim Beklagten zu 1 eingetreten sind. Denn damit wäre es dem Kläger möglich, den Nachweis eines durch das Schreiben verursachten Schadens zu führen, ohne daß die Beklagten hierdurch ihrerseits in unzumutbarer Weise belastet werden.
III. Das Urteil des Berufungsgerichts konnte danach keinen Bestand haben ; es war deshalb aufzuheben. Da die Entscheidung des Rechtsstreits weitergehende Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht erfordert, war die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Dieses wird im Rahmen des wiedereröffneten Berufungsverfahrens zunächst zu prüfen haben, ob die Beklagten im Oktober und November 1998 die vom Kläger behauptete Vereinbarung über die Abwerbung seiner Mitglieder getroffen haben. Sollte sich dieses ergeben, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgreift. Sollte sich das Unterlassungsbegehren danach als grundsätzlich begründet darstellen, käme, wie das Berufungsgericht im angefochtenen Urteil bereits zutreffend ausgeführt hat, eine Verurteilung des Beklagten zu 1 allein wegen des "Anschreibenlassens" von Mitgliedern des Klägers in Betracht. Bei der Fassung des Verbotsausspruchs wäre zudem zu berücksichtigen, daß dem Beklagten zu 1 nicht - entsprechend dem im Berufungsverfahren anders als in erster Instanz gestellten Unterlassungsantrag - das Anschreibenlassen von Mitgliedern des Klägers durch einen früheren Mitarbeiter, sondern dasjenige durch einen (seinerzeit dort noch) aktiven Mitarbeiter als wettbewerbswidrig anzulasten wäre (vgl. zu vorstehend II. 2. b)). Die zur Ermöglichung der Bezifferung des dem Kläger entstandenen Schadens gegebenenfalls bestehende Auskunftspflicht der Beklagten beschränkte sich auf diejenigen in der Anlage K 11 aufgeführten ehemaligen Mitglieder des Klägers, die beim Beklagten zu 1 im
zeitlichen Zusammenhang mit der etwaigen wettbewerbswidrigen Verhaltensweise der Beklagten eingetreten sind (vgl. zu vorstehend II. 4.). Ein solcher zeitlicher Zusammenhang könnte jedoch auch bei den beim Beklagten zu 1 erst im Jahr 2000 eingetretenen ehemaligen Mitgliedern des Klägers insbesondere dann anzunehmen sein, wenn bei diesen im Jahr 1999 kein Bedarf für eine steuerliche Beratung bestanden hatte.
Ullmann Bornkamm Büscher
Schaffert Bergmann

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 19. März 2012 - 2 Sa 1105/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 1958 geborene Kläger war seit September 1981 bei der beklagten Rundfunkanstalt beschäftigt, zuletzt als Techniker im IT-Service. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Manteltarifvertrag war das Arbeitsverhältnis - es sei denn wegen Leistungsminderung - nur noch außerordentlich kündbar.

3

Im Juli und November 2010 wurden Räume der Beklagten durchsucht. Nach dem Vorbringen der Beklagten hatte es eine anonyme Anzeige gegeben, derzufolge mehrere ihrer Mitarbeiter, ua. der Kläger, bei Ausschreibungen über Telekommunikations- und Datennetzleistungen in Absprache mit einer beauftragten Firma die Leistungsverzeichnisse manipuliert hatten. Am 7. Dezember 2010 lag der Beklagten ein Bericht ihrer Innenrevision über die Leistungsabrufe der betreffenden Firma vor. Danach hat der Kläger von dieser ua. einen Barbetrag in Höhe von 200,00 Euro erhalten. Eine Schließanlage, die er von der Firma schon zuvor erhalten und bei sich eingebaut hatte, hatte der Kläger an die Beklagte zurückgegeben.

4

Mit Schreiben vom 8. Dezember 2010 lud die Beklagte den Kläger zu einer Anhörung für den 13. Dezember 2010 in ihre Geschäftsräume ein. Der Kläger war seit dem 26. Juli 2010 erkrankt. Er teilte mit E-Mail vom 12. Dezember 2010 mit, er könne den Termin wegen einer Rehabilitationsmaßnahme nicht wahrnehmen. Er bat darum, ihn schriftlich anzuhören und die Fragen seinem Prozessbevollmächtigten zu schicken. Die Beklagte sandte daraufhin am 14. Dezember 2010 sowohl an den Kläger als auch an dessen Prozessbevollmächtigten einen zehn Seiten langen Fragenkatalog, der sich auf 13 einzelne Fragenbereiche bezog. Sie setzte dem Kläger eine Frist zur Beantwortung bis zum 17. Dezember 2010, 12:00 Uhr.

5

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 - welches nach Angaben der Beklagten am 20. Dezember 2010 bei ihr einging -, teilten die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dieser befinde sich noch bis zum 11. Januar 2011 in der Rehabilitationsmaßnahme. Es sei deshalb „kaum möglich“, innerhalb der gesetzten Frist zu den Fragen Stellung zu nehmen. Es sei eine zeitaufwendige Besprechung mit dem Kläger erforderlich. Diese könne wegen der noch laufenden Rehabilitationsmaßnahme erst im Laufe des Monats Januar 2011 erfolgen. Eine Stellungnahme sei nach Ablauf der Maßnahme zu erwarten. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2010, welches bei der Beklagten tags darauf einging, nahmen die Prozessbevollmächtigten auf ihr Schreiben vom 15. Dezember 2010 Bezug und rügten, die Zusendung des Fragenkataloges habe zu einem gesundheitlichen Rückschlag des Klägers geführt. Tatsächlich litt der Kläger an einer psychischen Erkrankung. Ob dies der Beklagten bekannt war, ist nicht festgestellt.

6

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2010 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Personalrat zu einer beabsichtigten Verdachts- und Tatkündigung an. Der Personalrat widersprach mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 mit der Begründung, der Kläger sei nicht ausreichend angehört worden.

7

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2010 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fristlos.

8

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat gemeint, es fehle an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB. Außerdem habe die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Von dem Kündigungsschreiben habe er erst am 30. Dezember 2010 Kenntnis erlangt. Für eine auf den Verdacht einer Pflichtverletzung gestützte Kündigung fehle es an seiner ordnungsgemäßen Anhörung.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 27. Dezember 2010 nicht aufgelöst worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wirksam. Der Kläger habe an Straftaten zu ihren Lasten mitgewirkt. Er habe bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen für den Rahmenvertrag mit der beauftragten Firma bewusst fehlerhafte Mengenangaben zugrunde gelegt. Dies habe dazu geführt, dass diese die Ausschreibung gewonnen habe. Dadurch sei ihr - der Beklagten - ein wirtschaftlicher Nachteil entstanden. Die beauftragte Firma sei in demjenigen Leistungsbereich besonders teuer gewesen, in welchem der Kläger eine zu geringe Auftragsanzahl prognostiziert habe. Zudem habe der Kläger zu Gunsten der Firma Aufmaße mit einem unzutreffend hohen Leistungsumfang bestätigt. Insgesamt sei ihr durch sein Verhalten ein Schaden von wenigstens 19.000,00 Euro entstanden. Sie habe alle zumutbaren Anstrengungen unternommen, um den Sachverhalt aufzuklären. Der Kläger habe den Fragenkatalog beantworten können. Er sei äußerungsfähig gewesen. Das Kündigungsschreiben sei noch am 27. Dezember 2010 um 15:15 Uhr in seinen Briefkasten eingeworfen worden.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung vom 27. Dezember 2010 nicht als unwirksam ansehen. Ob sie wirksam ist, steht noch nicht fest.

13

I. Die Kündigung wegen vom Kläger tatsächlich begangener Pflichtverletzungen ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte die zweiwöchige Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten hätte. Die Frist hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht spätestens am Tag nach dem 7. Dezember 2010 zu laufen begonnen.

14

1. Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Norm mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände ( BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27; 27. Januar 2011 -  2 AZR 825/09  - Rn. 15 , BAGE 137, 54). Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne( BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO; 25. November 2010 - 2 AZR 171/09  - Rn. 15). Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, aaO; 2. März 2006 -  2 AZR 46/05  - Rn. 24 , BAGE 117, 168 ). Bei Vorliegen besonderer Umstände darf sie auch überschritten werden (BAG 2. März 2006 -  2 AZR 46/05  - aaO). Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht ( BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO; 25. November 2010 - 2 AZR 171/09  - aaO). Gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Stellungnahme, so gereicht ihm dies hinsichtlich des Beginns der zweiwöchigen Ausschlussfrist deshalb auch dann nicht zum Nachteil, wenn der Arbeitnehmer innerhalb angemessener Überlegungszeit keine Erklärung abgibt oder seine Stellungnahme rückblickend zur Feststellung des Sachverhalts nichts beiträgt (BAG 27. Januar 1972 - 2 AZR 157/71 - zu 3 der Gründe, BAGE 24, 99). Das bedeutet zugleich, dass der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub iSv. § 626 Abs. 2 BGB nicht nachträglich entfällt, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme für den Arbeitnehmer zum Anlass nimmt, nunmehr auf dessen Anhörung zu verzichten. Ein solcher nachträglicher Wegfall des ursprünglichen Aufschubs käme nur in Frage, wenn der betreffende Entschluss des Arbeitgebers auf Willkür beruhte. Davon kann die Rede nicht sein, wenn Anlass für den neuen Entschluss der Umstand ist, dass sich der Arbeitnehmer innerhalb einer ihm gesetzten, angemessenen Frist nicht geäußert hat.

15

2. Danach hat die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht deshalb nicht gewahrt, weil diese spätestens mit dem auf den 7. Dezember 2010 folgenden Tag zu laufen begonnen hätte.

16

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte sei spätestens am 7. Dezember 2010 in der Lage gewesen, sich ein Bild darüber zu machen, ob die im Revisionsbericht aufgeführten Sachverhalte Grundlage für die Überzeugung sein konnten, der Kläger habe die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen begangen. Um darauf eine Kündigung zu stützen, habe es für sie keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung, insbesondere keiner Anhörung des Klägers bedurft. Sie sei schließlich auch ohne neue Erkenntnisse zu dem Schluss gekommen, der ihr bereits am 7. Dezember 2010 möglich gewesen sei. Die Frist für den Ausspruch einer auf tatsächlich begangene Pflichtverletzungen gestützten Kündigung habe damit am 21. Dezember 2010 geendet. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die Kündigung dem Kläger - unstreitig - nicht zugegangen.

17

b) Diese Würdigung hält einer Überprüfung nicht stand. Zwar lag der Beklagten am 7. Dezember 2010 der Bericht ihrer Innenrevision vor. Sie durfte es aber nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich halten, dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu den darin enthaltenen Anschuldigungen zu geben. Es war nicht ausgeschlossen, dass sie dadurch von Umständen Kenntnis erlangen könnte, die den bisher ermittelten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen ließen. Darauf, ob die Anhörung tatsächlich neue Erkenntnisse erbrachte, kommt es nicht an.

18

3. Ob die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt hat, steht noch nicht fest.

19

a) Allerdings hat die Beklagte, nachdem der Bericht der Innenrevision vorlag, den Kläger hinreichend zeitnah zu einer Anhörung eingeladen. Der vorgesehene Termin am 13. Dezember 2010 lag innerhalb einer Woche. Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, dass er den Termin wegen seiner Rehabilitationsmaßnahme nicht wahrnehmen könne, widersprach es auch nicht der gebotenen Eile, ihm zur Beantwortung des Fragenkatalogs eine Frist bis zum 17. Dezember 2010 zu setzen. Der Kläger selbst hatte um schriftliche Anhörung gebeten. Dies ist ein Umstand, der für die Anhörung das Überschreiten der Regelfrist von einer Woche rechtfertigt. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann demnach erst mit Ablauf der dem Kläger gesetzten Frist zur Stellungnahme, dh. am 18. Dezember 2010 zu laufen. Die Beklagte hätte die Kündigungserklärungsfrist selbst dann eingehalten, wenn die Kündigung dem Kläger erst am 30. Dezember 2010 zugegangen sein sollte.

20

b) Das Landesarbeitsgericht hat bisher aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob eine für die Beklagte kündigungsberechtigte Person schon vor dem 17. Dezember 2010 von Umständen Kenntnis erlangt hatte, die darauf schließen ließen, der Kläger werde sich bis zum Ablauf der ihm gesetzten Frist ohnehin nicht mehr äußern. In diesem Fall käme ein entsprechend früherer Fristbeginn in Betracht. Dann wiederum könnte es für die Wahrung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB darauf ankommen, wann genau die Kündigung dem Kläger im Rechtssinne zugegangen ist. Ebenso wenig hat das Landesarbeitsgericht bisher aufgeklärt, ob die Beklagte bis zur Vorlage des Berichts der Innenrevision am 7. Dezember 2010 die Aufklärungsmaßnahmen mit der gebotenen Eile vorgenommen hat.

21

c) Demgegenüber wurde der Fristbeginn nicht schon deshalb hinausgeschoben, weil der Kläger eine Stellungnahme erst nach dem Ende seiner Rehabilitationsmaßnahme in Aussicht gestellt hatte. Die Beklagte hatte die ihm bis zum 17. Dezember 2010 gesetzte Frist nicht verlängert. Darauf, ob andernfalls ein entsprechendes Zuwarten noch mit dem Gebot hinreichend zügiger Aufklärung vereinbar wäre, kommt es nicht an.

22

II. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten, wird es zu prüfen haben, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Sofern es dies nicht wegen erwiesener Pflichtverletzung(en) des Klägers bejahen sollte, wird es prüfen müssen, ob ein solcher Grund zumindest wegen des Verdachts einer erheblichen Pflichtverletzung gegeben ist. Unter diesem Aspekt wäre die Kündigung auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht deshalb unwirksam, weil es an der erforderlichen Anhörung des Klägers fehlte.

23

1. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Bei ihr besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht „ultima ratio“ (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 31; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 32). Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung Gelegenheit geben, zu den Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen, um dessen Einlassungen bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können (BAG 30. April 1987 - 2 AZR 283/86 - zu B I 2 c der Gründe). Versäumt er dies, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen; die hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam (BAG 30. April 1987 - 2 AZR 283/86 - zu B I 2 d der Gründe; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu C III 3 der Gründe, BAGE 49, 39).

24

a) Der Umfang der Anhörung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden(BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 33; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06  - Rn. 15 ). Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt ( BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - aaO; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06  - aaO).

25

b) Unterblieb die Anhörung, weil der Arbeitnehmer von vornherein nicht bereit war, sich auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einzulassen und nach seinen Kräften an der Aufklärung mitzuwirken, steht dies der Wirksamkeit der Verdachtskündigung nicht entgegen. Erklärt der Arbeitnehmer, er werde sich zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf nicht äußern, und nennt er für seine Weigerung keine relevanten Gründe, muss der Arbeitgeber ihn über die Verdachtsmomente nicht näher informieren ( BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 16; 28. November 2007 - 5 AZR 952/06  - Rn. 20). Eine solche Anhörung wäre überflüssig. Sie könnte zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Willensbildung des Arbeitgebers nichts beitragen ( BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - aaO; 30. April 1987 - 2 AZR 283/86 - zu B I 2 d aa der Gründe).

26

c) Ein Unterlassen der Anhörung kann auch dann unschädlich sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer - im Rahmen des Zumutbaren - Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, und dieser sich innerhalb der gesetzten - angemessenen - Frist gleichwohl nicht geäußert hat. Dies gilt einmal, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich schweigt, kann aber selbst bei unfreiwilligem Schweigen gelten. Ist etwa der Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht nur an einem persönlichen Gespräch, sondern längerfristig auch an einer schriftlichen Stellungnahme auf ihm übermittelte Fragen verhindert, muss der Arbeitgeber nicht notwendig die Zeit abwarten, zu der sich der Arbeitnehmer wieder äußern kann. Zwar mag die Frist des § 626 Abs. 2 BGB noch nicht zu laufen beginnen, solange der Arbeitgeber entsprechend zuwartet(vgl. dazu LAG Köln 25. Januar 2001 - 6 Sa 1310/00 -; Hessisches LAG 8. Oktober 1979 - 11 Sa 544/79 -). Wartet der Arbeitgeber diesen Zeitpunkt aber nicht ab, führt das nicht automatisch dazu, dass ihm eine Verletzung seiner Aufklärungspflicht vorzuwerfen wäre.

27

aa) Wartet der Arbeitgeber, dem der Arbeitnehmer mitteilt, er könne sich wegen einer Erkrankung nicht, auch nicht schriftlich äußern, dessen Gesundung ab, um ihm eine Stellungnahme zu den Vorwürfen zu ermöglichen, liegen in der Regel hinreichende besondere Umstände vor, aufgrund derer der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB entsprechend lange hinausgeschoben wird. Dem Arbeitgeber, der die Möglichkeit einer weiteren Aufklärung durch den Arbeitnehmer trotz der Zeitverzögerung nicht ungenutzt lassen möchte, wird regelmäßig nicht der Vorwurf gemacht werden können, er betreibe keine hinreichend eilige Aufklärung, insbesondere dann nicht, wenn der Arbeitnehmer selbst um eine Fristverlängerung gebeten hat (ebenso Eylert/Friedrichs DB 2007, 2203, 2206; Mennemeyer/Dreymüller NZA 2005, 382). Dies dient nicht zuletzt dem Interesse des Arbeitnehmers an der Vermeidung einer vorschnell, ohne Rücksicht auf mögliche Entlastungen erklärten Kündigung (vgl. dazu BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 23, 34).

28

bb) Umgekehrt verletzt der Arbeitgeber in einem solchen Fall nicht notwendig seine Aufklärungspflicht aus § 626 Abs. 1 BGB, wenn er von einem weiteren Zuwarten absieht. Ihm kann - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - eine weitere Verzögerung unzumutbar sein. Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen darf, der Arbeitnehmer werde sich in absehbarer Zeit nicht äußern (können). Hat etwa der Arbeitnehmer mehrmals um eine Verlängerung der gesetzten Frist zur Stellungnahme gebeten und hat sich seine Prognose, wann er sich werde äußern können, wiederholt als unzutreffend erwiesen, wird dem Arbeitgeber ein weiteres Zuwarten nicht zuzumuten sein. Mehrfache ergebnislose Fristverlängerungen können überdies die Annahme rechtfertigen, der Arbeitnehmer wolle sich in Wirklichkeit ohnehin nicht äußern. Einige weitere Tage warten zu müssen, wird der Arbeitgeber dabei in der Regel eher hinzunehmen haben als eine Wartezeit von mehreren Wochen. Es kann wiederum auch das Ende eines längeren Zeitraums abzuwarten sein, wenn schon die bisherigen Aufklärungsmaßnahmen längere Zeit in Anspruch genommen haben und keine Ansprüche des Arbeitnehmers aus Annahmeverzug drohen.

29

2. Danach ist das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, es habe an der erforderlichen Anhörung des Klägers gefehlt.

30

a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Beklagte habe nicht annehmen dürfen, der Kläger wolle sich einer Anhörung entziehen. Der Kläger habe seine Mitwirkung bei der Anhörung angekündigt, seine Prozessbevollmächtigten hätten sie für Mitte Januar 2011 in Aussicht gestellt. Der Kläger sei psychisch erkrankt gewesen und habe sich in einer Reha-Maßnahme befunden. „Hierüber“ habe er die Beklagte unverzüglich in Kenntnis gesetzt.

31

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht alle relevanten Umstände in seine Prüfung mit einbezogen. Die bislang festgestellten Tatsachen tragen seine Begründung nicht.

32

aa) Das Landesarbeitsgericht hat nicht gewürdigt, dass der Kläger zunächst ohne einen Hinweis auf zeitliche Einschränkungen durch die Reha-Maßnahme um eine schriftliche Anhörung gebeten hatte. Erst anschließend stellten seine Prozessbevollmächtigten eine Äußerung für eine geraume Zeit später und zu einem recht vagen Zeitpunkt in Aussicht. Sie kündigten diese nicht für „Mitte Januar 2011“ an - wovon das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist - sondern kündigten an, sie würde „im Laufe des Januar 2011“ erfolgen. Die Prozessbevollmächtigten erläuterten überdies nicht, warum nicht schon während der noch laufenden Reha-Maßnahme eine Besprechung mit dem Kläger möglich wäre. Ob sich der Kläger dazu gesundheitlich nicht in der Lage sah, ob er möglicherweise überhaupt nicht äußerungsfähig war oder ob es nur Terminprobleme bzw. sonstige organisatorische Schwierigkeiten gab, die dem entgegenstünden, wird aus ihren Schreiben nicht ersichtlich.

33

bb) Dafür, dass die Beklagte aus der Art der Erkrankung des Klägers Rückschlüsse auf das Fehlen seiner Fähigkeit hätte ziehen können, sich - und sei es schriftlich - zu äußern, gibt es nach den bisherigen Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Es ist unklar, ob das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Kläger habe die Beklagte nicht nur über seinen Aufenthalt in einer Reha-Klinik, sondern auch über die Art seiner Erkrankung informiert. In der E-Mail vom 12. Dezember 2010 hatte der Kläger lediglich mitgeteilt, er befinde sich bis zum 11. Januar 2011 in der Klinik, sei gesundheitlich nicht in der Lage, an der Anhörung in den Räumen der Beklagten teilzunehmen, und bitte um eine schriftliche Anhörung. In den Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten werden zur Art seiner Erkrankung keine Angaben gemacht.

34

c) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dem Kläger sei es wegen seiner Erkrankung und der Durchführung der Reha-Maßnahme nicht möglich gewesen, den Fragenkatalog innerhalb der gesetzten Frist angemessen zu beantworten, beruht ebenfalls nicht auf hinreichenden Tatsachenfeststellungen. Sie rechtfertigt deshalb nicht die Würdigung, die Beklagte habe, weil sie dem Kläger keine längere Frist zur Stellungnahme gewährt habe, ihre Aufklärungspflicht verletzt.

35

aa) Das Landesarbeitsgericht stellt darauf ab, der Kläger sei von den betrieblichen Informationsquellen abgeschnitten gewesen, die ihm möglicherweise Entlastungsmaterial hätten liefern können. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger darauf - insbesondere gegenüber der Beklagten - überhaupt berufen hätte. Abgesehen davon hätte er in seiner Antwort auf diesen Umstand hinweisen können.

36

bb) Soweit das Landesarbeitsgericht annimmt, die zeitliche Beanspruchung des Klägers durch Therapieeinheiten habe die ihm zur Verfügung stehende Zeit zur Stellungnahme erheblich eingeschränkt, fehlt es an Feststellungen zum konkreten zeitlichen Umfang dieser Einheiten. Ebenso wenig ist festgestellt, dass die Beklagte von dieser Beanspruchung Kenntnis gehabt hätte und sie bei ihrer Entscheidung, dem Kläger keine Nachfrist zu gewähren, hätte in Rechnung stellen müssen.

37

d) Unerheblich ist, ob die Beklagte das Gebot der zügigen Aufklärung aus § 626 Abs. 2 BGB verletzt hätte, wenn sie dem Kläger eine Nachfrist jedenfalls bis Mitte Januar 2011 gesetzt hätte. Selbst wenn dies zu verneinen wäre, folgt allein daraus - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht, dass sie ihre Aufklärungspflicht nach § 626 Abs. 1 BGB verletzt hat, weil sie dem Kläger eine solche Frist nicht gewährte.

38

3. Das Landesarbeitsgericht wird - falls es darauf ankommt - die Frage, ob der Kläger vor Ausspruch der Verdachtskündigung im Rahmen des der Beklagten Zumutbaren Gelegenheit zur Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen hatte, unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen und aller relevanten Umstände des Streitfalls erneut zu prüfen haben.

        

    Kreft    

        

    Berger     

        

    Rachor    

        

        

        

    Perreng     

        

    Wolf    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. April 2013 - 2 Sa 490/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses sowie über davon abhängige Vergütungsansprüche des Klägers.

2

Der 1989 geborene Kläger nahm zum 1. August 2010 eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der beklagten Bank auf. Die Ausbildungszeit sollte zum 31. Januar 2013 enden.

3

Am 11. Februar 2011 und am 30. März 2011 meldete sich der Kläger arbeitsunfähig und nahm am Berufsschulunterricht nicht teil. Er besuchte an diesen Tagen eine Spielhalle, wo er mehrere Zahlungen mit seiner EC-Karte vornahm und dabei sein Konto überzog.

4

Am 20. Juni 2011 war er mit dem Bankkaufmann S in der Filiale der Beklagten in G tätig. Der Kläger zählte an diesem Tag das sich in den Nachttresor-Kassetten befindliche Geld mit einer Zählmaschine. Dabei war Herr S nicht anwesend. Es ist ungeklärt, ob die Bündelung der Geldscheine nach der Zählung durch den Kläger oder Herrn S erfolgte. Im späteren Verlauf des Tages schweißte Herr S die Geldbündel zur Weiterleitung an die Landeszentralbank ein. Die Zentralbank stellte einen Kassenfehlbestand von 500,00 Euro in Form von zehn fehlenden 50-Euro-Scheinen fest. Hiervon erlangte die Beklagte am 28. Juni 2011 Kenntnis.

5

Die Beklagte bat den Kläger zu einem Personalgespräch am 30. Juni 2011. Diesen Termin nahm der Kläger aus persönlichen Gründen nicht wahr. Es wurde daraufhin eine Verlegung auf den 4. Juli 2011 vereinbart, obwohl dem Kläger ab diesem Tag für zwei Wochen Urlaub bewilligt worden war. Am 3. Juli 2011 sagte der Kläger den Termin ab, weil er kurzfristig am nächsten Tag noch in den Urlaub fliege. Das Gespräch fand schließlich am 21. Juli 2011 statt. Dem Kläger wurden die beabsichtigten Gesprächsthemen vorher nicht mitgeteilt. An dem Treffen nahmen das Vorstandsmitglied Si, der Ausbildungsleiter K sowie der Kläger teil.

6

Der Kläger räumte bei der Unterredung ein, dass er den Termin am 4. Juli 2011 nicht wegen einer Flugreise abgesagt habe. Er habe vielmehr zwei Wochen in einer Gießerei gearbeitet. Es wurden sodann die Fehlzeiten des Klägers im Berufsschulunterricht sowie seine Spielhallenbesuche besprochen. Der Kläger teilte mit, dass er wegen des Glückspiels Therapiestunden bei einer Beratungsstelle besuche. Über deren Inhalt und Zielsetzung ist nichts Näheres bekannt. Die Vertreter der Beklagten sprachen den Kläger auf Kassenfehlbeträge in Filialen, in denen der Kläger eingesetzt wurde, an. Dies betraf eine Differenz iHv. 50,00 Euro am 3. Juni 2011 in der Filiale D sowie die fehlenden 500,00 Euro am 20. Juni 2011 in G. Der diesbezügliche Gesprächsverlauf ist zwischen den Parteien streitig geblieben.

7

Mit Schreiben vom 22. Juli 2011 teilte die Beklagte dem bei ihr gebildeten Betriebsrat unter Nennung der Sozialdaten des Klägers mit, dass sie beabsichtige das Ausbildungsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß zu kündigen. Dem Betriebsrat wurde der Kassenfehlbetrag von 500,00 Euro am 20. Juni 2011 genannt. Da der Kläger alleine gebündelt habe und dies nicht nachkontrolliert worden sei, müsse die Beklagte „davon ausgehen, dass er die Differenz ‚verursacht‘ habe“. Im Gespräch mit Herrn Si und Herrn K habe der Kläger selbst die Höhe des Fehlbetrags genannt. Ferner habe er zugegeben, dass die Differenz in D am 3. Juni 2011 von ihm verursacht worden sei. Der Kläger habe weiterhin ausgeführt, dass er spielsüchtig sei. Zudem enthält die Betriebsratsanhörung Angaben zu den Fehlzeiten in der Berufsschule und zu der nicht genehmigten Arbeit in einer Gießerei während des Erholungsurlaubs. Insgesamt sei der Kläger für die Bank nicht mehr tragbar. Die Fortführung des Ausbildungsverhältnisses mit ihm stelle ein erhöhtes Risiko dar.

8

Der Betriebsrat stimmte der Kündigung noch mit Vermerk vom 22. Juli 2011 zu. Daraufhin kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis mit Schreiben vom 22. Juli 2011 außerordentlich fristlos zum 25. Juli 2011 und hilfsweise ordentlich zum 30. September 2011. Darin wurde die Kündigung entsprechend der Unterrichtung des Betriebsrats begründet. Die für das Ausbildungsverhältnis unverzichtbare Vertrauensbasis sei nicht mehr gegeben und könne auch nicht wieder hergestellt werden. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 25. Juli 2011 zu.

9

Mit seiner am 1. August 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage vom 29. Juli 2011 hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt. Das von ihm mit weiterem Schreiben vom 29. Juli 2011 beantragte Verfahren vor dem Schlichtungsausschuss der Industrie- und Handelskammer (IHK) T endete am 12. September 2011 ohne Einigung. Der Ausschuss fällte allerdings keinen Spruch. Er stellte lediglich das Scheitern der Verhandlungen fest. Damit sei der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet.

10

Nach Ansicht des Klägers ist die streitgegenständliche Kündigung unwirksam. Eine Verdachtskündigung sei im Ausbildungsverhältnis nicht zulässig. Eine solche widerspreche dem Zweck und Charakter der Berufsausbildung. Sie sei auch mit der besonderen Fürsorgepflicht des Ausbildenden nicht zu vereinbaren. Zudem bestehe kein hinreichender Tatverdacht. Er habe zwar entgegen der Anweisung, dass ein Auszubildender bei einem Zählvorgang durch einen Bankkaufmann kontrolliert werden müsse („Vier-Augen-Prinzip“), die Zählungen am 20. Juni 2011 in G alleine vorgenommen. Die Bündelung und das Einschweißen der Geldscheine sei jedoch durch Herrn S erfolgt. Dieser habe somit ebenso Zugriff auf das Geld gehabt wie andere Beschäftigte der Beklagten in dieser Filiale. Die Geldbestände seien nicht durchgehend gesichert gewesen. Die Beklagte habe sich auch nicht durch eine entsprechende Befragung von Herrn S einen vollständigen Überblick über die Geschehnisse verschafft.

11

Die Besprechung am 21. Juli 2011 sei keine ordnungsgemäße Anhörung gewesen. Dazu wäre die vorherige Mitteilung des beabsichtigten Gesprächsinhalts erforderlich gewesen. Die Beklagte hätte ihn darauf hinweisen müssen, dass er einen Rechtsanwalt oder eine sonstige Person seines Vertrauens hinzuziehen könne. Sie stelle zudem den Gesprächsverlauf falsch dar. Er habe nicht von sich aus den Fehlbetrag von 500,00 Euro genannt. Vielmehr hätten die Vertreter der Beklagten vorher erwähnt, dass zehn 50-Euro-Scheine gefehlt hätten. Daher sei ihm der Gesamtbetrag bekannt gewesen. Im Übrigen wäre die Anhörung auch fehlerhaft, wenn er erstmals die Summe von 500,00 Euro genannt hätte, denn dann hätte die Beklagte ihn anlässlich der Begründung eines Verdachts wegen Offenbarung von Täterwissen zu einer erneuten Anhörung einladen müssen. Die bloße Fortsetzung des Gesprächs stelle keine ordnungsgemäße Anhörung bezüglich dieser neuen Verdachtstatsachen dar. Zudem habe die Beklagte bei der Anhörung gegen datenschutzrechtliche Vorgaben (§§ 4, 32 BDSG) verstoßen.

12

Die Kündigung scheitere auch an dem Fehlen einer einschlägigen Abmahnung sowie an der vorzunehmenden Interessenabwägung. Bei dieser sei zu berücksichtigen, dass er kurz vor Vollendung seines ersten Ausbildungsjahres gestanden habe und das Berufsausbildungsverhältnis für ihn von existenzieller Bedeutung sei. Der in Frage stehende wirtschaftliche Schaden der Beklagten sei „überschaubar“. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte das Entstehen einer solch unklaren Situation bei einem Fehlbetrag maßgeblich zu verantworten habe. Wären die Vorgaben hinsichtlich des „Vier-Augen-Prinzips“ bei einem Zählvorgang und einer stringenten Kontrolle der Auszubildenden beachtet worden, wäre der Verdacht gegen ihn nicht entstanden. Durch eine konsequente Anwendung der Sicherheitsvorschriften könne die Beklagte künftig die Entstehung einer solchen Problematik ausschließen.

13

Weiterhin sei die Zwei-Wochen-Frist des § 22 Abs. 4 BBiG versäumt. Angesichts einer Kenntniserlangung von dem Fehlbetrag am 28. Juni 2011 und einem bewilligten Erholungsurlaub vom 4. Juli bis zum 18. Juli 2011 hätte die Beklagte ihn entweder noch in der Woche bis zum 1. Juli 2011 oder schriftlich anhören müssen.

14

Die Kündigung sei außerdem mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam. Der Anhörung sei nicht zu entnehmen, welche konkrete Handlung ihm vorgeworfen werde. Es werde nicht deutlich, dass es sich um eine Verdachtskündigung handeln solle. Zudem sei der Betriebsrat inhaltlich falsch unterrichtet worden. Er, der Kläger, habe nie erklärt, den Fehlbetrag von 50,00 Euro in D verursacht zu haben und spielsüchtig zu sein.

15

Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei unwirksam, da ein Berufsausbildungsverhältnis nach Ablauf der Probezeit nur außerordentlich gekündigt werden könne. Die Beklagte sei zur Nachzahlung der Ausbildungsvergütung iHv. monatlich 907,00 Euro für die Zeit von August 2011 bis einschließlich November 2011 sowie des anteiligen dreizehnten Monatseinkommens iHv. 1.360,50 Euro brutto verpflichtet.

16

Der Kläger hat daher zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 22. Juli 2011, zugegangen am 25. Juli 2011, nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 30. September 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 907,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. September 2011 zu zahlen;

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 907,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. Oktober 2011 zu zahlen;

        

5.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 907,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. November 2011 zu zahlen;

        

6.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 1.360,50 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. Dezember 2011 zu zahlen.

17

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag mit der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 22. Juli 2011 begründet. Die Verdachtskündigung eines Ausbildungsverhältnisses sei jedenfalls dann möglich, wenn dessen besonderer Charakter eine vertiefte Vertrauensbasis erfordere. Dies sei bei der Ausbildung zum Bankkaufmann der Fall. Die Voraussetzungen einer wirksamen Verdachtskündigung seien hier erfüllt. Die Anhörung des Klägers am 21. Juli 2011 sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Themen der Besprechung hätten dem Kläger vorher nicht bekannt gegeben werden müssen. Zudem habe sich der Verdacht eines Vermögensdeliktes erst im Verlauf des Gesprächs ergeben. Der Kläger habe von sich aus einen Fehlbetrag von 500,00 Euro genannt, ohne dass diese Summe oder fehlende Einzelbeträge zuvor erwähnt worden seien.

18

Es seien alle möglichen und erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen durchgeführt worden. Nachdem der Kläger im Gespräch am 21. Juli 2011 durch Preisgabe seines Täterwissens den Verdacht begründet habe, wäre eine weitere Anhörung bloße Förmelei gewesen. Der Ausbildungsleiter K habe auch Herrn S telefonisch befragt. Dieser habe mit einer E-Mail noch am 21. Juli 2011 mitgeteilt, dass der Kläger das Geld am 20. Juni 2011 sowohl gezählt als auch gebündelt habe.

19

Der begründete Verdacht der Unterschlagung von 500,00 Euro habe das erforderliche Vertrauen zu dem Kläger zerstört. Dabei sei auch die Spielsucht zu berücksichtigten, welche der Kläger am 21. Juli 2011 ausdrücklich eingeräumt habe. Deshalb habe er sich in Therapie befunden. Der Betriebsrat sei auch in diesem Punkt ordnungsgemäß unterrichtet worden.

20

Die Vorinstanzen haben die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageziele weiter.

Entscheidungsgründe

21

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Das Berufsausbildungsverhältnis wurde durch die Kündigung der Beklagten vom 22. Juli 2011 gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG mit ihrem Zugang am 25. Juli 2011 beendet. Mangels eines darüber hinausgehenden Bestands des Ausbildungsverhältnisses ist die Klage auch unbegründet, soweit sie sich gegen die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 30. September 2011 richtet und Vergütungsansprüche für die Zeit ab dem 1. August 2011 zum Gegenstand hat.

22

I. Die Klage ist zulässig.

23

1. Die nach § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG erforderliche Verhandlung vor dem bei der IHK T gebildeten Schlichtungsausschuss ist erfolgt.

24

a) Die nach § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG erforderliche Anrufung eines bestehenden Schlichtungsausschusses ist eine von Amts wegen zu beachtende Prozessvoraussetzung für arbeitsgerichtliche Klagen in Ausbildungsstreitigkeiten. Nach § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG muss der Klage in allen Fällen die Verhandlung vor dem Ausschuss vorangegangen sein. Der Mangel der Nichtanrufung des Schlichtungsausschusses kann jedoch nach Klageeinreichung noch geheilt werden, wenn das Schlichtungsverfahren gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG nachgeholt wird. Die Klage wird dann nachträglich zulässig (vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 494/06 - Rn. 10).

25

b) Die Parteien verhandelten vor dem Schlichtungsausschuss der IHK T am 5. September 2011. Ausweislich des Protokolls erging jedoch entgegen § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG kein Spruch. Es fand nur eine mündliche Verhandlung statt (§ 111 Abs. 2 Satz 2 ArbGG). Dies ist grundsätzlich unzureichend für die Erfüllung der Prozessvoraussetzung (vgl. GMP/Prütting ArbGG 8. Aufl. § 111 Rn. 19; GK-ArbGG/Mikosch Stand Juni 2014 § 111 Rn. 24). Ausweislich des Protokolls wurde allerdings festgestellt, dass mangels einer Einigungsmöglichkeit die Verhandlung gescheitert und den Parteien der Weg zum Arbeitsgericht eröffnet sei. Hierdurch hat der Ausschuss den Abschluss des Verfahrens zum Ausdruck gebracht. Der Prozessvoraussetzung des § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG ist damit Genüge getan. Verweigert der Ausschuss den ordnungsgemäßen Abschluss des Schlichtungsverfahrens, ist der betroffene Antragsteller prozessual nicht schlechter zu stellen, als wenn der Ausschuss die Durchführung des Verfahrens gänzlich verweigert oder mitgeteilt hätte, dass ein Spruch nicht möglich sei. Auch in diesen Fällen kann die Klage erhoben werden (vgl. Zimmermann in Natter/Gross ArbGG 2. Aufl. § 111 Rn. 28; HWK/Kalb 6. Aufl. § 111 ArbGG Rn. 22; GK-ArbGG/Mikosch Stand Juni 2014 § 111 Rn. 21). Das Unterbleiben einer Entscheidung kann dem Antragsteller nicht angelastet werden (BAG 27. November 1991 - 2 AZR 263/91 - zu B I der Gründe).

26

2. Für die beiden Feststellungsanträge ist das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben, obwohl die Ausbildungszeit und damit das Berufsausbildungsverhältnis mangels Erfüllung eines Verlängerungstatbestands spätestens zum 31. Januar 2013 geendet hat (§ 21 Abs. 1 Satz 1 BBiG). Wäre die streitgegenständliche Kündigung unwirksam, so hätte dies Konsequenzen für den Inhalt des nach § 16 BBiG zu erteilenden Zeugnisses. Der Kläger könnte zudem ggf. weitere Vergütung sowie Schadensersatz nach § 23 BBiG verlangen(vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 494/06 - Rn. 12; 17. Juli 2007 - 9 AZR 103/07 - Rn. 11, BAGE 123, 247 zu § 16 Abs. 1 BBiG aF).

27

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat das Ausbildungsverhältnis wegen des dringenden Verdachts der rechtswidrigen Zueignung von 500,00 Euro Bargeld wirksam zum 25. Juli 2011 gekündigt.

28

1. Entgegen der Auffassung der Revision kann der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden einen wichtigen Grund iSd. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG darstellen.

29

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bilden(BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 14, BAGE 145, 278; vgl. auch 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 16, BAGE 146, 303). Eine auf einen solchen Verdacht gestützte Kündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich der Verdacht auf objektive Tatsachen gründet, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13, BAGE 143, 244). Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er in der Sache zutrifft (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 14, aaO; 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16).

30

b) Die in Art. 6 Abs. 2 MRK verankerte Unschuldsvermutung steht der Verdachtskündigung entgegen der Auffassung der Revision nicht entgegen. Die Unschuldsvermutung bindet unmittelbar nur den Richter, der über die Begründetheit der Anklage zu entscheiden hat (BAG 14. September 1994 - 2 AZR 164/94 - zu II 3 c der Gründe, BAGE 78, 18). Bei der Verdachtskündigung geht es nicht um die Verhängung einer Strafe, sondern um die Beendigung eines privatrechtlichen Dauerschuldverhältnisses (vgl. Krause in vHH/L 15. Aufl. § 1 Rn. 466; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 1 Rn. 633; Hoefs Die Verdachtskündigung S. 92, 93).

31

c) Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden kann auch die außerordentliche Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG rechtfertigen.

32

aa) Dies ist allerdings umstritten.

33

(1) Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 19. September 2006 (- 9 Sa 1555/05 - Rn. 26) entschieden, dass Verdachtskündigungen im Berufsausbildungsverhältnis grundsätzlich nicht zuzulassen seien. Eine nur in einem sehr engen Rahmen denkbare Ausnahme sei möglich, wenn der besondere Charakter des Ausbildungsverhältnisses eine vertiefte Vertrauensbasis zwischen den Vertragsparteien erfordere. In einem normalen Ausbildungsverhältnis ohne besondere Vertrauenssituation stünden dem Ausbildenden nach erfolgtem Aufklärungsversuch die Möglichkeiten der Abmahnung, ggf. der Versetzung, weit eher zur Verfügung als bei einem Arbeitnehmer, dessen Leistung an einem bestimmten Arbeitsplatz bereits bei der Einstellung fest eingeplant worden sei (zum Erfordernis besonderen Vertrauens vgl. bereits Heinze ArbuR 1984, 237, 243).

34

(2) In der Literatur wird diese Auffassung geteilt (KR/Weigand 10. Aufl. §§ 21 - 23 BBiG Rn. 48; ErfK/Schlachter 15. Aufl. § 22 BBiG Rn. 3; APS/Biebl 4. Aufl. § 22 BBiG Rn. 16; HWK/Hergenröder 6. Aufl. § 22 BBiG Rn. 6; Benecke in Benecke/Hergenröder BBiG § 22 Rn. 22; Schieckel/Oestreicher/Decker/Grüner BBiG Bd. 1 Stand 1. September 2013 § 22 Rn. 8; Schulien in Hurlebaus/Baumstümmler/Schulien Berufsbildungsrecht Stand Mai 2014 § 22 Rn. 50c; Lakies in Lakies/Malottke BBiG 4. Aufl. § 22 Rn. 48; Lakies/Nehls BBiG 3. Aufl. § 22 Rn. 47a). Es sei zu beachten, dass es sich beim Ausbildungsverhältnis nicht um ein Arbeitsverhältnis, sondern um ein besonderes Rechtsverhältnis handle, bei dem die charakterliche Förderung nach § 14 Abs. 1 Nr. 5 BBiG eine besondere Rolle spiele(Pepping in Wohlgemuth BBiG § 22 Rn. 23).

35

(3) Nach anderer Ansicht ist die Verdachtskündigung wegen ihrer erhöhten Anforderungen auch im Berufsausbildungsverhältnis zulässig (Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 15. Aufl. § 174 Rn. 95; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 228; Hoefs Die Verdachtskündigung S. 318; Stück in Braun/Mühlhausen/Munk/Stück BBiG § 15 Rn. 113; Herkert/Töltl BBiG Bd. 1 Stand Dezember 2014 § 22 Rn. 95 ff.; differenzierend Leinemann/Taubert BBiG 2. Aufl. § 22 Rn. 62). Die besondere Bedeutung des Ausbildungsverhältnisses könne im konkreten Einzelfall allerdings weiter gehende Einschränkungen erfordern (HK-ArbR/Herrmann 3. Aufl. § 22 BBiG Rn. 14).

36

bb) Der letztgenannten Auffassung ist zuzustimmen. Der dringende Tatverdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden kann dem Ausbildenden die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses unzumutbar machen und daher einen wichtigen Grund zur Kündigung nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG darstellen. Dem besonderen Charakter des Berufsausbildungsverhältnisses ist jedoch bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Verdachtskündigung Rechnung zu tragen.

37

(1) Berufsausbildungsverhältnisse und Arbeitsverhältnisse sind nicht generell gleichzusetzen, weil beide Vertragsverhältnisse unterschiedliche Pflichtenbindungen aufweisen (BAG 10. Juli 2003 - 6 AZR 348/02 - zu 2 a bb der Gründe, BAGE 107, 72; 16. Juli 2013 - 9 AZR 784/11 - Rn. 37, BAGE 145, 371). Inhalt eines Arbeitsverhältnisses ist nach § 611 BGB die Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung gegen Zahlung eines Entgelts. Demgegenüber schuldet der Auszubildende, sich ausbilden zu lassen, während die Hauptpflicht des Ausbildenden nach § 14 BBiG darin besteht, dem Auszubildenden die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Der Auszubildende schuldet im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung gegen Zahlung eines Entgelts, sondern hat sich nach § 13 Satz 1 BBiG zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist(BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 360/10 - Rn. 13 mwN).

38

(2) An den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes ist erkennbar, dass der Gesetzgeber es zur Erreichung des Ausbildungsziels für erforderlich gehalten hat, auf einen möglichst lange dauernden Bestand des Ausbildungsverhältnisses hinzuwirken und Kündigungen zu erschweren (BAG 16. Juli 2013 - 9 AZR 784/11 - Rn. 38, BAGE 145, 371). Die Erfüllung der Berufsausbildungsaufgabe verlangt eine besonders starke Bindung der Vertragsparteien (BT-Drs. V/4260 S. 11 zu § 15 BBiG aF). Konsequenterweise ist eine ordentliche Kündigung nach Ablauf der Probezeit durch den Ausbildenden nicht möglich. Es bedarf eines wichtigen Grundes iSv. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG. Dies entspricht dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jedes Dauerrechtsverhältnis aus einem wichtigen Grund fristlos gekündigt werden kann. Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Berufsausbildungsverhältnissesbis zum Ablauf der Ausbildungszeit nicht zugemutet werden kann (BT-Drs. V/4260 aaO). Das Verständnis des wichtigen Grundes iSv. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG entspricht somit dem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB(vgl. hierzu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16 mwN). Diese Parallelität spricht für die grundsätzliche Zulässigkeit der Verdachtskündigung auch im Berufsausbildungsverhältnis.

39

(3) § 10 Abs. 2 BBiG steht dem nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift sind auf den Berufsausbildungsvertrag die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden, soweit sich aus dem Wesen und Zweck des Berufsausbildungsvertrags und aus dem Berufsbildungsgesetz nichts anderes ergibt. Dies ist bezogen auf die grundsätzliche Anerkennung eines Tatverdachts als wichtiger Grund iSv. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nicht der Fall. Auch bei Berücksichtigung der besonderen Verpflichtungen des Ausbildenden, welche nach § 14 Abs. 1 Nr. 5 BBiG auch die charakterliche Förderung des Auszubildenden umfassen, bedarf es zur zumutbaren Durchführung des Ausbildungsverhältnisses einer tragfähigen Vertrauensbasis. Insbesondere muss der Ausbildende darauf vertrauen können, dass der Auszubildende ihn nicht vorsätzlich schädigt.

40

(4) Die vom Landesarbeitsgericht Köln und Teilen der Literatur geforderte besondere Vertrauensstellung bzw. vertiefte Vertrauensbasis ist keine Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verdachtskündigung. Die Revision führt insoweit zutreffend aus, dass ein solches Kriterium zu unbestimmt wäre. Es lässt sich nicht hinreichend eingrenzen, bei welchen Ausbildungen eine solche vertiefte Vertrauensbasis gegeben sein muss. Dieses Erfordernis kann aus unterschiedlichen Gründen gegeben sein. Es gibt Ausbildungsberufe, bei denen ein hohes Maß an Vertrauen wegen der Erlangung der Kenntnis von Betriebsgeheimnissen erforderlich ist (vgl. § 13 Satz 2 Nr. 6 BBiG). Ferner existieren Ausbildungsberufe, bei denen ein besonderes Risiko daraus resultiert, dass der Auszubildende Umgang mit gefährlichen Maschinen hat, welche auch Dritte gefährden können. Auch hier muss die entsprechende Vertrauensbasis bestehen. Eine solche Grundlage muss auch gegeben sein, wenn der Auszubildende Zugang zu Bargeldbeständen hat. Dies hängt allerdings nicht von der Ausbildung ab, sondern von den Verhältnissen im Ausbildungsbetrieb. Alle Ausbildungen in Betrieben mit nicht hinreichend gesicherten Barkassen wären erfasst. Unabhängig von dem Ausbildungsgang wäre die besondere Vertrauensstellung deshalb in einer Vielzahl von Fällen bezogen auf die Umstände im Betrieb zu prüfen. Dies gilt auch bei Zugang zu anderen Wertgegenständen. Zudem hat schon Heinze (ArbuR 1984, 237, 243) darauf hingewiesen, dass in größeren Betrieben der Auszubildende den Einsatzort öfter wechselt. Hierbei mag es Bereiche geben, in denen eine vertiefte Vertrauensbasis erforderlich ist, in anderen nicht. In der Gesamtschau ist die Unterscheidung zwischen einem „normalen Ausbildungsverhältnis“ und einem mit besonderer Vertrauensstellung kein taugliches Kriterium für die grundsätzliche Zulässigkeit der Verdachtskündigung. Eine besondere Vertrauensstellung ist vielmehr bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses in die Interessenabwägung einzustellen.

41

(5) Die enge Bindung der Parteien des Berufsausbildungsvertrags ist bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Verdachtskündigung im Einzelfall zu berücksichtigen. Dabei ist dem Umstand Sorge zu tragen, dass es sich bei Auszubildenden typischerweise um Personen mit geringer Lebens- und Berufserfahrung handelt und den Ausbildenden besondere Fürsorgepflichten sowohl in charakterlicher als auch körperlicher Hinsicht treffen (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 BBiG). Ein Tatverdacht kann nur dann einen wichtigen Grund iSd. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG zur Kündigung darstellen, wenn der Verdacht auch bei Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses dem Ausbildenden die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar macht. Dies bedarf einer Würdigung der Umstände im Einzelfall.

42

(6) Vor diesem Hintergrund dringen die weiteren Einwände der Revision nicht durch.

43

(a) Es ist zwar zutreffend, dass der mit der Kündigung verbundene faktische Abbruch der Ausbildung und das Verstreichen einer ggf. erheblichen Zeitspanne bis zur Wiederaufnahme der Ausbildung für den Auszubildenden besonders schwerwiegend ist. Dies gilt jedoch auch im Falle einer Tatkündigung, bei der nach dem Unterliegen im Kündigungsschutzverfahren zudem kein Wiedereinstellungsanspruch in Betracht kommt (zu einem solchen Anspruch bei einer Verdachtskündigung vgl. ErfK/Müller-Glöge 15. Aufl. § 626 BGB Rn. 184; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 234). Bei der Verdachtskündigung ist außerdem ein strenger Maßstab anzulegen. Die besondere Schutzwürdigkeit des Auszubildenden ist dabei im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Die grundsätzliche Unzulässigkeit der Verdachtskündigung ist zur Gewährleistung des Schutzniveaus nicht erforderlich.

44

(b) Auch der Hinweis auf die Möglichkeit einer verstärkten Überwachung eines in Verdacht geratenen Auszubildenden trägt nicht. Die Realisierbarkeit und Zumutbarkeit einer verstärkten Anleitung und Kontrolle muss einzelfallbezogen beurteilt werden. Eine gleichsam permanente Überwachung des Auszubildenden zur Verhinderung von Vermögensdelikten ist dem Ausbildenden in der Regel nicht zumutbar. Dies stünde auch im Widerspruch zum Charakter des Ausbildungsverhältnisses, welches dem Auszubildenden nach § 13 BBiG Pflichten auferlegt und dabei die Beachtung materieller Interessen des Ausbildenden vorschreibt(vgl. § 13 Satz 2 Nr. 5, Nr. 6 BBiG).

45

(c) Schließlich ist die Verdachtskündigung auch nicht wegen der Befristung des Ausbildungsverhältnisses auszuschließen. Dies berücksichtigt § 22 Abs. 2 BBiG bereits mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündigung nach der Probezeit. Zudem besteht insoweit kein Unterschied zum befristeten Arbeitsverhältnis.

46

2. Die streitgegenständliche Kündigung vom 22. Juli 2011 hat das zwischen den Parteien bestehende Berufsausbildungsverhältnis mit ihrem Zugang am 25. Juli 2011 gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG wegen des dringenden Verdachts des Diebstahls bzw. der Unterschlagung von 500,00 Euro beendet.

47

a) Die Würdigung, ob dem Auszubildenden ein Vermögensdelikt zum Nachteil seines Ausbildenden oder eine ähnlich schwerwiegende Pflichtverletzung anzulasten ist oder ob zumindest ein dahingehender dringender Verdacht besteht, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung iSd. § 286 ZPO. Diese ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Berufungsgericht den Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob eine Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei, ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt und ob sie rechtlich möglich ist (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 16, BAGE 145, 278; 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29).

48

b) Bei Berücksichtigung dieses revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs hat das Landesarbeitsgericht die Wirksamkeit der streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung rechtsfehlerfrei bejaht.

49

aa) Es ist der dringende Tatverdacht der Begehung eines Vermögensdelikts zulasten der Beklagten gegeben. Dieser Verdacht ist geeignet, das für die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören.

50

(1) Das Landesarbeitsgericht ist nach Vernehmung des Zeugen K zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger in dem Gespräch am 21. Juli 2011 von sich aus den Betrag von 500,00 Euro genannt hat, welcher als Kassendifferenz der Filiale G am 20. Juni 2011 festgestellt wurde. Dies habe der Zeuge K widerspruchsfrei im Rahmen seiner Darstellung des Gesprächsverlaufs in jeder Hinsicht glaubhaft ausgesagt. Durch diese Offenbarung von Täterwissen könne mit großer Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden, dass sich der Kläger und kein anderer Mitarbeiter den fehlenden Geldbetrag zugeeignet habe. Diese Beweiswürdigung ist sowohl hinsichtlich der Bewertung der Glaubwürdigkeit des Zeugen als auch seiner inhaltlichen Aussage nicht zu beanstanden. Die Preisgabe fundamentalen Täterwissens ist ohne Hinzutreten weiterer Umstände geeignet, einen dringenden Tatverdacht zu begründen.

51

(2) Entgegen der Auffassung der Revision musste das Landesarbeitsgericht Herrn S nicht zu der Frage vernehmen, ob er oder der Kläger das Geld gebündelt hatte. Das Landesarbeitsgericht konnte die Bündelung durch Herrn S am 20. Juni 2011 zugunsten des Klägers unterstellen, ebenso wie Zugriffsmöglichkeiten anderer Mitarbeiter. In jedem Fall hätte auch Herr S die Gelegenheit zur Unterschlagung von Bargeld gehabt, weil er unstreitig am Ende des Arbeitstags die Geldbündel zum Versand an die Zentralbank eingeschweißt hat. Entscheidend war aber, dass sich der Kreis der Verdächtigen wegen der Nennung des Geldbetrags durch den Kläger auf diesen eingegrenzt hatte. Ein weiteres „Bild von den Geschehensabläufen“ durch Vernehmung des Zeugen S musste sich das Gericht entgegen der Revision nicht machen.

52

(3) Dieser Verdacht ist geeignet, das für die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören.

53

(a) Begeht der Auszubildende eine rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlung unmittelbar gegen das Vermögen seines Ausbildenden, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 10 Abs. 2 BBiG iVm. § 241 Abs. 2 BGB und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen(vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 26, BAGE 134, 349). Dies gilt auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Gegenstände von geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat. Maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn. 27; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 13, BAGE 145, 278).

54

(b) Ein Diebstahl bzw. eine Unterschlagung von 500,00 Euro wäre demnach eine schwerwiegende Pflichtverletzung, auch wenn es sich mit den Worten der Revision aus Sicht einer Bank um einen „überschaubaren Betrag“ handeln mag.

55

bb) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Beklagte dem Kläger ordnungsgemäß Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe. Die von der Revision wegen einer rechtswidrigen Anhörung des Klägers angenommenen Beweisverwertungsverbote bestehen deshalb nicht.

56

(1) Der Ausbildende hat erst dann alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, wenn er dem Auszubildenden Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Die Notwendigkeit der Anhörung vor Erklärung einer Verdachtskündigung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Die Anhörung soll den Ausbildenden vor voreiligen Entscheidungen bewahren und der Gefahr begegnen, dass ein Unschuldiger von der Kündigung betroffen wird (vgl. zu § 626 Abs. 1 BGB BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 31). Der Umfang der Nachforschungspflichten und damit auch die Ausgestaltung der Anhörung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17; 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 24). Die Anhörung muss sich aber immer auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Auszubildende muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Ausbildenden im Dunkeln liegende Geschehnisse beizutragen (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 33).

57

(2) Sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Durchführung der Anhörung hat der Ausbildende auf die typischerweise bestehende Unerfahrenheit des Auszubildenden und die daraus resultierende Gefahr einer Überforderung gemäß § 10 Abs. 2 BBiG iVm. § 241 Abs. 2 BGB Rücksicht zu nehmen. Die Anhörung eines psychisch blockierten Auszubildenden kann ihren Zweck nicht erreichen. Zudem besteht bei einem Auszubildenden eher als bei einem berufserfahrenen Arbeitnehmer das Risiko der Einräumung einer nicht begangenen Tat, um sich damit der Situation zu entziehen. Auch mag ein Auszubildender sensibler auf eine Überzahl an Vertretern des Ausbildungsbetriebs reagieren als ein lebens- und berufserfahrener Arbeitnehmer mit größerem Selbstbewusstsein. Maßgeblich sind jedoch durchweg die Umstände des Einzelfalls. Dabei ist ein objektiver Maßstab aus Sicht eines verständigen Ausbildenden zugrunde zu legen.

58

(3) Hiervon ausgehend ist es entgegen der Revision grundsätzlich nicht erforderlich, den Auszubildenden vor Durchführung einer Anhörung über den beabsichtigten Gesprächsinhalt zu unterrichten.

59

(a) Die Auffassung der Revision, wonach Art. 103 Abs. 1 GG dies im Wege der mittelbaren Drittwirkung verlange, ist unzutreffend. Nach Art. 103 Abs. 1 GG hat jedermann vor Gericht Anspruch auf rechtliches Gehör. Diese Garantie gilt ausschließlich vor Gericht, das heißt bei allen staatlichen Gerichten iSd. Art. 92 GG(BeckOK GG/Radtke/Hagemeier Stand 1. Dezember 2014 GG Art. 103 Rn. 3; Kunig in v. Münch/Kunig GG 6. Aufl. Art. 103 Rn. 4; Nolte in v. Mangoldt/Klein/Starck GG 6. Aufl. Art. 103 Abs. 1 Rn. 16; aA Lembke RdA 2013, 82, 85).

60

(b) In Rechtsprechung und Literatur wird die Themenbekanntgabe vor der Anhörung gefordert (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 16. Dezember 2010 - 2 Sa 2022/10 - Rn. 31; HaKo/Gieseler 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 52; Lange/Vogel DB 2010, 1066, 1069; Klenter AiB 2012, 616, 619; vgl. auch Sasse/Freihube ArbRB 2006, 15, 16). Hierfür spricht, dass eine solche Information dem Arbeitnehmer bzw. Auszubildenden die inhaltliche und „mentale“ Vorbereitung auf das Gespräch ermöglicht (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 30. März 2012 - 10 Sa 2272/11 - Rn. 75; Eylert NZA-RR 2014, 393, 402; BeckOK BGB/Fuchs Stand 1. November 2014 BGB § 626 Rn. 43). Der Betroffene wird dadurch in die Lage versetzt, schon im Vorfeld der Anhörung zu entscheiden, ob er sich einlassen will oder nicht (Fischer BB 2003, 522, 523; Eylert/Friedrichs DB 2007, 2203, 2205). Bei umfangreichen und komplexen Sachverhalten ermöglicht eine entsprechende Vorbereitung eine substantiierte Einlassung in der Anhörung (vgl. Lücke BB 1998, 2259, 2261). Auch wird dem Arbeitnehmer Gelegenheit gegeben, sich schon vor der persönlichen Konfrontation mit Verdachtsmomenten an den Betriebsrat zu wenden oder sich Rat bei einem Rechtsanwalt einzuholen. Im Falle der Anhörung eines Auszubildenden kommt die mögliche Einschaltung der Jugend- und Auszubildendenvertretung hinzu.

61

(c) Andererseits besteht jedoch in Fällen des begründeten Verdachts die Gefahr einer Verdunkelung der Tat (Lembke RdA 2013, 82, 88; Dzida NZA 2013, 412, 415; Eylert/Friedrichs DB 2007, 2203, 2205; Gaul/Schmidt-Lauber ArbRB 2012, 18, 19; Lücke BB 1998, 2259, 2261), welcher nicht immer mit Mitteln der Beweissicherung zu begegnen sein wird (so aber wohl Lange/Vogel DB 2010, 1066, 1069). Zudem wird dem Anzuhörenden die Gelegenheit entzogen, sich möglichst unbefangen mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen und möglicherweise schon mit seiner spontanen Reaktion eine Entlastung herbeizuführen (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 35).

62

(d) Eine Mitteilung des beabsichtigten Gesprächsthemas ist gegenüber dem Auszubildenden deshalb grundsätzlich nicht erforderlich (ebenso zur Anhörung eines Arbeitnehmers ErfK/Müller-Glöge 15. Aufl. § 626 BGB Rn. 178b). Die Revision weist allerdings zutreffend darauf hin, dass die Gesprächssituation den Auszubildenden erkennbar überfordern kann, sei es in psychischer Hinsicht oder wegen der Komplexität des Sachverhalts. Es entspricht dann der Rücksichtnahmepflicht des Ausbildenden, das Gespräch von sich aus oder auf Wunsch des Auszubildenden abzubrechen und eine erneute Anhörung anzuberaumen, wenn der Auszubildende grundsätzlich zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Verdachtsmomenten bereit ist. Damit erhält der Auszubildende die ggf. erforderliche Vorbereitungszeit (vgl. Dzida NZA 2013, 412, 414; ders. NZA 2014, 809, 814). Diese muss abhängig von den Umständen des Einzelfalls eine angemessene Dauer aufweisen (vgl. KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 230). Die Unterbrechung der Anhörung ist auch geboten, wenn der Auszubildende die Beratung mit einer Vertrauensperson verlangt. Der Ausbildende ist jedoch nicht verpflichtet, den Auszubildenden auf die Möglichkeit der Kontaktierung eines Rechtsanwalts hinzuweisen (vgl. Lange/Vogel DB 2010, 1066, 1069; Eylert/Friedrichs DB 2007, 2203, 2205; Lembke RdA 2013, 82, 89; Hunold Anm. NZA-RR 2010, 184). Dies gilt auch bezüglich sonstiger Vertrauenspersonen.

63

(4) Die Beklagte war demnach nicht verpflichtet, den Kläger vor der Anhörung am 21. Juli 2011 über den beabsichtigten Inhalt dieses Gesprächs zu informieren. Von einem 21-jährigen Auszubildenden darf ohnehin erwartet werden, dass er sich zu einem Kassenfehlbestand äußern kann und sei es auch nur mit der Aussage, dass er ihm nicht erklärlich sei. Für die Beklagte war eine Überforderung des Klägers während der Anhörung nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts objektiv nicht erkennbar. Der Kläger hat zur Frage der Kassendifferenz Stellung genommen, ohne einen Abbruch des Gesprächs zu verlangen.

64

(5) Die Durchführung der Anhörung ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden.

65

(a) Die Beklagte musste den Kläger nicht weiter über ihren Kenntnisstand bezüglich der Geschehnisse am 20. Juni 2011 in der Filiale G unterrichten oder den Kläger mit einem Bericht der Revisionsabteilung konfrontieren. Es war ausreichend, ihm mitzuteilen, dass an dem bestimmten Tag in der bestimmten Filiale ein Fehlbetrag zu verzeichnen war, und ihn zu fragen, ob er sich dies erklären könne. Dies war der maßgebliche Sachverhalt.

66

(b) Soweit der Kläger im Revisionsverfahren erstmals vorbringt, dass er durch weitere Recherchen in Erfahrung gebracht habe, dass sich der Fehlbetrag entgegen der Darstellung der Beklagtenvertreter in der Anhörung nicht nur auf die von ihm gezählten Gelder aus dem Nachttresor, sondern auch auf von ihm nicht gezähltes Geld aus dem Tresor und dem Schalterbereich beziehe, handelt es sich zum einen um neues Tatsachenvorbringen, welches in der Revisionsinstanz nicht mehr zulässig ist. Zum anderen würde die Vermengung der beiden Geldmengen nichts an dem Fehlbetrag und an der Begründung des Verdachts durch die klägerseitige Nennung der genauen Summe ändern.

67

(c) Die Anhörung erweist sich auch nicht als fehlerhaft, weil dem Kläger keine Gelegenheit zur Beiziehung eines Rechtsanwalts oder einer sonstigen Vertrauensperson gegeben wurde. Eine solche Beteiligung hat der Kläger nicht verlangt. Er kann daher mit der Revision auch nicht einwenden, dass ihm ein nahestehender Zeuge für den Gesprächsverlauf fehle.

68

(6) Entgegen der Revision handelt es sich bei der Anhörung nicht um eine nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG unzulässige Datenerhebung. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist hier nicht eröffnet.

69

(a) Die gesetzlichen Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung im Bundesdatenschutzgesetz konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts und regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe in dieses Recht zulässig sind(vgl. für das Datenschutzgesetz NRW BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16, BAGE 143, 343). Dies stellt § 1 Abs. 1 BDSG ausdrücklich klar. Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung nach dem Gesamtkonzept des Bundesdatenschutzgesetzes nur zulässig, wenn eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift diese erlaubt. Fehlt es an der danach erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder liegen deren Voraussetzungen nicht vor, ist die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten. Dieser das deutsche Datenschutzrecht prägende Grundsatz ist in § 4 Abs. 1 BDSG kodifiziert(BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 22, BAGE 145, 278).

70

(b) Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Begründung für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Auch Auszubildende sind gemäß § 3 Abs. 11 Nr. 2 BDSG Beschäftigte. Nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG dürfen zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

71

(c) Bei der zur Aufklärung von Verdachtsmomenten vorgenommenen Anhörung eines Arbeitnehmers bzw. Auszubildenden handelt es sich um eine Datenerhebung iSv. § 32 Abs. 1 BDSG.

72

(aa) Nach der Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 1 BDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Persönliche und sachliche Verhältnisse sind Informationen über die Person des Betroffenen oder über einen auf diesen bezogenen Sachverhalt (Weichert in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert BDSG 4. Aufl. § 3 Rn. 19; Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 3 Rn. 6, 7). Die Anhörung bezieht sich auf eine bestimmte Person und deren Angaben zu einem Sachverhalt, der wegen des Aufklärungszwecks sie selbst betrifft. Die Angaben werden über die betroffene Person iSd. § 3 Abs. 3 BDSG beschafft und damit erhoben.

73

(bb) § 32 BDSG setzt nicht voraus, dass die Datenerhebung zum Zwecke ihrer Nutzung und Verarbeitung in automatisierten Dateien erfolgt. Durch § 32 Abs. 2 BDSG wird die grundsätzliche Beschränkung der Anwendung des dritten Abschnitts des Bundesdatenschutzgesetzes auf dateigebundene bzw. automatisierte Verarbeitungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 3, § 27 Abs. 1 BDSG) ausdrücklich aufgehoben. Die Vorschrift erfasst damit sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrem Regelungsgehalt die Datenerhebung durch rein tatsächliche Handlungen (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 24, BAGE 145, 278). Damit sind auch Befragungen eines Beschäftigten erfasst (ErfK/Franzen 15. Aufl. § 32 BDSG Rn. 2; Stamer/Kuhnke in Plath BDSG § 32 Rn. 7; Riesenhuber NZA 2012, 771, 774).

74

(d) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Anhörung des Klägers am 21. Juli 2011 nicht unter Verletzung des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG erfolgt. Zwar stellt sie eine Datenerhebung dar, welche zur Aufdeckung einer Straftat vorgenommen wurde. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass tatsächliche Anhaltspunkte dokumentiert wurden, die den Verdacht gegen den Kläger im Vorfeld der Anhörung begründet und seine Anhörung veranlasst hätten. Die Anhörung ist aber keine Überwachungsmaßnahme. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG bezieht sich nicht auf jede Aufklärungshandlung, sondern nur auf Kontroll- bzw. Überwachungsmaßnahmen zur Aufdeckung einer Straftat.

75

(aa) Nach der Gesetzesbegründung sollte die Regelung des § 32 BDSG die bislang von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze des Datenschutzes im Beschäftigungsverhältnis nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 52, BAGE 146, 303; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 26, BAGE 145, 278; vgl. auch Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 32 Rn. 2; HWK/Lembke 6. Aufl. § 32 BDSG Rn. 2; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 1). § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG orientiert sich im Wortlaut an § 100 Abs. 3 Satz 1 TKG und inhaltlich an den Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht ua. in seinem Urteil vom 27. März 2003 (- 2 AZR 51/02 - BAGE 105, 356) zur verdeckten Überwachung von Beschäftigten aufgestellt hat (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Der Tatbestand des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ist daher auf diese oder vergleichbare Fälle von Kontrollmaßnahmen zu beschränken(ErfK/Franzen 15. Aufl. § 32 BDSG Rn. 31). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass Maßnahmen zur Aufdeckung einer Straftat in der Regel besonders intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreifen (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Dies ist bei (verdeckter) Überwachung von Beschäftigten der Fall, weshalb die - von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen - restriktiven Grundsätze der hierzu ergangenen Rechtsprechung mit § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG kodifiziert wurden. Die Vorschrift soll hinsichtlich der Eingriffsintensität vergleichbare Maßnahmen erfassen (vgl. Taeger/Gabel/Zöll § 32 BDSG Rn. 41). Die Gesetzesbegründung lässt umgekehrt darauf schließen, dass die erhöhten datenschutzrechtlichen Anforderungen des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG bei weniger belastenden Aufklärungsmaßnahmen, durch welche die Beschäftigten weder kontrolliert noch überwacht werden, keine Geltung beanspruchen sollen.

76

(bb) Demnach unterfällt die Anhörung eines Beschäftigten nicht den Anforderungen des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG(aA wohl Lembke RdA 2013, 82, 87; ders. in HWK 6. Aufl. § 32 BDSG Rn. 21). Die Anhörung ist weder Kontrolle noch Überwachung. Der Beschäftigte wird in offener Weise mit Verdachtsmomenten konfrontiert und erhält die Gelegenheit zu deren Entkräftung. Er kann sich der Anhörung - im Gegensatz zu einer Überwachungsmaßnahme - entziehen, indem er eine Einlassung verweigert. Dementsprechend hat die Rechtsprechung auch keinen einer Überwachungsmaßnahme vergleichbaren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht erkannt. Die in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG vorgesehenen Anforderungen sind daher nicht veranlasst. Wie dargelegt wollte der Gesetzgeber mit § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG nur Aufklärungsmaßnahmen erfassen, die wegen der Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht solch erhöhte Anforderungen verlangen.

77

(cc) Die Anhörung des Klägers musste auch nicht nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG dokumentiert werden. Im Rahmen der Anhörung entstand zwar die verdachtsbegründende Tatsache der Offenbarung von Täterwissen. Die Beklagte nahm aber nach der Anhörung deswegen keine weiteren Überwachungsmaßnahmen vor. Die Ermittlungen gegen den Kläger waren mit der Anhörung abgeschlossen.

78

(7) Die Anhörung des Klägers war gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig. Die damit verbundene Datenerhebung und -nutzung erfolgte für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses und war für die Entscheidung über dessen weitere Durchführung oder Beendigung erforderlich. Die Erforderlichkeit ergibt sich schon aus den Vorgaben der Rechtsprechung zur Wirksamkeit einer etwaigen Verdachtskündigung.

79

(8) Es kann hier unentschieden bleiben, ob § 32 Abs. 1 BDSG auch § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG verdrängt(vgl. zum Streitstand BeckOK DatenSR/Riesenhuber Stand 1. November 2014 BDSG § 32 Rn. 25 f.). Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG sind erfüllt. Das berechtigte Interesse der Beklagten folgt aus ihrer Verpflichtung zur Durchführung einer Anhörung im Rahmen der gebotenen Aufklärungsbemühungen. Das Interesse des Klägers an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung der durch die Anhörung gewonnenen Daten überwiegt demgegenüber nicht. Die Durchführung der Anhörung diente ursprünglich gerade seinem Interesse an einer Stellungnahme, welche die Möglichkeit zur Klärung des Sachverhalts in seinem Sinne gab. Der Umstand, dass sich erst durch die Anhörung der kündigungsbegründende Tatverdacht ergab, ändert daran nichts. Das Interesse des Klägers an der Nichtverwertung der belastenden Aussagen ist nicht schutzwürdig. Anderenfalls könnten nur entlastende Erkenntnisgewinne iSd. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG genutzt werden, während verdachtsbegründende oder -verstärkende Umstände unberücksichtigt bleiben müssten.

80

(9) Offenbleiben kann auch, ob § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG neben § 32 Abs. 1 BDSG zur Anwendung kommt. Dies wird trotz der eindeutigen Gesetzesbegründung, wonach § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG verdrängt wird(BT-Drs. 16/13657 S. 20), wegen der damit verbundenen und gesetzlich nicht beabsichtigten Absenkung des Schutzniveaus vertreten (vgl. Däubler in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert BDSG 4. Aufl. § 32 Rn. 9; Thüsing NZA 2009, 865; ErfK/Franzen 15. Aufl. § 28 BDSG Rn. 4). Im vorliegenden Fall diente die Anhörung nach der unbestrittenen Darstellung der Beklagten der Aufklärung des Sachverhalts, indem der Kläger zu der Kassendifferenz befragt wurde. Damit wurde der Zweck festgelegt. Anderes behauptet auch der Kläger nicht. Eine schriftliche Festlegung des Zwecks verlangt § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG nicht(Plath in Plath BDSG § 28 Rn. 90; Simitis in Simitis BDSG 8. Aufl. § 28 Rn. 43; Taeger/Gabel/Taeger § 28 BDSG Rn. 111). Eine generelle Verpflichtung zur schriftlichen Fixierung der Zweckfestlegung lässt sich auch der allgemeinen Vorschrift des § 9 BDSG nicht entnehmen(aA jedenfalls bei Anwendbarkeit der Anlage zu § 9 Satz 1 BDSG Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 28 Rn. 35). Eine schriftliche Dokumentation der mit einer Anhörung verbundenen Zwecksetzung wäre iSd. § 9 BDSG nicht erforderlich, da der Aufklärungszweck evident ist. Die Unterrichtungspflicht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BDSG kann auch ohne eine solche schriftliche Dokumentation erfüllt werden.

81

(10) Soweit der Kläger in der Verhandlung vor dem Senat einen Verstoß gegen § 4 Abs. 3 BDSG wegen der fehlenden Themenbekanntgabe vor der Anhörung behauptet hat, greift diese Rüge nicht durch. Etwaige Unterrichtungs- und Hinweispflichten nach § 4 Abs. 3 BDSG müssen nur vor der Datenerhebung erfüllt werden(BeckOK DatenSR/Bäcker Stand 1. November 2014 BDSG § 4 Rn. 76). Dies kann auch unmittelbar vor der Anhörung erfolgen. Weder der im Revisionsverfahren verwertbare Tatsachenvortrag des Klägers noch die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen auf entsprechende Pflichtverletzungen schließen.

82

(11) Die Anhörung des Klägers hat folglich weder datenschutzrechtliche Vorgaben noch in sonstiger Weise das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt. Ein auf die Erkenntnisse der Anhörung bezogenes prozessuales Beweisverwertungsverbot (vgl. hierzu BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 48 f., BAGE 146, 303) besteht daher nicht.

83

(12) Nach der Begründung des Verdachts im Verlauf des Gesprächs am 21. Juli 2011 war entgegen der Ansicht der Revision keine erneute Anhörung erforderlich. Die Verdachtsbegründung war mit der Nennung des Fehlbetrags durch den Kläger abgeschlossen. Der Kläger war am 21. Juli 2011 sogleich damit konfrontiert worden. Weiter gehende Ermittlungen, die neue verdachtsbegründende Tatsachen ergeben hätten, wurden von der Beklagten nicht durchgeführt (vgl. zu einem solchen Fall BAG 13. September 1995 - 2 AZR 587/94 - zu II 4 a der Gründe, BAGE 81, 27). Dies gilt auch, wenn die Beklagte sich erst nach der Anhörung des Klägers mit Herrn S am 21. Juli 2011 in Verbindung gesetzt haben sollte. Die Stellungnahme von Herrn S mit seiner E-Mail vom selben Tag hat keine neuen Erkenntnisse gebracht, welche eine erneute Anhörung erforderlich gemacht hätten. Herr S hat lediglich angeführt, dass der Kläger auch die Bündelung vorgenommen habe. Wie dargestellt, ist dies jedoch wegen der Verdachtsbegründung aufgrund der Nennung des Fehlbetrags nicht ausschlaggebend.

84

cc) Schließlich ist auch die durch das Landesarbeitsgericht bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses vorgenommene Interessenabwägung nicht zu beanstanden.

85

(1) Das Landesarbeitsgericht hat die mit dem Verlust des Ausbildungsplatzes verbundenen erheblichen Nachteile für die künftige berufliche Entwicklung des Klägers ebenso wie die im Herbst 2011 erfolgreich abgelegte Zwischenprüfung berücksichtigt. Es hat zugunsten des Klägers angeführt, dass er kurz vor Vollendung seines ersten Ausbildungsjahres stand, obwohl diese relativ kurze Dauer des Ausbildungsverhältnisses eher zu seinen Lasten hätte gewertet werden können. Ferner hat das Landesarbeitsgericht die fehlende Einhaltung der Kontrollvorschriften („Vier-Augen-Prinzip“) berücksichtigt.

86

(2) Es überschreitet den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum nicht, wenn es dennoch zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Interessen der Beklagten an der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses wegen des irreparablen, dh. auch durch eine Abmahnung nicht mehr auszugleichenden, Vertrauensverlustes überwiegen.

87

(a) Dabei hat das Landesarbeitsgericht den Kontakt des Klägers mit hohen Geldbeträgen angeführt. Die Beklagte könne nicht darauf verwiesen werden, den Kläger künftig in gesteigertem Maße zu überwachen. Dies ist nachvollziehbar, denn eine solche Kontrolldichte würde angesichts der Zugriffsmöglichkeiten auf Bargeld in einem Bankbetrieb eine unverhältnismäßige Belastung darstellen. Gelegenheiten des Diebstahls oder der Unterschlagung können bei entsprechendem Willen eines Beschäftigten potentiell auch bei der von der Revision angemahnten konsequenten Umsetzung von Anforderungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht an das Risikomanagement und Vorgaben der berufsgenossenschaftlichen Vorschriften (UVV Kassen) geschaffen werden.

88

(b) Nicht zu beanstanden ist auch das Abstellen auf die Fehltage in der Berufsschule am 11. Februar 2011 und 30. März 2011. Hierdurch hat der Kläger seine Verpflichtung aus § 13 Satz 2 Nr. 2 iVm. § 15 Satz 1 BBiG verletzt und damit das Ausbildungsverhältnis belastet. Dies steht entgegen der Revision nicht im Widerspruch zu der erfolgreich abgelegten Zwischenprüfung. Diese bezieht sich auf die fachlichen Inhalte der Ausbildung und nicht auf das Verhalten im Ausbildungsverhältnis.

89

(c) Das Landesarbeitsgericht hat ferner in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die „Spielproblematik“ abgestellt. Der Revision ist insoweit zwar zuzugestehen, dass mangels Feststellung einer Spielsucht ein Rückschluss auf das künftige Verhalten des Klägers insoweit schwierig ist. Das Landesarbeitsgericht durfte allerdings auf die unstreitigen Therapiestunden bei der Caritas und auf die spielbedingten Fehlzeiten im Berufsschulunterricht hinweisen. Vor diesem Hintergrund musste das Landesarbeitsgericht keinen unbeanstandeten Verlauf des Ausbildungsverhältnisses hervorheben.

90

3. Die nach § 22 Abs. 3 BBiG zu wahrenden Formerfordernisse wurden beachtet. Die Kündigung erfolgte schriftlich und gab den Kündigungsgrund an.

91

a) Nach § 22 Abs. 3 BBiG muss die Kündigung schriftlich und in den Fällen des § 22 Abs. 2 BBiG unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen. Der Kündigende muss dabei die Tatsachen mitteilen, die für die Kündigung maßgebend sind (vgl. zu § 15 Abs. 3 BBiG aF BAG 25. November 1976 - 2 AZR 751/75 - zu A III 1 a der Gründe). Pauschale Schlagworte und Werturteile genügen nicht (BAG 10. Februar 1999 - 2 AZR 176/98 - zu II 1 der Gründe). Der Ausbildende darf sich im Kündigungsschutzprozess nicht auf Gründe stützen, die er im Kündigungsschreiben nicht genannt hat (vgl. ErfK/Schlachter 15. Aufl. § 22 BBiG Rn. 7).

92

b) Diesen Anforderungen genügt das Kündigungsschreiben vom 22. Juli 2011. Dort wird sowohl der Kassenfehlbestand als auch die Begründung des Verdachts gegen den Kläger mitgeteilt. Es bleibt nicht unklar, auf welche Pflichtverletzung sich der Verdacht richtet. Die Beklagte hat deutlich gemacht, dass sie den Kläger verdächtigt, sich den Fehlbestand iHv. 500,00 Euro „angeeignet zu haben“. Deutlich wird auch, dass die Beklagte die für die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses „unverzichtbare Vertrauensbasis“ als nicht mehr gegeben und nicht wiederherstellbar ansieht. Die Beklagte offenbart auch ihre Annahme einer Spielsucht des Klägers aufgrund der Aussagen des Klägers in dem Gespräch am 21. Juli 2011. Damit begründet sie die aus ihrer Sicht bestehende Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Ausbildung. Soweit in dem Kündigungsschreiben weitere Pflichtverstöße angeführt werden (Fehlzeiten im Berufsschulunterricht; Arbeit in einer Gießerei während des Erholungsurlaubs), wird deutlich, dass die Beklagte das Ausbildungsverhältnis insgesamt als belastet ansieht. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Vertragsverstöße für sich genommen das Gewicht eines Kündigungsgrundes zum Ausdruck bringen. Die Beklagte hat sich im Prozess als Kündigungsgrund nur auf den - mitgeteilten - Verdacht eines Vermögensdelikts berufen.

93

4. Die Kündigung erfolgte auch unter Wahrung der Frist des § 22 Abs. 4 Satz 1 BBiG.

94

a) Nach § 22 Abs. 4 Satz 1 BBiG ist eine Kündigung aus wichtigem Grund unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als zwei Wochen bekannt sind. Die Vorschrift entspricht nach Inhalt und Zweck § 626 Abs. 2 BGB. Dementsprechend beginnt auch die Frist des § 22 Abs. 4 Satz 1 BBiG mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Ausbildungsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur so lange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen. Bei Vorliegen besonderer Umstände darf sie auch überschritten werden (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14 mwN; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54).

95

b) Demnach hatte die Beklagte von den der Kündigung zugrunde liegenden Tatsachen zum Zeitpunkt ihres Zugangs am 25. Juli 2011 nicht länger als zwei Wochen Kenntnis. Sie wusste zwar bereits seit dem 28. Juni 2011 von dem Kassenfehlbestand in G. Die Begründung des der Kündigung zugrunde liegenden Verdachts gegen den Kläger erfolgte jedoch erst in dessen Anhörung am 21. Juli 2011. Die Beklagte betrieb die Sachverhaltsaufklärung mit der gebotenen Eile, auch wenn die Anhörung nicht innerhalb einer Woche ab Kenntnis von der Kassendifferenz stattfand. Eine schriftliche Aufforderung zur Stellungnahme war nicht veranlasst. Durch die Anberaumung des Gesprächstermins zunächst auf den 30. Juni 2011 und dann auf den 4. Juli 2011 versuchte die Beklagte eine zeitnahe Anhörung durchzuführen. Am 30. Juni 2011 war der Kläger jedoch aus persönlichen Gründen verhindert. Den Termin am 4. Juli 2011 sagte er wegen einer angeblichen Flugreise ab. Nach dem Urlaubsende hat die Beklagte die Anhörung sodann zügig durchgeführt. Sie fand noch in der ersten Woche nach dem Urlaub statt. Nach der Verdachtsbegründung am 21. Juli 2011 hat die Beklagte die Kündigung innerhalb von zwei Wochen, nämlich bereits am 25. Juli 2011, erklärt.

96

5. Die Kündigung ist auch nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

97

a) Will der Arbeitgeber seine Kündigung auf den dringenden Verdacht einer erheblichen Pflichtverletzung stützen, muss er dies dem Betriebsrat mitteilen und die Umstände angeben, aus denen sich der konkrete Verdacht ergeben soll (BAG 23. April 2008 - 2 ABR 71/07 - Rn. 24). Nach dem Grundsatz der subjektiven Determination ist der Betriebsrat dabei ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die Gründe mitgeteilt hat, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen Kündigungsentschluss hat er regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 121/12 - Rn. 21).

98

b) Bei der Betriebsratsanhörung handelt es sich um eine atypische Willenserklärung, deren Auslegung grundsätzlich Sache der Tatsacheninstanz ist (BAG 22. September 2005 - 6 AZR 607/04 - zu II 4 b bb (1) der Gründe). Die Auslegung atypischer Willenserklärungen durch das Landesarbeitsgericht kann in der Revisionsinstanz nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (vgl. BAG 15. April 2014 - 3 AZR 435/12 - Rn. 18; 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 23).

99

c) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 22. Juli 2011 genüge inhaltlich den Anforderungen des § 102 BetrVG, hält den Angriffen der Revision stand.

100

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend auf den Grundsatz der subjektiven Determination abgestellt und ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Schluss gelangt, dass bei Berücksichtigung der Gesamtumstände die beabsichtigte Erklärung einer Verdachtskündigung für den Betriebsrat erkennbar gewesen sei. Dem Betriebsrat wurde der Geschehensablauf aus Sicht der Beklagten und die wesentliche verdachtsbegründende Tatsache (Nennung des Fehlbetrags durch den Kläger) mitgeteilt. Der Formulierung „müssen wir davon ausgehen, dass er die Differenz ‚verursacht‘ hat“, kann mit dem Landesarbeitsgericht die beabsichtigte Erklärung einer Verdachtskündigung entnommen werden. Jedenfalls lässt diese Wortlautinterpretation keine Tatsachen unberücksichtigt und verstößt nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze. Durch die Beschreibung der Gesamtumstände wird dem Betriebsrat hinreichend verdeutlicht, dass die Beklagte im Sinne eines Verdachts von einem Vermögensdelikt „ausgeht“. Die Dringlichkeit des Verdachts wird mit „müssen wir“ zum Ausdruck gebracht.

101

bb) Es ist mit dem Landesarbeitsgericht auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte den Betriebsrat bewusst falsch über die Verursachung des Fehlbetrags von 50,00 Euro in D und über eine Spielsucht des Klägers informiert hat. Die Beklagte ging hiervon aus. Wegen des Grundsatzes der subjektiven Determinierung der Betriebsratsanhörung ist daher unbeachtlich, ob diese Vorwürfe objektiv gerechtfertigt sind.

102

cc) Der Betriebsrat wurde auch nicht fehlerhaft über den Kündigungsgrund des Verdachts eines Vermögensdelikts unterrichtet, weil in der Anhörung noch weiteres Fehlverhalten des Klägers angeführt wurde (Fehlzeiten in der Berufsschule; Arbeit in der Gießerei während des Erholungsurlaubs). Es handelt sich ersichtlich um eine für die Interessenabwägung bedeutsame Darstellung der aus Sicht der Beklagten bestehenden Belastungen des Ausbildungsverhältnisses.

103

6. Die Klage ist auch im Übrigen unbegründet. Wegen der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses am 25. Juli 2011 bestand zum Zeitpunkt der beabsichtigten Beendigung durch die ordentliche Kündigung am 30. September 2011 kein Ausbildungsverhältnis mehr. Aus demselben Grund kann der Kläger die eingeklagte Ausbildungsvergütung für die Zeit ab dem 1. August 2011 nicht beanspruchen.

104

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    M. Jostes    

        

    M. Geyer    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.